GAIA 2015 – Programme

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V I V A
G A I A
2015
7 . – 10.
M A I
Ein Festival feiert das pure Leben
P
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O
G
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A
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LEBENSFREUDE.
MIT MUSIK.
ALLES
DRIN. TT.
Wir wissen, wo die Musik spielt. Darum sind wir beim Gaia-Musikfestival live
dabei. Welche international bekannten Musiker hier auf welche Schweizer
Künstler treffen und welches Konzertambiente dabei herauskommt, lesen Sie im
TT Thuner Tagblatt – Ihrer Tageszeitung aus Thuner Sicht. Für alle, die Leidenschaft, Nähe und Austausch nicht nur beim Festival erwarten, sondern auch in
der täglichen Regionalberichterstattung. abo.thunertagblatt.ch.
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WILLKOMMEN
zum siebten GAIA Musikfestival
– und zugleich zum ersten
GAIA Musikfestival Oberhofen
Willkommen
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Composer in Residence
Interview mit Daniel Schnyder 6
KONZERTPROGRAMM
9
Freitag, 8. Mai, 20 Uhr
Klösterli Oberhofen
10
Samstag, 9. Mai, 20 Uhr
Klösterli Oberhofen
14
Sonntag, 10. Mai, 11 Uhr
Klösterli Oberhofen
18
Sonntag, 10. Mai, 17 Uhr
Schloss Oberhofen
22
K Ü N S T L E R P O R T R ÄT S 26
Elemente
Freunde von GAIA
34
Das ist GAIA
Impressum
35
Wir danken
36
3
V I VA G A I A
Ein Hoch auf das Leben!
GAIA stösst mit Ihnen auf Ihr Glück an und
präsentiert ein Programm voller Leben – Musik, die Freude versprüht, den Alltag verblassen lässt, die zu Tränen rührt, zum Tanzen
bewegt oder mit ihrem Lachen ansteckt, die
die Möglichkeit bietet zu einer Reise durch
Gefühle und Gedanken.
Als ich die siebte Ausgabe des Festivals
vorbereitete, dachte ich über Vergänglichkeit
und Ewigkeit nach, und mich faszinierte die
Verbindungen zwischen beiden. So kam ich
auf die Idee, einen Komponisten einzuladen,
der in seiner Musik Vergangenheit und Zukunft verknüpft. Dass dies Daniel Schnyder
sein sollte, lag auf der Hand – ich musste nur
mein Instrument anschauen, eine über 250
Jahre alte Violine, die von ihm in seinem Stück
«STRAD» mit viel Witz beschrieben wird.
Im selben Konzert wie dieses Stück und
die Premiere von «Mensch Blue» hören Sie die
berühmten Themen von Schuberts unsterblichem «Der Tod und das Mädchen». Geschrieben im 18. Jahrhundert, als die Haltung zum
Tod optimistischer war als heute und er noch
kein Tabu darstellte, wird der Tod als Freund
gezeichnet, der keine Angst macht, sondern
sie uns nimmt.
Zum Leben gehört Lernen. Die russischen
Komponisten, denen das SamstagabendKonzert gewidmet ist, hinterliessen uns
nicht nur ihr Werk, sondern sie liessen auch
ihr Licht in die Kompositionen ihrer Schüler
weiterscheinen, in die kühlen Melodien aus
Strawinskys «Feuervogel» ebenso wie in die
Hitze von Skrjabins «Vers la flamme» – wobei das krönende Feuerwerk Sergei Tanejew
überlassen bleibt, dem Lehrer von Medtner
und Skrjabin.
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Inspiration verbindet alle Komponisten
unseres Sonntagmorgens. Dvořák flicht jüdische Volksmelodien in sein heiteres Trio ein;
schwermütig tut dies auch Schostakowitsch,
dessen Werk den Opfern des Holocaust ein
tönendes Denkmal setzt. Piazzolla wuchs in
einem jüdischen Viertel von Buenos Aires auf
und liess diese Musikkultur in seine Tangos
einfliessen; und der jüdische Gershwin inspirierte Schnyder zu seinem Arrangement
von einem der berühmtesten Wiegenlieder
des Jazz: «Summertime».
Ist Elvis tot? «The King» und seine Kumpane leben auf jeden Fall weiter – am Sonntagabend, als treffender Abschluss für ein
Festival, das das pure Leben zelebriert.
Gwendolyn Masin, künstlerische Leiterin
SAGEN SIE JA ZUR «SLOWDOWN»-IDEE
von GAIA Musikfestival Oberhofen
Ein Segelschiff auf eine
verschneite Wiese zu setzen oder in der heutigen
Zeit der Grossanlässe ein
Kammermusikfestival zu
organisieren, ist eine gewagte Idee. Erfolg ist: wenn die Ausführung
der Idee Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Damit die Idee umgesetzt werden kann,
braucht es ein positives Umfeld. Ich möchte
der Gemeinde Oberhofen und unseren Partnern danken, dass sie uns von Anfang an ihr
Vertrauen schenken und GAIA erlauben, für
längere Zeit seinen Anker in Oberhofen auszuwerfen.
In der heutigen Welt, in der die Ungleichheit zwischen Arm und Reich immer grösser
wird, ist es beruhigend zu wissen, dass es ein
Gut gibt, das allen Menschen unabhängig von
Religion, Hautfarbe, Nationalität oder Wohlstand im gleichen Masse zur Verfügung steht:
Die Zeit. Die Frage ist, wofür wir unsere Zeit
verwenden. GAIA möchte mit der Idee eines
«SlowDown»-Festivals entgegen der heutigen
schnelllebigen Zeit ein Zeichen setzten. In-
ternationale Musiker, deren Alltag vom Stress
gezeichnet ist und die von einem Konzertsaal
zum nächsten hetzen, sagen ja zur «SlowDown»-Idee von GAIA und freuen sich auf
eine Probewoche ohne Zeitdruck, mit spannenden Gesprächen und einem zeitlosen musikalischen Austausch. Diese Musiker schenken sich und Ihnen, liebes Konzertpublikum,
eine Woche ihrer Zeit. Somit wird jede Minute, die Sie als Konzertbesucher dem Festival
schenken, zu einem einmaligen Erlebnis.
Jacqueline Keller,
Direktorin
WILLKOMMEN ZUM SIEBTEN GAIA MUSIK-FESTIVAL –
und zugleich zum ersten GAIA Musikfestival Oberhofen
Bei uns steht der spannende Austausch der Musikerinnen und Musiker mit
dem Publikum im Rampenlicht – und was uns am
wichtigsten ist: Bekanntheit schliesst Herzlichkeit nicht aus. GAIA
ist ein überschäumender Schmelztiegel von
Ideen und Impulsen, der Musikern und Zuhörern eine grossartige Erfahrung schenkt.
International bekannte Musiker treffen sich
mit erstklassigen Musikern aus der Schweiz
während einer Woche in Oberhofen um zu
proben und sich kennenzulernen. Durch
sorgfältige und intensive Vorbereitung entsteht ein Konzertambiente, in der Sie Musik
miterleben und geniessen können. Die Besetzung der Musiker wird bei jedem Stück neu
erfunden. Die künstlerische Energie, die so
entsteht, wird Sie in ihren Bann ziehen.
Christoph Ott, Präsident
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« E IN WEG,
EIN PROJEKT ÜBER
DIE EIGENE ENDLICHKEIT
HINAUS»
Ein kurzes Gespräch mit GAIAs Composer in Residence,
dem Komponisten und Saxophonisten Daniel Schnyder
Das Gespräch führten Angela Beuerle und Jürgen Hartmann.
Was bedeutet Musik für dich?
Es ist eine Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, zum Ausdruck von Gefühlen und
Ideen. Das gilt für das Komponieren ebenso
wie für das Spielen. Ich wäre wahrscheinlich
kein guter Schauspieler geworden, aber in der
Musik kommt alles sehr natürlich. Es ist für
mich ein grosser Spielplatz, auf dem ich ganz
frei wirken kann.
Gibt es da einen Unterschied zwischen Spielen
und Komponieren?
Ja, schon. Beim Spiel kommuniziert man mit
anderen Musikern und dem Publikum, das
Komponieren ist die reine Einsiedelei. Ich
könnte mir nicht vorstellen, nur das eine oder
das andere zu tun. Das Schöne an der Musik
ist ja, dass es beide Komponenten gibt – und
dass ich sie kombinieren kann, war immer
mein Traum.
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An GAIA kommen auch mehrere Stücke anderer Komponisten zur Aufführung, die du
bearbeitet hast. Steht das sozusagen zwischen
Komposition und Spiel?
Ja, das ist eine Art von Extreminterpretation,
wenn man so will. Mich interessiert es sehr,
traditionelle Musik neu zu denken.
Und ganz unterschiedliche Musik, ganz verschiedene musikalische Strukturen und Systeme zusammenzubringen …
Doch das habe ich nicht erfunden. Heute
sind, meine ich, 99 Prozent der Musik afroamerikanischen Ursprungs oder zumindest
davon beeinflusst. Es war ein grosser Fehler
der europäischen Kunstmusik, das auszuklammern oder gar für minderwertig zu erklären.
Die Musik als solche hat dadurch viel Präsenz
und Publikum verloren im Vergleich zum 19.
Jahrhundert, wo klassische – also damals zeitgenössische – Musik ein absolutes Zentrum
war. Heute ist die zeitgenössische «ernste»
Musik eigentlich marginal. Ein Grund dafür
ist sicher, dass wir uns mit sehr viel Musik
unserer Zeit gar nicht auseinandergesetzt
haben. Gleiches kann man von Bach oder
Mozart nicht behaupten. Das 20. Jahrhundert
war eben in allen Bereichen sehr ideologisch.
In meinem bescheidenen Rahmen versuche
ich, dieses Defizit etwas auszugleichen, also
eine zeitgenössische Sprache in traditionelle
Formen einzubringen, eine Perspektive des 21.
Jahrhunderts darzustellen. Wenn man solche
Versuche unternimmt, heisst das ja nicht, dass
man alles vereinfacht oder sich anbiedert, im
Gegenteil – die Musik wird oft komplizierter!
Wird deine Musik anders rezipiert als die
zeitgenössischer Komponisten, die einen eher
engeren Begriff von Avantgarde haben?
Ja, es gibt natürlich viele Leute, die das ablehnen, aber es werden immer weniger. Wenn
man ein grosses Publikum erreicht und auch
die Musiker ihre Freude haben, findet ein Kritiker das vielleicht anbiedernd oder gefällig.
Aber mir geht es nicht darum, dem Publikum
zu gefallen. Eigentlich will ich sogar Musik
schreiben, die man nicht spielen kann!
Wie meinst du das?
Na ja, als lebender Komponist schreibt man
etwas und dann dauert es ziemlich lange, bis
es so umgesetzt wird, wie man es sich gedacht
hat, oder vielleicht passiert das nie. Die Musik
kann trotzdem erfolgreich sein, aber es gibt
immer mehrere Entwicklungsphasen, bis man
wirklich hört, was man sich ausgedacht hat.
Das hat natürlich auch mit dem Notationsprozess zu tun, der immer nur einen Teil dessen
darstellt, was schlussendlich passieren sollte.
Ich will dem Musiker auch Freiheiten lassen.
Hinzu kommt, dass ich selbst sowohl von der
Klassik als auch vom Jazz komme. Es gibt viele hervorragende Musiker, die Jazz und Latin
vom Hören kennen, aber nicht selbst gespielt
haben und es stilistisch nicht sofort, ohne
Weiteres umsetzen können.
Diese Entwicklung, dieser Prozess hält die Musik aber auch lebendig.
Genau – und das hat etwas sehr Befriedigendes. Man absolviert zusammen einen Weg und
der Weg ist sehr wichtig. Ich glaube auch, dass
die Komponisten der Vergangenheit ihre Musik nie so gehört haben, wie sie heute gespielt
wird. Aufführungen der h-Moll-Messe oder
der Brandenburgischen Konzerte, oder von
Beethovens Werken, das waren im Vergleich
zu heute ziemlich sicher Katastrophen. Die
Komponisten haben sich ja auch ständig da­
rüber beschwert! So ist auch meine Musik ein
Projekt, das über die eigene Endlichkeit hinweg noch ein Projekt bleibt. Sonst lohnt sich
das Ganze eigentlich nicht!
Vielen Dank für das Gespräch!
Erläuterungen von Daniel Schnyder zu
den von ihm gespielten Werken finden sich
auf den entsprechenden Seiten im Programm.
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PROGRAMM
Schloss Oberhofen:
Eine Serenade
am See
Mit dem imposanten mittelalterlichen Bergfried
und den malerischen Türmchen
lädt das Schloss ein, den Klängen
vergangener Zeiten zu lauschen.
Sonderausstellungen 2015
– « Schlossräume & Schlossträume»
–K
abinettausstellung «Anna Feodorowna, russische Grossfürstin»
–K
abinettausstellung «Mythos Orient - Ein Schweizer Architekt in Kairo»
Angebote
–W
eitläufiger Park zum Träumen, Verweilen und Entdecken
–R
estaurant mit Panoramafenster und Terrasse direkt am See
–R
aumvermietungen für Konzerte, Feste, Hochzeiten
– F ührungen auf Anfrage
Geöffnet
Mai - Oktober, Di - So, 11 - 17 Uhr
Stiftung Schloss Oberhofen
3653 Oberhofen
[email protected]
www.schlossoberhofen.ch
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9
Freitag, 8. Mai 2015, 20 Uhr Klösterli Oberhofen
AUF DAS LEBEN!
Life has a way of confusing us / Blessing and bruising us /
It gives you something to think about / Something to drink about /
May all your futures be pleasant ones / Not like our present ones /
And if our good fortune never comes / Here‘s to whatever comes /
LeChajim! LeChajim! To life!
Erkenntnis – Überlegung – Wunsch – Realismus – das sind die Stationen, die
in diesem Song aus dem Musical «Anatevka» zum jüdischen Trinkspruch
«LeChajim! To Life» führen. Auf das Leben stösst GAIA 2015 mit seinem
ersten Konzert an. Nostalgie – Sehnsucht – Wahnsinn – Vergänglichkeit:
Aspekte des Lebens, ausgedrückt in Musik, die selbst seit zweihundert
oder seit wenigen Jahren «lebt». Diese Musik ist unvergänglich. Deshalb:
Auf die Vergänglichkeit müssen wir nicht unbedingt einen Trinkspruch
aus­bringen – auf das, was wir aus dem Leben und seiner Musik machen,
aber schon. VIVA / AVIV / Auf das Leben!
Daniel Schnyder (*1961)
ZOOM IN 4 The Island
Aviv
Quartett
Saxophon
D. Schnyder
ZOOM IN 4 (The Island) – Das ist eigentlich die Insel Kuba. Das Ganze hat
eine Art Rumba-Rhythmus und es hat etwas sehr Nostalgisches. Ein Rückblick auf eine vergangene Zeit. Das hat mit Kuba zu tun. Da ist eine Ästhetik
und auch eine Schönheit dahinter, die sich auf einer Insel teilweise noch
bewahrt, doch kaum ist die Insel nicht mehr Insel, gehen gewisse Sachen
automatisch verloren. Das wird mit Kuba passieren in den nächsten Jahren,
wenn es sich öffnet gegenüber Amerika, vielleicht wird es amerikanisiert
wie Puerto Rico. Nostalgisch, melancholisch also, ein Rückblick.
Mensch Blue (Uraufführung)
Aviv
Quartett
Altflöte
D. Schnyder
Aviv Quartett (Violine Sergey Ostrovsky, Evgenia Epshtein
Viola Noémie Bialobroda Violoncello Ofer Canetti)
Violoncello Claudio Bohórquez Saxophon/Altflöte Daniel Schnyder
Dies ist ein Teil aus meiner Oper, die im Juni 2015 in Philadelphia uraufgeführt wird. Eine Oper über den Jazzmusiker Charlie Parker, «Charlie
Parker’s YARDBIRD». Das hier ist die Szene, wenn er im Irrenhaus ist. «Camarillo» heisst dieses Irrenhaus in Kalifornien. Er wurde dort eingewiesen,
weil er in der Hotel-Lobby nackt rumgelaufen sei und sein Bett angezündet habe und einfach völlig crazy war, durch den Heroin-Entzug. Das Stück
schildert die Atmosphäre von Zeitlosigkeit in einem Irrenhaus. Daraus entsteht eine gewisse Ästhetik, eine gewisse Orientierungslosigkeit. Aber man
hört natürlich auch Charlie Parker, man hört den Blues. Ich spiele das auf
einer Alt-Querflöte, einem ganz speziellen Instrument, das etwa auch bei
Mahler vorkommt, grösser und tiefer als eine normale Querflöte. Charlie
Parker spielte Alt-Saxophon, die Alt-Flöte liegt in derselben Lage.
STRAD Aus dem Leben einer Strad
Aviv
Quartett
10
Stradivari, genannt «Strad». Die Geschichte der Musik aus der Sicht einer
hölzernen Kurtisane: Gezupft, geklopft, bespannt, zerlegt, angestrichen,
abgestrichen, aufgestrichen, lackiert, verleimt, vergriffen, begriffen, umfasst, umarmt, vibriert, geliebt, klebrig bestäubt, ins f-Loch gestossen, mit
dem Handballen millionenfach an der Zarge berührt, milliardenfach polytaktil am schwarzen Ebenholz gedrückt – und das über hunderte von Jahren
hinweg. Ein Schicksal einer hölzernen Kurtisane, die im Gegensatz zu ihren
vergänglichen, menschlichen, fleischlichen Schwestern mit zunehmendem
Alter immer begehrenswerter und schöner wird. – Es ist eine Liebeserklärung an eine Geige. Musikalisch ist es ein Variationssatz, der durch die
verschiedenen Zeiten hindurchgeht. Der Anfang ist noch sehr traditionell
geschrieben, klassisch, und dann geht es immer mehr in die heutige Zeit
hinein. Die Idee ist, dass diese Geige über Jahrhunderte hinweg bespielt
wird, aber mit verschiedener Musik aus verschiedenen Zeiten.
11
Alexander Glasunow (1865–1936)
Franz Schubert (1797–1828)
Allegro
Scherzo. Allegro moderato
Andante sostenuto
Finale. Allegro moderato
Allegro
Andante con moto
Scherzo – Allegro molto
Presto
Aviv
Quartett
Violoncello
C. Bohórquez
Aviv
Quartett
Streichquintett A-Dur op. 39
25 unruhige Jahre lang, von 1905 bis 1930, war Alexander Glasunow Leiter
des Petersburger Konservatoriums. Er unterrichtete dort u.a. Schostakowitsch, dem er «manchmal kindisch und manchmal (als) grosser Weiser»
erschien. Als Komponist, Pianist und Pädagoge hatte er auf das russische
Musikleben enormen Einfluss, wobei er in seiner Verbindung von nationalrussischen Traditionen mit den Errungenschaften Tschaikowskis im
Herzen ein Konservativer war. Schon als Achtjähriger war für ihn klar, dass
die Musik um die Zentralgestirne Bach, Mozart, Beethoven und Mendelssohn kreise, und dies durchaus im Wortsinne: Von seinen Eltern mit einem
Fernrohr beschenkt, teilte der kleine Sascha den Planeten die Namen von
Komponisten zu: Mozart war die Sonne, Bach der Mond und Beethoven
der Mars. Der Musikologe Rostislav Hoffmann nannte Glasunow 1956 den
«würdigen Fortsetzer Beethovens; objektiver, klarer, konsequenter und
umfassender als Tschaikowski». Dessen Stil – eine Verbindung russischer
Tradition mit den in den Konservatorien gelehrten Techniken westeuropäischer Prägung – setzte Glasunow fort, und er konnte den Experimenten
Strawinskys oder Prokofjews wenig abgewinnen. Der frühreife Komponist
– die erste seiner neun Sinfonien schrieb er mit 16 – schien in seinen späteren Jahren wie aus der Zeit gefallen, was der ausserordentlichen Schönheit
seiner Musik keinen Abbruch tut.
Dass in dem 1891 entstandenen Streichquintett op. 39 die Viola eine herausgehobene Rolle spielt, ist leicht zu erklären: Glasunow komponierte das
Werk für die Kammermusiksoiréen seines Mäzens Mitrofan Belajew, der die
Bratsche spielte. So beginnt das Quintett mit einer ausgedehnten Melodie
für die Viola. Aber auch aus seiner Vorliebe für das Cello macht Glasunow
keinen Hehl, was man am Beginn des Andante hören kann. Dass der Komponist die Quintettbesetzung mit zwei Celli (und nicht etwa mit zwei Bratschen)
wählte, geht auf Franz Schubert und Luigi Boccherini, den «Erfinder» dieser
Besetzung, zurück. Der 27-jährige Glasunow integrierte in seinem Quintett
die Elemente russischer Provenienz, also die tänzerischen, volkstümlichen
Motive im Scherzo und im Finale, in den eher von Tschaikowski beeinflussten grossen Gestus des Werkes, der beispielsweise in der schrittweise dramatischeren Ausarbeitung im ersten Satz oder in der Melancholie des Andantes
erkennbar ist. Die Charakteristika dieser Musik fasste der russische Musikologe Viacheslav Karatygin so zusammen: «Alles bei Glasunow ist so elegant
gemacht, alles klingt so hell und saftig, alle Farben sind so satt und kräftig.»
Pause
12
Streichquartett d-Moll D 810 «Der Tod und das Mädchen»
Es mutet seltsam an, bei einem Komponisten wie Franz Schubert von einem
«Spätwerk» zu sprechen. Als er sein d-Moll-Streichquartett komponierte, war er im gleichen Alter wie Alexander Glasunow bei der Komposition
seines Quintetts. Erst im Rückblick mag man Schuberts Werk als «spätes»
deuten – hatte der Komponist doch nur noch wenige Jahre zu leben, während Glasunow, um beim Beispiel zu bleiben, seine eigentliche Karriere
noch vor sich hatte. Und doch: So wie Mozart in seinen «späten» Werken,
mit Mitte dreissig, eine neue Stufe seiner Kunst erreichte, markiert auch
und gerade Schuberts Streichquartett D 810 einen solchen Sprung in der
Entwicklung. Denn der dramatische Tiefgang, wie ihn Schubert hier ausdrückt und in vielen Dimensionen gestaltet, war in seinen Werken bis dahin nicht zu finden gewesen – und auch die Ausdehnung, ja Strapazierung
der kammermusikalischen Form ist hier schon zu ahnen, wie sie Schubert
später in seinem geradezu radikalen C-Dur-Streichquintett erprobte. Nicht
ohne Grund hat Gustav Mahler, der auf dem Gebiet der Sinfonie ebenfalls
die Grenzen zu sprengen suchte, das d-Moll-Quartett für Orchester bearbeitet. Im Nachhinein ergibt es auch Sinn, dass diese Werke zu Schuberts
Lebzeiten gar nicht oder nur in privatem Kreis gespielt und erst recht nicht
gedruckt worden sind. Das d-Moll-Streichquartett erschien erst 1829 im
Druck, die öffentliche Uraufführung erfolgte weitere vier Jahre später.
Seinen Beinamen «Der Tod und das Mädchen» hat das Quartett vom
zweiten Satz, der das Vorspiel bzw. den Gesang des Todes in dem gleichnamigen, 1817 von Schubert komponierten Lied auf einen Text von Matthias Claudius verwendet und variiert. «Gib deine Hand, du schön und zart
Gebild!», lautet die entsprechende Textzeile, und das Gedicht setzt fort:
«Bin Freund, und komme nicht, zu strafen: / Sei gutes Muts! ich bin nicht
wild, / Sollst sanft in meinen Armen schlafen.» Das musikalische Thema
hat, zumal in den weitreichenden Variationen, die Schubert im Quartett
komponiert, bei aller gemessen schreitenden Würde und Ambivalenz in
der harmonischen Ausgestaltung auch etwas Tröstliches. Diese Auffassung spiegelt sich im Schlusssatz des Quartetts – nach einem zwiespältigen
Scherzo – wider, einer durchaus munteren Tarantella, die zwar von einem
choralähnlichen Einschub gebremst wird, aber schnell zurück zum tänzerischen Kehraus findet.
Texte: Angela Beuerle/Jürgen Hartmann; die Kommentare zu
Daniel Schnyders Werken sind einem Gespräch mit ihm entnommen.
13
Samstag, 9. Mai 2015, 20 Uhr Klösterli Oberhofen
VERMÄCHTNIS
So, und jetzt kommt das letzte Rätsel: Was ist Schönheit?
Und der Soldat antwortete wieder unbeirrt: «Das Brot», sagte er,
«ist die Schönheit.» – «Falsch, Kamerad. Schönheit – das ist das Feuer.»
Ein russisches Volksmärchen erzählt diese Weisheit; eine ursprüngliche
Weisheit und ein Wissen, die uns Märchen, Dichtung, Malerei und eben auch
Musik vermitteln. Solcherlei Weisheit ist das Vermächtnis, das die Kunst uns
Menschen gibt, immer wieder neu, womit sie glänzend, strahlend und wärmend unser Leben bereichert. Dass gerade auch aus Russland ein reiches Vermächtnis solcher Musik stammt, macht dieses Konzert klingend erfahrbar.
Dabei wird deutlich, welch Vermächtnis nicht nur Künstler ihrem Publikum,
sondern auch Lehrer ihren Schülern überlassen: So haben Strawinsky und
Prokofjew beide bei Rimsky-Korsakow in St. Petersburg studiert, während
Medtner und Skrjabin am Moskauer Konservatorium nicht nur den gleichen
Klavierlehrer, Wassili Safonow, hatten, sondern beide ausserdem, gemeinsam
mit Rachmaninow, von Sergej Tanejew – selbst ein Schüler Pjotr Tschaikowskis – in Komposition unterrichtet wurden. Daniel Schnyders Werke wiederum
erinnern daran, dass ein Vermächtnis nicht immer von früherer auf heutige
Zeit, sondern auch innerhalb der Gegenwart wirksam werden kann.
Alexander Skrjabin (1871–1915)
Vers la flamme op. 72
Klavier
A. Beatson
Nikolaj Medtner (1880–1951)
Novelle op. 17 Nr. 1 «Daphnis et Chloë»
Klavier
A. Beatson
Violine Evgenia Epshtein, Gwendolyn Masin, Sergey Ostrovsky,
Tatiana Samouil Viola Gábor Homoki Violoncello Claudio Bohórquez,
David Pia Klavier Alasdair Beatson, Simon Bucher
Daniel Schnyder (*1961)
Trio für Violine, Violoncello und Klavier «ad parnassum» (Uraufführung)
Violine
G. Masin
Violoncello
D. Pia
Klavier
S. Bucher
14
Dies ist die Erstaufführung dieser Version. Ich habe das Stück mit meinem
Trio gespielt, Bassposaune, Sopransaxophon und Klavier, und bin jetzt sehr
gespannt, wie es mit Geige und Cello klingt. Der Unterschied zwischen Blasund Streichinstrumenten ist beträchtlich. Ein Blasinstrument nimmt man
an den Mund, beim Spielen ist auch die Zunge dabei, das heisst, man kann
direkt damit reden. Beim Streichinstrument braucht es immer die Übersetzung mit der rechten Hand, man braucht also sehr viel Übung, bis man das
mit dem Bogen machen kann, was der Bläser mit der Zunge macht. Aber
dann ist beinahe alles möglich. Ich persönlich finde beides toll, klar. «Ad
parnassum» – «zum Berg hin»: Es ist dieser Musenberg, und diesen Berg zu
erklimmen ist eine schwierige Aufgabe. Wenn etwas technisch anspruchsvoll ist, oder musikalisch, oder rhythmisch oder in irgendeiner Weise trickreich ist, hat das etwas von so einem Berg, den es zu bewältigen gilt.
Alexander Skrjabins Poème «Vers la flamme» entstand in seinen letzten
Lebens- und Schaffensjahren. Skrjabin hatte sich in dieser Zeit der Theosophie und dem Mystizismus zugewandt, die auch sein Denken über Musik
und Kunst wesentlich beeinflussten. Eine besondere Rolle spielten für ihn
dabei Farben und das Element des Feuers. In einem «Feuersturm» sollte das
künstlerische Erleben gipfeln und die Menschen zur Erlösung führen. Eine
Bewegung «der Flamme zu» zeichnet auch dieses programmatische Klavierstück nach, das verhalten beginnt und, begleitet von Vortragsbezeichnungen
wie «mit aufblühender Emotion», «mit verhaltener Freude», «mit immer
stürmischerer Freude», «prangend, hell» schliesslich in einer Art leuchtender Ekstase mündet – ein Stück, in dem, wie Skrjabin selbst schrieb, «alles
allmählich aufblüht … aus dem Nebel zum blendenden Licht».
Keiner Gruppierung oder Schule zugehörig war und blieb der Pianist und
Komponist Nikolaj Medtner, obgleich geliebt und geschätzt von vielen seiner Zeitgenossen, ein wenig bekannter unter seinen berühmten russischen
Kollegen. «Ich glaube nicht an meine Maximen über Musik, aber an die Musik selbst. Ich möchte nicht meine Gedanken über die Musik kundtun, aber
meinen Glauben an die Musik …», schrieb er selbst, und genuin musikalisch
erscheinen seine Werke, die alle das Klavier einschliessen und häufig in
hervorragenden eigenen Einspielungen überliefert sind. Seine «Novellen»
schrieb er 1908. Ohne dass es im engeren Sinne Programmmusik ist, meint
man beim Hören Bilder des bukolischen Paares Daphnis und Chloé, die
sanft-lockende Stimmung dieser berühmten antiken Hirtendichtung, vor
dem inneren Auge erstehen zu sehen.
Sergej Prokofjew (1891–1953)
Sonate für zwei Violinen C-Dur op. 56
Andante cantabile
Allegro
Commodo (quasi Allegretto)
Allegro con brio
Violine
T. Samouil
S. Ostrovsky
«Schlechte Musik zu hören ruft manchmal gute Ideen hervor … Nachdem
ich einmal ein erfolgloses Stück für zwei Violinen ohne Klavierbegleitung
gehört habe, wurde mir deutlich, dass man ein solches Duo, trotz seiner offensichtlichen Begrenzungen, interessant genug machen könnte für zehn
oder 15 Minuten.» So erinnert sich Prokofjew in seiner Autobiographie an
die Entstehung seiner Sonate für zwei Violinen. Er schrieb sie 1932 während
15
seiner Zeit im französischen Exil, als Auftragswerk für ein Konzert der mit
neuer Kammermusik befassten Gesellschaft Triton. Die Sonate, so Prokofjew weiter, «wurde bei der offiziellen Eröffnung von Triton vorgestellt, die
zufällig zusammenfiel mit der Premiere meines Ballettes «Sur le Borystène».
Glücklicherweise begann das Ballett eine halbe Stunde nach Ende des Konzerts, so dass wir direkt nach der Sonate zur Grand Opéra hinüberrannten
– Musiker, Kritiker, Komponist, alle zusammen.» Viersätzig folgt die Sonate
dem Schema der barocken Sonata da chiesa, in der auf eine Satzfolge langsam-schnell-langsam am Ende ein furioses Finale folgt. Ganz unterschiedliche Facetten seines Komponierens kommen in diesem Stück organisch
zusammen, das Lyrische mit slawischem Einschlag, wie es etwa am Stückbeginn zu hören ist, das markant Rhythmische, wie es den zweiten Satz dominiert, elegisch-klassizistische Anklänge, allerdings in beinahe freitonaler
Fügung im dritten Satz und ein rondoartiger, tänzerischer Schlussteil, der
nach einem Zitat des Anfangsthemas in einer feurigen Coda mündet.
Igor Strawinsky (1882–1971)
Berceuse aus «L’oiseau de feu»
Violine
G. Masin
Klavier
S. Bucher
1909 beauftragte der grosse Theatermann Sergei Djagilew den unbekannten jungen russischen Komponisten Igor Strawinsky für seine Kompagnie,
die «Ballets Russes», eine Ballettmusik zu schreiben. Das Libretto erzählte
vom Prinzen Iwan Zarewitsch, dem es mit Hilfe des mythologischen Feuervogels gelingt, die Prinzessin Zarewna aus den Fängen des bösen Zauberers
Kastschej zu retten. Die Uraufführung 1910 in Paris war ein überwältigender
Erfolg, die Verbindung der spätromantisch-impressionistischen Musik mit
der slawischen Märchenwelt und der künstlerisch eindrücklichen visuellen
Gestaltung traf den Nerv der Zeit. Sie bedeutete nicht nur den Beginn einer
fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Djagilew und Strawinsky, sondern
markierte für Strawinsky auch den Beginn seiner Karriere als einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. In vielerlei Varianten und
Bearbeitungen liegt diese berühmte Ballettmusik heute vor, hören Sie hier
eine Kammermusikversion des Wiegenliedes des Feuervogels.
Daniel Schnyder (*1961)
Donne Variations
Klavier
S. Bucher
16
Dies Stück beschreibt verschiedene Gemütszustände von Frauen – «le donne».
Es ist kein Variationensatz wie der Variationensatz von «STRAD» (vgl. Programm 1), bei dem das gleiche Thema, die gleiche Geige durch die Jahrhunderte geht. Denn hier ist es nun nicht unbedingt die gleiche Frau, sondern
es sind gewisse Gemütszustände oder Portraits verschiedener Frauen. Das
Stück ist sehr elegant, es ist zugleich auch schlicht – doch nicht einfach zu
spielen, im Gegenteil – viele Teile sind zweistimmig, das heisst durchsichtig
und auch melodiös.
Allerdings kommt bei mir meistens die Musik zuerst und nachher suche ich
einen Titel, den ich mit der Musik assoziiere. Ich schreibe Musik, dann schaue
ich sie an und sage «was ist jetzt das? Was könnte das für ein Titel sein?» Das
ist normalerweise der Prozess. Also wie schon Schopenhauer sagt: «Musik gibt
die universalia ante rem», sie steht also vor der Sache oder dem Begriff.»
Pause
Sergej Tanejew (1856–1915)
Klavierquintett g-Moll op. 30
Introduzione:
Adagio mesto
Die Musik von Sergei Tanejew dürfte für viele Musikfreunde zumindest in
Westeuropa noch immer eine grosse Überraschung sein. Der 1856 in der
Grossstadt Wladimir knapp 200 km östlich von Moskau Geborene konnte
Allegro patetico auf Grund seines besonderen Talents bereits als Zehnjähriger am dortigen
Presto
Konservatorium sein Studium aufnehmen. Er wurde von Rubinstein und
Largo
Tschaikowski unterrichtet und brachte 1875 ein Klavierkonzert von Brahms
Allegro vivace
zur russischen Erstaufführung. Später folgte Tanejew seinem Lehrer Tschaikowski, dem er inzwischen ein wichtiger musikalischer Berater geworden
Violine
war, als Professor, und von 1885-89 war er Direktor des Konservatoriums.
T. Samouil
Tanejew wurde vor allem für seine präzise und dabei genau durchdachte
E. Epshtein
Kompositionskunst berühmt. Nicht nur der Umfang seiner Skizzen war beViola
rüchtigt, er erläuterte seine Grundsätze auch in einem grossen Buch. Was
G. Homoki
auf den ersten Blick «verkopft», ja bürokratisch wirkt, erschliesst sich beim
Violoncello
Hören seiner Musik als besonders sorgfältige Vorbereitung – es nimmt nicht
C. Bohórquez
Wunder, das Tanejew zu seiner Zeit auch ein bewunderter Pädagoge war.
Klavier
Er komponierte zwischen 1902 und 1911 drei kammermusikalische Werke
A. Beatson
mit Klavier, von denen das 1910/11 entstandene g-Moll-Quintett mit rund 45
Minuten Spieldauer das längste und beeindruckendste ist.
In den Erläuterungen zur eigenen Arbeitsweise betonte Tanejew auch,
dass er bei mehrsätzigen Kompositionen grundsätzlich das Finale als erstes ausarbeitete – «damit es nicht schwächer als die anderen Sätze ausfällt
und mit frischer Kraft geschrieben wird, ferner auch, um klarer zu sehen,
wo die übrigen Sätze hinzuleiten sind». Man darf annehmen, dass das Klavierquintett in etwa so entstanden ist – jedenfalls sind im kraftvollen, mit
überwältigenden Glockenklängen endenden Finale einige Elemente enthalten, die weniger als ein Reflex auf die vorhergehenden Sätze wirken als
vielmehr wie deren Quellen. Enorme Kraft entfaltet indes auch der erste
Satz, der in seiner Abfolge zwischen Einleitung und Stretta fast wie ein
eigenständiges, mehrsätziges Werk erscheint. Die sehr ernste Anmutung
dieses zwanzigminütigen Satzes wird durch das vitale, abwechslungsreiche Scherzo konterkariert, während das feierliche Largo, als Passacaglia gestaltet, Verbindungslinien zu Bach oder auch dem späten Beethoven zieht.
Sergei Tanejew, der 1915 nur kurz nach seinem früheren Schüler Skrjabin
starb, wurde später in der Sowjetunion für mangelnde Volksnähe kritisiert.
Glücklicherweise ist die Zeit dieser Ideologien vorbei, und der Blick kann
sich nun unbeirrt auf das Vermächtnis eines grossen Komponisten richten.
Texte: Angela Beuerle/Jürgen Hartmann; die Kommentare zu
Daniel Schnyders Werken sind einem Gespräch mit ihm entnommen.
17
Sonntag, 10. Mai 2015, 11 Uhr Klösterli Oberhofen
Mit der Charakterisierung seines neuen Werks als Verbindung von Gegensätzen hatte Dvořák zugleich die «Dumka» als solche beschrieben, zeichnet
sich doch diese Gattung durch ihre schnellen Wechsel in Charakter und
Tempo aus. Insofern ist es konsequent, dass Dvořák zwecks Schilderung
dieser Gegensätze sein Klaviertrio sechssätzig gestaltete, jedoch nicht
ohne die traditionelle viersätzige Form zumindest anzuspielen. Die ersten
drei Sätze sind nämlich vom Komponisten zur pausenlosen Abfolge (also
mit attacca-Übergängen) vorgesehen und vertreten auf diese Weise einen
ausgedehnten, vielfältigen Eröffnungssatz. So gesehen, schliessen sich logisch ein langsamer Satz, ein Scherzo und ein Rondofinale an. Dass man
das «Dumky»-Trio so oder so betrachten kann, macht indes seinen eigentlichen Reiz aus – es bietet sozusagen intelligente Unterhaltung in zeitgemässer Form, aber inspiriert von uralten Vorlagen. Dass nicht nur das Publikum, sondern auch Dvořák selbst gerade dieses Werk sehr liebte, kann man
daraus schliessen, dass er es als Pianist über vierzig Mal musizierte, mit
der Uraufführung beginnend, während eines Galakonzerts anlässlich der
Verleihung der Ehrendoktorwürde der Prager Universität. Heute zählt es zu
den meistgespielten kammermusikalischen Stücken Dvořáks. Was macht
es also schon, dass der notorisch hochnäsige Satiriker George Bernard
Shaw nach der englischen Erstaufführung 1894 über das «Dumky»-Trio
schrieb, es sei «hinreissend hübsch, aber nicht viel mehr als das»?
I N S P I R AT I O N
Auf der anderen Seite des Monds / gehen / in goldene Kleider gehüllt /
deine wirklichen Tage / sie wohnen / wie sonst du / in Helle / verscheucht
von hier / weggescheucht / wandeln sie dort / du weisst es sind deine.
So schrieb die deutsch-jüdische Dichterin Hilde Domin. Die Sehnsucht in
diesen Zeilen, ein Gefühl der Gespaltenheit, die Vorstellung eines anderen
Ortes, an den man gehört, an dem man sein möchte, aber auch das Wissen
darum, dass es einen solchen Ort gibt – all dies ist sicherlich eine zentrale Quelle künstlerischer Inspiration. Hören Sie, wie in diesem Konzert die
Musikstücke in ganz unterschiedlicher Weise ihre Inspiration aus Orten,
Menschen oder Stimmungen beziehen, in denen sich die Komponisten in irgendeiner Weise wiederfanden, nach denen sie sich vielleicht auch sehnten,
in deren «goldene Kleider» sie ihre Musik hüllten.
Violine Gwendolyn Masin Violoncello David Pia
Klavier Simon Bucher Saxophon Daniel Schnyder
Antonín Dvořák (1841–1904)
Daniel Schnyder (*1961)
Klaviertrio Nr. 4 e-Moll op. 90 «Dumky-Trio»
Tales from Another Time
Lento maestoso – Allegro quasi doppio movimento
Poco adagio – Vivace non troppo
Andante – Vivace non troppo
Andante moderato – Allegretto scherzando
Allegro
Lento maestoso – Vivace
Violine
G. Masin
Violoncello
D. Pia
Saxophon
D. Schnyder
Violine
G. Masin
Violoncello
D. Pia
Klavier
S. Bucher
18
«Ich habe gerade jetzt lauter grosse Ideen im Kopfe; ich werde tun, was mir
der liebe Gott beschert», schrieb Antonín Dvořák im Herbst 1890 an seinen
Verleger Fritz Simrock, dem er gerade böse war, weil dieser keine Sinfonie
verlegen wollte, sondern etwas «Kleines» bestellte, das der Komponist jedoch
nicht liefern mochte. Dvořák konnte sich starkes Selbstbewusstsein leisten –
jene Jahre verschafften ihm Erfolg auf Erfolg und machten ihn im Grunde
zum «Weltstar»: In Cambridge verlieh man ihm einen Ehrendoktor und New
York wollte ihn als Leiter eines neu gegründeten Konservatoriums, ganz zu
schweigen von Österreich, Deutschland und seiner tschechischen Heimat,
wo Dvořák schon längst zu den ganz Grossen zählte. Mit Schwung ging er
also ein neues Werk an – «glücklich und traurig zugleich, manchmal wie ein
melancholisches Lied, manchmal wie ein fröhlicher Tanz» – und kam dabei
auf die «Dumka» (Mehrzahl «Dumky») zurück; eine ukrainische Liedform,
derer er sich schon mehrfach in kleineren Werken bedient hatte, ebenso wie
zuvor und später Tschaikowski, Janáček und Martinů. Dvořák liess darüber
hinaus Motive aus der jüdischen Volksmusik in sein Trio einfliessen.
«Tales from Another Time» ist arabisch beeinflusste Musik, es ist ursprünglich Teil meiner «Oriental Suite» für Orchester und arabische, türkische Musiker. Ich habe sehr viel Musik gemacht, die Elemente aus dem Nahen Osten
miteinbezieht und mit Musikern u.a. aus dem Libanon zusammengearbeitet.
Wir als Europäer haben ja lange gedacht, dass der Nahe Osten mit uns nichts
zu tun hat und jetzt merken wir, dass es eine gesellschaftliche, politische
Kernfrage ist – wie schaffen wir die Integration dieser Kultur? Und ein Weg
ist, dass man in einem Konzertsaal Instrumente oder Klänge reflektiert, die
nicht aus einem europäischen Urgrund kommen, sondern andere Bevölkerungsgruppen unserer Gesellschaft repräsentieren. Das Merkmal dieser Musik ist, dass sie rhythmisch und mit ihren Skalen andere Elemente einfliessen
lässt, die man mit unserer Musik, unserer Idee von Harmonie, kombinieren
kann. Es ist eine Kultur, die sehr entwickelt ist, aber eine andere Richtung
genommen hat. Also nicht das grosse Symphonieorchester, die Polyphonie.
In der arabischen Musik gibt es viel mehr Tonleitern als bei uns. Und was
das Metrum angeht, haben wir uns, vereinfacht gesagt, auf 4/4 und 3/4 beschränkt, während in diesen Kulturen 11/8 oder 7/4 nichts ungewöhnliches
ist, auch auf 9 oder 10 geht sehr viel. – Zugleich hat «Tales from Another
Time» auch etwas Nostalgisches an sich, etwas, was einen in eine andere Zeit
versetzt, ein Märchen, vielleicht aus 1001 Nacht.
19
George Gershwin (1898–1937)
«Summertime» aus «Porgy and Bess» (Bearbeitung: Daniel Schnyder)
Violine
G. Masin
Violoncello
D. Pia
Saxophon
D. Schnyder
Wie ein roter Faden zieht sich das Wiegenlied «Summertime» durch George
Gershwins Oper «Porgy and Bess», viermal insgesamt ist es zu hören, gesungen von verschiedenen Protagonisten. Es war das erste Stück, das Gershwin
für die Oper fertiggestellt hatte und es ist das Musikstück, das jeder kennt,
auch wenn er die Oper nie gesehen hat. Ein Evergreen mit Tausenden von
Coverversionen. Offensichtlich hatte Gershwin, der sich sowohl vom Spiritual als auch, so heisst es, von ukrainischen Liedern inspirieren liess, mit
diesem Musikstück, das so viel mehr einem ursprünglichen Volkslied als
einer Opernarie entspricht, einen Ton getroffen, der, jenseits von Zeit und
Stil, die Hörer berührt. «Summertime, / And the livin’ is easy /Fish are jumpin’ / And the cotton is high …»
Astor Piazzolla (1921–1992)
Verano Porteño aus «Cuatro Estaciones Porteñas»
Violine
G. Masin
Violoncello
D. Pia
Klavier
S. Bucher
Von «Hafen» leitet sich das Adjektiv «porteño» ab und bezeichnet in dieser
Bedeutung im argentinischen Spanisch die Bewohner von Buenos Aires,
zum grossen Teil europäische Immigranten, die in dieser Hafenmetropole
Zuflucht und ein besseres Leben suchten. Unter dem Namen «Vier Jahreszeiten von Buenos Aires» fasste der grosse Komponist des Tango nuevo,
Astor Piazzolla, vier in den Jahren 1965–70 entstandene Tangos zu einer
Suite zusammen, von der hier nun der «Sommer» zu hören ist. Die unmittelbare Assoziation des Titels mit dem berühmten Vorgängerwerk Vivaldis
zeigt auch in der Musik ihre Spuren. So mischt sich hier, wie auch in anderen Werkes Piazzollas, der Tango, selbst aus einem Amalgam verschiedenster europäischer, afrikanischer und lateinamerikanischer Musikstile
entstanden, erneut mit Einflüssen aus der europäischen Kunstmusik. Eine
kunstvolle, verführerische Hommage an das Leben in seiner Uneindeutigkeit und Vielstimmigkeit!
Pause
Dmitri Schostakowitsch (1906–1975)
Klaviertrio Nr. 2 e-Moll op. 67
Andante – Moderato – Poco più mosso
Allegro con brio
Largo
Allegretto – Adagio
Violine
G. Masin
Violoncello
D. Pia
Klavier
S. Bucher
Anhand von Dmitri Schostakowitschs e-Moll-Klaviertrio kann man sich
über das Konzertthema «Inspiration» in mehrfacher Hinsicht Gedanken
machen. Es gab hier einen aussermusikalischen, gleichsam biografischen
Anlass, den als Inspiration zu bezeichnen allerdings unangemessen wäre;
ebenso ist es denkbar, dass sich der Komponist durch die politischen Verhältnisse seiner Zeit anregen liess. Die eigentliche Inspiration jedoch im
Sinne der Duden-Definition («erhellende Idee, die jemanden, besonders bei
einer geistigen Tätigkeit, weiterführt») führte zur Gestaltung besagter Ereignisse und Vorgänge – und machte aus blosser Betroffenheit wahre Kunst.
Schostakowitsch hatte im Februar 1944 gerade die Instrumentierung
der Oper «Rothschilds Geige» beendet, die sein drei Jahre zuvor gefallener
Lieblingsschüler Benjamin Fleischmann unvollendet hinterlassen hatte.
Wenige Tage danach starb völlig überraschend sein guter, wenn nicht bester Freund Iwan Sollertinski, ein Musikwissenschaftler und Autor, der den
Komponisten mehr als einmal gegen ideologisch bedingte Kritik verteidigt
hatte. «Meine ganze Entwicklung verdanke ich ihm», schrieb Schostakowitsch an Sollertinskis Witwe, «ohne ihn zu leben, wird mir unerträglich
schwerfallen». Das bereits begonnene 2. Klaviertrio (eine Gattung, die auch
Tschaikowski und Rachmaninow für «Gedächtnisstücke» verwendeten)
setzte der Komponist im Gedenken an den Freund fort und widmete ihm
das im November 1944 in Leningrad uraufgeführte Stück. Im ersten Satz
komponierte Schostakowitsch gleichsam ein eisiges Schweigen, die Instrumente sind klanglich «ausser sich», bevor eine stockende Klangrede beginnt. Das Scherzo erinnerte die Schwester Sollertinskis an den Verstorbenen: «Wenn ich diesen Satz des Trios höre, steht mein Bruder leibhaftig vor
mir», kommentierte sie. Diese beiden Sätze enthalten aber – wahrscheinlich bewusst – auch deutliche Anklänge an die Musik Gustav Mahlers, die
Sollertinski als Dramaturg der Leningrader Philharmonie in Russland bekannt gemacht hatte. Der dritte und vierte Satz sind – wie überraschend
viele Werke Schostakowitschs – von jüdischen Einflüssen durchzogen, was
vermutlich Sollertinski würdigte und gleichzeitig die beginnende Entlarvung der Nazi-Verbrechen an den Juden verarbeitete. Der stoische Klagegesang der Streicher in der Passacaglia (Largo) und der von der ostjüdischen Volksmusik beeinflusste Totentanz des Finales sind erschütternde
Dokumente persönlicher Trauer und historischen Unglücks, aber auch des
gefahrvollen Gegensatzes zwischen Individuum und Kollektiv, von dem
Schostakowitsch wahrlich ein Lied zu singen wusste.
Texte: Angela Beuerle/Jürgen Hartmann; die Kommentare zu
Daniel Schnyders Werken sind einem Gespräch mit ihm entnommen.
20
21
Sonntag, 10. Mai 2015, 17 Uhr Schloss Oberhofen
stellato soglio», was heute zu den berühmtesten Passagen des Stückes gehört: «Von Deinem Sternenthron/Herr, wende Dich zu uns/habe Mitleid
mit Deinen Kindern/mit Deinem Volk habe Mitleid!» singen Moses und die
Israeliten, bevor sie sich über den Meeresboden auf den Weg ins Gelobte
Land machen. Hier ist diese inständig bittende Melodie, die sich im Lauf
des Stückes vom düsteren Moll zum strahlenden Dur entwickelt, in der Fassung für zwei Violoncelli zu hören.
LANG LEBE DER KÖNIG
Froh zu sein bedarf es wenig, / und wer froh ist, ist ein König.
Einfacher und zugleich anspruchsloser als in diesem Kanon und Kinderlied
lässt sich die Königswürde kaum definieren. Und doch – ist nicht eine Menge Wahrheit darin? Froh macht sicherlich dieses Konzert, das ein Feuerwerk
musikalischen Virtuosentums entfacht, eine Schmuckschatulle von teils selten gespielten Werken in jeweils ungewöhnlichen Besetzungen präsentiert.
Ein Konzert, das keine Grenzen kennt zwischen «E» und «U», zwischen Klassik
und Jazz, zwischen notiert und improvisiert, sondern einfach nur – Musik!
Seien wir froh, lang lebe der König!
Violine Evgenia Epshtein, Gábor Homoki, Gwendolyn Masin,
Sergey Ostrovsky, Tatiana Samouil Viola Noémi Bialobroda, Gábor Homoki
Violoncello Claudio Bohórquez, David Pia Saxophon Daniel Schnyder
Daniel Schnyder (*1961)
Streichtrio: 3. Satz (Schweizer Erstaufführung)
Violine
G. Homoki
Viola
N. Bialobroda
Violoncello
D. Pia
Manuel de Falla (1876–1946)
Danza ritual del fuego aus «El amor brujo» (Bearbeitung: Daniel Schnyder)
1914 schrieb der berühmte spanische Komponist Manuel de Falla seine «GiVioline
tanería» «El amor brujo», zu Deutsch «Der Liebeszauber»; eine Folge von
T. Samouil
Liedern und Tänzen, bei denen schon die zugrundeliegende Sprache, ein
E. Epshtein
andalusischer Gitano-Dialekt, auf die Sphäre der Gitano-Kultur verweist.
Viola
Sie handeln von dem Mädchen Candela, das versucht, den Geist ihres verN. Bialobroda
storbenen Ehemanns mit Hilfe von Tänzen zu bannen, um frei zu werden
Violoncello
für ihre eigentliche Liebe, Carmelo – am Ende gelingt es ihr. Auch der «riC. Bohórquez
tuelle Feuertanz» («Dansa ritual de fuego»), bei dem man die Flammen, in
Saxophon
deren Mitte Candela tanzt, schon in den ersten Takten züngeln hört, gehört
D. Schnyder
dazu. Manuel de Falla hat seine Suite für unterschiedlichste Instrumentalgruppen bearbeitet. Diese Version von Daniel Schnyder mit Saxophon lässt
das berühmte Musikstück nochmals neu erleben.
Gioacchino Rossini (1792–1868)
«Dal tuo stellato soglio» aus «Mosè in Egitto» (Fassung für zwei Violoncelli)
Violoncello
D. Pia
C. Bohórquez
22
Oper in der Fastenzeit war in Italien verboten – ausser sie verhandelte einen biblisch-religiösen Inhalt. So entstand u.a. Rossinis «Mosè in Egitto»,
eine azione tragico sacra, die vom Auszug des israelischen Volkes aus ägyptischer Gefangenschaft erzählt. «Mit Sicherheit schreibe ich keine ähnliche Musik mehr, weil ich nicht mehr die Geduld aufbringen werde, die ich
dieses Mal hatte», so Rossini nach der Uraufführung des Werkes am 5. März
1818. Und er arbeitete weiter daran. Für eine Aufführung im folgenden Jahr
etwa fügte er dem 3. Akt eine wesentliche Szene bei, das Gebet «Dal tuo
Das Streichtrio ist so traditionell wie der Titel klingt. Ein 22-Minuten-Werk
im Ganzen. Durch den Namen weiss man, was es ist. Wenn man einen Kuchen
backt, will man auch, dass die Leute wissen, dass es ein Kuchen ist und kein
Fisch. Und Streichtrio heisst: Es muss ungefähr 20 Minuten sein, ein grösseres Werk. Es ist «Musik per se», nicht Filmmusik, Theatermusik oder Ballettmusik. Zentrum der Kammermusik, in seiner ganzen Komplexität. Es ist
kompliziert, alle Instrumente sind gleichberechtigt und es steht in dieser europäischen Tradition. Dazu kommen hier dann jedoch rhythmische Sachen
aus dem 21., 20. Jahrhundert, die nicht der klassischen Musik entstammen.
Es ist ein sehr fetziges Stück, ein Knaller. Intensiv, virtuos und rhythmisch
anspruchsvoll, aber für die Hörer nicht schwer nachzuvollziehen. Diese
Musik, bei der die Schwierigkeit beim Publikum liegt, versuche ich nicht zu
machen. Es ist der Interpret, der sich mit dieser Musik auseinandersetzen
muss, und wenn er es dann kann, präsentiert er es und die Zuhörer sollen
es geniessen. Und auch, wenn sie die Einzelheiten und Schwierigkeiten nicht
unbedingt hören, bekommen sie doch die Idee und die Energie mit.
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Duett mit zwei obligaten Augengläsern WoO 32
Allegro
Allegretto
Viola
G. Homoki
Violoncello
C. Bohórquez
In einem Skizzenbuch Beethovens, aufbewahrt in einer englischen
Biblio­thek, fand man den Eröffnungssatz eines Duos für Bratsche und
Cello. Weiter hinten ein Menuett in der gleichen ungewöhnlichen Besetzung, weshalb anzunehmen ist, dass beide Bruchstücke als Teile eines
entweder nicht vollendeten oder aber teilweise verlorenen viersätzigen Werkes zusammengehören, das, so lassen es weitere Skizzen auf der
Rückseite schliessen, aus dem Jahr 1796 stammt. Melodisch-rhythmisch
sind beide Stimmen voll notiert, die ansonsten von Beethoven vorgenommene artikulatorische Ausarbeitung fehlt jedoch und ist ganz den
Interpreten überlassen. Überschrieben ist der Eingangssatz mit dem
bekannten auffälligen Titel – wobei wir nicht wissen, um welche zwei
Brillenträger es sich bei der Widmung handelt. Eine naheliegende Vermutung ist, dass der Cellopart Beethovens Freund Nikolaus von ZmeskallDomanovetz zugedacht war, einem fähigen Cellisten, dem Beethoven an
anderer Stelle schrieb: «Liebster Baron Dreckfahrer je vous suis bien obligé
pour votre faiblesse de vos yeux.» Der Bratschenpart könnte dann von dem
notorisch kurzsichtigen Beethoven selbst übernommen worden sein.
23
Horace Silver (1928–2014)
«Peace» (Bearbeitung: Daniel Schnyder)
Horace Silver, der mit Saxophon begann und später hauptsächlich als PiaVioline
nist zu hören war, gehört zu den Musikern, die den Jazz prägten wie wenig
T. Samouil
andere. Seit seinem Debut 1950 bis kurz vor seinem Tod im vergangenen
E. Epshtein
Jahr spielte er zusammen mit den Jazzlegenden seiner Zeit und förderte
Viola
und entdeckte neue Talente. Er prägte Richtungen wie den Hard Bebop und
N. Bialobroda
den Soul Jazz, viele seiner Kompositionen, oft gespielt und häufig neu arVioloncello
rangiert, avancierten zu Jazzstandards. So auch «Peace», eine Ballade, die
C. Bohórquez
sich von einer in immer wieder neue Tonarten gerückten ausdrucksvollen
Saxophon
Melodie aus entfaltet und viel Raum für Improvisation und rhythmische
D. Schnyder
Raffinesse lässt. Ganz wie der Titel verspricht, ist «Peace» vielleicht die
sanfteste, friedvollste Komposition aus Silvers Œuvre.
Die Bearbeitungen in diesem Konzert reflektieren verschiedene Gebiete,
Europa und auch den Jazz. Eigentlich ist es unüblich, dass Duke Ellington und
Horace Silver in einem klassischen Programm gespielt werden. Ich habe nun
versucht, für diese Stücke Arrangements zu schreiben, die sehr polyphon sind,
bei denen aber ansonsten die Musik klar erkennbar ist, so dass das Original
in einem europäischen Spiegel reflektiert wird. (Daniel Schnyder)
Henryk Wieniawski (1835–1880)
Étude-Caprice für zwei Violinen op. 18 Nr. 4
Violine
T. Samouil
G. Masin
Der polnische Komponist Henryk Wieniawski gehört zu den grossen Geigenvirtuosen des 19. Jahrhunderts. Sein kompositorisches Schaffen besteht
ausschliesslich aus Werken für Violine, die er für seine eigenen Auftritte
schrieb. Wir hören darin die romantisch-virtuose Musik seiner Zeit, in
der sich polnische Klangidiome mit der Kunstmusik des 19. Jahrhunderts
verbinden. Seine «Étude-Caprice» ist ein technisch hochanspruchsvolles
Virtuosenstück, das, zu schade allein für Technik-Übungen, ein Feuerwerk
violinistischen Könnens auf dem Konzertpodium entfalten lässt. Häufig
mit Solovioline und Klavier aufgeführt, hören Sie das Werk hier in seiner
originalen Fassung für zwei Violinen.
Duke Ellington (1899–1974)
«In a Sentimental Mood» (Bearbeitung: Daniel Schnyder; Schweizer Erstaufführung)
Violine
T. Samouil
E. Epshtein
Viola
N. Bialobroda
Violoncello
C. Bohórquez
Saxophon
D. Schnyder
24
Angeblich ist ein Streit schuld an der Entstehung eines der bekanntesten
Jazzstandards überhaupt – als auf einer Party ein Freund in Zwist mit zwei
Frauen geriet, setzte Duke Ellington sich ans Klavier, um die Stimmung zu
beruhigen, und improvisierte. Heraus kam «In a Sentimental Mood», welches Ellington 1935 zunächst als Instrumental für Orchester einspielte. Wenig später beauftragte Ellingtons Produzent einen seiner Büroangestellten,
einen Text dazu zu schreiben. Von verschiedensten Jazzgrössen in unterschiedlichsten Versionen interpretiert und eingespielt, wurde das Lied zu
einer der Melodien der 1930er Jahre. Und noch heute erkennt jeder die bekannte aufsteigende Linie des Liedbeginns dieses «Stücks über seine eigene
Melancholie», wie Ellington es selbst beschrieb.
Zoltán Kodály (1882–1967)
Serenade op. 12
Allegramente
Lento ma non
troppo
Vivo
Violine
T. Samouil
E. Epshtein
Viola
G. Homoki
Wenn das Wortspiel mit dem Konzerttitel erlaubt ist: Ungarn hatte zur Zeit
der klassischen Moderne in der Musik mindestens drei Könige – Bartók, Kodály und von Dohnányi. Von heute aus scheint es zwar, als sei Béla Bartók
der eigentliche König gewesen, aber gerade dieser zog vor seinem Kollegen
Zoltán Kodály den Hut: Wenn ein Komponist die perfekte Verkörperung des
ungarischen Geistes sei, dann Kodály, soll Bartók einmal gesagt haben. Dieser war, wie Bartók, stark an der ungarischen Volksmusik interessiert und
erforschte diese auch wissenschaftlich. Die Serenade für zwei Violinen und
Viola entstand 1919/20, in einer für Ungarn sehr problematischen Zeit: Auch
Kodály hatte sich für die nach dem Untergang der Habsburgermonarchie
ausgerufene Räterepublik stark gemacht und wurde nach deren Sturz kaltgestellt. Man hört dies alles dem Werk nicht an. Bartók lobte es vielmehr als
Beispiel dafür, dass die Zukunft der Musik nicht unbedingt in der Atonalität
liege – Kodálys Serenade stehe fest auf dem Boden der Tonalität und enthalte
doch zahlreiche harmonische Überraschungen.
Antonio Vivaldi (1678–1741)
«Agitata da due venti» aus «Griselda»
(Bearbeitung: Daniel Schnyder; Schweizer Erstaufführung)
Die «Vier Jahreszeiten» kennen wir, vielleicht auch ein paar InstrumentalVioline
werke des italienischen Komponisten Antonio Vivaldi. Dass er einstmals
T. Samouil
als einer der berühmtesten Komponisten Europas gefeiert wurde und sich
E. Epshtein
unter seinem Œuvre auch mindestens 50 Opern befanden, weiss man heute
Viola
hingegen kaum noch. Von der 1735 uraufgeführten Oper «Griselda», die,
N. Bialobroda
mit einem Libretto von Carlo Goldoni auf eine Geschichte aus Boccaccios
Violoncello
«Decamerone» zurückgreift, sind uns nurmehr hauptsächlich zwei Arien
C. Bohórquez
bekannt, eine davon die hochvirtuose «Agitata da due venti». Mit ihrem
Saxophon
musikalisch ausgemalten Text erscheint sie als typisch barocke GleichnisaD. Schnyder
rie: Auf dem von zwei Winden aufgewühlten Meer steht das Schiff kurz vor
dem Schiffbruch – so wie das Herz, hin- und hergerissen zwischen Pflicht
und Neigung, in Verzweiflung untergehen will.
Gábor Homoki (*1989)
«Elvis Lives» (Improvisation)
The King is alive – Elvis lebt!
Violine,
Viola
G. Homoki
Wiedergeboren, neu interpretiert, hier und jetzt:
Violoncello
Pia
Lassen Sie sich überraschen!
D.
Saxophon
D. Schnyder
Texte: Angela Beuerle/Jürgen Hartmann; die Kommentare zu
Daniel Schnyders Werken sind einem Gespräch mit ihm entnommen.
25
P O R T R ÄT S
Künstlerinnen und Künstler
GWENDOLYN MASIN
Gründerin & künstlerische
Leiterin, Violine
Die Virtuosität der als «Naturbegabung mit
einer Autorität, um die sie die meisten Violinisten beneiden müssten» (The Irish Times)
beschriebenen Geigerin ist kein Zufall:
Gwendolyn Masin entstammt einer traditionsreichen Musikerfamilie aus Mittel- und
Osteuropa. Im Alter von fünf Jahren gab sie
ihr Debüt an der Franz-Liszt-Akademie in
Budapest. Seitdem erhielt sie bei ihren zahlreichen Auftritten als Konzertviolinistin mit
hochkarätigen Orchestern, bei Konzertvorträgen und als Solistin viel Beifall – und bei
jedem Auftritt ist ihre Liebe zur Bühne förmlich greifbar. Kammermusik gehört zu ihren
frühesten musikalischen Erfahrungen, und
wann immer es ihr möglich ist, kehrt sie zu
dieser zurück.
«Sie umgeht die Fallstricke des WunderkindStatus», schrieb The Sunday Business Post,
und sie war bereits in jungen Jahren regelmässig in Fernseh- und Radiosendungen zu
Gast. Ihre Auftritte als Solistin mit bekannten
Orchestern sowie als Kammermusikerin in
Europa, Russland, Südafrika und im Mittleren Osten wurden von den Kritikern gelobt.
Gwendolyn Masin schloss ihre Studien an
den Royal Schools of Music in London, an
der Hochschule der Künste in Bern sowie an
der Musikhochschule in Lübeck mit Auszeichnung ab. Zu ihren Lehrern gehörten Herman
26
Krebbers, Igor Ozim, Ana Chumachenco, Zakhar Bron und Shmuel Ashkenasi. Masin wird
nicht nur als Solistin und Kammermusikerin
geschätzt – sie komponiert und transkribiert
auch und berät andere Komponisten. Die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Künstlern nimmt einen grossen Anteil ihrer Arbeit
ein. Im Bestreben, Musik leichter zugänglich
zu machen, beauftragt Masin Künstler, arbeitet eng mit diesen zusammen und führt
deren Musik auf oder integriert deren Kunst in
ihre Interpretationen. Die Forschung und Anwendung im Bereich der Musikmethodik sind
untrennbarer Bestandteil von Gwendolyn Masins Schaffen. Ihre Promotionsarbeit am Trinity College untersucht die Gemeinsamkeiten
und Unterschiede der Violinpädagogik des 20.
Jahrhunderts. 2009 wurde das preisgekrönte
Werk «Michaela’s Music House, The Magic
of the Violin» bei Müller & Schade veröffentlicht. Das von Masin verfasste Buch ist eine
Violinschule für Anfänger. Es wird 2015 ins
Deutsche übersetzt und enthält persönliche
Übungen und Kompositionen der Autorin.
Gwendolyn Masin erteilt derzeit Violin- und
Kammermusik-Meisterkurse an Instituten
und bei Festivals in Europa und Nordamerika
und gibt dort auch Gesprächskonzerte. Seit
September 2013 ist sie Professorin für Violine
an der Musikhochschule Genf.
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DANIEL SCHNYDER
Composer in Residence
Saxophon und Flöte
AVIV QUARTETT
Violine Sergey Ostrovsky, Evgenia Epshtein
Viola Noémie Bialobroda
Violoncello Ofer Canetti
Der 1961 in Zürich geborene Komponist Daniel
Schnyder, zugleich Saxophonist und Flötist,
lebt seit 1992 in New York City. Der weltweit
agierende Künstler war häufig als «Composer
in Residence» bei Festivals und Orchestern
eingeladen. Daniels Werk ist eine Musik der
Integration und spiegelt die urbane Realität
unserer multikulturellen Gesellschaft wider.
Er beschäftigt sich zu gleichen Teilen mit
Jazz, klassischer und improvisierter Musik.
Sein Personalstil nimmt Einflüsse der Neuen
Musik ebenso auf wie alte Musik, ethnische
Musik, multimediale Konzepte und Crossover. Meisterwerke von der Renaissance bis
zum Jazz bearbeitet er und integriert sie in
neuartige Programmkonzepte, die oft in einen
aussermusikalischen Kontext gestellt sind. Daniels «klassisches» Œuvre umfasst Sinfonien,
Streichquartette, Opern, Konzerte sowie Kammermusikwerke. Als Jazzmusiker spielte er mit
P. D’Rivera, L. Konitz, R. Anderson, A. Ibrahim,
L. Soloff, V. Lewis und H. Laws, was auf mehr
als zwei Dutzend CDs dokumentiert ist. Seine
Werke für Blechblasinstrumente wurden als
wegweisend anerkannt. Daniel wurde für einen Grammy (2000) sowie für den Deutschen
Musikautorenpreis (2010) nominiert.
28
Das Aviv Quartett ist Preisträger beim 3. Internationalen Kammermusikwettbewerb (Melbourne 1999) sowie weiterer Wettbewerbe
in den Niederlanden, Österreich, Frankreich
und Tschechien. Es ist weltweit auf wichtigen Konzertpodien aufgetreten, z.B. Carnegie
Hall und Alice Tully Hall New York, Kennedy
Center und Library of Congress Washington,
Oper Sydney, Kölner Phiharmonie, Konzerthaus Wien, Wigmore Hall und Royal Festival
Hall London, Louvre Auditorium, Théâtre du
Châtelet und Théâtre de la Ville Paris sowie
im Beethoven-Haus Bonn. Ausserdem trat
das Ensemble in Brasilien, China, Australien,
Irland, den Niederlanden, Italien, Schweden,
Kroatien, Portugal, Spanien, Südafrika, Kanada, Lettland, Estland, Litauen, Belgien und
der Schweiz auf. Aviv bedeutet in Hebräisch
«Frühling», als Symbol für Neubeginn, Geburt
und frische Gedanken – dies erfasst die künstlerische Philosophie des Aviv Quaretts: Unechte Deckschichten verschwinden zu lassen, um
wahre Natur, schärfere Konturen und erhöhtes
Bewusstsein zu erreichen. Die Aufnahmen für
Naxos, u.a. mit Werken von F. A. Hoffmeister,
E. Schulhoff und E. v. Dohnányi wurden für
ihre Frische, Lebendigkeit und Qualität gelobt.
ALASDAIR BEATSON
Piano
Alasdair ist einer der meistbeschäftigten Kammermusiker Grossbritanniens und zugleich
ein Solist mit breitem und ungewöhnlichem
Repertoire. Höhepunkte der Saison 2014/15
sind u.a. Tourneen als Solist mit dem Scottish
Ensemble (Konzerte von Mozart und Haydn)
und der Britten Sinfonia (Doppelkonzert von
Abrahamsen) sowie Konzerte mit dem AdèsKlavierquintett, dem Konzert für Klavier und
Bläser von Strawinsky, dem Horntrio von Ligeti und der kompletten Kammermusik von Fauré. Kammermusik machte Alasdair gemeinsam
mit A. Brendel, P. Graffin, E. Höbarth, P. Kuusisto und P. Wispelwey. Seine Diskografie enthält Musik für Klavier solo von Mendelssohn
und Thuille sowie die opp. 1 von Schumann,
Grieg, Berg und Brahms. Kürzlich gab Alasdair
Konzerte mit dem Scottish Chamber Orchestra, dem Royal Scottish National Orchestra
(als Solist in Messiaens «Oiseaux exotiques»,
dirigiert von G. Benjamin) und Auftritte bei
Festivals in Aldeburgh, Bath, Ernen, Delft,
beim International Musicians Seminar Prussia Cove, beim Festival Resonances (Belgium),
Oxford Chamber Music Festival und Plush Festival. Alasdair ist Künstlerischer Direktor des
Kammermusikfestivals «Musique à Marsac»
(Südwest-Frankreich).
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NOÉMIE BIALOBRODA
Viola
CLAUDIO BOHÓRQUEZ
Violoncello
SIMON BUCHER
Piano
EVGENIA EPSHTEIN
Violine
1988 in Paris geboren, studierte Noémie bei
N. Imai und M. Da Silva an der Musikhochschule Genf und bei J. Sulem am Pariser Konservatorium. Sie hat Preise und Stipendien bei
zahlreichen Wettbewerben gewonnen (u.a.
Internationaler Beethoven-Violawettbewerb
2010, Fondation Hirschmann, Schweiz, und
Fondation Meyer, Frankreich). Als leidenschaftliche Kammermusikerin hat sie mit L.
Claret, B. Garlitsky, F. Guye, P. Müller, T. Papavrami, J. Sulem, J. P. Wallez und dem Rosamonde
String Quartet bei Konzerten in Frankreich,
Deutschland, Spanien, China, Österreich, Israel, den USA sowie in der Schweiz musiziert.
Seit 2014 ist sie Mitglied des Aviv Quartetts.
Noémie ist sehr aktiv in der zeitgenössischen
Musik und arbeitet regelmässig mit dem Ensemble Modern in Frankfurt und dem IRCAM
in Paris zusammen. Zwei neue Stücke für Viola
und Elektronik wurden für sie komponiert und
von ihr am IRCAM uraufgeführt. Ihre erste CD
unter dem Label «jeunes solistes» der Fondation Meyer enthält Werke von L. Berio, B. A.
Zimmermann, S. Sciarrino, G. Grisey und P.
Hindemith. Sie ist Professorin am Konservatorium Genf seit 2010 und am Konservatorium
Lausanne seit 2014.
Seit ihm die Jury des internationalen PabloCasals-Wettbewerbs der Kronberg Academy im
Jahr 2000 gleich drei Auszeichnungen verlieh,
ist Claudio jedem Cellofreund ein Begriff. Der
in Deutschland geborene Cellist peruanischer
Abstammung zählt seither zu den gefragtesten Interpreten seines Instrumentes. Seit dem
Wintersemester 2011 lehrt er als Professor an
der Musikhochschule Stuttgart. Höhepunkte
der Saison 2014/2015 sind mehrere Konzerte
in den USA, etwa mit dem National Symphony
Orchestra unter C. Eschenbach in Washington
oder dem Los Angeles Philharmonic unter C.
Dutoit. Im Kontrast dazu stehen Konzerte in
Finnland mit der Kymi Sinfonietta unter A.
Delfs. Gemeinsam mit dem Maler K.-P. Kirchner entwickelte Claudio das Installations-Projekt «Raum für Pablo Casals» als Hommage an
diesen grossen Cellisten. Neben zahlreichen
CD-Einspielungen, Rundfunkaufnahmen und
Fernsehauftritten wirkte Claudio als Interpret
für den Soundtrack von P. Englishby zum Film
«Ten Minutes Older – The Cello» mit, der weltweit in den Kinos zu sehen war. Er spielt ein
Violoncello von G. B. Rogeri, das ihm von der
Landeskreditbank Baden-Württemberg zur
Verfügung gestellt wird. 2014 hat Claudio die
künstlerische Leitung der Konzerttage Winnenden bei Stuttgart übernommen.
Als Solist, Improvisator, Kammermusiker
und Liedbegleiter ist Simon gern gesehener
Gast an internationalen Musikfestivals wie
dem Carinthischen Sommer, Klavierfestival
Ruhr, Freunde des Liedes Zürich oder Murten
Classics. Nach Studien an der Hochschule
der Künste Bern bei E. Radermacher und
T. Herbut vervollständigte er seine Ausbil­dung bei I. Gage an der HMT Zürich. Der mehrfache Preisträger und Stipendiat wichtiger
Wettbewerbe und Institutionen ist ein gefragter
Liedpartner von Sängerinnen und Sängern wie
M. Boog, C. Skerath, D. Wörner, R. Adams oder
R. Rosen. Als Solist arbeitet er mit Dirigenten
wie D. Klajner, T. Kaljuste, M. Sanderling und
K. Zehnder. Neben seinen klassischen Tätigkeiten widmet sich Simon leidenschaftlich
dem Jazz, spielt improvisierte Solorezitale
und ist Mitbegründer des Crossover-Duos
«Petting goes Classic». Viele seiner Konzerte
wurden vom Rundfunk ausgestrahlt. Bei ARS
und Carus entstanden mehrere CDs. Von 2008
bis 2010 hatte Simon einen Lehrauftrag an der
Hochschule der Künste Bern inne. Er ist ausserdem künstlerischer Leiter der Konzertreihe
Liederstunde Bern.
In Russland geboren, zog Evgenia 1990 nach
Israel und studierte bei A. Zisserman, Y. Kless
und I. Svetlova an der Musikhochschule in
Tel Aviv sowie bei B. Shamir an der Königlichen Musikhochschule Rotterdam, wo sie ihren Masterabschluss erhielt. Während ihres
Studiums gewann sie mehrere Preise bei Violin- und Kammermusikwettbewerben. Sie besuchte ausserdem Meisterklassen bei I. Stern,
H. Mayer und Z. Bron. Als Solistin trat sie mit
folgenden Orchestern auf: Reconsil Sinfonietta
Vienna, Bucharest Philharmonic Orchestra,
Zadar Chamber Orchestra; ausserdem mit
zahlreichen israelischen Orchestern, darunter
das Ashdod Symphony Orchestra, das Ashkelon Chamber Orchestra, die Tel Aviv Soloists
und das Ramat Gan Symphony Orchestra. Sie
musizierte auf allen wichtigen Konzertpodien
Israels sowie im Rundfunk. Internationale Verpflichtungen führten sie nach Stockholm, Paris, Toronto, Ottawa, Guadalajara, Lagos, Wien,
Zagreb, Varazdin, Split und Prag. Evgenia ist
zweite Geigerin im Aviv Quartett.
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GÁBOR HOMOKI
Violine und Viola
SERGEY OSTROVSKY
Violine
DAVID PIA
Violoncello
TATIANA SAMOUIL
Violine
Gábor wurde 1989 in Budapest geboren und
wurde ab 2002 am Béla-Bartók-Konservatorium bei L. Dénes ausgebildet. Seit 2008 studiert er an der Franz-Liszt-Musikhochschule
in der Klasse von K. Kokas und B. Kelemem,
außerdem Jazzgesang an der Musikakademie.
Gábor spielte sowohl Violine als auch Viola im
Kelemen-Quartett, das in Ungarn ein führendes Ensemble und auch international sehr gefragt ist und mehrmals erfolgreich in den USA
auf Tournee war. Gemeinsam mit M. Kaneko
(Klavier) und B. László (Violoncello) gewann
Gábor den Grand Prix des nationalen Kammermusikfestivals in Székesféhervár (Ungarn)
sowie bereits als jugendlicher Solist mehrere
Preise bei Wettbewerben in Ungarn und der
Slowakei. Seit 2010 hat der Geiger mit namhaften Kolleginnen und Kollegen wie A. Ibragimova, J. Cohen, M. Ovrutsky, M. Ábrahám,
J. E. Gustafsson, A. Vigh, K. E. Sundquist, M.
Rysanov, L. Fenyő, N. Altstaedt, L. Fertschman
und A. Rudin an internationalen Festivals in
Ungarn, Frankreich und den Niederlanden
teilgenommen. Gábor ist Konzertmeister des
Barockorchesters Concerto Armonica Budapest und spielt eine Violine von Januarius Gagliano (1771) und eine Viola von Luigi Fabris
(1862).
Sergey hat sich eine erfolgreiche Laufbahn als
Primarius des Aviv Quartetts, Solist, 1. Konzertmeister des Orchestre de la Suisse Romande und Professor an der HEM Neuchâtel
aufgebaut. Mit der Geige begann er als Sechsjähriger, inspiriert durch seinen Vater Valery
Ostrovsky. Er studierte zunächst bei D. Lapidus
und trat mit 13 erstmals mit einem Orchester
auf. Seine Ausbildung setzte er bei L. Gantman, Y. Gluchovsky, Y. Kless und I. Svetlova
fort. Sein Master Degree Diploma legte er bei
N. Morozova in Amsterdam ab. Als Solist ist er
mit namhaften Orchestern in Genf, Jerusalem,
Johannesburg, New York und Moskau unter
Dirigenten wie Z. Mehta, Y. Levi, H. Wolff, B.
Guller, U. Segal und M. Vengerov aufgetreten.
Für EMI Classics spielte er mit Vengerov und
dem Verbier Festival Chamber Orchestra das
Concertone für zwei Violinen von Mozart ein.
2010 nahm er für Naxos Konzerte von Arensky
und Conus sowie als Weltersteinspielung das
Concertino op. 42 von Weinberg auf. Sergey
unterrichtet Kammermusik und ist als Dirigent
von Jugend- und professionellen Orchestern
aktiv. Er spielt eine Violine von Grancinno
(1716), deren Erwerb durch die grosszügige
Unterstützung von James Mayer und «Tzfonot
Tarbut» ermöglicht wurde.
David ist in Basel aufgewachsen. Er studierte
bei A. Meneses an der Musikhochschule Basel
und bei C. Hagen an der Salzburger Universität Mozarteum. 2007 ging er als Preisträger
aus dem Internationalen Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau hervor und wurde dort
zusätzlich für die beste Interpretation des
Auftragswerkes prämiert. Seit 2010 ist David
Dozent an der Hochschule der Künste Bern als
Assistent von A. Meneses und ist inzwischen
selbst ein gefragter Lehrer. Er unterrichtete
bei Meisterklassen an der bekannten «Kronberg Academy», an der Hochschule für Musik
in Freiburg i. B. sowie an Festivals in Kasachstan, Rumänien, Spanien und der Schweiz.
2012 führte ihn eine Konzerttournee mit der
Geigerin S. Chang und dem Moskow Virtuosi
Chamber Orchestra durch die grossen Konzertsäle der Schweiz. Solistisch konzertierte
er u. a. mit dem Basler und Berner Sinfonieorchester, der Camerata de Lausanne und P.
Amoyal, den Essener Philharmonikern, dem
Orchester der Gustav Mahler Akademie oder
dem Menuhin Academy Orchestra. Als Duopartner von Jazzsänger B. McFerrin trat er mit
dem Münchner Rundfunkorchester auf und
debütierte 2010 beim renommierten Lucerne
Festival. David spielt das Stradivari-Cello «De
Kermadec Bläss» von 1698.
Tatiana stammt aus Sankt Petersburg. Ihre
wichtigsten Lehrer in Moskau waren S. Fatkulin und M. Glezarowa, die Tatiana zum Solistendiplom des Tschaikowski-Konservatoriums
führte. Tatiana lebt in Belgien, seit I. Oistrach
sie 1997 an die Musikhochschule in Brüssel holte. Bald danach begann ihr Aufstieg, nachdem
sie Preisträgerin von sieben internationalen
Wettbewerben (darunter Königin-Elisabeth-,
Tschaikowski- und Sibelius-Wettbewerb) wurde. Sie trat u.a. mit wichtigen Orchestern in
Russland, Belgien, der Türkei, Deutschland,
den Niederlanden, Italien, der Ukraine, Portugal und Argentinien auf. Auf CD veröffentlichte sie sämtliche Kammermusikwerke von C.
Franck (mit D. Lively und dem Malibran String
Quartet). Weitere CDs von Tatiana enthalten
u.a. Stücke von S. Prokofjew (mit P. Mangova)
und die Kammermusikwerke von G. Enescu
mit C. Bara, G. Caussé und J. Grimm. Die Geigerin hat seit 2005 einen Lehrauftrag bei der
Chapelle Musicale Reine Elisabeth inne und ist
auch Professorin an der Artesis-Hochschule
in Antwerpen. Dank eines anonymen Mäzens
spielt Tatiana eine Violine von Stradivari von
1714, die einst dem legendären Fritz Kreisler
gehörte.
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ELEMENTE
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