Wandern als Naturerlebnis Naturlehrpfad Scharnitz – (Hoch)Zirl Ban d 8 M i t o f f e n e n A u g e n d u rc h d e n A l p e n p a r k K a r w e n d e l Koordinationsstelle Alpenpark Karwendel 1 Abteilung Umweltschutz, Amt der Tiroler Landesregierung Blick von der Erlspitze auf Fleischbank und 4. Karwendelkette. Inhalt Vorwort ............................................................................................................................................................................................ 3 Mit offenen Augen durch den Alpenpark Karwendel Der Naturlehrpfad Scharnitz – (Hoch)Zirl Übersichtskarte ...................................................................... 4 .................................................................................................. 6 ........................................................................................................................................................ Die Entstehung des Karwendelgebirges 10/11 .................................................................................................. Charakteristische Lebensräume für Pflanzen und Tiere .......................................................... 13 14 Seit wann lebt der Mensch in diesem Gebiet, warum ist er hierher gekommen? .................................................................................................................. 16 Sinne und Gefühl .............................................................................................................................................................. 17 Eine Bitte an den Naturfreund .............................................................................................................................. 18 Wichtige Adressen .......................................................................................................................................................... 19 Impressum: Medieninhaber und Herausgeber: Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, Koordinationsstelle Alpenpark Karwendel. Für den Inhalt verantwortlich: Günter Haselwanter. Text: Manfred Kahlen & Günter Haselwanter. Karten: tiris – Tiroler Raumordnungs-Informationssystem. Fotos: Archiv Abteilung Umweltschutz, Günter Haselwanter, Toni Pleisen, Tommi Thaler, Heinz Zak. Layout: Helmut Mangott. Druck: Raggl, Innsbruck | 1. Auflage: 2000 Stück, Juli 2003. 2 Lieber Wanderer, Lieber Naturfreund! Das Karwendel, als eines der größten zusammenhängenden Schutzgebiete der nördlichen Kalkalpen, bietet neben Artenreichtum eine abwechslungsreiche Landschaft. Nicht der Gedanke, Massentourismus in die Berge zu verlagern, sondern vielmehr die Idee, den Wanderer für die Naturschönheit, die Besonderheit der Flora und Fauna dieses Gebirges sensibel zu machen, waren ausschlaggebend für die Ausgestaltung des Naturlehrweges. Mit diesem Lehrweg verbindet sich der dringende Wunsch, alpine Freizeitbeschäftigung nicht nur den eigenen Neigungen, sondern ganz besonders den Bedürfnissen der Natur anzupassen. Das gesteigerte Umweltbewusstsein geht mit der Erkenntnis einher, wie sehr der hochzivilisierte Mensch auch heute noch von der Natur abhängig ist. Der Naturlehrweg zeigt daher einerseits das Wirken des Menschen in der Natur, andererseits das naturgegebene Kräftespiel der Erde von der Urzeit bis zu täglich wiederkehrenden Ereignissen und seinen Einfluss auf das menschliche Dasein. Der Tourismusverband Ferienregion Innsbruck-West/Tourismusbüro Zirl und der Tourismusverband Urlaubsregion Seefeld wünschen Ihnen bei Ihrer Rundwanderung viel Freude, neue und interessante Er- kenntnisse und ein unvergessliches Bergerlebnis! Johanna Stieger TVB Innsbruck-West Büro Zirl Christoph Stock Markus Tschoner TVB Urlaubsregion Seefeld, Infobüro Scharnitz Akelei 3 Naturlehrpfad Scharnitz – (Hoch)Zirl: Mit offenen Augen durch den Alpenpark Karwendel Lieber Naturfreund! Die Wanderung durch das westliche Karwendel zwischen Scharnitz und Zirl wird Ihnen ein Naturerlebnis der besonderen Art bieten. Diese Tour führt Sie durch eine herrliche Landschaft des Alpenparks Karwendel und bietet Ihnen einen repräsentativen Querschnitt der Naturvielfalt im größten Schutzgebiet Tirols. Außerdem ist diese Wanderung als Runde ausgelegt, die durch die Verwendung eines öffentlichen Verkehrsmittels geschlossen wird. Die Gehzeit beträgt insgesamt ca. 8,5 Stunden, eine Ruhepause / Übernachtung am Solsteinhaus ist daher angesagt, das bedeutet Hüttengemütlichkeit, Gastlichkeit und Labung mit „Hüttenschmankerln“. Seit dem Jahr 2002 besteht auch noch die Möglichkeit vom Landeskrankenhaus Hoch- Die Schwierigkeit der Tour ist für jeden trittsicheren Wanderer leicht zu bewältigen (leichter bis mittlerer Schwierigkeitsgrad), aber Achtung: Eine Bergwanderung ist kein Wald- und Wiesenspaziergang in der Ebene, feste Schuhe, Regen- und Kälteschutz sind jedenfalls erforderlich. Die Höhendifferenz im Aufstieg und Abstieg beträgt jeweils knapp 900 m: Bahnhof Scharnitz 964 m, Erlsattel (höchster Punkt) 1805 m, Bahnhof Hochzirl 922 m. Als lohnende Tagestouren bieten sich der Große Solstein und die Erlspitze an. Beide Gipfel sind auf gut begehbaren Wegen erreichbar. Der Naturlehrpfad Blickrichtung Norden Die Gehzeiten betragen: Bahnhof Scharnitz bis Kreidebrücke (Station 1) ca. 30 min., Kreidebrücke bis Brücke Gleirschklamm (Station 2) ca. 50 min., Steig durch die Gleirschklamm (bei intensiver Naturbetrachtung) ca. 60 min., oberes Ende Gleirschklammsteig bis Helfertal (Station 3) ca. 30 min., Helfertal bis Amtssägequellen (Station 4) ca. 30 min., Amtssägequellen bis Kristenalm (Station 5) zirl den Zirler Vogellehrweg bis Zirl weiter zu begehen und dabei in 23 Schautafeln Besonderheiten zu ausgewählten Vögeln von Amsel bis Zaunkönig zu erfahren. 4 Die einzelnen Stationen des Naturlehrpfades ca. 50 min., Kristenalm bis Wilde Iss (Station 6) ca. 30 min., Wilde Iss bis Solsteinhaus ca. 60 min., Solsteinhaus bis Solnalm (Station 7) ca. 30 min., Solnalm bis Garbersmahd (Station 8) ca. 40 min., Garbersmahd bis Hochzirl (Station 9) ca. 100 min. Als Verlängerung bietet sich eine Abschlusswanderung durch den Zirler Vogellehrweg (Station 10) vom Landeskrankenhaus Hochzirl bis zum Ortszentrum Zirl an. Je nach Interesse sind dafür ca. 1,5 Stunden reine Gehzeit bzw. bei vertiefendem Stu- dium der Schautafeln ca. 3 Stunden zu veranschlagen. Nach der Wanderung geht es mit der Bahn (Hochzirl) oder Bus/Zug (Zirl) zurück zum Ausgangspunkt. Die aktuellen Fahrpläne erhalten Sie in den Infozentren und Tourismusbüros der Region. Viel Vergnügen bei der Erlebniswanderung durch den 5 Der Naturlehrpfad Scharnitz – (Hoch)Zirl Station 1: Der Talfluss gebraucht, sich in das Gestein einzuschneiden, Millimeter um Millimeter davon herauszuspülen, herauszulösen. Das Gebirge besteht aus verschieden hartem Gestein, im Karwendel sind das vor allem kalkhaltige Ablagerungsgesteine, also Gesteine, die aus Ablagerungen von Meeresorganismen entstanden sind: Wettersteinkalk, Hauptdolomit und Mergel. Weiche Gesteine verwittern zu sanften Geländeformen, harte Gesteine widerstehen länger dem Abtrag – es bleiben Felstürme, Rippen, Wasserfälle bestehen. Bei der Wanderung durch die Schlucht, die Gleirschklamm, sind alle diese Erscheinungsformen eindrucksvoll zu beobachten. Versuchen Sie, die verschieden harten Gesteinsarten selber herauszufinden! In flachen Talabschnitten verbreitert der Fluss sein Bett, lagert Schotter ab und verzweigt sich. Solche Verzweigungszonen sind selten geworden – erhebt doch der Mensch immer weiteren Anspruch auf Flächen für Siedlungen. Er verbaut den Fluss, engt sein Bett ein und beachtet nicht den Schutz, den die Natur ihm geben kann: Wo der Fluss noch genügend Platz hat, kann sich Hochwasser ausbreiten, kann Schotter liegen bleiben, ohne den menschlichen Lebensraum zu gefährden. Ein eingeengter Fluss geht bei Hochwasser irgendwo über – eine Katastrophe, meist gemacht vom Menschen! Schotterbänke sind wertvoller Lebensraum: Hunderte Pflanzen- und Tierarten können hier, und nur hier, leben. Sie werden sich wundern, warum hier Schotter ausgebaggert wird, dabei wird doch Lebensraum zerstört: Der Fluss ist im Ortsgebiet so sehr eingeengt, dass größere Schottermengen nicht mehr Platz haben, daher muss aus Sicherheitsgründen der überschüssige Schotter entnommen werden. Station 2: Die Schlucht Sie haben den Gegensatz zur Verzweigungszone erreicht: Die Schlucht. Der Bach sucht sich sein Bett zwischen engen Felsen, er hat Jahrtausende dazu Karwendelschlucht 6 Lawinenkegel im Helfertal Station 3: Naturgewalten Wasser ist ein unersetzliches Gut für den Menschen. Wüstenvölker erfahren dies täglich, und wir? Das Regenwasser braucht rund drei Jahre, bis es von der Erdoberfläche durch den Berg in diese Quelle gelangt. Können Sie die Besonderheit dieses hochwertigen Lebensmittels spüren? Sie stehen vor dem Helfertal. Weitum kahle Hänge, tausende Baumstrünke, zwischen denen langsam wieder der Jungwald emporwächst. Vor einigen Jahren hat hier eine riesige Lawine, die vom Hohen Gleirsch abgebrochen ist, den Wald niedergewalzt und leider auch mehrere Bergsteiger getötet, wie sie an einer Gedenkstätte im weiteren Wegverlauf sehen werden. Station 5: Kulturlandschaft Alm Die Kristenalm ist ein Beispiel für eine Form der alpinen Landwirtschaft, für eine Kultur, die sich in jahrhundertealter Tradition entwickelt hat. Der Mensch nutzt die Natur mit Maß und Vernunft, er betreibt keinen Raubbau und gibt der Natur die entnommene Substanz auch wieder in einer ausgewogenen Menge an Nährstoffen in Form von natürlichem Dünger zurück. Machen Sie hier eine gemütliche Rast. Probieren und genießen Sie die natürlichen Produkte des Bauern, die Milch, die Butter, den Käse, den Speck. Station 4: Lebensspender Wasser Vergehen und Werden – der Kreislauf der Ewigkeit. Die Natur spendet tausendfaches Leben, durch das Wasser. Alles Leben ist aus dem Wasser entstanden, auch der Körper des Menschen besteht zu 80 % aus Wasser. Brennen die Füße? Steigen Sie in den kalten Bach! Verspüren Sie Durst? Trinken Sie aus der Quelle! Das saubere, frische Wasser wird Ihre müden Glieder wieder mit Energie aufladen. 7 Silberdistel Station 6: Der Bergwald rungen einzelner Arten zu Schäden führen. Fühlen Sie den Boden, wo ist er trocken, wo feucht, wo steinig, wo weich und humos, und vergleichen Sie diesen Zustand mit den darauf wachsenden Pflanzen! Sie haben den Bereich der oberen Bergwaldstufe, die Kampfzone des Waldes, erreicht. Die Vegetation führt hier einen ständigen Widerstreit mit den Naturgewalten. Fichte und Lärche sind die hochstämmigen Bäume, die an stabilen Standorten überleben. Dazwischen jedoch niedriges Latschengebüsch, einzelne Birken, Vogelbeerbäume, Zitterpappeln. Diese Gehölze sind elastisch, die Lawinen können darüber hinweg fegen, ohne Schaden anzurichten. Schotterzungen schieben sich dazwischen, sie werden von Pionierpflanzen besiedelt, bis sie stabil genug für anspruchsvollere Lebensformen sind. Humusgefüllte Zwischenräume von Felssturz-Blöcken bieten Schutz und Nährstoffe für das Aufkommen des Jungwaldes. Die Ameisen sorgen als Waldpolizei dafür, dass ein Gleichgewicht in der Tierwelt herrscht, dass nicht Massenvermeh- Station 7: Das Vergehen der „ewigen“ Berge Vielleicht fragen Sie sich, was an diesem Punkt sehenswert ist. Schotter und Steine überall. Die Berge sind durch Kräfte im Inneren der Erde in Jahrmillionen zur heutigen Größe gewachsen – und wachsen immer noch. Aber auch Berge wachsen nicht in den Himmel, alles in der Natur hat sein Maß. Dafür sorgen die Kräfte der Atmosphäre: Regenwasser, Frost und Hitze zermürben das Gestein, Wasser transportiert die Bruchstücke zu Tal, den Gesetzen der Schwerkraft folgend. 8 Erosion als Lehrbeispiel für den ewigen Kreislauf in der Natur. Ohne Schotter von der Abtragung der Berge wären unsere Täler kahle Felswannen, ohne Sand und Lehm gäbe es Meer anstelle fruchtbarer Ebenen. Der Lebensraum des Menschen ist durch dieses Abtragungsmaterial erst entstanden! Die Erosionsrinnen und Schutthalden des Höllkares sind alpine Urlandschaft, einzig den Gesetzen der Natur gehorchend. der Lärchenwiesen ist nicht mehr rentabel und so wird mancherorts versucht, diese liebliche Landschaft durch die Bezahlung von Pflegeprämien für die Öffentlichkeit zu erhalten. Auch die ehemaligen Heuhütten werden für ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr gebraucht. Die Eigentümer haben sie teilweise zu Wochenendhütten umfunktioniert. Die Wiesen hingegen wachsen zu, werden wieder zu Wald, wie vor der Existenz des Menschen. Ein Stück Kulturlandschaft verschwindet. Station 8: Die Lärchenwiesen Station 9: Der „Relikt-Föhrenwald“, ein Überbleibsel aus wärmeren Zeiten Im krassen Gegensatz zur Urlandschaft des Höllkares zeigt sich hier wieder ein eindrucksvolles Beispiel der kultivierenden Tätigkeit des Menschen, welche die Landschaft geprägt hat. Der Mensch betreibt hier eine Doppelnutzung: Der Wald wurde so weit ausgelichtet, dass neben der Gewinnung des Holzes auch eine Nutzung der Bodenvegetation als Viehfutter ermöglicht wurde. Viele Kleinbauern haben heute die Landwirtschaft aufgegeben. Die Mahd Nach dem Abschmelzen der Gletscher der letzten Eiszeit war es durch viele Jahrhunderte hindurch wärmer und trockener als heute. In dieser Zeit entstanden in den inneralpinen Tälern ausgedehnte Föhren-(Kiefern-) Wälder, die an den heißen und trockenen Hängen des Oberinntales als Relikte bis heute erhalten geblieben sind. Diese Wälder sind optisch einförmig und wenig attraktiv, es hat hier aber auch eine vielfältige und spezialisierte Tierwelt aus der vergangenen Wärmeperiode überdauert. Viele dieser Wälder, besonders an unzugänglichen Felshängen, wie an der Martinswand, haben ihren Urwaldcharakter bewahrt und sind mit ihrer Flora und Fauna bemerkenswerte Zeugen der bewegten Klimageschichte der Alpen. Europäische Lärche 9 Kristenalm www.karwendel.org/ kristenalm Meditationsweg zu den Isarquellen Solsteinhaus www.solsteinhaus.at niert, dass es eine „Vogeluhr“ gibt, was bei einem Jungvogel zu machen ist und viele weitere Details. Mit Leitfragen und Kreuzworträtsel können Sie dann auch noch kontrollieren, wie viele Details Sie sich nach Besichtigung des „Zirler Vogelsteig“ gemerkt haben! Diese empfehlenswerte Broschüre kann über die Koordinationsstelle Alpenpark Karwendel (siehe Wichtige Adressen) oder im Tourismusbüro Zirl bezogen werden. Alpendohle Station 0: Zirler Vogellehrweg Einen landschaftlich und naturkundlich äußerst interessanten Abschluss bzw. Verlängerung der bisherigen Wanderung stellt der Zirler Vogellehrweg dar. Landschaftlich spektakulär mit imposanten Ausblicken in die Schlossbachklamm und nach Zirl, ist der Zirler Vogellehrweg im umgebenden Föhrenwald mit seinen urigen Baumgestalten eine wahre Besonderheit. Dazu bilden die 23 Vogelportraits auf ansprechend gestalteten Schautafeln einen fachlich interessanten Hintergrund zu diesem Naturparadies. Gibt es dazu noch eine Steigerung? Ja natürlich! Eine von der Integrationsklasse 2A der Hauptschule Zirl im Schuljahr 2002/03 unter Leitung von Eva Leis und Josef Ebenbichler im Zuge der Renovierung des alten Vogelsteiges liebevoll gestaltete Broschüre „Zirler Vogelsteig“. Darin sind viele Interessante Details rund um das Thema „Vögel“ zusammengestellt. Oder hätten Sie z.B. gewusst, dass Franz von Assisi den Vögeln gepredigt hat, wie der Vogelzug funktio- Fossilien Die beschriebenen Stationen zeigen Ihnen beispielhaft einige besondere Erscheinungsformen der Natur und der kultivierenden Tätigkeit des Menschen, es sind Plätze, an denen Sie die Vielfalt und die Gegensätze besonders gut erleben können. Im Verlauf der Wanderung werden Sie sicher nachdenken über die Gesamtheit des Erlebten, über die Entstehung dieses Naturraumes, über die Besiedlung durch Pflanzen und Tiere, wann und wie ist der Mensch dorthin gekommen. Die folgenden Kapitel sollen helfen, diese Fragen kurz zu beantworten. 12 Die Entstehung des Karwendelgebirges Die Hauptgesteinsbildner des Karwendels sind Wettersteinkalk und Hauptdolomit. Beide Gesteine sind im frühen Erdmittelalter (Trias), also vor über 200 Millionen Jahren, aus Meeresablagerungen in seichten Lagunen entstanden. Während der Wettersteinkalk meist von sehr heller, fast weißer Farbe ist, ist für den Hauptdolomit ein bräunliches bis dunkles Grau typisch. Der bis zu 2.200 m mächtige Wettersteinkalk ist massig bis massiv bankig ausgebildet, der meist nur einige 100 m mächtige Hauptdolomit ist hingegen von zahllosen Klüften und Störungen durchzogen, was an seiner bröselig verwitternden Oberfläche sichtbar wird. Diesen Gesteinen zwischengeschaltet sind die markant feingeschichteten bräunlich-schwarzen Schiefertonlagen der Nordalpinen Raibler Schichten. Im Westen und Osten des Karwendels treten im oberen Abschnitt des Hauptdolomits tonige, bituminöse Gesteine verschiedenen Alters auf, der „Ölschiefer“, aus dem bis heute das „Steinöl“, ein beliebtes Heilmittel besonders bei Hautkrankheiten, gewonnen wird. In den gebirgsbildenden Epochen des späten Erdmittelalters (Kreidezeit) und der frühen Erdneuzeit (Tertiär) führten gewaltige tektonische Kräfte des Erdinneren zu Zerreißungen und Überschiebungen der ehemals horizontal geschichteten Ablagerungen und zur Auffaltung der heute sichtbaren Karwendelketten (Innsbrucker Nordkette, Gleirsch-Halltalkette, Karwendel-Hauptkamm, Nördliche Karwendelkette). Dieser Kettenaufbau des Karwendels unterscheidet dieses Gebirge markant von den Massiven der östlichen Nördlichen Kalkalpen, wo die Kalkgesteine flächig und ohne größere Zerreißungen in Form von Gebirgsstöcken gehoben wurden. Diese Gebirgsbildung aus den Meeresablagerungen erfolgte nicht plötzlich, sondern in einem Zeitraum von über 100 Millionen Jahren und ist bis heute nicht abgeschlossen! Waren die gebirgsbildenden Prozesse in der Kreide- und Tertiärzeit für das Entstehen der Bergketten verantwortlich, so wurde der heute vorliegende Reichtum der Oberflächen- Gesteinsschichten 13 formen durch Vorgänge in der jüngsten erdgeschichtlichen Epoche, dem Quartär, geprägt. Moränenterrassen an den Hängen sind Zeugen für die Gletscher der Eiszeiten, die Klammen sind vom Wasser der schmelzenden Gletscher in das Gestein gegraben worden und sind nicht älter als 12.000 Jahre. Die landschaftsprägenden Schutthalden schließlich sind der Beweis für die unaufhaltsam fortschreitende Abtragung der Berge, gestern, heute und in Zukunft. Im krassen Unterschied zu den stark verkarsteten Plateaugebirgen der östlichen Nördlichen Kalkalpen sind die Kalkgesteine des Karwendels weder oberflächlich noch unterirdisch deutlich verkarstet. Dies bewirkt, dass die eindringenden Niederschlagswässer jahrelang im Gebirge verweilen und hier in großer Menge gespeichert werden können, was eine hervorragende Wasserqualität und konstante Schüttung der teilweise gewaltigen Quellen zur Folge hat. Charakteristische Lebensräume für Pflanzen und Tiere Die Vergletscherung während der Eiszeiten hat das pflanzliche und tierische Leben im zentralen Alpenraum nahezu ausgelöscht. Nur wenige Pionierpflanzen und kälteliebende Insektenarten konnten an aperen Graten überleben – Verhältnisse, wie sie heute noch in der Nivalzone des Hochgebirges anzutreffen sind. Am Alpenrand hingegen, besonders im Süden und Osten, konnte eine vielfältige Pflanzen- und Tierwelt das ungünstige Klima überdauern und von hieraus wurden wohl innerhalb weniger Jahrhunderte die verwüsteten Gebiete wiederbesiedelt. Vor 11.000 Jahren war es nachweislich viel wärmer als heute, die alpine Waldgrenze lag damals, unmittelbar nach dem Abschmelzen des Eises, bei 2.600 m! Wir können diese Wiederbesiedlung, die Sukzession, bei der Wanderung durchs Karwendel aus eigener Beobachtung nachvollziehen: Ein frischer Felssturz, eine Schutthalde stabilisiert sich. Wasser schwemmt Feinmaterial in die Lückenräume. Erste Pionierpflanzen (z.B. tiefwurzelnde Polsterpflanzen) können Fuß fassen. Abgestorbene Pflanzenteile verrotten zu Humus, dieser sammelt sich wieder in Spalten und Mulden. Der Nährboden für anspruchsvollere Pflanzen ist damit geschaffen, es wachsen dichte Polster von Silberwurz und Rasenhorste. Der Humus mehrt sich, erste Gehölze (Zwergsträucher, Legföhren) kommen auf. Im Erosionsschutz dieser Kleingehölze keimen erste Bäume (Birken, Ebereschen, Lärchen) und es 14 entwickelt sich daraus der Bergwald. Noch schneller geht die Sukzession in den Talniederungen vor sich: Auf den Schwemmflächen der Flüsse sammelt sich sehr rasch fruchtbarer Schlamm, auf dem binnen weniger Jahre ein Erlen- und Weidenauwald entsteht. Die Entwicklung der Tierwelt steht in untrennbarem Zusammenhang mit dem Leben der Pflanzen: Pflanzliche Substanz, ob lebend oder tot, ist der Beginn der Nahrungskette aller Tiere. Ohne Insekten gibt es – mit wenigen Ausnahmen – keine Bestäubung und damit Vermehrung der Pflanzen. Für die Ausbreitung der Samen sind vielfach Vögel zuständig. Das gemeinsame Zusammenleben von Pflanzen und Tieren ist die Grundlage jeder Entwicklung in der Natur. So finden wir bei unserer Wanderung alle charakteristischen natürlichen Lebenräume des Karwendelgebirges: Fels- und Schuttfluren mit Pionierpflanzen, alpine Rasengesellschaften, Zwergstrauchheiden, Legföhrengebüsche, Bergwälder aus Fichte, Lärche und Zirbe, Fichten-Buchen-Tannenwälder, Buchen-Ahornwälder, KiefernSpirkenwälder und Augebüsche. Dazu kommen noch die vom Menschen geprägten Lebensräume, wie die Almmatten und die Lärchenwiesen. An charakteristischen Tierarten seinen erwähnt: Hirsch, Reh, Gämse, Steinbock, Murmeltier, Auerhuhn, Birkhuhn, Haselhuhn, Schneehuhn, Steinadler, Uhu, Waldohreule, Waldkauz, Wanderfalke, Alpendohle, Ringdrossel, Flussuferläufer, Kreuzotter, Bergeidechse, Alpensalamander. Die Zahl der Insektenarten ist außerordentlich hoch und es leben hier zahlreiche europaweit bedrohte Arten, die an alte urständige Waldgebiete gebunden sind. Frauenschuh 15 Seit wann lebt der Mensch in diesem Gebiet, warum ist er hierher gekommen? Die Gegend um Scharnitz dürfte erst vor rund 3.000 Jahren für den Menschen besiedelbar geworden sein. Nachgewiesen ist die Errichtung einer Siedlung in Scharnitz durch die Römer. Die menschlichen Einflüsse in den Bergen des Karwendels dürften an die 1.000 Jahre zurückreichen. Damals durchstreiften vor allem Jäger das Gebiet, worauf auch die Entdeckung des Salzvorkommens im Halltal im 13. Jahrhundert zurückzuführen ist. Mit dem Salzbergbau und in der Folge (Spätmittelalter) mit der Gewinnung von Erzen (besonders Silber im Gebiet Lafatsch) begannen die großen Naturveränderungen durch den Menschen: War der Holzbedarf für den Bergbau zuerst aus der näheren Umgebung zu decken, erstreckten sich große Kahlschläge in der Folge auf immer entferntere Gebiete des Karwendels. Zugleich wurden Saumund Ziehwege zu Transportzwecken gebaut. Vor rund 400 Jahren begannen auch die Waldrodungen zur Schaffung von Almen. Insbesondere während des Dreißigjährigen Krieges waren die Bauern gezwungen, zum Schutz vor Plünderungen ihr Vieh in entlegene Gebiete auszusiedeln, wie dies von der Engalm (Ahornboden) im Rißtal belegt ist. Zahlreiche Urkunden aus dem 18. und 19. Jahrhundert wiesen den Dorfbewohnern Holz-, Weide- und Streunutzungsrechte zu, sodass die Wälder in der Nähe des Siedlungsraumes immer mehr degeneriert wurden und bis heute diese Schäden Probleme bereiten. In neuester Zeit entwickelte sich auch die Jagd zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor, die Überhege des Schalenwildes ist heute eine der gravierendsten Konfliktsituationen mit dem Ziel der naturnahen Walderhaltung. Schließlich können auch moderne Erscheinungsformen des Tourismus der Natur erhebliche Schäden zufügen, der rücksichtslose Gebrauch des Berges als Sportgerät ist weder mit dem Ziel des Naturschutzes noch mit der Erhaltung der Landschaft für die Erholung des Menschen vereinbar. Als Naturfreund können gerade Sie durch besonnenes Verhalten einen Beitrag zur Vermeidung solcher Schäden leisten. Der Naturlehrpfad Blickrichtung Süden 16 Karwendelquelle Sinne und Gefühl Nehmen Sie sich Zeit, alle Ihre Sinne zur Wahrnehmung zu aktivieren! Mobilisieren Sie nicht nur den Gesichtssinn, versuchen Sie auch zu hören, zu riechen, zu schmecken, zu tasten, zu fühlen! Lassen Sie Ihren Gefühlen freien Lauf, träumen Sie! Betrachten Sie den Tautropfen, das Spinnennetz, die Spur der Gämse, den Baum im Wind, die Blüte im Fels. Hören Sie das Lied des Vogels, das Schnarren der Heuschrecke, das Säuseln des Windes in den Blättern, das Rauschen des Baches, das Prasseln des Regens. Riechen Sie den Duft der Blüte, das Harz des Baumes, das Aroma der Pilze, den Atem der Erde. Schmecken Sie die Süße der Himbeere, die Herbe der Preiselbeere, das Saure des Ampfers, das Bittere der Kresse, das Aroma der Haselnuss, das Belebende des Quellwassers. Tasten Sie die Härte des Felsens, die Weichheit des Mooses, den Samt der frischen Blätter, die Struktur der Rinde, die Grobheit des Schotters, die Feinheit des Sandes. Fühlen Sie die Wärme der Sonne, die Kühle der Schlucht, die Kälte des Wassers, die Ausgeglichenheit des Waldes, die Unnahbarkeit der Felswand. Ziehen Sie Ihre Schuhe aus und steigen Sie in den kalten Bach, die verbrauchte Energie kehrt zurück. Legen Sie sich ins Moos und träumen Sie von Harmonie, Ruhe und Zufriedenheit. Atmen Sie langsam und ruhig, nehmen Sie all das Schöne in sich auf, finden Sie zu sich selber zurück, Sie sind Teil all der Wunder, die Sie umgeben. 17 Eine Bitte an den Naturfreund Der Alpenpark Karwendel geht auf eines der ältesten Schutzgebiete der Ostalpen (1928) zurück. Er umfasst eine Fläche von 730 km 2 und setzt sich aus 3 Naturschutz-, 2 Ruhe- und 6 Landschaftsschutzgebieten zusammen. Mit dem bayerischen Naturschutzgebiet Karwendel und Karwendelvorgebirge bildet er ein Schutzgebiet von 920 km 2 – das größte der Nördlichen Kalkalpen. Der Alpenpark dient großflächig dem Schutz • der gesamten Natur • der Landschaft und der Lebensräume • der Vielfalt der Pflanzen und Tiere • der Eigenart und Schönheit der Bergwelt • der Ruhe- und der Erholungswirkung der Natur Wegabschneider im steilen Gelände tragen wesentlich zur Erosion bei. Tiere gewöhnen sich leichter an Menschen, die immer dieselben Wege einhalten, und werden somit kaum gestört. Nehmen Sie ihren Hund an die Leine, da bereits in unmittelbarer Wegnähe verschiedenste Tiere leben und ihre Jungen aufziehen. Stellen Sie Ihr Auto ausschließlich auf den gekennzeichneten Parkplätzen ab und niemals im freien Gelände, auf Bergweiden oder Waldböden. Bleiben Sie mit dem Mountainbike nur auf den dafür vorgesehenen Routen. Zum Schutz des Alpenparks und seiner einmaligen Natur beachten Sie bitte: Pflücken Sie keine Blumen, damit sich auch der nächste Wanderer an ihrer Schönheit erfreuen kann. Entnehmen Sie keine Tiere, Pflanzen oder Pilze, da jedes einzelne Lebewesen einen wichtigen Bestandteil des Naturhaushaltes darstellt. Bleiben Sie auf den markierten Wegen! Enzian Um das Schutzgebiet Alpenpark Karwendel in seiner einmaligen Naturschönheit und Vielfalt auch für zukünftige Generationen zu erhalten, ist unser aller Unterstützung nötig. Vielen Dank für Ihren Beitrag! 18 Wichtige Adressen Koordinationsstelle Alpenpark Karwendel, Abteilung Umweltschutz, Amt der Tiroler Landesregierung, Eduard Wallnöfer Platz 3, A-6020 Innsbruck, Tirol; Sekretariat: +43-(0)512-508-3452, Fax: -3455, E-Mail: [email protected] Alpenpark Karwendel Service Telefon: 0664/5587364 Besuchen Sie doch die Homepage eines der größten Schutzgebiete der Alpen: Lenggries, München → www.karwendel.org Hinterriß Infozentrum Karwendel in Hinterriß Rißtalstraße • Adresse: Infozentrum Karwendel in Hinterriß, Nr. 14, A-6215 Hinterriß, Tel.: +43-(0)5245-250 • Die genauen Öffnungszeiten erfahren Sie beim Alpenpark Karwendel Service Telefon: +43-(0)664-5587364. Infozentrum → Eng Mittenwald, München Infozentrum Karwendel in Scharnitz f Bahnho Infozentrum er Str aße Isar lba hn uck de sbr rw en Inn Ka Seefeld, Innsbruck • Adresse: Innsbrucker Straße 282, A-6108 Scharnitz, Tel. +43-(0)5213-5270, Fax -5557 E-Mail: [email protected] • Die genauen Öffnungszeiten erfahren Sie beim Alpenpark Karwendel Service Telefon: +43-(0)664/5587364 Scharnitz Auskünfte zum Fahrplan erhalten Sie unter www.vvt.at oder www.oebb.at, dem Alpenpark Karwendel Servicetelefon, im Infozentrum Karwendel Scharnitz oder im Tourismusbüro Zirl! Information und Sicherheit Tourismusverband Urlaubsregion Seefeld, Infobüro Scharnitz: Tel. +43-(0)5213-5270 Ferienregion Innsbruck-West, Tourismusbüro Zirl: Tel. +43-(0)5238-52235 Solsteinhaus: Tel. +43-(0)5232-81557 Bahnhof Scharnitz: Tel. +43-(0)5213-5207 Bergrettung Seefeld: Tel. +43-(0)5212-2400 od. 4642, Notruf 140 Bergrettung Scharnitz: Tel. +43-(0)5213-5300 Bergwacht Zirl: Tel. +43-(0)512-263450 Gendarmerieposten Zirl: Tel. +43-(0)5238-52314 Gendarmerieposten Seefeld: Tel. +43-(0)5212-2309 Scharnitz (964m) Bahnhof oder Parkplatz Karwendel 4 Stunden ▼ Kristenalm (1348 m) Almbetrieb, Jausenstation 1,5 Stunden ▼ Solsteinhaus (1806m) Alpenvereinshütte, Übernachtungsmöglichkeit 3 Stunden ▼ Hochzirl (992m) Bahnhof, Rückfahrt nach Scharnitz 1,5 Stunden ▼ Zirl Band 1: Band 2: Band 3: Band 4: Band 5: Band 6: Band 7: Band 8: Karwendel-Geschichte(n) Ökologische Episoden Der Berg-Ahorn im Karwendel Wanderungen in der Umgebung von Scharnitz Wanderungen im Rißtal Naturlehrpfad „Großer Ahornboden“ Salzberg und Saline Hall i.T. Naturlehrpfad Scharnitz – (Hoch)Zirl Schutzgebühr: € 2,–