Gliederung der 6. Übung 1. Innovationsökonomik als ökonomische Disziplin 2. Produktion von technologischem Wissen 3. Theoretische Konzeptionen der Innovationsökonomik 4. Empirie 5. Mikroökonomik 6. Makroökonomik 7. Technologiepolitik 7.1 Der Begriff „Technologiepolitik“ 7.2 Neoklassische Begründung der Technologiepolitik 7.2.1 Bildungspräferenzen 7.2.2 Technologisches Wissen als öffentliches Gut 7.2.3 Externe Erträge neuer Technologien 7.2.4 Netzwerkexternalitäten 7.2.5 Risikoaversion und Kapitalmarktversagen 7.2.6 Parallelforschung und Patentrennen 7.2.7 (Internationale Rentenumlegung) 7.3 Staatsversagen 7.4 Evolutorische Ökonomik und Technologiepolitik 7.5 Instrumente und Institutionen 7.5.1 Forschungsförderung in der BRD 7.6 Ausblick 1 7. 7.1 Technologiepolitik Der Begriff „Technologiepolitik“ Definition Technologiepolitik ist die Gesamtheit der Maßnahmen, mit denen der Staat auf den Innovationsprozess einwirkt. Dazu zählen u.a.: • Subventionen und Steuervergünstigungen zur Förderung der privater Forschungsund Entwicklungsaktivitäten; • die Bereitstellung wirtschaftlich verwertbaren technischen Wissens durch staatliche Forschungseinrichtungen; • die Förderung des Absatzes und der Verwendung technologieintensiver Produkte; • der gewerbliche Rechtsschutz, insbes. der Patentschutz; • die Festsetzung von Normen und Standards, soweit damit eine raschere Verbreitung moderner Technologien bezweckt wird; • die Bereitstellung einer innovationsfördernden Infrastruktur; • die staatliche Beschaffungspolitik, soweit sie gezielt technologieintensive Güter nachfragt, um die Entwicklung und Verbreitung neuer Technologien zu fördern. Ausschlaggebend ist nicht die Wahl der Instrumente, sondern die Zielsetzung staatlichen Handelns. 7.2 Neoklassische Begründung der Technologiepolitik Technologiepolitik als Korrektiv bei Marktversagen Im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Ordnung kommt die Aufgabe sowohl der Entwicklung als auch der Umsetzung der neuer Technologien grundsätzlich den privatwirtschaftlichen Unternehmen zu. Staatliche Eingriffe sind allerdings dann theoretisch begründbar, wenn Marktversagen vorliegt. Mehrere Gründe sprechen dafür, dass gerade im F&E-Bereich von einer Diskrepanz zwischen Marktgleichgewicht und gesamtwirtschaftlichen Optimum auszugehen. 2 7.2.1 Bildungspräferenzen • Problemstellung Investitionen in das eigene Humankapital führen erst in der Zukunft zu höheren Auszahlungen. Da aber zukünftige Erträge (zu) stark abdiskontiert werden, werden sie im privaten Entscheidungskalkül eines Individuums unterbewertet. Dies führt zu einer zu niedrigen privaten Bildungspräferenz der Bildungskunden. Somit fragen weniger Individuen Bildung nach, als es gesamtgesellschaftlich wünschenswert wäre. • Folgerung Da bei einer privaten Bereitstellung von Bildungseinrichtungen die Nachfrage – wohlfahrtsökonomisch betrachtet – zu gering wäre, müsste das Bildungssystem zumindest subventioniert werden. 7.2.2 Technisches Wissen als öffentliches Gut • Problemstellung Das Angebot an öffentlichen Gütern ist tendenziell zu gering, da es dem Produzenten kaum gelingen dürfte, alle potentiellen Anwender mit ihrem individuellen Grenznutzen zur Finanzierung heranzuziehen (Freerider-Problematik). Außerdem kommt es bei marktwirtschaftlicher Preisbildung zu ineffizientem Ausschluss derjenigen Anwender, die zwar einen positiven Nutzen aus dem öffentlichen Gut ziehen könnten, aber unter dem geforderten Marktpreis liegt. • Folgerung Aus dieser Argumentation folgt für das Gut „Technologie“, dass die Entwicklung neuen Wissens finanziell gefördert und möglichst niemand von der Verwendung neuen Wissens ausgeschlossen werden sollte. Insbesondere die letzte Forderung kann allerdings in Konflikt geraten mit der Erfordernis, dem Innovator hinreichende Anreize zur Entwicklung neuen Wissens zu bieten. 3 • Maßnahmen Patentschutz: Mit diesem Instrument des gewerblichen Rechtschutzes wird dem Patentinhaber das ausschließliche Recht zur kommerziellen Verwertung seiner Erfindung eingeräumt. Durch die Gewährung des Monopolrechts werden die Anreize für die privatwirtschaftliche Forschung erhalten, aber die gesamtwirtschaftlich optimale Diffusion des neuen Wissens wird behindert. Durch Lizenzvergabe lässt sich dieser Ausschlusseffekt zwar vermindern, doch nicht völlig eliminieren. Das Marktversagen aufgrund des öffentlichen-Gut-Charakters des technologischen Wissens ist umso gravierender, je breiter der Kreis der potentiellen Anwender einer neuen Technologie ist. Dies spricht dafür, den Schwerpunkt der Technologieförderung bei der Grundlagenforschung zu setzen, denn von ihren Ergebnissen profitieren in aller Regel breitere Kreise als von den Ergebnissen angewandter Forschung und experimenteller Entwicklung, die zumeist Produkt bezogen ist (Hochschulen, staatliche Forschungseinrichtungen). 7.2.3 Externe Erträge neuer Technologien • Problemstellung Wenn das in einem Unternehmen hervorgebrachte technische Wissen auch anderen Unternehmen nützt (Spillovereffekte), ohne das diese ein Entgelt dafür entrichten müssen, dann sind die privaten Grenzerträge des Innovators geringer als die sozialen Grenzerträge. • Folgerung Ein gesamtwirtschaftliches optimales Niveau an Forschungsaktivitäten lässt sich erreichen, indem der Staat die privatwirtschaftliche Forschung in Höher der externen Grenzerträge subventioniert (vgl. Pigou-Steuer). 4 7.2.4 Netzwerkexternalitäten • Problemstellung Netzwerkexternalitäten treten dann auf, wenn der Nutzen eines Gutes für den einzelnen Anwender davon beeinflusst wird, wie viele weitere Personen das Gut nutzen. Da der Einzelne bei seinen Kaufentscheidungen nur seinen individuellen Grenznutzen kennt, ihm die Kaufentscheidungen und Präferenzen der anderen aber häufig unbekannt sind, kann er die von ihm verursachten Netzwerkexternalitäten nicht berücksichtigen. Es ist damit zu rechnen, dass die Netzwerke aus gesamtwirtschaftlicher Sicht zu klein ausfallen. Möglicherweise werden manche Netzwerke auch gar nicht erst entstehen, wenn es nicht gelingt, gewisse Schwellenwerte bei der Verbreitung neuer Produkte zu überwinden. • Beurteilung Im Falle von Netzwerkexternalitäten sind nicht immer staatliche Interventionen erforderlich. Private Anbieter entsprechender Produkte können durch günstige Einführungspreise dazu beitragen, die Anlaufprobleme bei der Vermarktung netzwerkgebundener Produktinnovationen und der Einführung systemgebundener Verfahrensinnovationen zu überwinden. Die Technologiepolitik kann aber zur erfolgreichen Etablierung von Netzwerken beitragen, indem sie zum richtigen Zeitpunkt geeignete Normen und Standards festlegt, mit denen die Kompatibilität der von verschiedenen Anbietern bereitgestellten Produkte und Verfahren gesichert werden. 7.2.5 Risikoaversion und Kapitalmarktversagen • Problemstellung Wenn der Grenznutzen des Einkommens mit steigendem Einkommen abnimmt, werden private Investoren sichere Projekte gegenüber riskanten Projekten mit gleichem Erwartungswert der Rendite vorziehen – sie werden sich risikoavers verhalten. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wäre jedoch ein risikoneutrales Verhalten optimal, da sich im Aggregat die Risiken verschiedener Einzelprojekte weitgehend neutralisieren. 5 Da F&E-Aktivitäten mit überdurchschnittlich hohem Risiko verbunden sein dürfen, ist in diesem Bereich mit einem gesamtwirtschaftlich suboptimalen Investitionsvolumen zu rechnen. • Auf Folgerung der Grundlage dieser Argumentation lässt sich insbesondere eine Forschungsförderung für kleinere Unternehmen begründen, da sie geringere Möglichkeiten als Großunternehmen sowohl zur internen Risikostreuung als auch zur Risikostreuung über den Kapitalmarkt haben. Herangezogen wird die Argumentation auch bei der besonderen Förderung industrieller Großprojekte, deren Risiken selbst für größere Unternehmen zu hoch erscheinen. Als Alternative zur direkten Beteiligung des Staates an der Finanzierung risikoreicher Forschung kann diese Form des Marktversagens auch durch die Bürgschaften oder zinsgünstige Kredite für die Forschung kompensiert werden. Auch bei der Kreditbeschaffung für Forschungsprojekte haben mittelständische Unternehmen einen Nachteil gegenüber Großunternehmen, da sie den Kapitalgebern weniger Sicherheiten bieten können. Anders als bei Sachinvestitionen scheidet bei Investitionen in neues Wissen die dingliche Sicherung aus dem Projekt selbst weitgehend aus. Kleiner Unternehmen müssen also für ihre Forschungskredite tendenziell höhere Risikoprämien zahlen oder von der Kreditvergabe ausgeschlossen, wenn die Technologiepolitik ihren Nachteil gegenüber Großunternehmen nicht kompensiert. 7.2.6 Parallelforschung und Patentrennen • Problemstellung Bestimmte Formen des Marktversagens bei F&E können dazu führen, dass es zu Überinvestitionen in die Entwicklung neuen technologischen Wissens kommt. Wenn erfolgreiche Innovationen das Erzielen von temporären Monopolgewinnen ermöglichen, werden von diesen Renten wohlmöglich zu viele Unternehmen in forschungsintensive Bereiche gelockt, so dass die gesamtwirtschaftliche Effizienz der Forschungsarbeiten beeinträchtigt wird. Zum einen kann es zur Duplizierung von Forschungsarbeiten 6 kommen (Parallelforschung), zum anderen gibt es Anreize, ineffizient hohe Mittel in die Beschleunigung der Projekte zu investieren, da die Innovationsrente nur demjenigen zufällt, der als erster mit dem neuen Produkt auf den Markt ist (Patentrennen). • Folgerungen Aus modelltheoretischer Sicht wäre in derartigen Fällen wäre eine Besteuerung der privatwirtschaftlichen Forschung angezeigt, um die Anreize für ineffizienten Rentenverzehr zu eliminieren. Dagegen spricht allerdings, dass Konkurrenzkämpfe um die technologische Monopolstellung einen wichtigen Bestandteil des allgemeinen Innovationswettbewerbes ausmachen, von dem eine Volkswirtschaft langfristig nur profitieren kann. Fraglich ist aber, ob der Staat diesen mit Ineffizienzen verbundenen Konkurrenzkampf zusätzlich anheizen soll, indem er die erzielbaren Innovationsrenten durch zusätzliche Forschungssubventionen zusätzlich aufstockt. 7.2.7 Internationale Rentenumlegung • Problemstellung Heute werden technologiepolitische Maßnahmen in erster Linie damit begründet, dass die Wettbewerbsposition inländischer Unternehmen auf den internationalen High-TechMärkten gestärkt werden müsse. Eine theoretische Grundlage dafür bietet die Theorie der strategischen Industriepolitik im Rahmen der neuen Handelstheorie, in der gezeigt wird, dass es auf internationalen oligopolischen Märkten möglich sein kann, durch staatliche Markteingriffe Innovationsrenten aus dem Ausland ins Inland umzulenken. Im Kern geht es darum, inländische Unternehmen, die sich in einem Cournot-Dyopol mit ausländischen Unternehmen befinden, in eine Marktposition zu bringen, die der Führungsposition eines Stackelbergschen Dyopols entspricht. • Folgerung Aufgrund der hohen Bedeutung von Skalenerträgen infolge von Fixkosten und Lerneffekten in forschungsintensiven Industrien werden die Anwendungsmöglichkeiten der strategischen Industriepolitik vorrangig im High-Tech-Bereich gesehen. Dementsprechend werden als Maßnahmen der strategischen Industriepolitik vor allem Forschungssubventionen und Einfuhrrestriktionen für technologieintensive Güter 7 diskutiert. Der Erfolg der strategischen Industriepolitik bei der internationalen Rentenumlenkung ist allerdings an eine Reihe restriktiver Bedingungen geknüpft, die in der Realität nur selten erfüllt sein dürften. So müssen in den betreffenden Märkten dauerhaft Oligopolgewinne zu erzielen sein; das Wettbewerbsverhalten der Unternehmen muss den Cournot-Annahmen entsprechen; die dem Inland zufließenden Innovationsrenten dürfen nicht durch Rent Seeking der Unternehmen wiederaufgezerrt werden; Vergeltungsmaßnahmen ausländischer Regierungen müssen ausgeschlossen sein; und die den inländischen Produzenten zufließenden Innovationsrenten dürfen nicht über multinationale Kapitalverflechtungen wieder ins Ausland fließen. 7.3 Damit technologiepolitische Staatsversagen Maßnahmen tatsächlich zu gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsgewinnen führen, müssen die für die Technologiepolitik Verantwortlichen ihr Handeln am Interesse des Gemeinwohls ausrichten. Nach der ökonomischen Theorie der Politik ist allerdings damit zu rechnen, dass Technologiepolitiker auch eigene Interessen verfolgen, die beispielsweise auf die Auswirkung diskretionärer Gestaltungsmöglichkeiten oder die Maximierung des eigenen Budgets ausgerichtet sein können. Gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist Technologiepolitik nur, wenn die Verringerung des Marktversagens nicht durch die Zunahme des Staatsversagens kompensiert wird. 7.4 Evolutorische Ökonomik und Technologiepolitik Im Zentrum der evolutorischen Ökonomik stehen Entwicklung und Wandel durch die fortlaufende Entstehung und Ausbreitung von Neuerungen. Im Vordergrund der evolutionären Technologiepolitik steht somit das Ziel eines guten Innovations- und Technologie-Management, das dem vernetzten Innovationsbild folgt. Durch bewusstes und zielgerichtetes Handeln soll der Prozess des Lernens und Entdeckens (Invention), der innovationsprozess, der Verbreitungsprozess sowie deren Zusammenspiel verbessert werden (z.B. mittels nationaler Innovationssyteme). 8 7.5 Instrumente und Institutionen Der gesamte Bereich Technologiepolitik umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen, bei denen recht unterschiedliche Instrumente eingesetzt werden und zahlreiche Institutionen beteiligt sind. Der Schwerpunkt liegt jedoch bei der finanziellen Förderung privater Unternehmen sowie in staatlichen Forschungseinrichtungen. 7.5.1 Forschungsförderung in der BRD Staatliche Ausgaben Von den gesamten F&E-Ausgaben des Bundes fließt rund ¼ an die gewerbliche Wirtschaft. Der weitaus größte Teil entfällt auf die Organisationen ohne Erwerbszweck (Deutsche Forschungsgemeinschaft, staatliche Großforschungseinrichtungen…). Förderung der F&E-Aktivitäten in staatlichen und halbstaatlichen Institutionen Projektförderungen • direkte Projektförderung im Rahmen spezifischer Forschungsprogramme, deren Inhalte weitgehend vom Staat festgelegt werden • Programme zur indirekt-spezifischen Förderung, bei denen der Staat zwar den Technologiebereich, aber nicht die Inhalte der einzelnen Projekte beeinflusst. • Indirekte privatwirtschaftliche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten Vergleich zu anderen Ländern • Ehemals hoher Anteil der direkten Projektförderung wird langsam verringert • Fehlen indirekter steuerlicher Förderungsinstrumente USA: Staatliche Beschaffungsaufträge (Militärbereich) Japan: Förderung von Forschungskooperationen, zinsgünstige Kredite Frankreich: staatliche Unternehmensbeteiligung Großbritannien: nur Militärforschung 9 7.6 Wachstums- und technologischen Ausblick Einkommenschancen Leistungsfähigkeit ab. von Ländern hängen von ihrer Der Technologiepolitik wird eine Schlüsselrolle zugerechnet bei der Schaffung der Grundlagen, die zur Behauptung im internationalen Wettbewerb nötig sind. Auf welche Art und Weise dies geschehen soll, ist allerdings stark umstritten. Auf der einen Seite wird betont wie entscheidend Anstöße für viele Technologien immer wieder von staatlichen Forschungsinitiativen ausgegangen seien. Auf der anderen Seite wird darauf verwiesen, dass Kreativität und Flexibilität als wesentliche Ingredienzien eines erfolgreichen Innovationsprozesses bei allzu starker Einflussnahme des Staates eher gebremst wird. (allgemeine innovationsfördernde Rahmenbedingungen). 10