Boppard im Blick 6 Nr. 34/2011 ■■ Neues Luxushotel in Boppard geplant Rheinhotel „Zum Hirsch“ vor dem Abriss glitzert beinahe in der Sonne, deren Strahlen sich mutig ihren Weg durch schmutzige Fensterscheiben bahnen. Ein paar Minuten ist wildes Flügelschlagen zu hören, dann versinkt wieder alles in Stille. Provisorische Stützbalken bewahren das Haus vor dem Einsturz Alt und verfallen - die Fassade des Hotels Der Verfall eines der schönsten Häuser an der Bopparder Rheinfront, des Hotels „Zum Hirsch“, war nicht nur für Einheimische schmerzlich anzusehen. Auch Touristen und Gäste werden sich die Augen gerieben haben, wie solch ein Objekt so dem Verfall und dem Zahn der Zeit überlassen werden konnte. Ein wunderschönes Fachwerkhaus, in bester Lage gelegen, ein phänomenaler Rheinblick, mit direkter Anbindung an den Fähr- und Schiffsverkehr, nur wenige Meter von der historischen Burg; ein paar Schritte in die Bopparder Innenstadt, in nächster Nähe ausgesuchte Restaurants und Wirtshäuser für beinahe jeden Geschmack. Viel hätte ein Werbetexter zu diesen Fakten nicht mehr hinzuerfinden müssen. Blick auf die Hirschfassade aus einem alten Werbeprospekt Trotzdem ist dieses Haus mit seiner langen Tradition – zu der allerdings auch unrühmliche Kapitel wie billigster Kegeltourismus und schlechter Service für überteuertes Geld gehörten – so schamlos dem Verfall überlassen worden. Betritt man nun das Gebäude, wird der Schrecken über den tragischen Verfall dieses Schmuckstücks nur größer. Eine herrschaftliche Treppe zeugt von alten Glanzzeiten. Doch jetzt liegt sie verdreckt und wenig einladend vor dem Eindringling, der ihre lange Ruhe stört. Morsche Balken, eingestürzte Decken, Trümmer auf dem Boden – dies alles zeugt von der Dimension der Zerstörung. Ein paar neu angebrachte, provisorische Stützbalken stehen inmitten dieses trostlosen Bildes wie Symbole für den verzweifelten und aussichtslosen Kampf, das einstige Hotel zu retten. Bis vor kurzem war sogar noch die Tische fein säuberlich gedeckt, als würden zu nächtlicher Stunde Geister an diesem Ort vergangener Tage gedenken. Nur der Kühlschrank der Großküche ist noch gefüllt wie eh und je, als hoffe er noch auf bessere Zeiten. Doch auch sein Inhalt ist faulig, vergammelt, wie alles in diesen Räumen, in denen der Schimmel die Wände durchzieht. Nur ein paar Tauben harren unverdrossen in den alten Gemäuern aus. Aufgescheucht von unseren Schritten, die die Totenruhe des Hauses durchschneiden, flattern sie aufgeregt auf. Staub wirbelt auf, er Dabei stand das Haus sogar unter Denkmalschutz, es war also für die Gemeinschaft als besonders schützenswert erachtet worden. Damit einher geht die Verpflichtung für Hausbesitzer, deren Gebäude unter Denkmalschutz steht, dieses in Verantwortung für die Gesellschaft und die nachfolgenden Generationen zu behandeln und zu erhalten. Leider ist die bisherige Besitzerin dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Dazu kam eine große Summe angehäufter Schulden die ihren Handlungsspielraum eingeschränkt haben. So oder so ähnlich muss es wohl ausgesehen haben - aus einem alten Werbeprospekt für das Hotel Nun kann man in Deutschland – zum Glück – Gebäude oder andere Besitztümer nicht einfach so enteignen. Erst als das Haus schließlich eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellte – Teile des Gebäudes waren eingestürzt – konnte eine Zwangsräumungsklage erwirkt werden, die in einem Insolvenzverfahren der ehemaligen Besitzerin und schließlich in der Zwangsversteigerung des Objektes münzte. Diese Gelegenheit nutzte Dr. Jan Gawel, Eigentümer des Rheinhotels Bellevue, ein Luxushotel in bester Lage, weil er der „Stagnation und dem Verfall der Infrastruktur im touristischen Bereich nicht länger zusehen wollte“. Damit übernimmt nun ein finanzstarker Investor mit fester Verankerung in Boppard und großer Erfahrung in der Tourismusbranche dieses Objekt. Das macht Hoffnung, dass an der Stelle des alten Hotel Hirschs nun etwas Neues entstehen kann. Für Gawel ist eine schöne, stimmige Rheinpromenade in Boppard ein ureigenstes Interesse – schließlich ist er als Besitzer des Bellevue direkt davon betroffen. Für Gawel lebt eine Stadt von der architektonischen Vielfalt, die aber doch ein stimmiges Gesamtbild ergeben muss. Nicht immer einfach, wenn man sich manche Bausünde selbst in den schönsten Städten Deutschlands anschaut. Doch für Gawel kommt ein Schnellschuss nicht in Frage: „Das neue Hotel soll auf jeden Fall von der Güte her hochkarätig werden und sich in die Rheinfront einfügen.“ Damit ist ein langwieriges und trauriges Kapitel Boppards nun zu einem Abschluss gebracht. Das berühmte Hotel, das sogar eine Rolle in dem Film “Heimat” von Edgar Reitz hatte - Herrmann und Klärchen versuchen an Silvester dort ein Zimmer zu bekommen – wird endgültig der Vergangenheit angehören. Lesen Sie auf Seite 7 das exklusive Interview mit Herrn Gawel zu den Hintergründen über den Kauf des Hotel Hirsch, seine Pläne mit dem Hotel, das 20 Suiten erhalten soll und wie er die Lösung der Schwimmbadfrage einschätzt. Boppard im Blick 7 Nr. 34/2011 ■■ „Ich wollte der Stagnation und dem Verfall nicht länger zusehen“ Das exklusive Interview mit Gawel zu den Hintergründen über den Kauf des Hotel Hirsch, seine Pläne mit dem Hotel, das 20 Suiten erhalten soll und wie er die Lösung der Schwimmbadfrage einschätzt Guten Tag Herr Dr. Gawel, seit einiger Zeit ist bekannt, dass Sie das „Hotel Hirsch“ in Boppard übernommen haben und damit Ihr Angebot in Ergänzung zum Hotel Bellevue in Boppard ausbauen wollen. Was gab den Ausschlag, dieses Objekt zu erwerben? Gawel: Dieses Hotel haben wir ausschließlich deswegen gekauft, weil ich der Stagnation und dem Verfall der Infrastruktur im touristischen Bereich nicht länger zusehen wollte. Das war eine Notwendigkeit. Auch, um zu verhindern, dass noch ein weiterer Spekulant irgendwo im Rheintal auftaucht, das wäre mir zuwider. Sie haben doch auch einen persönlichen Bezug zu diesem Hotel. Hat das gar keine Rolle gespielt? Persönlich nicht, nein. Wenn man Hotelier ist, kommt es automatisch, dass man in diesem Beruf irgendwann an verschiedene Objekte herankommt. Aber ich persönlich, nein. In der Familiengeschichte bzw. der Bellevuegeschichte gab es mal jemanden, der sich mit dem Hirsch verwirklicht hat, einer der Schwiegersöhne des Joseph Breitbachs, dem Bellevue-Gründers. Aber dann riss die Familientradition ab, d.h. es gab keine Nachkommen, die es weitergeführt hätten und so wurde das Objekt an Frau Kurth verkauft. Wieso haben Sie das Gebäude gerade jetzt gekauft? Bis vor kurzem war es noch gar nicht möglich, das Hotel zu kaufen.Die Besitzerin hat dann eine Zwangsräumungsklage erhalten wegen der baulichen Mängel, die im Hause entstanden sind bzw. auch wegen des Investitionsrückstaus; das Gebäude wurde baufällig. Sie hatte jede Menge Schulden, die sich angehäuft haben und zwangsläufig erwuchs daraus ein Handlungsbedarf. Das Gebäude stellte immer mehr eine Gefahr für die Allgemeinheit dar. Das ist schade, da dieses Haus sogar unter Denkmalschutz stand. Als Eigentümer müsste man dafür Sorge tragen, dass es den nachfolgenden Generationen erhalten bleibt. Werden Sie die ursprüngliche Bausubstanz denn erhalten können? Nein, leider nicht. Wir werden es abreißen müssen. Mir wäre es sympathischer, wenn das Gebäude noch zu erhalten wäre, aber die Substanz ist so marode, die Balken sind morsch, im Inneren ist alles provisorisch abgestützt, damit es überhaupt noch steht und nicht in sich zusammenfällt. Das heißt, unten sind noch wunderschöne Keller, die von Baustatikern geprüft werden. Die Ergebnisse bekomme ich Ende dieses Monats und ich möchte diese Keller auf jeden Fall erhalten. Diese Art von Kellern ist äußerst selten. Was genau ist das Besondere an diesen Kellern? Sie stammen aus dem 16. Jahrhundert, das sind mehr oder weniger 400 oder 500 Jahre Vorgeschichte. So genau kann man das auch nicht feststellen. Auch nach Meinung von Frau Dr. Fischer, der obersten Landesdenkmalschützerin, wäre es wünschenswert, die Keller zu erhalten und das entspricht ganz meiner Richtlinie. Wir reißen das Hotel Bellevue auch nicht ab und stellen da ein schönes, modernes Gebäude hin. Die Lebendigkeit eines Ortes lebt von seiner Vielfältigkeit. Es gibt schöne alte Gebäude, es gibt schöne neue Gebäude, aber die Vielfalt macht es eben aus. Aber das neue Hotel soll auf jeden Fall von der Güte her hochkarätig werden und sich in die Rheinfront einfügen. Wollen Sie also das Angebot im Luxussegment in Boppard weiter ausbauen? Ja. Die Erwartungen der Gäste werden immer höher. Massentourismus ist für uns eine Nebengeschichte. Wir setzen und setzten immer auf Qualität. Das bedeutet für uns, dass wir Luxussuiten bauen werden, angepasst an die sich wandelnde Gesellschaftszusammensetzung. Die Gesellschaft altert. Alle Flächen müssen also eben begehbar sein, inklusive der Dusche. Sie dürfen keine Hindernisse aufweisen, müssen großzügig gestaltet und komfortabel eingerichtet sein. Wir bauen außerdem nach den Erkenntnissen der Energiewirtschaft, sprich ökologisch sinnvoll, energieeffizient, architektonisch entsprechend der Umgebung und der Landschaft angepasst und unter diesen Voraussetzungen bewegen wir uns, darauf schneiden wir dieses Gebäude zu. Es werden 20 komfortable Doppelsuiten. Zwei Räume, komfortables Bad, begehbarer Schrank und all sowas. Glauben Sie, dass in Boppard ein Angebot für die Nutzer dieses Angebots besteht? Ist der Bedarf da für 20 Suiten? Wir haben auch hier im Bellevue Suiten. Und da sind diese Zimmer die meistgebuchten des Jahres, d.h. die Suiten laufen prozentual gesehen am allerbesten. Die Römertherme in Boppard wurde nicht gebaut. Würden Sie sich mehr solcher Angebote für Ihre Gäste in Boppard wünschen? Die Römertherme ist eine Sache des Bürgermeisters und der Stadträte, nicht meine. Wir haben eine Wellnessabteilung im Haus, Sauna, Schwimmbad, Dampfbad. Alles, was unser Gast sucht, das hat er bei uns. Was Boppard braucht, das ist ein Angebot für die Einheimischen und um zusätzliches Publikum aus dem Naheinzugsbereich nach Boppard zu holen. Aber das ist ja ein ganz anderes Segment als unseres. Und ich finde diese neue Lösung, die Cabriolösung, sehr sympathisch. Wenn man ein Schwimmbad will, dann muss es nicht unbedingt ein Porsche sein, es tut auch ein Golf. Man kommt zum Ziel. Was macht Boppard für Ihre Gäste besonders? Wir leben in einer der schönsten Landschaften Europas, die völlig berechtigt zum Weltkulturerbe erkoren worden ist. Diese Kulturlandschaft zieht Weintrinker, Weinkenner an, Menschen, die diese Vielfalt an Burgen, das kulturelle Angebot hier zu schätzen wissen. So eine Verdichtung an Kultur und Historie findet man in so einer Konzentration wohl nur am Mittelrhein vor und das ist unser großer Vorteil. Wunderbare Hotels gibt es überall auf der Welt, aber nicht diese einzigartige Landschaft. Wenn wir schon dieses Gütesiegel innehaben, dann muss das auch mit Leben erfüllt werden. Und zwar in jedem Segment, auch für die Jugendlichen. Auch die wollen das Weltkulturerbe erleben. Deshalb fand ich es so toll, dass jetzt die Jugendherberge in Kaub realisiert wurde. Das zieht ganz andere Bevölkerungsgruppen an den Mittelrhein, Familien etwa. Zum Glück ist dieser Kegel- und Massentourismus hier endlich mal abgeebbt. Wann werden Sie das Hotel eröffnen? Frühjahr 2013 gehen wir an den Markt. Spüren Sie Widerstände gegen dieses Projekt? Wie sieht die Unterstützung seitens der Stadt aus? Widerstände spüren wir überhaupt nicht. Im Gegenteil. Die Zusammenarbeit mit den Behörden läuft sehr konstruktiv. Die Bopparder Bürgerschaft, die Geschäftswelt, die Bopparder Politik hat richtig erleichtert und mit Freude darauf reagiert, dass ich dieses Objekt erworben habe. Das hat mich sehr gefreut. Das ist auch eine Verpflichtung für mich persönlich, dass die Erwartungshaltung da nicht enttäuscht werden darf. Herr Dr. Gawel, vielen Dank für dieses Gespräch.