Eine neue Hoffnung (3) Maria – Hoffnungen eine Teenagers Predigt zu Lukas 1, 26-55, Reformierte Kirche Wangen, 13. 12.2015 Pfr. Bruno Waldvogel-Frei, Mittelgäustr. 17, 4612 Wangen b. Olten Sie ist einsam. Sie ist fern von ihrer Heimat. Sie kann sich nur schwer verständigen in der neuen Umgebung. Gut 18 Jahre alt. Sie lernt einen jungen Mann kennen. Ihre Affäre ist kurz, sehr kurz. Als Folge davon wird das Mädchen schwanger und bleibt allein zurück. Sie ist orthodox gläubig, und deswegen kommt für sie eine Abtreibung nicht in Frage. Trotzdem ist sie mit der Situation sichtlich überfordert. Man nimmt ihr das Kind weg und steckt es in ein Heim, wo es für drei Jahre bleibt. Eine furchtbar traurige Geschichte. Und man fragt sich: Hätte sie das Kind nicht besser abgetrieben? gung – der Scharia sei,s gedankt - ja bis heute noch gang und gäbe. Auch in Israel vor zweitausend Jahren waren die Strafen drakonisch. Unverheiratet und schwanger, das wäre schon sehr schlimm gewesen. Aber noch schlimmer – verlobt und nicht vom Zukünftigen schwanger – das wäre der schlechteste aller denkbaren Fälle! Und genau da fängt unsere Weihnachtsgeschichte an. Da ist diese junge TeenagerFrau Maria. Vermutlich ist die Ehe mit ihrem zukünftigen Mann, Josef aus Nazareth, schon von den Eltern arrangiert worden. Und vermutlich ist Josef schon einige Jahre älter. Wenn man sich mit der Geschichte etwas intensiver auseinandersetzt, dann kann man Sicherheit sagen, dass der Verlobte von Maria sehr integrer gewesen ist. Und sie übrigens auch! Doch es kommt anders. Das Kind wird später adoptiert. Wächst auf, und steht heute vor Ihnen, um zu bezeugen, dass Gott ein guter Gott ist. Er kann aus jedem traurigen Anfang eine fröhliche Fortsetzung machen. Solche Geschichten passieren noch und noch. Oprah Winfrey, die berühmte Talkmasterin, Autorin und Multimillardärin hat so eine Geschichte. Oder wer kennt nicht Madame Tussaud? Als vaterloses Kind einer Teenagermutter geboren, aufgewachsen in der Schweiz und Begründerin eines ganzen Schausteller-Imperiums? Oder Ludwig van Beethovens Mutter, Maria Magdalena von Beethoven – misshandelt, betrogen, depressiv. Schwanger, kurz vor der Abtreibung. Und schliesslich entscheidet sie sich doch für das Kind. Not, Schande, Angst, Hilflosigkeit und Überforderung. So fangen viele Geschichten an. Auch in der Bibel. Jetzt sind sie also verlobt. Und dann passiert folgendes. Maria hat erlebt eine himmlische Erscheinung. Wir lesen im LukasEvangelium: Gott schickte den Engel Gabriel zu einer jungen Frau nach Nazareth, einer Stadt in Galiläa. Die junge Frau hieß Maria und war mit Josef, einem Nachkommen König Davids, verlobt. Der Engel kam zu ihr und sagte: "Sei gegrüßt, Maria! Gott ist mit dir! Er hat dich unter allen Frauen auserwählt." Maria fragte sich erschrocken, was diese seltsamen Worte bedeuten könnten. "Hab keine Angst, Maria", redete der Engel weiter. "Gott hat dich zu etwas Besonderem auserwählt. Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Jesus soll er heißen. Er wird mächtig sein, und man wird ihn Gottes Sohn nennen. Gott, der Herr, wird ihm die Königsherrschaft Davids übergeben, und er wird die Nachkommen Jakobs für immer regieren. Seine Herrschaft wird niemals enden." "Wie kann das geschehen?", fragte Maria den Engel. "Ich bin doch gar nicht verheiratet." Der Engel antwortete ihr: "Der Heilige Geist wird über dich kommen, und Glücklicherweise gibt es heute viele Möglichkeiten, solchen Müttern in Not zu helfen um dem unerwarteten Kind ins Leben zu helfen. Es gab aber eine Zeit – und das ist gar noch nicht so lange her, da wäre die Schwangerschaft einer Unverheirateten das sichere Todesurteil für die Frau gewesen. Ganz zu schweigen von der Schande, die das für die Familie mit sich gebracht hätte. In vielen islamischen Ländern ist die Steini1 die Kraft Gottes wird sich an dir zeigen. Darum wird dieses Kind auch heilig sein und Sohn Gottes genannt werden.“ Wie ist das denn bei uns? Viele von uns beten im Unser-Vater: Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Oder volkstümlich: Mach wie De wottsch – mir söus rächt sii! Meinen wir das wirklich so? Darf Gott unsere Pläne und Vorstellungen durchkreuzen, so wie es Ihm passt? Oder soll Er vielleicht doch nur ein Wunscherfüller sein, und wir meinen eigentlich: Mein Wille geschehe, bitte sowohl im Himmel als auch auf Erden?! Wow! Super! Halleluja! Der Retter der Welt! Wer würde sich nicht über so eine Gottesbegegnung freuen? Wirklich? Abgesehen vom Fakt der übernatürlichen Welt, die sich vor Maria öffnet, öffnet sich zugleich auch ein Abgrund. Das, was ihr gesagt ist, ist worst case! Unverheiratet, verlobt. Schwanger. In ihrem Alter! Und das nicht nicht mal vom eigenen Zukünftigen. Wir verstehen, warum es in der Bibel so oft „Fürchte dich nicht!“ heisst, wenn Gott auf den Plan tritt. Seine Wege sind oft zum Fürchten. Das meine ich wirklich ernst. Wahnsinn! Aber Gott ist Gott, kein seniler Greis auf einem Wölkchen. Er ist ein brennendes Feuer, ein unzähmbare brüllender Löwe, ein unkontrollierbarer Orkan, ein Erdbeben, der das ganze Universum zum Zittern bringt. Wer je ein Stück vom Himmel gesehen hat, weiss was ich meine. Drum finde es manchmal peinlich, was wir Menschen aus dem Allmächtigen machen. Oder glauben, machen zu können. Wie gut, dass Er so geduldig mit uns ist! Meine persönliche Erfahrung im Umgang mit Gott ist, dass Er mich oft herausfordert, alles ganz loszulassen. Meine eigenen Vorstellungen, Wünsche und Erwartungen. Und ich habe – glauben Sie mir - manchmal einen sehr harten Schädel. Aber anders kann es – liest mal alle diese verrückten Berufungsgeschichten in der Bibel nach – anders kann es irgendwie gar nicht gehen. Warum das so ist, weiss ich nicht wirklich. Ich vermute aber mal, dass es letztlich darum geht, dass der Faktor Mensch möglichst klein und der Faktor Gott möglichst gross wird in der ganzen Sache. Und wird der Faktor Gott gross darin, dann ist Konsequenz immer ein Stück offener Himmel, der für viele zum Segen wird. Mit der Folge, dass auf der Erde ein Stück mehr Anbetung, Glaube und Hingabe möglich wird. Und Maria? Wie reagiert sie? Zurück zu Maria. Wie soll ein Teenager mit so etwas Gewaltigem umgehen? Realisiert sie überhaupt, was da passiert? Oder ist sie so erschlagen vom Engel, dass sie nur noch happy vor sich hinträumt? Aus ihren Fragen schliesse ich: Ja, ein Stück weit realisiert sie schon, was das heisst. Sie begreift, dass sich ihr Leben radikal anders entwickeln wird als geplant. Die schönen Pläne, was ein normales zufriedenes Leben ausmacht, werden über den Haufen geworfen. Da gibt’s keine Kita, keine Familienhilfe, keine Krippe – Krippe schon, aber in einem Stall. Da gibt’s keine Sozialversicherung oder Waisenhaus. Da stehst du allein. Selber fast noch ein Kind. Wenn du Glück hast, mit Mann, wenn Pech, ohne Mann. Wenn noch mehr Pech, ohne Leben. Will ich das wirklich?? Was gibt es da für einen Teenager zu hoffen? Ich erinnere mich an einen „Marsch fürs Leben“ in Bern. Ich war dort mit meiner Frau und zwei unserer Söhne. Es ging darum, ein öffentliches Zeichen für alles abgetriebene Leben zu setzen. In der Schweiz ist das Jahr für Jahr zweimal die Einwohnerzahl von Wangen. Also wir waren dort. Friedlich, ohne Polemik aber sichtbar für alle. Den jüngeren Sohn, Fabrice mit dem Down Syndrom, hatte ich auf meinen Schultern. Wir wurden von einer grossen unbewilligten Gegendemo ausgebuht, mit Trillerpfeifen, Megafonen und Wurfgeschossen empfangen. Man versuchte, unsere bewilligte Marschroute zu blockieren. Die Polizei musste uns schützen. Und auf vielen Plakaten dieser Leute – viele Junge – stand zu lesen: Hätt Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben! Das wird auch der Grund sein, warum sie es überhaupt wagt, beim Engel zurückzufragen. So gravierend sind die Konsequenzen für sie. 2 Maria hat nicht abgetrieben. Und sie sagt zuletzt – wie es im schönen alten LutherDeutsch heisst: „ Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Oder modern ausgedrückt: Du kannst mein Leben haben und damit machen, was dir gefällt. Ich gehöre dir! Ich weiss nicht, wie sie es sagte: Dankbar, aufgewühlt oder doch eher unter Tränen. Das müssen wir uns selber vorstellen. niemals auf; er schenkt es allen, die ihn ehren, von einer Generation zur andern. Jetzt hebt er seinen gewaltigen Arm und fegt die Stolzen weg samt ihren Plänen. Jetzt stürzt er die Mächtigen vom Thron und richtet die Unterdrückten auf. Den Hungernden gibt er reichlich zu essen und schickt die Reichen mit leeren Händen fort. Er hat an seinen Diener Israel gedacht und sich über sein Volk erbarmt. Wie er es unsern Vorfahren versprochen hatte, Abraham und seinen Nachkommen für alle Zeiten.« Die Folgen dieser Bereitschaft zu Gottes Wegen sind heute auf der ganzen Welt sichtbar geworden. Man mag der Kirche viele Fehler ankreiden. Zu Recht. Aber eines kann man nicht: Die grossartige Kraft und Botschaft von Jesus Christus verleugnen. Seine gewaltigen Worte und Werke. Sein revolutionärer Umgang mit den Schwachen, den Armen, den Ausgestossenen. Seine Liebe, die sogar den Feinden vergibt und sein Leben, das er bis zum letzten Blutstropfen zur Vergebung der Sünden hingibt. Seine Kraft zu heilen und neues Leben zu schaffen bis zum heutigen Tag. Man könnte unendlich viel zu diesen wahnsinnig dichten Worten sagen. Aber ich will es kurz machen: Maria glaubt an die Güte und Liebe Gottes! Sie glaubt, dass Er erfüllen wird, was Er verheissen hat. Sie weiss: Der Tag, da die Mächtigen und Gewaltigen auf den Rechtlosen herumtrampeln, sind gezählt. Er schickt einen Retter. Und dieser Retter wird die Hungrigen und Sehnsüchtigen sättigen. Dieses Wissen, dieser Glaube und Vertrauen, tief in ihr verwurzelt, sie sind es, die Maria Ja sagen lässt. Ja zu Seinen Wegen. Und sie greift in ihrer spontanen Anbetung den Namen auf, der ihrem Sohn geben wird: Jeschua – Gott rettet. Jesus. Genau das, was der Advent uns sagen will. Das alles ist die Frucht dieses Teenagers Maria, der Ja sagte zu Gottes Wegen. Ist das nicht erstaunlich? Macht das nicht Mut? Maria war die Richtige! Gott wusste es schon lange, lange bevor sie es wusste. Ihre Geschichte ist kein süsse Weihnachtsschnulze. Sie ist hart, herausfordernd, tränenreich, aber auch voller Freude und Kraft. Ihre Bereitschaft mit dem himmlischen Vater eins zu sein in Willen und Weg liess sie Dinge sehen, die sie sich nicht einmal hätte erträumen können. Und es ist schön, dass Josef an ihrer Seite geblieben ist. Was hat das alles mit uns zu tun? Vielleicht dies: Gott möchte in unser Leben hineingeboren werden. Er wählt dabei oft Wege, die wir uns nicht vorstellen können. Unsere normale Reaktion ist in der Regel: Nein danke, ohne mich! Ich kann es mir nicht vorstellen! Oder ich habe sehr klare Vorstellungen, wie es dann werden wird, und darum winke ich ab. Das war bei mir jedenfalls so. Noch konkreter: Wir fürchten uns, dass wir alles verlieren werden, wenn wir den Weg des Glaubens einschlagen. Wir stehen im Schilf, allein, ohne Hilfe. Wir werde ausgegrenzt, isoliert. Die Leute zeigen mit dem Finger auf mich. Ich habe Angst, dass ich es nicht schaffen werde, wenn ich Seine Wege gehe. Es läuft bestimmt schief! Und überhaupt: Was denken dann die Andern?! Das ist der Faktor Angst. Angst verhindert oft, dass das Gute Neue in unserem Leben nicht passiert. Gott klopft an, aber unsere Tür bleibt geschlossen. Warum war sie dazu bereit? Dazu ein letzter Gedanke. Etwas später schüttet sie Gott ihr Herz aus und sagt, was sie in ihrem tiefsten Innern von Ihm denkt. Sie sagt: »Mein Herz preist den Herrn, alles in mir jubelt vor Freude über Gott, meinen Retter! Ich bin nur seine geringste Dienerin, und doch hat er sich mir zugewandt. Jetzt werden die Menschen mich glücklich preisen in allen kommenden Generationen; denn Gott hat Großes an mir getan, er, der mächtig und heilig ist. Sein Erbarmen hört 3 Und dann gibt es noch einen sehr weitverbreiteten Faktor. Und der lautet: Unwilligkeit oder Unglauben. Eine alte Krankheit von uns Menschen. Eigentlich wüsste ich ja schon lange, dass Er mich ruft. Dass Er mich will. Was jetzt dran wäre. Aber ich kann nicht glauben, dass Er es gut mit mir meint. Ich kann nicht glauben, dass Er die Mittel und Möglichkeiten hat mein Leben zu verändern. Und darum sage ich mir: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Die Dinge im Griff und unter Kontrolle zu halten – das ist eine Schweizer Krankheit… Aber wie soll Gott uns etwas Neues in meine Hände geben, wenn ich sie schon mit meinem alten Mist voll haben? mit unserem ganzen Plunder? Ich vermute: Sehr viele! Auch unter denen, die Jesus Christus nachfolgen wollen. Vor drei Tagen stand ich wieder an einem Totenbett. Da wird dir wieder heftig bewusst, was wirklich zählt. Und was bleibt. Und in was wir investieren hätten müssen. In was investieren Sie? Unser Christentum hier im Westen bietet zur Zeit ein jämmerliches Bild. Genau aus all diesen Gründen. Aber das kann sich noch ändern, mit Ihnen und mit mir. Beten wir, dass wir nicht weggeschwemmt werden von dem, was Jesus Christus tun möchte. Beten wir, dass Seine Berufungen für unser Leben Realität werden. Ich bin überzeugt, dass Er darauf wartet, dass wir beten: Dein Wille geschehe! Und ich bin sicher: Wenn wir das von ganzem Herzen tun, werden wir ein Stück Himmel auf Erden sehen. Und last but not least eine Zivilisationskrankheit, die für den gesamten Westen gilt: Zerstreuung. Wir sind eine unterhaltene, abgelenkte, zerstreute Gesellschaft, die Zeichen der Zeit nicht mehr lesen kann. Wir unterhalten und zerstreuen uns zu Tode. Und auch als Christen haben wir grösste Mühe, den Fokus auf das Zentrum von unserm Glauben zu richten. Viele gute Vorsätze versanden im alltäglichen Programm. Das Reden von Gott geht schon nach ein paar Stunden wieder vergessen. Weil unsere Augen, Ohren und Hände so überfüllt werden. Es prasselt von allen Seiten auf uns ein. Medien, Internet, Handy, Smartphone, whatsapp, instagram, facebook, twitter, games. Tag und Nacht ohne Unterbruch. Vieles davon könnte ein Segen sein. Könnte…. Das Leben wird so anders, so viel tiefer, so viel beglückender und sinnvoller - glauben Sie mir! Das habe ich selber erlebt. Und das weiss ich von vielen Andern auch. Gott kann aus jeder Lebensgeschichte etwas Wunderbares machen, wenn wir Ihn nur machen lassen und das auch wollen. Ich möchte auch heute wieder an den Schluss dieser Gedanken das Gebet von Niklaus von der Flüe stellen, und das mit uns zusammen beten: Als ich Kind war, endete das Fernsehprogramm um 23.00 Uhr mit der Nationalhymne und dann kam das Testbild. Bis am nächsten Tag um 10.00 Uhr das Schulfernsehen anfing. Es gab 10 Sender und fertig. Und heute? 24 Stunden 365 Tage mal 250 Kanäle – bei der Swisscom z.B. Die Millionen von Homepages, Youtube-videos noch nicht mal eingerechnet. Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir. Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir. Manchmal frage ich mich: Wie viele Berufungsgeschichten bleiben wohl auf der Strecke, weil die Berufung nicht ergriffen oder wieder vergessen wurde? Ich vermute: Sehr viele! Amen. Wieviel Verheissungen gehen nicht auf, weil wir viel zu beschäftigt mit uns selber sind, 4