Das Plusenergie-Gebäude wird im Neubau

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Zum NewsLetter 221 vom 2. November 2016
Interview mit Prof. Dr. Volker Quaschning
Ingenieurwissenschaftler
Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft
(HTW) in Berlin
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«Das Plusenergie-Gebäude wird im Neubaubereich der Standard werden»
Die Energieversorgung für eine Begrenzung der globalen
Erwärmung muss schnellstmöglich vollständig durch erneuerbare
Energien gedeckt werden! Diese Ansicht vertritt Prof. Dr. Volker
Quaschning, der sich mit der Simulation von Photovoltaiksystemen
und Szenarien einer klimaverträglichen Energieversorgung für
Deutschland einen Namen gemacht hat. Er ist Autor eines als
Standardwerk geltenden Lehrbuchs über Regenerative
Energiesysteme und beobachtet die Entwicklungen bei der
globalen Energieversorgung mit einem scharfen Auge. Am
Donnerstag, 8. Dezember 2016, wird Prof. Quaschning in der
BernEXPO im Rahmen des 22. Herbstseminars als Referent
auftreten.
Fossile Energieträger sind derzeit sehr billig, die Strombranche befindet sich in Aufruhr – wie
beurteilen Sie die aktuelle Situation auf dem Energiemarkt? Welche Prognosen machen Sie für
die mittlere und längere Zukunft
Solarenergie ist inzwischen noch billiger. Erste Anlagen liefern bald in sonnigen Ländern Solarstrom für weniger als 3 Cent pro Kilowattstunde. Auch in Mitteleuropa produzieren neue Solarund Windkraftanlagen ihren Strom preiswerter als neue fossile Kraftwerke oder Atomkraftwerke. Nur konventionelle Altanlagen sind momentan noch konkurrenzfähig. In wenigen
Jahren werden aber bereits die ersten Solar- und Windkraftanlagen abgeschrieben sein und
können dann sämtliche konventionellen Kraftwerke unterbieten, da sie keine Brennstoffe
einkaufen müssen. Das erklärt auch die derzeitigen Turbulenzen im Strommarkt. Die alten
Energieversorger versuchen, den Ausbau erneuerbarer Energien zu bremsen, um so ihre
Geschäftsmodelle zu retten.
Wie schätzen sie in diesem globalen Ringen um die richtige Energiestrategie die Position und
die Rolle der Schweiz ein?
Die Schweiz hat traditionell schon immer einen hohen regenerativen Anteil durch die starke
Nutzung der Wasserkraft. Die Kernenergie hat aber auch noch einen hohen Stellenwert. Zur
Risikominimierung sollte ein deutlich schnellerer Atomausstieg in Betracht gezogen werden. Im
Verkehrsbereich ist die Schweiz wie die meisten anderen europäischen Länder auf den
massiven Import von Erdöl angewiesen, und Öl- und Gas haben auch im Wärmebereich noch
eine grosse Bedeutung. Hier muss der Umstieg auf Elektroautos und Wärmpumpen weiter
forciert und müssen die zur Deckung des Bedarfs nötigen erneuerbaren Kapazitäten
bereitgestellt werden. Will die Schweiz aktiv das Pariser Klimaschutzabkommen unterstützen,
sollte sie eine kohlendioxidneutrale Energieversorgung bis 2040 anstreben. Eine wirkliche
Strategie existiert dafür wie in vielen anderen Ländern noch nicht.
Bürgerinnen und Bürger erwarten von ihren Wohnsitzländern hinsichtlich ihres Energiebedarfs
Versorgungssicherheit. Wie kann man diese unter den aktuellen Umständen garantieren?
Wir sind heute eine hohe Versorgungssicherheit gewöhnt. Das konventionelle System wird
aber immer anfälliger gegen Angriffe von aussen und Anschläge. Ein längerer Stromausfall
würde die Wirtschaft empfindlich treffen. Dezentrale erneuerbare Energieanlagen mit
Speichern, die im Notfall auch einen Inselbetrieb gewährleisten, können die
Versorgungssicherheit auch im Krisenfall deutlich erhöhen. Das sollte bei der Planung
künftiger Energieversorgungssystemen unbedingt berücksichtigt werden.
Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Photovoltaik und die Solarthermie?
Die Solarenergie hat unter den erneuerbaren Energien die grössten Potenziale. Die
Photovoltaik ist dabei noch deutlich flexibler einsetzbar als die Solarthermie und verspricht
mittelfristig auch schnellere Kostensenkungen. Für Deutschland rechnen wir damit, dass die
Photovoltaik rund 30 Prozent des künftigen Gesamtenergiebedarfs decken wird. Diese
Abschätzungen lassen sich auch problemlos auf die Schweiz übertragen. Für einen wirksamen
Klimaschutz muss allerdings der Ausbau der Solarenergie deutlich schneller als heute
erfolgen.
In der aktuellen Debatte gibt es Stimmen, die für eine höchstmögliche Autarkie einstehen,
andere plädieren gerade bei der Versorgung mit elektrischem Strom für grenzübergreifende
internationale Netze. Wohin geht der Trend?
Es wird eine Mischung aus beidem sein. Durch eine stärkere Vernetzung lassen sich
Ausgleichseffekte nutzen und damit der Speicherbedarf reduzieren. Eine hohe Autarkie
erhöht die Unabhängigkeit von Energieimporten und letztendlich auch die
Versorgungssicherheit. Hier muss ein guter Kompromiss gefunden werden.
In der Schweiz ist das Plusenergie-Gebäude (PEG) dabei, sich Bahn zu brechen. Es
produziert über das Jahr gesehen mehr elektrischen Strom als es für seinen Betrieb benötigt.
Welchen Beitrag können diese Kraftwerk-Häuser an die Energieversorgung leisten?
Im Neubaubereich wird das der künftige Standard sein. Dadurch lässt sich der Klimaschutz
effizient umsetzen und gleichzeitig eine hohe Autarkie erreichen. Im Bestand lassen sich
solche Konzepte aber ungleich schwerer umsetzen. Für den Klimaschutz muss es uns
letztendlich aber auch gelingen, in den nächsten 25 Jahren alle Bestandsgebäude klimaneutral mit Strom und Wärme zu versorgen. Das ist noch eine enorme Herausforderung.
Sie werden am 8. Dezember 2016 am 22. Herbstseminar in Bern als Referent auftreten. Das
Schlüsselthema des Anlasses ist die Revolutionierung des Energiebereichs durch die
Digitalisierung. Was ist Ihre Meinung dazu?
Künftige Systeme zur Energieversorgung werden immer komplexer. Für eine sichere und
kostengünstige Energieversorgung müssen die Fluktuationen der Solar- und Windenergie
intelligent ausgeglichen und die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr vernünftig gekoppelt
werden. Die Digitalisierung kann dabei einen wichtigen Beitrag leisten. Auch bietet sie die
Chance, neue attraktivere Angebote für die Endkunden zu entwickeln. Damit kann es vielleicht
gelingen, den für den Klimaschutz dringend benötigten Schwung beim Umbau unserer
Energieversorgung zu erzeugen.
Kontakt:
Prof. Dr.-Ing. Volker Quaschning
HTW Berlin, Wilhelminenhofstr. 75A, DE-12459 Berlin
Tel. +49 30 5019-3656, E-Mail [email protected]
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