Standespolitik Das Interview des Präsidenten der Bayerischen Landeszahnärztekammer, Zahnarzt Michael Schwarz, zu den neuen Weiterbildungsordnungen für Kieferorthopädie und Oralchirurgie, veröffentlicht im Bayerischen Zahnärzteblatt in der November-Ausgabe 2003, S. 4 bis 5 unter der Rubrik Standespolitik, hat die bayerischen Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zu einer Stellungnahme veranlaßt, auf die wiederum der Vizepräsident Christian Berger antwortet. Das BZB dokumentiert diesen Diskurs zwischen Universität und Kammer. Vizepräsident Christian Berger unterstreicht in seiner Reaktion die Notwendigkeit, die Diskussion zu versachlichen. Quo vadis Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde? Zahnmedizin oder Zahntechnik? Stellungnahme der bayerischen Hochschullehrer A ufgrund der Auswahl des Gesprächsführers (RA Peter Knüpper, Hauptgeschäftsführer der Bayeri„ schen Landeszahnärztekammer) und der Veröffentlichung im BZB stellen die Äußerungen des Präsidenten der Bayerischen Landeszahnärztekammer unseres Erachtens ein offizielles Statement dar. Die Ansichten, bzw. Erläuterungen im Zusammenhang mit der Diskussion um eine neue Weiterbildungsordnung bergen unseres Erachtens die Gefahr, daß der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zumindest in Bayern die Berechtigung als universitäres Fach entzogen wird. Mit dem Verzicht auf eine verbindliche wissenschaftliche Basis unseres Faches würden wir uns jedoch freiwillig und ohne Not vom akademischen Niveau verabschieden und einen dem internationalen Trend entgegengesetzten Weg einschlagen. Dies kann nicht im Sinne der BLZK und der darin zusammengeschlossenen Zahnärzte sein. Wissenschaftliche Grundlage für unser Berufsbild stärken Auf die Frage, ob auf die wissenschaftliche Weiterbildung verzichtet werden könne, antwortete Michael Schwarz: ‚Sicher nicht!‘ Diese Aussage wird jedoch durch die folgende Erläuterung relativiert: ‚Die Richtlinien, die der Vorstand beschlossen hat, empfehlen sogar die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen, die hoffentlich an den bayerischen Universitäten für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde angeboten werden. Aber ebenso wichtig ist die Praxis. Deshalb ist unsere Weiterbildung auf drei Säulen errichtet, der BZB/September/04/BLZK&KZVB wissenschaftlichen Weiterbildung an den Universitäten, dem learning by doing in ermächtigten Praxen und dem Input jener Zahnärzte, die als Weiterbildungsassistenten noch einmal vier Jahre ihrer Berufstätigkeit investieren, um sich zu Fachzahnärzten weiterzubilden, die mit den Anforderungen der Praxis vertraut sind.‘ Das Problem einer reinen ‚Empfehlung‘ liegt naturgemäß in der Gefahr einer beabsichtigten oder unbeabsichtigten Aufweichung der Anforderungen. Die Bayerische Landeszahnärztekammer muß jedoch in aller Form und immer wieder deutlich machen, daß für die Weiterbildung die wissenschaftliche Basis eine unabdingbare Grundlage ist und daß demnach der von den bayerischen Hochschullehrern für Kieferorthopädie vorgelegte Katalog nach Inhalt und Konsekutivität die wissenschaftliche Basis definiert. International nicht den Anschluß verlieren Daß wir einen weitgehenden Verlust des wissenschaftlichen Aspekts in der Ausbildung heute hinnehmen müssen, ist durch äußere kaum beeinflußbare Umstände bedingt, wie der Entwicklung der Universität zur Massenausbildungsstätte, die ständig zunehmende Restriktion und eine aus dem Jahr 1955 stammende Approbationsordnung. Die eigene berufsständische Vertretung sollte alles daransetzen, die wissenschaftliche Grundlage für unser Berufsbild zu stärken, um den Verdacht zu vermeiden, daß eine alleinige Orientierung am reinen Praxisbezug für ausreichend erachtet wird. Wäre letzteres der Fall, würden wir international den Anschluß 7 Standespolitik verlieren, da den so Weitergebildeten das Rüstzeug fehlt, um auf neue Anforderungen und Veränderungen des Berufsbildes kreativ und flexibel reagieren zu können. Damit würde aber auch die Berechtigung der Zahnheilkunde als universitäres Fach aus den eigenen Reihen in Frage gestellt. BLZK muß Gefahr der FH-Ansiedelung entschieden entgegentreten Nicht vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang, daß Prof. Dr. Max Einhäupl, der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, die Pharmazie und die Zahnheilkunde als rein praxisorientierte Fächer an der Fachhochschule angesiedelt sah. Auch diese Äußerungen zeigen deutlich die möglichen Gefahren auf, denen entgegenzutreten das wohl verstandene Interesse der BLZK sein muß. Außerordentlich problematisch erscheinen uns dabei die Äußerungen des BLZK-Präsidenten ZA Michael Schwarz zur Weiterbildungskapazität an den bayerischen ZMKKliniken. Hier heißt es: ‚Ich bin allerdings der Meinung, daß wir z.B. bei der Anerkennung der universitären Weiterbildung dieselben Maßstäbe ansetzen sollten, wie in der Praxis. Wenn es nach mir geht, kann es in Zukunft auch an den Universitäten nur je einen Weiterbildungsassistenten je beschäftigtem Fachzahnarzt für Kieferorthopädie oder Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, bzw. Fachzahnarzt für Oralchirurgie geben. Sicher läßt sich auch auf diese Weise die Qualität der Weiterbildung verbessern.‘ Auch die Frage, ob die BLZK nicht mit der dreijährigen Ermächtigung von Fachzahnärzten für Oralchirurgie eine Verschlechterung der Weiterbildung in der Chirurgie riskiert, wurde im gleichen Sinn beantwortet: Michael Schwarz: ‚Das Behandlungsspektrum von niedergelassenen Mund-, Kieferund Gesichtschirurgen und von Oralchirurgen ist weitgehend identisch. Auch ging der Trend weg von stationärer und hin zu tagesund teilstationärer Behandlung. Wir bewerten künftig alle Weiterbildungsstätten allein nach der Anzahl und Art der dort durchgeführten operativen Eingriffe. Das sehen wir nicht als Risiko, sondern als Beitrag zur Qualitätssicherung.‘ 8 Keine Gleichstellung von Praxis und Universität! Diese Äußerungen zur Gleichstellung von Praxis und Universität können nicht unwidersprochen bleiben. Die Weiterbildung vor dem Hintergrund der interdisziplinären Zusammenarbeit an einer medizinischen Fakultät ist mit einer an der Fallzahl orientierten Behandlung in der Praxis nicht zu vergleichen. Außerdem ist das Patientenspektrum an einer Universitätsklinik ein anderes als in der Praxis. Wer behandelt in Zukunft Problemfälle? Wie lernt und erfährt der angehende Fachzahnarzt die Kooperation mit medizinischen Nachbardisziplinen, die gerade bei Problemfällen von enormer Bedeutung ist? Quantität kann nicht herausragendes Qualitätsmerkmal sein. Die Gleichsetzung der Tätigkeit eines Facharztes für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie mit derjenigen eines Zahnarztes für Oralchirurgie ist schlichtweg nicht sachgerecht. Neue WBOs lassen Entakademisierung der Zahnmedizin fürchten Auch die Äußerungen von Dr. Dr. Reiner Oemus in den Kieferorthopädischen Nachrichten Nr. 3, Oktober 2003, S. 18, machen Befürchtungen deutlich, daß die neue Weiterbildungsordnung zu einer Entakademisierung unseres Faches führen kann. Das an gleicher Stelle veröffentlichte Erlanger Statement wurde von der überwiegenden Mehrheit der 54 zur Weiterbildung in Bayern ermächtigten Kieferorthopäden unterzeichnet. Darin wird konstatiert: ‚Die geplante Form der Weiterbildungsordnung ist Wegbereiter, die Weiterbildung auf das Niveau einer Schwerpunktätigkeit für Kieferorthopädie abzusenken.‘ Diese Statements verdeutlichen, welche Gefahren insbesondere bei einer mißbräuchlichen Auslegung und einer Aufweichung der wissenschaftlichen Basis der neuen Weiterbildungsordnung von vielen Seiten gesehen werden. Rein praxisorientierte Weiterbildung wird den modernen Entwicklungen nicht gerecht Die Bayerische Landeszahnärztekammer muß unseres Erachtens bei all ihren Entscheidungen deutlich machen, daß sich die Zahnheilkunde im Wandel befindet und die BZB/September/04/BLZK&KZVB Standespolitik Konzentration auf rein mechanisch-technische Fähigkeiten für das Berufsbild eines Zahnarztes der Zukunft nicht mehr ausreicht. Daher wird eine rein praxisorientierte Weiterbildung den modernen Entwicklungen nicht gerecht. Jeder Anschein, daß dies ggf. doch möglich wäre, sollte tunlichst vermieden werden. In die zahnmedizinische Betreuung müssen heute und in der Zukunft in immer größer werdendem Umfang allgemeinmedizinische Aspekte einbezogen werden. Einen besonderen Schwerpunkt stellen dabei die vielseitigen Wechselwirkungen zwischen allgemeinmedizinischen Erkrankungen und Störungen im Bereich der Mundhöhle, bzw. des stomatognathen Systems dar. Daher kann die mechanische Behandlung zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Kaufunktion für den modernen Zahnarzt nicht mehr ausreichend sein. Für die moderne Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist die verstärkte Einbeziehung aktueller wissenschaftlicher Entwicklungen, z.B. molekularbiologischer Methoden und Erkenntnisse nicht nur in der Forschung unentbehrlich. Dies setzt einen Zahnarzt voraus, der seinen Beruf nicht nur mit Fingerfertigkeit ausübt, sondern in der Lage ist, wissenschaftliche Erkenntnisse kritisch zu beurteilen und gegebenenfalls umzusetzen. Nur auf wissenschaftlicher Grundlage ist Weiterentwicklung möglich, auch von Ideen und Anregungen aus der Praxis. Eine Verschulung ohne Möglichkeit einer kritischen wissenschaftlichen Hinterfragung und Weiterentwicklung bedeutet Stagnation, und Stagnation bedeutet Rückschritt. Die BLZK hat Verantwortung auch für die Zukunft unseres Faches, die es im wohl verstandenen Interesse der in ihr zusammengeschlossenen bayerischen Zahnärzte wahrzunehmen gilt. International ist dieser Trend anerkannt und wird in der zahnärztlichen Aus- und Weiterbildung berücksichtigt. Daher muß auch eine Weiterbildungsordnung diesem Aspekt in jedem Fall Rechnung tragen. Politisch wie inhaltlich muß die BLZK nach außen und innen deutlich machen, welchen enormen Stellenwert die wissenschaftlichen Grundlagen für unser Fach haben.“ Bayerische Hochschullehrer Si tacuisses… Erwiderung des BLZK-Vizepräsidenten D ie Frage des ‚Quo vadis‘ sollte in der Zahnmedizin losgelöst von aktuellen Fragen diskutiert werden. „ Es ist falsch, diese Frage in einen Zusammenhang zu stellen mit der Umsetzung normativer Regelungen wie der Weiterbildungsordnung. Anlaß zur Diskussion über die Zukunft der Zahnmedizin gibt es genug, seien es die Vorgaben des Gesetzgebers für die vertragszahnärztliche Versorgung, sei es die Diskussion über eine neue Approbationsordnung. Die Herausforderungen der Zukunft werden stark durch die weiter fortschreitende Europäisierung bestimmt, die leider nach dem Motto ‚Integration geht vor Qualifikation‘ abläuft. Hier ist es die Aufgabe von Kammern und Universitätslehrern, BZB/September/04/BLZK&KZVB gemeinsam auf die Erfolge der Zahnmedizin in Prävention und Therapie hinzuweisen und das Primat der Qualität für die Zukunft einzufordern. Der Weg in die Zukunft wird für alle spürbare und manchmal schmerzhafte Einschnitte mit sich bringen, für Kammern, für Universitäten und für Zahnärzte. Gerade deshalb wäre ein Wille zum Konsens, ein koordinierter Einsatz für gemeinsame Ziele und Rücksicht aufeinander angebracht. Statt Ermahnung Wille zum Konsens und koordinierten Einsatz für gemeinsame Ziele Was die konkrete Gestaltung eines Curriculums in der Weiterbildungsordnung der Bayerischen Landeszahnärztekammer angeht, so verwundert die Einschätzung, daß es in die- 9 Anzeige Und was machen Sie in Ihrer Freizeit? Ihre Abrechnung? – Das erledigen wir für Sie! ♦ Individuelle Betreuung sem Zusammenhang zu einer ‚beabsichtigten oder unbeabsichtigten Aufweichung der Anforderungen‘ kommen könnte. Erinnert sei daran, daß die Inhalte des Curriculums Kieferorthopädie von den Universitätslehrern selbst erarbeitet wurden – nicht vom Vorstand, geschweige denn dem Präsidium der Bayerischen Landeszahnärztekammer. Die BLZK hat dankbar registriert, daß die Inhalte des Curriculums durch entsprechende Veranstaltungen an den Universitäten vermittelt werden sollen. Ebenso ist zu betonen, daß zwischen dem Curriculum selbst, seinen Inhalten und den durchgeführten Maßnahmen ein Unterschied dahingehend besteht, daß es – so auch das zuständige Gesundheitsministerium – kein Monopol auf Kursveranstaltungen, weder an den Universitäten noch bei den Kammern, geben kann. Insofern bedarf es keiner Ermahnung durch die Universitätslehrer, die Landeszahnärztekammer müsse ‚in aller Form und immer wieder deutlich machen, daß für die Weiterbildung die wissenschaftliche Basis eine unabdingbare Grundlage ist‘. hinsichtlich GOZ/BEMA/ Gesundheitsreform 2004 ♦ Abrechnung nach GOZ/GOÄ ♦ KZV-Abrechnung für Zahnersatz ♦ Forderungsabkauf ♦ 24 Jahre Abrechnungserfahrung ♦ Erstklassige Referenzen Medas GmbH Treuhandgesellschaft für Wirtschaftsinkasso und medizinische Abrechnungen Messerschmittstraße 4 80992 München www.medas.de Fordern Sie einfach unsere Unterlagen an! 089 14310-108 Fax 089 14310-200 [email protected] 10 Zerrbild der Kammer gezeichnet Gänzlich unannehmbar ist die Verdächtigung, die eigene berufsständische Vertretung könne die Berechtigung der Zahnheilkunde als universitäres Fach in Frage stellen. Auch wenn derartige Formulierungen im Konjunktiv stehen, zeigen sie ein Zerrbild der Kammer, das in keinster Weise der Realität entspricht. Daß dieses Zerrbild von Wissenschaftlern gezeichnet wird, muß verwundern. Die gemeinsamen Bemühungen bei Verabschiedung der Weiterbildungsordnung und Einführung und Umsetzung des Curriculums werden hier völlig ausgeblendet. Gemeinsames Gespräch anberaumt Sinnvoll wäre es sicher gewesen, solche Behauptungen zunächst zwischen Vorstand und Universitätslehrern zu diskutieren und – wenn möglich – auszuräumen, bevor es zu einer standesinternen öffentlichen Auseinandersetzung kommt. Die Universitätslehrer der Kieferorthopädie haben darauf bestanden, ihre Vorhaltungen öffentlich zu machen. Der Kammervorstand dagegen hat zu einem Gespräch eingeladen, das im September in Würzburg stattfinden wird. Über die Ergebnisse des Dialogs zwischen Universität und Kammer wird berichtet werden. Ut quisque fortuna utitur, ita praecellet.“ Christian Berger, Vizepräsident der BLZK BZB/September/04/BLZK&KZVB