Wandern als Naturerlebnis Wandern als Naturerlebnis

Werbung
Wandern
als Naturerlebnis
Naturlehrpfad Scharnitz – (Hoch)Zirl
Ban d 8
M i t o f f e n e n A u g e n d u rc h d e n A l p e n p a r k K a r w e n d e l
Koordinationsstelle Alpenpark Karwendel
1
Abteilung Umweltschutz,
Amt der Tiroler Landesregierung
Blick von der Erlspitze auf Fleischbank und 4. Karwendelkette.
Inhalt
Vorwort ............................................................................................................................................................................................ 3
Mit offenen Augen durch den Alpenpark Karwendel
Der Naturlehrpfad Scharnitz – (Hoch)Zirl
Übersichtskarte
......................................................................
4
..................................................................................................
6
........................................................................................................................................................
Die Entstehung des Karwendelgebirges
10/11
..................................................................................................
Charakteristische Lebensräume für Pflanzen und Tiere
..........................................................
13
14
Seit wann lebt der Mensch in diesem Gebiet,
warum ist er hierher gekommen? .................................................................................................................. 16
Sinne und Gefühl
..............................................................................................................................................................
17
Eine Bitte an den Naturfreund .............................................................................................................................. 18
Wichtige Adressen
..........................................................................................................................................................
19
Impressum: Medieninhaber und Herausgeber: Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Umweltschutz,
Koordinationsstelle Alpenpark Karwendel. Für den Inhalt verantwortlich: Günter Haselwanter.
Text: Manfred Kahlen & Günter Haselwanter. Karten: tiris – Tiroler Raumordnungs-Informationssystem.
Fotos: Archiv Abteilung Umweltschutz, Günter Haselwanter, Toni Pleisen, Tommi Thaler, Heinz Zak.
Layout: Helmut Mangott. Druck: Raggl, Innsbruck | 1. Auflage: 2000 Stück, Juli 2003.
2
Lieber Wanderer, Lieber Naturfreund!
Das Karwendel, als eines der größten
zusammenhängenden Schutzgebiete
der nördlichen Kalkalpen, bietet neben
Artenreichtum eine abwechslungsreiche Landschaft. Nicht der Gedanke,
Massentourismus in die Berge zu verlagern, sondern vielmehr die Idee, den
Wanderer für die Naturschönheit, die
Besonderheit der Flora und Fauna dieses Gebirges sensibel zu machen,
waren ausschlaggebend für die Ausgestaltung des Naturlehrweges.
Mit diesem Lehrweg verbindet sich
der dringende Wunsch, alpine Freizeitbeschäftigung nicht nur den eigenen Neigungen, sondern ganz besonders den Bedürfnissen der Natur anzupassen. Das gesteigerte Umweltbewusstsein geht mit der Erkenntnis einher, wie sehr der hochzivilisierte
Mensch auch heute noch von der
Natur abhängig ist.
Der Naturlehrweg zeigt daher
einerseits das Wirken des Menschen
in der Natur, andererseits das naturgegebene Kräftespiel der Erde von der
Urzeit bis zu täglich wiederkehrenden
Ereignissen und seinen Einfluss auf
das menschliche Dasein.
Der Tourismusverband Ferienregion Innsbruck-West/Tourismusbüro Zirl und der Tourismusverband
Urlaubsregion Seefeld wünschen
Ihnen bei Ihrer Rundwanderung viel
Freude, neue und interessante Er-
kenntnisse und ein unvergessliches
Bergerlebnis!
Johanna Stieger
TVB Innsbruck-West Büro Zirl
Christoph Stock
Markus Tschoner
TVB Urlaubsregion Seefeld,
Infobüro Scharnitz
Akelei
3
Naturlehrpfad Scharnitz – (Hoch)Zirl:
Mit offenen Augen durch den Alpenpark Karwendel
Lieber Naturfreund!
Die Wanderung durch das westliche
Karwendel zwischen Scharnitz und
Zirl wird Ihnen ein Naturerlebnis der
besonderen Art bieten.
Diese Tour führt Sie durch eine
herrliche Landschaft des Alpenparks
Karwendel und bietet Ihnen einen
repräsentativen Querschnitt der
Naturvielfalt im größten Schutzgebiet
Tirols.
Außerdem ist diese Wanderung als
Runde ausgelegt, die durch die Verwendung eines öffentlichen Verkehrsmittels geschlossen wird.
Die Gehzeit beträgt insgesamt ca.
8,5 Stunden, eine Ruhepause / Übernachtung am Solsteinhaus ist daher
angesagt, das bedeutet Hüttengemütlichkeit, Gastlichkeit und Labung mit
„Hüttenschmankerln“. Seit dem Jahr
2002 besteht auch noch die Möglichkeit vom Landeskrankenhaus Hoch-
Die Schwierigkeit der Tour ist für jeden
trittsicheren Wanderer leicht zu bewältigen (leichter bis mittlerer Schwierigkeitsgrad), aber Achtung: Eine Bergwanderung ist kein Wald- und Wiesenspaziergang in der Ebene, feste
Schuhe, Regen- und Kälteschutz sind
jedenfalls erforderlich. Die Höhendifferenz im Aufstieg und Abstieg beträgt
jeweils knapp 900 m: Bahnhof Scharnitz 964 m, Erlsattel (höchster Punkt)
1805 m, Bahnhof Hochzirl 922 m.
Als lohnende Tagestouren bieten
sich der Große Solstein und die Erlspitze an. Beide Gipfel sind auf gut
begehbaren Wegen erreichbar.
Der Naturlehrpfad Blickrichtung Norden
Die Gehzeiten betragen: Bahnhof
Scharnitz bis Kreidebrücke (Station 1)
ca. 30 min., Kreidebrücke bis Brücke
Gleirschklamm (Station 2) ca. 50
min., Steig durch die Gleirschklamm
(bei intensiver Naturbetrachtung) ca.
60 min., oberes Ende Gleirschklammsteig bis Helfertal (Station 3)
ca. 30 min., Helfertal bis Amtssägequellen (Station 4) ca. 30 min., Amtssägequellen bis Kristenalm (Station 5)
zirl den Zirler Vogellehrweg bis Zirl
weiter zu begehen und dabei in 23
Schautafeln Besonderheiten zu ausgewählten Vögeln von Amsel bis Zaunkönig zu erfahren.
4
Die einzelnen Stationen des Naturlehrpfades
ca. 50 min., Kristenalm bis Wilde Iss
(Station 6) ca. 30 min., Wilde Iss bis
Solsteinhaus ca. 60 min., Solsteinhaus
bis Solnalm (Station 7) ca. 30 min.,
Solnalm bis Garbersmahd (Station 8)
ca. 40 min., Garbersmahd bis Hochzirl (Station 9) ca. 100 min.
Als Verlängerung bietet sich eine
Abschlusswanderung durch den Zirler Vogellehrweg (Station 10) vom
Landeskrankenhaus Hochzirl bis zum
Ortszentrum Zirl an. Je nach Interesse sind dafür ca. 1,5 Stunden reine
Gehzeit bzw. bei vertiefendem Stu-
dium der Schautafeln ca. 3 Stunden
zu veranschlagen.
Nach der Wanderung geht es mit
der Bahn (Hochzirl) oder Bus/Zug
(Zirl) zurück zum Ausgangspunkt. Die
aktuellen Fahrpläne erhalten Sie in
den Infozentren und Tourismusbüros
der Region.
Viel Vergnügen bei der Erlebniswanderung durch den
5
Der Naturlehrpfad Scharnitz – (Hoch)Zirl
Station 1: Der Talfluss
gebraucht, sich in das Gestein einzuschneiden, Millimeter um Millimeter
davon herauszuspülen, herauszulösen.
Das Gebirge besteht aus verschieden
hartem Gestein, im Karwendel sind
das vor allem kalkhaltige Ablagerungsgesteine, also Gesteine, die aus
Ablagerungen von Meeresorganismen
entstanden sind: Wettersteinkalk,
Hauptdolomit und Mergel. Weiche
Gesteine verwittern zu sanften Geländeformen, harte Gesteine widerstehen
länger dem Abtrag – es bleiben Felstürme, Rippen, Wasserfälle bestehen.
Bei der Wanderung durch die
Schlucht, die Gleirschklamm, sind alle
diese Erscheinungsformen eindrucksvoll zu beobachten. Versuchen Sie, die
verschieden harten Gesteinsarten selber herauszufinden!
In flachen Talabschnitten verbreitert
der Fluss sein Bett, lagert Schotter ab
und verzweigt sich. Solche Verzweigungszonen sind selten geworden –
erhebt doch der Mensch immer weiteren Anspruch auf Flächen für Siedlungen. Er verbaut den Fluss, engt sein
Bett ein und beachtet nicht den Schutz,
den die Natur ihm geben kann: Wo
der Fluss noch genügend Platz hat,
kann sich Hochwasser ausbreiten,
kann Schotter liegen bleiben, ohne den
menschlichen Lebensraum zu gefährden. Ein eingeengter Fluss geht bei
Hochwasser irgendwo über – eine
Katastrophe, meist gemacht vom
Menschen!
Schotterbänke sind wertvoller Lebensraum: Hunderte Pflanzen- und
Tierarten können hier, und nur hier,
leben. Sie werden sich wundern, warum hier Schotter ausgebaggert wird,
dabei wird doch Lebensraum zerstört:
Der Fluss ist im Ortsgebiet so sehr eingeengt, dass größere Schottermengen
nicht mehr Platz haben, daher muss
aus Sicherheitsgründen der überschüssige Schotter entnommen werden.
Station 2: Die Schlucht
Sie haben den Gegensatz zur Verzweigungszone erreicht: Die Schlucht.
Der Bach sucht sich sein Bett zwischen
engen Felsen, er hat Jahrtausende dazu
Karwendelschlucht
6
Lawinenkegel im Helfertal
Station 3: Naturgewalten
Wasser ist ein unersetzliches Gut
für den Menschen. Wüstenvölker
erfahren dies täglich, und wir? Das
Regenwasser braucht rund drei Jahre,
bis es von der Erdoberfläche durch
den Berg in diese Quelle gelangt.
Können Sie die Besonderheit dieses
hochwertigen Lebensmittels spüren?
Sie stehen vor dem Helfertal. Weitum
kahle Hänge, tausende Baumstrünke,
zwischen denen langsam wieder der
Jungwald emporwächst. Vor einigen
Jahren hat hier eine riesige Lawine,
die vom Hohen Gleirsch abgebrochen
ist, den Wald niedergewalzt und leider auch mehrere Bergsteiger getötet,
wie sie an einer Gedenkstätte im weiteren Wegverlauf sehen werden.
Station 5:
Kulturlandschaft Alm
Die Kristenalm ist ein Beispiel für eine
Form der alpinen Landwirtschaft, für
eine Kultur, die sich in jahrhundertealter Tradition entwickelt hat.
Der Mensch nutzt die Natur mit Maß
und Vernunft, er betreibt keinen
Raubbau und gibt der Natur die entnommene Substanz auch wieder
in einer ausgewogenen Menge an
Nährstoffen in Form von natürlichem
Dünger zurück.
Machen Sie hier eine gemütliche
Rast. Probieren und genießen Sie die
natürlichen Produkte des Bauern, die
Milch, die Butter, den Käse, den Speck.
Station 4:
Lebensspender Wasser
Vergehen und Werden – der Kreislauf
der Ewigkeit. Die Natur spendet tausendfaches Leben, durch das Wasser.
Alles Leben ist aus dem Wasser entstanden, auch der Körper des Menschen besteht zu 80 % aus Wasser.
Brennen die Füße? Steigen Sie in den
kalten Bach! Verspüren Sie Durst?
Trinken Sie aus der Quelle! Das saubere, frische Wasser wird Ihre müden
Glieder wieder mit Energie aufladen.
7
Silberdistel
Station 6: Der Bergwald
rungen einzelner Arten zu Schäden
führen.
Fühlen Sie den Boden, wo ist er
trocken, wo feucht, wo steinig, wo
weich und humos, und vergleichen Sie
diesen Zustand mit den darauf wachsenden Pflanzen!
Sie haben den Bereich der oberen
Bergwaldstufe, die Kampfzone des
Waldes, erreicht. Die Vegetation führt
hier einen ständigen Widerstreit mit
den Naturgewalten. Fichte und Lärche sind die hochstämmigen Bäume,
die an stabilen Standorten überleben.
Dazwischen jedoch niedriges Latschengebüsch, einzelne Birken, Vogelbeerbäume, Zitterpappeln. Diese
Gehölze sind elastisch, die Lawinen
können darüber hinweg fegen, ohne
Schaden anzurichten. Schotterzungen
schieben sich dazwischen, sie werden
von Pionierpflanzen besiedelt, bis sie
stabil genug für anspruchsvollere
Lebensformen sind. Humusgefüllte
Zwischenräume von Felssturz-Blöcken
bieten Schutz und Nährstoffe für das
Aufkommen des Jungwaldes. Die
Ameisen sorgen als Waldpolizei dafür,
dass ein Gleichgewicht in der Tierwelt
herrscht, dass nicht Massenvermeh-
Station 7: Das Vergehen
der „ewigen“ Berge
Vielleicht fragen Sie sich, was an diesem Punkt sehenswert ist. Schotter
und Steine überall.
Die Berge sind durch Kräfte im
Inneren der Erde in Jahrmillionen zur
heutigen Größe gewachsen – und
wachsen immer noch. Aber auch
Berge wachsen nicht in den Himmel,
alles in der Natur hat sein Maß. Dafür
sorgen die Kräfte der Atmosphäre:
Regenwasser, Frost und Hitze zermürben das Gestein, Wasser transportiert die Bruchstücke zu Tal, den
Gesetzen der Schwerkraft folgend.
8
Erosion als Lehrbeispiel für den
ewigen Kreislauf in der Natur. Ohne
Schotter von der Abtragung der Berge
wären unsere Täler kahle Felswannen,
ohne Sand und Lehm gäbe es Meer
anstelle fruchtbarer Ebenen. Der
Lebensraum des Menschen ist durch
dieses Abtragungsmaterial erst entstanden!
Die Erosionsrinnen und Schutthalden des Höllkares sind alpine Urlandschaft, einzig den Gesetzen der Natur
gehorchend.
der Lärchenwiesen ist nicht mehr rentabel und so wird mancherorts versucht, diese liebliche Landschaft durch
die Bezahlung von Pflegeprämien für
die Öffentlichkeit zu erhalten.
Auch die ehemaligen Heuhütten
werden für ihren ursprünglichen
Zweck nicht mehr gebraucht. Die
Eigentümer haben sie teilweise zu
Wochenendhütten umfunktioniert.
Die Wiesen hingegen wachsen zu,
werden wieder zu Wald, wie vor der
Existenz des Menschen. Ein Stück
Kulturlandschaft verschwindet.
Station 8: Die Lärchenwiesen
Station 9: Der „Relikt-Föhrenwald“, ein Überbleibsel aus
wärmeren Zeiten
Im krassen Gegensatz zur Urlandschaft des Höllkares zeigt sich hier
wieder ein eindrucksvolles Beispiel der
kultivierenden Tätigkeit des Menschen, welche die Landschaft geprägt
hat.
Der Mensch betreibt hier eine
Doppelnutzung: Der Wald wurde so
weit ausgelichtet, dass neben der
Gewinnung des Holzes auch eine
Nutzung der Bodenvegetation als
Viehfutter ermöglicht wurde.
Viele Kleinbauern haben heute die
Landwirtschaft aufgegeben. Die Mahd
Nach dem Abschmelzen der Gletscher
der letzten Eiszeit war es durch viele
Jahrhunderte hindurch wärmer und
trockener als heute. In dieser Zeit entstanden in den inneralpinen Tälern
ausgedehnte Föhren-(Kiefern-) Wälder, die an den heißen und trockenen
Hängen des Oberinntales als Relikte
bis heute erhalten geblieben sind.
Diese Wälder sind optisch einförmig und wenig attraktiv, es hat hier
aber auch eine vielfältige und spezialisierte Tierwelt aus der vergangenen
Wärmeperiode überdauert. Viele dieser Wälder, besonders an unzugänglichen Felshängen, wie an der Martinswand, haben ihren Urwaldcharakter
bewahrt und sind mit ihrer Flora und
Fauna bemerkenswerte Zeugen der
bewegten Klimageschichte der Alpen.
Europäische Lärche
9
Kristenalm
www.karwendel.org/ kristenalm
Meditationsweg zu den Isarquellen
Solsteinhaus
www.solsteinhaus.at
niert, dass es eine „Vogeluhr“ gibt,
was bei einem Jungvogel zu machen
ist und viele weitere Details. Mit Leitfragen und Kreuzworträtsel können
Sie dann auch noch kontrollieren, wie
viele Details Sie sich nach Besichtigung des „Zirler Vogelsteig“ gemerkt
haben! Diese empfehlenswerte Broschüre kann über die Koordinationsstelle Alpenpark Karwendel (siehe
Wichtige Adressen) oder im Tourismusbüro Zirl bezogen werden.
Alpendohle
Station 0: Zirler Vogellehrweg
Einen landschaftlich und naturkundlich äußerst interessanten Abschluss
bzw. Verlängerung der bisherigen
Wanderung stellt der Zirler Vogellehrweg dar. Landschaftlich spektakulär mit imposanten Ausblicken in
die Schlossbachklamm und nach Zirl,
ist der Zirler Vogellehrweg im umgebenden Föhrenwald mit seinen urigen
Baumgestalten eine wahre Besonderheit. Dazu bilden die 23 Vogelportraits
auf ansprechend gestalteten Schautafeln einen fachlich interessanten Hintergrund zu diesem Naturparadies.
Gibt es dazu noch eine Steigerung?
Ja natürlich! Eine von der Integrationsklasse 2A der Hauptschule Zirl
im Schuljahr 2002/03 unter Leitung
von Eva Leis und Josef Ebenbichler
im Zuge der Renovierung des alten
Vogelsteiges liebevoll gestaltete Broschüre „Zirler Vogelsteig“. Darin sind
viele Interessante Details rund um das
Thema „Vögel“ zusammengestellt.
Oder hätten Sie z.B. gewusst, dass
Franz von Assisi den Vögeln gepredigt hat, wie der Vogelzug funktio-
Fossilien
Die beschriebenen Stationen zeigen
Ihnen beispielhaft einige besondere
Erscheinungsformen der Natur und
der kultivierenden Tätigkeit des Menschen, es sind Plätze, an denen Sie die
Vielfalt und die Gegensätze besonders
gut erleben können.
Im Verlauf der Wanderung werden
Sie sicher nachdenken über die
Gesamtheit des Erlebten, über die Entstehung dieses Naturraumes, über die
Besiedlung durch Pflanzen und Tiere,
wann und wie ist der Mensch dorthin
gekommen. Die folgenden Kapitel sollen helfen, diese Fragen kurz zu beantworten.
12
Die Entstehung des Karwendelgebirges
Die Hauptgesteinsbildner des Karwendels sind Wettersteinkalk und
Hauptdolomit. Beide Gesteine sind im
frühen Erdmittelalter (Trias), also vor
über 200 Millionen Jahren, aus Meeresablagerungen in seichten Lagunen
entstanden. Während der Wettersteinkalk meist von sehr heller, fast
weißer Farbe ist, ist für den Hauptdolomit ein bräunliches bis dunkles
Grau typisch. Der bis zu 2.200 m
mächtige Wettersteinkalk ist massig
bis massiv bankig ausgebildet, der
meist nur einige 100 m mächtige
Hauptdolomit ist hingegen von zahllosen Klüften und Störungen durchzogen, was an seiner bröselig verwitternden Oberfläche sichtbar wird.
Diesen Gesteinen zwischengeschaltet
sind die markant feingeschichteten
bräunlich-schwarzen Schiefertonlagen
der Nordalpinen Raibler Schichten.
Im Westen und Osten des Karwendels
treten im oberen Abschnitt des Hauptdolomits tonige, bituminöse Gesteine verschiedenen Alters auf, der
„Ölschiefer“, aus dem bis heute das
„Steinöl“, ein beliebtes Heilmittel
besonders bei Hautkrankheiten, gewonnen wird.
In den gebirgsbildenden Epochen
des späten Erdmittelalters (Kreidezeit)
und der frühen Erdneuzeit (Tertiär)
führten gewaltige tektonische Kräfte
des Erdinneren zu Zerreißungen und
Überschiebungen der ehemals horizontal geschichteten Ablagerungen
und zur Auffaltung der heute sichtbaren Karwendelketten (Innsbrucker
Nordkette, Gleirsch-Halltalkette, Karwendel-Hauptkamm, Nördliche Karwendelkette). Dieser Kettenaufbau
des Karwendels unterscheidet dieses
Gebirge markant von den Massiven
der östlichen Nördlichen Kalkalpen,
wo die Kalkgesteine flächig und ohne
größere Zerreißungen in Form von
Gebirgsstöcken gehoben wurden.
Diese Gebirgsbildung aus den Meeresablagerungen erfolgte nicht plötzlich, sondern in einem Zeitraum von
über 100 Millionen Jahren und ist bis
heute nicht abgeschlossen!
Waren die gebirgsbildenden Prozesse in der Kreide- und Tertiärzeit
für das Entstehen der Bergketten verantwortlich, so wurde der heute vorliegende Reichtum der Oberflächen-
Gesteinsschichten
13
formen durch Vorgänge in der jüngsten erdgeschichtlichen Epoche, dem
Quartär, geprägt. Moränenterrassen
an den Hängen sind Zeugen für die
Gletscher der Eiszeiten, die Klammen sind vom Wasser der schmelzenden Gletscher in das Gestein gegraben worden und sind nicht älter
als 12.000 Jahre. Die landschaftsprägenden Schutthalden schließlich
sind der Beweis für die unaufhaltsam fortschreitende Abtragung der
Berge, gestern, heute und in Zukunft.
Im krassen Unterschied zu den
stark verkarsteten Plateaugebirgen der
östlichen Nördlichen Kalkalpen sind
die Kalkgesteine des Karwendels
weder oberflächlich noch unterirdisch
deutlich verkarstet. Dies bewirkt, dass
die eindringenden Niederschlagswässer jahrelang im Gebirge verweilen und hier in großer Menge gespeichert werden können, was eine hervorragende Wasserqualität und konstante Schüttung der teilweise gewaltigen Quellen zur Folge hat.
Charakteristische Lebensräume
für Pflanzen und Tiere
Die Vergletscherung während der Eiszeiten hat das pflanzliche und tierische Leben im zentralen Alpenraum
nahezu ausgelöscht. Nur wenige Pionierpflanzen und kälteliebende Insektenarten konnten an aperen Graten
überleben – Verhältnisse, wie sie heute
noch in der Nivalzone des Hochgebirges anzutreffen sind. Am Alpenrand hingegen, besonders im Süden
und Osten, konnte eine vielfältige
Pflanzen- und Tierwelt das ungünstige Klima überdauern und von hieraus
wurden wohl innerhalb weniger Jahrhunderte die verwüsteten Gebiete wiederbesiedelt. Vor 11.000 Jahren war es
nachweislich viel wärmer als heute,
die alpine Waldgrenze lag damals,
unmittelbar nach dem Abschmelzen
des Eises, bei 2.600 m!
Wir können diese Wiederbesiedlung, die Sukzession, bei der Wanderung durchs Karwendel aus eigener
Beobachtung nachvollziehen: Ein frischer Felssturz, eine Schutthalde stabilisiert sich. Wasser schwemmt Feinmaterial in die Lückenräume. Erste
Pionierpflanzen (z.B. tiefwurzelnde
Polsterpflanzen) können Fuß fassen.
Abgestorbene Pflanzenteile verrotten
zu Humus, dieser sammelt sich wieder in Spalten und Mulden. Der Nährboden für anspruchsvollere Pflanzen
ist damit geschaffen, es wachsen dichte Polster von Silberwurz und Rasenhorste. Der Humus mehrt sich, erste
Gehölze (Zwergsträucher, Legföhren)
kommen auf. Im Erosionsschutz dieser Kleingehölze keimen erste Bäume
(Birken, Ebereschen, Lärchen) und es
14
entwickelt sich daraus der Bergwald.
Noch schneller geht die Sukzession in
den Talniederungen vor sich: Auf den
Schwemmflächen der Flüsse sammelt
sich sehr rasch fruchtbarer Schlamm,
auf dem binnen weniger Jahre ein
Erlen- und Weidenauwald entsteht.
Die Entwicklung der Tierwelt steht
in untrennbarem Zusammenhang mit
dem Leben der Pflanzen: Pflanzliche
Substanz, ob lebend oder tot, ist der
Beginn der Nahrungskette aller Tiere.
Ohne Insekten gibt es – mit wenigen
Ausnahmen – keine Bestäubung und
damit Vermehrung der Pflanzen. Für
die Ausbreitung der Samen sind vielfach Vögel zuständig. Das gemeinsame Zusammenleben von Pflanzen und
Tieren ist die Grundlage jeder Entwicklung in der Natur.
So finden wir bei unserer Wanderung alle charakteristischen natürlichen
Lebenräume des Karwendelgebirges:
Fels- und Schuttfluren mit Pionierpflanzen, alpine Rasengesellschaften,
Zwergstrauchheiden, Legföhrengebüsche, Bergwälder aus Fichte, Lärche
und Zirbe, Fichten-Buchen-Tannenwälder, Buchen-Ahornwälder, KiefernSpirkenwälder und Augebüsche. Dazu
kommen noch die vom Menschen
geprägten Lebensräume, wie die Almmatten und die Lärchenwiesen.
An charakteristischen Tierarten seinen erwähnt: Hirsch, Reh, Gämse,
Steinbock, Murmeltier, Auerhuhn,
Birkhuhn, Haselhuhn, Schneehuhn,
Steinadler, Uhu, Waldohreule, Waldkauz, Wanderfalke, Alpendohle, Ringdrossel, Flussuferläufer, Kreuzotter,
Bergeidechse, Alpensalamander. Die
Zahl der Insektenarten ist außerordentlich hoch und es leben hier zahlreiche europaweit bedrohte Arten, die
an alte urständige Waldgebiete gebunden sind.
Frauenschuh
15
Seit wann lebt der Mensch in diesem Gebiet,
warum ist er hierher gekommen?
Die Gegend um Scharnitz dürfte erst
vor rund 3.000 Jahren für den Menschen besiedelbar geworden sein.
Nachgewiesen ist die Errichtung einer
Siedlung in Scharnitz durch die
Römer. Die menschlichen Einflüsse in
den Bergen des Karwendels dürften
an die 1.000 Jahre zurückreichen.
Damals durchstreiften vor allem Jäger
das Gebiet, worauf auch die Entdeckung des Salzvorkommens im
Halltal im 13. Jahrhundert zurückzuführen ist. Mit dem Salzbergbau und
in der Folge (Spätmittelalter) mit der
Gewinnung von Erzen (besonders Silber im Gebiet Lafatsch) begannen die
großen Naturveränderungen durch
den Menschen: War der Holzbedarf
für den Bergbau zuerst aus der näheren Umgebung zu decken, erstreckten
sich große Kahlschläge in der Folge
auf immer entferntere Gebiete des
Karwendels. Zugleich wurden Saumund Ziehwege zu Transportzwecken
gebaut. Vor rund 400 Jahren begannen auch die Waldrodungen zur Schaffung von Almen. Insbesondere
während des Dreißigjährigen Krieges
waren die Bauern gezwungen, zum
Schutz vor Plünderungen ihr Vieh in
entlegene Gebiete auszusiedeln, wie
dies von der Engalm (Ahornboden)
im Rißtal belegt ist. Zahlreiche Urkunden aus dem 18. und 19. Jahrhundert
wiesen den Dorfbewohnern Holz-,
Weide- und Streunutzungsrechte zu,
sodass die Wälder in der Nähe des
Siedlungsraumes immer mehr degeneriert wurden und bis heute diese
Schäden Probleme bereiten. In neuester Zeit entwickelte sich auch die
Jagd zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor, die Überhege des Schalenwildes ist heute eine der gravierendsten Konfliktsituationen mit dem
Ziel der naturnahen Walderhaltung.
Schließlich können auch moderne
Erscheinungsformen des Tourismus
der Natur erhebliche Schäden zufügen, der rücksichtslose Gebrauch des
Berges als Sportgerät ist weder mit
dem Ziel des Naturschutzes noch mit
der Erhaltung der Landschaft für die
Erholung des Menschen vereinbar. Als
Naturfreund können gerade Sie durch
besonnenes Verhalten einen Beitrag
zur Vermeidung solcher Schäden
leisten.
Der Naturlehrpfad Blickrichtung Süden
16
Karwendelquelle
Sinne und Gefühl
Nehmen Sie sich Zeit, alle Ihre Sinne
zur Wahrnehmung zu aktivieren!
Mobilisieren Sie nicht nur den
Gesichtssinn, versuchen Sie auch zu
hören, zu riechen, zu schmecken, zu
tasten, zu fühlen! Lassen Sie Ihren
Gefühlen freien Lauf, träumen Sie!
Betrachten Sie den Tautropfen, das
Spinnennetz, die Spur der Gämse, den
Baum im Wind, die Blüte im Fels.
Hören Sie das Lied des Vogels, das
Schnarren der Heuschrecke, das Säuseln des Windes in den Blättern, das
Rauschen des Baches, das Prasseln des
Regens.
Riechen Sie den Duft der Blüte, das
Harz des Baumes, das Aroma der
Pilze, den Atem der Erde.
Schmecken Sie die Süße der Himbeere, die Herbe der Preiselbeere, das
Saure des Ampfers, das Bittere der
Kresse, das Aroma der Haselnuss, das
Belebende des Quellwassers.
Tasten Sie die Härte des Felsens,
die Weichheit des Mooses, den Samt
der frischen Blätter, die Struktur der
Rinde, die Grobheit des Schotters, die
Feinheit des Sandes.
Fühlen Sie die Wärme der Sonne,
die Kühle der Schlucht, die Kälte des
Wassers, die Ausgeglichenheit des
Waldes, die Unnahbarkeit der Felswand. Ziehen Sie Ihre Schuhe aus und
steigen Sie in den kalten Bach, die verbrauchte Energie kehrt zurück.
Legen Sie sich ins Moos und träumen Sie von Harmonie, Ruhe und
Zufriedenheit. Atmen Sie langsam und
ruhig, nehmen Sie all das Schöne in
sich auf, finden Sie zu sich selber
zurück, Sie sind Teil all der Wunder,
die Sie umgeben.
17
Eine Bitte an den Naturfreund
Der Alpenpark Karwendel geht auf
eines der ältesten Schutzgebiete der
Ostalpen (1928) zurück. Er umfasst
eine Fläche von 730 km 2 und setzt
sich aus 3 Naturschutz-, 2 Ruhe- und
6 Landschaftsschutzgebieten zusammen. Mit dem bayerischen Naturschutzgebiet Karwendel und Karwendelvorgebirge bildet er ein Schutzgebiet von 920 km 2 – das größte der
Nördlichen Kalkalpen. Der Alpenpark
dient großflächig dem Schutz
• der gesamten Natur
• der Landschaft und der Lebensräume
• der Vielfalt der Pflanzen und Tiere
• der Eigenart und Schönheit der
Bergwelt
• der Ruhe- und der Erholungswirkung der Natur
Wegabschneider im steilen Gelände
tragen wesentlich zur Erosion bei.
Tiere gewöhnen sich leichter an Menschen, die immer dieselben Wege einhalten, und werden somit kaum
gestört.
Nehmen Sie ihren Hund an die Leine,
da bereits in unmittelbarer Wegnähe
verschiedenste Tiere leben und ihre
Jungen aufziehen.
Stellen Sie Ihr Auto ausschließlich auf
den gekennzeichneten Parkplätzen ab
und niemals im freien Gelände, auf
Bergweiden oder Waldböden.
Bleiben Sie mit dem Mountainbike
nur auf den dafür vorgesehenen
Routen.
Zum Schutz des Alpenparks
und seiner einmaligen Natur
beachten Sie bitte:
Pflücken Sie keine Blumen, damit sich
auch der nächste Wanderer an ihrer
Schönheit erfreuen kann.
Entnehmen Sie keine Tiere, Pflanzen
oder Pilze, da jedes einzelne Lebewesen einen wichtigen Bestandteil des
Naturhaushaltes darstellt.
Bleiben Sie auf den markierten Wegen!
Enzian
Um das Schutzgebiet Alpenpark Karwendel in seiner einmaligen Naturschönheit und Vielfalt auch für zukünftige Generationen zu erhalten, ist
unser aller Unterstützung nötig. Vielen
Dank für Ihren Beitrag!
18
Wichtige Adressen
Koordinationsstelle Alpenpark Karwendel, Abteilung Umweltschutz,
Amt der Tiroler Landesregierung, Eduard Wallnöfer Platz 3,
A-6020 Innsbruck, Tirol; Sekretariat: +43-(0)512-508-3452, Fax: -3455,
E-Mail: [email protected]
Alpenpark Karwendel Service Telefon: 0664/5587364
Besuchen Sie doch die Homepage eines der größten Schutzgebiete der Alpen:
Lenggries, München
→
www.karwendel.org
Hinterriß
Infozentrum Karwendel in Hinterriß
Rißtalstraße
• Adresse: Infozentrum Karwendel in Hinterriß, Nr. 14,
A-6215 Hinterriß, Tel.: +43-(0)5245-250
• Die genauen Öffnungszeiten erfahren Sie beim Alpenpark
Karwendel Service Telefon: +43-(0)664-5587364.
Infozentrum
→
Eng
Mittenwald, München
Infozentrum Karwendel in Scharnitz
f
Bahnho
Infozentrum
er
Str
aße
Isar
lba
hn
uck
de
sbr
rw
en
Inn
Ka
Seefeld, Innsbruck
• Adresse: Innsbrucker Straße 282, A-6108 Scharnitz,
Tel. +43-(0)5213-5270, Fax -5557
E-Mail: [email protected]
• Die genauen Öffnungszeiten erfahren Sie beim Alpenpark
Karwendel Service Telefon: +43-(0)664/5587364
Scharnitz
Auskünfte zum Fahrplan erhalten Sie unter www.vvt.at oder www.oebb.at, dem
Alpenpark Karwendel Servicetelefon, im Infozentrum Karwendel Scharnitz
oder im Tourismusbüro Zirl!
Information und Sicherheit
Tourismusverband Urlaubsregion Seefeld, Infobüro Scharnitz:
Tel. +43-(0)5213-5270
Ferienregion Innsbruck-West, Tourismusbüro Zirl: Tel. +43-(0)5238-52235
Solsteinhaus: Tel. +43-(0)5232-81557
Bahnhof Scharnitz: Tel. +43-(0)5213-5207
Bergrettung Seefeld: Tel. +43-(0)5212-2400 od. 4642, Notruf 140
Bergrettung Scharnitz: Tel. +43-(0)5213-5300
Bergwacht Zirl: Tel. +43-(0)512-263450
Gendarmerieposten Zirl: Tel. +43-(0)5238-52314
Gendarmerieposten Seefeld: Tel. +43-(0)5212-2309
Scharnitz (964m)
Bahnhof oder Parkplatz Karwendel
4 Stunden
▼
Kristenalm (1348 m)
Almbetrieb, Jausenstation
1,5 Stunden
▼
Solsteinhaus (1806m)
Alpenvereinshütte,
Übernachtungsmöglichkeit
3 Stunden
▼
Hochzirl (992m)
Bahnhof, Rückfahrt nach Scharnitz
1,5 Stunden
▼
Zirl
Band 1:
Band 2:
Band 3:
Band 4:
Band 5:
Band 6:
Band 7:
Band 8:
Karwendel-Geschichte(n)
Ökologische Episoden
Der Berg-Ahorn im Karwendel
Wanderungen in der
Umgebung von Scharnitz
Wanderungen im Rißtal
Naturlehrpfad
„Großer Ahornboden“
Salzberg und Saline Hall i.T.
Naturlehrpfad Scharnitz –
(Hoch)Zirl
Schutzgebühr: € 2,–
Herunterladen