Der Status der Frau im Christentum und im Islam zwischen Tradition

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Der Status der Frau im Christentum und im Islam
zwischen Tradition und Moderne
Die Stellung der Frau ist mit Sicherheit eines der viel diskutierten und
umstrittenen Themen in den Religionen, und oftmals wird eine Diskriminierung der Frau auf der Grundlage
patriarchalischer Kulturen den religiösen Lehren zugeschrieben. Viele
kulturell bedingte patriarchalische
Werte haben die Religionen beeinflusst, und folglich wird die Debatte
um religiöse und kulturelle Traditionen und eine Modernisierung von
Gesellschaften oft auf dem Rücken
der Frauen ausgetragen. Speziell auf
den Islam bezogen stellt sich die Rolle der Frau in diversen islamischen
Strömungen und geokulturellen Kontexten sehr vielfältig und pluralistisch dar, und die großen Unterschiede im jeweiligen Selbstverständnis von muslimischen Frauen
machen deutlich, dass es einen festgeschriebenen Status der Frau im
Islam nicht gibt. Eine sachlich objektive Auseinandersetzung mit dem Status der Frau im Islam und anderen
Religionen setzt vor allem eine Sensibilisierung für antiislamische bzw.
antireligiöse Wertungen und Einschätzungen wie auch die Wahrnehmung des Pluralismus und die Rezeption der Stimmen der Betroffenen
voraus. Deshalb haben wir Vertreterinnen der christlichen Konfessionen
und des Islam um eine kurze Stellungnahme und Einschätzung des
Status der Frau in ihrer jeweiligen
Religion gebeten.
Religionen differieren hinsichtlich
ihres spezifischen und komplexen
Rollengefüges, das in Geschichte
und Gegenwart stets Veränderung
und Wandel unterworfen war. Wie
beschreiben Sie die Rolle und Stellung der Frauen im heutigen Christentum bzw. Islam speziell im Hinblick auf die theologischen Voraussetzungen und gesellschaftlichen
Implikationen? Gestehen Altes und
Neues Testament bzw. die Scharia
und der Quran jeder Person das volle Menschsein zu?
Dr. Margot Käßmann,
Landesbischöfin der Evangelischlutherischen Landeskirche Hannover:
In seiner Botschaft ruft Jesus die
Menschen auf zu einem neuen Leben. Es ist geprägt durch ein befreites, angstfreies Dasein gegenüber
persönlichen und sozialen Bedrängnissen. Dieses neue Leben ist nicht
nur eine Möglichkeit, es ist Wirklichkeit für die, die aus der Gnade
Gottes leben und daraus Kraft zu
neuen Aufbrüchen schöpfen.
Frauen galten zur Zeit Jesu vielfach
als Außenseiterinnen, wie Zöllner
oder Kranke; viele sahen sie als minderwertig an. Ihnen wendete sich Jesus besonders zu. Er behandelte sie
als gleichwertige und auch gleichberechtigte Partnerinnen. Als Jüngerinnen schlossen sie sich ihm an (Lk
8,1-3; Mk 15,37-41) und übernahmen
leitende Aufgaben in der frühen
Christenheit (z.B. Apg 1,13f; Röm
16,1-16).
Der Apostel Paulus hat die Botschaft
Jesu und die in ihr begründete
Gleichberechtigung der Frau im Brief
an die christliche Gemeinde der Galater prägnant beschrieben. „Hier ist
nicht Jude oder Grieche, hier ist nicht
Sklave oder Freier hier ist nicht
Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus.“ (Gal 3,28)
Diese gesellschaftlichen Unterschiede haben also keine Bedeutung in der
Gemeinde. Mehr noch: „Zur Freiheit
hat uns Christus befreit! So steht nun
fest und lasst euch nicht wieder das
Joch der Knechtschaft auflegen!“
(Gal 5,1) Diese christliche Freiheit
gründet im befreienden Handeln Gottes für die Menschen und umschließt
die soziale Wirklichkeit.
So sehr die Frau – wie der Mann ! –
eine dienende Funktion gegenüber
Gott und den Mitmenschen sowie der
Umwelt hat, so wenig ist dieser
Dienst von der gewährten Freiheit zu
lösen. Freiheit und Dienst gehören
untrennbar zusammen. Das Verhältnis zu Gott ist also keineswegs durch
Unterwerfung gekennzeichnet, sondern durch das Zusammenspiel von
christlicher Freiheit und Dienst. Und
dies gilt für Frauen wie für Männer
gleichermaßen auch für das Verhältnis zu den Mitmenschen bis hin zum
gleichberechtigten Zusammenleben
in der Ehe.
Angelika Salomon,
wissenschaftliche Referentin für den
Dialog der Religionen an der Katholischen Akademie Berlin
„Ihr alle, die ihr auf Christus getauft
seid, habt Christus angezogen. Da
sind nicht mehr Juden und Griechen/Heiden, nicht Sklaven und
Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr
alle seid 'einer' in Christus Jesus.“
(Gal 3,27f)
Dies sind die Worte von Paulus in
einem Brief an die Galater, der in unsere Heiligen Schrift aufgenommen
wurde. Christus hat Männer und
Frauen gleichermaßen berufen, er hat
bestehende traditionelle Grenzen
überschritten, Frauen in die Lehre
einbezogen und Unreine berührt.
Ein anderer Brief des Paulus an die
Korinther (1.Brief an die Korinther
14,34 ff) beinhaltet:
„Wie [es] in allen Gemeinden der
Heiligen [ist], sollen eure Frauen in
den Gemeinden schweigen, denn es
wird ihnen nicht erlaubt, zu reden,
sondern sie sollen sich unterordnen,
wie auch das Gesetz sagt. Wenn sie
aber etwas lernen wollen, so sollen
sie daheim ihre eigenen Männer fragen; denn es ist schändlich für eine
Frau, in der Gemeinde zu reden.“
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Während im ersten Brief das Neue
der Christusgemeinde betont wird, ist
der zweite Brief im Rahmen der bestehenden Traditionsgrenzen geschrieben. Aus unserer Zeit heraus
eine unvorstellbare Forderung und
dennoch wird sie auch heute gern zitiert und teilweise gewünscht.
Es scheint bis heute, dass den herabwürdigenden Worten Paulus an die
Frauen dem befreienden Worten und
Taten Jesu Vorrang gegeben wird!
Ich bin Christin, also glaube ich daran, dass ich auf Christus getauft bin,
aufgenommen in eine befreiende
Kirche, die die alten Fesseln hinter
sich lässt. Bei der Taufe werden wir
gesalbt: „Du wirst nun mit dem heiligen Chrisam gesalbt; denn Du bist
Glied des Volkes Gottes und gehörst
für immer Christus an, der gesalbt ist
zum Priester, König und Propheten in
Ewigkeit.“ Also wie im Brief an die
Galater, kein Unterschied von Mann
und Frau in Christus.
Bis zum heutigen Tage sieht der Alltag in der Katholischen Kirche oft
anders aus. Frauen bekommen Fesseln angelegt, wir Frauen legen uns
aber auch oft selber welche an, weil
wir uns zurücknehmen, freiwillig
schweigen, Nischen suchen...
Unsere großen Kirchenlehrer, wie
z.B. Thomas von Aquin, haben mit
ihren Lehren die Fesseln ihrer Zeit
gesprengt und dennoch gibt es bei
ihnen immer wieder Zitate, die erkennen lassen, dass sie in der Beziehung zur Frau in ihrer Zeit gefangen
waren: „Der wesentliche Wert der
Frau liegt in ihrer Gebärfähigkeit und
in ihrem hauswirtschaftlichen Nutzen.“ Thomas von Aquin, Kirchenlehrer (1225-1275).
Gisela Groß,
Pastorin für die Beratung binationaler Paare bei der Ev. Auslandsberatung e.V. in Hamburg
Bei dem, was ich zu der Frage nach
Rolle und Stellung der Frauen im
heutigen Christentum zu sagen habe,
handelt es sich um ein persönliches
Statement einer evangelisch-lutherischen Pastorin. Ich gebe meine eigene Meinung wieder und kann natürlich nicht für „das Christentum“ mit
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seiner Fülle von Konfessionen und
Ausrichtungen sprechen. Als Christin
stehe ich heute auf dem Boden einer
vielseitigen Tradition der Überlieferung und Auslegung der Bibel, in der
Frauen und Männer entsprechend des
patriarchalen Denkens auf ihre Rollen festgelegt wurden. Inzwischen ist
hier aber – vor allem durch Frauen vieles entdeckt worden, das uns aus
einseitigen Rollenfixierungen befreit
und mehr Geschlechtergerechtigkeit
ermöglicht.
Ein Blick auf die hebräische Bibel
Der erste Schöpfungsbericht am Anfang der biblischen Überlieferung
macht deutlich: Frau und Mann sind
von Gott gleich geschaffen, als Ebenbilder Gottes. Männern und Frauen gemeinsam gilt der Auftrag, sich
in verantwortungsvoller Weise um
die Schöpfung zu kümmern. Nach
dem zweiten Schöpfungsbericht verwirklicht sich die Erschaffung des
Menschen im Gegenüber von Mann
und Frau. Daraus eine Vorordnung
des Mannes, eine Unterordnung der
Frau ableiten zu wollen, ergibt sich
nicht zwingend, wurde aber schon im
Neuen Testament ein Teil der Auslegungsgeschichte. Obwohl die biblische Überlieferung die patriarchalen
Verhältnisse spiegelt, die zu ihrer
Entstehungszeit herrschten, kennt die
hebräische Bibel auch ganz andere
Frauenbilder: Frauen sind aktiv, haben eine persönliche und direkte Gottesbeziehung, bringen die Geschichte
Gottes mit seinem Volk voran. Frauen sind Anführerinnen des Volkes,
wie Mirjam, von der der wohl älteste
biblische Text überhaupt, ein Lobgesang auf Gottes befreiende Taten überliefert ist. Frauen sind Prophetinnen, Richterinnen, haben großem politischen Einfluss, sind vorausschauend handelnde Mütter und mutige
Heldinnen. Für die Geschichte Gottes
mit seinem Volk sind Frauen also
zentrale Protagonistinnen und ermutigen Christinnen und Christen heute,
selbstbewusst und selbstbestimmt ihren Weg im Glauben zu suchen.
Das Neue Testament
Im Neuen Testament wird immer
wieder beschrieben, dass Jesus ein
besonderes Verhältnis zu Frauen hatte. Er hat Kontakt zu ihnen gesucht
und dabei Grenzen und Vorurteile
überwunden, er hat die Fixierung auf
traditionelle Rollen immer wieder in
Frage gestellt. Jesus hat mit Frauen
gesprochen, von ihnen gelernt, ihnen
zugehört, sie geheilt und diese Frauen erzählten von solchen Begegnungen weiter, wurden zu Verkündigerinnen. Die Frauen sind es, die unter
dem Kreuz ausharren, die zum Grab
gehen, die das leere Grab bezeugen.
Im Johannesevangelium ist die erste
Zeugin des auferstandenen Christus
eine Frau: Maria aus Magdala, um
die sich viele Legenden ranken und
die bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat (siehe die jüngste Diskussion um den „Da Vinci Code“). Eben
diese angeblich bekehrte Prostituierte
(obwohl die biblische Überlieferung
da keineswegs so eindeutig ist), „Maria Magdalena“ ist die erste der Apostel, die „apostola apostolorum“
wie die Kirchenväter sie nannten. In
der Überlieferung bekannt wurden
die zwölf männlichen Apostel – der
Verdrängungsprozess von Frauen hat
also eine lange Tradition.
Die Entwicklung des Christentums
In der frühen Christenheit kommt
Frauen eine zentrale Rolle zu: Sie
sind Initiatorinnen und Vorsteherinnen von Hausgemeinden, sie handeln
als Priesterinnen und Diakoninnen,
sie sind Lehrerinnen, Verkündigerinnen und Märtyrerinnen. Ohne diese
aktive Beteiligung von Frauen wäre
die rasche Ausbreitung des Christentums nicht denkbar gewesen. Patriarchal geprägte Gesellschaftsstrukturen
haben diese Tatsachen lange verschleiert. In der Bibel finden sich
Texte, die auf den ersten Blick frauenfeindlich wirken. Bei näherem
Hinsehen geben solche Überlieferungen aber oft wichtige Informationen
über die Rolle, die Frauen zur Entstehungszeit der Texte hatten.
Ein Beispiel: Im ersten Korintherbrief heißt es im 11. Kapitel: „Eine
Frau aber, die da betet oder weissagt
mit unbedecktem Haupt, die schändet
ihr Haupt;“ (1. Korinther 11, 5
Lutherübersetzung). Dieser Text gibt
Aufschluss darüber, dass Frauen, die
in der Gemeinde offen beteten und
prophetisch redeten, nach Wunsch
einiger (Männer?) diszipliniert werden sollten. Daraus ergab sich ein so
zentraler Konflikt, dass ein Experte
in Glaubens- und Gemeindedingen,
der Apostel Paulus zu Rate gezogen
wurde. Die ihm zugeschriebene Verhaltensmaßnahme „Darum soll die
Frau eine Macht auf ihrem Haupt haben...“ (1. Kor. 11, 10) verstehe ich
(und mit mir viele Christinnen und
Christen) nicht als ein zeitlos gültiges
Gebot zum Kopfbedecken für Frauen, sondern als einen zeitbedingten
Text über die wichtige Rolle, die
Frauen damals wahrnahmen und die
Bestrebung, sie darin zu beschneiden.
Mit der sogenannten „Hermeneutik
des Verdachts“ an biblische Texte
heranzugehen und sie auf ihre geschlechtergeprägten Interessen hin zu
befragen, eröffnet eine andere Sichtweise auf biblische Texte. Mit Hilfe
der feministischen Theologie haben
Frauen eine eigene, befreiende Auslegungspraxis entwickelt, namhafte
und namenlose Frauengestalten der
biblischen Überlieferung aus dem
Schattendasein geholt, Frauen in
Theologie und Kirchengeschichte
aufgespürt und damit anderen Frauen
und Männern ganz neue Zugänge zu
Schrift, Theologie und Kirche eröffnet.
Ich verstehe die Bibel als ein von
Menschen verfasstes und zusammengestelltes Werk, von Menschen, die
durchaus göttlich inspiriert waren,
aber Personen waren, die in einer
ganz bestimmten Zeit lebten. Zeitgebundene Vorstellungen und Wertmaßstäbe, soziale Verhältnisse und
politische Ereignisse prägten sie
selbst und ihre Sicht der Dinge und
finden sich daher auch in den biblischen Texten wieder.
Schritt für Schritt haben Theologinnen und Theologen gelernt, historisch-kritisch mit biblischen Texten
umzugehen. Unsere Aufgabe heute
ist es, die biblischen Texte immer
wieder daraufhin zu befragen, unter
welchen Bedingungen sie entstanden,
welche Interessen sie spiegeln und
dann zu überlegen, was sich aus ihnen für die heutige Zeit sagen lässt.
Maßstab für die Auslegung ist dabei
für mich als Christin Jesus Christus
als „Mitte der Schrift“: Sein Handeln,
seine Lehre sind das Vorbild, die Orientierung, an der sich eine zeitgemäße christliche Verkündigung messen lassen muss.
Der Islam stellte vor etwa 1400 Jahren eine Revolution im gesellschaftlichen Zusammenleben der Menschen dar. Vor allem für die Frauen
änderte sich alles. Waren sie vorher
eine beliebige Ware der Männer,
Es gibt keinen Gott außer
(dem einen und einzigen)
Gott; Mohammad ist der
Gesandte Gottes!
Dass ich heute als evangelischlutherische Theologin und Pastorin
so klar und selbstbewusst über die
Rolle der Frau im Christentum
schreiben kann, verdanke ich vor allem anderen Frauen! Denjenigen, die
Frauen den Zugang zur Theologie,
zum theologischen Studium und
schließlich in fast allen evangelischen Kirchen auch zum Pfarramt
eröffnet und erkämpft haben. Dies ist
eine - gemessen an der Geschichte
des Christentums – noch sehr junge
Entwicklung! Hier ist die volle
Gleichberechtigung von Frauen ein
Ziel, dessen Verwirklichung sich viele Christinnen und Christen für alle
christlichen Kirchen und Konfessionen wünschen.
Maryam Brigitte Weiß,
Frauenbeauftragte und stellvertretende Vorsitzende des ZMD
Und unter Seinen Zeichen ist dies,
dass Er Gattinnen für euch aus euch
selber schuf, auf dass ihr Frieden bei
ihnen finden möget; und Er hat Zuneigung und Barmherzigkeit zwischen euch gesetzt. Hierin liegen
wahrlich Zeichen für ein Volk, das
nachdenkt. (Qur’an, 30:21)
wurden sie durch den Islam zu
gleichwertigen Geschöpfen neben
dem Mann, beide geschaffen von
dem einen Gott, dem Schöpfer aller
Dinge.
Die Tötung neugeborener Mädchen
wurde verboten. Frauen konnten
nicht mehr einfach mitvererbt werden. Die islamische Frau bekam das
Recht und die Pflicht zur Bildung
und sogar das Recht auf Berufstätigkeit. In der islamischen Welt gab es
während des Mittelalters z.B. ca.
2500 bedeutende Rechtsexpertinnen.
Durch Hadith-Überlieferungen wissen wir, dass es schon in der Frühzeit
unter den ersten Muslimen Frauen
gab, die spezielle Fragen zu Ehe und
Familie im Islam beantworteten.
Über ihr selbst verdientes Geld konnte sie frei verfügen. Kein Vater, Bruder oder Ehemann konnte sich dazu
einmischen. Die Frau erhielt das
Recht zur Leistung von Bürgschaften, sie wurde als Zeugin anerkannt
und durch das Erbrecht als erbberechtigt erklärt.
Bei der Eheschließung behielt sie ihren Namen, bekam das Recht auf einen Ehevertrag und eine „Morgengabe“ für das Zustandekommen der
Ehe. Das Geld stand ihr alleine zu,
Al-Fadschr Nr. 124
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wieder hatte niemand eine Handhabe
darüber.
Die qur’anischen Texte beschreiben
Frauen, die Gott ausgewählt hat für
allerhöchste wichtige Aufgaben, zu
denen Männer scheinbar nicht genauso fähig waren. Und obwohl nur
Männer als Propheten gelten, erhielten die Frauen von Gott persönliche
Anrede, Information, Aufklärung,
Zuspruch und empfingen Boten Gottes. Als Beispiele für alle Frauen sei
an Maryam/Maria r.a., an die unbekannte Mutter von Moses oder an
Hagar r.a., die Frau Abrahams und
Mutter von Ismael erinnert. Alle drei
Frauen mussten ganz alleine mit enormen Schwierigkeiten fertig werden, damit unter ganz besonderen
Umständen Propheten geboren wurden und leben konnten. Sie zeigten in
ihren Handlungsweisen logisches
Denken, die Eigenschaften des Widerstandes und des Einspruchs. Sie
zeigten Mut und praktisches Handlungsvermögen. Aber sie zeigten keinerlei Unterwürfigkeit in Wort und
Tat gegenüber Männern! (siehe dazu
die ausführlichen Erklärungen in dem
Aufsatz „…Und Gott hat sich
erbarmt… - Historische Frauenbilder
des Qur´ans“ in: Gesammelte Aufsätze, ZIF Köln, 2005)
Auch die Mutter des Propheten Mohammed s.a.s., Amina r.a., wurde
schon während der Schwangerschaft
Witwe. Khadidscha r.a., die erste
Frau des Propheten s.a.s., die als 15
Jahre ältere Frau mit Vermögen ihrem Angestellten den Heiratsantrag
überbringen ließ und als erste Muslima in die Geschichte einging, stellt
für heutige Frauen ein immerwährendes Beispiel dar. Oder Fatima r.a.,
die Tochter des Propheten und Frau
von Ali r.a. Die Liste ließe sich noch
lange so weiter schreiben.
Leider hat sich durch die Jahrhunderte hindurch aus den verschiedensten
Gründen über die Bedeutung der
Frauen und ihr Können ein Schleier
gelegt, der dringend wieder gelüftet
werden muss! Es würde den Rahmen
dieses Aufsatzes sprengen, wenn ich
auf die Hintergründe eingehen würde. Fakt ist, dass die heutige muslimische Frau ihrer Rechte beraubt
wurde. An diesem Raub sind nicht22
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muslimische
Kolonialherrschaften
genauso beteiligt wie muslimische
Männer, denen es aus bestimmten
Gründen besser passte, die Frauen ins
Haus und vor allem in die Unwissenheit zu schicken als sie dem Beispiel
der vorbildlichen frühen Musliminnen und sogar späteren Lehrerinnen,
Richterinnen usw. in der islamischen
Welt folgen zu lassen.
Deshalb gibt es durchaus heute einen
Nachholbedarf bei der Erneuerung
der islamischen Lebensweise und der
Wiederentdeckung der großen kulturellen Geschichte. Dabei darf es nicht
dabei bleiben, sich in den Erfolgen
der Vergangenheit zu sonnen und zu
träumen. Die muslimische Frau muss
den ihr angestammten Wert wieder
entdecken und endlich entfalten. Sie
muss wieder lernen, vor allem auch
im Interesse der Kinder, die sie erziehen will und muss. Kinder spiegeln die Werte einer Gesellschaft
wieder. Wenn eine Gesellschaft aber
auf Unterdrückung jeglicher Art aufgebaut ist, dann kann Erziehung nicht
oder zumindest nur schwer funktionieren.
Welche Veränderungen sind Ihrer
Meinung nach innerhalb Ihrer Religion/Kirche/Konfession notwendig,
um im Wege eines Gender Mainstreamings zu einer Geschlechtergerechtigkeit zu gelangen, und welche
frauenspezifischen Fragestellungen
müssen in den Reformprozess eingezogen werden?
Angelika Salomon:
Außerhalb jeder Diskussion ist zur
Zeit die Frage, ob Frauen in der Katholischen Kirche Priesterinnen werden können.
Papst Johannes Paul II. war im Anschluss an die Heilige Schrift und die
kirchliche Tradition und in Übereinstimmung mit allen Ostkirchen der
Überzeugung, dass „die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die
Priesterweihe zu spenden.“ (Ordinatio Sacerdotalis 1994). Es ist - so erklärte der Papst - kein zeitbedingter
Zufall und auch keine Minderbewertung der Frau, wenn Jesus in den
„Kreis der Zwölf“ nur Männer er-
wählt hat und bis heute nur Männer
Priester werden dürfen. Es geht hier
nicht um eine Frage der Würde, sondern der Symbolik. In der Bibel wird
Christus öfter als „Bräutigam“ und
die Kirche bzw. Gemeinde als seine
„Braut“ bezeichnet (vgl. Eph 5,31;
Mt 9,15; Mt 25,1; Joh 3,29, 2 Kor
11,2; Offb 19,7; Offb 22,17)
Eine Jüdin, die ich sehr mag, erzählte, dass sie in ihrer Gemeinde als
Frau auch bestimmte Rechte demnächst wahrnehmen wolle. Das stieß
natürlich auf großen Widerstand und
ein Mann teilte ihr mit, dass er dann
einen Herzinfarkt bekäme. Sie verzichtete für ihre Person, um den
„Herzinfarkt“ nicht zu riskieren, ermutigt aber weiter junge Mädchen,
den eingeschlagenen Weg der
Selbstbehauptung zu gehen. Diese
Gradwanderung machen viele gläubige Frauen in den abrahamitischen
Religionen. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch wir in unserer Zeit gefangen sind: einerseits eine gute
Ausbildung und eine anerkannte gesellschaftliche Position haben, andererseits das aus der eigenen Tradition
mitgebrachte alte Frauenbild stärken
und uns nur leise dagegen auflehnen.
Es gibt sehr kluge Frauen in der Katholischen Kirche, deren Lehre Männer und Frauen froh macht, weil es
die Botschaft Christi ist und es gibt
genügend Menschen, die vor dieser
Freiheit Angst haben. Das ist das Dilemma.
Jede Frau muss für sich entscheiden,
welchen Weg sie gehen will, um als
Christin von der Kirche als einen
„guten Ort“ künden zu können. Letzteres ist unser Auftrag, unsere Berufung, der wir uns nicht entziehen dürfen.
Gisela Groß:
Weitere Herausforderungen
Die
Nordelbische
EvangelischLutherische Kirche hat Anfang 2004
die
Einführung
des
Gendermainstreaming–Verfahrens beschlossen. Die ganze Kirche hat es sich zur
Aufgabe gemacht, in ihrem Handeln,
Verkündigen und Planen immer die
Auswirkungen zu bedenken, die dies
auf Männer und Frauen, auf ihre un-
terschiedlichen
Lebenssituationen
und Interessen hat. Auch wenn so
mancher der Begriff und die inhaltliche Füllung dieses „Gendermainstreaming“ noch etwas fremd ist
– den grundsätzlichen Entschluss, an
der Verwirklichung von Chancengleichheit und einem gerechten Miteinander von Frauen und Männern in
der Kirche weiter zu arbeiten, begrüße ich sehr! Es ist schließlich noch
nicht alles erreicht, wenn Frauen in
zentralen kirchenleitenden Ämtern
vertreten sind. Und die Angst, der
Pfarrberuf werde vor allem dadurch
an Ansehen verlieren, weil er zu einem Frauenberuf wird, zeigt eine
Frauen immer noch abwertende Einstellung. Die Rückläufigkeit der
Verwendung geschlechtergerechter
Sprache in unserer Gesellschaft gibt
Zeugnis von einem schwindenden
Bewusstsein für die Notwendigkeit,
hier konsequent zu bleiben. Auch
dies ist ein Punkt, an dem die Kirchen eine Vorbildfunktion einnehmen und beibehalten könnten – da
Sprache Wirklichkeit spiegelt, sollte
auch die Sprache in der Kirche weiterhin ein Spiegel der Vielfalt
menschlichen Lebens als Frau und
Mann sein. Ein Gendermainstreaming-Verfahren, das nachhaltig die
Unterschiedlichkeit der Rollenzuschreibungen und deren Auswirkungen auf Männer und Frauen in den
Blick nimmt, ist ein wichtiges Instrument im gegenwärtigen Reformprozess der Nordelbischen Kirche.
Nur so können wir an einer offenen
und einladenden Kirche für Frauen
und Männer weiter bauen. Ermutigt
dazu werden wir durch die frohe Botschaft, dass genau das von Gott so
gewollt ist.
Maryam Brigitte Weiß:
Die muslimische Frau von heute ist
in der besonderen Situation, dass sie
entweder in einem von fremden
Herrschern unterdrückten islamischen Land oder in einem von eigenen willkürlichen Herrschern unterdrückten islamischen Land lebt. Oder
sie ist in einer nicht-muslimischen
Umwelt, in der ihre muslimische
Identität nur auf dem Papier, aber
nicht in der Realität anerkannt und
akzeptiert wird. In jedem Fall werden ihr das Dasein und damit auch
die Erziehung ihrer Kinder erschwert.
mischen Frau wieder auf den Stand
der Frühzeit zu bringen. Dazu gehört
Bildung für die muslimischen Männer, Aufklärung darüber, was lediglich tradionell bedingte Handlungs-
Gott ist das Licht der Himmel und der Erde!
Die ursprünglichen islamischen Normen müssen also von Verkrustungen
befreit werden. Dann muss es eine
gründliche Aufklärung über diese ursprünglichen Normen geben. Dabei
ist die Respektierung der Rechte der
Frauen ein Teil der Ibada der Männer. Es gibt keinen Geschlechterkampf im Islam. Die Musliminnen
können und müssen die ihnen von
Gott gegebenen Rechte einfordern.
Sie müssen sich damit auch ihrer
Verantwortung für die Gesellschaft
und ihre Familie bewusst werden. Es
gilt also, die Männer aufzuklären,
damit diese die Frauen wieder in ihre
religiöse Freiheit der Pflicht zum
Wissenserwerb entlassen. Dann kann
diese sich wieder ein profundes Wissen in religiöser und psychologischpädagogischer Hinsicht aneignen und
sich entsprechend der Erziehung der
Kinder widmen, eine gesellschaftliche Aufgabe übernehmen und den
Islam weitertragen.
Entsprechend des Gender Mainstreaming-Konzeptes wäre es demnach
nötig, die Rolle der muslimischen
weisen sind und nicht dem Islam entspricht und schließlich Bildung für
die Frauen, damit diese ein selbstbewusstes und selbstbestimmtes Leben
führen können, in dem Bewusstsein,
dass sie islamisch korrekt handeln
und nicht einer Männer dominierten
Tradition Folge leisten.
Grundsätzlich gelten Gottes Gesetze
für alle Zeiten, alle Orte und alle
Menschen. Das heißt aber nicht, dass
die qur´anischen Aussagen zu Teilen
der Scharia nicht weiter hinterfragt
werden können. Zu solchen Punkten
könnte z.B. die finanzielle Situation
einer geschiedenen Frau gehören, die
nach der Scharia (Unterschiede je
nach Rechtsschule sind möglich) nur
Anspruch auf Unterhalt für die Kinder hat und zu ihrer Familie zurückkehrt. In der westlichen Welt, z.B. in
Deutschland, ist durch das Scheidungsrecht geregelt, dass der geschiedene Mann für den Unterhalt
seiner ehemaligen Frau, wenn diese
noch für kleine Kinder zu sorgen hat
und nicht arbeiten gehen kann, aufkommen muss. Ist er dazu nicht in
Al-Fadschr Nr. 124
23
der Lage, kommen staatliche Stellen
dafür auf. In diesem Fall könnte der
Einwand berechtigt sein, wo bleibt
die islamische Frau, wenn sie keine
Familie mehr hat? Wovon soll sie
leben, wenn sie nur Unterhalt für ihre
Kinder bekommt? - Damit sind wir
wieder bei dem oben erwähnten
Hauptthema: Die islamische Lebensweise ist allumfassend geregelt. Sie
muss nur entsprechend neu entdeckt
und entwickelt werden. Für die geschiedene Frau ohne eigene Familie,
die auf Grund der Versorgung kleiner
Kinder nicht arbeiten gehen kann,
muss der Bait-ul-Mal (die „Staatskasse“) aufkommen. Der Bait-ul-Mal
erhält z.B. seine Gelder aus Erbvermögen, zu dem niemand die Erbfolge
antreten kann und soll zum Nutzen
aller Muslime verwendet werden.
Das Fazit zu dem Thema der GenderGerechtigkeit im Islam wäre also,
dass das alles schon berücksichtigt ist
und nur von den Muslimen nicht entsprechend angewendet wird.
Und Allah ta’ala weiß es am besten!
Dr. Margot Käßmann:
Patriarchalische Interpretationen haben die genannten Einsichten im
Christentum immer wieder in Frage
zu stellen versucht. Das klarste Beispiel ist der berühmt-berüchtigte Satz
„Die Frau schweige in der Gemeinde.“ (1 Kor 14,34) Die wissenschaftliche Interpretation der Bibel hat gezeigt, dass dieser Satz aus frauenfeindlichen Motiven Paulus nachträglich in den Mund geschoben wurde.
Für die christliche Verkündigung
sind solche Einsichten wichtig. Sie
zeigen, welche Provokation in der
befreienden Botschaft Jesu liegt und
wie sehr sie durch patriarchalische
Raster verstellt werden kann. Dies
zeigt sich an den späteren Schriften
innerhalb der Bibel ebenso wie in der
Geschichte der Kirche bis heute.
Keineswegs selbstverständlich war es
zum Beispiel für die Kirchen, die in
den säkularen Menschenrechtserklärungen formulierte Gleichberechtigung von Männern und Frauen anzuerkennen. Doch der theologische
Streit war fruchtbar. Die Menschenrechte und damit die Gleichberechti24
Al-Fadschr Nr. 124
gung von Frauen und Männern werden theologisch begründet und darin
zugleich in ihrer Säkularität gewürdigt. So treten die Kirchen heute für
die Durchsetzung der Gleichberechtigung ein, wohl gemerkt nicht nur
für die Gleichwertigkeit, sondern für
die individuellen und einklagbaren
Rechte von Frauen.
Auch innerhalb der evangelischen
Kirche in Deutschland ist dies deutlich: Ehrenamtlich leitende Aufgaben
in den Gemeinden werden sogar überwiegend von Frauen wahrgenommen. Unter den hauptamtlichen
Ordinierten nehmen Frauen innerhalb
der letzten Jahrzehnte einen immer
größeren Anteil ein, in meiner Landeskirche sind es 30 Prozent. Besonders in den Leitungsfunktionen besteht noch ein gewisser Nachholbedarf, aber das ist nicht anders als in
anderen gesellschaftlichen Bereichen. Im Grundsatz ist es nicht mehr
strittig, dass Frauen als Pastorinnen
arbeiten und leitende Aufgaben übernehmen, auch die einer Bischöfin.
Die so genannte feministische Theologie hat in den vergangenen 30 Jahren erheblich dazu beigetragen, die
befreiende Botschaft Jesu von patriarchalischem Missverstehen zu unterscheiden.
Anders sieht es in der katholischen
Kirche und in den orthodoxen Kirchen aus. Doch dort besteht inzwischen erheblicher theologischer Erklärungsbedarf, teilweise eine echte
Erklärungsnot, um den Ausschluss
von Frauen von der Ordination und
leitenden Ämtern zu begründen. Biblische oder theologische Gründe sehe
ich nicht, es ist eher die Tradition,
die hier ein eigenes Gewicht erhält.
Die Entwicklung in der evangelischen Kirche zeigt, wie es gelingen
kann, dass eine fundierte Theologie
kulturelle Traditionen und patriarchalische Ordnungsraster in Frage stellen und auch überwinden kann. Darin
liegt ein gesamtgesellschaftlicher
Beitrag der Kirche für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern.
Besonders im Blick auf den Islam
interessiert mich daher:
1. Welche Impulse gehen von islamischer Theologie aus zur Gleichberechtigung von Frauen in Familie
und Gesellschaft, nicht nur zur vielfach geäußerten religiösen Gleichwertigkeit von Mann und Frau? Ein
Kristallisationspunkt dürfte hier die
Frage nach der Ehe zwischen einer
muslimischen Frau und einem christlichen Mann sein.
2. Gibt es Möglichkeiten und Ansätze in der traditionellen islamischen
Theologie, zum Beispiel Sure 4,34
nicht patriarchalisch zu interpretieren? Wie wird eine gleichberechtigt
zu führende Ehe theologisch begründet bis hin zur Formulierung Eheverträgen, Scheidungs- und Erbrecht?
3. Vermittelte Ehen, Zwangsehen
und so genannte Ehrenmorde werden
oft mit dem Islam identifiziert. Von
islamischer Seite höre ich einerseits,
dass diese nicht auf den Islam zurückzuführen seien. Gleichzeitig wird
von anderen Muslimen eingeräumt,
dass bestimmte Traditionen innerhalb
des Koran, der Sunna und Scharia
den Sachverhalten Vorschub leisten.
Meine Fragen: Wenn vermittelte Ehen, Zwangsehen und Ehrenmorde
nicht durch den Islam zu begründen
sind, wie sehen dann die theologischen Begründungen mit Bezug zu
Koran, Sunna und Scharia zur Überwindung dieser Gräuel aus? Wären
solche theologischen Begründungen
mehrheitsfähig? Beständen die Möglichkeit und die Bereitschaft, durch
solche theologischen Argumentationen kulturell geprägte, patriarchalische Lebensformen zu überwinden?
4. Ich höre von islamischen Theologinnen und Theologen, dass zur Zeit
Mohammeds die Bedeckung des
Kopfes eine befreiende und vor willkürlicher sexueller Belästigung und
Ausbeutung schützende Funktion
hatte. Wo liegen aber heute Bedrohungen und Entwicklungen, vor den
Frauen vorrangig geschützt werden
müssen? Würden muslimische Mädchen nicht geradezu vor Desintegration und Bildungsnachteilen geschützt, wenn sie zum Beispiel an
Klassenfahrten teilnehmen?
Zu diesen Fragen wird der Leiter
der Islamischen Zentrums Hamburg, Ayatollah S. A. Ghaemmaghami, in der nächsten Ausgabe von
al-Fadschr Stellung nehmen.
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