Leben in einer christlichen Gemeinschaft

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Eine Abhandlung über christliche
Gemeinschaft angelehnt an eine
Ausstellung von Fotografien im Kloster
Maulbronn
Leben in
einer
christlichen
Gemeinschaft
Was können Christen in der
gegenwärtigen Situation für
Asylbewerber und Flüchtlinge
in Deutschland tun?
Eine Arbeit von Lisa Fritsch
Inhalt
1. Vorgehen
1.1 Idee
1.2 Umsetzung der Ausstellung
1.2.1 Fotografieren
1.2.2 Organisation
1.3 Ausarbeitung
1.3.1 Bibelstellenrecherche
1.3.2 Weiterführende Recherche
2. Die Bilder als Ausstellung
3. Hinführung
3.1 Was ist Glaube?
3.2 Was ist Kultur?
4. Asyl in Deutschland
4.1 Das derzeitige Asylrecht
4.2 Ablauf des Asylantrags
4.3 Die Realität am Beispiel der Stadt Sinsheim
5. Auslegung der Bibelstellen und Deutung der Bilder
6. Zusammenfassung: Was macht das christliche Zusammenleben aus?
6.1 Die christliche Gesellschaft und ihre Aufgaben
6.2 Verbesserungsvorschläge im Hinblick auf die Asylsituation
7. Eigenständigkeitserklärung
8. Danksagungen und Quellen
1
1. Vorgehen
1.1 Idee
Christlicher Glaube und Kultur: Wie kann ich diese beiden Themen aufeinander beziehen? Der Einfall
kam mir beim Ende eines „Tenebræ“- Konzertes in der Klosterkirche in Maulbronn am Karfreitag, dem
3. April 2015, meinem 17. Geburtstag. Während dieses Konzertes in der kalten, sonst völlig dunklen
Klosterkirche leuchteten vor dem Altar lediglich 15 Kerzen auf dem sogenannten Triangel- oder
Tenebræ- Leuchter: Laut der gängisten Deutung stehen diese 15 Kerzen für die elf Apostel (ohne den
Verräter Judas), die „drei Marien“, die von Jesu Auferstehung berichten, und Jesus Christus, sein Licht
brennt in der Mitte des Leuchters und ist damit auch dessen Spitze.
Während des Konzertes, wurden (wie in derartigen Gottesdiensten normalerweise) die Kerzen nach
und nach, jede nach einem Psalm gelöscht. Am Ende brennt nur noch die „Christuskerze“ und erhellt
mit ihrem Licht das ganze Kirchenschiff, bis auch sie zum Tod Jesu gelöscht wird.
Diese Kerze erhellte tatsächlich weite Teile der Klosterkirche in Maulbronn. Damit hatte ich nicht
gerechnet. Dieses kleine Licht hatte eine unglaublich große Wirkung. Mir wurde ganz neu bewusst,
was es bedeutet, wenn im Schöpfungsbericht der Bibel davon gesprochen wird, dass Gott Licht
erschafft (Genesis 1,3). Jesus Christus, Gottes Sohn, spricht von sich selbst als dem Licht der Welt
(Johannes 8,12). Der Lichtschein der Kerze weist auf die Liebe, die von Gott ausgeht und mit Jesus
Christus in die Welt gekommen ist, hin. Diese Liebe berührt uns alle im Glauben. So ist jeder Raum, der
vom Licht erhellt ist auch vom Glauben erfüllt.
Da das Konzert im Kloster eine ganz besondere Atmosphäre hatte, beschloss ich, die Bilder, mit denen
ich unseren Glauben darstellen will, dort zu machen. Ich wollte zeigen, dass man sich zwar kein Bildnis
von Gott selbst machen kann, aber durchaus von dem, was von ihm ausgeht und bei uns ankommt.
1.2 Umsetzung der Ausstellung
1.3.1 Fotografieren
Ich begann, Bilder im Kloster zu machen. Zu möglichst unterschiedlichen Tageszeiten versuchte ich,
das einzufangen, was meiner Idee entsprach. Glücklicherweise ist das Maulbronner Kloster ein
wunderbarer Ort, um das Spiel des Lichts zu beobachten. Ich beschränkte mich auf Bildausschnitte, in
denen nach Möglichkeit wenig anderes als die Materialien, aus denen das Kloster erbaut ist enthalten
sind. Das tat ich, um meinen Bildern eine Tiefe zu verleihen, die sie mit weiteren ablenkenden
Gegenständen nicht erreicht hätten. Sie sollen metaphorisch auf das Wesentliche hinweisen. Auch in
dieser Hinsicht eignete sich das Kloster wunderbar, da es ja ursprünglich errichtet wurde, um Mönche
zu beheimaten, die ihr Leben ausschließlich Gott widmeten. Nichts sollte sie vom Gebet ablenken. So
sind auf meinen Bildern hauptsächlich Stein, manchmal Wasser und Holz abgebildet. Ich nutzte ein
Licht, das nicht von Menschenhand erschaffen wurde: die Sonne. Auch das ist wieder ein Hinweis auf
die Verbindung zwischen Gott und Mensch: Ein von Menschen geschaffenes Gebäude wird von Gottes
Licht erhellt. Aus diesem Grund ist die Lichtquelle auf keinem Bild erkennbar. Die Sonne selbst, also
die Lichtquelle, habe ich nur einmal fotografiert aber durch Glas hindurch. Wir können Gott nicht selbst
sehen, wir sehen ihn nur durch den Filter unserer immanenten Wahrnehmung.
2
Da ich noch keine konkretere Idee hatte, fotografierte ich einfach alles, was mir aussagekräftig schien.
Daher hatte ich sehr viel Material, aus dem ich auswählen konnte. Beim Auswählen der Bilder half mir
Uta Süße-Krause, eine Maulbronner Fotografin.
1.3.2 Organisation
Als ich die Fotos ausgewählt und mit meiner Mentorin, Frau Ose, noch einmal besprochen hatte, ging
ich zu Herrn Keitel, meinem Ephorus (Schulleiter).Dieser besah sich mit mir die Bilder und stellte für
mich den Kontakt zu Herrn Braun, den Verwalter der staatlichen Schlösser und Gärten in BadenWürttemberg, her. Mit ihm legte ich den Ort und das Datum der Ausstellung fest: Samstag und Sonntag
den 12. Und 13. September 2015, dem Wochenende des Kräuter- und Erntemarktes, im Gewölbekeller
des Frühmesserhauses im Klosterhof Maulbronn.
1.3 Anfertigen der Ausarbeitung
1.4.1 Bibelstellenrecherche
Nun begann ich nach Bibelstellen zum Thema „Gott als Licht“, „Jesus Christus als Licht“,
„Gemeinschaft“ und „Das Licht im Menschen“ zu suchen. Es war eine intensive Suche, bei der ich
mehrere Quellen zurate zog. Immer wieder ergaben sich neue Fragen und Aspekte. So ordnete ich
schließlich jedem der Bilder meiner Ausstellung ein Bibelzitat der Lutherübersetzung zu und begann
ein ausführliches Brainstorming, was ich zu jedem Bild schreiben könnte. Daraufhin legte ich eine
endgültige Reihenfolge der Bilder für die Ausstellung fest.
1.4.2 Weiterführende Recherche
Nun begann ich meine Recherche in Büchern der Theologie und Psychologie, zu der Frage, was die
Kultur einer Gesellschaft überhaupt ausmacht und inwiefern der Glaube einen Einfluss auf sie hat.
Nach dieser Recherche schrieb ich zu jedem Bild und seiner Bibelstelle eine Auslegung.
Da das Thema Asyl derzeit sehr präsent ist, wollte ich mit meiner Arbeit meinen Standpunkt zu diesem
Thema verdeutlichen. Die grundlegende Fragestellung bei jedem Bild war für mich: Wie geht unsere
von christlichen Grundwerten geprägte Gesellschaft mit Menschen um, die aus anderen Ländern und
Kulturkreisen zu uns kommen? Was sind diese Werte überhaupt? Und was bedeuten diese Grundlagen
und Veränderungen für unseren Umgang mit den Menschen, die bei uns Zuflucht vor Krieg und Not
suchen?
3
2. Die Bilder als Ausstellung
4
5
3. Hinführung
3.1 Was ist Glaube?
In meiner bisherigen Zeit als Seminaristin habe ich erlebt, dass der christliche Glaube Gemeinschaft
stiften kann. Menschen unterschiedlichster Herkunft können auf engem Raum in Frieden miteinander
leben und lernen. Meinungsverschiedenheiten enden nicht in Unversöhnlichkeit, sondern können bis
zur Versöhnung ausgetragen werden. Das ist oft sehr schwer, aber es kann gelingen.
Diese ganze Arbeit beruht auf meiner Erfahrung, dass die Christen in ihrem Glauben dazu aufgerufen
sind, in einer friedlichen Gemeinschaft zu leben. Nun muss aber erst einmal die Frage nach dem
christlichen Glauben geklärt werden: Was ist das überhaupt?
Eine sehr knappe Definition des Wortes „Glaube“ bringt der Duden:
„gefühlsmäßige, nicht von Beweisen, Fakten o. Ä. bestimmte unbedingte Gewissheit, Überzeugung“1
Der Kirchenvater Hermas definiert in seinem „Hirten“, der in das 2. Jahrhundert nach Christus datiert
wird, den Glauben als eine Weltanschauung:
„Zuerst vor allem glaube, daß Gott einer ist, der alles schuf und gestaltete, der das All aus dem
Nichtsein ins Dasein rief, der selbst unbegreiflich alles in sich begreift.“2
Für Hermas ist der Glaube also das Wissen über Gott und seine Taten. Er ruft die Menschen zu dem
Glauben auf, dass Gott existiert und unbeschreiblich ist. Er schuf alles, auch das All, dass er aus seiner
Nichtexistenz hervorholte und ist allumfassend und allgegenwärtig. Dieser Glaube steht also im
Gegensatz zum Zweifel an Gottes Existenz; jeder, der daran zweifelt, ist demnach ein „Ungläubiger“.
Im Neuen Testament beschreibt die Bibel Glaube so:
„Es ist aber Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was
man nicht sieht.“ (Hebräer 11,1)
Mit dieser Aussage fordert der Autor die Adressaten auf, sich wieder auf die Ursprünge ihres Glaubens
zu besinnen und warnt sie vor dem Abfall vom Glauben.
Diese Aussage ist jedoch ein Paradoxon: „eine feste Zuversicht auf das, was man hofft“ („πίστις
ἐλπιζομένων ὑπόστασις“: eine sichere/zuverlässige Zuversicht/Standhaftigkeit auf das, was man hofft
[eigene Übersetzung]). Sicherheit und Standhaftigkeit widersprechen dem, das man nur auf etwas
hoffen kann, man soll feststehen in etwas, das man nicht weiß. Ein weiteres Paradoxon findet sich im
zweiten Halbsatz: „ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ (πραγμάτων ἒλεγχος οὐ
βλεπομένων: ein Beweis der Dinge, die man nicht wahrnimmt/sieht [eigene Übersetzung]). Wieder ein
extremer Gegensatz, der Glaube soll ein Beweis von Dingen sein, von denen wir nichts wissen, die wir
nicht einmal wahrnehmen können.
Insgesamt kann man sagen, dass der Glaube an dieser Stelle den Menschen eine Gewissheit gewähren
soll, obwohl sie unsicher sind in ihrem Wissen und ihrem Vertrauen auf Gott. Sie sollen diese
1
2
http://www.duden.de/rechtschreibung/Glaube#Bedeutung2a (Zuletzt besucht am 16.08.2015 17.36).
Rudolf Bultmann: „Jesus“, Siebenstern Taschenbuch Verlag, Hamburg und München, 1964, S.130b.
6
Unsicherheit annehmen und darauf vertrauen, dass sie mit Grundlage des Glaubens ist (vgl. die
Unterscheidung zwischen „securitas“ und „certitudo“ bei Martin Luther). Hier steckt wie bei dem
Hirten von Hermas wieder die Aussage dahinter, dass wir Gott nicht erfassen können und eben dieses
Nicht-Erfassen mit Grundlage unseres Glaubens ist. Des Weiteren ist ein Teil des Glaubens das
Vertrauen darauf, dass unsere Hoffnungen erfüllt werden können.
Jesus definiert den Glauben als etwas, das eine Handlung oder Konsequenz nach sich zieht, sofern er
„lebendig“ ist:
„Darum sage ich euch: Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr’s empfangt, so wird’s
euch zuteilwerden.“ (Markus 11,24)
Hier ist der Glaube die Überzeugung davon, dass Gottes Allmacht sich für uns offenbart, wenn wir
tatsächlich gewiss in unserem Glauben sind. Hier ist der Glaube weniger eine Weltanschauung als eine
Lebenseinstellung, die Gottes Macht nicht infrage stellt und in welcher der Glaubende Gott
untergeordnet ist und ihm gehorcht; der Glaube kann also nur dann als lebendig gelten, wenn er nicht
nur auf Worten, sondern auch auf Taten, einem Lebensstil, beruht.
Nun kann man zusammenfassend sagen, dass der christliche Glaube ein Hoffen, eine Zuversicht und
ein Vertrauen auf die Existenz Gottes und sein Wirken ist. Er ist nicht im naturwissenschaftlichen Sinne
bewiesen und gilt doch für den Gläubigen als Hinweis einer transzendenten Existenz. Dieser Glaube
äußert sich aber nicht nur in Gedanken und Worten der Gläubigen, sondern auch in deren Taten.
Aus meiner Sicht ist es wichtig hinzuzufügen, dass wer glaubt nicht unbedingt Theologie betreiben
muss. Denn Theologie ist ein Prozess des „Glaubens, der nach dem Verstehen fragt“ („fides quaerens
intellectum“, Anselm von Canterbury)3. So ist auch diese Arbeit keine theologische, sie ist an sich kein
Prozess, in welchem die Gedanken immer wieder hinterfragt werden. Sie ist eher die Niederschrift
einer Glaubenden, in welcher Aussagen anderer reproduziert und gedeutet werden. Das Hinterfragen
ist die Aufgabe der Lesenden.
3.2 Was ist Kultur?
Zu Beginn meiner Arbeit beschäftigte mich diese Frage sehr, da sie für mich die Voraussetzung für ein
Thema geben sollte. Nach meiner Recherchearbeit kann ich wohl zusammenfassend recht salopp
sagen: Der Kulturbegriff definiert, wie wir leben.
Er umfasst die Normen und Werte einer Gesellschaft, er ist die ethische Grundlage für unser Handeln.
Doch all das sagt uns nichts über die Menschen selbst, sondern nur etwas über ihre Lebensweise.
Möchte man aber wissen, wieso der Mensch diese Werte hat, und was er denkt, muss man sich etwas
anderes fragen:
Wie entsteht das, was wir Kultur nennen?
Mit welcher Begründung kann man kulturelle Normen festlegen?
Und so komme ich zu der Kernfrage meines Projektes: Welchen Einfluss hat unser Glaube auf unsere
Kultur?
3
Unterrichtsmaterial: Evangelischer Religionsunterricht bei Fr. Ose, 2014/15.
7
Ich habe als Seminaristin am evangelischen Seminar Maulbronn erlebt, das innerhalb einer christlich
geprägten Gemeinschaft eine Kultur des Miteinanders entstehen kann – und umgekehrt. Beides
bedingt sich gegenseitig. Den Rahmen bildet nicht ein dogmatischer Überbau, sondern die gelebte
Grundeinstellung (vgl. hierzu Markus 11,24 in Bezug auf Glaube): Jeder Mensch wird von Gott geliebt.
Und jeder Mensch hat ein Recht darauf, geliebt zu werden.
Natürlich sind wir eine ganz normale Schulgemeinschaft von Schülern und Lehrern wie an jeder
anderen Schule auch. Miteinander leben und Lernen ist etwas Besonderes, aber es gibt dennoch oft
zwischenmenschliche Probleme. Trotzdem spüre ich in Maulbronn etwas von einem
gemeinschaftsstiftenden Geist.
Ich bin selbst als Tochter des Pfarrers einer Dorfgemeinde aufgewachsen. Auch dort habe ich erlebt,
dass es trotz manchmal sehr schwerwiegender menschlicher Zerwürfnisse und Unversöhnlichkeiten
möglich ist, in einer Gemeinschaft zu leben, die einzelne auffängt, hält und trägt.
4. Asyl in Deutschland
4.1 Das derzeitige Asylrecht
Asylrecht ist:
„das Recht eines aus politischen, rassischen, religiösen oder anderen Gründen Verfolgten, an einem
vor Verfolgung sicheren Aufenthaltsort Zuflucht finden zu können“4
Im Grundgesetz ist festgehalten, dass jede politisch verfolgte Person, sofern sie bestimmte
Bedingungen erfüllt, ein Recht auf Asyl hat. Politisch verfolgt ist jede und jeder, der oder die „wegen
seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner
politischen Überzeugung Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder
Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit ausgesetzt ist oder solche Verfolgungsmaßnahmen
begründet befürchtet und den Schutz seines Heimatstaates nicht wahrnehmen kann.“5
1993 wurde das Asylgrundrecht nach vielen heftigen Diskussionen eingeschränkt. Diese
Einschränkungen stehen in den folgenden vier Absätzen:




4
5
„Ausländer, welche über einen Staat der europäischen Union oder einen sonstigen sicheren
Drittstaat einreisen, können sich nicht auf das Asylrecht berufen (Artikel 16a Absatz 2
Grundgesetz).
Bei bestimmten Herkunftsstaaten (sog. Sichere Herkunftsstaaten) kann vermutet werden, dass
dort keine politische Verfolgung stattfindet, solange der Asylbewerber diese Vermutung nicht
entkräftet (Artikel 16a Absatz 3 Grundgesetz).
Der Rechtsschutz wurde eingeschränkt (Artikel 16a Absatz 4 Grundgesetz).
Letztlich kann das deutsche Asylrecht dadurch eingeschränkt oder ausgeschlossen werden,
dass ein anderer Staat im Rahmen europäischer Zuständigkeitsvereinbarungen für die
http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/21849/asylrecht (Zuletzt besucht am 16.08.2015, 17.45).
http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/21849/asylrecht.
8
Schutzgewähr des Asylbewerbers zuständig ist und der Asylbewerber, ohne dass sein
Asylantrag in der Sache geprüft wird, dorthin verwiesen wird.“6
Unter Asylrecht versteht man also die Anerkennung der Asylsuchenden als Flüchtlinge gemäß der
Genfer Flüchtlingskonvention und die Aufnahme und den Schutz dieser Menschen.
4.2 Ablauf des Asylantrags – Rechte und Einschränkungen
Zuerst einmal, nachdem sich die asylsuchende Person in Deutschland als Asylsuchender gemeldet hat
und Personendaten, Fingerabdrücke und ein Lichtbild für die „BÜMA“7 (Bescheinigung über die
Meldung als Asylsuchender) aufgenommen wurden, muss immer geklärt werden, welches Land für
den oder die Asylsuchende/n zuständig ist. Im Normalfall ist laut dem „Dublin-Verfahren“ der Staat
zuständig, der die Einreise in die EU ermöglicht, bzw. nicht verhindert hat. Falls ein anderer Staat
zuständig sein sollte, wird die betroffene Person in diesen Staat überstellt.
Ist die asylsuchende Person in jenem Staat, muss sie von sechs Wochen bis zu maximal drei Monaten
in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen, in welcher sie mit den notwendigen Dingen des täglichen
Lebens versorgt wird und sie ihren Asylantrag stellen kann. Für diesen muss sie außerdem persönlich
bei der Außenstelle des Bundesamtes erscheinen, wo wieder die Personalien aufgenommen, eine Akte
angelegt und eine Aufenthaltsgestattung ausgestellt werden.
Darauf folgt die Anhörung des Asylsuchenden durch einen Mitarbeitenden des Bundesamtes. In dieser
Anhörung wird er zu seiner Person, seinen Lebensumständen im Heimatland, seinem Reiseweg und
nach seinen Gründen dafür, Asyl zu suchen, befragt. Die Anhörung soll möglichst zeitnah, in der Regel
ein paar Tage nach der Ausstellung der Aufenthaltsgestattung, erfolgen, „je nach Kapazitäten des
Bundesamtes kann es allerdings auch länger dauern“8 (derzeit bis zu zwei Jahre).
Darauffolgend wird der Asylantragsteller möglichst zeitnah einer Kommune zugewiesen. Seine neue
Adresse ist dem Bundesamt sofort mitzuteilen.
4.2 Realität am Beispiel der Stadt Sinsheim – Fallbeispiele
Eine Fabrikhalle. Schwarzer Fußboden, schwarze, durchscheinende aufgespannte Stoffbahnen teilen
den großen Raum in „Zimmer“, in welchen jeweils vier Betten stehen. Hier werden, bis sie ein Recht
auf Asyl in Deutschland haben oder wieder in ihr Heimatland zurückgeschickt werden, circa 150
Männer leben. Der Bus kommt an und die Männer werden in ihre „Unterkunft“ gebracht. Eine Gruppe
von Pakistani fragt eine Mitarbeiterin entsetzt: „How long do we have to stay here?“ („Wie lange
müssen wir hier bleiben?“). Sie antwortet: „ A longer time.“ („Etwas länger.“) Sie möchte den Männern
nicht sagen, dass sie wahrscheinlich mindestens zwei Jahre dort leben müssen, bis sie ihren Asylantrag
stellen können. Denn so lange dauert es bei den im Moment stark überlasteten Behörden, bis alles den
Auflagen entsprechend geprüft wurde.
„Oh, it’s okay.“ („Oh, in Ordnung.“) Antwortet einer der Männer daraufhin und sie betreten ihr neues
Heim.
6
https://de.wikipedia.org/wiki/Asylrecht_(Deutschland) (Zuletzt besucht am 14.09.2015, 21.30).
Grundlagen des Asylverfahrens, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband e. V., S.6.
8
Grundlagen des Asylverfahrens, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband e. V., S.9.
7
9
Eine Frau mittleren Alters sitzt bei einer Sozialarbeiterin des Landratsamtes. Sie wirkt einsam und die
Sozialarbeiterin fragt, ob sie allein gekommen sei. Sie erzählt auf Englisch, dass sie aus Aleppo geflohen
sei, nachdem ihr Wohnhaus von einer Bombe getroffen worden war. Ihre ganze Familie, ihre Eltern,
ihr Mann und ihre Kinder waren in diesem Haus, als es zerstört wurde. Daraufhin sei sie in die Türkei
geflohen und habe eine Schlepper gefunden, in dessen Boot sie mit nach Griechenland fahren konnte.
Sie war die einzige Frau unter circa 15 Männern. Das Boot war ein Schlauchboot, das Luft verlor und
aus diesem Grund auch im Mittelmeer versank. Sie habe sich an etwas festhalten können und sei eine
ganze Stunde im Wasser getrieben, bis ein junger Mann aus Afghanistan mit ihr eineinhalb Stunden an
das rettende griechische Ufer geschwommen sei. Sie weint während ihrer ganzen Erzählung.
10
5. Auslegung der Bibelstellen und Deutung der Bilder
Johannes 1, 1-5.9f
„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang
bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht
ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der
Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen.
[…] Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Er war in der
Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht.“
Im Johannesevangelium wird versucht, zu zeigen, wer Jesus Christus eigentlich ist. Im Gegensatz zu
den synoptischen Evangelien beginnt es daher nicht mit der Geburt Jesu (vgl. Lukas 2,1ff; Matthäus
1,18ff) oder seiner Taufe (vgl. Markus 1,9ff), sondern mit einer umfassenden Beschreibung des Wesens
Jesu in Metaphern. So wird Jesus mehrdimensional als „Wort“ (Johannes 1,1ff) und „Licht“(ebd.)
umschrieben.
Schon im Prolog des Evangeliums weist Johannes durch das Aufgreifen vieler Ideen des Alten
Testaments auf die Darstellung Jesu als Licht und seine Eigenschaften hin. So steht im sogenannten
„Johannes-Prolog“ im Anfang das Wort, wie jenes, mit dem Gott in Genesis 1,1 Himmel und Erde
schafft. Und Johannes deutet es weiter, als eigenständigen Teil von Gott und nicht nur als sein
Instrument. Ähnlich dem „Wort“ (ebd.) ist die Weisheit in Sprüche 8,22ff allgegenwärtig und
präexistent. Dennoch hat sie hier eine andere Funktion als der Logos: Sie erschafft nicht und ist kein
Teil von Gott, sie ist Gottes Eigentum und damit sein Geschöpf. Des Weiteren hat sie, wie Jesus
Christus, unter anderem die Aufgabe, Wahrheit und Gnade zu überbringen. Johannes bildet hier also
eine Synthese aus Genesis 1,1 und Sprüche 8,22ff und führt sie weiter zu Jesus Christus, der Gott als
fleischgewordenes Wort ist.
11
So kommt Jesus im Johannesevangelium als Licht in die Finsternis, die vertrieben werden muss:
Ebenfalls eine Parallele zu Genesis 1, jedoch ist er das „wahre Licht“ (ebd.), während in Genesis 1 Licht
und Finsternis einander gleichgestellt sind, die Finsternis also nicht gleichbedeutend mit dem Bösen
ist. Mit der Bezeichnung als wahres Licht, fügt Johannes hier wieder eine weitere Dimension hinzu: Er
bezeugt die Göttlichkeit Jesu. Denn nur das wahre Licht kann die Finsternis und damit das Böse
vertreiben. Die Darstellung Jesu Christi als Licht wiederholt sich in diesem Evangelium konsequent: In
den Kapiteln 8-12 stellt Jesus sich selbst als das „Licht der Welt“ (Johannes 8,12a) dar und sagt auch,
dass wer ihm nachfolgt, „der wird nicht wandeln in der Finsternis“ (Johannes 8,12a).
Bezug auf das Bild
Das Bild zeigt einen Lichtschein, der alles, auf das er trifft, erleuchtet. Außerhalb des Lichtscheins liegen
Teile des Bildes im Dunkeln, der Finsternis. Und dennoch wirkt es als habe der Schein des Lichtes keinen
Anfang und kein Ende zu haben. Mit diesem Bild wollte ich die Unerreichbarkeit und
Unbeschreibbarkeit der Göttlichkeit Jesu unterstreichen. Man kann nicht wirklich etwas Genaues über
die Lichtquelle sagen, aber sieht dennoch deren Schein. Ohne sie wäre alles dunkel, aber das ist es
nicht. Alles, was in ihrer Reichweite ist, erleuchtet sie, auf uns Menschen bezogen bedeutet das: Jeder,
der zulässt, vom Schein Jesu „ans Licht gebracht“ (Johannes 1,9) zu werden, wird das auch. Denn der
Schein des Lichtes Jesu hat keinen Anfang und kein Ende, er ist allgegenwärtig und weder durch Raum
oder Zeit eingrenzbar (also auch präexistent) oder greifbar.
Bedeutung
Diese Arbeit basiert, wie im Obigen erläutert, auf der Grundlage des christlichen Glaubens. Dafür
müssen wir zulassen, dass dieser Glaube, der Schein des Lichtes, uns erleuchten kann. Stellen wir uns
in den Schatten, können wir nicht erleuchtet werden und somit auch niemals das Licht spüren.
Mir stellen sich in diesem Zusammenhang viele Fragen: Können wir das überhaupt selbst entscheiden?
Warum müssen so viele Menschen vor Krieg und Armut fliehen? Warum geht es uns, Teilen der
deutschen Bevölkerung, so gut? Warum wollen viel Menschen ihren Reichtum nicht teilen? Wer
entscheidet, auf wen das Licht scheint und wer im Schatten steht und wieso?
Und vor Allem: Wenn ich mich selbst vom Licht beschienen fühle: Wie kann ich andere mit in den
Lichtschein nehmen?
12
Psalm 36,10
„Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht!“
Hier handelt es sich um einen Auszug aus einem Hymnus, der die Güte Gottes beschreibt. Er weist
inhaltlich einige Ähnlichkeiten mit dem Johannesprolog auf: Bei Gott ist „die Quelle des Lebens“, „in
ihm war das Leben“ (Johannes 1,1ff). Da das Leben im Johannesprolog in dem ist, was bei Gott ist, ist
es also wiederum auch bei Gott. Zudem können wir „das Licht“ (ebd.), als welches Gott hier wie im
Johannesevangelium dargestellt wird, sehen, aber nur, wenn es uns „erleuchtet“ (Johannes 1,1ff) und
wir in seinem Schein stehen. Johannes weicht in seiner Deutung stark vom Alten Testament ab: Geht
dort die Handlung von Gott aus und er uns „erleuchtet“ (ebd.), handelt im Psalm der Mensch und
„sieht“ das Licht mit seinen eigenen Augen.
Dieses Zitat sagt aus, dass der Mensch Gott „sehen“ (ebd.) kann, was wohl als eine Erkenntnis über
das Wesen Gottes ausgelegt werden kann, obwohl doch im Vorigen die Unbeschreibbarkeit des Lichtes
festgestellt wurde.
Mich erinnert das an Mose, der Gott sehen möchte und nicht sehen darf (vgl. Exodus 33,18ff) und an
Elia, der die Wirkung Gottes spüren darf (vgl. 1. Könige 19,11-13).
Jüngel schreibt, dass das möglich ist, es aber „einer Neubestimmung des Verhältnisses von Gott und
Denken“9 bedarf. Er schreibt, dass wir vor zwei Aufgaben stehen, der ersten, Gott als den zu denken,
der er ist, dass also zwischen seinem „Dasein und Sosein“10 kein Unterschied bestehen darf, und der
zweiten, unser Denken so zu denken, „dass es überhaupt nicht mehr darauf bedacht sein kann“11, darin
zu unterscheiden, wer Gott ist und ob es Gott überhaupt gibt. Man muss Gott als Einheit wahrnehmen,
9
Eberhard Jüngel: „Gott als Geheimnis der Welt“, J. C. B. Mohr, Tübingen, 2. Auflage 1977, S.204.
Jüngel: Gott als Geheimnis der Welt, S.205.
11
Jüngel: Gott als Geheimnis der Welt, S.205.
10
13
welche durch das Denken „immer mehr verstellt wird“12. Die zweite Aufgabe lautet also, zu lernen, das
Denken neu zu denken.
Bezug auf das Bild
Auf dem Bild trifft der Wasserstrahl des Brunnens auf das erleuchtete Wasser, er bringt es zum Leben,
in Bewegung durch den Aufprall (vgl. Johannes 7,38). Die „Quelle“ (Psalm 36,10) kommt aus einer
ähnlichen Richtung, wie das Licht, man kann den Ursprung der beiden aber nicht direkt sehen, sondern
nur Ableger davon. Und dennoch ist sie greifbar, wenn auch außerhalb unseres Blickfeldes.
Die Aussage dieses Bildes steht in gewisser Weise im Gegensatz zu der des Vorangegangenen. Diese
Ambivalenz wird in der Ausstellung durch eine Gegenüberstellung der Bilder verdeutlicht. Ich versuche
hiermit, die in der Bibel enthaltene Dialektik zu verdeutlichen.
Bedeutung
Um Gott zu erkennen müssen wir den Gedanken aufgeben, Gott erkennen zu wollen. Wir müssen
vielmehr versuchen zu denken, nichts zu denken um eine neue Dimension des Denkens zu erreichen,
welche dem Menschen verhilft, Gottes Wesen und Existenz zu sehen.
Damit wir uns dafür öffnen können brauchen wir Ruhe und Abgeschiedenheit. Die finden wir im
Kloster; auch in Maulbronn.
Wir sind jedoch ist schwerlich in der Lage, unser Denken aufzugeben. Wir sind homo sapiens, denkende
Spezies. Wir sind dazu gezwungen, ständig über Gott und die Welt nachzudenken und bleiben dabei
doch immer bei uns selbst. Diese Unfähigkeit, aus uns selbst herauszutreten, macht aber auch unsere
Menschlichkeit aus, wir sind in unserer Immanenz gefangen. Martin Luther erklärt so den Begriff der
Sünde: „homo incurvatus in se“ (der in sich gefangene Mensch). Nur Gott selbst kann den Menschen
aufrichten, zu sich hin ausrichten. Gott selbst kommt zu unserer Rettung durch das Leben schaffende
Wort, Jesus Christus.
Nur durch Gottes Eingreifen also können wir uns öffnen: Für Gott und für unsere Nächsten.
Was bedeutet das für uns Menschen, die wir ja in Gemeinschaften leben? Im Seminar in Maulbronn
habe ich eines gelernt: Wie wertvoll es sein kann, zeitweise in Ruhe und Abgeschiedenheit zu leben.
Jeder Mensch benötigt das, auch wenn er die Personen in seinem Umfeld sehr gern hat. Aber wir
brauchen Ruhe, damit wir uns wieder für andere öffnen können und nicht verschlossen bleiben oder
uns verschließen.
12
Jüngel: Gott als Geheimnis der Welt, S.205.
14
Epheser 5,8-14
„Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts; die
Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist,
und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. Denn
was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. Das alles aber wird
offenbar, wenn’s vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt
es: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“
Im Epheserbrief geht es um Gnade und Weisheit im Evangelium und das Leben der Menschen, die
Christus nachfolgen. Er beschreibt dieses Leben als Geschenk und gibt Hinweise, wie es zu führen sei.
Das Zitat stellt die „Werke“ (Epheser 5,8ff) der Menschen in den Mittelpunkt, sowohl die der Finsternis,
als auch die des Lichts. Die der Finsternis sind schlecht und „unfruchtbar“ (ebd.); die Aufgabe des Lichts,
also der Menschen im Licht und damit im Glauben, ist es, herauszufinden, was schlechte Werke sind
und diese „aufzudecken“ (ebd.).
Bultmann schreibt in seinem Buch „Jesus“, dass man, um dieses Zitat zu verstehen, erst einmal
erkennen muss, dass es sich bei diesem Auftrag um das Aufdecken schlechter Werke und nicht
Zustände handelt. Das bedeutet, dass der Mensch keine Wertung darüber ablegen soll, wie ein anderer
lebt, sondern darüber, was er tut. Diese Erkenntnis ist notwendig, um überhaupt zu verstehen, was
man tun soll und von welcher Bedeutung das eigene Handeln ist. Wenn man diesen Auftrag erkannt
hat, scheint er auch für den Menschen einfacher erfüllbar und kann somit eine größere Wirkung
erzielen, daher ruft Johannes die Menschen auf, sich zu erheben, „aufzuwachen“ (ebd.), denn jeder,
der im Licht lebt kann durch sein Handeln eine große Wirkung erzielen.
15
Bezug auf das Bild
Dieses Bild habe ich einerseits jenem Zitat zugeordnet, weil es zeigt, dass die Menschen nicht schon
immer Licht waren und auch nicht alle das Licht sind, so wie die Sitze, die um den erleuchteten Punkt
des Chorgestühls im Dunkeln liegen. Andererseits passt es meiner Meinung nach gut, weil die „Kinder
des Lichts“ (ebd.) nicht Gemeinschaft haben sollen mit den „unfruchtbaren Werken der Finsternis“
(ebd.). Dieser einzeln erleuchtete Sitz bleibt aber weiterhin in Gemeinschaft mit den anderen, nicht
erleuchteten. Ich habe ihn bewusst unscharf fotografiert. Ich habe ihn bewusst unscharf fotografiert.
Hier zeigt sich wieder die Unfähigkeit der Menschen aus ihrer Menschlichkeit, sich komplett dem Licht
zuzuwenden und zwischen Licht und Finsternis zu unterscheiden.
Bedeutung
Das bedeutet, dass wir jedes Mal reflektieren sollten, ob das, was wir tun wollen vor unserem Glauben
zu rechtfertigen ist, oder nicht, bevor wir es tatsächlich tun. Denn die Finsternis, mit der wir nicht in
Gemeinschaft leben sollen, ist nicht nur außerhalb unserer selbst, sondern auch in uns und wir sollen
versuchen, auch sie mit Licht zu erfüllen, damit das Reich Gottes auch in uns und durch uns Wirklichkeit
werden kann. Da wir das aber nicht aus uns selbst heraus können, ist das Reich Gottes „noch nicht
ungebrochene Wirklichkeit“13.
Weil aber die Früchte des Lichts „Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit“ (ebd.) sind, ist es auch nicht
schlimm, wenn wir in unserem Handeln Fehler machen, denn Gottes Liebe gilt auch und gerade „den
Sündern und Versagern“14. Wir sollten uns also trauen, zu versuchen, herauszufinden, was wir tun
sollten, denn die Einstellung, das Bemühen, ist das, was zählt, nicht wieviel Gutes und Richtiges wir
tun.
Diese Aussage gilt nicht nur für unsere Beziehung zu Gott, sondern auch für unsere Beziehung zu
anderen Menschen: Am Seminar begegnen sich die meisten Leute mit einer positiven
Grundeinstellung. Eigentlich gehören wir alle irgendwie hierher, auch wenn wir uns nicht alle sehr gut
verstehen. Doch trotzdem können wir gemeinsam leben, auch wenn wir uns streiten oder heftig
diskutieren, wir achten einander. Das ist Teil der Bemühung, der Einstellung, die nötig ist, damit man
gemeinsam leben kann.
13
14
Peter Kliemann: „Glauben ist menschlich“, Calwer Verlag, Stuttgart, 15. Auflage 2011, S.109.
Kliemann: Glauben ist menschlich, S.108.
16
Römer 13,12
„Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der
Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“
Dieses Zitat sagt aus, dass die dunkle „Nacht“ (vgl. Römer 13,12) „vorgerückt“ (ebd.) ist und dem hellen
„Tag“ (ebd.) Platz machen wird. Auch hier stehen sich also wieder die Licht und Dunkelheit als
Metaphern gegensätzlich gegenüber. Die Hoffnung der Glaubenden auf den Anbruch des Lichts, die
Erlösung von allem Bösen wird bald erfüllt werden. Im Angesicht der Nähe des erhofften Zeitpunkts
sollen die Menschen die „Werke der Finsternis“ (ebd.) ab- und die „Waffen des Lichts“ (ebd.) anlegen,
also selbst handeln. Der Begriff der „Waffen deutet darauf hin, dass dies kein leichter Weg ist. Der Tag
des kommenden Reiches Gottes kann erst dann anbrechen, wenn die Menschen sich dafür einsetzen.
Diese Anstrengung liegt darin, alles Mögliche zu tun, um das Anbrechen des Tages Realität werden zu
lassen. Schleiermacher definiert daher den Begriff der „Erlösung“ als „[e]inen Uebergang aus einem
schlechten Zustande […] in einen bessern“.15
Nun ist wichtig, dass sie mit den „Waffen des Lichts“ (ebd.) handeln sollen und nicht mit den „Werken
der Finsternis“ (ebd.). Das heißt also, dass nur, wer im Sinne des Lichts Gottes handelt, auch tatsächlich
die Erlösung, das Licht, erreichen kann. Um zu verstehen, was mit diesen Waffen gemeint ist, hilft es,
den diesem Zitat vorausgehenden Abschnitt zu lesen, in welchem Paulus den Lesenden noch einmal
erklärt, dass „die Liebe des Gesetzes Erfüllung ist“ (Römer 13,10).
15
Dr. Friedrich Schleiermacher: „Der christliche Glaube“, Georg Reimer, Berlin, 5. Auflage 1861 , S.69.
17
Bezug auf das Bild
Das Bild zeigt im Zentrum ein hell erleuchtetes Fenster, das nicht weit vom Betrachtenden entfernt zu
sein scheint. Und nicht nur das, die Finsternis des Raumes wird von Lichtstrahlen durchbrochen, die
von der Seite her kommen, der Weg bis zum „Tag“ (ebd.) liegt also auch nicht mehr völlig im Dunkeln,
er wird unterbrochen durch den Schein des Lichts, der sich in den Taten der Menschen widerspiegelt.
So können die Menschen selbst durch ihr Handeln Licht in die Finsternis bringen und sie dennoch nicht
aus eigener Kraft überwinden.
Bedeutung
Wir glauben, dass wir nicht ohne Hilfe erlöst werden können und halten es dennoch für unsere
Aufgabe, alles zu tun, was uns möglich ist, um die Erlösung zu erreichen. Was wir tun sollen, erläutert
Paulus: Einerseits sollen wir anderen mit Liebe begegnen, so wie wir uns selbst lieben, was voraussetzt,
dass wir uns selbst lieben. Andererseits sollen wir uns selbst nicht zu sehr lieben, dass wir nicht „den
Begierden“ (Römer 13,14b) verfallen. Es muss also eine Ausgewogenheit erstens zwischen dem sich
selbst Lieben und der Liebe zu anderen und zweitens eine zwischen dem sich selbst Lieben und dem
Drang, immerzu um sich selbst zu kreisen, gefunden werden.
Die hier vorliegende Aufgabe ist eine Gratwanderung und kaum zu bewältigen: In einer Gruppe wie
der unseren am Seminar kann man erfahren, dass Zusammenleben nur dann funktioniert, wenn man
manchmal zurücksteckt und das Wohl anderer über sich selbst stellt. Versucht man aber immer, das
zu tun, zerbricht man daran. Zurückstecken ist wichtig, aber man darf dennoch nicht vergessen, auch
für das zu kämpfen, was man selbst möchte, auch wenn eine andere Person dann vielleicht nicht ganz
zufrieden ist. Mir scheint das die einzige Möglichkeit zu sein innerhalb einer Gemeinschaft weder
andere zu unterdrücken noch sich selbst gänzlich für andere zu verausgaben.
18
1. Johannes 2,8-11
„Und doch schreibe ich euch ein neues Gebot, das wahr ist in ihm und in euch; denn die Finsternis
vergeht und das wahre Licht scheint jetzt. Wer sagt, er sei im Licht, und hasst seinen Bruder, der ist
noch in der Finsternis. Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht, und durch ihn kommt niemand zu
Fall. Wer aber seinen Bruder hasst, der ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht,
wo er hingeht; denn die Finsternis hat seine Augen verblendet.“
Der erste Brief des Johannes, aus dem dieses Zitat stammt, versucht zu beschreiben, was den
christlichen Glauben und das Leben im Glauben ausmacht. In diesem Brief schreibt er viel darüber, wie
die Einstellung der Menschen zu sich selbst und zu anderen sein sollte und wie sich diese Einstellung
äußern könnte. Er definiert seine Aussage aber als „Gebot“ (1. Johannes 2,8ff), was bedeutet, dass er
sagen will, dass sie nicht nur wichtig, sondern sogar grundlegend für das Leben der Christen ist. Er
formuliert es im Anspruch darauf, ein „Gebot Gottes“16 zu sein, das dem Menschen nur die Möglichkeit
„zum Gehorsam oder zum Ungehorsam“17 bietet. Es ist also sehr konkret formuliert, keine
metaphorische Rede, die erst ausgedeutet werden soll, sondern ein Befehl.
Wichtig an diesem Befehl ist aber, dass nur eine Seite des Glaubens beleuchtet wird, nämlich das
„Insichbleiben“18. Bei der Liebe handelt es sich um ein Gefühl, sie bleibt insofern in sich, da sie „nicht
von dem Subject bewirkt“19 wird, „sondern kommt nur in dem Subject zu Stande“20. Das macht die
Schwierigkeit und Komplexität dieses Gebots aus, da man nicht danach handeln kann, sondern fühlen
muss. Nach Schleiermacher kann der Mensch aber Gefühle nicht erzeugen, sie werden in ihm erzeugt.
16
Dietrich Bonhoeffer: „Ethik“, Chr. Kaiser Verlag, München, 1949, S.214.
Bonhoeffer: Ethik, S.215.
18
Dr. Friedrich Schleiermacher: „Der christliche Glaube“, Georg Reimer, Berlin, 5. Auflage 1861, S.9.
19
Schleiermacher: Der christliche Glaube, S.9.
20
Schleiermacher: Der christliche Glaube, S.9.
17
19
Bezug auf das Bild
Auch hier passen meiner Meinung nach Bild und Text zusammen, weil das Bild eine beleuchtete Stufe
zeigt, die nur im Licht sichtbar ist, eine Verdeutlichung der Aussage, dass der, der im Dunkeln ist, nicht
weiß, „wo er hingeht“ (ebd.). Zudem stehen die Figuren des beleuchteten Maßwerks in Harmonie
zueinander im Licht: Keine überstrahlt die andere, alle sind gleich beleuchtet und keine nimmt der
anderen Licht. Das verdeutlicht das Miteinander, das dieses Zitat impliziert.
Der wichtigste Aspekt aber ist, dass Licht und Dunkelheit klar voneinander zu unterscheiden sind,
genauso konkret wie „Gehorsam“ und „Ungehorsam“. Es gibt keine Grauzone, entweder man steht im
Licht, oder im Dunkeln.
Bedeutung
Dieses Gebot ist, wie oben erläutert, komplizierter zu befolgen, als es auf den ersten Blick scheint.
Doch so ist es nun einmal mit der Lieb. Nicht zufällig steht die Liebe im Zentrum der Botschaft Jesu. Die
Liebe zu Gott, zum Nächsten und zu mir selbst soll ich immer wieder neu aufeinander beziehen.
Dennoch sollte man versuchen, es zu befolgen, da es eine der Aussagen von Jesu Lehre beinhaltet: die
Nächstenliebe. Jetzt stellt sich bloß die Frage, auf welche Weise. Man kann sich selbst nicht dazu
zwingen, andere zu lieben, auch wenn man es noch so gern täte, vielleicht sind sie einem
unsympathisch oder erscheinen einem selbst nicht liebenswert. Es ist also eine Frage der Einstellung,
die immer wieder eingeübt werden muss. Weil ich weiß, dass Gott mich aus Liebe geschaffen hat, kann
ich den anderen lieben wie mich selbst. Man muss sich nicht dazu zwingen, andere zu lieben, man
sollte sich aber dessen bewusst sein, dass der christliche Auftrag Nächstenliebe impliziert. Einer der
zentralen Aussagen Jesu Christi, das Doppelgebot der Liebe, legt das fest. Aber Jesus sagt nicht nur
das, das Doppelgebot handelt auch davon, dass man sowohl Gott, als auch seinen Nächsten, als auch
sich selbst lieben soll. Liebt man Gott, so ergibt sich die Selbst- und Nächstenliebe von selbst, wenn
man sich bewusst wird, dass sowohl wir, als auch unsere Nächsten geliebt werden. Aus diesem Grund
sollte man vielleicht bei jedem Menschen das suchen, was einem liebeswert erscheint, denn auch
wenn man bei manchen Menschen etwas länger danach suchen muss, wird man etwas finden. Dann
kann man im Hinblick auf das Liebenswerte an diesem Menschen vielleicht besser das akzeptieren und
respektieren, was einem bisher unsympathisch erschien.
Jetzt kommt zu den Aussagen des vorherigen Bildes noch ein weiterer Aspekt hinzu: die Gottesliebe.
Gott liebt uns und wir lieben Gott, das ist ein Glaubensgrundsatz christlicher Dogmatik. Ich lebe in einer
christlichen Gemeinschaft, einige glauben an Gott, andere sind sich nicht sicher. Aber selbst diejenigen,
die sich dessen, was sie glauben sollen nicht sicher sind, verspüren das Bedürfnis, das Wesen, das uns
erschaffen hat, zu lieben. Wir lieben unser Leben und daher auch den Ursprung unseres Lebens. Das
ist eine gemeinsame Gesinnung, die alle hier im Seminar vertreten.
20
Jakobus 1,22-24
„Seid aber Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst: Denn wenn jemand ein
Hörer des Worts ist und nicht ein Täter, der gleicht einem Mann, der sein leibliches Angesicht im Spiegel
beschaut; denn nachdem er sich beschaut hat, geht er davon und vergisst von Stund an, wie er aussah.“
Jakobus schreibt mehrfach in seinem Brief im Neuen Testament, dass Glaube ohne Werke tot sei.
Genau das sagt er auch hier; die Taten sind wichtig. Er bezieht die Auswirkungen dieser Taten aber
nicht auf andere, die diese Taten spüren, sondern auf den Handelnden selbst. Es soll ein Gleichnis sein,
es ähnelt zumindest denen Jesu Christi: Es hat seinen für die Menschen nachvollziehbaren Sitz im
Leben, und muss übertragen verstanden werden. Im Gegensatz zu den Gleichnissen Jesu aber spricht
Jakobus nicht vom anbrechenden Reich Gottes, das nur in Gleichnissen beschrieben werden kann, weil
es unsere Vorstellungskraft übersteigt. Es geht ihm um die Konkretisierung: Wie kann das Reich Gottes
heute schon Wirklichkeit werden? Gleichwohl nimmt er für sich die Autorität der Worte Jesu in
Anspruch. Die Intention an dieser Schreibweise ist wohl, dem Gesagten das Gewicht der Rede Jesu
annähernd zu verleihen, das verdeutlicht die Wichtigkeit dieses Inhalts für den Autoren.
Betrachtet man den Inhalt dieses Zitats, kann man feststellen, dass es im Gegensatz zum vorherigen
steht: Es betrachtet einen anderen Aspekt des Glaubens, nämlich das „Aussichheraustreten des
Subjects“21. Schleiermacher beschreibt als „Aussichheraustreten“22 das „Thun“23, also die Taten
desjenigen, der glaubt. Als Taten zählt er alles, was bewusst gemacht wird. Ihm ist bewusst, dass eine
klare Trennung zwischen dem, was bewusst und unbewusst passiert, nicht möglich ist, daher schreibt
er, dass „beide Formen des Bewußtseins […] das Insichbleiben“ „constituieren“24. Mit beiden Formen
des Bewusstseins meint er das Wissen und das Gefühl. Beide finden eigentlich in der Person selbst
21
Schleiermacher: Der christliche Glaube, S.9.
Schleiermacher: Der christliche Glaube, S.9.
23
Schleiermacher: Der christliche Glaube, S.9.
24
Schleiermacher: Der christliche Glaube, S.9.
22
21
statt, er schreibt aber, dass das Wissen, also die Erkenntnis, eine Handlung ist, da das Erkennen bloß
stattfinden kann, wenn die Person aus sich heraustritt. Das ist insofern wichtig für dieses Bibelzitat,
weil hier Erkenntnis und Handeln in einem Zusammenhang genannt werden. Wer nur „Hörer des
Worts“ (Jakobus 1,22ff) ist, betrügt sich selbst. Er erkennt also nicht, wer er wirklich ist. Tut er dies
aber doch, so geht das nur im Miteinander mit dem Handeln der Person. Handeln und erkennen gehen
hier also Hand in Hand, das eine funktioniert nicht ohne das andere. Handeln folgt aber nicht nur der
Erkenntnis, sondern bedingt sie auch: Wer nicht aus seinem Glauben heraus handelt, wird sich selbst
nicht erkennen können.
Bezug auf das Bild
Dieses Bild steht dem Vorherigen inhaltlich und auch in der Ausstellung gegenüber. Durch die
Unschärfe des Bildes wird verdeutlicht, dass der Mensch manchmal nicht alles erkennen kann, auch
wenn er es gerne wollte. Sein Blick kann getrübt werden und dann erkennt er nicht mehr, was
eigentlich offensichtlich sein sollte. Bei trüber Sicht verliert man schnell die Orientierung und weiß
nicht mehr, wer man selbst eigentlich ist.
Bedeutung
In diesem Zitat wird gesagt, dass man nach dem Wort Gottes handeln soll. Im Vorherigen ging es
darum, seinen Nächsten zu lieben, wie sich selbst, hier geht es darum, sich selbst und anderen im
richtigen Maß Gutes zu tun. Ich sage bewusst sich selbst und anderen, denn wer sein eigenes Leben
missachtet, der handelt nicht nach dem Wort Gottes, da er durch diese Handlung das Leben als
Geschenk Gottes an uns missachtet. Das Komplizierte an dieser Aufgabe ist, das richtige Maß, die
Balance zwischen Egoismus und Altruismus, zu finden. Das ist beinahe unmöglich zu schaffen, also
muss jeder versuchen, dieses Maß so gut wie möglich zu finden. Ich denke, dass man, um dieses Maß
zu finden, sich nicht auf sich selbst verlassen sollte, sondern versuchen sollte, sich im Dialog
auszutauschen und mit anderen dort anzunähern. Denn andere empfinden unser Handeln anders als
wir, auch wenn noch so eindeutig scheinen mag, wem man viel Gutes tut und wen man vernachlässigt.
Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung sind aber nicht deckungsgleich. Außenstehende sehen
mich meist anders, als ich mich selbst wahrnehme. Nur im ehrlichen Gespräch kann man herausfinden,
was das eigene Handeln wirklich vollbringt und ob es wirklich im Einklang mit unserem Glauben steht.
Diskussionsfreude ist wohl eine Eigenschaft, die man vielen Seminaristen nach und während ihrer
Schulzeit nachsagen kann. Das ist aber der springende Punkt: Wenn wir uns ungerecht behandelt
fühlen, sagen wir das; sei es im Unterricht oder innerhalb einer kleinen Gruppe. Wir reden darüber,
wie es uns geht und versuchen so, das Miteinander einfacher zu gestalten, auch wenn es sehr
zeitaufwendig ist, jeden, der etwas sagen möchte, zu Wort kommen zu lassen. Aber schon allein das
ehrliche Gespräch ist etwas, was viele Menschen nicht tun können oder wollen. Dabei ist es die
Handlung die erste gute Tat, die wir an unserem Nächsten tun können.
22
1. Johannes 1,5-9
„Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in
ihm ist keine Finsternis. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der
Finsternis so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist,
so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller
Sünde. Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht
in uns. Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden
vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“
Wie oben erläutert, handelt der erste Brief des Johannes vom Zusammenleben der Christen. Dieses
Zitat aber abstrahiert auf der einen Seite das vorher genauer beschriebene Zusammenleben der
Menschen und eröffnet einen neuen zu beachtenden Aspekt. Wer Gemeinschaft mit Gott hat, hat
auch mit den Menschen Gemeinschaft hat, was voraussetzt, dass man mit den Menschen auf eine
Weise umgeht, auf die man in einer Gesellschaft zusammenleben kann.
Damit das möglich werden kann, muss man sich bewusst werden, dass jeder Mensch Sünder ist, das
heißt getrennt von Gott und von sich aus nicht in der Lage ist, in Gemeinschaft mit anderen zu leben.
Wenn der Mensch im Licht ist, dann wird er von allen seinen Sünden bereinigt. Johannes weist mit
seinen schwer zu fassenden Bedingungen auf eine eschatologische Hoffnung hin, die Hoffnung, dass
die Menschen aus ihren Sünden und somit aus ihrer menschlichen Unfähigkeit befreit werden. Calvin
drückt das meiner Meinung nach sehr treffend aus, indem er sagt, dass „wir […] von unaussprechlicher
Seligkeit [hören]“25 aber „in uns die Sünde [wohnt]“.26 Er sagt das im Zuge eines Absatzes über die
enorme Wichtigkeit der Hoffnung für die Menschen, die auf das Hoffen, was ihnen nicht gewährt ist
25
Jürgen Moltmann: „Theologie der Hoffnung“, Chr. Kaiser Verlag, München, 11. Auflage 1980 , S.14.
Moltmann: Theologie der Hoffnung, S.14.
26
23
und was nicht zu gewährleisten scheint. Aus genau diesem Grund abstrahiert Johannes das, worauf
man hofft als das „Licht“ (1. Johannes 1,5ff) und den Zustand des im Licht Seins als „wandeln“ (ebd.).
Er konkretisiert nicht, weil er selbst nicht weiß, was ihn erwartet und dennoch hofft er darauf. Er weiß
nur, dass für ihn selbst das Wandeln im Licht bedeutet, dass er Gemeinschaft mit den anderen
Menschen hat und dass die Person im Licht von ihren Sünden befreit wird. In diesem Sinne sagt der
Brief also viel über die persönlichen Hoffnungen des Autors aus, er versucht aber dennoch, sie so zu
formulieren, dass die Leser sich damit identifizieren können.
Bezug auf das Bild
Dieses Bild steht in der Ausstellung neben dem, welches dem anderen Zitat aus dem ersten Brief des
Johannes zugeordnet ist. Beide Bilder bilden den Lichtschein durch ein Fenster auf einen Stein. Auf
beiden Bildern sieht man die Trennung zwischen Licht und Dunkelheit und das harmonische
Zusammenspiel der verschiedenen Einheiten des Fensters, durch die das Licht scheint. Die
verschiedenen Farben im Lichtschein unterstützen diesen Eindruck noch, ist doch so jeder in seiner
Verschiedenheit darin aufgenommen, jeder mit seinen eigenen Vorstellungen.
Und dennoch wird der Lichtschein durch Schatten unterbrochen, er ist schwer zu fassen, wie das,
worauf der Autor des Briefes hofft.
Bedeutung
Das Wichtige hier ist, dass jeder sich durch dieses Zitat angesprochen fühlen sollte, so wie er ist und
glaubt. Es gibt keinen vereinheitlichten Weg dorthin und es gibt kein einheitliches Wandeln im Licht.
Jeder Mensch hat die Aufgabe, in seinem Streben er oder sie selbst zu bleiben.
Wichtig ist aber dafür die Erkenntnis seiner selbst, also auch die Erkenntnis, dass er ein gottloser
Sünder ist, ob er das will oder nicht. Dieses Wissen über sich selbst hilft dem, der es versucht, das Licht
zu erreichen. Gott selbst überwindet die Trennung zwischen Gott und Mensch. Wer das glaubt, kann
sie in Gemeinschaft mit anderen Leben.
Sich selbst darüber klar zu werden, dass man ein Sünder ist, ist schwer. Wenn ich mir überlege, weiß
ich nicht einmal, was Sünde ist. Aber dennoch ist sie wohl auch eine Notwendigkeit. Ohne Sünde wäre
der Mensch göttlich, aber was ist dann göttlich überhaupt, wenn es nichts mehr anderes gibt? Ich
glaube, dass es keinen Idealzustand geben kann; nicht in einer Welt, die ich mir vorstellen kann.
Was ich aber weiß, ist die Tatsache, wie wichtig es ist, dass man sich selbst nicht übersieht, wenn man
sich eingesteht, dass man nicht frei von Sünden ist. Jeder hat auch etwas Gutes in sich, Eigenschaften,
die ihn ausmachen, die er für sich selbst braucht. Diese können sich zwar verändern, aber sie sind
immer Teil seines Wesens, sofern er nicht versucht, sie bewusst einem Dogma anzupassen. Er kann
versuchen, an seiner Einstellung zu arbeiten, aber er kann nicht sich selbst von Grund auf ändern, ohne
etwas dabei zu verlieren: sich selbst.
24
2. Korinther 4,6
„Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in
unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit
Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.“
Dieser Satz aus dem zweiten Brief des Paulus an die Korinther steht in einem Absatz, in welchem die
Aufgaben der Apostel beschrieben werden. Die hier beschriebene Aufgabe ist die Verkündigung des
Wortes Gottes. Der Autor schreibt am Ende dieses Absatzes, dass die Apostel nicht sich selbst predigen,
sondern Jesus Christus. Paulus bezieht sich hier auf Genesis 1,3: Gott lässt – nur durch die Macht seines
Worts – Licht in der Dunkelheit aufscheinen. Gleichzeitig hören wir förmlich bereits den Prolog des
Johannesevangeliums: Den Menschen ist durch Gott das Licht des Lebens gegeben, damit die Welt ihn
durch sie erkennen kann, was zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Fall ist. Die Menschen sollen die
Allmacht Gottes durch seinen Sohn Jesus Christus, der auf der Erde lebt, erkennen.
Bezug auf das Bild
Auf dem Bild sieht man, dass eine Lichtquelle alle Fenster des Kreuzgangs beleuchtet. Das Licht scheint
durch alle Fenster hinein in die Dunkelheit. Das ist eine Abbildung der Aussage, dass Gott das Licht in
unsere Herzen gegeben hat. Gottes Licht kommt von außen in jedes einzelne Leben ohne unser Zutun.
Bedeutung
Uns sind alle Mittel gegeben, um die Herrlichkeit Gottes zu erkennen, wir wissen bloß nicht, wie wir
sie anwenden sollen. Das göttliche Licht brennt bereits in uns, wir müssen es nur noch finden und
verstehen. Was genau bedeutet das aber für uns jetzt? Bonhoeffer schreibt: „Wer Jesus Christus
25
ansieht, sieht in der Tat Gott und die Welt in einem, er kann fortan Gott nicht mehr sehen ohne die
Welt und die Welt nicht mehr ohne Gott.“27 Das heißt also, dass wir, um mit Bonhoeffers Worten zu
sprechen „einfältig“28 sein müssen, um Jesus Christus anzusehen und in ihm und durch ihn Gott zu
erkennen. Wir sollen uns nicht durch die Welt verwirren lassen, sondern uns nur auf eine Sache
konzentrieren. Dann sind wir „klug“29 und sehen nicht nur Gott, sondern den Ursprung der Wirklichkeit
in Gott.
Wenn wir einfältig sind, werden wir klug sein. Diese Aussage ruft dazu auf, sich auf das Wesentliche zu
konzentrieren, in diesem Zitat ist das Gott. Wie soll ich aber eine derartige Aussage in meinem Leben
anwenden? Wenn ich mich nur noch auf Gott konzentriere, auf nichts anderes, wie soll ich dann leben?
Und warum lebe ich dann? Ist der Sinn unseres Lebens wirklich, Gott zu erkennen? Woher kann ich
das wissen? Und woher will ich wissen, wo ich Gott erkennen soll? Was ist, wenn ich Gott in dem finden
würde, was mich umgibt, aber ich sehe ihn nicht, weil ich mich komplett darauf fixiert habe, ihn zu
erkennen?
27
Bonhoeffer: Ethik, S.15.
Bonhoeffer: Ethik, S.14.
29
Bonhoeffer: Ethik, S.14.
28
26
Jesaja 58,6-9
„Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen Habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass
ledig, auf die du das Joch gebunden hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! Brich dem
Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst,
so kleide ihn und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Dann wird dein licht hervorkommen wie
die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor die
hergehen und die Herrlichkeit des Herrn wird deinen Zug beschließen. Dann wirst du rufen und der Herr
wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich.“
Im 58. Kapitel des Buches des Propheten Jesaja wird zwischen falschem und echtem Fasten
unterschieden. Er erklärt den Menschen, die fasten aber nicht von Gott erhört werden, dass ihre Art
des Fastens nicht die Richtige ist. Interessant für die Auslegung dieser Bibelstelle ist jedoch der Ort,
an dem sie seht: Sie steht nicht, wie vielleicht zu erwarten wäre, in einem Teil des Buches, der von
Gottes Gericht handelt, sondern in dem, der die kommende Zeit des Heils beschreibt. Es handelt sich
bei dieser Bibelstelle also nicht um eine Drohung oder eine Auferlegung von Geboten, sondern eher
um das Angebot, das Leben für sich und für andere besser zu gestalten, indem man sich selbst in
seinem Fasten nicht quält und anderen hilft. Es handelt sich hier also um einen Erlösungsvorschlag aus
den Qualen des Fastens. Kliemann schreibt etwas Ähnliches über die Zehn Gebote, die aus seiner Sicht
ein genau solcher Erlösungsvorschlag sind. Er meint, dass „am Anfang des Dekalogs [der Zehn Gebote]
die Mut machende Erinnerung daran [steht], dass Jahwe ein befreiender, ein aus der Knechtschaft
herausführender Gott ist“.30
Also handelt es sich hier nicht um ein „Gebot Gottes“31, dem man nur gehorchen oder nicht gehorchen
kann, sondern um einen Vorschlag, den jeder Mensch annehmen kann oder nicht. Im Gegensatz zu
30
31
Kliemann: Glauben ist menschlich, S.79.
Bonhoeffer: Ethik, S. 214.
27
derartigen Geboten wird hier nicht mit einer Strafe gedroht, sondern dem Glaubenden wird ein Einzug
in das Reich Gottes verheißen. „Nicht um moralisierende Einschüchterung, sondern um Befreiung geht
es“32 schreibt Kliemann in diesem Sinne in Bezug auf die Zehn Gebote.
Bezug auf das Bild
Das Zitat handelt davon, dass viele kleine gute Taten die Auswirkung einer großen Tat haben können.
Das Bild zeigt den Lichtschein der Sonne durch die Blätter der Magnolie auf die Außenmauer des
Kreuzgangs. Das Licht fällt durch die vielen kleinen Blätter, die alle Teil eines großen Baumes sind, eine
Analogie zu vielen kleinen Taten der Menschen, die doch etwas Großes bewirken können und somit
Teil einer großen Sache sind.
Bedeutung
In diesem Zitat werden Taten aufgezählt, die der Glaubende tun kann, um die Welt für andere und
damit letzlich auch für sich selbst lebenswerter zu machen. Es sind Vorschläge, die zeigen sollen, dass
jede noch so kleine gute Tat dazu dient, die Welt gerechter und damit heller zu machen.
Kliemann schreibt, dass diese Taten eine Art der Befreiung sein können. Ich weiß nicht, wie das Reich
Gottes aussieht und wovon wir befreit werden sollen, aber ich weiß, dass man sich darüber freuen
kann, jemandem, den man liebt, etwas Gutes getan zu haben. Angenommen wir würden alle
Menschen lieben, so wie Jesus es im Doppelgebot der Liebe verlangt, würde dann nicht jede gute Tat
uns ein bisschen glücklicher machen?
32
Kliemann: Glauben ist menschlich, S.79.
28
Philipper 2,1f
„Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche
Liebe und Barmherzigkeit, so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid,
gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid.“
In diesem Kapitel des Philipperbriefes nimmt Paulus das Leben Jesu als Vorlage für das Leben der
Menschen, die Christus nachfolgen. Er stellt diese Ansprüche gleich zu Beginn des Kapitels in den Raum
und erläutert sie daraufhin am Beispiel des Lebens Jesu Christi. Paulus beschreibt sich hier selbst als
den Abgesandten Gottes auf die Erde, „seine Freude“ (Philipper 2,1f) soll durch das Handeln der
Menschen vollkommen gemacht werden. Paulus ist davon überzeugt, dass seine Auslegung des
Evangeliums von Jesus Christus die einzig Richtige ist. Er schreibt davon, was das Evangelium, also
Christus, den Menschen vorschreibt, aber eben auch davon, was er für wichtig und erfüllbar hält.
Paulus zeichnet ein idealisiertes Bild einer christlichen Gemeinschaft. Er weiß sehr wohl, dass Jesu
Forderungen Spannungen auslösen – das wusste Jesus selbst gut genug (vgl. z.B. Matthäus 12, 46-50).
Denn einerseits ist es den Menschen manchmal „schon“33 möglich miteinander in Harmonie zu leben
und einander einträchtig zu lieben. Auf der anderen Seite aber darf man nicht vergessen, dass das
Reich Gottes „noch nicht“34 gänzlich eingetreten ist, die Menschen sind also gar nicht dazu in der Lage,
so zu leben, wie Christus es von ihnen verlangt.
33
34
Kliemann: Glauben ist menschlich, S.141.
Kliemann: Glauben ist menschlich, S.141.
29
Bezug auf das Bild
Die reflektierten Lichtstrahlen, die von der Brunnenschale gezeigt werden, sehen aus wie
aufgespannte Netze. Diese Spannung steht symbolisch für die des „Schon angebrochen“35-Seins und
„noch nicht ungebrochene Wirklichkeit“36-Seins des Reiches Gottes.
Doch trotz dieser Spannungen wird das Licht von den vielen Wassertropfen in einer Wasserschale
reflektiert. Es gibt eine Einheit innerhalb des Wassers und dennoch erzeugen die Tropfen
unterschiedliche Bilder.
Bedeutung
Wir leben als viele kleine einzelne Menschen in dieser Welt, aber gemeinsam sind wir wie das Wasser
in der Brunnenschale: Eine starke und schwere, aber zugleich bewegte Masse. Gemeinsam können wir
den Lichtschein Gottes reflektieren. In uns vereinen sich die Widersprüche und wir können dennoch
gemeinsam leben, irgendwie. Paulus‘ Forderung ist aber, nicht irgendwie miteinander zu leben,
sondern er wünscht eine gleiche Gesinnung in den Köpfen und Herzen der Menschen. Wir sollen uns
alle nach einem gemeinsamen Ziel umsehen, einer Art zu leben. Hier ist wieder wichtig, dass Paulus
sich in diesem Kapitel auf den Lebenswandel Jesu Christi bezieht: Denn er findet, dass wir schon eine
gemeinsame Ausrichtung haben, die Ausrichtung auf Gott, und dass wir jetzt nur noch gemeinsam
versuchen müssen, den Ansprüchen, die diese Ausrichtung an uns stellt, gerecht zu werden.
Wir Christen leben in dem Bewusstsein, dass Christus der ist, der uns anführt. Wieso sind wir aber dann
unter uns so gespalten? Wir haben doch alle das gleiche Vorbild. Warum gibt es Streit unter Christen?
Und wie kann es Streit unter den Menschen überhaupt geben, wo wir doch alle eines Ursprungs sind,
ob wir Christen sind, oder nicht? Wie sollen wir jemals Frieden finden, wenn wir uns nicht einig werden
und gemeinsam handeln?
35
36
Kliemann: Glauben ist menschlich, S.109.
Kliemann: Glauben ist menschlich, S.109.
30
Johannes 9,5
„Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.“
Dieser Satz wird im Johannesevangelium von Jesus während der Heilung eines Blinden gesprochen.
Jesus sagt in diesem Absatz noch mehr über Licht und Dunkelheit, beziehungsweise Tag und Nacht. Er
sagt, dass in der Nacht „niemand wirken kann“ (Johannes 9,4b), die Heilung aber am Tag vollzogen
werden müsse, an dem das Licht scheint. Kommt aber die von Jesus vorhergesagte Nacht, wird er
selbst nicht mehr da sein, da das Licht der Welt aus der Welt gegangen ist. Das heißt im Übertragenen
Sinne, dass die Menschen nicht aus ihrem Elend befreit werden können, sobald Jesus die Welt
verlassen hat. Aus diesem Grund wird im Johannesevangelium nach dem Tod Jesu bis zu seiner
Auferstehung nichts von den Jüngern und ihren Taten erzählt. Erst durch die Auferstehung Jesu, wird
seine Unsterblichkeit wahr und er wird nicht mehr aus der Welt gehen. Daher ist das Licht der Welt in
der Welt, der Tag des Reiches Gottes ist schon angebrochen.
Diesem Zitat voraus geht die Frage der Jünger: „Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern,
dass er blind geboren ist?“ (Johannes 9,2a) und Jesus antwortet: „Es hat weder dieser gesündigt noch
seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.“ (Johannes 9,3). Die Blindheit
des Mannes hat also einen gottgewollten Sinn, er ist nicht zufällig blind geboren, es ist aber auch
niemand schuld an seiner Blindheit. Der Mann lässt sich von Jesus, dem Licht, heilen. Er wehrt sich
nicht, sondern entscheidet sich für die Heilung, für das Sehen, was in diesem Fall als Bild für die
Erkenntnis der Allmacht Gottes verstanden werden kann. Er handelt „in der Gegenwart seines Lebens
nach dem Willen Gottes“37, der ihn dazu ausersehen hat, von Jesus geheilt zu werden. In diesem
Moment kommt er in Berührung mit der „Zukunft der Gottesherrschaft“38, also dem Reiche Gottes,
37
38
Bultmann: Jesus, S.41.
Bultmann: Jesus, S.40.
31
und muss sich entscheiden, was er tun will. Diese Zitat ist also eine Verheißung: einmal die des
anbrechenden Reiches Gottes, aber auch die des Todes Jesu.
Bezug auf das Bild
Das Bild habe ich ausgewählt, weil das Abendlicht, das in den dunklen Raum scheint, sich im Fenster
bricht und ein Kreuz ergibt. Das Licht kündet also vom Anbrechen der Nacht, die Dunkelheit im Raum
hat sich schon verbreitet, aber hinter der Glasscheibe, für den Betrachter nicht erreichbar, scheint es
noch. Das Kreuz verdeutlicht die Verheißung der Kreuzigung Jesu, aber auch dessen Auferstehung, weil
es vom Licht der untergehenden Sonne gebildet wird, die nach der Nacht wieder aufgeht, das Licht
verlässt die Welt also nicht.
Bedeutung
Diese Bild in Verbindung mit dem Zitat hat viele Bedeutungen für uns. Die wichtigste aber ist, dass wir
uns durch das, was wir tun, für das Reich Gottes entscheiden müssen oder dagegen. Der blinde Mann
entscheidet sich dafür lässt sich von Jesus helfen und wird dafür reich entlohnt, mit dem, was er sich
wohl am meisten wünscht. Das Reich Gottes ist aber dennoch nicht angebrochen: Seine „irdische […]
menschliche […] Existenz“39 ist noch nicht zu Ende. Er ist weiterhin menschlich, was sich darin äußert,
dass für ihn das körperliche „Erleben“40 des neu gewonnenen Sinnesorgans so zufriedenstellend ist,
dass er nicht einmal mehr nach Jesus sucht. Die Leute fragen ihn, wo Jesus sei und er antwortet: „Ich
weiß es nicht.“ (Johannes 9,12).
Für uns bedeutet das, dass wir unseren „Wert“41 in dem Moment der Entscheidung für das Reich
Gottes gewinnen. Wir werden also in vielen Situationen vor eine Entscheidung gestellt und diese
Entscheidung ist immer eine Momentaufnahme. Es reicht also nicht aus, wenn man ein gewisses Maß
an guten Dingen oder an schlechten Dingen tut. Es geht um unsere Einstellung zum Leben, zur Welt,
zu Gott. Wir müssen erkennen, welche Entscheidungen die sind, durch die das Reich Gottes „mitten
unter uns“ (Lukas 17,21) jetzt schon Wirklichkeit wird.
39
Bultmann: Jesus, S.40.
Bultmann: Jesus, S.40.
41
Bultmann: Jesus, S.40.
40
32
6. Zusammenfassung: Was macht das christliche Zusammenleben
aus?
6.1 Die christliche Gesellschaft und ihre Aufgaben
„Aus dem bisher Gesagten geht wol schon hervor, daß die Frömmigkeit ein Zustand sei, in welchem
Wissen, Fühlen und Thun verbunden ist“42 schreibt Schleiermacher treffend und prägnant. Nach diesen
drei Kriterien ist diese Zusammenfassung aufgebaut, sie benötigen und bedingen sich gegenseitig,
ohne sie kann kein Glaube existieren.
Wir müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass alle Christen Jesus Christus zu Vorbild haben, wir
haben also alle die gleiche Gesinnung. Das kann uns aber nur dann klar werden, wenn wir uns auf die
Wurzeln des Christentums erinnern; wir müssen also „einfältig“43 werden, um „klug“44 zu sein.
Wir sollten uns aber dennoch auch darüber im Klaren sein, dass es keinen einheitlichen Glauben geben
kann, weil jeder für sich selbst in etwas anderer Weise an etwas Ähnliches glaubt. Wir sind Individuen
und nicht alle eine Person, das ist ein wichtiger Aspekt, der nicht vergessen werden darf. Wenn wir
aber für uns wissen, was Glaube heißt, dann haben wir Gemeinschaft mit Gott. Ist dieser Zustand
erreicht, ist ein wichtiger unserer christlichen Werte erfüllt: Wir haben auch “Gemeinschaft
untereinander“ (1. Johannes 1,7).
Ein weiterer sehr wichtiger Aspekt der christlichen Dogmatik ist die Nächstenliebe. Wir sollen anderen
mit Liebe begegnen und nicht nur das: im Doppelgebot der Liebe sagt Jesus: „Du sollst den Herrn,
deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und
größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
(Matthäus 22,37-39). Das bedeutet also, dass Selbstliebe, Gottesliebe und Nächstenliebe einander
gleichgestellt sind. Wenn diese Gebote erfüllt sind, lieben alle Gott, werden von ihm geliebt und alle
Menschen untereinander lieben sich. Damit wäre das Grundprinzip christlicher Ethik erfüllt.
Der dritte Punkt, den Schleiermacher anspricht, ist das Thun“45. Wir sollen unseren Nächsten nicht nur
lieben, wir sollen ihm und ihr auch Gutes tun. Jakobus schreibt, dass wir „Täter des Worts“ (Jakobus
1,22) sein sollen; sind wir das nicht und wähnen uns als Christen, so betrügen wir uns selbst. Die
Schwierigkeit hierbei ist, zu erkennen, wieviel Gutes man anderen tun kann, ohne daran selbst
zugrunde zu gehen oder andere zu benachteiligen. Die Frage ist, den richtigen Weg zwischen Egoismus
und Altruismus zu finden, damit wir anderen im richtigen Maße Gutes tun und uns diese Tatsache
erfreuen kann. Dieses Maß finden wir am besten im Dialog mit anderen, die auch versuchen, genau
das herauszufinden.
Wenn wir diese drei Aspekte miteinander vereinen, können wir jedes Mal aufs Neue die Entscheidung
für das Reich Gottes in unserer Welt treffen, wenn sich dieses offenbart.
42
Schleiermacher: Der christliche Glaube, S.13.
Bonhoeffer: Ethik, S.14.
44
Bonhoeffer: Ethik, S.14.
45
Schleiermacher: Der christliche Glaube, S.13.
43
33
6.2 Verbesserungsvorschläge im Hinblick auf die Asylsituation
Jürgen Kliemann schreibt in seinem Buch „Glauben ist menschlich“ ein Fazit, das mir hier sehr
zutreffend erscheint: „Weltoffenheit, Dialogbereitschaft und Toleranz gegenüber Andersdenkenden
stehen im Zeichen des Evangeliums von Jesus Christus nicht im Widerspruch zu Glaubensgewissheit,
theologischer Klarheit und ernsthaftem Wahrheitsstreben, weder theoretisch noch praktisch“.46
Im Seminar in Maulbronn funktioniert Gemeinschaft nach genau diesem Prinzip. Auf eine andere Art
und Weise kann eine Gemeinschaft meiner Meinung nach auch nicht bestehen. Das beweist aber auch,
dass wir Menschen dazu fähig sind, in Gemeinschaft mit anderen zu leben und diese Fähigkeit auch
nutzen sollten.
Genau das sollte unsere Einstellung gegenüber Asylbewerbern sein. Wie oben angedeutet ist das
Asylverfahren momentan sehr langwierig und mit vielen Strapazen für die Asylsuchenden verbunden.
Ich möchte mit dieser Arbeit kein politisches System verändern, aber sie soll ein Appell an alle sein,
sich Asylbewerbern gegenüber zu öffnen.
Mein persönlicher Vorschlag, um etwas an der Asylsituation zu verbessern, ist folgender: Die hier
ankommenden Menschen werden mit allen materiellen Gütern versorgt, die sie brauchen. Was ihnen
aber fehlt, sind Menschen, die mit ihnen reden, die Zeit für sie haben, Freunde werden können.
Vereinzelt gibt es Personen, die versuchen, genau das zu tun, aber es sind einfach zu wenige. Daher ist
meine Bitte an die Kirchen in Baden-Württemberg, Menschen aufzufordern Asylbewerberheime zu
besuchen und mit den Leuten dort Kontakt aufzunehmen, mit ihnen zu reden und für sie da zu sein,
damit sie ihre traumatischen Erlebnisse besser verarbeiten können.
Wir berufen uns in Deutschland auf christliche Werte, sie sind Teil unserer Kultur, und unser Auftrag
in diesem Sinne ist es, auch mit Menschen, deren Kultur und Lebensweise wir kaum kennen, in
Gemeinschaft zu leben. So wie Jesus sich Hilfesuchenden (Markus 7,31ff) und Ausgeschlossenen
(Johannes 1,9ff) zuwendet, sollten auch wir uns Zeit für sie nehmen. Er heilt die Tochter der Frau aus
Syrophönizien, obwohl sie Griechin ist, weil sie ihn um Hilfe bittet. Er macht keinen Unterschied
zwischen den Menschen. Denn Gottes Liebe schließt keine Menschen aus, egal welcher Herkunft oder
welcher Gesinnung sie sind.
7. Eigenständigkeitserklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe und nur unter Verwendung der
angegebenen Hilfsmittel erstellt habe. Wörtlich übernommene Textstellen sind als solche markiert.
Maulbronn, den 15.09.2015
46
Kliemann: Glauben ist menschlich, S.279.
34
8. Danksagungen und Quellen
Ich möchte am Ende dieser Arbeit allen Leuten danken, die bei ihrer Verwirklichung geholfen haben.
Da wären zu Beginn Peter Braun, der mir bei der Organisation der Ausstellung geholfen hat, Andreas
Felchle und Alexander Meixner, dank welchen ich Stellwände zur Verfügung hatte, Martin Ehlers, der
mir Bilderrahmen auslieh, Gerhard Keitel, der mir erlaubte, Bilder im Kloster zu machen und Uta SüßeKrause, die mir bei der Auswahl der Bilder geholfen hat.
Zudem danke ich Helene Weinbrenner, Daniel Weissert, Irina Ose und meiner Familie, die mir in vielen
scheinbar ausweglosen Situationen mit Rat und Tat zur Seite standen.
Internetquellen:
https://www.bibelkommentare.de/index.php?page=dict&article_id=1933
12.08.2015, 19.5s3).
(Zuletzt
besucht
am
http://biblez.com/searchgerm.php?q=Gemeinschaft&Bible.x=0&Bible.y=0
12.08.2015, 20.07).
(Zuletzt
besucht
am
http://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/neues-testament/paulinische-briefe/hebraeer/
(Zuletzt besucht am 16.08.2015, 17.16).
http://www.bibel.com/faq/was-ist-biblischer-glaube.html (Zuletzt besucht am 16.08.2015, 17.33).
http://www.duden.de/rechtschreibung/Glaube#Bedeutung2a (Zuletzt besucht am 16.08.2015 17.36).
http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/21849/asylrecht (Zuletzt besucht am 16.08.2015,
17.45).
https://www.bibelkommentare.de/index.php?page=comment&comment_id=270&part_id=1973
(Zuletzt besucht am 18.08.2015, 20.13).
http://www.bundestag.de/bundestag/aufgaben/rechtsgrundlagen/grundgesetz/gg_01/245122
(Zuletzt besucht am 16.08.2015, 17.50).
https://de.wikipedia.org/wiki/Asylrecht_(Deutschland) (Zuletzt besucht am 14.09.2015, 21.30).
Grundlagen des Asylverfahrens, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband e. V. (Zuletzt besucht am
14.09.2015, 20.14).
Buchquellen:
Peter Kliemann: „Glauben ist menschlich“, Calwer Verlag, Stuttgart, 15. Auflage 2011.
Eberhard Jüngel: „Gott als Geheimnis der Welt“, J. C. B. Mohr, Tübingen, 2. Auflage 1977.
Dr. Friedrich Schleiermacher: „Der christliche Glaube“, Georg Reimer, Berlin, 5. Auflage 1861.
Jürgen Moltmann: „Theologie der Hoffnung“, Chr. Kaiser Verlag, München, 11. Auflage 1980.
Sigmund Freud: „Studienausgabe: Fragen der Gesellschaft – Ursprünge der Religion Band IX“, S. Fischer
Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 1974.
Rudolf Bultmann: „Jesus“, Siebenstern Taschenbuch Verlag, Hamburg und München, 1964.
35
Dietrich Bonhoeffer: „Ethik“, Chr. Kaiser Verlag, München, 1949.
Alle kursiv gedruckten Bibelzitate sind entnommen:
„Luther Bibel für dich“, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, 2000.
Weitere Textquellen:
Unterrichtsmaterial evangelische Religion, Jahrgangsstufe 1, 2014/15, bei Frau Ose.
Mündliche Quellen:
Heidrun Fritsch, Sozialarbeiterin & Kinder und Jugendlichen Psychotherapeutin i.A.
Daniel Fritsch, Diakoniepfarrer.
36
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