Erstes hebammengeleitetes Geburtshaus in Österreich wird ein Jahr alt Seit Februar 47 Geburten im „Geburtshaus von Anfang an“ Wien (14.02.2011) Im Februar 2010 wurde das erste hebammengeleitete Geburtshaus in Österreich mit der ersten Geburt eingeweiht. „Es waren harmonische Stunden in vertrauensvoller Atmosphäre in denen wir die Geburt als das erlebt haben was sie im Regelfall ist: ein natürliches Erlebnis und kein medizinischer Notfall“, erinnert sich Hebamme Rotraud Zeilinger, die die Geburt leitete. „Bis zum Ende des Geschäftsjahres werden fünfzig Geburten in unseren Räumlichkeiten stattgefunden haben, womit wir unser Ziel fürs erste Jahr erreicht haben“, freut sich Hebamme Martina Klasz. „Mittlerweile gebären jedes Monat sechs bis acht Frauen bei uns. Und die Tendenz ist steigend obwohl wir mit unserem Projekt österreichisches Neuland betreten haben und viele Eltern diese Option noch gar nicht kennen“, zeigt sich Klasz zufrieden. Das „Geburtshaus von Anfang an“ in Wien Hietzing entstand nach Vorbildern aus Deutschland und der Schweiz. „In unseren deutschsprachigen Nachbarländern sind Geburtshäuser nicht die Ausnahme, sondern bilden ein flächendeckendes Angebot. So gibt es in Deutschland rund 150 Geburtshäuser die von der Bevölkerung sehr gut angenommen werden“, erklärt Klasz. Neben Martina Klasz und Rotraud Zeilinger betreuen die Hebammen Monika Frey-Rahoui und Katharina Fuchs die werdenden Familien. Die vier Hebammen haben in insgesamt 51 Berufsjahren tausende Babys auf die Welt gebracht und stellen dieses gebündelte Know-How seit einem Jahr „ihren“ Geburtshaus-Familien zur Verfügung. Geburt im Geburtshaus als Alternative zu Spitalsgeburt und Hausgeburt „Im Geburtshaus gebären Frauen die sich ganz bewusst für einen Mittelweg zwischen Klink- und Hausgeburt entscheiden“, so Martina Klasz. „Bei uns finden sie die intime Atmosphäre einer Hausgeburt in Verbindung mit der perfekten Infrastruktur.“ Denn im Geburtshaus steht alles bereit: von Gebärhocker bis zum CTG, vom großen Familienbett zum Kuscheln danach bis zum „roten Ferrari“ – einer Geburtsbadewanne, wie sie sich viele Kliniken wünschen würden. „Und keiner muss Angst davor haben, dass die Nachbarn das Geburtsgeschehen live miterleben“, sagt die erfahrene Hebamme augenzwinkernd. Den größten Vorteil des Geburtshauses sieht Klasz jedoch im Faktor Zeit und Vertrauen: „Wir Geburtshaus-Hebammen geben den Müttern die Zeit die sie brauchen, um in einer vertrauten Atmosphäre und in einem intimen Rahmen zu gebären. Die Familien lernen das Geburtshaus schon vor der Geburt durch Infoabende, Vorgespräche und geburtsvorbereitende Kurse oder Behandlungen wie Akupunktur kennen. Diese Vertrautheit ist wichtig fürs Loslassen und damit geburtsunterstützend“. Eine weiterer Unterschied zum Krankenhaus ist der Betreuungsschlüssel: „Frauen die bei uns gebären lernen ihre Hebamme bereits Wochen vor der Geburt kennen. Diese Hebamme begleitet sie auch durch die gesamte Geburt und die erste Zeit mit dem Baby“, erklärt Klasz. Ein großer Vorteil zur Spitalsgeburt, bei eine durchgehende Betreuung aufgrund der großen Zahl der Gebärenden oftmals nicht möglich ist. Sicherheit und Gesundheit hat Priorität Falls es doch einmal notwendig werden sollte eine Geburt zu verlegen, ist die Überfahrt in eines der nahe gelegenen Krankenhäuser in wenigen Minuten möglich. Damit das möglichst selten passiert, wird im Vorfeld auf eine gute Anamnese und engmaschige Kontrolltermine gesetzt: „In Österreich gibt der Gesetzgeber vor, welche Geburten durch eine Hebamme sicher durchgeführt werden können. An diese Regeln halten wir uns, was auch bedeutet, dass wir manchmal Frauen schon beim Erstgespräch an eines der hervorragenden Krankenhäuser der Umgebung verweisen. Das entspricht unserer wertschätzenden Haltung gegenüber den Frauen und ihrer Gesundheit. Sicherheit hat bei uns absoluten Vorrang“, erklärt Martina Klasz. Die meisten Frauen könnten dennoch im Geburtshaus gebären: „Generell kann man sagen, dass jene Frauen bei uns gebären können, deren Schwangerschaft normal verläuft, die keine Mehrlinge erwarten und deren Kind sich nicht vor der 38. Schwangerschaftswoche oder verkehrt herum, also statt mit dem Kopf etwa mit den Beinen zuerst, auf den Weg macht“, so Klasz. Zahlen aus dem geburtshauserprobten Deutschland belegen die Sicherheit Dass außerklinische Geburten sicher sind belegen nicht nur die Erfahrungen der vier Hebammen, sondern auch viele Zahlen aus Deutschland, einem Land, in dem Geburtshäuser zum selbstverständlichen Angebot für werdende Mütter zählen. „Fast neun von zehn Geburten, die nicht im Krankenhaus stattfinden, kommen auch im weiteren Verlauf der Geburt ohne das Krankenhaus aus. Die Sterblichkeitsrate von der 28. Schwangerschaftswoche bis zum siebten Tag nach der Geburt (perinatale Mortalität) beträgt im Geburtshaus 0,2 Promille. Im Vergleich: Im Krankenhaus liegt der perinatale Mortalitätsrate bei 5,3 Promille das heißt sie ist 27-mal so hoch“, sagt Klasz und zitiert damit das Statistische Bundesamt Wiesbaden als eine der empirischen Quellen, die die Sicherheit der außerklinischen Geburtshilfe untersucht haben. Kosten der Geburtshilfe - Krankenkassen wollen scheinbar nicht sparen Eine Geburt im „Geburtshaus von Anfang an“ kostet den werdenden Eltern 1.400 Euro. Von der Gebietskrankenkasse werden 320 Euro erstattet. Diese Kostenpolitik der Krankenkassen können die vier Geburtshaus-Hebammen nicht ganz nachvollziehen: „Ständig liest man von den Defiziten im Haushalt der Gebietskrankenkassen und dennoch scheinen die Verantwortlichen nicht willig zu sein neue Ansätze anzuerkennen, die zu einer deutlichen Kostenreduktion führen würden“, schüttelt Klasz den Kopf. Zum Vergleich: Eine normale Geburt im Krankenhaus kostet doppelt soviel wie eine Geburtshausgeburt, nämlich rund 3.000 Euro und wird im Gegensatz zu dieser standardgemäß über die Krankenkasse abgerechnet. In Deutschland sei das anders: „Bei unseren Nachbarn haben die Krankenkassen das Sparpotential erkannt und übernehmen die Kosten von Geburtshaus-Geburten vollständig. Wir warten immer noch darauf, dass uns jemand die Sinnhaftigkeit dieser Kostenpolitik made in Austria schlüssig erklärt.“ Aktueller Termin: Info-Abend für werdende Eltern am 17. Februar, ab 19 Uhr im Geburtshaus von Anfang an, Hietzinger Hauptstraße 50, 1130 Wien. An diesem Abend werden die Räumlichkeiten, die Möglichkeiten und die Philosophie des Geburtshauses vorgestellt, die Eltern können die Hebammen unverbindlich kennenlernen und im roten „Ferrari“ oder auf dem Gebärhocker probesitzen. Foto-Legende: Die Hebammen des Geburtshauses (v.l.n.r.): Katharina Fuchs, Rotraud Zeilinger, Martina Klasz, Monika Frey-Rahoui Rückfragehinweis: Hebamme Martina Klasz, 0676/9482248