KOINONIA Schriftenreihe des Ostkirchlichen Instituts Regensburg Bd. IX Herausgegeben von Albert Rauch und Paul Imhof SJ Albert Rauch • Paul Imhof SJ (Hg.) Das Dienstamt der Einheit in der Kirche Primat — Patriarchat — Papsttum 1 EOS VERLAG ERZABTEI ST. OTTILIEN Unîver^tSts- Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Das Dienstamt der Einheit in der Kirche: Primat - Patriarchat - Papsttum / Albert Rauch; Paul Imhof (Hg.). — St. Ottilien: EOS Verl., 1991 (Koinonia; Bd. 9) ISBN 3-88096-^668-0 N E : Rauch, Albert [Hrsg.]; GT Imprimi potest Monachii, die 23. Julii 1991 P. J ö r g Dantscher SJ Praep. Prov. G e r m . Sup. SJ © E O S Verlag Erzabtei St. Ottilien Gesamtherstellung: E O S Druck, 8917 St. Ottilien Schrift: 10/12 u n d 8/9 Punkt PC-Palatino f;: f $8026 INHALT Vorwort 11 Paul Imhof SJI Albert Rauch Dreifaltigkeit 21 Friedrich Kardinal Wetter Dialog 27 Friedrich Kardinal Wetter Christliche Einheit 33 Seine Heiligkeit Papst Shenuda III. Geschichtliche Aspekte des petrinischen Dienstamtes Der hl. Apostel Petrus i n Antiochien u n d dessen Nachfolger 45 Hanna Aydin Die Stellung der Patriarchen v o n Antiochien als Nachfolger des heiligen Petrus in der syrisch-orthodox-indischen Tradition . . . . 63 Jacob Adai Der Bischof von R o m i n frühen Zeugnissen der lateinischen Liturgie 73 Klaus Gamber (t) 7 Das fortlebende Petrusamt in der Kirche: Exklusiver Primat des Papstes oder sakramental b e g r ü n d e t e s Prinzip der Einheit im Rahmen der kirchlichen Koinonia? Hans-Joachim Schulz Die Entwicklung der kirchlichen Regionalstrukturen i m Spiegel der ältesten Bischofsweiheordnungen Hans-Joachim Schulz Die Stellung des Bischofs von R o m auf dem Konzil von Chalcedon Stephan Otto Horn Das Dienstamt der Einheit in den Kirchen des Ostens Hat die weltliche Macht für die Kircheneinheit z u sorgen? Ernst Chr. Suttner Die Entwicklung der äthiopischen Kirche: Das Dienstamt der Einheit des Metropoliten in Äthiopien u n d des Patriarchen v o n Äthiopien in Geschichte u n d Gegenwart Beide Mariam Mersha Der Patriarch von Alexandrien u n d sein Dienstamt der Einheit in der Koptischen Kirche Michael Ghattas 8 . Der päpstliche Primat aus der Sicht der orthodoxen Tradition . . . 183 Evangelos D. Theodorou Das Dienstamt der Einheit in der bulgarischen Kirchentradition 219 Angel Krastev Der Metropolit von der Rus' u n d der Patriarch von M o s k a u in ihrem Dienst an der Einheit der Kirche 225 Bischof Anatoly Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Kirche u n d Staat in der Periode der Errichtung des Patriarchats in Rußland . . . 243 Metropolit Iriney Theologische Schulen des Moskauer Patriarchats 271 Dimitri je Kalezic Die Wiederherstellung des gesamtrussischen Patriarchats auf dem Moskauer Konzil 1917-1918 285 Innokentij Pawlow Das Dienstamt der Einheit im Hinblick auf die Universalität der Kirche Orthodoxe Ekklesiologie in der Auseinandersetzung mit d e m Papsttum 321 Albert Rauch 9 Die Einheit der Kirche Christi u n d die Probleme der U n i o 333 Michael Turtschin Oberste einheitliche Kirchenleitung u n d Einheit der Kirche 351 Ludger Bernhard OSB Die Patriarchalstruktur auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil 377 Ferdinand R. Gahbauer OSB Das Bischofsamt als das Dienstamt der Einheit in der Kirche 417 Theodor Nikolaou Das Dienstamt der Einheit des Bischofs von R o m in der neueren ö k u m e n i s c h e n Literatur Heinrich Döring 10 449 Das Bischofsamt als das Dienstamt der Einheit in der Kirche Von Theodor Nikolaou, München Die W a h l des Titels dieses Referates lehnt sich bew u ß t an die Thematik des letzten Regensburger Symposions an, greift aber gleichzeitig das Hauptthema dieser Zusammenkunft auf. Dadurch ist nicht bloß Kontinuität beabsichtigt, sondern w i r d in erster Linie u n d v o n vorneherein herausgestellt, d a ß dem Bischofsamt eine zentrale Bedeutung für die Kircheneinheit zukommt. Diese Bedeutung h ä n g t allerdings aufs engste mit d e m Verständnis v o n Kircheneinheit ü b e r h a u p t u n d d e m v o n dieser Perspektive her ekklesiologisch bedingten Verständnis des Bischofsamts zusammen. D e n n es m u ß deutlich gesagt werden, d a ß nicht nur das A m t s v e r s t ä n d n i s für sich, sondern auch u n d vor allem die Amtsführung ausschlaggebend ist. Indem das Bischofsamt als A m t des Dienstes u n d nicht der Befugnisse u n d Rechte in der Kirche verstanden u n d verwirklicht w i r d , kann es sich der Einheit der Kirche dienlich erweisen. Es hat sich d a r u m stets an d e m Vorbild des H e r r n z u messen, der »nicht gekommen ist, u m sich dienen z u lassen, sondern u m z u dienen u n d sein Leben hinzugeben als L ö s e g e l d für viele« (Mt 20,28), u n d der gesagt hat, » w e r bei euch g r o ß sein will, der soll euer Diener sein, u n d wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein« (Mt 20,26-27; vgl. M k 9,35). 417 Gerade dieses hier angedeutete V e r s t ä n d n i s des Bischofsamts als Dienstamt schlechthin, u n d insbesondere als Dienstamt der Einheit i n der Kirche, erfordert die Untersuchung einiger zentraler Ge- sichtspunkte, die i m folgenden m ö g l i c h s t gründlich behandelt werden. 1. Zum Verständnis von Kircheneinheit in orthodox- katholischer Sicht Die Einheit der Kirche ist eine nicht nur i n ö k u m e nischer, sondern auch in dogmatisch-theologischer Hinsicht ü b e r a u s wichtige Frage. Im Glaubensbekenntnis v o n N i z ä a u n d Konstantinopel, das die gesamte Christenheit trotz der Spaltungen weitgehend vereint, w i r d der Glaube an die »Einheit« der Kirche an erster Stelle z u m A u s d r u c k gebracht. D e m einen u n d einzigen wahren H a u p t der Kirche, Jesus Christus, u n d d e m einen Leib, der v o m H l . Geist belebt u n d geheiligt wird, entspricht die Einheit der Kirche. Die Kircheneinheit ist somit eine Gabe Gottes, aber auch eine Aufgabe für die Gläubigen. Sie ist bedingt durch die Offenbarung in Christus u n d damit vorgegeben i n dem einen überlieferten rechten Glauben u n d d e m » n e u e n Gebot« der Liebe. Es ist allen Christen aufgegeben, diesen einen Glauben z u bekennen u n d das Gebot der Liebe z u verwirklichen. Im gemeinsamen Bekennen des einen Glaubens u n d i m Feiern der Gottesdienste, allen voran der Eucharistie, verwirklichen sie die Kircheneinheit. Diese ist zugleich eine Einheit der kanonischen O r d n u n g , die sich vielfältig, besonders aber in der synodalen Verfassung der Kirche zeigt. 418 In einer solchen Sicht der Kircheneinheit wird die konstitutive Gestalt u n d Funktion des Bischofsamts v o n vorneherein deutlich. Der Bischof trägt die besondere Verantwortung für die rechte Auslegung u n d Weitergabe des einen Glaubens, wacht über den geregelten V o l l z u g der Gottesdienste, insbesondere der Eucharistie, u n d vertritt die Ortskirche nach außen, den anderen Bischöfen gegenüber bzw. mit ihnen auf den Synoden. Es ist wohl allgemein bekannt, d a ß diese Funktion des Bischofs geschichtlich gewachsen ist. Dies bedeutet, d a ß sie sich erst i m Laufe der Kirchengeschichte vor allem der ersten Jahrhunderte herauskristallisiert hat. D o c h ist diese A u s f o r m u n g u n d Herauskristallisierung nicht eine willkürliche Entwicklung, sondern eine v o n Jesus Christus gestiftete u n d i m A p o stelamt vorgebildete Heilsordnung der Kirche. Die theologische Begründung der Ausformung der bischöflichen Gestalt u n d Funktion, wie der Kirchenordnung ü b e r h a u p t , liegt deshalb letztendlich i m Heilswerk Jesu Christi u n d des von i h m der Kirche verheißenen u n d gesandten Parakleten. Sind Christologie u n d Pneumatologie für das Wesen der Kirche bestimmend, so bleiben sie auch für die Frage des Amtes, insbesondere des Bischofsamts die Richtschnur. Denn das A m t steht nicht über der Kirche, sondern es g e h ö r t zur Kirche u n d ist in ihr verwurzelt. A u f g r u n d dieser engen u n d unauflöslichen Verbindimg u n d dieser Verwurzelung des Amtes obliegt die Kircheneinheit zwar dem ganzen Kirchenvolk (Klerus u n d Laien), auf besondere Weise jedoch den h ö c h s t e n kirchlichen A m t s t r ä gern, den Bischöfen. Es ist i n orthodox-katholischen Kreisen allgemein unumstritten, d a ß die Orthodoxe u n d die R ö m i s c h 419 katholische Kirche dieses V e r s t ä n d n i s von Kircheneinheit u n d besonders v o n der Bedeutung des Bischofsamts für die Kircheneinheit teilen. Das D o k u ment der Gemischten Internationalen Kommission für den Theologischen Dialog der beiden Kirchen ü b e r » D a s Sakrament der Weihe i n der sakramentalen Struktur deutung der Kirche, insbesondere die Be- der Apostolischen Sukzession für die Heiligung u n d die Einheit des Volkes Gottes« (Vai a m o / F i n n l a n d , 1988) 1 legt d a f ü r ein deutliches Zeugnis ab. Trotzdem stellen sich immer wieder einige Fragen, welche diese gemeinsame Ü b e r z e u g u n g i n Zweifel ziehen. Ich meine damit i n diesem Zusammenhang nicht irgendwelche s e k u n d ä r e n Fragen u n d noch weniger private theologische Meinungen, wie sie z. B. i m letzten Regensburger Symposion vertreten w u r d e n . Vielmehr geht es u m die zentrale u n d 2 eigentliche Frage des Themas dieser Tagung: W e n n ich richtig sehe, w i r d durch das Thema »Das Dienstamt der Einheit i n der K i r c h e « eine aktuelle 1 2 420 Vgl. hierzu: Ostkirchliche Studien 37 (1988) 328-338. Siehe auch Ökum.Patriarchat Griechisch-Orth. Metropolie von Deutschland (Hg.), Die Eucharistie der einen Kirche, Bonn 1989, 48-58. Th. N I K O L A O U (Hg.), Die orthodox-katholischen Beziehungen (Orthodoxes Forum, 3, 1989, Heft 2), St. Ottilien 1989, 241-250. Vgl. z. B. die Ansicht von Reinhard M. HÜBNER, Die Anfange von Diakonat, Presbyterat und Episkopat in der frühen Kirche, in: A. R A U C H - P . IMHOF (Hg.), Das Priestertum in der Einen Kirche, Aschaffenburg 1986, 45-89, bes. 79-80, »daß die Form des kirchlichen Amtes, wie wir sie in den katholischen und orthodoxen Kirchen finden, eine legitimerweise mögliche, aber nicht ausschließlich mögliche Ausprägung der kirchlichen Dienste darstellt« und daß die beiden Kirchen bei ihren Gesprächen den Blick nicht so sehr auf das, was sie in dieser Frage eint, sondern auf »die Positionen und Fragen der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften« richten, damit ihre Entscheidungen »eine wirklich ökumenische Bedeutung haben«. ökumenische Frage gestellt bzw. eine entspre- chende Antwort erwartet. Die Frage lautet: Ist eine A n n ä h e r u n g zwischen der oben skizzierten orthodoxen Lehre u n d dem bekannten römisch-katholischen Dogma v o m universellen Jurisdiktionsprimat u n d Lehramt des Bischofs v o n R o m m ö g l i c h ? Es erübrigt sich hier z u e r w ä h n e n , d a ß viele, darunter auch sehr namhafte Theologen beider Kirchen interessante u n d z . T . viel beachtete Vor- s c h l ä g e gemacht haben. Es g e n ü g t in diesem Z u sammenhang, jeweils ein römisch-katholisches u n d ein orthodoxes Beispiel a n z u f ü h r e n . Beide Beispiele haben ihr besonderes Gewicht, nicht nur, weil sie v o n bedeutenden Theologen u n d Bischöfen stamm e n , sondern auch, weil sie ö k u m e n i s c h e Gesinn u n g u n d den innigen Wunsch nach der Einigung beider Kirchen bezeugen. A u f römisch-katholischer Seite meine ich den Vorschlag von Kardinal Joseph Ratzinger: » R o m m u ß v o m Osten nicht mehr an Primatslehre fordern, als auch i m ersten Jahrtausend formuliert u n d gelebt wurde. W e n n Patriarch Athenagoras am 27.7.1967 beim Besuch des Papstes i n Phanar diesen als Nachfolger Petri, als den ersten an Ehre unter uns, den Vorsitzer der Liebe, benannte, findet sich i m M u n d dieses g r o ß e n Kirc h e n f ü h r e r s der wesentliche Gehalt der Primatsaussagen des ersten Jahrtausends u n d mehr muß R o m nicht verlangen. Die Einigung könnte hier auf der Basis geschehen, d a ß einerseits der Osten darauf verzichtet, die zweiten Jahrtausends westliche Entwicklung des als häretisch z u b e k ä m p f e n u n d die katholische Kirche in der Gestalt als rechtm ä ß i g u n d rechtgläubig akzeptiert, die sie in dieser Entwicklung gefunden hat, w ä h r e n d umgekehrt der Westen die Kirche des Ostens in der Gestalt, die 421 sie bewahrt hat, als rechtgläubig u n d rechtmäßig anerkennt.« 3 Orthodoxerseits handelt es sich u m d e n Vorschlag des Metropoliten v o n Chalkedon, Meliton, d a ß nämlich ein drittes vatikanisches K o n z i l sich der umstrittenen men, neueren r ö m i s c h - k a t h o l i s c h e n insbesondere der Papstdogmen, u n d sie neu interpretiert. Dog- annimmt 4 A n diesen u n d ähnlichen V o r s c h l ä g e n läßt sich leicht Kritik ü b e n u n d ihnen g e g e n ü b e r lassen sich auch schwerwiegende E i n w ä n d e u n d Vorbehalte äußern. D i e Bedeutung dieser Vorschläge liegt wohl darin, d a ß sie uns deutlich vor A u g e n führen, d a ß einerseits die Papstdogmen der Prüfstein der orthodox-katholischen Beziehungen s i n d u n d d a ß 5 andererseits hierüber g r ö ß e r e Anstrengungen erforderlich sind. Aber zugleich verdeutlichen diese u n d ähnliche V o r s c h l ä g e , d a ß die beiden Kirchen gelegentlich ein verschiedenes Einheitsmodell anstreben. Der Vorschlag v o n Kardinal Ratzinger, der ü b r i g e n s v o n römisch-katholischen Theologen immer wieder gern aufgegriffen wird, nimmt die unterschiedlichen Auffassungen der beiden Kirchen ü b e r die Papstdogmen i n Kauf. Die Einheit der Kirche w ä r e nach diesem Vorschlag eher eine Einheit der »versöhnten Verschiedenheit« oder der » k o r p o r a t i v e n V e r e i n i g u n g « , wenn m a n diese Schlagworte b z w . »Einheitsmodelle« 3 4 5 422 aus der ö k u m e n i s c h e n Bewe- J. RATZINGER, Prognosen für die Zukunft des Ökumenismus, Ökumenisches Forum 1 (1977) 36 f. Zuletzt in: Episkepsis, Nr. 308, 1.2.1984, 12. Vgl. hierzu Th. N I K O L A O U , Das Dekret über den Ökumenismus und die orthodox-katholischen Beziehungen, Münchener Theologische Zeitschrift 36 (1985) 110-126. gung verwenden will. A n sich ein ü b e r r a s c h e n d e r , zuweilen i r r e f ü h r e n d e r u n d auf jeden Fall schwer erklärbarer Vorschlag, wenn man bedenkt, d a ß die R ö m i s c h - k a t h o l i s c h e Kirche ansonsten die G l a u - benseinheit als unaufgebbaren Bestandteil der Kircheneinheit lehrt. D e m g e g e n ü b e r vertritt Metropolit Meliton die i n der Orthodoxen Kirche verbreitete u n d feste Ü b e r z e u g u n g , d a ß die V e r s t ä n d i g u n g ü b e r die Lehrunterschiede, einschließlich der Papstdogmen, die sichere u n d einzig legitime Basis der vollen Kirchengemeinschaft darstellt. Dies ist auch der Sinn der Empfehlung, die i n der Dritten P r ä k o n z i liaren Konferenz (1986) gegeben wurde, d a ß die Gemischte Orthodox-Katholische Kommission sich mit den die beiden Kirchen trennenden Lehrpunkten befassen sollte . Es darf i m ü b r i g e n nicht uner6 w ä h n t bleiben, d a ß die Gemischte Kommission sich in der Tat ü b e r die Lehrunterschiede z u verständigen beabsichtigt. Hat diese gelegentlich abweichende Auffassung römisch-katholischer Theologen über die Kir- cheneinheit vielleicht mit der speziellen Frage dieses Symposions nach einem » D i e n s t a m t der Einheit in der Kirche« z u tun? W e n n ich die Entwicklung in der R ö m i s c h - k a t h o l i s c h e n Kirche richtig einschätze, so m ü ß t e ich w o h l diese Frage bejahen; die Einig u n g s v o r s c h l ä g e auf katholischer Seite sind gut gemeint u n d sollen die Schwierigkeiten i m H i n blick auf die Papstdogmen lösen helfen; worauf es hierbei nach der M e i n u n g der betreffenden Theologen ankommt, ist die Frage nach d e m »Dienstamt« der Kircheneinheit. A b e r gerade i n bezug auf ein solches » D i e n s t a m t « gehen die Auffassungen der 6 Vgl. Episkepsis, Nr. 369, 15.12.1986, 12-13. 423 beiden Kirchen auseinander. Die Katholiken verstehen darunter das sogenannte » P e t r u s a m t « , welches göttlichen Rechts sei u n d d e m Bischof von R o m zukomme. Die Orthodoxen lehnen dagegen ein solches » P e t r u s a m t « ab, weil es dies in der H e i ligen Schrift u n d i m Leben u n d der Tradition der Alten Ungeteilten Kirche nicht gibt. Trotzdem k ö n n t e meiner M e i n u n g nach der in der gemeinsamen Uberlieferung der Alten Kirche g r ü n dende Ehrenprimat des Bischofs v o n R o m die Basis für eine Einigung liefern, z u m a l die Orthodoxe Kirche den Primat des Bischofs von R o m honoris causa nie bestritten hat. A u f g r u n d dieses Sachverhalts sollten wir nach N i k o s Nissiotis » u n s e r e Vorstellungen v o n diesem Primat neu durchdenken. W i r m ü s s e n ihn als Antwort auf den W u n s c h der örtlichen Kirchen ansehen, d a ß jemand die Berufung allchristlicher Konzilien ü b e r n i m m t u n d das Bindeglied zwischen den Kirchen bildet, wie es heute das Patriarchat v o n Konstantinopel für die Kirchen des Ostens t u t « . Dies bedeutet, d a ß auf der Basis des 7 Ehrenprimats ein » D i e n s t a m t der Einheit in der Kirche« sich konstruieren ließe. Dieses k ö n n t e auch mit konkreten Aufgaben u n d kanonisch festzulegenden Rechten versehen werden, welche ü b e r das hinausgehen könnten, was Nissiotis hier vorge- schlagen hat . Die wichtigste Aufgabe eines solchen 8 Ehrenprimats w ä r e w o h l der Dienst an der Einheit 7 8 424 Vgl. Neu-Delhi 1961. Dokumentarbericht über die Dritte Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen, Stuttgart 1962. 550. Vgl. Th. N I K O L A O U , Das Bischofsamt in seiner Bedeutung für die Kircheneinheit, Oekumenisches Forum 9 (1986) 192. Dieser Aufsatz liegt weitgehend den hier vorgelegten Ausführungen zugrunde. der Kirche. U n d dieser Dienst, den die Kirche heute mehr denn je braucht, kann nur unter voller Beachtung der Rechte der Ortskirche u n d ihres jeweiligen legitimen Bischofs sowie der Rechte des Bischofskollegiums gedacht werden. Dies bedeutet konkret, d a ß die R ö m i s c h - k a t h o l i s c h e Kirche ein solches »Dienstamt« in den eigenen Reihen voll z u verwirklichen hat, bevor sie andere d a f ü r z u gewinnen trachtet. F ü r die orthodoxe Theologie u n d Kirche benötigt die Kircheneinheit, die in erster Linie eine Einheit des Glaubens, der Liebe u n d der kanonisch-liturgischen O r d n u n g ist, i m G r u n d e kein besonderes »Dienstamt der Einheit«. Das A m t eines jeden B i schofs ist ein » D i e n s t a m t der Einheit i n der Kirche«, wenn es richtig verstanden u n d wahrgenommen wird. Wie dies z u verstehen ist, will ich i m folgenden zu verdeutlichen versuchen. 2. Zur Theologie des Bischofsamts In bezug auf das V e r s t ä n d n i s des Bischofsamts wurde einiges bereits ausgeführt. Bevor hier einige e r g ä n z e n d e Darlegungen gemacht werden, sollte kurz das »dreifache A m t « Christi u n d das A m t der Apostel berücksichtigt werden. Denn das Bi- schofsamt — darin sind sich die Orthodoxe u n d die Römisch-katholische Kirche einig — partizipiert an d e m »dreifachen A m t « Jesu Christi (Prophet, Erzpriester, König). Die A n s ä t z e für diese Sprechweise v o m »dreifachen A m t « Christi sind zwar unverkennbar bereits in der H l . Schrift, besonders dem N e u e n Testament vorhanden, aber a u s d r ü c k l i c h begegnet es uns erst i m 4. Jh. bei Eusebios von 425 Kaisareia, Kyrill von Jerusalem, Johannes Chrysostomos u n d A u g u s t i n . Jesus Christus wirkte unter 9 den Menschen als h ö c h s t e r Lehrer u n d Prophet u n d brachte uns die wahre Erkenntnis; er bewirkte unsere Rettung als h ö c h s t e r Erzpriester durch sein einmaliges Opfer am Kreuz, u n d , i n d e m ihm »alle Macht (è^ouoioc) i m H i m m e l u n d auf der Erde gegeben ist« (Mt 28,18), ist er unser ewiger König, » d e s s e n Reich kein Ende haben w i r d « . Durch dieses dreifache A m t ist das Heilswerk Christi in seiner Fülle u n d Unteilbarkeit angesprochen. Die Verwirklichung des göttlichen Heilsplanes (olKOVO|iia) in Jesus Christus w i r d allerdings ein wenig relativiert wenn das u n d fragmentarisch dreifache Amt des dargestellt, Herrn von der Grundlage des Heils, n ä m l i c h der A n n a h m e der menschlichen Natur durch den Sohn u n d Logos Gottes, isoliert betrachtet w i r d . Diese A n n a h m e der menschlichen Natur, die hypostatische Vereinigung Gottes mit dem Menschen ist die grundlegende Realisierung des ewigen Planes der Heiligen Trinität, den Menschen u n d die S c h ö p f u n g an ihrem Leben, an der göttlichen Energie u n d Gnade, teilnehmen z u lassen. Der Eine aus der Trinität, gesandt v o n seinem Vater, vergöttlicht die durch den H l . Geist von Maria, der Jungfrau, angenommene menschliche Natur. Er stiftet somit die Grundlage einer dauerhaften mystischen, ekklesialen Gemeinschaft, die auch v o m A m t Christi vorausgesetzt w i r d u n d auf der es aufbaut. Das A m t Christi ist sozusagen die konkrete historische Ausformung dieser in der Menschwerdung gestifteten ekklesia- P. T R E M P E L A S , Dogmatique de l'Église Orthodoxe Catholique, Traduction par P. D U M O N T Bd. II, Chevetogne 1967, 161 ff. 426 len Gemeinschaft. Es ist deshalb nicht bloß eine historische Erscheinung, die der Vergangenheit angehört, sondern auch ein unmittelbares göttliches Handeln. Dieses H a n d e l n ist unmittelbar, weil Jesus Christus i n der Kirche durch den H l . Geist u n mittelbar wirkt u n d sein dreifaches A m t ausübt. Anders a u s g e d r ü c k t : W o Christus durch den H l . Geist handelt, dort verwirklicht sich Kirche. Er ist u n d bleibt der eigentlich Handelnde, der g r o ß e Lehrer, Erzpriester u n d K öni g der Kirche. So betrachtet versteht es sich v o n selbst, d a ß das A m t der Apostel an d e m A m t Christi partizipiert u n d sich v o n daher ableitet u n d versteht. Es ist Jesus Christus, der z u Beginn seines irdischen Wirkens d e n Kreis der z w ö l f J ü n g e r bildet, die er A p o stel nennt (Lk 6,13). Er verspricht ihnen, sie z u » M e n s c h e n f i s c h e r n « z u machen (Mt 4,18), vertraut ihnen die V e r k ü n d i g u n g des Wortes Gottes an (Mk 3,15) u n d gibt ihnen nach der Auferstehung den H l . Geist u n d die Vollmacht, S ü n d e n z u vergeben oder nicht (Joh 20,23). D i e Sendung der Apostel durch Jesus Christus weist nach den Worten Jesu selbst eine starke Ähnlichkeit mit seiner Sendung durch d e n Vater auf (Joh 20,21). Das Apostelamt ist die Fortsetzung der Sendimg Jesu Christi, des ersten » A p o s t e l s « (Hebr 3,1; vgl. G a l 4,4), wobei die V e r b i n d u n g u n d Teilhabe des Apostelamtes unbedingt bestehen bleibt. D e n n Jesus Christus verspricht ihnen, »alle Tage bis z u m Ende der Welt bei ihnen z u sein« (Mt 28,20). D i e Gegenwart des H e r r n bei den Aposteln u n d ihren Nachfolgern ist nicht p r i m ä r i m Sinne einer juridischen Vertretung u n d B e v o l l m ä c h t i g u n g , also eines ä u ß e r e n Aktes der Stellvertretung, sondern vielmehr i m Sinne der pneumatischen B e f ä h i g u n g u n d der unsichtbaren 427 Parusie u n d W i r k u n g des H e r r n i n seiner Kirche zu verstehen. Das Apostelamt, direkt v o m Herrn stammend, ist ein charismatisches A m t in unmittelbarem u n d h ö c h s t e m M a ß e . Dies ist der G r u n d , war u m das Apostelamt als solches nicht übertragbar ist, genauso wie das A m t Christi. Das Apostelamt ist eine A b b i l d u n g des Amtes Christi. Das, was die Apostel vollbringen, geschieht im Namen des Herrn u n d kraft der ihnen verliehenen Vollmacht. M a n k ö n n t e sagen, d a ß die Macht die des Herrn ist u n d bleibt; sie ist die Quelle aller Vollmacht; sie ist die Sonne, von der alles Licht ausgeht. Dagegen ist die Vollmacht der Apostel wie das Licht des M o n des, das sich von der Sonne ableitet. Dies bedeutet, d a ß die Vollmacht der Apostel sich wesentlich u n d nicht bloß graduell von der Macht des Herrn unterscheidet. V o n einem graduellen Unterschied könnte man i m Gegensatz d a z u zwischen der Vollmacht der z w ö l f Apostel u n d der zweiundsiebzig J ü n g e r (Lk 10,11 ff.) u n d vor allem zwischen der V o l l macht der Apostel u n d ihrer Nachfolger sprechen. Das A m t der Apostel unterscheidet sich von dem i h rer Nachfolger h a u p t s ä c h l i c h darin: Erstens wurden sie v o m H e r r n direkt a u s g e w ä h l t u n d beauftragt, zweitens sind sie Augenzeugen des gesamten öffentlichen Wirkens Jesu Christi, all dessen, was er getan u n d gesagt hat bis z u seiner Himmelfahrt (besonders seiner Auferstehung), u n d drittens sind sie auf besondere Weise mit den Gaben des H l . Geistes am Pfingsttag ausgestattet. Sie sind d a r u m auf einmalige A r t z u Nachfolgern Jesu Christi geworden. Die Einmaligkeit des Apostelamtes weist auch dieses Charakteristikum auf: Sie haben ihren Auftrag, das Evangelium allen V ö l k e r n z u v e r k ü n d e n , entsprechend 428 ausgeführt, u n d haben sich nicht an einem Ort niedergelassen, sondern sind stets unterwegs gewesen, v o n einer Stadt zur anderen. Das Apostelamt war i m Gegensatz z u m Bischofsamt nicht ortsgebunden. Es war auch nicht unterschiedlichen Grades i n dem Sinne, d a ß der eine Apostel das Apostelamt in h ö h e r e m M a ß e besessen hat bzw. ü b e r d e m anderen Apostel stand. Alle Apostel waren von ihrem A m t , v o n ihrem Charisma her gleich. A u c h der heilige Apostel Petrus bildete in dieser Hinsicht keine Ausnahme, wie allgemein bekannt sein dürfte. M i t dieser Frage habe ich mich an einer anderen Stelle eingehend b e f a ß t 10 u n d mit Bezug darauf m ö c h t e ich hier wiederholen, d a ß die Lehre vom » P e t r u s a m t « nicht auf das N T z u r ü c k g e h t . A u c h die Erforschung der Schriften u n d des Lebens der alten Kirche bis zur Mitte des 3. Jhs. (konkreter bis z u m Bischof von R o m Stephan I. 253-257) läßt die Feststellung z u , d a ß keine Zeugnisse vorliegen, die v o n einem » P e t r u s a m t « reden bzw. dieses nahelegen . Erst in der Zeit danach begegnen uns 11 Ä u ß e r u n g e n , die sich i n der Richtung einer Sonderstellung auslegen lassen. Hierbei fällt auf, d a ß i m Osten diese Sonderstellung, der Primat des A p o stels Petrus den anderen Aposteln g e g e n ü b e r , anders als i m Westen verstanden w i r d . 10 11 12 12 Vgl. Th. N I K O L A O U , Das Bischofsamt in seiner Bedeutung für die Kircheneinheit, Ökumenisches Forum 9 (1986) 178-180. Vgl. G. KONIDARIS, Ökumenischer Dialog ohne »Konsensus«. Wie kann die Una Sancta wiederhergestellt werden? Würzburg 1983, 13 mit Anm. 1. J. M E Y E N D O R F F , Der heilige Petrus, sein Primat und seine Sukzession in der byzantinischen Theologie, in: B. BOBRINSKOY u.a. (Hg.), Der Primat des Petrus in der orthodoxen Kirche, Zürich 1961, 110: »Die erste Reaktion des kirchlichen Bewußtseins des Ostens angesichts der westlichen Lehre vom Primat wies somit die Neigung auf, den Primat Petri unter den andern Aposteln nicht zu bestreiten, wohl aber ihn anders zu verstehen, als dies der We- 429 W e n n oben v o m Kollegium der Apostel die Rede war, so darf dies nicht darüber h i n w e g t ä u s c h e n , daß jeder Apostel d e n Auftrag des H e r r n selbständig, d . h . ohne den Bestand einer R ü c k v e r b i n d u n g mit d e m Kollegium bzw. einer irgendwie gearteten A b h ä n g i g k e i t davon, z u erfüllen suchte. Der kollegiale Charakter des Apostelamtes trat vorwiegend dann i n Erscheinung, wenn Probleme u n d M e i nungsverschiedenheiten i n bezug auf d e n Auftrag des H e r r n aufkamen, wie A p g 15 eindeutig beweist. U n d dieser Auftrag, der sie ja aufs engste verband u n d z u m Kollegium vereinigte, bestand i n der einen Glaubens- u n d Liebesbotschaft. Die Erfüllung dieses Auftrages führte bekanntlich zur Entstehung v o n Gemeinden an vielen Orten. Diese Gemeinden vertrauten die Apostel beim Verlassen eines Ortes b e w ä h r t e n Mitarbeitern an. Aus A p g 14,23 u n d 20,28 erfahren wir, d a ß die Apostel 7Cp8oßux8poi (nicht nur i m Sinne des fortgeschrittenen Alters, sondern auch einer kirchli- chen Eigenschaft u n d Verantwortung) OK07101 oder tni- z u ihren Nachfolgern bestellten u n d d a ß diese Bestellung durch Gebet u n d Handauflegung sten tat, weil jenes sich dabei auf eine andere Auffassung der Kirche stützte als diejenige, die im Westen Geltung hatte.« Vgl. auch G. L A R E N T Z A K I S , ' H 'EKKATIGICX Pcó|ir|c m i ó è7UGK07toç oÒTfjc. LvMßoAT| eiç TT|v è'peDvotv Tcôv G%éaecov 'AvaiOAfjç Kai AUGECOÇ ßctGei àp%aicov 7caxepiKâ>v 7cnjcov (Elprivaîoç, BaoïXeioç, Xp'OGOGTOp.oç), Thessaloniki 1983, bes. die ausgewählte Literatur zum Thema 145-151; siehe dazu auch meine Besprechung, Zeitschrift für Kirchengeschichte 95 (1984) 410-412. A. K A L L I S , Petrus der Fels — der Stein des Anstoßes? Das »Petrusamt« in der Sicht der Orthodoxie, in: V. von ARISTI U. a. (Hg.), Das Papstamt. Dienst oder Hindernis für die Ökumene?, Regensburg 1985, 43-65. Vgl. auch Pro Oriente (Hg.), Konziliarität und Kollegialität. Das Petrusamt, Christus und seine Kirche, Innsbruck-Wien-München 1975, bes. die Beiträge von D. STANIL O A E und I. A N A S T A S I O U , 136 ff. 430 erfolgte u n d eine Bestellung durch den Heiligen Geist war; diese Nachfolger erhielten den Auftrag, auf sich u n d auf die ganze Herde achtzugeben u n d »als Hirten für die Kirche Gottes z u s o r g e n « . A u s diesen u n d ähnlichen Nachrichten des N T (vgl. auch 1 T i m 3,1 ff.; 4,14; 5,17; 2 T i m 1,6; Tit 1,5) resultiert, d a ß das Apostelamt in der Kirche verbindlich weitergegeben Auftrages wurde. Diese Weitergabe der Apostel in der des Ortsgemeinschaft w i r d somit z u einem wesentlichen M e r k m a l der Kirche u n d findet ihren besonderen A u s d r u c k i m A m t der Nachfolger der Apostel. In der apostolischen Sukzession steht deshalb die ganze Kirche mit ihren A m t s t r ä g e r n an der Spitze. Die Weitergabe des Apostelamtes ist nicht ein ä u ß e r e r geschichtlicher A k t , sondern Ü b e r t r a g u n g des Sendungsbew u ß t s e i n s u n d der Verantwortung der Apostel auf die A m t s t r ä g e r , die jedoch diese mit der Gemeinde teilen. D i e Ü b e r t r a g u n g erfolgt durch Gebet u n d Handauflegung u n d ist das Werk des Heiligen G e i stes. Es entsteht dadurch die besondere Gabe des ordinierten Amtes, welche die Legitimität u n d Notwendigkeit anderer Charismen in der Kirche nicht bestreitet u n d erst recht nicht ausschließt, wie ebenfalls das N T (vgl. bes. 1 K o r 12,28 ff.) berichtet. W ä h r e n d aber diese anderen Gaben i m Laufe der ersten zwei Jahrhunderte stark abnahmen oder verschwanden, setzte sich die Dreistufung des ordinierten Amtes (Bischof, Presbyter, Diakon) durch. Diese Entwicklung des ordinierten Amtes ist zwar i m N T nicht eindeutig beschrieben — vor allem unklar ist hier das Verhältnis zwischen Presbyteros u n d Episkopos — , aber doch bereits bei Ignatios von Antiochien (tl07) deutlich bezeugt. Das C h a rakteristikum dieser Entwicklung besteht darin, 431 d a ß nur der Gemeindevorsteher die Bezeichnung »o è7iiaK07C0Ç« (der Aufseher) erhält u n d ihm deshalb » d a s P r e s b y t e r i u m « u n d die Diakone nachgeordnet s i n d . 13 Das Verhältnis zwischen d e m Epi- skopos u n d den Presbytern w i r d mit jenem zwischen Christus u n d d e n Aposteln verglichen. Der von den Presbytern umgebene Bischof repräsentiert Christus u n d seine Apostel. 14 D e r vorstehende (7CpOKai3fijLievoç) Bischof ist Typos Gottes (elç ru7cov 0 £ o ü ) . Der Bischof r üc kt so i n die Mitte der Ge1 5 meinde. E r wird z u m Zentrum der Gemeinde. Der zentrale Charakter des Bischofsamts tritt am deutlichsten i n der Eucharistiefeier i n Erscheinung. Der Auftrag des H e r r n an die Apostel, das Wort z u v e r k ü n d e n u n d z u taufen, insbesondere aber die Eucharistie z u feiern, geht n u n auf d e n Bischof, d. h. auf jeden Bischof über. Der hl. Ignatios mahnt deshalb die Kirche i n Smyrna u n d damit alle Kirchen Gottes, d a ß » n i e m a n d unter jenen, die der Kirche a n g e h ö r e n , ohne den Bischof etwas tut. M a n sollte jene Eucharistiefeier für unbestritten ( ß e ß a t a ) halten, die unter d e m Bischof stattfindet, oder unter dem, d e m er es gestattet. W o der Bischof erscheint, dort soll das V o l k sein; so wie die katholische Kirche dort ist, w o Christus Jesus ist. Es ist ohne den Bischof nicht gestattet, Eucharistie (àyàia]) weder z u taufen noch zu feiern« . 16 Der Bischof i n seiner vornehmsten Eigenschaft als Vorsteher der Eucharistie repräsentiert auf ge- heimnisvolle Weise Jesus Christus, u n d die Eucha- 1 3 1 4 1 5 1 6 432 IGNATIUS, Eph. 20,2. Magn. 2. Smyrn. 12,2. IGNATIUS, Trai. 2,1-2. IGNATIUS, Magn. 6, 1. Trai. 3, 1. Hier wird bewußt die seltenere Lesart T U V O G anstelle der üblicheren TÓVOG bevorzugt. IGNATIUS, Smyrn. 8,1-3. ristieversammlung stellt die Kirche in ihrer Fülle dar. Denn i n jeder Eucharistiefeier konstituiert sich auf besondere Weise aus allen Getauften der mystische Leib Christi u n d verwirklicht sich die Kirche Gottes in der tiefen u n d engsten Beziehung u n d Verbundenheit der Gläubigen mit d e m Vater durch den Sohn i m Heiligen Geist u n d untereinander. Die Betrachtung und des Bischofsamts als Beauftragung B e v o l l m ä c h t i g u n g durch die Apostel (apostoli- sche Sukzession), welche die Kontinuität der G e genwart Christi in der Kirche äußerlich anzeigt, erfährt in der ignatianischen Sicht der geheimnisvollen V e r g e g e n w ä r t i g u n g Christi i n der Person des Bischofs eine wertvolle, tiefe theologische E r g ä n zung. » M a n kann Gestalt u n d Funktion des Bischofs wohl nur in einer Verbindung dieser beiden Sichtweisen ganz v e r s t e h e n . « 17 D e n n die eine Sicht- weise hebt eher den Leiter der Kirche, die andere den Zelebranten der Sakramente hervor. A m Ende des ersten u n d a m A n f a n g des zweiten Jahrhunderts waren Leiter u n d Zelebrant identisch. 18 3. Das Bischofsamt im Dienste der Einheit der Ortskirche Die eben e r w ä h n t e Identifizierung der Leiter der Kirchen mit den Zelebranten der Sakramente bestimmt seit A n f a n g des 2. Jahrhunderts zunehmend 17 18 Das Amt in der Kirche. Überlegungen orthodoxer und katholischer Theologen, Una Sancta 33 (1978) 92. Th. S T Y L I A N O P O U L O S , Heilige Eucharistie und Priestertum im Neuen Testament, in: Kirchliches Außenamt der EKD (Hg.), Eucharistie und Priesteramt (Beiheft zur ökumenischen Rundschau, Nr. 38), Frankfurt 1980, 58 und Anm. 26 mit weiterer Literatur. 433 das V e r s t ä n d n i s des Bischofs, besonders in seiner Funktion hinsichtlich der Kircheneinheit auf der Ebene der Ortskirche. Die Funktion des Bischofs b e r ü h r t somit auf besondere Weise die Einheit der Kirche. Ignatios von Antiochien betont zwei wesentliche Aspekte dieser Funktion: Erstens die Einheit aller Christen u m den Bischof mit d e m Presbyterium u n d den Diakonen; zweitens die Tatsache, d a ß der Bischof, das Presbyterium u n d die Diakone eine Einheit bilden. Den G r u n d für diese Einheit erblickt er in der einen Eucharistie. »Sorgt also d a f ü r « , schreibt er, » d a ß ihr eine Eucharistie verwendet; denn einer ist der Leib unseres H e r r n Jesus Christus u n d einer der Kelch zur Einheit seines Blutes; ein Opferaltar, wie ein Bischof mit d e m Presbyterium u n d den D i a k o n e n « . 19 Die Einheit der Kirche entspringt der einen Eucharistie u m den einen Bischof mit d e m Presbyterium. Auch wenn die Eucharistie nicht vom Bischof selbst, sondern v o n den Priestern gefeiert wird, die der Bischof dazu e r m ä c h t i g t hat, ist die Eucharistiefeier zweifelsohne in V e r b i n d u n g u n d Gemeinschaft mit bzw. unter der Verantwortung des B i schofs z u sehen. D e n n die Diakone u n d das Presbyterium g e h ö r e n eng mit d e m Bischof zusammen. Es geht Ignatios also nicht u m den Monepiskopat, wie man fälschlicherweise oft annimmt, sondern u m diese enge Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t des Presbyte- riums mit d e m Bischof, welche die Einheit der K i r che unterstreicht. Dies ist, was i h n bewegt. Deshalb vergleicht er die Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t von Presbyterium u n d Bischof mit der V e r b i n d u n g von G i - 1 9 434 IGNATIOS, Philad. 4. tarre u n d deren Saiten . Es erübrigt sich, darauf 20 hinzuweisen, d a ß eine Gitarre ohne Saiten keine G i tarre ist u n d auch keine Funktion haben kann. Die Eintracht der Presbyter mit d e m Bischof u n d ihre Ü b e r e i n s t i m m u n g in der Liebe g e w ä h r l e i s t e n die Einheit der Kirche. Derselben Einheit dient auch die Sorge, d a ß es in einer Stadt nicht zwei Bischöfe geben darf, wie dies i m 8. K a n o n des ersten ö k u m e nischen Konzils z u m A u s d r u c k kommt. Die Einheit der Kirche auf Ortsebene bzw. auf der Ebene des Bistums ist somit die eucharistische E i n heit u n d Gemeinschaft u m den Bischof. Daraus erklärt sich, w a r u m der Bischof allein die Priesterweihe spendet oder w a r u m er u m seine Erlaubnis gebeten werden m u ß , wenn ein anderer Bischof bzw. ein Priester eines anderen Bistums in seinem Sprengel predigen bzw. die Eucharistie oder ein anderes Sakrament feiern will. A u c h die Tradition, d a ß manchmal weitere Presbyter sich an der H a n d auflegung bei einer Weihe beteiligen oder, d a ß die Laien bei der Weihe nach der W ü r d e des Weihkandidaten gefragt werden, dient ebenfalls der Kircheneinheit. Dies bedeutet also, d a ß die Weihegewalt nur d e m Bischof obliegt, d a ß er aber seine Weihefunktion unter der Z u s t i m m u n g aller ausübt. Das Bischofsamt ist auf der Ebene des Bistums, der Ortskirche i m erweiterten Sinne, das h ö c h s t e kirchliche A m t . Der Bischof in seiner Funktion vergegenw ä r t i g t , wie bereits a n g e f ü h r t , Jesus Christus. »Ind e m der Bischof«, schreibt Isidor v o n Pelusion, »Typos Christi ist, vollbringt er sein W e r k « . Gerade 21 die Bezeichnung des Bischofs als Typos bzw. Eikon 2 0 IGNATIOS, Eph. 2 1 ISIDOR P E L . , Epist. I, 136: 4,1. P G 78, 272 C. 435 (Bild) Christi verdeutlicht die Relation des Bischofs z u Jesus Christus u n d die Beziehungshaftigkeit seines Amtes. Die Bildtheologie als das wichtigste Prinzip der Theologie der Ostkirche zeigt die U n zulänglichkeit u n d vielleicht auch die U n z u l ä s s i g keit mancher Begriffe, die i m Westen zur Beschreibung dieser Relation bevorzugt werden (Stellver- tretung, H a u p t etc.). Der Bischof als Bild Christi ist keineswegs Stellvertreter Christi, sondern das, was auf Jesus Christus unbedingt hinweist u n d hinzuweisen hat. W i e das Bild seine Existenzberechti- gung i m Urbild hat, so auch der Bischof in Jesus Christus, der auf unsichtbare Weise in seiner Kirche bleibt, lehrt, die Sakramente feiert u n d regiert. Die Funktion des Bischofs ist die geheimnisvolle R e p r ä s e n t a t i o n u n d Aktualisierung des dreifachen Amtes des Herrn. Der Bischof ist der Lehrer, der Hirte u n d der K ö n i g i n seinem Bistum, nicht in einem weltlichen Sinne u n d einer wirklichen Identifizierung mit Jesus Christus, sondern in der A n a logie des Bildes z u m U r b i l d . Konkreter heißt dies, d a ß der Bischof eine geistige Gewalt a u s ü b t , die er kraft des Heiligen Geistes i n der Weihe erhalten hat u n d den eigentlich Handelnden, Jesus Christus, stets voraussetzt. Dieser geistigen Gewalt des B i schofs g e g e n ü b e r haben die ü b r i g e n Kleriker u n d das V o l k Gehorsam z u leisten. A l l e zusammen bilden die Herde Christi. V o r Christus, d e m einzigen Hirten, sind alle (einschließlich der Bischöfe) »Schafe«, wie es Johannes Chrysostomos treffend formuliert. 22 Dadurch w i r d die Kircheneinheit auf der Ortsebene voll garantiert. 2 2 436 J O H . C H R Y S . , In ascens. Dom., 12: PG 52, 784. So wie Jesus Christus durch seine Menschwerdung und sein dreifaches A m t d e m Geheimnis des göttlichen Heilsplanes (der OIKOVO|ÌC(X) dient, so dient auch der Bischof durch d e n Beistand des Heiligen Geistes derselben Oikonomia. Dies ist der G r u n d , w a r u m die Bischöfe als »diejenigen, die die A n g e legenheiten der Kirche h a u s h a l t e n « (OIKOVO|10Î3VT£Ç x à xx\q ' E K K ^ T j a i a c ) bezeichnet w e r d e n . 23 D u r c h sie vollzieht Christus sakramental göttliches H a n d e l n im Sinne seines gesamten irdischen Werkes u n d der daraus resultierenden Wirklichkeit des Heils. Christus als der einzige Priester w i r d i m Heiligen Geist besonders i n der Eucharistiefeier zur Ge- meinschaft des Leibes, z u r Kirche. Das bedeutet, d a ß das Priestertum Christi »in der geschichtlichen Existenz hier u n d jetzt als eucharistische Gemeinschaft verwirklicht u n d abgebildet w i r d , i n der sein >Abbild< das H a u p t der Gemeinschaft ist, das mit und wegen der Gemeinschaft die eucharistischen Gaben d a r b r i n g t « . Hier, i n der eucharistischen 24 Gemeinschaft, wurzelt die tiefste Bedeutung des B i schofsamts f ü r die Einheit der Kirche. »Beschenkt mit der Mannigfaltigkeit der Geistesgaben t r ä g t die Ortsgemeinde i n ihrer Mitte als verantwortliches Zeichen der C o m m u n i o aller d e n Bischof als Z u sammenfassung ihrer F ü l l e . « 2 3 2 4 2 5 25 Vgl. z. B. Kan. 6 des 2. Ökum. Konzils. Vgl auch Tit 1,4. I. ZrziouLAS, Priesteramt und Priesterweihe im Licht der östlichorthodoxen Theologie, in: H. V O R G R I M L E R (Hg.), Der priesterliche Dienst V. Amt und Ordination in ökumenischer Sicht, (Quaestiones Disputatae 50), Freiburg 1973,96. Das Amt in der Kirche. Überlegungen orthodoxer und katholischer Theologen, Una Sancta 33 (1978) 92. 437 4. Das Bischofsamt im Dienste der Einheit der Gesamtkirche In der Betrachtung des Bischofsamts i n seiner Bedeutung für die Kircheneinheit auf Ortsebene wurde der ekklesiologisch wichtige Aspekt herausgestellt, d a ß die u m den Bischof mit d e m Presbyterium u n d den Diakonen vereinigte eucharistische Gemeinschaft die grundlegende Erscheinungsform der Kirche darstellt. Die Ortskirche u m den Bischof sowohl i m u r s p r ü n g l i c h e n Sinne der Ortsgemeinde als auch der historisch gewachsenen Form des Bistums erfährt i m sakramentalen Eucharistiefeier) die Leben (bes. Anwesenheit Christi, der des Hauptes der Kirche, u n d dadurch die Vervollständigung des örtlichen Kirchenorganismus. Die Ortskirche besitzt in dieser Sicht die Fülle des Leibes u n d des Hauptes u n d ist »die Kirche Gottes« i m vollen Sinne. In dieser eucharistischen Sicht der Kirche w i r d nicht nur die Bedeutung des Bischofs für die Kircheneinheit auf Ortsebene deutlich, sondern es zeigen sich auch einige andere ekklesiologisch nicht minder wichtige Gesichtspunkte. Die schwerwiegendsten hierunter sind w o h l : a) Die Bedeutung der Ortskirche für die Kirchenstruktur. Die Kirche tritt als Ortskirche i n Erscheinung. Die vielen Ortskirchen i n ihrer Selbständigkeit, aber auch in ihrer Gleichheit mit allen anderen Ortskirchen machen die eine Kirche aus. Dies geschieht nicht, indem man die vielen Ortskirchen zusamm e n z ä h l t u n d eine Summe v o n Ortskirchen herstellt, sondern dadurch, d a ß jede Ortskirche die »eine, heilige, katholische u n d apostolische Kirche« ist. Indem jede Ortskirche diese Identität teilt u n d sich durch die Fülle des einen Glaubens u n d der 438 Liebe in communio mit den anderen Ortskirchen befindet, w i r d sie (d. h. eine jede Ortskirche) z u m T r ä g e r u n d Garant der Kircheneinheit. b) Die Bedeutung des Bischofs als »Bindeglied« zwi- schen der konkreten Ortskirche, der er vorsteht, und den übrigen Ortskirchen. Es versteht sich v o n selbst, d a ß der Bischof, der in seiner Ortskirche eine besondere Verantwortung für die rechte Auslegung u n d W e i tergabe der apostolischen Überlieferung u n d die Einheit des Glaubens trägt, nach a u ß e n , den anderen Ortskirchen g e g e n ü b e r , seine Ortskirche vertritt. Dies bedeutet nicht, d a ß eine anders geartete Vertretung prinzipiell ausgeschlossen ist, d a ß je- doch der Bischof der Vertreter seiner Ortskirche par excellence ist. In dieser Eigenschaft trägt er Sorge u m die Einheit in der Fülle des Glaubens u n d der Liebe mit den anderen Bischöfen, »die bis ans Ende (sc. der Erde) eingesetzt w u r d e n « ; diese Sorge d r ü c k t sich darin aus, d a ß alle Bischöfe » i m Sinne Jesu Christi sind« (èv ' I r i a o ü Xpicrcoü Yvcó|ir|). Die 26 Meinung, der »Sinn« (Gnome), v o n dem hier gesprochen wird, ist einfach der Wille, die Willensä u ß e r u n g , die ausgesprochene M e i n u n g des Herrn, mit der der Wille der Bischöfe zusammenzufallen bzw. identisch z u sein hat. Dies w i r d in der ständigen Beziehung u n d d e m Austausch der Bischöfe untereinander u n d in ihren Z u s a m m e n k ü n f t e n , den Synoden, gewährleistet. c) Die Bedeutung der Gleichheit aller Bischöfe hinsichtlich ihres Amtes. Dies macht v o n vorneherein deutlich, d a ß die historisch gewachsenen Titel einiger Bischöfe (Papst, Patriarch, Metropolit, Erzbischof etc.) ihrem Bischofsamt absolut nichts hinzufügen. 2 6 IGNATIOS, Eph. 3,2. 439 Alle Bischöfe sind u n d bleiben v o n ihrem A m t her gleichrangig. Der ö k u m e n i s c h e Patriarch Dimitrios d r ü c k t e dies so aus: » D a m i t w i r offen, aufrichtig u n d ehrlich z u uns u n d untereinander, aber auch der ganzen Welt g e g e n ü b e r sind, m ü s s e n wir wiederholen u n d betonen, d a ß kein Bischof i n der Christenheit ein göttliches oder menschliches Privileg der Universalität ü b e r die eine, heilige, katholische u n d apostolische Kirche Christi besitzt; sondern d a ß wir alle, sei es in R o m oder in dieser Stadt (sc. Konstantinopel) oder i n irgendeiner Stadt, v o n egal welcher kirchlich hierarchischen oder politischen Einstellung, schlicht u n d nur Mitbischöfe unter d e m einzigen Hohenpriester, d e m H a u p t der Kirche, unserem H e r r n Jesus Christus, immer in der v o n alters her kirchlich akzeptierten hierarchischen O r d n u n g sind . . . In dieser unserer Botschaft w ü n s c h e n wir, als Ö k u m e n i s c h e r Patriarch, z u betonen, d a ß alle künftigen pankatholischen u n d panorthodoxen Begegnungen, Dialoge u n d Beratungen auf folgenden grundlegenden Prinzipien stattfinden werden: — Erstens, die h ö c h s t e A u t o r i t ä t ( œ ô o e v x i a ) der heiligen, katholischen u n d apostolischen Kirche liegt i n der ö k u m e n i s c h e n Synode der Gesamtkirche. — Zweitens, niemand unter den Bischöfen i n dieser katholischen Kirche besitzt eine A u t o r i t ä t (è£ou- a u a ) oder Rechtsanspruch oder kanonisch festgelegtes Recht auf irgendeine kirchliche Jurisdiktion ohne den eigenen kanonischen Willen u n d die Z u stimmung des anderen (sc. B i s c h o f s ) « . 2 7 440 Episkepsis, Nr. 90, 11.12.1973, 18-19. 27 Aus den oben genannten u n d ähnlichen G e - sichtspunkten anhand der eucharistischen siologie läßt sich auch die Bedeutung Ekkledes B i - schofsamts für die Einheit der Gesamtkirche n ä h e r beschreiben. Zuerst m u ß hervorgehoben werden, d a ß dieser ekklesiologische Ansatz die Einheit der Kirche v o n den vielen Ortskirchen bzw. Bischöfen her b e g r ü n d e t . Das heißt nicht, d a ß die v o m H e r r n i m einen Glauben u n d i m sakramentalen Leben geschenkte Einheit der Kirche i n Frage gestellt w i r d , sondern d a ß sie v o n allen Gläubigen u n d insbesondere v o n den Bischöfen erlebt, aber auch gepflegt u n d sichtbar gemacht w i r d . Diese Pflege u n d Sichtbarmachung der Kircheneinheit wurde u n d w i r d v o n den Bischöfen i n vielen Bereichen verwirklicht. H i e r z u g e h ö r e n z. B. — Die Bischofsweihe. Es ist nicht zufällig, d a ß v o n alters her in der Kirche die Weihe eines neuen Bischofs v o n mehreren (zumindest zwei) Bischöfen vollzogen w i r d . 28 Bedenkt man, d a ß i m Notfall die Bischofsweihe durch nur einen Bischof w o h l auch gültig w ä r e , so d ü r f t e dieser Brauch der gemein29 samen Weihepraxis als ein gewichtiger Nachweis der Verantwortung des Bischofsamts für die Kircheneinheit ü b e r die Grenzen der Ortskirche hinaus angesehen werden. Die M i t w i r k u n g der Nachbarbischöfe bzw. der Bischöfe eines Verwaltungsgebietes bei der W a h l u n d vor allem bei der Weihe eines neuen Bischofs bedeutet Z u s t i m m u n g u n d 2 8 2 9 Vgl. Kanon 4 des 1. Ökum. Konzils. Kanon 1 der Apost. Kanones. Apost. Konstitutionen ITI, 20. P. T R E M P E L A S , Dogmatique de l'Église Orthodoxe Catholique ... Bd. III, Chevetogne 1968, 318. 441 somit Mitverantwortung in bezug auf die bestehende Kirchengemeinschaft u n d -einheit. — Der ständige Kontakt. Gegenseitige Briefwechsel u n d besonders Besuche, Inthronisationsbriefe, Empfehlungsschreiben u n d ähnliches, die unter den Bischöfen üblich sind bzw. z u sein haben. — Das Gebet und die Kommemoration. Das Gebet einer jeden Ortskirche »für die Standhaftigkeit der heiligen Kirchen Gottes« sowie die E r w ä h n u n g des Namens anderer Bischöfe in der Liturgie (Diptychen). — Die Gültigkeit bischöflicher Entscheidungen auch über die Grenzen des Bistums hinaus. Die V e r f ü g u n g eines Bischofs (etwa die Strafe, die er einem Priester auferlegt hat) ist demnach i m Sinne der Kircheneinheit in der Ö k u m e n e Bischöfe b i n d e n d . auch für die anderen 30 Es ist v o n besonderer Bedeutung, d a ß der Kanon 5 des ersten ö k u m e n i s c h e n Konzils, welcher dies vorschreibt, für die Bereinigung v o n Zweifelsfällen die Einberufung von Synoden auf Provinzebene u n d zwar zweimal i m Jahr festlegt. Hier ist die Verantwortungs- u n d Z u s t ä n d i g k e i t s g r e n z e des einzelnen Bischofs überschritten. Die Kircheneinheit verlangt in solchen Fällen die M i t w i r k u n g aller Bischöfe einer Region auf der Ebene einer Synode. Es ist nicht unwichtig z u e r w ä h n e n , d a ß solche Fälle nicht z. B. v o m Metropoliten einer Eparchie, den es bereits gab, sondern v o n der Synode aller Bischöfe angegangen werden. B e g r ü n d e t die Gleichheit aller Bischöfe ihre Selbständigkeit nach innen — i m Bereich der Ortskirche 3 0 442 Vgl. Kanon 5 des 1. Ökum. Konzils. — , so erweist sie sich nach a u ß e n — wenn es gilt, Dinge z u regeln, die eine andere oder mehrere Ortskirchen bzw. die Gesamtkirche beschäftigen — als Kollegialität. Der besondere Ort, wo die Kolle- gialität ihren A u s d r u c k findet, ist die Synode der Bischöfe. Die episkopal-synodale Struktur der Kirche weist Ähnlichkeiten mit demokratischen Strukturen auf , ist aber nicht damit identisch. Die Bischö31 fe treten auf der Synode als Kollegium auf u n d bezeugen unter der Leitung des H l . Geistes u n d v o n ihrer besonderen Lehrverantwortung her den G l a u ben ihrer Ortskirchen, vor allem dann, wenn Irrlehren die Einheit der Kirche g e f ä h r d e n . D e n h ö c h s t e n Ausdruck dieser synodalen Struktur der Kirche bilden die ö k u m e n i s c h e n Synoden, in denen die versammelten Bischöfe » i m Sinne Christi« sprechen und den Glauben » d e r katholischen Kirche in der Ö k u m e n e « formulieren. 32 A u s dem Konzept der eucharistischen Ekklesiologie u n d der darauf aufbauenden synodalen Struktur der Kirche ergibt sich, d a ß die Kirche eines obersten Bischofs als Primas nicht bedarf. Deshalb kennt die alte Kirche keinen universellen Jurisdiktionsprimat. Sie hat sich aber auch nicht gescheut, eine hierarchische O r d n u n g aufzustellen u n d eine Ehrenreihenfolge (Tcpeoßda xiufjç) festzulegen. In einer solchen Ehrenreihenfolge ist die Existenz u n d 31 3 2 Vgl. Kanon 6 des 1. Ökum. Konzils: »KpaxeiTCO f| TCOV nXzióvcov \|/f|(po<;«. Vgl. Th. NiKOLAOU, Eine Demonstration der Einheit. Zum orthodoxen Verständnis der Katholizität der Kirche, KNA-Ökumenische Information, Nr. 51, 20. 12. 1978, 6-8. D E R S . , Zur »Theologie« des Ökumenischen Konzils am Beispiel des Konzils von Konstantinopel (381), in: Ökum. Patriarchat (Hg.), Mvriur| cruvóòov 'Ayiotç B' CAKOVueviicfiç, Thessaloniki 1983, 289309. 443 Anerkennung auch eines Ehrenprimas (als primus inter pares) eine voll z u bejahende kirchlich-historische R e a l i t ä t . 33 E i n solcher Ehrenprimat b e g ü n s t i g t nicht unbedingt die sogenannte universelle Ekklesiologie, wie m a n seit Afanassieff immer wieder meint. 34 D e n n der Ehrenprimat darf nicht mit d e m Jurisdiktionsprimat verwechselt werden. Ü b e r d i e s ist er rein geschichtlichen Ursprungs u n d mit der Gleichheit, Selbständigkeit u n d Kollegialität aller Bischöfe auf der einen Seite u n d der synodalen Struktur der Kirche auf der anderen Seite eng u n d unauflöslich verbunden. Der Ehrenprimat versteht sich absolut als Primat der Dienstleistung u n d der b r ü d e r l i c h e n Liebe u n d ist d e m Bischofskollegium untergeordnet. Gerade dieses Verhältnis der Bischöfe untereinander ist i n der R ö m i s c h - k a t h o l i s c h e n Kirche durch die Entwicklung des Papsttums u n d insbesondere die Dogmatisierung des »universellen Jurisdik- tionsprimats« u n d der »Unfehlbarkeit« des Bischofs von R o m i m Ersten Vatikanum gestört Auch vieler das Zweite Vatikanum ist nach orthodoxer Theologen den worden. Meinung Erwartungen einer Ü b e r w i n d u n g oder zumindest einer wahren 3 3 3 4 Grundlegend für den Ehrenprimat ist Kanon 3 4 der Apost. Kanones. Vgl. dazu auch M . V O N SARDES, Das Ökumenische Patriarchat in der Orthodoxen Kirche. Auftrag zur Einigung, Freiburg-Basel-Wien 1980, 17 ff. Vgl. bes. N. AFANASSIEFF, Das Hirtenamt der Kirche: In der Liebe der Gemeinde vorstehen, in: B. BOBRINSKOY U .a. (Hg.), Der Primat des Petrus in der orthodoxen Kirche, Zürich 1961, 7 - 6 5 . Siehe auch C. H. RATSCHOW, Amt/Ämter/Amtsverständnis VIII. Systematisch-theologisch, in: TRE 2 , 5 9 8 . Vgl. auch die einschlägige Kritik von J . K A L O G I R O U , "Evvoia rfjc OIKOV^EVIKÓTTÌTOC Tfjç 'OpdoÔoÇCaç èv axéoei rcpoç x à ç èdvucàç aÙTOKecpaX-ouç 'EKKATiaïaç, 'Emet. 'Enev^çAq QEOX. LxoXi\ç 0 e a a a XOVIKTIÇ Bd. 19, Thessaloniki 1 9 7 4 , bes. 2 0 2 ff. mit Anm. 1. 444 Neuinterpretation der Hauptthese des Ersten Vatikanums nicht gerecht geworden. 35 Trotzdem darf nicht ü b e r s e h e n werden, d a ß das Zweite Vatikanum die zwei wichtigen ekklesiologischen Aspekte der Kollegialität der Bischöfe u n d vor allem der Bedeutung der Ortskirche nicht bloß und wiederentdeckt thematisiert, sondern auch i n einer Weise be- schrieben hat, welche der wahren katholischen (im altkirchlichen Sinn des Wortes) Lehre nahekommt. Das K o n z i l hat dadurch einen dynamischen u n d hoffnungsvollen Anstoß f ü r eine weitreichende Entwicklung gegeben. In der darauffolgenden Zeit und i n einer v o m Zweiten Vatikanum v e r a n l a ß t e n ö k u m e n i s c h e n Euphorie gewann m a n den festen Eindruck, d a ß die r ö m i s c h - k a t h o l i s c h e n Ortskirchen mit ihren Bischofskonferenzen ein eigenes, wenn auch kleines Gewicht d e m päpstlichen Z e n tralismus g e g e n ü b e r z u erhalten begannen. A u c h im theologischen Schrifttum wurden durch die Hervorhebung der Kollegialität der Bischöfe u n d der Bedeutung der Ortskirche Hoffnungen auf eine Neuinterpretation der Papstdogmen erweckt. Papst Paul VI. leistete selber u n d zwar ü b e r die Grenzen der eigenen Kirche hinaus solchen Hoffnungen Vorschub. Inzwischen gewinnt m a n einen anderen Eindruck, nämlich d a ß die oben beschriebene, v o m Zweiten Vatikanum 3 5 eingeläutete Entwicklung zurückge- Vgl. vor allem die Beiträge von J. K A R M I R I S und N. NISSIOTIS, in: Dam. P A P A N D R E O U (Hg.), Stimmen der Orthodoxie zu Grundfragen des 2. Vaticanums, Wien u. a. 1969. Vgl. auch K. KALLINTKOS, »Orthodoxe Stimmen zum 2. Vatikanischen Konzil«, Theologisch-praktische Quartalschrift 114 (1966) 190-200. M . B L U M , Orthodoxe Stimmen zum II. Vatikanum. Ein Beitrag zur Überwindung der Trennung (Ökumenische Beihefte 18), Freiburg/Schweiz 1988. 445 schraubt wird. 36 A l s orthodoxer Theologe fragt man sich, ob die geweckten Hoffnungen unberechtigt waren; ob die R ö m i s c h - katholische Kirche sich heute v o n den A n s ä t z e n des Zweiten Vatikanums her in entgegengesetzter Richtung bewegt u n d die Entscheidungen des Ersten Vatikanums sogar ausbaut; ob verschiedene Ereignisse in der R ö m i s c h - katholischen Kirche (die neu formulierten Bestimmungen z u m V e r h ä l t n i s v o n Papst u n d Bischöfen des Codex Iuris Canonici v o n 1983, Praxis 3 6 446 einiger can. 330 ff, die Bischofsernennungen durch den Bezeichnend dafür scheint mir neben der sogenannten »Kölner Erklärung« und anderen ähnlichen Protestaktionen, was Gisbert G R E S H A K E (»Papstkirche« oder »Communio Ecclesiarum«? Zur Notwendigkeit regionaler kirchlicher Strukturen, Ökumenisches Forum 11, 1988, 116-117) kritisch bemerkt: Das Kirchenbild »von der pyramidenartig geordneten societas hierarchica, deren Spitze der Papst ist, (bringt) die Gefahr mit sich, daß die bischöfliche Ortskirche als eine Art organisatorischer Unterabteilung der einen Universalkirche erscheint und daß der Bischof dann leicht in die Rolle einer Art von >Oberkaplan< des Papstes, welcher der eigentliche >Chef< ist, gedrängt wird. Denn in diesem hierarchischen Kirchenkonzept bestimmt letztlich und endlich der Papst, was in der Kirche recht zu sein hat: er ernennt die Bischöfe, die ihr Amt in strikter Abhängigkeit von ihm ausüben (man denke nur an die pflichtgemäßen Rom-Besuche der Bischöfe, an ihre Überwachung durch Nuntiaturen, an das An-sich-Ziehen aller wichtigen Dinge durch Rom) ... Nun, auch wenn das Bild der Papstkirche ... durch das 2. Vatikanische Konzil aufgebrochen wurde und auch wenn seitdem eine Fülle von synodalen Elementen in die Kirche eingeflossen sind, so stellt sich doch die Frage, ob wirklich das Reizwort >Papstkirche< zu den Akten gelegt werden kann. Muß man nicht heute wieder ein steigendes Maß an Zentralisierung und einsamer päpstlicher Autoritätsausübung beklagen? Das Volk Gottes und seine Erfahrungen gelten wenig; die Autorität der Bischöfe, die sich der Papst ohnehin mehr oder minder allein aussucht, wird ständig von Rom überspielt. Und sind die Reisen des gegenwärtigen Papstes und ihr Stil und die zum Teil sehr zustimmende emotionale Reaktion vieler Christen nicht ein äußeres Zeichen dafür, daß so etwas wie >Papstkirche< noch recht vital ist?« Papst auch gegen den Widerstand der Ortskirchen, der neue E i d des Gehorsams d e m Papst g e g e n ü b e r für Bischöfe u n d Theologieprofessoren v o m Fe- bruar 1989, die Reisen v o n Papst Johannes Paul II. zu den verschiedenen Ortskirchen, w o d u r c h der Jurisdiktionsprimat auf eine bisher nicht dagewesene Weise in die Praxis umgesetzt wird 37 etc.) die A u s - sichten auf eine V e r s t ä n d i g u n g mit der Orthodoxen Kirche i n der zentralen Frage der Ekklesiologie nicht de facto zunichte machen. Die bisherigen E r ö r t e r u n g e n , hoffe ich, haben die grundlegende Bedeutung des Bischofsamts f ü r die Einheit der Kirche sowohl auf Ortsebene als auch auf der Ebene der Ö k u m e n e deutlich gezeigt. D i e A n s ä t z e für dieses Verständnis des Bischofsamts als Dienstamt der Kircheneinheit w u r d e n anhand der gemeinsamen altkirchlichen Tradition herausgearbeitet. Was von uns erwartet w i r d , ist der M u t zwischen gemeinsamer altkirchlicher Tradition u n d später entwickelten M a c h t a n s p r ü c h e n u n d -strukturen z u unterscheiden. Gott m ö g e unseren Bischöfen, aber auch allen Theologen u n d insbesondere den Mitgliedern der Gemischten Theologischen Kommission diesen M u t geben. 37 Nach der Entscheidung des Ersten Vatikanums steht dem Bischof von Rom zu, »die ganze Kirche zu verwalten« und »in Ausübung dieses seines Amtes mit den Hirten und Herden der ganzen Kirche frei zu verkehren«: J . N E U N E R U . H. R O O S (Hg.), Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung, Regensburg 1979, 298 (Nr. 446). Vgl. den Originaltext H. DENZIGER u. A. SCHÖNMETZER (Hg.), Enchiridion Symbolorum, Freiburg/Br. u.a. 1965,599 (Nr. 3062). ,0 36 447