Lernen im Trialog Heft 3 Clauß Peter Sajak (Hrsg.) Heilige Schriften Texte – Themen – Traditionen Sekundarstufen I und II Schulbuch Lernen im Trialog Heft 3 Heilige Schriften Texte – Themen – Traditionen Sekundarstufen I und II Herausgegeben von: Prof. Dr. Clauß Peter Sajak Erarbeitet von: Dorothee Herborn Prof. Dr. Clauß Peter Sajak Angela Legrum Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke Mit Beiträgen von: Prof. Dr. Hanna Liss Prof. Dr. Dr. Bernhard Lang Bernd Ridwan Bauknecht Prof. Dr. Lothar Kuld Ein Projekt der Herbert Quandt-Stiftung Bildquellenverzeichnis Umschlag vorne, S. 64, S. 82, S. 84, S. 85: Heinrich Drescher/Verlagsarchiv Schöningh; S. 54 (beide): Dorothee Herborn/Verlagsarchiv Schöningh; S. 63 Reinhild Kassing/Verlagsarchiv Schöningh; S. 68 (r.): © Jüdische Verlagsanstalt; S. 69 (l.): Nestle-Aland, Novum ­Testamentum Graece, 27., revidierte Auflage, hg. v. Barbara Aland, Kurt Aland, Johannes Karavidopoulos, Carlo M. Martini und Bruce M. Metzger in Zusammenarbeit mit dem Institut für Neutestamentliche Textforschung, Münster, © 1993 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart; S. 69 (r.): Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart; S. 70 (l.): Der Koran. Staatsdruckerei Bulaq, Ägypten; S. 70 (r.): Der Koran. Vollständig und neu übersetzt von Ahmad Milad Karimi. Hrsg. von Bernhard Uhde © Verlag Herder GmbH, Freiburg i. Br. 2014, S. 103; S. 74 (l.o.): Foto Herlich; S. 74 (r.M.): © Edmund Deppe; S. 74 (l.u.): © FRIEDRICH STARK; S. 75 (l.o.): Gustavo Alabiso / VISUM; S. 75 (r.M.): Caro / Trappe; S. 75 (l.u.): www.roggenthin.de; S. 78: © JiSign - Fotolia.com; weitere: Verlagsarchiv Schöningh Sollte trotz aller Bemühungen um korrekte Urheberangaben ein Irrtum unterlaufen sein, bitten wir darum, sich mit dem Verlag in Verbindung zu setzen, damit wir eventuell erforderliche Korrekturen vornehmen können. In der Reihe „Lernen im Trialog“ ist bereits erschienen: Heft 1: Gotteshäuser. Entdecken – Deuten – Gestalten. Best.-Nr.: 053650 Heft 2: Feste feiern. Jahreszeiten – Mahlzeiten – ­Lebenszeiten. Best.-Nr.: 053651 Die Reihe wird mit einem Heft zum Thema „Mensch und Schöpfung“ fortgesetzt. © 2015 Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH Braunschweig, Paderborn, Darmstadt www.schoeningh-schulbuch.de Schöningh Verlag, Jühenplatz 1 – 3, 33098 Paderborn Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung gescannt und in ein Netzwerk gestellt werden. Das gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen. Auf verschiedenen Seiten dieses Buches befinden sich Verweise (Links) auf Internetadressen. 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Texte – Themen – Traditionen 9 Zum Aufbau und zur Arbeit mit diesem Themenheft 13 Trialogische Perspektiven: Heilige Schriften 15 1. Die Heilige Schrift des Judentums: der TeNaK 15 2. Die Heilige Schrift des Christentums: die Bibel 20 3. Die Heilige Schrift des Islam: der Koran 26 4. H eilige Schriften lesen: TeNaK, Bibel und Koran aus didaktischer Perspektive 33 II. Praxisbeispiele für die interreligiöse Projektarbeit 37 Standards und Kompetenzen für das trialogische Lernen 37 Zum Thema: Heilige Schriften. Texte – Themen – Traditionen 40 Baustein 1: Texte: Basiswissen zu Heiligen Schriften erschließen 40 Baustein 2: Themen: Gestalten aus Heiligen Schriften untersuchen 48 Baustein 3: Traditionen: Literatur zu Heiligen Schriften gestalten 55 Material: M1: Lernstation: Heilige Schriften im Trialog 62 M2: Meditative Impulse aus den Heiligen Schriften 79 M3: Biblischen und koranischen Personen begegnen 82 M4: Mein Koffer 83 M5: Aufgabenkatalog „Lesetagebuch“ zu Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“ 86 III. Glossar der wichtigsten Begriffe für den Trialog der Religionen IV. Empfohlene Literatur für das Lernen im Trialog 87 95 3 Zum Schulenwettbewerb „Trialog der K ­ ulturen“ Zum Schulenwettbewerb „Trialog der ­Kulturen“ Bernadette Schwarz-Boenneke Die Thora, die Bibel und der Koran werden von den fundamentalistischen Angehörigen ihrer Religion verwendet, um damit eine bestimmte Position als die einzig Wahre darzustellen. So finden christliche Kreationisten zum Beispiel in der Bibel den – auch naturwissenschaftlich zu verstehenden – Beweis für eine Schöpfung der Welt in sieben Tagen. In den anderen Religionen lassen sich dafür ähnliche und weitere Beispiele nennen. Das Grundprinzip ähnelt sich, denn immer wieder wird die Heilige Schrift als unumstößliches und nicht mehr erklärungsnötiges Argument für das eigene Handeln oder die eigene Einstellung genommen. Richtig ist, dass Heilige Schriften immer zugleich Ausdruck des eigenen Glaubens und Orientierung für das eigene Leben waren und sind. Diskutiert aber wurde und wird in allen Religionen, wie mit dem Text kritisch umgegangen und wie und ob er interpretiert werden kann und muss. Die Heiligen Schriften der Religionen sind dokumentierte und durch die Zeit tradierte Zeugnisse gelebten Glaubens. Mehr noch: Sie sind selbst Wort und Offenbarung Gottes. Damit unterscheiden sie sich von allen anderen religiösen Werken, die jede Tradition zu bieten hat. Die Bedeutung dieser Texte für Gläubige ist vielen Zeitgenossen heute fremd. Umso wichtiger ist es, diese Relevanz zu erschließen, einen Umgang mit diesen Büchern zu vermitteln und eine kritische Auseinandersetzung damit zu ermöglichen. Gerade die Schule ist ein Ort, an dem junge Menschen aus unterschiedlichen Zusammenhängen tagtäglich miteinander lernen und leben. Sie bietet eine gute Voraussetzung dafür, interkulturelle und interreligiöse Kompetenzen zu fördern und eine gemeinsame Basis für unsere künftige Gesellschaft zu legen. Wie aber kann man interkulturelles und interreligiöses Lernen spannend ins Klassenzimmer bringen? Wie lassen sich Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Schulformen sowie Altersstufen ansprechen und für andere Religionen und Kulturen interessieren? Lernen im Trialog: eine neues Konzept Die Reihe „Lernen im Trialog“ bietet Ihnen Ideen für kreative und schülergerechte Projekte und Unterrichtseinheiten zu den drei Religionen Judentum, Christentum und Islam. Das vorliegende Heft „Heilige Schriften. Texte – Themen – Traditionen“ widmet sich den Heiligen Schriften in Judentum, Christentum und Islam. Ein jüdischer, christlicher und muslimischer Experte stellt die Bücher vor und erläutert den konkreten Umgang mit dem Buch in der Lebensund Glaubenspraxis. Alle Beiträge enden mit pädagogischen Hinweisen für die schulische Arbeit. Unterrichtsideen aus der Praxis Alle in diesem Heft vorgestellten Projektideen sind praxiserprobt. Schulen unterschiedlicher Schulformen und Jahrgangsstufen haben sie im Rahmen des „Trialog der Kulturen“-Schulenwettbewerbs1 entwickelt. Seit 2005 haben an die 200 Schulen aus verschiedenen Bundesländern an dem interkulturellen und projektorientierten Wettbewerb teilgenommen. Ein Schuljahr lang beschäftigen sich die Teilnehmer mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden der drei mo1 Weitere Informationen zum Wettbewerb und die aktuelle Ausschreibung finden Sie unter www.trialog-schulenwettbewerb.de. 4 Zum Schulenwettbewerb „Trialog der K ­ ulturen“ notheistischen Kulturtraditionen. Die Projekte verbinden nicht nur die drei Religionen miteinander. Sie weiten den Blick über den Religionsunterricht hinaus, finden z. B. Anknüpfungspunkte in Kunst-, Geschichts- oder Sprachenunterricht. Auch verbinden sie die Schule mit externen Lernorten und öffnen sie zum Stadtteil hin. Aus diesem reichen Fundus erfolgreicher Wettbewerbsbeiträge schöpft die Heftreihe „Lernen im Trialog“. Doch aus den kreativen Leistungen der Schulen lassen sich nicht nur spannende Unterrichtskonzepte gewinnen. Zusätzlich hat der Herausgeber dieser Reihe im Auftrag der Herbert Quandt-Stiftung erstmalig interkulturelle und interreligiöse Bildungsstandards aus den Schulprojekten abgeleitet.2 Die dabei definierten Kompetenzen sollen interkulturelle Lerninhalte verstärkt auf die Agenda von Bildungspolitik und Schulpraxis setzen. Noch mehr aber können sie Lehrerinnen und Lehrern als Orientierungspunkt und Richtschnur dienen, welche Fähigkeiten ihre Schülerinnen und Schüler im Prozess des interkulturellen und interreligiösen Arbeitens erwerben sollten. Standards für das trialogische Lernen Ein weiterer, aus der schulischen Praxis erwachsener Beitrag der Herbert QuandtStiftung für interkulturelles Lernen und Arbeiten ist das deutschlandweit erste Kinderfunkkolleg3, produziert vom Hessischen Rundfunk. In zehnminütigen Sendungen erklären Kinder zwischen sieben und dreizehn Jahren Gleichaltrigen, warum sie fasten, wieso sie glauben, wie sie beten und was es in einer Synagoge, Moschee oder Kirche zu entdecken gibt. Die Podcasts sowie begleitende Arbeitsmaterialien werden vielseitig im Unterricht eingesetzt. Kinderfunkkolleg „Trialog der Kulturen“ Nun aber wünsche ich Ihnen vielfältige Anregungen für Ihre Arbeit in der Schule. Ich hoffe, Sie und Ihre Schülerinnen und Schüler mit diesem Heft neugierig auf die verschiedenen Religion und Kulturen zu machen. 2 Siehe S. 8. Die Podcasts, Arbeitsmaterialien und medienpädagogische Anregungen finden Sie unter www.kinderfunkkolleg-trialog.de. [12.12.2014] 3 5 Zur Heftreihe „Lernen im Trialog“ Zur Heftreihe „Lernen im Trialog“ Clauß Peter Sajak „Trialog der Kulturen“Schulenwettbewerb Interreligiöse und interkulturelle Kompetenz zeigt sich nicht nur als Sachwissen über den Glauben, die Religion und die Kultur von anderen Menschen, sondern als Handlungsfähigkeit in der konkreten Situation der Begegnung mit Zeuginnen, Zeugen und Zeugnissen anderer Kulturen und Religionen. Der „Trialog der Kulturen“-Schulenwettbewerb der Herbert Quandt-Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, in angemessener Weise mit dem Glauben, der Religion und der Kultur anderer umzugehen. In diesem Themenheft der Publikationsreihe „Lernen im Trialog“ werden besonders gelungene Projekte aus dem Bereich des trialogischen Lernens vorgestellt und zur Nachahmung empfohlen. Nachdem wir vor vier Jahren die ersten fünf Wettbewerbsrunden in der Publikation „Trialogisch lernen“1 dokumentiert haben, wollen wir in dieser Reihe gelungene Wettbewerbsbeiträge für die konkrete Arbeit in der schulischen Praxis empfehlen und öffentlich zugänglich machen. Dabei steht für uns die Frage im Mittelpunkt, an welchen Themen und Phänomenen des religiösen Lebens sich Gespräche, Auseinandersetzungen und Lernprozesse im Bereich interreligiöser Bildung entwickeln. Aus den Antworten wurden vier Themenhefte konzipiert: Das erste Heft widmet sich den religiösen Gebäuden der abrahamischen Religionen – Stichwort: Sakralbauten.2 Das zweite Heft befasst sich unter dem Titel „Feste feiern“ mit den Jahreszyklen im Judentum, Christentum und Islam und den damit verbundenen Feste und Feiern.3 Das vorliegende dritte Heft wendet sich nun den Heiligen Schriften der drei Religionen zu und will Schülerinnen und Schüler befähigen, sich in konstruktiver und kreativer Weise mit den Offenbarungszeugnissen von Juden, Christen und Muslimen auseinanderzusetzen. Das vierte, noch ausstehende Themenheft wird den Titel „Mensch und Schöpfung“ tragen und den Menschen sowie seinen Umgang mit den Ressourcen aus Sicht der drei abrahamischen Religionen diskutieren. Damit sind nicht alle religionswissenschaftlich relevanten Themen angesprochen, aber die für Schülerinnen und Schüler bedeutsamen. Prozess des Austauschs und des Verstehens Studien aus dem Bereich des interreligiösen und interkulturellen Lernens zeigen, dass eine angemessene Begegnung zwischen den Schülerinnen und Schülern verschiedener Religionen und Kulturen nur möglich ist, wenn das kulturell oder religiös Trennende nicht aufgehoben oder aufgelöst wird, sondern als Unterscheidendes stehen bleibt. Nur so kann das Fremde zur Identitätsentwicklung der Schülerinnen und Schüler beitragen. Folglich gilt es, den Austausch und das Verständnis zu fördern, welche den Umgang mit dem Neuen bzw. Anderen im interreligiösen Lernprozesse ermöglichen. Ziel allen interreligiösen und interkulturellen Lernens ist es, fremde Religionen in ihrer Andersartigkeit zu akzeptieren, anzuerkennen und durch Begegnungen zu einem besseren Verständnis zu gelangen. Dieses Verständnis verändert den Standpunkt und die Perspektive der Schülerinnen und Schüler, sodass sie ihre Unsicherheiten, Ängste und Aggressionen gegenüber anderen Religion und Kulturen ablegen und 1 Clauß Peter Sajak (Hg.): Trialogisch lernen. Bausteine für die interkulturelle und interreligiöse Projektarbeit, Seelze 2010. 2 Ders. (Hg.): Gotteshäuser. Entdecken – Deuten – Gestalten (Lernen im Trialog. Bausteine für interreligiöse und interkulturelle Lernprojekte), Paderborn 2012. 3 Ders. (Hg.): Feste feiern. Jahreszeiten – Mahlzeiten – Lebenszeiten (Lernen im Trialog. Bausteine für inter­ religiöse und interkulturelle Lernprojekte 2), Paderborn 2013. 6 Zur Heftreihe „Lernen im Trialog“ zu einem abgeklärten und reflektierten Standpunkt in Sachen Religion gelangen. Im Rahmen des „Trialog der Kulturen“-Schulenwettbewerbs haben Schülerinnen und Schüler in beeindruckender Weise gezeigt, wie sich interreligiöse und interkulturelle Kompetenzen entdecken, zeigen und weiterentwickeln lassen. In der wissenschaftlichen Nachbereitung der Wettbewerbsbeiträge haben wir deshalb versucht, diese Kompetenzen zu sichten und zu kategorisieren: Was genau haben die Schülerinnen und Schüler in den verschiedenen Projekten der Wettbewerbsschulen gelernt? Was haben sie an Kompetenzen, also in der Sprache der Bildungswissenschaft, an Problemlösefähigkeiten im Bereich der abrahamischen4 Religionen und der mit ihnen verbundenen Kultursysteme hinzugewonnen? Im Gegensatz zu den katholischen, evangelischen, jüdischen und muslimischen Standards religiöser Bildung lassen sich aus den „Trialog“-Schulen Standards für die interreligiöse und interkulturelle Bildung5 erheben, die tatsächlich in der schulischen Praxis von Schülerinnen und Schülern erreicht und erfüllt worden sind. Wir sind also den umgekehrten Weg gegangen. interreligiöse und interkulturelle ­Kompetenzen Die im Folgenden ausgeführten Standards für das trialogische Lernen sind formale Beschreibungen von Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler der Wettbewerbsschulen konkret und in einer für die Jury erkennbaren und überprüfbaren Weise gezeigt und ausgewiesen haben. 4 In der Diskussion um die genaue Definition des Begriff „abrahamisch/abrahamitisch/abrahamistisch“ folgen wir auch in dieser Publikation Küng/Kuschel. Vgl. Hans Küng: Projekt Weltethos, München 1990 und Karl-Josef Kuschel: Streit um Abraham. Was Juden, Christen und Muslime trennt – und was sie eint, Düsseldorf 2011. 5 Zur Begrifflichkeit: Interkulturelles wie interreligiöses Lernen sind nicht identisch, sie zielen aber beide auf eine angstfreie, wertschätzende und reflektierte Auseinandersetzung mit dem Fremden, in der die eigene Identität gestärkt und ein wirklicher Dialog mit dem anderen möglich wird. In diesem Lernzielhorizont richtet das interreligiöse Lernen seinen Fokus auf das Feld der Religion (Jürgen Baumert: Modus der konstitutiven Rationalität), während das interkulturelle Lernen seinen Blick auf das Feld der Kultur mit all seinen Phänomenen richtet (Jürgen Baumert: Modus der ästhetisch-expressiven Rationalität). In diesem Sinne verschränken sich interreligiöses und interkulturelles Lernen, ohne dass das eine dem anderen unter- oder überzuordnen wäre (vgl. Clauß Peter Sajak: Kippa, Kelch, Koran. Interreligiöses Lernen mit Zeugnissen der Weltreligionen. Ein Praxisbuch, München 2010, S. 17 – 19). 7 Zur Heftreihe „Lernen im Trialog“ Kompetenzbereich 1: Die Relevanz erkennen Kompetenz 1.1: Schülerinnen und Schüler stellen die Bedeutung der drei abrahamischen Religionen für die europäische Kulturgeschichte dar. Kompetenz 1.2: Schülerinnen und Schüler nehmen Zeichen, Zeugnisse und Zeugen der abrahamischen Religionen und Traditionen bewusst wahr. Kompetenzbereich 2: Den Dialog fördern Kompetenz 2.1: Schülerinnen und Schüler zeigen die Bedeutung von Religion als grundlegendes kulturelles, gesellschaftliches Phänomen auf. Kompetenz 2.2: Schülerinnen und Schüler nehmen konstruktiv am Dialog teil und leisten einen Beitrag zur zwischenmenschlichen Verständigung. Kompetenzbereich 3: Den Anderen anerkennen Kompetenz 3.1: Schülerinnen und Schüler setzen sich mit Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen anderer Kinder und Jugendlicher auseinander. Kompetenz 3.2: Schülerinnen und Schüler begegnen Menschen anderer kultureller und religiöser Kontexte mit Respekt, Interesse und Wertschätzung. Kompetenzbereich 4: Die eigene Identität weiterentwickeln Kompetenz 4.1: Schülerinnen und Schüler setzen sich mit ihrem eigenen Glauben und ihrer eigenen Weltanschauung auseinander. Kompetenz 4.2: Schülerinnen und Schüler nehmen einen begründeten Standpunkt in ihrer eigenen Konfession, Religion oder Weltanschauung ein. Kompetenzbereich 5: Über die Schule hinaus wirken Kompetenz 5.1: Schülerinnen und Schüler eröffnen Perspektiven des abrahamischen Trialogs für Schulprofil und -gemeinschaft. Kompetenz 5.2: Schülerinnen und Schüler entwickeln Formen der Verständigung und der Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen und ihrem lokalen Umfeld. Alle Wettbewerbsbeiträge, auf die die Projektideen dieser Publikationsreihe zurückgehen, haben sich als in besonderer Weise geeignet gezeigt, Schülerinnen und Schüler beim Erwerb dieser Kompetenzen zu unterstützen. 8 I. Informationen für das trialogische Lernen I Informationen für das trialogische Lernen Unser Thema: Heilige Schriften. Texte – Themen – Traditionen Clauß Peter Sajak Der vorliegende dritte Band unserer Reihe „Lernen im Trialog“ ist den sogenannten Heiligen Schriften in den abrahamischen Religionen gewidmet. In Anlehnung an die klassische Definition von Gustav Mensching verstehen wir dabei Heilige Schriften als die „zu einem Kanon zusammengefassten religiösen Schriften mit religiöser Autorität“1, die in Judentum, Christentum und Islam jeweils zu einem Heiligen Buch zusammengefasst worden sind: die hebräische Bibel, die christliche Bibel und der Koran. Auch wenn sich die Definition Heiliger Schriften durchaus variieren und ausweiten lässt, hat Mensching doch in seiner klassischen Formel den Kern und das Wesen einer Heiligen Schrift genau getroffen. Es geht um Bücher, in denen die religiösen Traditionen einer Glaubensgemeinschaft dokumentiert, überliefert und verpflichtend gemacht worden sind. Dabei lassen sich in den Heiligen Schriften aller Religionen bestimmte Kategorien einer so tradierten Autorität wiederfinden, z. B. Mythen und Sagen über die Schöpfung der Welt, Legenden über die Gründergestalten der Religionsgemeinschaft, zentrale Texte über die Offenbarung Gottes gegenüber ausgewählten Personen, aber auch Formeln und Gebete sowie gesetzliche Vorschriften für Kult und Ritus.2 Heilige Schriften sind religiöse Schriften mit normativer Autorität Im Islam, der als jüngste der drei abrahamischen Religionen erst im Laufe des 7. Jahrhunderts nach christlicher Zeitrechnung entstanden ist und der in der Heiligen Schrift des Koran auf die jüdische und christliche Bibel zurückgreift, werden Juden und Christen deshalb als „Menschen der Schrift“ (Sure 5:44 – 48) bezeichnet. Damit bringt der Koran zum Ausdruck, dass sich Juden, Christen und Muslime auf die Offenbarungen des einen Gottes berufen, der sich im Laufe der Jahrhunderte verschiedenen ausgewählten Menschen gezeigt und zu ihnen gesprochen hat. Entsprechend verstehen Muslime den Propheten Muhammad, dem Gott über zwei Jahrzehnte in verschiedenen Offenbarungen seine Weisungen in Visionen kundgetan haben soll, als Abschluss einer langen prophetischen Tradition. Dies ist der Grund, warum sich in den 114 Suren des Korans, auf den sich die Muslime als ihr Offenbarungsdokument beziehen, eine Vielzahl von Geschichten und Personen vorkommt, die sich so auch in der jüdischen wie christlichen Bibel finden lassen. Ein noch engerer Zusammenhang besteht zwischen der hebräischen und der christlichen Bibel. Als hebräische Bibel wird die Zusammenstellung der fünf Bücher Mose, der Prophetenbücher und der sogenannten Weisheitsschriften im Judentum verstanden. Juden selbst sprechen vom sogenannten TeNaK, ein Akronym, das für die Kombination von Thora (das Gesetz Mose), Nebiim (die Propheten) und Ketubim (die Weisheitsschriften) steht. Das Christentum wiederum, dessen Ursprünge in der Samm- Die Schriften der Buchreligionen 1 2 Gustav Mensching: Das heilige Wort. Eine religionsphänomenologische Untersuchung, Bonn 1937, S. 79. Udo Tworuschka: Vom Umgang mit heiligen Schriften, in: ders. (Hg.), Heilige Schriften. Eine Einführung, Frankfurt a. M./Leipzig 2008, S. 11 – 49, hier: S. 15 f. 9 I. Informationen für das trialogische Lernen lungsbewegung des jüdischen Wanderpredigers Jesus von Nazareth liegen, hat entsprechend diese jüdische Bibel als ursprüngliche Heilige Schrift und als Referenzdokument für die jesuanische Lehre verstanden. So ist die Verkündigung Jesu, die wir heute als sogenannte Reich-Gottes-Botschaft bezeichnen und aus der dann in den folgenden Jahrhunderten die christliche Kirche und die Weltreligion des Christentums entstanden ist, nur zu verstehen, wenn die ständigen Bezugnahmen und Auslegungen Jesu zu den Texten des TeNaK in den Blick genommen werden. Erst später, nämlich ungefähr 100 Jahre nach dem gewaltsamen Tod des Jesus von Nazareth am Kreuz in Jerusalem und dessen von seinen Anhängern verkündeten wundersamen Auferstehung, sind weitere Schriften zum Korpus der jüdischen Bibel hinzugetreten, die für Christen normativen Charakter bekommen haben. Hier sind vor allem die vier sogenannte Evangelien (von griech. eu angelion = frohe Botschaft) zu nennen, die bis heute den gewichtigsten Teil der christlichen Bibel ausmachen. Diese Evangelien versuchen aus einer nachösterlichen Perspektive das Leben des Wanderpredigers Jesus von Nazareth als die Menschwerdung Gottes in dieser Welt zu deuten und zu bezeugen. In den Evangelien erscheint Jesus von Nazareth als der Christus (= der Gesalbte), also jener jüdische Messias, dessen Kommen in den Schriften der jüdischen Bibel verheißen worden ist. Neben den Evangelien umfasst die christliche Bibel vor allem Briefe aus der Zeit der frühen Gemeindebildung. Diese Briefsammlung wird als Corpus Paulinum bezeichnet, weil sie sich maßgeblich aus Briefen des Apostels Paulus bzw. aus Briefen von Paulusschülern besteht und zusammensetzt. Die vier Evangelien, das Corpus Paulinum, die Apostelgeschichte sowie eine apokalyptische Endzeitdichtung, die sogenannte Offenbarung des Johannes, bilden zusammen den zweiten Teil der christlichen Bibel. In der christlichen Tradition hat sich die Bezeichnung Altes Testament für diesen ersten, mit der jüdischen Bibel identischen Teil und Neues Testament für die hinzugekommene christliche Sammlung von Schriften durchgesetzt. Der Begriff „Testament“ leitet sich vom lateinischen Wort Testamentum ab, das als Übersetzung des hebräischen Begriffes Berit (Bund) zu verstehen ist. Dabei wird auf die sogenannten Einsetzungsworte Jesu Bezug genommen, die in allen vier Evangelien und im 1. Korintherbrief des Apostels Paulus überliefert sind. Jesus spricht hier von einem Neuen Bund, den er durch seinen Tod und seine Auferstehung stiften will. Er soll auf dem Alten Bund, den der Gott Israels mit Abraham und Mose geschlossen hat, aufbauen. Inzwischen hat sich in der christlichen Theologie auch die Rede von dem sogenannten Ersten und Zweiten Testament etabliert, um die Kontinuität zwischen jüdischen und christlichen Schriften im Korpus der christlichen Bibel zu betonen und einer etwaigen Deutung des Alten Testaments als überholt oder überkommen entgegenzutreten. Heilige Schriften im Kontext von heiliger Lehre und heiligen Personen Der enge historische wie inhaltliche Zusammenhang zwischen TeNaK, Bibel und Koran ist einer der Gründe, warum Judentum, Christentum und Islam nicht nur als sogenannte abrahamische Religionen zusammengefasst (alle drei Religionen gründen sich auf Abraham als ihren Stammvater), sondern auch als kontinuierliche auslegende Fortschreibung der hebräischen Bibel gelesen werden. Aus dieser Perspektive kann dann die Ausdifferenzierung der asiatisch-weisheitlichen Religionen von Buddhismus, Konfuzianismus und Taoismus analog als Entfaltung des buddhistischen Tripitaka verstanden werden kann.3 Dabei ist zu beachten, dass die Heiligen Schriften in den weisheitlichen Religionen des Fernen Ostens eher eine untergeordnete Rolle spielen. Hier steht die Lehre selbst im Zentrum des religiösen Traditionsprozesses. Auch zwischen den drei abrahamischen Religi3 10 Carsten Colpe: Sakralisierung von Texten und Filiationen von Kanons, in: Aleida und Jan Assmann (Hgg.), Kanon und Zensur, München 1987, S. 80 – 92. I. Informationen für das trialogische Lernen onen gibt es einen bedeutsamen Unterschied: Während Juden und Muslime ihre Heiligen Schriften, also den TeNaK und den Koran als offenbartes Wort und Weisung Gottes an ausgewählte Menschen, nämlich die Propheten, verstehen, hat das Christentum insofern einen besonderen Akzent, als dass in seinem Heiligen Buch von Jesus, dem Christus, berichtet wird. Dieser ist als Mensch gewordener Gottessohn die Offenbarung Gottes selbst und erhält damit einen offenbarungstheologischen Status, der dem wortwörtlichen Wort Gottes im Koran entspricht. Dies hat den evangelischen Theologen und Religionswissenschaftler Nathan Söderblom zu der einschlägigen Formel angeregt: „Was die Lehre für den Buddhismus und der Koran für den Islam ist, das ist die Christiperson für das Christentum.“4 Gerade der Vergleich mit den fernöstlichen Weisheitsreligionen macht deutlich, welche besondere Bedeutung die Heiligen Schriften in den sogenannten Buchreligionen besitzen. Will man Kinder und Jugendliche also befähigen, sich in angemessener Weise mit Judentum, Christentum und Islam auseinanderzusetzen, so ist es unabdingbar, dass sie lernen, die Heiligen Schriften aller drei Religionen in ihren Gemeinsamkeiten, aber auch in ihren entscheidenden Unterschieden wahrzunehmen, aufzunehmen und zu reflektieren. Dies ist das Thema dieses Heftes. Dabei geht es uns nicht nur darum, im Sinne eines Bibelwissens bzw. bibel- oder korankundlichen Wissens Informationen aus dem Bereich der sogenannten Einleitungswissenschaft oder Bücherkunde an Schülerinnen und Schüler zu vermitteln. Vielmehr soll es in den hier vorgestellten Unterrichts- und Projektvorschlägen darum gehen, sie zu befähigen, sich in einer produktiven und kreativen Weise mit den Glaubensurkunden auseinanderzusetzen, um so zu verschiedenen, für die religiöse Entwicklung bedeutsamen Kompetenzen und Haltungen zu gelangen. Um deutlich zu machen, dass es nicht nur um die Rezeption biblischer und koranischer Texte in ihrer überlieferten Gestalt geht, sondern um eine schülerbezogene kreative Erschließung dieser Schriften sowie um eine Auseinandersetzung mit Traditionen und Rezeptionen biblischer und koranischer Gestalten, haben wir unser Themenheft in drei große Abschnitte gegliedert. Heilige Schriften lesen und verstehen 1. Basiswissen zu Heiligen Schriften erschließen: Im Projekt der Augustinerschule Friedberg, das den Titel „Wurzeln im Garten der Welt“ trägt, haben Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines klassischen Stationen-Lernens die wichtigsten Informationen zu den Heiligen Schriften in den abrahamischen Religionen selbst zusammengestellt und aufgearbeitet, um so Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit den Heiligen Schriften zu entwickeln sowie die unterschiedlichen Offenbarungsverständnisse im Spannungsfeld von Inkarnation und Inlibration zu verstehen, exegetische und hermeneutische Methoden der Bibelinterpretation einzuüben und trialogische Bezüge zwischen TeNaK, Bibel und Koran herzustellen. Ergänzt wird dieses materialreiche Projekt durch die „Schüler-Ethikkommission“ der Stadtteilschule Alter Teichweg in Hamburg, die eine synoptische Zusammenschau der Urgeschichten in TeNaK, Bibel und Koran zum Thema Menschenbild erarbeitet und präsentiert hat, in der vor allem die Texte zur Schöpfung der Welt, der Sündenfall und die Sintflut-Erzählung entsprechend untersucht wurden. Außerdem finden Sie in diesem ersten Baustein das Projekt der August-Bebel-Gesamtschule in Wetzlar, das unter dem Titel „Miteinander auf dem Weg“ Jugendliche zu einem multireligiösen Pilgerweg ermutigt hat, der auf dem traditionellen Jakobsweg angesiedelt worden ist und bei dem die Jugendlichen Geschichten aus Bibel, TeNaK und Koran in einer performativ-existenzialen Auseinandersetzung erschlossen und interpretiert ha- Texte 4 Nathan Söderblom: Einführung in die Religionsgeschichte, Leipzig 21928, S. 124. 11 I. Informationen für das trialogische Lernen ben. Dabei steht vor allem der Aspekt des „In die Fremde gehen …“ im Mittelpunkt, der auch mit Hilfe eines Lerntagebuchs entfaltet und meditiert wird. 12 Themen 2. Gestalten aus Heiligen Schriften untersuchen: Im Mittelpunkt dieses Bausteins steht das Projekt der Ketteler-La Roche-Schule in Oberursel, in dem sich Schülerinnen und Schüler mit den zentralen Gestalten in den Heiligen Schriften von TeNaK, Bibel und Koran auseinandergesetzt haben. Dabei haben die Jugendlichen die wichtigsten Gemeinsamkeiten von Josef, Mose, Adam, den klassischen Propheten, Hiob, Maria und Jesus zusammengestellt, um dann an der Zentralgestalt Abrahams die Verbindung der drei monotheistischen Religionen ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit zu rücken. Dabei kommen vor allem bibliodramatische Methoden zum Einsatz, mit deren Hilfe das Thema Vorbildlernen für den schulischen Kontext entfaltet worden ist. Ergänzt wird dieses Projekt durch einen Beitrag des Gymnasiums Traben-Trarbach, in dem das Buch Ruth aus der hebräischen Bibel als Migrationsgeschichte gelesen wird, um so Verknüpfungen mit den aktuellen Erfahrungen von Schülerinnen und Schülern heute herzustellen. Außerdem findet sich in diesem Baustein der Beitrag des Christian-von-Mannlich-Gymnasiums in Homburg an der Saar, der den Titel „Arche Noah – Gemeinsam in einem Boot“ trägt. Hier geht es um kreative Erschließung und Vertiefungsmethoden ausgehend von der Noah-Erzählung in TeNaK, Bibel und Koran. „Meine Arche“ regt dazu an, Dinge, die Schülerinnen und Schülern wertvoll sind, mit auf eine lange Reise zu nehmen und Perspektiven für das gelingende Miteinander der verschiedenen Religionen zu entwickeln. Traditionen 3. Literatur zu Heiligen Schriften gestalten: Im Zentrum dieses Bausteins steht die Rezeptionsgeschichte wichtiger biblischer Personen sowie Erzählungen im Verlauf der abendländischen Kulturgeschichte. Dabei ist es vor allem die Figur des Nathan, die Gotthold Ephraim Lessing in seinem Theaterstück „Nathan der Weise“ unsterblich gemacht hat, die die Schülerinnen und Schüler auch heute noch beschäftigt. „Lessing in Lamboy“, ein Theaterstück der Tümpelgarten-Schule in Hanau, versucht genau das: Aufbauend auf der Lektüre von Lessings Nathan-Drama erarbeiten Schülerinnen und Schüler ein breites Grundwissen über die drei abrahamischen Religionen und gestalten in der 8. Klasse gegenwartsbezogene kurze Theaterstücke. Diese greifen die Fragestellung nach Integration und Chancengleichheit ebenso auf wie die Herausforderung der interreligiösen Begegnung, der Toleranz und des Miteinanders. Ergänzt wird dieses Projekt durch einen Baustein aus der Oberstufe, den die Richard-MüllerSchule in Fulda vorgestellt hat: „Metamorphosen – Grenzüberschreitungen“ heißt das Projekt, in dem ausgehend von Lessings „Nathan der Weise“ nun unter Einbezug anderer interkulturell relevanter Texte drei Dichter, nämlich ein Jude, ein Christ und ein Muslim, in einem vielgestaltigen Theaterstück in ein anspruchsvolles Gespräch gebracht werden. Außerdem findet sich in diesem Baustein ein Projekt des Kollegs Schöneberg in Berlin, in dem unter der Überschrift „Bilder der anderen – der Umgang mit dem Fremden“ kulturelle und religiöse Konflikte aufgenommen, dargestellt und diskutiert werden. Dabei wird eine ganze Reihe von bedeutenden Texten der Gegenwartsliteratur und Auszügen aus zeitgenössischen Dramen integriert (z. B. „Verminte Zone“ von Pamela Dürr und Max Frischs „Andorra“), aber auch Literatur des 19. Jahrhunderts, wie Auszüge aus Goethes „West-östlichem Divan“ oder Gedichte von Heinrich Heine. Durch die Auseinandersetzung mit diesen Texten sollen Perspektiven für ein friedliches Miteinander entwickelt und ein literarischer Kanon geschaffen werden, in den Traditionen aus allen drei abrahamischen Religionen einfließen. I. Informationen für das trialogische Lernen Zum Aufbau und zur Arbeit mit diesem Themenheft Alle Themenhefte unserer Reihe „Lernen im Trialog. Ideen für interreligiöse und interkulturelle Lernprojekte“ richten sich an Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler, die lebendig, handlungsorientiert und lebenspraktisch den drei Religionen begegnen wollen. Entsprechend sind alle Hefte analog aufgebaut: In einem Theorieteil stellen jüdische, christliche und muslimische Wissenschaftler das Thema des Heftes aus der ihnen eigenen theologischen Perspektive vor. Für die Anordnung der Beiträge haben wir die chronologische Entstehungsreihenfolge der drei Religionen als Schema verwendet. Grund dafür ist, dass die christliche Bibel und der Koran auf der hebräischen Bibel aufbauen. Deswegen eröffnet unser Themenheft ein Beitrag der Heidelberger Theologin Hanna Liss, der sich der Vorstellung des jüdischen TeNaK widmet. Ihm folgt der Paderborner Bibelwissenschaftler Bernhard Lang, der in seinem Beitrag Aufbau und Inhalt der christlichen Bibel beschreibt. Der Bonner Religionspädagoge Bernd Ridwan Bauknecht stellt den Koran als Offenbarungsurkunde des Islam vor. Den Schlussstein bildet ein Beitrag von Lothar Kuld, Religionspädagoge an der Pädagogischen Hochschule Weingarten, in dem aus religionsdidaktischer Perspektive der Stand der Debatte um TeNaK-, Bibel- und Korandidaktik referiert wird. Die theologisch-­ wissenschaftliche Perspektive Der Praxisteil bietet dann drei ausgewählte Beispiele zum Thema des Heftes, die sich im Schulenwettbewerb der Herbert Quandt-Stiftung bewährt haben und entsprechend ausgezeichnet worden sind. Diese bilden die Bausteine für das interreligiöse und interkulturelle Lernen. Vorweg geschickt werden in der Regel die didaktischen Ziele der Beiträge sowie eine Einordnung der Beispiele in exemplarische Ländercurricula. Es folgen schließlich die einzelnen Bausteine selbst, die im Folgenden ausführlich dargestellt und zur Nachahmung empfohlen werden. Dabei werden die Basisinformationen zum Best-Practice-Beispiel in einem Kasten (Projekt) ausgewiesen: Die praktische ­Umsetzung ⦁⦁ ⦁⦁ ⦁⦁ ⦁⦁ ⦁⦁ ⦁⦁ Schulform Beteiligte Fächer Größe der Lerngruppe Dauer des Projekts Vorbereitungszeit Methodische Großformen Projekt 13 I. Informationen für das trialogische Lernen Tipp Idee Achtung Info 14 Im Baustein selbst finden Sie an verschiedenen Stellen weitere Hinweiskästen, in denen Sie Empfehlungen auf der Grundlage der Erfahrungen der Wettbewerbsschulen (Tipp), Anregungen für die Weiterarbeit über die Best-Practice-Beispiele hinaus (Idee), Warnungen vor Fallstricken, Schwierigkeiten und Konflikten (Achtung) sowie schließlich Ideen für die vertiefende Lektüre bzw. für Materialsammlungen und Online-Plattformen (Info) finden. Zur besseren Handhabung haben wir die Projekt- und Tipp-Kästen in den Text integriert, Idee-, Achtungund Info-Kästen finden sich dagegen am Seitenrand. Am Ende der Bau­ steinbeschreibungen sind Materialien wie Arbeits- und Aufgabenblätter. Die Arbeitshilfe selbst schließt mit einem umfangreichen Glossar, in dem die wichtigsten Begriffe der Arbeitshilfe erklärt und aufgelistet sind, und mit einem Literaturverzeichnis, das die wichtigsten einschlägigen Publikationen zum interreligiösen Lernen ausweist.