priesterlicher dienst an der freude in christus

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PRIESTERLICHER DIENST AN DER FREUDE IN CHRISTUS1
Bischof Kurt Koch
Was kann und soll man einem Priesterweihekandidaten und nach dieser Feier geweihten
Priester wünschen? Auf diese Frage, die Sie wahrscheinlich auch bewegt, finde ich keine
schönere Antwort als die, die Jesus selbst im heutigen Evangelium gibt, wenn er zu seinen
Jüngern spricht, „damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“.
Denn Priester sollen Künder der Freude sein; dies können sie aber nur, wenn sie selbst von
jener Freude erfüllt sind, die sie verkünden.
Freude im Evangelium
Freude ist das Grundwort der Heiligen Schrift. Das erste Wort des Neuen Testaments heisst
Freude, wie der Dialog zeigt, den der Engel Gabriel mit Maria führt und sie dabei mit den
Worten anspricht: „Ich grüsse dich.“ Das griechische Wort heisst genau übersetzt: „Freue
dich, Maria!“ Auf den ersten Blick erscheint es seltsam, dass der Engel Maria nicht mit dem
jüdischen Grusswort, das „schalom“ heisst, anspricht, sondern mit dem Grusswort der
Griechen: „cheire“ – „Freue dich!“ Damit wird angezeigt, dass mit der Ankündigung des
Kommens des Menschensohnes eine neue Freude in die Welt kommen wird, die nicht mehr
nur den Juden zugesagt ist, sondern auch den Griechen, die stellvertretend für die vielen
Völker stehen. Die Freude, die mit Christus in die Welt kommt, gilt allen Menschen.
Von daher kann es nicht erstaunen, dass sich die Einladung zur Freude wie ein roter Faden
durch das ganze Neue Testament zieht. Selbst nach dem Bericht von der Himmelfahrt
Christi erwähnt der Evangelist Lukas, dass die Jünger anschliessend „in grosser Freude“
nach Jerusalem zurückgekehrt sind (Lk 24, 52). Auch hier erscheint es zunächst seltsam,
dass der Abschied Jesu von unserer Erde ein Ereignis der Freude sein soll. Der eigentliche
Grund dafür aber besteht darin, dass die Himmelfahrt keine Trennung Christi von seinen
Jüngern bedeutet, sondern der Beginn einer neuen, unzerstörbaren und endgültigen
Gegenwart bei seinen Jüngern. Deshalb geht der Zumutung Jesu an die Jünger im
Evangelium – „Bleibt in meiner Liebe“ – die Zusage voraus, dass Christus selbst bei seinen
Jüngern bleibt. Die Himmelfahrt Christi bringt gerade nicht seine Abwesenheit in der Welt mit
sich, sondern schliesst ein neues Bleiben Christi bei seinen Jüngern ein.
Dies ist der wahre Grund der Freude des christlichen Glaubens. Das Neue Testament ist
deshalb wirklich „Evangelium“, die gute Nachricht, die uns Freude bereitet. Im Dienst der
Verbreitung dieser Freude dürfen die Priester stehen. Sie sind deshalb im besten Sinn des
Wortes „Evangelisten“: „Frohbotschafter“. Doch wie steht es um diese Freude in der heutigen
Gesellschaft und Kirche? Sind wir Christen wirklich Menschen, bei denen man spürt, dass
sie eine innere Freude in sich tragen, oder ist Freude heute nicht weithin Mangelware
geworden? Ein bekannter Denker unserer Zeit hat von der Unfähigkeit zu trauern
gesprochen. Aber liegt dieser nicht die noch tiefere Unfähigkeit zur Freude voraus und
zugrunde?
Für nicht wenige Menschen heute steht die Freude unter einem generellen Verdacht. Sie
halten die Freude für unangebracht und geradezu für amoralisch in einer Welt, in der so viele
Menschen leiden und Unrecht ertragen müssen. Und auch in der Kirche heute weicht die
Freude so oft eher einer dumpfen Niedergeschlagenheit, die ihren Grund darin hat, dass
nicht wenige an der Unvollkommenheit der Kirche leiden und dass ihre Hoffnungen und
Träume nicht in Erfüllung gegangen sind. Diese Gründe müssen wir gewiss ernst nehmen;
aber sollen wir uns deshalb die Freude nehmen lassen?
1
Homilie in der Feier der Priesterweihe in der Kathedrale St. Urs und Viktor in Solothurn am 14. Juni 2009.
2
Dass dies kein hilfreicher Weg sein kann, hat der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner
mit dem treffenden Vergleich von Mozart und den Wiener Philharmonikern veranschaulicht:
Von ihnen weiss man, dass sie intern oft Streitereien haben, dass sie noch nicht bereit sind,
Frauen als Vollmitglieder in das Ensemble aufzunehmen und dass es oft nicht transparent
ist, auf welche Weise Entscheidungen zustande kommen. Alle diese unerfreulichen
Erscheinungen können aber keinen Musikliebhaber davon abhalten, hinzugehen und Mozart
zu hören, unter der strikten Voraussetzung freilich, dass wirklich Mozart gespielt wird.
Übertragen auf die heutige Situation der Kirche hat Zulehner aus diesem Vergleich gefolgert:
„Heute scheinen die Kirchen viel Energie mit der Reorganisation des Ensembles zu
verbringen. Um den Mozart ist es still geworden.“2 Verhielte es sich wirklich so, wäre dies
gewiss ein schlechtes Zeugnis für die Kirche in der heutigen Welt, in der wir alle uns doch
bemühen sollten, dass in unserer Kirche wirklich immer wieder „Mozart“ vernehmbar wird.
Freude und Eucharistie
Dies ist freilich nur möglich, wenn im Mittelpunkt des kirchlichen Lebens nicht einfach jene
Freude steht, die wir uns selbst bereiten, sondern jene Freude, die ihren Seelengrund im
Evangelium hat. Denn aus eigener Erfahrung wissen wir, dass selbst produzierte Freude es
höchstens zur Fröhlichkeit bringt, die selten lange Bestand hat. Die Freude aber, um die es
im christlichen Glauben geht, ist jene Freude, die Gott an uns hat. Solche Freude ist so sehr
das Erkennungszeichen des christlichen Glaubens, dass man als Kriterium für die heute so
notwendige Unterscheidung der Geister formulieren kann: Überall dort, wo – auch und
gerade in der Kirche – Freudlosigkeit und deprimierte Aufgebrachtheit herrschen, ist der
Geist Jesu Christi gewiss nicht am Werk. Dort wirkt vielmehr der manchmal so freudlos
gewordene Zeitgeist.
Die wahre Freude, die auch angesichts vieler Widerwärtigkeiten heute bleibt und trägt,
können wir nicht selbst herstellen, sondern wir können uns nur auf sie einstellen und sie uns
zumuten lassen, wie Jesus sie den Jüngern im heutigen Evangelium zuspricht: „Nicht ihr
habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.“ Auch in der alttestamentlichen Lesung ist
es Gott, der Samuel – freilich durch die Vermittlung des Priesters Eli– beruft. Und in der
neutestamentlichen Lesung ist es wiederum Gott selbst, der die Gnadengaben und die
Ämter in der Kirche zuweist. Damit kommt überdeutlich zum Ausdruck, dass wir Kirche nicht
einfach nach eigenem Gutdünken bauen oder umbauen können, sondern dass uns
Entscheidendes vorgegeben ist, in das wir uns einfügen müssen. Der eigentliche Grund
unserer Freude können deshalb nicht einfach unsere eigenen Ideen, Theorien und Träume
sein, sondern ist eine Person, nämlich Jesus Christus selbst.
In einer kaum mehr zu überbietenden Radikalität hat im 9. Jahrhundert der grosse Theologe
Johannes Scotus Eriugena den tiefsten Grund der Freude mit den Worten ausgesprochen:
„Nichts anderes darf ersehnt werden als die Freude der Wahrheit, die Christus ist… Wenn du
mir Christus nimmst, bleibt mir kein Gut mehr, und nichts anderes fürchte ich als sein
Fehlen.“3 Dies ist die innerste Mitte des Glaubens, aus der wir Christen leben dürfen. Solche
Freude ist in besonderer Weise dem Priester zugemutet; und nur in ihr hat auch das
priesterliche Versprechen der Ehelosigkeit seinen Sinn. Nur wenn Christus die wahre Freude
ist, kann zölibatäres Leben gelingen, zumal in der heutigen Zeit, in der diese Lebensform
auch in der Kirche in Frage gestellt und angefeindet wird.
Nur einem Christen, der in Christus seine wahre Freude findet, kann die Kirche den Auftrag
anvertrauen, in den Feiern der Sakramente den unsichtbar gegenwärtigen Christus sichtbar
darzustellen und in seinem Namen – „in persona Christi“ - zu handeln. Dies gilt besonders
von der Feier der Eucharistie, die der höchste und grösste Gebetsakt ist, den die Kirche
2
P. M. Zulehner, Mozart und die Wiener Philharmoniker, in: G. Fürst (Hrsg.), Dialog als Selbstvollzug der Kirche (Freiburg i. Br. 1997)
230-241, zit. 236.
3
Johannes Scotus Eriugena, De divisione naturae V.
3
durch Christus Gott darbringt. Gerade in der Eucharistie muss der Priester mit seiner
subjektiven Person zurücktreten, damit Christus in Erscheinung treten kann, der der
eigentliche Vorsteher der Eucharistie ist. Erscheinung Christi in der Eucharistie kann sich
nämlich nur ereignen, wenn der Priester nicht der „Epiphanie“ des eigenen Ich frönt. Denn
das Höchste, das dem Priester zugemutet ist, besteht darin, dass er nicht im eigenen
Namen, sondern nur mit dem Ich Christi sprechen kann: „Ich taufe dich“; „Ich spreche dich
los von deinen Sünden“; „Dies ist mein Leib und mein Blut“.
Das Höchste kann sich freilich immer wieder als das am meisten Gefährdete herausstellen,
und zwar vor allem dann, wenn das Erhabenste zur Selbstverständlichkeit oder gar zur
Routine verkommt. Der Priester muss deshalb alle Vorsorge dafür treffen, dass er immer in
Christus bleibt und in ihm seine Freude erfährt. Die tägliche Feier der Heiligen Messe kann
dafür eine grosse Hilfe für den Priester sein. Denn nur wenn der Priester mit Christus in
Freundschaft verbunden ist, kann er wirklich Diener der Freude der ihm anvertrauten
Menschen sein.
Mass-loses Mass der eucharistischen Liebe
„Bleibt in meiner Liebe.“ Auf dieses Bleiben kommt es in der Tat entscheidend an, vor allem
wenn nach den grossen Feierlichkeiten von Priesterweihe, Primiz und Nachprimiz der Alltag
beginnt. Hier muss sich bewähren, was sich in der Priesterweihe ereignet hat. Christus nennt
euch Freunde und gibt zugleich ein eindeutiges Kriterium für diese Freundschaft: „Ihr seid
meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“ Jesus beauftragt Euch, liebe
Weihekandidaten, jene Liebe und Freude, die er uns in der Eucharistie schenkt, im Alltag zu
den Menschen zu tragen, damit sie immer mehr eucharistische Menschen werden können.
Dies ist zweifellos eine grosse Zumutung, die Jesus im Evangelium aber nochmals zuspitzt,
indem er auch das Mass der Liebe vorgibt. Der johanneische Jesus geht dabei weit über das
hinaus, was wir vom Alten Testament her kennen und was auch Jesus aufgegriffen hat: „Du
sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Aus eigener Erfahrung wissen wir alle, dass
es keineswegs leicht ist, andere Menschen so zu lieben, wie man sich selbst liebt, und dass
eigentlich schon sehr viel erreicht wäre, wenn uns dies gelänge. Jesus genügt dies aber
immer noch nicht. Denn mit der Selbstliebe allein werden Kriterium und Mass der Liebe noch
immer von uns selbst abgeleitet. Demgegenüber stellt uns Jesus kein geringeres Kriterium
und Mass als seine eigene Liebe zu uns vor Augen: „Liebt einander, wie ich euch geliebt
habe.“ Erst wenn die Liebe bis zum Äussersten geht und kein anderes Mass mehr kennt als
die masslose Liebe Gottes, erhält sie ihre christliche Prägung und trägt das unüberbietbar
Neue des christlichen Glaubens in sich.
Wird uns damit aber nicht ein Ziel vor Augen geführt, das wir gar nicht erreichen können?
Um diesem hohen Anspruch standhalten zu können, müssen wir danach fragen, worin denn
die Liebe Jesu zu uns Menschen besteht. Die Heilige Schrift nennt das entscheidende
Stichwort: Erbarmen. Jesus ist der Gute Hirt gerade darin, dass er aus Erbarmen mit uns
Menschen selbst Lamm geworden ist, um auf die Seite der leidenden und geschundenen
Lämmer dieser Welt zu treten. Dies können freilich diejenigen nicht ertragen, die erwartet
haben, dass Gott als Tiger oder als Löwe in die Welt kommt, weil sie sich selbst wohl eher
als Tiger und Löwe denn als Lamm verstehen und sich deshalb auch auf das Lamm stürzen
und es töten. Damit scheint der Ernstfall der Liebe Christi zu uns Menschen auf: Sein LammWerden heisst Kreuz.
Zum Geheimnis Jesu Christi gehört unabdingbar und nicht verdrängbar das Kreuz, auch
wenn dies dem „Löwen“ in uns nicht passt. Doch wir verkürzen und entstellen das
Evangelium Jesu Christi, wenn wir die Wirklichkeit des Kreuzes ausblenden, wenn wir nur
noch seine Worte verkünden, dabei aber vergessen, dass er seine Worte mit seinem Leben
bezahlt hat. Bei ihm gibt es keine Währung ohne Deckung. Er hat seine Währung vielmehr
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mit dem eigenen Leben gedeckt. Deshalb ist auf ihn Verlass, und deshalb können wir
unseren ganzen Kredit auf ihn legen und ihm auch unser Leben anvertrauen.
Nur derjenige steht wirklich zu Jesus und findet in ihm die tiefste Freude, wer ihn mit seinem
Kreuz annimmt. Denn zum Christsein gehört die Nachfolge im Kreuz und deshalb die
Teilnahme an der Eucharistie, in der Christi Lebenshingabe am Kreuz Gegenwart für uns
wird, an jenem Kreuz, an dem Jesu Liebe zu uns Menschen das Gesicht des grenzenlosen
Erbarmens gezeigt hat und sein Erbarmen Lebenshingabe geworden ist: Der Hirt selbst wird
Lamm, um uns Menschen sein Geheimnis zu offenbaren: „Es gibt keine grössere Liebe, als
wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“
Dieser Gute Hirt soll in Eurem Leben und Wirken als Priester sichtbar werden. Damit Ihr dies
vermögt, erhaltet Ihr in der Priesterweihe besonderen Anteil am Geheimnis des Kreuzes.
Wenn ich Euch nach dem sakramentalen Zeichen der Handauflegung und dem Weihegebet
Brot und Wein in Patene und Kelch überreichen werde, werde ich Euch die Worte
zusprechen: „Empfange die Gaben des Volkes für die Feier des Opfers. Bedenke, was du
tust, ahme nach, was du vollziehst, und stelle dein Leben unter das Geheimnis des
Kreuzes.“
Ja, stellt Euer Leben unter das Geheimnis des Kreuzes. In ihm findet Ihr den tiefsten Grund
der Freude, die zu verkünden ihr gesandt seid. Das Zeichen des Kreuzes ist ein Bekenntnis
zum dreifaltigen Gott, der in der Gemeinschaft mit den Heiligen lebt. Sie wollen wir jetzt
anrufen, damit sie ihre schützende Hand über Euch halten: jetzt in der Heiligen Handlung der
Weihe und in Eurem ganzen Leben und Wirken als Priester. Amen.
Erste Lesung: 1 Sam 3, 1-10
Zweite Lesung: Eph 4, 1-7. 11-13
Evangelium:
Joh 15, 9-17
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