7.1 Anatomie - Thieme Connect

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Notfall
773
Abb. 6.4 Frontobasisfrakturen nach Escher. a Escher I: hohe frontobasale Fraktur des Stirnbeins. b Escher II: mittlere frontobasale Fraktur. c Escher
III: tiefe Fraktur mit Abscherung des Gesichtsschädels. d Escher IV: lateroorbitale Fraktur. [aus Arnold, Ganzer, Checkliste HNO, Thieme, 2011]
werden müssen außerdem jede Fraktur mit Zerreißung
der Dura (Liquorrhö, Pneumozele), offene Hirnverletzungen, Impression- Trümmerfrakturen sowie auch bei endokraniellen (z. B. Meningitis) oder orbitalen (z. B. Visusverlust) Komplikationen und perforierenden Fremdkörpern.
Obligat ist eine begleitende Antibiotikaprophylaxe mit
einem liquorgängigen Antibiotikum (z. B. Cephalosporine
der 3. Generation, Cotrimoxazol).
Mandibulafrakturen folgen anatomisch vorgegebenen
Schwachpunkten und können außerhalb oder innerhalb
der Zahnreihe verlaufen. Sie können nach anatomischen
oder klinischen Gesichtspunkten eingeteilt werden. Klinisch relevant sind die Kriterien Weichteilverletzung,
Frakturtyp und Frakturlokalisation.
7.1 Anatomie
muschel, vorderer und oberer Gehörgang), vom N. auricularis magnus (aus C 3 → hintere Ohrmuschel, unterer Gehörgang, Mastoid) und dem R. auricularis des N. vagus
(→hinterer oberer Gehörgang). Reizt man die hintere Gehörwand, kommt es häufig akut zu Hustenattacken.
Die arterielle Versorgung erfolgt über die A. carotis externa.
7.1.1 Äußeres Ohr
Zum äußeren Ohr zählen die Ohrmuschel und der äußere
Gehörgang. Die Ohrmuschel besteht aus elastischem
Knorpel, der fest an der darüberliegenden Haut haftet.
Durch die direkte Haftung können sich entzündliche Prozesse rasch von der Haut auf das Perichondrium ausbreiten. Der äußere Gehörgang (Meatus acusticus externus)
ist S-förmig gekrümmt und besteht aus einem knorpeligen Anteil außen, mit Haarfollikeln, Talg- und apokrinen
Drüsen, und einem knöchernen innen. Das Trommelfell
stellt die Grenze zum Mittelohr dar.
Das äußere Ohr wird sensibel versorgt vom N. auriculotemporalis (aus dem N. mandibularis → vordere Ohr-
7.1.2 Mittelohr
HNO
Trommelfell (Abb. 7.1): Das Trommelfell hat die Form
eines nach innen gerichteten Trichters, dessen Spitze man
Umbo nennt. Es ist mit dem durchscheinenden Hammergriff verwachsen. Man unterscheidet einen größeren, gespannten Teil (Pars tensa) und einen kleineren, span-
Derma
Genetik
Gyn
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6.9.4 Unterkieferfrakturen
7 Ohr
5
3
Augen
4
IV
I
II
a
6
2
1
Neuro
III
b
Psych.
Abb. 7.1 Trommelfell. a Schema eines rechten
Trommelfells. 1 = Lichtreflex, 2 = Pars tensa, 3 =
Hammerkopf, 4 = Pars flaccida, 5 = Amboss, 6 = Umbo,
7 = Anulus fibrosus. b Otoskopischer Normalbefund
(linkes Trommelfell). [aus Behrbohm/Kaschke, Nawka,
Kurzlehrbuch HNO, Thieme, 2012]
Ortho
Chirurgie
Anästhesie
7.1 Anatomie
7 Ohr
nungslosen Teil (Pars flaccida oder Shrapnell-Membran)
hinter und oberhalb des Hammerfortsatzes. Die Pars tensa besteht auf der Seite zum äußeren Gehörgang aus
einem mehrschichtigen Plattenepithel (Lichtreflexion)
und innen aus einem Überzug der Mittelohrschleimhaut.
Dazwischen liegt das Stratum fibrosum, das außen aus
einer radiären und innen aus einer zirkulären Schicht besteht. Über seinen Faserknorpelrand (Anulus fibrosus) ist
es mit dem Knochen verbunden. Das Trommelfell kann in
4 Quadranten geteilt werden, wobei der Hammergriff
bzw. seine Verlängerung die Grenze darstellt. Hinter dem
oberen hinteren Quadranten befindet sich das ovale, hinter dem unteren hinteren das runde Fenster. Zum otoskopischen Trommelfellbefund s. S. 776.
Paukenhöhle (Cavitas tympani): Die Paukenhöhle enthält
Luft und ist mit Schleimhaut ausgekleidet. Sie besteht aus
3 Etagen:
▪ Epitympanon: oberhalb des oberen Trommelfellrandes
▪ Mesotympanon: im Trommelfellniveau
▪ Hypotympanon: unter dem unteren Trommelfellrand.
Die Paukenhöhle enthält die 3 Gehörknöchelchen Hammer (Malleus), Amboss (Inkus) und Steigbügel (Stapes),
die für die Schallübertragung auf das Innenohr verantwortlich sind. Beeinflusst werden sie in ihrem Spannungszustand von den Ohrbinnenmuskeln M. stapedius
und M. tensor tympani. Grenzen der Paukenhöhle:
▪ laterale Wand: Trommelfell
▪ mediale Wand (Paries labyrinthicus): ovales und rundes Fenster, Promontorium
▪ Dach (Paries tegmentalis): mittlere Schädelgrube
▪ Boden (Paries jugularis): V. jugularis interna
▪ Vorderwand (Paries caroticus): Tuba auditiva (Verbindung zum Nasopharynx), Canalis caroticus
▪ Hinterwand (Paries mastoideus): Canalis facialis, Antrum mastoideum.
Mittelohr
Amboss
Hammer
Scala
vestibuli
Innenohr
Steigbügel
ovales Fenster
Limbus
spiralis
Ohrtrompete (Tuba auditiva, Eustachische Röhre): Die Tuba auditiva liegt zu ⅓ im Felsenbein (knöcherner Teil),
die anderen, knorpeligen ⅔ reichen trichterförmig bis in
den Nasopharynx. Geöffnet wird die Tube über den M. levator veli palatini und M. salpingopharyngeus (Gaumensegelmuskel und Schlundhebermuskel), gleichzeitig
spannt sich das Gaumensegel (Schluckakt).
Pneumatisierte Räume: In den ersten Lebensjahren
kommt es zur Pneumatisierung des Mastoids, wodurch
ein ebenso wie die Paukenhöhle luftgefüllter und mit
Schleimhaut ausgekleideter Raum (Antrum mastoideum)
sowie kleinere Cellulae mastoideae entstehen. Die Pneumatisation kann bei chronischen Mittelohrprozessen gehemmt sein.
7.1.3 Innenohr
Das Innenohr (Auris interna), eingebettet im Felsenbein,
besteht aus dem Hörorgan und dem Gleichgewichtsorgan
mit jeweils einem knöchernen und einem membranösen
Labyrinthsystem. Zwischen diesen beiden Systemen befindet sich die Perilymphe, welche über den Ductus perilymphaticus mit dem Subarachnoidalraum in Verbindung
steht. Im membranösen Teil befindet sich die Endolymphe. Die Zusammensetzung der Perilymphe entspricht
der der Extrazellulärflüssigkeit (Na+↑, K+↓), die Endolymphe ist kaliumreich.
Hörorgan (Abb. 7.2): Das Hörorgan beinhaltet die knöcherne Gehörschnecke (Kochlea) sowie 3 membranöse
Hohlräume, die Scala vestibuli, die Scala tympani und die
Scala media (Ductus cochlearis, Schneckengang). Die
Schnecke windet sich dabei 2,5-mal um die eigene Achse,
dem Modiolus. Scala vestibuli und Scala tympani enthalten die Perilymphe und ziehen zur Schneckenspitze (Helicotrema), wo sie miteinander in Verbindung stehen. Die
Scala media enthält die kaliumreiche Endolymphe. Die
Reissner-Membran bildet dabei die Grenze zur Scala ves-
ReissnerMembran
Stria
vascularis
Helicotrema
a
Trommelfell
Paukenhöhle
Tuba
auditiva
rundes Cochlea
Fenster
b
Scala
tympani
Basilar- Cortimembran Organ
Perilymphe
cochleäre
Trennwand
Scala
media
Endolymphe
Abb. 7.2 Hörorgan. a Mittel- und Innenohr.
b Querschnitt durch die Kochlea. [aus Gekle et
al., Taschenlehrbuch Physiologie, Thieme,
2010]
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774
Innenohr: Die Schallwelle gelangt über das ovale Fenster
zur Perilymphe der Scala vestibuli. Diese wird dadurch in
Schwingung versetzt und die Basilarmembran mit der
Endolymphe ausgelenkt. Es entsteht eine Wanderwelle,
die sich in Richtung Helicotrema fortpflanzt. Voraussetzung für die Wanderwelle ist die Tatsache, dass die Perilymphe, die ja selbst nicht komprimiert werden kann,
durch das runde Fenster verdrängt wird. Die Basilarmembran hat aufgrund ihrer in Apexnähe zunehmenden Breite die Eigenschaft, auch zunehmend Energie absorbieren
zu können. Diese Tatsache ist dafür verantwortlich, dass
verschiedene Frequenzen im Verlauf durch die Kochlea
an jeweils spezifischen Stellen ihre maximale Amplitude
wiederfinden. Bei hohen Frequenzen erreicht die Basalmembran ihr Schwingungsmaximum an der Schneckenbasis, bei tiefen Frequenzen an der Schneckenspitze. Damit ist jeder Frequenz ein eigener Ort an der Basilarmembran zugeordnet (Tonotopie).
Indem die Basalmembran ausgelenkt und die Endolymphe verschoben wird, werden die äußeren und in
weiterer Folge auch die inneren Haarzellen abgeknickt.
Notfall
Anästhesie
Chirurgie
Derma
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Äußeres Ohr und Mittelohr: Ohrmuschel und äußerer Gehörgang bewirken im Sinne eines Schalltrichters eine
Schall- und Resonanzverstärkung, insbesondere für Frequenzen zwischen 2–4 kHz. Das Trommelfell „fängt“ die
Schwingungen auf und überträgt sie auf die Gehörknöchelchen. Diese fungieren als „Impedanzwandler“ und ermöglichen die weitere Übertragung der Bewegung auf
das flüssigkeitsgefüllte Innenohr, ohne dass dabei bedeutend Schwingungsenergie verloren geht. Verantwortlich
ist dafür der Größenunterschied von Trommelfell und
Steigbügelfußplatte (Übertragungsfläche 20:1). Die Beweglichkeit der Gehörknöchelchen wird durch den M.
stapedius beeinflusst. Bei seiner Kontraktion wird die
knöcherne Schallleitungskette versteift, bei Kontraktion
des M. tensor tympani das Trommelfell; beides führt zur
Verringerung der Schallübertragung. Insbesondere bei
lauten und bei hohen Tönen finden diese Muskelkontraktionen reflektorisch statt („Hochpassfilter“, Stapediusrefelx, S. 778). Für die Trommelfellbeweglichkeit ist ein
Druckausgleich durch die Tuba auditiva notwendig.
HNO
Hörbahn: Ausgehend von den inneren Haarzellen im Corti-Organ ziehen die afferenten Fasern über das Ganglion
spirale im Modiolus (bipolare Ganglienzellen, 1. Neuron)
als N. cochlearis zu den Nuclei cochlearis anterior und
posterior (2. Neuron). Hier werden sie erstmals umgeschaltet. Dabei gelangen vorrangig Fasern einer Seite zum
entsprechenden Kern. Die Hörbahn verläuft weiter über
die untere Olive und den Lemniscus lateralis, wobei die
meisten Fasern zur Gegenseite kreuzen, und dann über
den Colliculus inferior (3. Neuron) zum Corpus geniculatum laterale des Thalamus (4. Neuron). Von hier zieht die
Radiatio acustica in das primäre Hörzentrum in die Gyri
temporales transversi des auditorischen Kortex (Inselrinde, Heschl-Querwindungen, A41 nach Brodmann).
Die Hörbahn ist tonotrop organisiert, d. h., dass den
entsprechenden Abschnitten der Kochlea Bereiche der
Hörrinde zugeordnet sind. Verschaltungen im Nucleus
olivaris superior und weitere Kreuzungen der Hörbahn
untereinander ermöglichen die binaurale Verarbeitung
der wahrgenommenen Informationen (Schalllokalisation
und „Stereohören“).
7.2.1 Hörvorgang
Augen
Versorgung: Die Blutversorgung des gesamten Labyrinths
erfolgt arteriell über die A. labyrinthi, die sich in die A.
vestibuli und die A. vestibulocochlearis gabelt. Der venöse
Rückstrom erfolgt über die gleichnamige V. labyrinthi.
7.2 Physiologie
Neuro
Gleichgewichtsorgan: Das Vestibularorgan besteht aus
dem Vorhof-Bogengang-System. In den basalen Aufweitungen (Ampullae) der 3 Bogengänge (Ductus semicirculares) liegt jeweils eine zum Bogengang querstehende
Bindegewebsleiste, die sog. Sinnesleiste (Crista ampullaris). Die Crista ampullaris trägt neben Stützzellen rund
7000 Sinneszellen, die jeweils eine lange (Kinozilium) und
etwa 80 kleinere Zilien tragen. Eine gallertartige Kuppel
(Cupula) umgibt die Zellen und reicht bis an das Dach der
Ampulle.
Der vordere und der hintere Bogengang stehen im
rechten Winkel zueinander und sind medial miteinander
verbunden, während der laterale Bogengang eigenständig
und um 30° nach ventrokranial gekippt ist. Der Winkel aller Bogengänge zu den Hauptachsen des Kopfes beträgt
45°. Sie sitzen alle dem Utriculus auf, der mit dem Sacculus in Verbindung steht. Utriculus und Sacculus grenzen
über ihre gemeinsame knöcherne Begrenzung, dem Vestibulum, an Stapes und Kochleabasis. Darüber hinaus
kommunizieren sie miteinander über den Ductus reuniens.
Utriculus und Sacculus enthalten zilientragende Sinnes- und Stützzellen (Macula utriculi und sacculi), in denen sich die peripheren Rezeptoren des vestibulären Systems befinden. Die Zilien sind von einer gelatinösen Masse umgeben. An ihrer Oberfläche befinden sich Otolithen
(Statolithen) aus Kalkkristallen.
Zentrales Gleichgewichtssystem: Die sekundären Sinneszellen ziehen als N. vestibularis zu den 4 Vestibulariskernen der Pons und sind topisch organisiert. Von den Vestibulariskernen ziehen Efferenzen
▪ über den Tractus vestibulospinalis zu Motoneuronen
des Rückenmarks (Stützmotorik)
▪ über vestibulozerebelläre Fasern zum Lobus flocculonodularis cerebelli (Feinkontrolle)
▪ über aufsteigende Bahnen des Fasciculus longitudinalis
medialis zu den 3 Augenmuskelkernen
▪ zu Thalamus und Cortex (Raumempfinden) sowie zum
Hypothalamus (vegetative Regulation).
Psych.
tibuli, die Basilarmembran zur Scala tympani. Das eigentliche Hörorgan ist das Corti-Organ, das der Basilarmembran aufsitzt und die äußeren (3-reihig) und inneren (1reihig) Haarzellen enthält. Die Basilarmembran wird in
Richtung Schneckenspitze deutlich breiter.
775
Ortho
7.2 Physiologie
7 Ohr
Untereinander stehen die Haarzellen durch Filamente in
Verbindung. Durch die Verbiegung öffnen sich vorübergehend K+-Kanäle, sodass K+ aus der Endolymphe einströmt
und die Haarzelle depolarisiert wird. Daraufhin strömen
aus der Perilymphe Ca2 + -Ionen ein, wodurch der Neurotransmitter Glutamat freigesetzt wird (Exzitation). Die inneren Haarzellen vermitteln damit die elektrischen Signale. Die Funktion der äußeren Haarzellen besteht in erster Linie in der aktiven Verstärkung der Wanderwelle
und der inneren Haarzellen, da sie sich kontrahieren können. So entstehen die otoakustischen Emissionen
(S. 779).
7.2.2 Vestibuläres System
Das vestibuläre System ist neben den propriozeptiven
und optischen Systemen Teil der Gleichgewichtsregulation und damit auch für die Orientierung im Raum verantwortlich. Die Makulaorgane reagieren auf lineare Beschleunigungen, da die Otholithen bei der Beschleunigung des Körpers infolge ihrer Trägheit zurückbleiben
und die Zilien dadurch ausgelenkt werden. Macula utriculi (horizontal) und Macula sacculi (vertikal) stehen im
rechten Winkel zueinander und registrieren daher auch
bei Kopfneigungen die Kopfstellung im Raum.
Von den Bogengängen werden Drehbewegungen des
Kopfes in allen Raumebenen wahrgenommen. Auch die
Endolymphe ist träge, sodass im entsprechenden Bogengang Cupula und Sinneszellen ausgelenkt werden. Dies
stellt den adäquaten Reiz für die Sinneszellen dar. Danach
kehrt die Cupula in ihre Ausgangsposition zurück.
Werden die Zilien zum Kinozilium ausgelenkt, kommt
es zur Depolarisation und damit zum Anstieg der Entladungen, werden sie in die andere Richtung, also vom Kinozilium weg, ausgelenkt, verursacht dies eine Hyperdepolarisation und damit eine Verminderung der Aktivität.
7.3 Untersuchungen
7.3.1 Anamnese
In der Anamnese sollte v. a. nach einer Schwerhörigkeit,
Schwindel und einem Tinnitus gefragt werden. Wichtig
sind auch Angaben über stattgehabte Ohroperationen,
Trommelfellperforation, rezidivierende Entzündungen
sowie die Erhebung einer Medikamentenanamnese.
7.3.2 Inspektion und Otoskopie
Zuerst inspiziert man das äußere Ohr auf Rötungen,
Schwellungen, Sekretionen aus dem Gehörgang oder weitere Veränderungen. Danach prüft man das Ohr auf
Schmerzhaftigkeit: Ein Druckschmerz am Tragus und ein
Zugschmerz an der Ohrmuschel weisen auf eine Entzündung des äußeren Ohrs; ein klopf- oder druckschmerzhaftes Mastoid auf eine Mastoiditis.
Otoskopie und Trommelfellbefund: Da der äußere Gehörgang gekrümmt ist, zieht man zunächst die Ohrmuschel
am oberen Anteil der Helix nach dorsokranial. So wird er
gestreckt und man kann den Trichter des Otoskops einführen. Neben der allgemeinen Beschaffenheit des Gehörgangs (Rötung, Zerumen, Fremdkörper, Blutung, Othämatom) wird das Trommelfell inspiziert. Normalerweise ist
das Trommelfell gelblich-grau, mäßig transparent und
glänzt perlmuttartig (Abb. 7.1b, S. 773). Vom Umbo zieht
ein Lichtreflex nach vorn und unten. Pathologische Befunde sind Narben, Retraktionen, Ergüsse (Transsudatlinie, Luftblasen), Rötungen, Verdickungen und Perforationen.
MERKE Vorsicht bei Manipulation am hinteren Gehörgang:
zum einen kann ein Hustenreiz ausgelöst werden (Reizung
des R. auricularis n. vagi), zum anderen befindet sich hinter
dem hinteren, oberen Quadranten das ovale Fenster (→ Innenohr).
7.3.3 Hörprüfungen
Subjektive Hörprüfungen
Stimmgabeltests: Sie dienen der Unterscheidung zwischen einer Schallleitungs- und einer Schallempfindungsschwerhörigkeit. Ein Hörverlust kann somit nicht direkt
erfasst werden. Während Schallleitungsstörungen durch
Ursachen im Bereich des äußeren Gehörganges und des
Mittelohrs bedingt sind, entstehen Schallempfindungsstörungen durch Störungen in der Hörschnecke und im
Hörsystem. Man unterscheidet folgende Tests:
▪ Weber-Versuch: Aufsetzen der (schwingenden) Stimmgabel auf die Schädelmitte
- beidseits gleichlautes Empfinden → keine oder bilaterale Läsion
- Ton lauter im schlechter hörenden Ohr → unilaterale
Schallleitungsstörung
- Ton lauter im besser hörenden Ohr → Innenohrschwerhörigkeit der Gegenseite
▪ Rinne-Versuch: Aufsetzen der (schwingenden) Stimmgabel auf das Mastoid (Knochenleitung), bis der Patient
nichts mehr hört, dann vor das Ohr halten (Luftleitung)
- Ton vor dem Ohr noch hörbar (= Rinne positiv) → Innenohrschwerhörigkeit
- Ton vor dem Ohr nicht mehr hörbar (= Rinne negativ)
→ Schallleitungsstörung
▪ Gellé-Versuch: Aufsetzen einer (schwingenden) Stimmgabel auf das Mastoid und anschließend Verschließen
des äußeren Gehörgangs mit einem Politzer-Ballon,
dann Kompression des Ballons
- Ton dadurch leiser (= Gellé positiv) → normal
- Ton dadurch unverändert (= Gellé negativ) → fixierte
Gehörknöchelchenkette (z. B. bei Otosklerose).
Flüstertest: Orientierende Prüfung der Hörweite. Ein Ohr
wird abgeschirmt, dem anderen werden viersilbige Zahlen zugeflüstert. Normal ist ein Verständnis auf eine Entfernung bis zu 6 m.
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776
3 4
125 250 500
6 8 12
Hörverlust [dB HL]
Frequenz [Hz]
1
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2
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Frequenz [kHz]
d kombinierte Schwerhörigkeit
– 10
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Luftleitung rechts
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1
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c Schallempfindungsschwerhörigkeit
– 10
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Frequenz [kHz]
– 10
0
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– 10
0
10
20
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Luftleitung links
Knochenleitung links
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Frequenz [Hz]
1
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3 4
6 8 12
Frequenz [kHz]
Abb. 7.3 Befunde der Tonschwellenaudiometrie. a Normalbefund. b Schallleitungsschwerhörigkeit. c Schallempfindungsschwerhörigkeit. d
Kombinierte Schwerhörigkeit. [aus Probst, Grevers, Iro, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Thieme, 2008]
Tonaudiometrie: Die Hörschwelle für reine Töne wird mit
Frequenzen zwischen 125 und 10000 Hz über die Luftleitung und 250 und 6000 Hz über die Knochenleitung bestimmt. Die Frequenzen werden dem Patienten schrittweise in Oktaven und seitengetrennt vorgespielt.
Normalerweise fallen Luft- und Knochenleitung zusammen. Eine Schallleitungsschwerhörigkeit liegt vor,
wenn die Schwelle der Luftleitung über den Pegeln der
Knochenleitung liegt, da dann größere Lautstärken für
die Wahrnehmung benötigt werden. Eine insgesamt gehobene Hörschwelle, bei nahezu gleicher Schwelle für
Luft- und Knochenleitung, entspricht einer Schallempfindungssschwerhörigkeit (sensorineurale Schwerhörigkeit).
Eine kombinierte Schallleitungs- und Empfindungsschwerhörigkeit kann im Audiogramm über einen starken Hörverlust der Luftleitung im Vergleich zur Knochenleitung und über die Hörschwellenerhöhung für Kno-
chenleitung nachgewiesen werden. Abb. 7.3 zeigt Befunde der Tonschwellenaudiometrie.
Der Hörschwellenverlauf im Tonaudiogramm an charakteristischen Stellen kann für bestimmte Erkrankungen
ganz typisch sein: z. B.
▪ Senkung bei 4–6 kHz (c5-Senke): Lärmschwerhörigkeit
▪ Schallleitungsschwerhörigkeit und Senkung der Knochenleitung bei mittleren Frequenzen (Carhart-Senke):
otosklerotische Stapesfixation.
Mit überschwelligen Hörmessungen kann eine kochleäre
(also Innenohr-) von einer retrokochleären Schwerhörigkeit unterschieden werden, indem das sog. Recruitment
nachgewiesen wird. Sie sind bei kochleären Störungen
positiv. Patienten mit Innenohrschwerhörigkeit hören
aufgrund ihrer erhöhten Hörschwelle Schall bei einem relativ lauten Pegel nicht oder nur zu leise, empfinden aber
auf dem betroffenen Ohr Töne, die überhalb der Hör-
Notfall
Anästhesie
Chirurgie
Ortho
Luftleitung links
Knochenleitung links
Derma
Genetik
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geschützt.
2
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1
Frequenz [Hz]
– 10
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Neuro
Luftleitung rechts
Knochenleitung rechts
Bereich der Hauptfrequenzen
und -pegel der Sprache
– 10
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Hörverlust [dB HL]
Hörverlust [dB HL]
– 10
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Hörverlust [dB HL]
b Schallleitungsschwerhörigkeit
a normales Tonaudiogramm
777
Psych.
7.3 Untersuchungen
7 Ohr
200
300 —300 —200 —100
100
200
300
negativer Druck
(Unterdruck)
Compliance
erniedrigt
c
Compliance
erhöht
d
schwelle liegen, unangenehmer und lauter als Normalhörende (positives Recruitment oder pathologischer Lautheitsausgleich). Bei retrokochleären Hörstörungen ist das
Recruitment meist negativ, d. h. der Ton muss auch lauter
angeboten werden, um auf beiden Ohren gleich laut gehört zu werden. Überschwellige Testverfahren sind z. B.:
▪ Fowler-Test (Lautheitsausgleich)
▪ SISI- (short increment sensitivity index) Test, Intensitätsunterscheidungsvermögen nach Lüscher: prüft das
Vermögen, kleine Unterschiede der Lautstärke festzustellen
▪ Geräuschaudiometrie nach Langenbeck: Bestimmung
der Hörschwelle bei rauschenden Geräuschen.
Sprachaudiogramm: Gemessen wird überwiegend das
Sprachverständnis und nicht die Hörschwelle von Sprachsignalen. Die Untersuchung basiert auf dem Freiburger
Sprachverständlichkeitstest aus Zahlen und einsilbigen
Wörtern. Die Ergebnisse werden auf Bezugskurven aufgetragen. Bei einer Schallempfindungsschwerhörigkeit
kommt es typischerweise zu einer Abflachung der Kurve
bei höheren Frequenzen und zum Diskriminationsverlust.
Die Sprachaudiometrie kann – insbesondere bei der Anpassung von Hörgeräten und Kochleaimplantaten – auch
mit zusätzlichen Störgeräuschen durchgeführt werden.
Objektive Gehöruntersuchungen
Impedanzaudiometrie: Bei der Impedanzaudiometrie
misst man den Widerstand des Schalls, der vom Trommelfell reflektiert wird. Wie viel Schall reflektiert wird,
hängt von der Schwingungsfähigkeit des Trommelfells
(Compliance) ab. Je weniger schwingungsfähig das Trommelfell ist, desto mehr wird reflektiert, desto größer also
die Impedanz. Aussagekräftig ist insbesondere die Impedanzänderung, die durch zusätzliche Einflüsse provoziert
wird:
▪ Impedanzänderung durch Änderungen des Luftdrucks
(Tympanometrie)
▪ Impedanzänderung durch akustische Reize (Stapediusreflex).
Tympanometrie: Der Gehörgang wird luftdicht abgedichtet und der Luftdruck im äußeren Gehörgang gezielt erhöht oder erniedrigt. Aufgezeichnet wird die Impedanzänderung in einem Tympanogramm. Pathologische
Abb. 7.4 Befunde der Tympanometrie. a Normalerweise
liegt die Spitze bei 0, d. h. Druck im Gehörgang = Druck im
Mittelohr. b Unterbrochene Gehörknöchelkette. c Unterdruck im Mittelohr. d Mittelohrerguss. [aus Behrbohm/
Kaschke, Nawka, Kurzlehrbuch HNO, Thieme, 2009]
Tympanogramme ergeben sich bei Erkrankungen des
Trommelfells oder Mittelohrs (Abb. 7.4).
Stapediusreflex: Das Ohr wird mit einer Lautstärke mit
ca. 70 dB über der Hörschwelle beschallt, wodurch sich
der M. stapedius kontrahiert und die Trommelfellbeweglichkeit eingeschränkt wird. Meist beschallt man ein Ohr
und misst den Reflex am selben oder kontralateralen Ohr.
Der Stapediusreflex fehlt bei Veränderungen der Schallleitungskette (z. B. Otosklerose), bei Paukenerguss, retrokochleärer Schwerhörigkeit oder Fazialisparese. Bei einer
retrokochleären Schwerhörigkeit liegt die Reflexschwelle
höher und der Reflex ist ermüdbar. Bei einer Innenohrschwerhörigkeit liegt die Reflexschwelle deutlich näher
an der Hörschwelle (sog. Metz-Recruitment).
MERKE Bei akuter Innenohrschwerhörigkeit sollte der Sta-
pediusreflex wegen der zusätzlichen Lärmbelastung nicht
gemessen werden.
Tubenfunktionsprüfung: Die Tubenfunktion kann überprüft werden mittels
▪ Valsalva-Manöver: Nase zuhalten und gegen den geschlossenen Mund pressen
▪ Politzer-Luftdusche: Die Olive der Politzer-Dusche wird
in ein Nasenloch eingeführt, mit dem Finger das andere
Nasenloch zugehalten. Dann Ballon komprimieren und
gleichzeitig „Kuckuck“ sagen.
▪ Toynbee-Versuch: Nase zuhalten und schlucken.
Bei durchgängigen Tuben gelangt Luft ins Mittelohr, was
von außen als geringe Trommelfellbewegung und vom
Patienten selbst als „Klick“-Geräusch wahrgenommen
wird.
Auditorisch evozierte Potenziale (AEP), auch elektrische
Reaktionsaudiometrie (ERA): Nach akustischer Simulation wird die neuronale Aktivität über Nadel- oder Oberflächenelektroden am Schädel aufgezeichnet. Die Potenziale
treten entlang des Hörsystems zwischen Haarzellen der
Kochlea und Hörrinde mit unterschiedlicher Latenz nach
dem akustischen Reiz auf und können somit zur Lokalisationsdiagnostik verwendet werden. Man unterscheidet
frühe (Latenz 0–10 ms), mittlere (10–50 ms) und späte
(> 100 ms) akustisch evozierte Potenziale. Folgende Messmethoden stehen zur Verfügung:
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a0
b
0
Compliance
5
daPa
100
Compliance
normal
0
Compliance
daPa
—300 —200 —100
10
Compliance
778
Zur Prüfung des Gleichgewichts werden folgende Untersuchungen durchgeführt (s. auch Neurologie S. 872):
▪ Prüfung der vestibulospinalen Reflexe mittels Romberg-Test, Unterberger-Tretversuch, Strichgang und
Finger-Nase-Zeigeversuch
▪ Nystagmusprüfung: entweder mit oder ohne FrenzelBrille. Ausführlicheres s. Neurologie S. 938
- Prüfung eines Spontannystagmus
- Provokation mittels kalorischer Reizung
- Provokation mittels rotatorischer Reizung
- Lagerungsprüfung (S. 794)
7.4.1 Indikationen und Hörgeräteversorgung
Hörgeräte, aber auch Gehörimplantate (Kochleaimplantat) gehören dem Bereich der auditiven Rehabilitation an,
welche zur Verbesserung oder Wiederherstellung des
Hörvermögens dient. Die auditive Rehabilitation kommt
dann zum Einsatz, wenn Hörstörungen durch medikamentöse oder otochirurgische Verfahren nicht verbessert
werden können.
Das verwendete Verfahren ist abhängig vom Ausmaß
des Hörverlustes, aber auch von den individuellen Bedürfnissen und Anforderungen des Betroffenen. Nach den
deutschen Hilfsmittelrichtlinien liegt eine Versorgungsindikation vor, wenn
▪ der tonaudiometrische Hörverlust des besseren Ohres ≥ 30 dB in mindestens einer Prüffrequenz zwischen
500 und 3000 Hz beträgt
▪ die Sprachverständlichkeit bei 65 dB ≤ 80 % liegt
▪ der Patient das Hörgerät adäquat bedienen kann
▪ eine Besserung durch medikamentöse oder operative
Maßnahmen (z. B. Stapesoperation bei otosklerotischer
Schallleitungsschwerhörigkeit) nicht zu erwarten ist.
Wichtig ist eine möglichst frühzeitige und am besten binaurale Versorgung.
Hörgeräte werden bei mittel- bis hochgradiger
Schwerhörigkeit, Kochleaimplantate bei Taubheit oder
Anästhesie
Chirurgie
Ortho
Derma
Genetik
Gyn
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7.4 Hörgeräte
HNO
CT/MRT: Im CT können neben knöchernen Destruktionen
und Frakturen Entzündungen, Weichteilverdickungen sowie Flüssigkeitsansammlungen gesehen werden. Die
dünnschichtigen MRT-Aufnahmen, z. T. mit Kontrastmittel (Gadolinium-DTPA), können v. a. aufgrund des höheren Weichteilkontrasts traumatische Läsionen, entzündliche und tumoröse Prozesse, aber auch membranöse Labyrinthstrukturen, Gefäße und Nerven (T 2-Wichtung)
nachweisen. Im funktionellen MRT kann die Perfusion
der kortikalen Hörrinde beurteilt werden.
Augen
Gleichgewichtsprüfung
Konventionelles Röntgen: Die Überlagerungseffekte des
Felsenbeins (Pars petrosa ossis temporalis, Teil des Schläfenbeins) erfordern Spezialaufnahmen nach Schüller und
nach Stenvers, die jedoch weitgehend durch CT und MRT
abgelöst worden sind. Lediglich die Aufnahme nach
Schüller kommt gelegentlich klinisch zum Einsatz, beispielsweise zur Beurteilung der Mastoidpneumatisation,
Mastoiditis oder Felsenbeinfraktur.
Neuro
Angewendet wird die Untersuchung der otoakustischen
Emissionen vorwiegend beim Neugeborenen-Hör-Screening, weitere Indikationen sind die Abklärung einer
nichtorganisch bedingten Schwerhörigkeit, die Objektivierung audiometrischer Befunde und Verlaufskontrolle
bzw. Überwachung, z. B. bei ototoxischer Medikamenteneinnahme.
Bildgebung
Psych.
Otoakustische Emissionen (OAE) entstehen physiologischerweise durch Kontraktionen der äußeren Haarzellen
im Corti-Organ und können – da sie retrograd in den
äußeren Gehörgang gelangen, dort mit einer Mikrofonsonde gemessen werden. Man unterscheidet:
▪ spontane otoakustische Emissionen (SOAE): leise Dauertöne ohne zusätzlichen Reiz, insbesondere bei Jugendlichen ableitbar
▪ transitorisch evozierte OAE (TEOAE): Sie entstehen
nach kurzen Reizen und fehlen bei Patienten mit einem
Hörverlust > 35 dB.
▪ otoakustische Emissionen von Verzerrungs- oder Distorsionsprodukten (DPOAE): Sie entstehen bei Stimulation mit 2 Tönen. Nicht mehr nachweisbar sind sie ab
einem Hörverlust von > 50 dB.
- Prüfung auf ein positives Fistel-Syndrom: indiziert bei
V. a. Cholesteatom. Patient erhält eine Frenzelbrille,
dann Pollitzer-Ballon im äußeren Gehörgang komprimieren → tritt ein Nystagmus mit Schwindel auf →
positives Fistel-Syndrom. Der Nystagmus schlägt zur
kranken Seite bei Kompression des Ballons und zur
gesunden bei Aspiration.
- evtl. Elektronystagmografie.
RADIO
▪ Elektrokochleografie: Über eine Nadelelektrode am
Promontorium werden die Potenziale der Kochlea und
des Hörnervs gemessen (Latenz 1–3 ms). Indiziert ist
die Untersuchung bei Morbus Menière, Perilymphfisteln oder vor Kochleaimplantaten (Restfunktion vorhanden?).
▪ Hirnstammaudiometrie (brainstem-evoked response
audiometry, BERA): Über Oberflächenelektroden an
Mastoid und Scheitel werden Potenziale des Hörnervs
und des Hirnstamms abgeleitet (Latenz ca. 10 ms). Indiziert zur Feststellung einer retrokochleären Schwerhörigkeit, eines Kleinhirn-Brücken-Winkel-Tumors, zur
Diagnostik von neurologischen Erkrankungen (z. B.
multiple Sklerose, Meningitis) sowie auch insbesondere in der pädaudiologischen Diagnostik (Ableitung in
Narkose oder im Schlaf).
▪ Hirnrindenaudiometrie (cortical-evoked response audiometry, CERA): Ableitung später Potenziale. Bei der
Untersuchung müssen die Patienten bei Bewusstsein
sein (→ keine Sedierung bei Kindern). Angewendet
wird sie zur Objektivierung der Hörschwelle (Simulation?).
779
Notfall
7.4 Hörgeräte
7 Ohr
sog. Resthörigkeit eingesetzt. Für Hörgeschädigte gibt es
über die Hörgeräte hinaus eine Reihe weiterer Hilfen, die
sowohl die Interaktion als auch die Kommunikation mit
der Umwelt erleichtern wie z. B. gezieltes Hörtraining
und Lippenlesen, technische Hilfen (z. B. Signallichtsysteme) oder Logopädie.
7.4.2 Bauarten und Funktionsweise von
Hörgeräten
Ein Hörgerät nimmt die akustischen Signale und den Umgebungsschall über ein Mikrofon auf, verstärkt und bearbeitet diese frequenzspezifisch und differenziert über einen Verstärker. Dieser regelt unter einem Filter die leiseren Töne lauter, verstärkt aber auch selektiv bestimmte
Frequenzbänder. Zudem unterdrückt er Störgeräusche
und Rückkopplungen. Die maximale Gesamtlautstärke
kann ebenfalls eingestellt werden. Über einen Minilautsprecher wird nun der Schall zum Ohr hin abgegeben.
Eine Otoplastik (ohrgenaues Passtück) oder ein offenes
Schlauchsystem stellt dabei die Verbindung zum äußeren
Gehörgang dar.
Gängige Bauarten sind: Hinter-dem-Ohr-Gerät, ImOhr-Gerät, Taschengerät und Hörbrille. Digital programmierbare Hörgeräte verbessern überwiegend das Sprachverständnis, müssen jedoch gewartet und kontrolliert
werden.
Bei asymmetrischer Hörstörung kommt die sog. CROSVersorgung (contralateral routing of signals) zum Einsatz,
bei der Schall vom schlechter hörenden auf das bessere
Ohr übertragen wird. Dadurch verbessert sich v. a. das
Richtungshören. Weitere Möglichkeiten zur Anpassung
an die Restdynamik des Hörfeldes sind das sog. Peak Clipping (Beschneidung der Maximalamplituden) und die Automatic Gain Control (automatische Verstärkungsregelung).
Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit von knochenverankernden Hörgeräten oder voll implantierbaren Mittelohrimplantaten. Dabei wandelt der implantierte Verstärker Schallwellen in Vibrationen um, die direkt auf den
Schädel- oder die Gehörknöchel übertragen werden.
7.4.3 Kochleaimplantat
Funktionsweise: An der temporalen Außenseite des Kopfes ist eine Senderspule angebracht, im Knochen hinter
dem Mastoid eine Empfängerspule implantiert. Beide stehen über einen Magneten miteinander in Verbindung.
Der Schall wird über ein Mikrofon und einen Sprachprozessor, welche sich hinter dem Ohr befinden, in elektrische Impulse umgewandelt und über die Senderspule
(Radiofrequenzspule) an die Empfängerspule weitergeleitet. Diese wandelt anschließend die erhaltenen elektrischen Impulse in elektronische Signale um und stimuliert
über intrakochleäre Elektroden in der Scala tympani direkt den Hörnerv und das Ganglion spirale.
Indikationen: Ein Innenohrimplantat kommt infrage bei
▪ funktioneller Schädigung der inneren Haarzellen mit
schwerer Hörstörung, ohne Therapieerfolg trotz der
Versorgung mit optimal eingestellten äußeren Hörgeräten
▪ Ertaubung vor (prälingual) oder nach (postlingual)
dem Spracherwerb.
Voraussetzungen sind: zumindest teilweise erhaltene
Funktion bzw. Leitfähigkeit des Hörnervs, intakte Hörbahn, Motivation des Patienten, Umgangsfähigkeit mit
dem Implantat.
Die Implantation sollte möglichst innerhalb eines Jahres nach Ertaubung erfolgen (prälingual spätestens im
Vorschulalter).
7.5 Kindliche Hörstörungen
(Pädaudiologie)
Hörstörungen im Säuglings- und auch noch im Kleinkindalter werden oftmals erst spät bemerkt, wirken sich aber
auf die Sprach- und Persönlichkeitsentwicklung des Kindes aus. Da das Erlernen der Sprache bedeutend vom
Hörvermögen abhängt, fallen Hörstörungen zumeist erst
durch eine gestörte, verzögerte Sprachentwicklung auf.
DEFINITION Von einer kindlichen Hörstörung spricht man
bei einem Hörverlust eines Kindes von > 15 dB im Hauptsprachbereich von 250–4000 Hz.
Epidemiologie: Die Inzidenz einer kongenitalen beidseitigen relevanten Hörstörung beträgt 1:1000 im Jahr. Meist
handelt es sich dabei um eine Innenohrschwerhörigkeit.
Ältere Kinder leiden häufiger an einer Schallleitungsschwerhörigkeit (z. B. Otitis media).
Ätiopathogenese: Ursachen prälingualer Hörstörungen
sind die hereditäre Innenohrschwerhörigkeit sowie frühkindlich (prä-, peri- oder postnatal) erworbene Schäden
(S. 792).
Klinik: Gering- bis mittelgradige einseitige Hörstörungen
im frühen Kindesalter bleiben meist ohne nachhaltige
Folgen. Sie werden nicht selten erst zu Schuluntersuchungen oder noch später festgestellt. Hochgradige einseitige
Schwerhörigkeit kann jedoch eine Sprachentwicklungsstörung nach sich ziehen. Beidseitige Hörstörungen führen je nach Ausmaß und Auftreten zu unterschiedlich beeinträchtigter Sprachentwicklung.
▪ bei geringgradiger Störung: Störungen der Artikulation, verzögerter Spracherwerb, Dyslalie, evtl. schulische
Defizite
▪ bei mittelgradiger Störung: Störungen der Sprachentwicklung, Dysgrammatismus, Wortschatzdefizit, Artikulationsstörungen
▪ bei hochgradiger Störung: keine spontane Sprachentwicklung.
Zusätzlich ist auch die Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt.
Diagnostik: Das universelle Neugeborenenscreening erfolgt im Rahmen der U2, also 2–3 Tage nach der Geburt.
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780
Therapie: Ziel ist nicht nur ein ausreichendes Hörvermögen, sondern auch das Erreichen und die Sicherung
einer hinreichenden Sprachkompetenz. Allgemein erfolgt
eine Behandlung bei mittelgradiger, beidseitiger und permanenter Hörstörung, da ab hier mit relevanten Spätfolgen zu rechnen ist. Maßnahmen sind:
▪ Hörgerätanpassung, Kochleaimplantat (S. 780)
▪ operative Eingriffe bei Schallleitungsschwerhörigkeit
▪ audiopädagogische Förderung zusammen mit den Eltern.
Heutzutage wird bei schwerhörigen Kindern der Besuch
von Regeleinrichtungen (Kindergarten, Schule) angestrebt. Die Schulart ist dabei neben dem Hörverlust auch
von der Sprachkompetenz und der kognitiven Leistungsfähigkeit abhängig.
7.6 Äußeres Ohr
7.6.1 Fehlbildungen und Formfehler
Aurikularanhänge: Anhängsel aus Haut und Knorpel, die
meist präaurikulär vor dem Tragus liegen. Rein kosmetische Bedeutung, ggf. Exzision.
Ohrmuscheldysplasie: Fehlbildungen der Ohrmuschel
entstehen meist durch eine Embryonalschädigung im 1.
Trimenon. Oft sind sie mit anderen Fehlbildungen kombiniert. Es werden 3 Ausprägungsgrade der Ohrmuscheldysplasie unterschieden:
▪ Grad I (kleine Fehlbildungen): Alle Strukturen sind angelegt, einige fehlgebildet. Am häufigsten sind abstehende Ohren, deren Ursache meist in einem zu großen
Cavum conchae oder einer mangelhaft ausgebildeten
Anthelix besteht. Weitere Beispiele sind Makrotie, Höckerbildung (Darwin-Höcker) und Helixausziehungen.
Gegebenenfalls werden sie operativ korrigiert.
▪ Grad II (leichte Mikrotie): verkleinerte Ohrmuschel mit
z. T. schweren Formanomalien oder Fehlen von Struk-
7.6.2 Nichtentzündliche Erkrankungen
Zerumenvorfall
Synonym: Cerumen obturans, Ohrpfropf
DEFINITION Vollständige Verlegung des äußeren Gehör-
gangs infolge einer übermäßigen Ansammlung von Ohrenschmalz (Zerumen).
Ätiopathogenese: Ursächlich sind eine übermäßige Zerumenproduktion der Drüsen im Eingangsbereich des
äußeren Gehörgangs, eine gestörte Selbstreinigungsfunktion des Ohres, aber auch eine vernachlässigte oder falsche Ohrreinigung (häufiges Benutzen von Wattestäbchen). Zum Gehörgangsverschluss kommt es häufig,
wenn Wasser in das Ohr eindringt und das vorhandene
Ohrenschmalz aufquillt.
Klinik: Druck- und/oder Fremdkörpergefühl, akute Hörminderung (Schallleitungsschwerhörigkeit), evtl. Tinnitus. Gelegentlich kommen Taubheitsgefühl und ein
schmerzender Gehörgang vor.
Diagnostik und Therapie: Otoskopische Diagnostik. Anschließend entweder vorsichtige Spülung mit warmen
Wasser oder Extraktion unter Sicht (nie blind!). Festhaftende Pfröpfe können mit einer lipidlöslichen Substanz
vorbehandelt und anschließend ausgespült werden.
MERKE Eine Ohrenspülung ist bei V. a. eine Trommelfellper-
Notfall
Anästhesie
Chirurgie
Ortho
Derma
Genetik
Gyn
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Weitere Screening-Untersuchungen finden im Rahmen
von Kontroll- oder Vorsorgeuntersuchungen sowie beim
Schuleintritt mit altersentsprechenden verhaltensaudiometrischen Methoden (Reflex- und Reaktionsaudiometrie, aber auch Spiel- und Kindersprachaudiometrie) statt.
Fistelbildungen: Fisteln befinden sich meist präaurikulär.
Sie enden häufig blind. Bei Infektionen muss die Fistel
komplett exzidiert werden.
foration kontraindiziert. Bei unsachgemäßen Entfernungsversuchen besteht die Gefahr einer Trommelfellverletzung
oder einer weiteren Verlagerung des Zeruminalpfropfes.
Gehörgangsfremdkörper
Epidemiologie und Ätiologie: Auftreten häufig bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen. Oft handelt es sich um
kleine Spielzeugteile oder verbleibende Wattereste von
Gehörschutz oder Wattestäbchen. Auch Insekten können
sich im Gehörgang verfangen.
Augen
nicht aus. Hier kann z. B. eine neurale oder zentrale Hörstörung vorliegen.
Stenosen und Atresien des Gehörgangs treten oft in Kombination mit dysplastischen Fehlbildungen des Ohres auf.
Die Kinder werden mit knochenverankerten Hörgeräten
versorgt. Nach operativem Eingriff ist die Rate an Restenosen sehr hoch. Einseitige Befunde können oft nur mit
einem unzufriedenstellenden Ergebnis operiert werden.
Neuro
MERKE Vorhandene OAE schließen jedoch eine Hörstörung
turen. Oft ist auch der Gehörgang fehlgebildet. Therapie: operative Korrektur.
▪ Grad III (Mikro- und Anotie): fehlende Ohrstrukturen,
fast immer in Kombination mit Gehörgangatresie.
Komplizierte plastische Rekonstruktion mit Knorpeloder Kunststoffgewebe.
Psych.
Erfasst werden otoakustische Emissionen oder auditorisch evozierte Hirnstammpotenziale. Bei einem negativen Ergebnis muss eine erneute Screening-Untersuchung,
bei weiterhin negativem Befund eine umfassende pädaudiologische Diagnostik durchgeführt werden. Mit dem
Screening lassen sich ca. 80 % der Schwerhörigkeiten erfassen. Bei Neugeborenen mit Risikofaktoren (z. B. Neugeborene mit > 48 h Intensivstationspflichtigkeit, kraniofaziale Fehlbildungen, positive Familienanamnese) kann
ein spezielles Risiko-Screening erfolgen.
781
HNO
7.6 Äußeres Ohr
7 Ohr
Klinik: Druck- und/oder Fremdkörpergefühl, ggf. akute
Hörminderung und Schmerzen. Organische Fremdkörper
bedingen (je nach zeitlichem Verbleib) eine schmerzhafte
Otitis externa mit Schallleitungsschwerhörigkeit und
Otorrhö.
Diagnostik: Die Diagnose kann meist relativ leicht anhand
der Anamnese und Otoskopie gestellt werden. Sekundäre
Schwellungen oder Entzündungen können die otoskopische Diagnostik erschweren. Differenzialdiagnostisch
sollte auch an ein Cerumen (obturans), Blutkrusten, Cholesteatom oder eine Otitis externa gedacht werden.
Therapie: Fachgerechte Entfernung des Fremdkörpers
mittels Extraktionshäkchen unter mikroskopischer Sicht
oder mittels Ohrspülung (Cave: kontraindiziert bei Trommelfellperforation). Bei Kleinkindern oder entzündlichen
Verhältnissen unter Narkose. Bei festsitzenden Fremdkörpern kann eine Inzision notwendig werden. Insekten können mit 10 %-iger Lidocainlösung abgetötet werden.
MERKE Keine blinden Extraktionsversuche!
7.6.3 Entzündliche Erkrankungen des äußeren
Ohres
Entzündungen des äußeren Ohres (Otitis externa) können die Ohrmuschel und/oder den Gehörgang betreffen.
Prädisponierend sind v. a. eine Immunschwäche und Faktoren, die die physiologischen Schutzmechanismen beeinträchtigen, z. B. feuchtwarmes Klima, Mazerationen,
übertriebene Kosmetik und Anwendung von Ohrmedikamenten, mechanische Manipulationen.
Entzündungen der Ohrmuschel
Ohrmuschelekzem: Das Ohrmuschelekzem ist eine auf
die Dermis beschränkte Entzündung allergischer oder toxischer Genese. Näheres s. Dermatologie S. 6.2
Erysipel: Das Erysipel wird ausführlich im Kapitel Dermatologie (S. 686) besprochen. Am Ohr manifestiert es sich
sowohl an der Ohrmuschel als auch am -läppchen mit
flammender Rötung, Schwellung, Überwärmung und
Schmerzen.
Perichondritis: Die Perichondritis ist eine Entzündung der
Knorpelhaut, die sekundär infolge von Entzündungen
oder Verletzungen an der Ohrmuschel oder nach einem
infizierten Othämatom entsteht. Meist liegt eine bakterielle Infektion mit Pseudomonas aeruginosa vor. Klinisch
bestehen starke Schmerzen. Die Ohrmuschel ist rot geschwollen, stark druckschmerzhaft und ihre Konturen
sind verstrichen. Im Gegensatz zum Erysipel ist das Ohrläppchen ausgespart. Komplikationen wie Knorpeldestruktionen und Drucknekrosen treten bei mangelnder
Behandlung auf. Therapeutisch im Vordergrund stehen
die Reinigung des äußeren Ohres und eine Antibiotikatherapie mit Gyrasehemmern. Bei Einschmelzung ist
eine operative Therapie notwendig.
Herpes zoster oticus (Ramsay-Hunt-Syndrom, Gürtelrose): Entzündung der Ohrmuschel, der benachbarten Haut
und des Gehörgangs infolge Reaktivierung des Varizellazoster-Virus. Die Patienten klagen anfangs über einseitige
brennende Ohrenschmerzen und weisen kurz darauf die
typischen Hauteffloreszenzen auf. Sind die Hirnnerven
VII und VIII ebenso beteiligt, bestehen eine periphere Fazialisparese (s. Neurologie S. 941, Hörverlust, Schwindel,
Nystagmus und Gleichgewichtsstörungen. Komplikationen sind eine bakterielle Superinfektion, intrakranielle
Ausbreitung mit Meningoenzephalitis sowie eine Postzosterneuralgie. Für Ausführliches, insbesondere auch zu
Diagnostik und Therapie s. Infektionserkrankungen
S. A 529.
Entzündungen des äußeren Gehörgangs
Otitis externa diffusa (Gehörgangsekzem)
Ätiopathogenese: Akute, oft bakterielle (Pseudomonas
aeruginosa, Proteus vulgaris, Anaerobier), seltener virale
oder mykotische Mischinfektion der bereits vorgeschädigten Gehörgangshaut. Begünstigend wirkt ein warmfeuchtes Klima.
Klinik:
▪ Schmerzen: Im Unterschied zu einer Mittelohrentzündung bestehen bei Affektionen des äußeren Gehörgangs ein Tragusdruckschmerz und Schmerzen beim
Zug an der Ohrmuschel.
▪ Juckreiz: v. a. bei Gehörgangsmykose.
Weitere Symptome sind Krustenbildung, eitriger Ausfluss
und eine Schallleitungsschwerhörigkeit bei Verlegung des
Gehörgangs. Komplikationen sind eine Perichondritis,
Erysipel und Abszess. Die Otomykose hat einen hartnäckigen Verlauf und zeigt häufig Rezidive.
Diagnostik: Neben dem Tragusdruckschmerz finden sich
oft auch geschwollene Lymphknoten hinter dem Ohr. Aus
dem äußeren Gehörgang kann – bei Infektion mit Anaerobiern – fötider Ausfluss kommen. Weitere otoskopische
Befunde: Krustenbildung sowie trockene und schuppige
Haut bei chronischem Ekzem. Typisch für eine Otomykose
sind sowohl weißliche (wie Staubzucker) als auch grau
bis grün-schwarze Beläge watteähnlicher Konsistenz. Die
darunterliegende Gehörgangshaut ist geschwollen.
Therapie: Reinigung und Desinfektion des Gehörgangs
und anschließende Lokalbehandlung mit Antibiotika bzw.
Glukokortikoiden; bei einer Gehörgangsmykose lokale
Antimykotika. Patienten mit Komplikationen oder Immunschwäche sollten (nach vorangegangener Erregerbestimmung) systemisch behandelt werden.
MERKE Ohrentropfen mit Steroiden und Antibiotika nicht
länger als 2 Wochen anwenden → Gefahr der Sensibilisierung, Resistenzbildung und sekundären Pilzinfektion.
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783
Therapie und Prognose: Lokales Débridement und Reinigung in regelmäßigen Abständen. Bei geringer Knochenbeteiligung kann zunächst eine 6-wöchige hochdosierte Antibiotikatherapie (Gyrasehemmer) gegen
Pseudomonas erfolgen. Außerdem Behandlung des Diabetes mellitus. Bei erfolgloser konservativer Therapie
oder ausgedehnten Befunden ist eine Resektion des betroffenen Knochens erforderlich. Hohe Letalität (ca. 50 %)
bei fortgeschrittener Erkrankung.
Otitis externa bullosa
Synonym: Grippeotitis
Ätiopathogenese: Eine Assoziation mit Grippeviren wird
vermutet. Die Kapillaren der Gehörgangshaut und des
Trommelfells werden toxisch geschädigt, wodurch sich
hämorrhagische Epithelblasen ausbilden.
Chirurgie
7.6.4 Verletzungen des äußeren Ohres
Die Verletzungen betreffen die Ohrmuschel und/oder den
äußeren Gehörgang. Man unterscheidet zwischen Stich-,
Biss-, Schnittverletzungen, Quetschungen, thermischen
Verletzungen (Verbrennungen und Erfrierungen) oder
Abrissen von Ohrteilen oder der gesamten Ohrmuschel.
Bei allen Verletzungen sollte eine Otoskopie durchgeführt
werden, um Trommelfellverletzungen auszuschließen.
Bei Abrissen von Ohranteilen, allen Verletzungen mit
Knorpelbeteiligung sowie einem Othämatom besteht die
Indikation zur Operation. Zur Behandlung von Erfrierungen und Verbrennungen s. Notfallmedizin S. 41 bzw.
S. 39, zu Bissverletzungen s. Notfallmedizin S. 44. Zur
chirurgischen Wundversorgung s. Chirurgie S. 89. Aufgrund der guten Durchblutung sind chirurgische Wiederverschlüsse am Ohr erfolgversprechend und sollten stets
angestrebt werden.
Ortho
Derma
Genetik
Gyn
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Diagnostik:
▪ Anamnese: langwierige Otitis externa
▪ Otoskopie mit Nachweis eines Ulkus, Granulationsgewebe und von fötidem Sekret
▪ Abstrichentnahme und Resistenzbestimmung
▪ CT/MRT zur Bestimmung des Ausmaßes der Knochendestruktion.
Therapie: Schmerzen werden mit lokalanästhetischen
Ohrtropfen und NSAR behandelt. Bei V. a. eine begleitende bakterielle Infektion erfolgt eine systemische Antibiotikagabe.
HNO
Ätiopathogenese und Klinik: Ursache ist eine Infektion
mit Pseudomonas aeruginosa, die zu einer ulzerierenden
Ostitis am Boden des Gehörgangs führt und auf Mittelohr,
Mastoid und Schädelbasis (Osteomyelitis) übergreifen
kann. Es bestehen starke Schmerzen und eine fötide Sekretion, eine Verschlechterung des Hörvermögens, im
Verlauf auch Ausfälle der basalen Hirnnerven.
Diagnostik: Die Otoskopie zeigt seröse bis blutige Epithelbläschen an den knöchernen Gehörgangsabschnitten und
auf dem Trommelfell (Abb. 7.5).
Othämatom und Otserom
Synonym: Boxerohr
Augen
die fast ausschließlich bei älteren Menschen mit Diabetes
mellitus vorkommt und auf den Schädelknochen und Hirnnerven übergreift.
DEFINITION Ansammlung von Blut (Othämatom) oder se-
röser Flüssigkeit (Otserom) zwischen Perichondrium und
Ohrmuschelknorpel.
Ätiopathogenese: Ursächlich sind in erster Linie Trauma
mit stumpfen und tangentialen Scherkräften (Ringen,
Neuro
DEFINITION Gefährliche Komplikation der Otitis externa,
Klinik: Plötzlicher, heftiger Ohrschmerz mit nachfolgender blutig tingierter Sekretion. Sowohl Schallleitungs- als
auch Schallempfindungsschwerhörigkeit können auftreten. Häufig entwickelt sich im Verlauf eine Labyrinthitis,
die mit einer Schallempfindungsschwerhörigkeit und
Schwindel verbunden ist.
Psych.
Otitis externa necroticans (Otitis externa maligna)
Abb. 7.5 Otoskopie bei Grippeotitis. [aus Arnold, Ganzer, Checkliste
HNO, Thieme, 2011]
PHARMA
Umschriebene, akute, bakterielle Entzündung des knorpeligen Gehörgangs, die ihren Ursprung in einer eitrigen
Follikulitis hat (s. Dermatologie S. 687). Klinisch bestehen
stark klopfende Schmerzen, insbesondere bei Druck auf
den Tragus und Zug an der Ohrmuschel. Gelegentlich bestehen Schmerzen bei der Kieferbewegung; die Lymphknoten vor oder hinter der Ohrmuschel sind geschwollen.
Selten sind Hörstörung oder Ausfluss. In der Otoskopie
findet sich eine umschriebene schmerzhafte Schwellung
des knorpeligen Gehörgangs, gelegentlich Eiter bzw. Detritus. Differenzialdiagnosen sind eine Mastoiditis, ein
Fremdkörper, ein Gehörgangstumor oder eine Otitis externa maligna. Behandelt wird i. d. R. lokal mit alkoholhaltigen Streifen sowie Ohrentropfen (Antibiotika, Glukokortikoide) und bei Schmerzen NSAR.
Anästhesie
Otitis externa circumscripta (Ohrfurunkel)
Notfall
7.6 Äußeres Ohr
7 Ohr
Ursächlich für viele Erkrankungen des Mittelohrs sind im
Wesentlichen 2 pathogenetische Mechanismen: zum einen eine gestörte Tubenventilation und zum anderen
eine Entzündung. Beide Veränderungen beeinflussen sich
gegenseitig: beispielsweise verursacht eine chronische
Belüftungsstörung eine Entzündung der Schleimhaut,
wodurch gleichzeitig auch wieder die Tubenbelüftung behindert wird.
PATHO
7.7 Mittelohr
7.7.1 Funktionsstörung der Tuba auditiva
Tubenventilationsstörung
Synonym: Tubenmittelohrkatarrh
Abb. 7.6 Othämatom. [aus Behrbohm/Kaschke, Nawka, Kurzlehrbuch
HNO, Thieme, 2009]
Faustschläge beim Boxen, seitlicher Sturz auf den Kopf)
sowie langes Liegen auf der umgeklappten Ohrmuschel.
Klinik: Klinisch imponiert eine schmerzlose oder nur gering schmerzhafte fluktuierende Schwellung, die z. T. rötlich-blau verfärbt ist (Abb. 7.6). Eventuell finden sich Begleitverletzungen von Gehörgang, Mittelohr, Schläfenbein
oder Kiefergelenk. Durch eine sekundäre Infektion kann
es über eine Perichondritis zu irreversiblen Ohrmuscheldeformationen („Blumenkohlohr“) kommen. In der Anamnese findet sich häufig ein schmerzhaftes Traumaereignis.
Therapie: Falls möglich frühzeitige Punktion mit Aspiration. Später: retroaurikuläre Inzision mit Anlage eines
Knorpelfensters und vollständiger Hämatomausräumung,
Perichondriumrefixierung und modellierter Kompressionsverband (mit Ölwatte). Antibiotikagabe bei bakterieller Superinfektion.
7.6.5 Tumoren
Während Tumoren der Ohrmuschel relativ frühzeitig erkannt werden, bleiben Tumoren des äußeren Gehörgangs
meist lange unbemerkt. Prinzipiell sollte jede exulzerierende oder granulierende Veränderung, die nicht abheilt,
histologisch untersucht werden.
Häufige gutartige Tumoren sind das Keratoakanthom
(s. Dermatologie S. 707), die Verruca seborrhoica (s. Dermatologie S. 703) oder das Atherom (s. Dermatologie
S. 702), seltener sind z. B. Lipome, Histiozytome oder
Chondrome. Gehörgangsexostosen sind echte Osteome
(s. Orthopädie S. 228). Otoskopisch fallen weißliche
druckdolente Erhebungen auf, die den Gehörgang stenosieren. Sie können zur rezidivierenden Otitis externa und
bei hochgradigen Stenosen zur Schallleitungsschwerhörigkeit führen.
Die am äußeren Ohr auftretenden Präkanzerosen und
malignen Tumoren sind allesamt Hauttumoren und werden daher im Kapitel Dermatologie besprochen.
Ätiologie:
Die Tube wird durch regelmäßiges Schlucken und Bewegungen des Unterkiefers belüftet, sodass ein Druckausgleich zwischen dem Mittelohr und der Außenluft stattfindet. Ist die Belüftung gestört, entwickelt sich ein chronischer Unterdruck, der zur Retraktion des Trommelfells,
einer geschwollenen Paukenschleimhaut und Paukenerguss führt. Anfangs handelt es sich um einen serösen Erguss (Serotympanum), der allerdings mit der Zeit immer
zähflüssiger wird und nicht mehr abtransportiert werden
kann (Seromukotympanum).
Ursächlich für eine gestörte Belüftung können
Schleimhautschwellungen, ein rasch ansteigender Außendruck (z. B. beim Tauchen, im Flugzeug), eine mangelhafte Funktion des M. tensor veli palatini sowie Verlegungen von außen (z. B. Tumoren) sein.
Klinik: Bei einer akuten Funktionsstörung stehen leichte
Ohrschmerzen, Schallleitungsschwerhörigkeit und ein
tieffrequenter Tinnitus im Vordergrund. Die Patienten hören sich zudem selbst lauter sprechen (Autophonie) und
spüren ein Flüssigkeitsgefühl im Ohr. Bei Chronifizierung
verschwinden die Schmerzen, Schwerhörigkeit und Tinnitus nehmen zu. Bei Kindern mit chronischem Seromukotympanum in beiden Ohren ist die Sprachentwicklung
gestört.
Diagnostik: Otoskopisch (Abb. 7.7) erkennt man ein mattes, retrahiertes Trommelfell. Im Akutstadium lassen sich
außerdem Flüssigkeitsblasen nachweisen. Mit zunehmender Ergussdauer atrophiert das Trommelfell und es
bilden sich narbige Verwachsungen aus. Im Tympanogramm zeigt sich eine flache Unterdruckkurve.
Therapie: Die akute Form wird konservativ, die chronische oft operativ behandelt:
▪ abschwellende Nasentropfen, Valsalva-Manöver, Antibiotika bei bakterieller Infektion, Antihistaminika bei
allergischer Genese
▪ Behandlung der Ursache bei chronischem Verlauf (z. B.
Adenotomie)
▪ Parazentese und Paukendrainage
▪ ggf. Tympanoplastik und Lösen der Verwachsungen.
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Epidemiologie: häufigste Ohrenerkrankung beim Kind.
PATHO
784
Otitis media acuta
DEFINITION Akute Entzündung des Mittelohres.
Notfall
785
Anästhesie
7.7 Mittelohr
DEFINITION Persistierende, offene Verbindung zwischen
Nasen-Rachen-Raum und der Paukenhöhle des Mittelohres.
Epidemiologie und Ätiologie: Ursächlich ist eine Abnahme der Fett- und Bindegewebsanteile im Bereich um die
Tube, z. B. infolge einer starken Gewichtsreduktion (z. B.
bei Kachexie, Anorexie, Depression, aber auch bei Strahlentherapie), Exsikkose, bei reduziertem Venendruck
oder veränderten anatomischen Verhältnissen. Frauen
sind häufiger betroffen als Männer.
Klinik: Druckgefühl im Ohr, unspezifische Hörbeschwerden, Autophonie und gelegentlich rauschender Tinnitus.
Eine Schwerhörigkeit besteht nicht. Die Beschwerden
bessern sich oft im Liegen bzw. bei Kopftieflage (erhöhter
venöser Druck).
Diagnostik: Beurteilung des Tubenostiums mittels Nasenendoskopie. Otoskopisch kann eine atemsynchrone Trommelfellbewegung auffallen.
Therapie: Behandlung der Ursachen: z. B. Gewichtszunahme, Zufuhr von Flüssigkeit. Bestehen anhaltende und unangenehme/beeinträchtigende Symptome, kann eine Kollageninjektion am Tubeneingang hilfreich sein. Damit
versucht man, das Gewebe um das Tubenostium zu vermehren. Allerdings besteht die Gefahr einer verminderten Belüftung des Mittelohres mit Anfälligkeit für eine sekretorische Otitis media.
Klinik: Akuter Beginn mit Fieber und Allgemeinsymptomatik; außerdem heftige, pulsierende Ohrenschmerzen
und Hörstörungen. Eine Otorrhö tritt bei perforiertem
Trommelfell auf, die Schmerzen lassen dann nach. Bei
Säuglingen sind Reizbarkeit und gastrointestinale Beschwerden (Erbrechen, Durchfall) vorrangig. Kinder fassen sich oft ans Ohr und reiben daran.
Komplikationen sind insgesamt selten. Am häufigsten ist
die Mastoiditis. In 10 % d.F. rezidiviert die akute Otitis media. Näheres auf S. 786.
Diagnostik: In der Otoskopie zeigt sich eine Trommelfellentzündung mit vorgewölbtem, trübem Trommelfell mit
geröteter, verdickter Schleimhaut (Abb. 7.8). Das Mastoid
kann druckdolent sein. Aufgrund der durch Sekret bestehenden Druckverhältnisse soll auf das Valsalva-Manöver
verzichtet werden, um keine Trommelfellperforation oder
eine Keimversprengung zu provozieren. Die Hörprüfung
zeigt eine Schallleitungsschwerhörigkeit. Im Stimmgabelversuch nach Weber wird die Vibration im erkrankten
Ohr lauter empfunden. Wechselt die Empfindung hin
zum gesunden Ohr, kann dies auf eine beginnende Schallempfindungsschwerhörigkeit und somit auf eine komplikationsbedingte Labyrinthitis (S. 791) hinweisen. Bei
HNO
7.7.2 Entzündungen
Ortho
Syndrom der klaffenden Tube
Derma
Genetik
Gyn
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Abb. 7.7 Seromukotympanum links. [aus Arnold, Ganzer, Checkliste
HNO, Thieme, 2011]
Ätiologie: Virale oder bakterielle Infektion, die i. d. R. über
die Tuba auditiva aufsteigt. Virale Erreger sind Rhino-,
(Para-)Influenza- oder Adenoviren, häufige Bakterien
Streptococcus pneumoniae oder Hämophilus influenzae.
Die viralen Erkrankungen verlaufen milder (Otitis media
catarrhalis) als die bakteriellen (Otitis media purulenta).
Risikofaktoren sind: Otitis media in der Anamnese, seröse Otitis media chronica, Tubenventilationsstörungen,
Rauchen (im Elternhaus), hyperplastische Adenoide, Infektionen der oberen Luftwege. Stillen wirkt protektiv.
Chirurgie
Epidemiologie: sehr häufig bei Säuglingen und Kleinkindern.
Myringitis
Neuro
Abb. 7.8 Akute Otitis media. Das Trommelfell ist deutlich gerötet und
nach hinten vorgewölbt. [aus Arnold, Ganzer, Checkliste HNO, Thieme,
2011]
Psych.
Man unterscheidet folgende Formen:
▪ Externamyringitis: Das Trommelfell reagiert mit bei
einer Otitis externa.
▪ Grippeotitis (S. 783): hämorrhagische Entzündung mit
akutem Beginn und heftigen Schmerzen im Rahmen
einer Infektion mit Influenzaviren. Das Trommelfell ist
stark gerötet und zeigt Blutblasen. Außerdem kann ein
seröser Paukenerguss auftreten. Dadurch kann es zu
einer frühzeitigen Labyrinthreizung kommen.
Augen
DEFINITION Entzündung des Trommelfells.
7 Ohr
spontaner Trommelfellperforation außerdem mikrobiologische Untersuchung.
Epiduralabszess
Hirnabszess
Therapie: Die Behandlung erfolgt symptomatisch mit Paracetamol oder NSAR. Unterstützend können abschwellende Nasentropfen und -spülungen sein. Diese fördern
über eine freie Nasenatmung die Drainagefunktion der
Tube. Bei V. a. eine bakterielle Infektion ist eine systemische Antibiotikatherapie gerechtfertigt (Amoxicillin, Cephalosporine, Makrolide); eine Lokalbehandlung ist ineffektiv. Eine sofortige Antibiose sollte bei Trommelfellperforation, schwerem Krankheitsbild oder kleinen Kindern
durchgeführt werden. Zusätzlich Bettruhe.
Meningitis und
Subduralabszess
Thrombophlebitis
Sinus
sigmoideus
Komplikationen der akuten Otitis media
Bezold-Abszess
Mastoiditis
subperiostaler
Abszess
DEFINITION Bakterielle Entzündung von Schleimhaut und
Knochen des Mastoids mit eitriger Einschmelzung, oft etwa
2–4 Wochen nach einer akuten Mittelohrentzündung.
Sie tritt gehäuft bei Kindern auf. Verantwortlich für die
Ausprägung ist eine gute Pneumatisation (dann auch Ausbreitung in Felsenbein oder Jochbogen möglich), schlechter Sekretabfluss, schlechte Abwehrlage und hohe Virulenz.
Charakteristisch für eine Mastoiditis sind eine druckschmerzhafte, rote und teigige Schwellung hinter dem Ohr
sowie eine Otorrhö. Die Beschwerden der akuten Mittelohrentzündung nehmen wieder zu. Das Differenzialblutbild zeigt eine Leukozytose mit Linksverschiebung, CRP
und BSG sind erhöht. Gesichert wird die Diagnose mittels
CT, welches Verschattungen und Arrosionen zeigt. Bei
Säuglingen kann eine Mastoiditis auch okkult mit reduziertem Allgemeinzustand und Appetitlosigkeit verlaufen.
Die eitrige Einschmelzung kann an verschiedenen, typischen Stellen durchbrechen und die Mastoiditis somit
selbst wieder zu Komplikationen führen (Abb. 7.9):
▪ Bezold-Mastoiditis: Durchbruch in den M. sternocleidomastoideus, Schmerzen und Schiefhals
▪ subperiostaler Abszess: Der Abszess bricht durch die
Mastoidoberfläche. Das Ohr steht nach vorn ab.
Jede Mastoiditis sollte operiert werden (Mastoidektomie), begleitend ist eine i. v.-Antibiose angezeigt.
Weitere Komplikationen
▪ Zygomatizitis: Durchbruch in den Jochbogen mit
Schwellung vor dem Ohr und geschwollenen Lidern
▪ Petroapizitis: Durchbruch in der Pyramidenspitze mit
Gradenigo-Syndrom (ipsilaterale Abduzensparese und
Trigeminusneuralgie)
▪ diffuse Labyrinthitis: S. 791
▪ Sinusthrombose: s. Neurologie S. 928
▪ Meningitis: s. Neurologie S. 916
▪ Hirnabszess: s. Neurologie S. 917
▪ Hirnnervenausfälle: am häufigsten Fazialisparese (s.
Neurologie S. 941).
Abb. 7.9 Komplikationen einer Mastoiditis. [aus Probst, Grevers, Iro,
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Thieme, 2008]
Otitis media chronica
DEFINITION Chronische Entzündung des Mittelohres mit
begleitender Trommelfellperforation.
Einteilung: Man unterscheidet 2 Formen der chronischen
Mittelohrentzündung:
▪ chronische mesotympanale Otitis media (chronische
Schleimhauteiterung)
▪ chronische epitympanale Otitis media (chronische
Knocheneiterung).
Entscheidend ist der Ort der Trommelfellperforation. Bei
der chronisch-mesotympanalen Otitis media liegt er zentral, d. h. Anulus fibrosus und Shrapnell-Membran sind
intakt – ganz im Gegensatz zur randständigen Perforation. Diese tritt bei der chronischen epitympanalen Form
auf. Die Perforation liegt im hinteren, oberen Trommelfellbereich auf der Pars tensa oder im Bereich der Pars
flaccida.
Ätiologie: Zu den Faktoren, die eine chronische Mittelohrentzündung fördern, zählen:
▪ chronische Tubenventilationsstörungen
▪ rezidivierende Infekte
▪ fehlende Pneumatisation des Mastoids
▪ Trommelfelldefekt bei einer akuten Otitis media oder
nach Traumen
▪ primäre Cholesteatombildung
▪ schlechte Abwehrlage
▪ hohe Virulenz der Erreger.
Chronische mesotympanale Otitis media
DEFINITION Es handelt sich um eine auf die Schleimhaut
begrenzte chronische Entzündung mit persistierender
Trommelfellperforation.
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786
Notfall
787
DEFINITION Entzündung von Schleimhaut und Knochen
mit fortschreitender Zerstörung des Knochens (chronische
Knocheneiterung).
Betroffen sind das Mittelohr, das Mastoid und die Schädelbasis. Gleichzeitig liegt oft zusätzlich eine Infektion
mit Otorrhö vor (nässende Form).
Ätiopathogenese: Ein Cholesteatom kann angeboren
(sehr selten) oder erworben sein. Erworbene Cholesteatome entwickeln sich infolge einer chronischen Tubenfunktionsstörung. Durch den so entstehenden Unterdruck in
der Paukenhöhle bildet sich eine Retraktionstasche aus,
in denen sich mit der Zeit abgeschilferte Epithelzellmassen aus verhornendem Plattenepithel ansammeln. Da
sich dieser Detritus nicht in den Gehörgang entleeren
Klinik und Komplikationen: Klinisch bestehen ein Druckgefühl im Ohr sowie Otorrhö und Schmerzen bei der nässenden Form. Da ein Cholesteatom praktisch immer zu
Komplikationen führt, sollte es immer so früh wie möglich diagnostiziert werden. Möglich sind:
▪ Schallleitungsschwerhörigkeit bei Zerstörung der Gehörknöchelchen
▪ Labyrinthitis und Labyrinthfistel mit Fistelsymptom (!)
▪ Fazialisparese
▪ Meningitis, Hirnabszess
▪ Sinusvenenthrombose.
Diagnostik:
▪ Inspektion: Otorrhö
▪ Otoskopie: randständiger Trommelfelldefekt, weiße
Epithelschuppen, evtl. Knochenarrosion
▪ Prüfung der Tubenfunktion
▪ Suche nach Komplikationen: Hörprüfung, Fazialisfunktion, Prüfung eines Fistelsymptoms (S. 779)
▪ Dünnschicht-CT: Beurteilung des Ausmaßes der Destruktion.
Derma
Genetik
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Chronische epitympanale Otitis media
(Cholesteatom)
Beim angeborenen Cholesteatom ist das Trommelfell zumeist intakt. Ursächlich für die Überreste von Plattenepithel im Mittelohr ist eine embryonale Keimversprengung
(sog. „echtes Cholesteatom“, Epidermoidzyste).
HNO
kann, vergrößert sich die Retraktionstasche zunehmend,
sodass das Gewebe Kontakt zur Mittelohrschleimhaut erhält. Dadurch werden zusätzliche Entzündungsprozesse
in Gang gesetzt, wobei die Epithelmatrix des Cholesteatoms aktiv vorwächst und den angrenzenden Knochen
osteoklastisch zerstört. Zusätzlich können sich Bakterien
wie Pseudomonas aeruginosa, Proteus oder Staphylokokken im Detritus ansiedeln und das Cholesteatom infizieren. Abhängig von der Lokalisation unterscheidet man 2
Formen des erworbenen Cholesteatoms:
▪ Das primär erworbene Cholesteatom (Flaccidacholesteatom, Abb. 7.11) tritt am häufigsten auf. Es entsteht
in der Pars flaccida und führt dort im Bereich der
Schrapnell-Membran zur Trommelfellperforation.
▪ Das sekundär erworbene Cholesteatom (Tensacholesteatom) entsteht im Unterschied zum primären aus
einer bestehenden Trommelfellperforation im Bereich
der Pars tensa oder auch aus einer Retraktion.
Augen
Die Erkrankung kann entweder trocken (keine Schmerzen, keine Sekretion) oder nässend sein. Dann entleert
sich aus dem Ohr meist intermittierend ein schleimiges
und eitriges Sekret, das bei einer Infektion mit Anaerobiern oder Pseudomonas aeruginosa zugleich fötide
riecht. Die Patienten leiden unterschiedlich stark an einer
Schallleitungsschwerhörigkeit, bei akuter Infektion bestehen Schmerzen. Das Trommelfell zeigt in der Otoskopie
einen zentralen Defekt mit einem epithelialisierten Rand
(Abb. 7.10), außerdem können Zeichen eines chronischen
Mittelohrprozesses (Atrophie, Retraktion) vorhanden
sein. Außerdem Schallleitungsschwerhörigkeit in der Audiometrie, hörbares Geräusch bei Valsalva-Manöver und
fehlende Pneumatisation im Felsenbein-CT.
Differenzialdiagnostisch sollte an ein Cholesteatom
oder spezifische Entzündungen wie einen Morbus Wegener oder eine Tuberkulose gedacht werden. Bei Letzterer
liegen meist mehrfache Perforationen im Trommelfell vor.
Die Therapie besteht aus einer Lokalbehandlung mit
Reinigung, Trocknung, bei akut eitriger Infektion antibiotischen Ohrentropfen, konsequentem Gehörgangsschutz
und dem operativen Wiederverschluss des Trommelfells
(Tympanoplastik).
Neuro
Abb. 7.11 Flaccidacholesteatom. [aus Probst, Grevers, Iro, HalsNasen-Ohren-Heilkunde, Thieme, 2008]
Psych.
Abb. 7.10 Zentraler, chronischer Trommelfelldefekt. [aus Probst,
Grevers, Iro, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Thieme, 2008]
Ortho
Chirurgie
Anästhesie
7.7 Mittelohr
7 Ohr
Therapie: Jedes Cholesteatom sollte operiert werden. Ziel
der Operation ist die Entfernung des Cholesteatoms und
die Verbesserung des Gehörs mittels Tympanoplastik. Das
operative Vorgehen richtet sich dabei nach der Ausbreitung des Cholesteatoms und ist sehr variabel (z. B. Antrektomie, Mastoidektomie). Bei sehr großen Cholesteatomen kann eine radikale Mastoidektomie erforderlich
werden. Dabei wird das gesamte pneumatisierte Mastoid
unter Mitnahme der hinteren Gehörgangswand bis zum
knöchernen Fazialiskanal und der Seitenwand des Epitympanons entfernt, sodass eine „Radikalhöhle“ entsteht.
Im Anschluss erfolgt eine Tympanoplastik, um die
Schallleitungskette im Mittelohr wiederherzustellen.
Tympanoplastik: Ziel des Eingriffs ist es, Paukenhöhle und Gehörgang
gegeneinander wieder zu verschließen. Heutzutage werden hierzu in
der Klinik v. a. folgende Techniken angestrebt:
▪ Myringoplastik, zum Verschluss des Trommelfelldefekts: Dabei rekonstruiert man das Trommelfell mit einem freien Transplantat
(z. B. Temporalisfaszie, Knorpelscheibe).
▪ Ossikuloplastik, zur Rekonstruktion der Schallleitungskette: Die Art
des Eingriffs hängt insbesondere davon ab, ob der Stapes intakt ist
oder nicht. Ist er gänzlich intakt, legt man zwischen seinem Köpfchen und dem Trommelfell eine künstliche Prothese ein. Ist nur
mehr die Fußplatte intakt, kann zwischen Trommelfell und Fußplatte eine Prothese eingesetzt werden.
7.7.3 Otosklerose
Synonym: Otospongiose
DEFINITION Von der knöchernen Labyrinthkapsel aus-
gehende Erkrankung mit herdförmigen Knochenumbauprozessen, die zur Unterbrechung der Schallleitungskette und
damit zu Schallleitungsschwerhörigkeit führt.
Epidemiologie: Frauen sind doppelt so häufig betroffen
wie Männer. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 2. und 5.
Lebensjahrzehnt.
PATHO
Ätiopathogenese: unklar. Wahrscheinlich genetische Disposition mit zusätzlichen Einflussfaktoren, wie z. B. hormonelle Umstellungen (Schwangerschaft), persistierende
Masernviren oder anatomische Gegebenheiten (z. B. fehlende Blutgefäße der Labyrinthkapsel).
Zunächst wird die enchondrale Schicht der Labyrinthkapsel – insbesondere im Bereich des ovalen Fensters –
osteoklastisch resorbiert und der Knochen umgebaut. Anschließend werden die resorbierten Stellen durch fibrillenarmes Bindegewebe ersetzt, wodurch es zur Sklerosierung und damit langsam progredient zur Fixierung der
Steigbügelplatte (Stapesfixation) kommt.
Klinik: Es besteht eine schleichend progrediente Schallleitungsschwerhörigkeit. In etwa 30 % d.F. tritt die Otosklerose beidseitig auf. Eventuell besteht ein (inkonstanter)
Tinnitus. Typisch ist auch eine schubartige Verschlechterung während der Schwangerschaft.
Komplikationen: Weiten sich otosklerotische Veränderungen auch auf die Labyrinthkapsel aus (Kapselsklerose),
kann es zur kochleären Schwerhörigkeit bis hin zur Ertaubung kommen.
a 0,125
0,5
1
2 3 4 6 8 10 kHz
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
120
dB
Abb. 7.12 Tonaudiogramm bei Otosklerose. Schallleitungsschwerhörigkeit und Carhart-Senke (Pfeil). [aus Arnold, Ganzer, Checkliste
HNO, Thieme, 2011]
Diagnostik: Die Otoskopie ist unauffällig. Der Hörprüfung
liegt entweder eine reine Schallleitungs- oder (öfter) eine
kombinierte Schwerhörigkeit vor. In der Tonaudiometrie
zeigt die Knochenleitung typischerweise eine wannenförmige Einsenkung bei etwa 2 kHz (Carhart-Senke,
Abb. 7.12). Der Stapesreflex ist am betroffenen Ohr ausgefallen, die Druckverhältnisse im Mittelohr sind normal.
Differenzialdiagnosen: Andere Ursachen einer Schallleitungsschwerhörigkeit bei intaktem Trommelfell müssen
ausgeschlossen werden, z. B. Hammerkopffixation, Fehlbildungen, Luxation der Gehörknöchelchen, aseptische
Nekrose von Ambossfortsatz oder Tympanosklerose. Eine
Stapesfixation kann sich auch im Rahmen anderer Knochenerkrankungen, wie bei Morbus Paget, finden.
Therapie: Meist wird der fixierte Stapes operativ durch
eine Prothese ersetzt, damit die akustischen Schwingungen wieder auf das Innenohr übertragen werden können
(Stapedotomie). Etwa 90 % der Patienten erfahren hierduch eine Besserung oder Beseitigung der Schallleitungsschwerhörigkeit. Gegebenenfalls erfolgt auch eine Versorgung mit einem Hörgerät.
7.7.4 Tumoren
Tumoren im Mittelohr sind selten und werden oft lange
als Otitis media verkannt und fehlbehandelt. Oft bestehen
unspezifische entzündliche Symptome.
Am häufigsten ist das Paragangliom (Glomustumor),
eine gutartige, gefäßreiche Geschwulst des Glomus caroticum, das mit einem pulssynchronen Tinnitus einhergehen kann. Zunächst besteht eine Schallleitungs-, bei Labyrinthbeteiligung eine Schallempfindungsschwerhörigkeit. Bei entsprechender Ausdehnung könnnen die kaudalen Hirnnerven Funktionsausfälle zeigen. Otoskopisch
erkennt man den bläulich-roten Tumor durch das Trommelfell hindurch. Bildgebende Methode der Wahl ist die
DSA. Der Tumor sollte frühzeitig embolisiert und anschließend operiert werden. Keine Biopsieentnahme →
hohe Blutungsneigung aufgrund der starken Vaskularisation.
Das Plattenepithelkarzinom des Mittelohrs ist sehr
selten. Bei hartnäckigen und atypischen Beschwerden
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788
Anästhesie
einer chronischen Mittelohrentzündung (starke und zunehmende Schmerzen, häufig blutige Otorrhö) sollte jedoch daran gedacht und eine Probeexzision durchgeführt werden.
789
Notfall
7.8 Innenohr und retrokochleäre Störungen
Therapie: Isolierte Trommelfellverletzungen heilen häufig
von selbst folgenlos aus. Ansonsten kann die Perforation
in Lokalanästhesie gedeckt werden. Hierfür werden zuerst die umgeschlagenen Trommelfellränder reponiert
und anschließend ein Streifen Silikonfolie eingesetzt.
MERKE Wasser, Seifen und Ohrentropfen dürfen bei per-
foriertem Trommelfell nicht ins Ohr gelangen!
7.8 Innenohr und retrokochleäre
Störungen
7.8.1 Leitsymptome
Leitsymptome des Innenohrs sind
Ortho
Derma
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Diagnostik: Die Diagnose wird anhand der typischen
Anamnese und des Otoskopiebefundes gestellt. Einrisse
finden sich dabei häufig in den unteren Quadranten und
im Bereich von Trommelfellnarben. In jedem Fall muss
eine Hörprüfung erfolgen. Bei isolierter Trommelfellschädigung ist die Schallleitungsschwerhörigkeit meist nur
leicht ausgeprägt (ca. 10–20 dB).
HNO
Komplikationen: Auftreten von Mittelohrentzündungen,
Schädigung der Gehörknöchelchen, Schädigung des ovalen Fensters mit Innenohrbeteiligung (Gefahr von Meningitis und Labyrinthitis). Bei Beteiligung des Innenohrs
kommt es zu vestibulären Störungen wie Schwindel oder
Übelkeit.
Ein Barotrauma entsteht durch mangelnden Druckausgleich über die Tuba auditiva im Mittelohr bei raschen
Luftdruckänderungen, typischerweise bei zu schnellem
Ab- oder Auftauchen sowie bei Flugzeuglandungen. Folge
ist eine traumatische Schädigung von Trommelfell und
Mittelohr.
Durch den zunehmenden Unterdruck retrahiert sich
das Trommelfell, bis es schließlich rupturiert. Klinisch bestehen starke, oft stechende Schmerzen, ein Tinnitus sowie eine Schallleitungsschwerhörigkeit. Wenn die runde
Fenstermembran rupturiert, kommt es zur Beteiligung
des Innenohrs mit kombinierter Schwerhörigkeit,
Schwindel und Nystagmus. Auch kaltes Wasser, das bei
perforiertem Trommelfell in das Mittelohr eindringt,
kann das Gleichgewichtsorgan reizen.
In der Otoskopie ist das Trommelfell gerötet und retrahiert. Bevor das Trommelfell rupturiert, entwickeln sich
zusätzlich ein Paukenerguss oder Hämatotympanum
(Abb. 7.13). Die Tubendurchgängigkeit ist vermindert. In
der Tonaudiometrie lassen sich eine Schallleitungs- oder
kombinierte Schwerhörigkeit nachweisen.
Die Therapie besteht bei milder Symptomatik in der
Gabe von abschwellenden Nasentropfen, NSAR oder Antibiotika zur Behandlung eines evtl. Begleitinfekts. Bei Innenohrbeteiligung kann eine rheologische Therapie (z. B.
HAES) verfolgt werden. Eine Parazentese wird bei Erguss,
persistierendem Unterdruck oder starken Schmerzen
durchgeführt, die Tympanotomie bei Ruptur eines Schneckenfensters.
Prophylaktische Maßnahmen sind:
▪ regelmäßiger Druckausgleich
▪ bei Infekten im HNO-Bereich nicht tauchen
▪ bei Disposition abschwellende Nasentropfen auf Flugreisen.
Augen
Klinik: Leitsymptome sind ein plötzlich eintretender kurzer, aber starker Schmerz, Taubheitsgefühl, Schallleitungsschwerhörigkeit und Blutung aus dem Gehörgang.
Reißt eine alte Narbe ein, besteht meist nur ein Hörverlust.
Barotrauma
Neuro
Bei Verletzungen des Mittelohres können die angrenzende Gehörknöchelkette (Luxation, Frakturen) und/oder die
Paukenhöhlenschleimhaut geschädigt werden, aber auch
das Innenohr, die laterale Schädelbasis und der N. facialis
mitbetroffen sein.
Im Wesentlichen ist die Trommelfellzerreißung abhängig von der Geschwindigkeit und Dauer der Druckänderung: Je schneller und größer die Druckänderung ist,
desto wahrscheinlicher ist ein Einriss. Dabei stellen atrophe Narben eine Prädilektionsstelle dar.
Abb. 7.13 Barotrauma. Hämorrhagischer Erguss links. [aus Arnold,
Ganzer, Checkliste HNO, Thieme, 2011]
Psych.
Ätiopathogenese: Man unterscheidet indirekte (häufiger)
und direkte Trommelfellverletzungen:
▪ indirekte Trommelfellverletzungen: plötzliche starke
Änderung des Luftdrucks (Barotrauma) z. B. durch Ohrfeigen, zu schnelles Ab- oder Auftauchen, Fliegen oder
Explosionen (Knalltrauma)
▪ direkte Trommelfellverletzungen: Perforations- oder
Stichverletzungen durch Äste, Wattestäbchen, unsachgemäße Instrumente (meist in Eigenmanipulation),
Verletzung beim Schweißen durch glühende Metallteile (sog. Schweißperlenverletzung), Verätzungen.
Chirurgie
7.7.5 Trommelfellverletzungen
7 Ohr
7.8.2 Lärmschwerhörigkeit
Eine akute Lärm- bzw. Schallwellenbelastung schädigt
die empfindlichen Haarzellen direkt mechanisch, bei
Dauerbelastung treten außerdem metabolische Veränderungen mit einer Ischämie der Haarzellen hinzu. Art und
Ausmaß der Schädigung sind durch Energiemenge und
Einwirkdauer der akustischen Belastung bestimmt. Typisch für die Lärmschwerhörigkeit ist ein Hochtonverlust
im Bereich von 4000 Hz (c5-Senke, Abb. 7.14) und ein positives Recruitment (S. 778). Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass die basalen Schneckenwindungen, in denen
die Rezeptorzellen für die hohen Frequenzen lokalisiert
sind, durch die Schalleinwirkung überlastet sind (→ alle
Frequenzen durchlaufen die basalen Abschnitte).
Therapeutisch im Vordergund steht die Vermeidung
weiterer Lärmexpositionen (Gehörschutz und vernünftiger Umgang privater Lärmaussetzung) und anderer innenohrschädigenden Einflüsse. Effektive Behandlungsmaßnahmen gibt es jedoch nicht. Im Akutfall sind Kortikosteroide und die Verbesserung der Mikrozirkulation,
Oxygenierung und metabolischen Verhältnisse im Innenohr empfohlen. Die chronische Lärmschwerhörigkeit ist
die häufigste Berufserkrankung.
Akutes akustisches Trauma (Knalltrauma): plötzliche, intensive Schalldruckwelle von > 140 dB mit sehr kurzer
Druckspitze (< 3 ms) und konsekutiver direkter Schädigung der Haarzellen, die innerhalb von Millisekunden
– 10
– 10
0
0
10
10
20
20
30
30
40
40
50
50
60
60
70
70
80
80
90
90
100
100
110
110
120
120
125
250
500
Frequenz [Hz]
Abb. 7.14
1
2
3 4
6 8 12
Frequenz [kHz]
Tonaudiogramm bei Lärmschwerhörigkeit.
Typische c5-Senke. Hellrot: akute Lärmschwerhörigkeit, rot: chronische
Schwerhörigkeit. [aus Probst, Grevers, Iro, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,
Thieme, 2008]
eintritt. Beispiele für eine solche Belastung sind Schüsse,
Airbags, Knall- und Feuerwerkskörper. Es kommt zu einer
häufig einseitigen Schwerhörigkeit mit Hochtonverlust
im Frequenzbereich von 4000 Hz (c5-Senke) und zum positiven Recruitment (S. 778). Außerdem kann ein Tinnitus
auftreten. Zunächst ist ein Knalltrauma reversibel.
Explosionstrauma: Druckwellenbelastung von > 140 dB
bei jedoch längerer Schalldruckspitze (> 3 ms). Neben
dem Hochtonverlust mit Tinnitus und positivem Recruitment kommt es außerdem zu Trommelfellzerreißungen
mit Hämatotympanum, vestibulären Störungen und
Schmerzen.
Akustischer Unfall: Ursächlich ist eine kurzzeitige Exposition gegenüber niedrigen Schallpegeln < 90 dB bei einer
gleichzeitigen von der Halswirbelsäule ausgehenden
Mangeldurchblutung des Ohres (z. B. bei Arbeiten über
Kopf mit Presslufthammer). Symptomatisch mit plötzlichem, einseitigem Hochtonverlust und Ohrenrauschen.
Teilweise reversibel.
Akute Lärmschwerhörigkeit: Länger dauernde Belastung
(Minuten bis Stunden) von Schalldruckpegel > 100 dB.
Beispiele sind: Handwerks- und Baumaschinen, Motorenlärm, Konzerte, Diskothek, mp3-Player. Durch die dauerhafte Belastung wird das Corti-Organ nicht nur mechanisch, sondern auch metabolisch (erhöhter O2-Verbrauch
→ Ischämie) geschädigt. Klinisch imponieren eine plötzliche, häufig beidseitige Innenohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich (c5-Senke), Taubheitsgefühl und Tinnitus. Die
Schwerhörigkeit ist nur z. T. reversibel (TTS = temporary
threshold shift), bei chronischer Belastung resultiert ein
dauerhafter Schaden (PTS = permanent threshold shift).
Chronische Lärmschwerhörigkeit: Sie entwickelt sich bei
einer mehrjährigen Exposition gegenüber Schalldruckpegeln > 85 dB, meist über mehr als 8 h pro Tag. Besonders betroffen sind insbesondere Berufsgruppen, die in
lauter Umgebung arbeiten (z. B. Flughafenarbeiter, Metallarbeiter, Orchestermusiker). Siehe auch Umweltmedizin
und Toxikologie S. C 798.
Pathogenetisch kommt es durch die anhaltende Lärmeinwirkung zu einem erhöhten Energieverbrauch und damit zum Sauerstoffmangel der Sinneszellen. Vor allem die
äußeren Haarzellen, die hohe Frequenzen zwischen 4000
und 6000 Hz detektieren, sind als erste vom Untergang
betroffen (dauerhafte Schädigung, da sich die Haarzellen
nicht mehr erneuern können). Die inneren Haarzellen für
den Tieftonbereich sind widerstandsfähiger. Die Folgen
sind:
▪ anfangs beidseitiger Hörverlust im Hochtonbereich im
Bereich von 4000 Hz (typische c5-Senke)
▪ Tinnitus
▪ ausgeprägtes Recruitment (S. 778)
▪ eingeschränktes Richtungshören
▪ später Sozioakusis mit Hörverlusten in Gesprächen von
größeren Gruppen (Diskriminationsverlust für Sprache).
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▪ Schallempfindungsschwerhörigkeit
(sensorineurale
Schwerhörigkeit): Dabei liegt die Störung entweder im
Innenohr selbst (kochleär) oder im Bereich des Hörnervs (retrokochleär). Näheres s. auch Leitsymptome
S. C 110.
▪ Tinnitus: s. Leitsymptome S. C 111
▪ vestibuläre Störungen: S. 793.
dB HL (ISO 389)
790
Labyrinthitis
Ätiologie: Man unterscheidet 3 Formen der Labyrinthitis:
▪ tympanogene Labyrinthitis: Sie entsteht infolge Fortleitung einer Mittelohrentzündung über das runde oder
ovale Fenster.
- akut-toxisch (seröse Labyrinthitis): Das Labyrinth
selbst ist nicht entzündet; Begleitentzündung durch
freigesetzte Entzündungsmediatoren.
- akut-eitrig: Bakterielle Infektion des Labyrinths, die
fast immer zu einem hochgradigen irreversiblen Innenohrschaden führt. Komplikatorisch kann eine Meningitis entstehen.
- chronische Labyrinthitis.
▪ meningeale Labyrinthitis: Übergreifen einer Meningitis
auf das Labyrinth (z. B. über den Aquaeductus cochleae). Häufiger Erreger ist Streptococcus pneumoniae.
Meist sind Säuglinge oder Kleinkinder betroffen. Unter
Umständen kommt es zur völligen Taubheit und Labyrinthverkalkung.
▪ hämatogene Labyrinthitis: z. B. Mumps-, Masern- und
CMV, Haemophilus influenzae, Lues, Borreliose.
Klinik: Schallempfindungsschwerhörigkeit (kochleäre
Hörstörung), Tinnitus und vestibuläre Symptome.
Herpes zoster oticus
Siehe S. 782.
7.8.5 Presbyakusis
Synonym: Altersschwerhörigkeit
DEFINITION Beidseitige Einschränkung des Hörvermögens
durch kochleär bedingte Schallempfindungsschwerhörigkeit
bei Personen ab dem 5. Lebensjahrzehnt. Betroffen sind v. a.
der Hochtonbereich und das Sprachverständnis.
Epidemiologie: Ca. 33 % der Erwachsenen über 65 Jahre
weisen im Tonaudiogramm einen relevanten Hörverlust
von durchschnittlich 35 dB auf.
Tritt eine symmetrische Innenohrschwerhörigkeit vor dem 50. Lebensjahr mit unbekannter Ursache auf, spricht man von einer chronisch-progedienten, idiopathischen Innenohrschwerhörigkeit.
Ätiologie: Ursächlich sind neben physiologischen Alterungsvorgängen (Degeneration neuronaler Zellen, gestörte Verarbeitung im Gehirn) auch der lebenslange Einfluss
exogener Faktoren (z. B. Lärm, ototoxische Substanzen,
Mittelohrerkrankungen). Außerdem dürfte eine genetische Disposition vorliegen.
Klinik: Der Hörverlust entwickelt sich schleichend und
wird zumeist über lange Zeit nicht wahr genommen. Insbesondere die hohen Töne sind betroffen. Charakteristischerweise ist das Sprachverständnis der Patienten, insbesondere bei Hintergrundgeräuschen, bereits frühzeitig
eingeschränkt (Cocktailpartyeffekt), was mit einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität einhergeht. Zudem besteht häufig ein Tinnitus. Auch das Richtungshören nimmt ab.
Diagnostik:
▪ Otoskopie: o. B.
▪ Hörprüfung: Die Tonaudiometrie zeigt eine symmetrische sensorineurale Schwerhörigkeit mit Hochtonver-
Notfall
Chirurgie
Ortho
Bei bakterieller Infektion erfolgt eine systemische Antibiose i. v. mit liquorgängigen Antibiotika. Zusätzlich Antivertiginosa und Bettruhe. Bei viraler Infektion evtl. Virustatika.
Indikationen zur chirurgischen Intervention sind eine
tympanogene Labyrinthitis bei Otitis media acuta (Entlastung mittels Paukendrainage und ggf. Mastoidektomie)
sowie eine Labyrinthfistel (S. 795).
Derma
Genetik
Gyn
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7.8.4 Entzündungen des Innenohrs
Therapie und Prognose:
HNO
Medikamenten.
Diagnostik: Im Tonaudiogramm zeigt sich eine Schallempfindungsstörung. Außerdem: CT zum Ausschluss
einer Labyrinthfistel, Lumbalpunktion bei V. a. Meningitis, Serologie bei unklarer Genese.
Augen
MERKE Immer strenge Indikationsstellung bei ototoxischen
dia weisen auf eine Innenohrbeteiligung hin.
Neuro
Klinik: In der Regel symmetrische Schallempfindungsschwerhörigkeit (u. U. bis zur Taubheit), Tinnitus und vestibuläre Störungen (kein Nystagmus, da beidseitige Störung).
MERKE Vestibuläre Störungen im Rahmen einer Otitis me-
Psych.
Ätiologie:
▪ exogene Ursachen:
- Medikamente: Entscheidend ist neben der Konzentration in Endo- und Perilymphe auch die Fähigkeit
zur Elimination der Substanzen. Ototoxische Medikamente sind: Aminoglykoside (Streptomycin, Gentamycin, Neomycin), Salizylate, Diuretika (Furosemid,
Etacrynsäure), Zytostatika (Cisplatin, Cyclophosphamid), Alkaloide (Pilocarpin, Scopolamin), Chloroquin,
Chinin.
- gewerbliche Stoffe: z. B. Lösungsmittel (Aminobenzole, Nitrobenzolverbindungen), Schwermetalle und
deren Verbindungen (Blei, Quecksilber, Arsen), Kohlenmonoxid, Schwefel- und Tetrachlorkohlenstoffe
- Suchtmittel: Nikotin, Alkohol, Heroin, Kokain
▪ endogene Ursachen:
- metabolische Störungen: Schilddrüsen-, Leber-, Nierenerkrankung
- Infektionskrankheiten: Grippeotitis, Mumps, Meningitis, Zoster oticus, Borreliose.
PHARMA
7.8.3 Toxische Innenohrschäden
791
Anästhesie
7.8 Innenohr und retrokochleäre Störungen
7 Ohr
lust, das Sprachaudiogramm ein gestörtes Sprachverständnis. Das Recruitment ist meist positiv.
▪ Impedanzaudiometrie: Die Widerstandsmessung des
Trommelfells (zum Ausschluss von Mittelohrschädigungen) ist ebenfalls o. B.
Da in höherem Alter auch Degenerationen retrokochleärer Strukturen
der zentralen Hörverarbeitung vorliegen können, kann – insbesondere
bei seitenungleichem Hörvermögen – evtl. ergänzend auch eine Hirnstammaudiometrie durchgeführt werden.
Therapie: Es gibt keine spezifische Therapie. Entsprechend der Beeinträchtigung sollten die Patienten möglichst frühzeitig mit Hörgeräten versorgt werden.
7.8.6 Hörsturz
DEFINITION Akut auftretende, einseitige Innenohrschwer-
hörigkeit ohne erkennbare äußere Ursachen.
Ätiopathogenese: Als Ursache nimmt man insbesondere
Durchblutungsstörungen an, die zu einer gestörten Mikrozirkulation im Innenohr führen. Dafür sind vorrangig
Gefäßspasmen der A. labyrinthi oder eine gesteigerte
Blutviskosität verantwortlich. Auch eine arterielle Hypotonie oder Vertebralisinsuffizienz können zum Hörsturz
führen. Weitere Ursachen: endolymphatischer Hydrops,
immunologische Prozesse, Labyrinthitis, Perilymphfistel,
Labyrinthitis, Herpes zoster oticus, akustisches Trauma
oder psychische Einflüsse. Bleibt die Ursache unbekannt
(häufig), spricht man vom idiopathischen Hörsturz.
Klinik: Die Beschwerden treten akut oder subakut (innerhalb von Sekunden bis Stunden), und unterschiedlich
stark auf. Unter Umständen kann es zur plötzlichen Ertaubung kommen. Diese tritt v. a. nach einer Ruptur des
runden Fensters, oft nach körperlicher Belastung oder Barotrauma, auf. Auch der betroffene Frequenzverlust variiert individuell. Weitere Beschwerden sind ein Tinnitus,
Druck- bzw. „Watte“-Gefühl im Ohr oder evtl. Schwindel.
Diagnostik: Notwendige Untersuchungen sind:
▪ Erhebung des HNO-Status
▪ Otoskopie (Normalbefund)
▪ Hörprüfung:
- Stimmgabeltest nach Weber: Lateralisation ins gesunde Ohr
- Tonschwellenaudiometrie: zum Nachweis der Schallempfindungsschwerhörigkeit
▪ Tympanometrie
▪ Vestibularisprüfung
▪ objektive Audiometrie (Hirnstammaudiometrie, otoakustische Emissionen).
Symptomatische Ursachen müssen ausgeschlossen werden, z. B. mittels Serologie (Borreliose, Herpes zoster oticus, Zytomegalie etc.), Blutdruckmessung, Dopplersonografie (vaskuläre Veränderungen), MRT (multiple Sklerose, Akustikusneurinom).
Diagnostische Tests, die das Gehör zusätzlich durch die entstehende
Lärmbelastung schädigen können, sollten im Intervall durchgeführt
werden. Hierzu zählen v. a. die Hirnstammaudiometrie, Stapediusreflexmessung und MRT.
Therapie: Es gibt keine allgemeinen Therapievorgaben. Es
handelt sich um keinen Notfall. Bekannte Ursachen müssen entsprechend behandelt werden. Hilfreich kann außerdem eine rheologische Behandlung mit Hydroxyethylstärke sein (verbessert die Fließeigenschaften des Bluts).
Weitere Maßnahmen: Kortikosteroide, antimikrobielle
Therapie bei Infektionen (z. B. Cephalosporene der 3. Generation bei Borreliose) sowie operativer Eingriff bei V. a.
Fensterruptur mit Tympanotomie und Abdeckung der
Fenstermembran.
Prognose: Mit zunehmendem Hörverlust verschlechtert
sich die Prognose. Bei der idiopathischen Form zeigt sich
in mehr als 50 % eine therapieunabhängige, spontane Beschwerdebesserung bzw. Heilung.
7.8.7 Andere Innenohrschäden
Frühkindlich erworbene Schäden: Pränatal erworbene
Schäden umfassen die Rötelnembryopathie (s. Pädiatrie
S. 530) sowie Toxoplasmose oder Zytomegalie, die Einnahme ototoxischer Medikamente (z. B. Aminoglykoside)
in der Schwangerschaft, ionisierende Strahlen sowie endokrine oder Stoffwechselerkrankungen der Mutter (z. B.
gestörte Schilddrüsenfunktion, Diabetes mellitus). Ursachen perinatal erworbener Schäden sind eine intrauterine Asphyxie, ein Morbus haemolyticus neonatorum,
eine Frühgeburt oder Infektionen. Viren wie Masern oder
Mumps, eine chronische Mittelohrentzündung oder eine
Meningitis können zur postnatal erworbenen Schwerhörigkeit führen.
Hereditäre Innenohrschwerhörigkeit: Sie kann im Rahmen verschiedener Fehlbildungs-Syndrome (z. B. Trisomie 21, Alport-Syndrom, CHARGE-Syndrom) auftreten
oder nichtsyndromal bedingt sein, wobei dann nur das
Gehör betroffen ist. In den meisten Fällen liegt ein autosomal-rezessiver Erbgang vor und die Schwerhörigkeit
besteht von Geburt an. Bei der Hälfte der Betroffenen finden sich Mutationen im Connexin-26-Gen. Hereditäre Innenohrstörungen sind die häufigste Ursache einer kochleären Schwerhörigkeit.
Weitere:
▪ Durchblutungsstörungen treten v. a. im vertebrobasilären Stromgebiet auf. Vom akuten Labyrinthinfarkt ist
meist ein Innenohr betroffen. Chronische Durchblutungsstörungen im Rahmen von Arteriosklerose, Hypertonie oder Diabetes mellitus führen ebenso zu einer
gestörten Innenohrfunktion.
▪ metabolische Störungen: Mangel an Folsäure und Vitamin B12, Hyperlipidämie und Urämie.
▪ immunassoziierte Schädigung des Innenohres: Der
Hörverlust tritt meist beidseitig, aber in unterschiedlichem Ausmaß auf und verläuft rasch progredient. Beispiele sind:
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792
Nystagmus
Die verschiedenen Nystagmusformen werden im Kapitel
Neurologie (S. 938) besprochen.
Schwindel
Das Symptom Schwindel wird im Kapitel Leitsymptome
(S. C 125) behandelt. Schwindel kann sich „systematisiert“ als Schwank-, Dreh- oder Liftschwindel äußern
oder „unsystematisiert“ mit Übelkeit, Bewusstseinstrübung und Stand- und Gangunsicherheit auftreten. Man
unterscheidet zwischen einem peripher vestibulären,
zentral vestibulären (beide Drehschwindel) und nichtvestibulären Schwindel. Symptomatisch können Antihistaminika (Diphenhydramin) verabreicht werden.
7.9.2 Akuter einseitiger Vestibularisausfall
Synonym: Neuronitis/Neuropathia vestibularis
Epidemiologie und Ätiologie: Der Erkrankungsgipfel liegt
bei etwa 50 Jahren. Die Ursache ist unklar, vermutet werden ein Zusammenhang mit Virusinfektionen, einer gestörten Mikrozirkulation sowie auch metabolische oder
toxische Faktoren, welche zu einer Funktionsstörung des
vorderen Bogengangs führen. Ein gehäuftes Auftreten
etwa 14 Tage nach einem grippalen Infekt wird beobachtet.
Klinik: Leitsymptome des einseitigen Vestibularisausfalls
sind ein akut/subakut einsetzender heftiger und anhaltender Drehschwindel mit Oszillopsien (Scheinbewegungen der Umwelt), Fallneigung zur betroffenen Seite sowie
Übelkeit und Erbrechen. Die Symptomatik hält mehrere
Tage bis wenige Wochen (2–4) an. Zur gesunden Seite besteht ein horizontal rotierender Spontannystagmus. Hörstörungen, Schmerzen und Tinnitus sowie weitere neurologische Symptome gehören nicht zum Krankheitsbild.
Diagnostik: In der Untersuchung findet sich ein Spontannystagmus mit rotatorischer Komponente zur gesunden
Seite. Darüber hinaus sind keine weiteren Hirnnervenstörungen vorhanden (insbesondere Okulomotorik, Hören,
Sensibilität).
7.9.3 Benigner paroxysmaler
Lagerungsschwindel
Synonym: Kupolithiasis, Kanalolithiasis, benigner paroxysmaler Positionsschwindel
DEFINITION Episodischer, lagerungsabhängiger Schwindel
mit rezidivierenden Drehschwindelattacken, gelegentlich
mit Übelkeit und Oszillopsien.
Epidemiologie: Der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel (BPLS) ist die häufigste Form des peripher vestibulären Schwindels. Der Altersgipfel liegt zwischen 50.
und 70. Lebensjahr. Frauen sind etwa doppelt so häufig
betroffen.
MERKE Der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel ist
die häufigste Ursache einer Schwindelsymptomatik.
Ätiopathogenese: Ursächlich sind pathologische Kalziumkonglomerate, die entweder im hinteren oder im horizontalen Bogengang frei flottieren und bei bestimmten
Bewegungen die Kupula reizen.
Auch ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine Neuronitis
vestibularis (sog. Lindsay-Hemenway-Syndrom) können
zum BPLS führen.
Klinik: Die Attacke äußert sich in akutem Drehschwindel
und rotierendem Nystagmus, die nach einer Latenzzeit
von wenigen Sekunden auftreten und nicht länger als
1 min andauern. Außerdem bestehen Übelkeit, Erbrechen
und Sehstörungen. Eine Attacke kann durch verschiedene
Kopfbewegungen, Hinlegen, Umdrehen, Bücken etc. ausgelöst werden. Die ersten Symptome treten oft in den frühen Morgenstunden auf. Das Hörvermögen ist nicht beeinträchtigt.
Diagnostik: Otoskopie, Kalorik, Hörvermögen sowie Okulomotorik sind intakt.
Notfall
Anästhesie
Chirurgie
Ortho
Derma
Genetik
Gyn
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7.9.1 Leitsymptome
Therapie und Prognose: Anfangs hochdosierte Therapie
mit Glukokortikoiden mit anschließender Dosisreduktion
über 2 Wochen. Außerdem Bettruhe, Volumengabe, Antivertiginosa. Frühzeitige Mobilisierung nach Abklingen
der Übelkeit mit Geh- und Balancetraining. Insbesondere
jüngere Patienten erholen sich rasch wieder.
HNO
Vestibuläre Störungen können mit Schwindel, Übelkeit,
Erbrechen, Stand- und Gangunsicherheiten und Nystagmus einhergehen. Zumeist ist die vestibuläre Störung
eine Begleiterscheinung einer neurologischen Erkrankung.
Augen
7.9 Vestibuläre Störungen
Bei kalorischer Prüfung des Gleichgewichtsorgans besteht eine Unter- oder Unerregbarkeit des betroffenen Labyrinths (ipsilateraler horizontaler Bogengang). Das Audiogramm ist unauffällig.
Mit dem Kopf-Impuls-Test (Halmagyi-Test) können die
Rückstellsakkaden (optokinetischer Reflex) erfasst werden. Dabei soll der Patient die Nase des Arztes fixieren,
während dieser den Kopf des Patienten rasch um ca. 15°
in eine Richtung dreht. Beurteilt wird, ob der Patient den
Fixationspunkt beibehalten kann. Beim einseitigen Labyrinthausfall bleiben die Augen stehen, danach folgen
mehrere Sakkaden, um erneut zu fixieren.
Neuro
- Cogan-Syndrom (obligat beidseits auftretender progredienter, kochleovestibulärer Funktionsausfall mit
interstitieller Keratitis)
- Wegener-Granulomatose bzw. Vaskulitiden
- rezidivierende Polychondritis (Chondromalazie, Polychondritis atrophicans).
793
Psych.
7.9 Vestibuläre Störungen
7 Ohr
Frenzel-Brille
Ätiologie: Durch eine Resorptionsstörung des Saccus endolymphaticus kommt es zu einem Hydrops des endolymphatischen Systems. Die konsekutiv steigende Ionenkonzentration führt zu einem vermehrten Wassereinstrom und damit zu einer Verstärkung des Hydrops.
Klinik: Plötzlich auftretender Drehschwindel und Tinnitus,
Ohrendruck, Schallempfindungsschwerhörigkeit, Standund Gangunsicherheit, verbunden mit Übelkeit, Erbrechen und vegetativen Symptomen. Während einer Attacke ist ein ausgeprägter horizontaler Nystagmus zur betroffenen Seite nachweisbar (Reiznystagmus), in der Ausfallphase ist die Schlagrichtung umgekehrt (zur gesunden
Seite). Kommt es in der Attacke zu einer Hörverbesserung, spricht man vom Lermoyez-Syndrom. Man unterscheidet eine leichte Form mit seltenen Anfällen von
einer schweren mit häufigen Anfällen, die ohne vegetative Vorzeichen abrupt einsetzen.
b
Diagnostik: Charakteristischerweise findet sich im Fowler-Test ein positives Recruitment (S. 778). Durchgeführt
werden sollten außerdem ENG, AEP und Audiometrie. In
der Tonaudiometrie lässt sich zunächst eine Schallempfindungsschwerhörigkeit für die tiefen, im Verlauf für alle
Frequenzen nachweisen. Der Hydrops kann in der Elektrokochleografie dargestellt werden (→ Summationspotenzial nimmt zu). Oft lässt sich mit der Gabe von Glyzerin eine Hörverbesserung erzielen (→ beweist einen
Hydrops).
Abb. 7.15 Hallpike-Manöver. Bringt man den Patienten in Kopfhängelage, besteht ein rotatorischer Nystagmus gegen den Uhrzeigersinn.
Betroffen ist somit das unten liegende, rechte Ohr. [aus Probst, Grevers,
Iro, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Thieme, 2008]
Dynamische Lagerungsprobe (Hallpike-Manöver in
Kopfhängelage (Abb. 7.15): Kopf des sitzenden Patienten
überstrecken, um 45° zu einer Seite drehen, den Patienten in Kopfhängelage bringen und anschließend schnell
wieder aufsetzen → Es kommt zu Drehschwindel und rotierendem Nystagmus im Uhrzeigersinn, wenn das linke,
und gegen den Uhrzeigersinn, wenn das rechte Ohr betroffen ist. Beim Aufsetzen besteht ein abgeschwächter
Nystagmus in die jeweils andere Richtung. Nach mehreren Versuchen kommt es zur Gewöhnung. Anschließend
wird der Versuch in anderen Kopfpositionen wiederholt.
Therapie: In Abhängigkeit vom betroffenen Bogengang
werden die Patienten angewiesen, ein spezielles Lagerungstraining zu machen. Dies führt meist innerhalb weniger Wochen zur Remission.
7.9.4 Menière-Krankheit
DEFINITION Meist einseitige Erkrankung, die anfallsweise
auftritt und mit typischer Trias von (Dreh-)Schwindelattacken, Tinnitus und fluktuierender Schwerhörigkeit einhergeht.
Therapie:
▪ akut
- Sedierung
- medikamentöse Schwindelbehandlung (z. B. Dimenhydrinat)
▪ im Intervall
- Glukokortikoide
- Infusionen (z. B. mit HAES)
- β-Histin
- ggf. Gentamicin zur chemisch-toxischen Ausschaltung des Labyrinths, falls anderweitig keine Besserung
▪ falls keine Besserung: Saccotomie mit Dekompression,
translabyrinthäre Neurektomie bei vollständigem Hörverlust.
7.9.5 Beidseitiger peripherer Vestibularisausfall
Ätiologie: Die beidseitige Vestibularisschädigung ist zurückzuführen auf:
▪ ototoxische Medikamente (z. B. Aminoglykoside, Chloroquin, Diuretika, Zytostatika) und andere ototoxische
Noxen
▪ beidseitige Labyrinthitis, Otosklerose, Fehlbildungen
sowie Erkrankungen des N. vestibularis.
Klinik:
▪ Gleichgewichtsstörungen und Schwindelgefühl, insbesondere im Dunkeln
▪ Oszillopsien
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PHARMA
794
Notfall
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▪ akute oder chronische Mittelohrentzündungen mit Labyrinthbeteiligung
▪ Perilymphfistel: Verbindung zwischen Mittelohr und
Perilymphe (meist über das runde Fenster). Ursächlich
sind Mittelohrentzündungen, Traumen, Tumoren oder
Fehlbildungen. Klinisch bestehen ein Dreh- oder
Schwankschwindel mit Oszillopsien und Gangunsicherheit, evtl. auch Hörstörungen. Die Symptome nehmen bei Druckerhöhungen (z. B. Pressen) zu. Zur Prüfung eines Fistelsymptoms s. S. 779. Konservative Therapie mit Bettruhe und Kopfhochlagerung, da häufig
Spontanheilung.
▪ Vestibularisparoxysmie: Kennzeichen sind rezidivierende Drehschwindelattacken, die mehrere Sekunden
andauern und durch bestimmte Kopfpositionen hervorgerufen werden. Weiterhin besteht ein einseitiger,
progredienter Funktionsverlust des VIII. Hirnnervs mit
Hörminderung, Tinnitus und messbaren Defiziten wäh-
▪ Kleinhirn-Brückenwinkel-Tumoren: Da der Tumor meist
langsam wächst, können die Symptome gut kompensiert werden, sodass es eher selten zu vestibulären Störungen kommt. Die häufigste Ursache ist das Akustikusneurinom (80 %). Näheres s. Neurologie S. 903.
▪ vertebrobasiliäre Insuffizienz: Aufgrund passagerer
Durchblutungsstörungen (z. B. im Rahmen von Stenosen, einer transienten ischämischen Attacke oder eines
Steal-Phänomens) kann es (selten) zu Drehschwindelanfällen kommen, die begleitet sind von Sehstörungen,
Doppelbildern, drop attacs, Bewusstseinsverlust,
Spechstörungen oder Lähmungen.
▪ Wallenberg-Syndrom: s. Neurologie S. 887
▪ Kleinhirninfarkt der A. cerebelli posterior inferior: einseitiger Befund, Diagnosesicherung mittels MRT.
▪ multiple Sklerose: In 5 % sind Schwindel und Gleichgewichtsstörungen erste Manifestationszeichen einer MS,
meist auch in Kombination mit einer retrokochleären
Hörstörung.
▪ Migräne: v. a. Basilarismigräne (s. Neurologie S. 975).
HNO
7.9.6 Andere Ursachen peripher-vestibulärer
Störungen
7.9.7 Zentral-vestibuläre Störungen
Augen
Akute Labyrinthläsion: Bei akuter Labyrinthitis kommt es
neben einer Hörstörung zu Drehschwindel und es kann
ein vestibulärer Nystagmus zur Gegenseite nachgewiesen
werden. Die Labyrinthitis kann multipel induziert sein.
Neuro
Diagnostik: Fehlende kalorische Reizung, beidseitig pathologischer Kopf-Impuls-Test.
rend eines Anfalls. Pathogenetisch wird eine hirnstammnahe Gefäßkompression des VIII. Hirnnervs als
ursächlich angesehen. Therapieoptionen sind Carbamazepin und ggf. mikrovaskuläre Dekompression.
▪ Dekompressionskrankheit: s. Notfallmedizin S. 42
▪ Tullio-Phänomen: Ursächlich für die Schwindelsymptomatik sind akustische Reize; meist laute, tiefe Frequenzen.
▪ posttraumatisch.
Psych.
▪ aber kein Nystagmus, da beide Vestibularorgane ausgefallen sind
▪ oft auch beidseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit.
795
Chirurgie
7.9 Vestibuläre Störungen
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