Gruppentheorie und Quantenmechanik G.Roepstor Ausarbeitung einer an der RWTH Aachen im Sommersemester 1988 gehaltenen Vorlesung 10. Januar 2002 Inhaltsverzeichnis 1 Grundzuge der Quantenmechanik 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 Die Schrodinger-Gleichung fur ein spinloses Teilchen . Der Hilbertraum der Quantenmechanik . . . . . . . . Das Problem mehrerer Elektronen . . . . . . . . . . . Der Spin der Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . Symmetrien und Erhaltungssatze . . . . . . . . . . . 1.5.1 Translationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2 Translationen im homogenen Magnetfeld . . . 1.5.3 Innitesimale Translationen . . . . . . . . . . 1.5.4 Rotationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.5 Innitesimale Rotationen . . . . . . . . . . . . 1.5.6 Paritat und Zeitumkehr . . . . . . . . . . . . 1.5.7 Symmetrien im engeren Sinn . . . . . . . . . . 1.5.8 Symmetrien im weiteren Sinne . . . . . . . . . 2 Darstellungen von Gruppen 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 Homomorphismen . . . . . . . . . Lineare Darstellungen . . . . . . Unitare Darstellungen . . . . . . Reduzibilitat . . . . . . . . . . . Zwei Satze von Schur . . . . . . . Orthogonalitatsrelationen . . . . Der Charakter einer Darstellung . 3 Die Theorie der SU(2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 7 8 11 13 16 16 18 19 21 22 25 29 32 35 35 39 43 45 50 56 58 61 3.1 Wie dreht man den Spin? . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3.2 Parametrisierung der SU(2) . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1 INHALTSVERZEICHNIS 2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 Die invariante Integration . . . . . . . . . Konstruktion irreduzibler Darstellungen . Eine Realisierung durch Bose-Operatoren . Harmonische Polynome . . . . . . . . . . . Multipole . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Kopplung von Drehimpulsen 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 Motivation und Problemstellung . . . . Die Clebsch-Gordan-Reihen der SU(2) Die Clebsch-Gordon-Koezienten . . . Das Wigner-Eckart-Theorem . . . . . . Wirkungen des Pauli-Prinzips . . . . . Die Elektronenkonguration . . . . . . 5 Spezielle Potentiale 5.1 Das 1/r-Potential . . . . . . . . 5.1.1 Bindungszustnde . . . . 5.1.2 Der Lenz-Runge-Vektor 5.1.3 Die SO(4)-Symmetrie . . 5.2 Das r2-Potential . . . . . . . . . 6 Strahlungsubergange 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rayleigh-Entwicklung . . . . . . . Die Wechselwirkung mit ebenen Wellen U bergangsstrome . . . . . . . . . . . . Elektrische Dipolubergange . . . . . . Spontane Emission . . . . . . . . . . . Verbotene U bergange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 72 79 81 84 89 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 . 95 . 98 . 103 . 108 . 113 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 . 119 . 121 . 124 . 126 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 131 . 131 . 133 . 137 . 140 . 141 . 144 INHALTSVERZEICHNIS 3 Einleitung Im Jahre 1928 erschien die erste Ausgabe des Buches Gruppentheorie und Quantenmechanik von H.Weyl, einem Gottinger Mathematiker. Nach Vorlesungen, die er uber den gleichen Gegenstand in Princeton 1928-29 hielt, erschien 1930 eine uberarbeitete zweite Auage, der 1931 die englische U bersetzung folgte. Ebenfalls im Jahre 1931 veroentlichte E.P.Wigner das Buch Gruppentheorie und ihre Anwendung auf die Theorie der Atomspektren. Beide Bucher blieben Standardwerke auf diesem Gebiet fur Generationen von Studierenden. In ihnen wurde zum erstenmal die Bedeutung der Darstellungstheorie von Gruppen fur die Quantenmechanik dem Physiker sichtbar vor Augen gefuhrt. Der Begri der Symmetrie gehorte von da an zu den Grundlagen des physikalischen Weltbildes. Im einzelnen setzte sich folgende Erkenntnis durch: Jedem quantenmechanischen System liegt eine Symmetriegruppe zugrunde, die bereits durch ihre bloe Existenz das Verhalten des Systems weitgehend festlegt. Das Aunden dieser Gruppe ist der erste Schritt bei der theoretischen Analyse eines vorgelegten Modells. Es ist typisch fur die Quantenmechanik, da, abgesehen von einigen Ausnahmen, alle Gruppen als konkrete Transformationsgruppen linearer Raume realisiert sind. Man spricht in diesem Zusammenhang von unitaren Darstellungen der abstrakten Gruppen. Ausnahmen nden wir bei den diskreten Gruppen. Hier ist es moglich, da eine Symmetrietransformation auch einmal antiunitar dargestellt wird, wie dies zum Beispiel bei der Zeitumkehr der Fall ist. 4 INHALTSVERZEICHNIS Eine Transformationsgruppe ist genau dann eine Symmetriegruppe, wenn der Hamilton-Operator des Systems mit allen unitaren Operatoren der Darstellung kommutiert. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Symmetriegruppen und Erhaltungsgroen.Fur eine kontinuierliche Gruppe bedeutet dies den U bergang zu der Lie-Algebra dieser Gruppe. Gelingt es, die einem Problem innewohnenden Symmetrien zu erkennen, so kann eine den Symmetrien angepate mathematische Behandlung zu entscheidenden Vereinfachungen fuhren. Die statistische Interpretation der Quantenmechanik (i.e. eine raumlich konstante Phase der Wellenfunktion ist nicht mebar) macht es notwendig, den allgemeineren Begri der projektiven Darstellung einer Symmetriegruppe einzufuhren. Dieser Begri fuhrt zwangslaug auf mathematische Konstruktionen an den Gruppen selbst, wie etwa die Bildung von zentralen Erweiterungen und Uberlagerungen einer Symmetriegruppe. Am bekanntesten ist in diesem Zusammenhang der U bergang von der orthogonalen Gruppe SO(3) zu der unitaren Gruppe SU (2), mit deren Hilfe man erst in der Lage ist, das Auftreten halbzahliger Spins in der Natur zu verstehen. Manchmal trit die Natur eine Auswahl unter der Vielzahl der moglichen Darstellungen einer Gruppe, wie etwa bei den n-Teilchensystemen ununterscheidbarer Teilchen: Die Dichotomie BoseFermi ist eine solche Einschrankung in bezug auf die Permutationsgruppe. In viel radikalerer Weise, als es in der Quantenmechanik moglich ist, wurde in der modernen Physik der Elementarteilchen der Symmetriebegri als Leitidee an den Anfang gestellt. Das heute gultige Standardmodell, mit dem wir die fundamentalen Wechselwirkungen beschreiben, beruht entscheidend auf dem Konzept der lokalen Eichsymmetrie. Hierbei bleibt jedoch ungeklart, wo der tiefere Grund fur das Auftreten bestimmter Eichgruppen zu suchen ist. Es gibt Anzeichen dafur, da der Grund in einer verborgenen geometrischen Struktur unserer Welt liegt, INHALTSVERZEICHNIS 5 einer Struktur, die sich erst bei extrem kleinen Abstanden zu erkennen gibt. Diese Vorlesung hat sich zum Ziel gesetzt, die Strukturen der Quantenmechanik und der in ihrem Rahmen formulierten Modelle aufzuzeigen. Dabei werden Anleihen bei der bestehenden Mathematik gemacht. Es wird nicht versucht, unter Umgehung der etablierten mathematischen Begrisbildungen, eigene, angeblich "physikerfreundliche" Bezeichnungen und Benennungen an ihre Stelle zu setzen. Dies ware schlechter Stil und sollte in einer von Verantwortung getragenen Ausbildung der Studenten keinen Platz haben. Die benutzte Mathematik wird allerdings auf ein Minimum begrenzt. Gruppentheorie sowie Darstellungstheorie der Gruppen stehen im Vordergrund. Nicht behandelt wird die Spektraltheorie von Hilbertraum-Operatoren, die Theorie der selbstadjungierter Erweiterungen von symmetrischen Operatoren und die Matheorie. U berhaupt wird mit unbeschrankten Operatoren sehr lassig umgegangen: die zugehorigen Denitionsbereiche werden nicht explizit genannt oder konstruiert. Bei allen Ableitungen werden die notigen Dierenzierbarkeits-Annahmen implizit vorausgesetzt. Der Gewissenhafte kann solche technischen Details leicht erganzen; in dem vorliegenden Manuskript sind sie weggelassen, weil sie den Blick auf das Wesentliche verstellen, auf die algebraische Struktur der Quantenmechanik. 6 INHALTSVERZEICHNIS Kapitel 1 Grundzuge der Quantenmechanik 1.1 Die Schrodinger-Gleichung fur ein spinloses Teilchen Die einfachste Situation, auf die der Formalismus der Quantenmechanik Anwendung ndet, ist die Bewegung eines Elektrons unter Vernachlassigung seines Spins. Bewegt sich das Elektron vermoge seiner elektrostatischen Wechselwirkung in einem Potential V (x), so lautet die Schrodinger- Gleichung: @ (x; t) [? 21m + V (x)] (x; t) = i @t (1.1) Die Maeinheiten sind so gewahlt, da h = 1 gilt; m bezeichnet die Masse des Elektrons und den Laplace-Operator; x 2 R3 ist der Ortsvektor und t die Zeit. Partielle Dierentialgleichungen kommen in allen Bereichen der Physik vor. Jedoch unterscheidet sich die Schrodinger-Gleichung in einem wesentlichen Punkt von allen bekannten klassischen Gleichungen: Die Wellenfunktion ist komplexwertig. Damit hangt zusammen, da nach unserer heutigen Auassung die Wellenfunktion selbst keine beobachtbare (d.h. mebare) Groe darstellt, obwohl das Absolutquadrat j j2 je7 DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE 8 denfalls im Prinzip der Beobachtung zuganglich ist1. Die Normierungsbedingung Z d3x j (x; t)j2 = 1 (1.2) ubernimmt die Rolle einer Randwertbedingung im Unendlichen: Sie begrenzt das Wachstumsverhalten von fur groe jxj. Nur durch Hinzunahme einer solchen Bedingung werden bestimmte Energieniveaus ausgezeichnet (etwa beim harmonischen Oszillator oder dem H-Atom). Bekanntlich folgt aus der Realitat von V (x), da die Normierungsbedingung fur fur alle Zeiten erfullt ist, wenn sie nur fur eine feste Zeit (etwa t = 0) gultig ist. Von den elektromagnetischen Wechselwirkungen, denen das Elektron unterworfen ist, haben wir bislang nur den elektrostatischen Fall betrachtet. In der allgemeinen Situation, wo das Elektron (Ladung -e) mit einem auerem 2 elektromagnetischem Feld F = @ A ? @ A wechselwirkt und wir auch noch zulassen, da das Viererpotential A = (A0; ?cA) zeitabhangig ist, mussen wir von der allgemeinen Schrodinger-Gleichung [ 1 ( 1 r + eA)2 ? eA0 ] = i @ (1.3) 2m i @t ausgehen. Dies setzt allerdings voraus, da wir alle relativistischen Effekte vernachlassigen durfen. 1.2 Der Hilbertraum der Quantenmechanik Die Normierungsbedingung fur Wellenfunktionen (zu einer festen Zeit, soda wir den Zeitparameter nun unterdrucken konnen) fuhrt zu dem Die genaue Analyse zeigt, da es nur eine raumlich konstante, aber moglicherweise zeitlich variable Phase der Wellenfunktion ist, die sich der Beobachtung entzieht. 2 Man spricht von einem aueren Feld dann, wenn die Ruckwirkung des Elektrons auf dieses Feld vernachlassigt wird: im allgemeinen baut eine bewegte Ladung ein eigenes el.magn. Feld auf, was wir hier auer acht lassen. 1 1.2. DER HILBERTRAUM DER QUANTENMECHANIK Begri der Norm: Z kk2 = d3x j(x)j2 9 (1.4) Fur die Gesamtheit der Funktionen (x) mit kk < 1 benutzen man das Symbol L2(R3). Es handelt sich hier, wie wir bereits wissen, um einen Hilbertraum mit dem Skalarprodukt 3 Z (1; 2) = d3x 1(x)2(x) (1.5) Dies ist, strenggenommen, nicht der Raum der Zustande, wie man meinen konnte; vielmehr ubernimmt diese Rolle der zugehorige projektive Raum4. Das liegt darin begrundet, da wir den Zustand von dem Zustand c nicht unterscheiden konnen, wobei c 6= 0 aber im ubrigen eine beliebige komplexe Zahl sein kann. Jeder Hilbertraum ist zuallererst ein Vektorraum: diese Struktur ergibt sich in unserem Fall aus dem Superpositionsprinzip fur Wellenfunktionen. Wir werden daher auch von als von einem Vektor des Hilbertraumes sprechen. Eine konkrete Wellenfunktion (einen Vektor also) werden wir stets als einen Reprasentanten des Zustandes ansehen. Der eigentliche Sinn der SchrodingerGleichung ist, da sie die zeitliche Entwicklung, also gewissermaen den Pfad eines Zustandes beschreibt, d.h., indem wir t (x) = (x; t) setzen, wird t 2 L2 (R3) zum Reprasentanten des Zustandes zur Zeit t. Die Struktur der Schrodinger-Gleichung wird besser sichtbar, wenn wir schreiben Ht = i_ t (1.6) mit der formalen Losung t = e?itH 0. Hier heit H der HamiltonOperator. Seine konkrete Gestalt ist modellabhangig. In der einfachsten Situation haben wir (1.7) [H](x) = ? 21m + V (x) (x) In der Physik ist ein Skalarprodukt linear im zweiten, antilinear im ersten Argument. 4 Selbst der projektive Raum reicht im Grunde nicht aus, um alle Zustande zu beschreiben. Er enthalt nur die 'reinen' Zustande. Daneben existieren noch 'gemischte Gesamtheiten', die wir durch Dichteoperatoren mit > 0 und Spur = 1 beschreiben. 3 DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE 10 und es ist leicht, anhand einer solchen konkreten Gestalt des HamiltonOperators die Eigenschaft (1; H2) = (H1; 2); gultig fur alle 1; 2 2 L2 (R3) nachzuweisen5 . Einen Operator mit dieser Eigenschaft nennt man selbstadjungiert. Die Eigenschaft hat zur Folge, da Erwartungswerte (; H) grundsatzlich reell sind und da das Spektrum eines solchen Operators reell ist. Beides ist vom physikalischen Standpunkt notwendig, weil es gerade diese Groen sind, die gemessen werden konnen. Wie auch immer der Hamilton-Operator konstruiert sein mag, diese Forderung darf er auf keinen Fall verletzen: H mu selbstadjungiert sein6 . Wesentliche Groen in der Quantenmechanik werden durch selbstadjungierte Operatoren beschrieben, z.B. der Impuls P = (P1; P2; P3) durch [Pk ](x) = 1i rk (x) der Ort Q = (Q1; Q2 ; Q3) durch [Qk ](x) = xk (x) der Bahndrehimpuls L = Q P (Vektorprodukt) die kinetische Energie H0 durch [H0](x) = ? 21m (x) die potentielle Energie V durch (V )(x) = V (x)(x) Eine nicht ganz unproblematische Verallgemeinerung besagt, da alle selbstadjungierten Operatoren auf dem Hilbertraum eines quantenmechanischen Systems mebare Groen beschreiben. Wir wollen sie deshalb in der Folge als Observablen ansprechen, ganz gleich, ob wir nun zu jedem s.a.Operator die Mevorschrift kennen oder nicht. Es ist wichtig Streng genommen, kann eine solche Eigenschaft, da H ein unbeschrankter Operator ist, nur fur eine dichte Menge von Vektoren des Hilbertraumes richtig sein. 6 Wie man wei, ist diese Forderung identisch mit der Annahme, da e?itH fur relles t eine stark stetige unitare Gruppe beschreibt. Man nennt e?itH den Evolutionsoperator. Seine Unitaritat bewirkt die zeitliche Konstanz von kt k, eine Eigenschaft, die unverzichtbar fur die statistische Interpretation der Quantenmechanik ist. Die genannte Stetigkeit besagt, da kt ? s k ! 0 fur jt ? sj ! 0: natura non facit saltus. 5 1.3. DAS PROBLEM MEHRERER ELEKTRONEN 11 sich klar zu machen, da alle Mewerte durch geeignet gewahlte Erwartungswerte (; A) mit kk = 1 ausdruckbar7 sind. Sie bilden die Brucke zwischen dem mathematischen Formalismus der Quantenmechanik und dem Experiment. Spezielle Erwartungswerte erhalten wir, wenn A ein Projektor ist. Sie interpretieren wir als bedingte Wahrscheinlichkeiten. Konkret: Unter der Annahme, es liege der Zustand vor, berechnet man die Wahrscheinlichkeit dafur, den Zustand zu nden, als 8 w( j) = (; P ) = j( ; )j2 (1.8) Hier sind und normiert und P = ( ; ) . Spezielle Losungen der Schrodinger-Gleichung haben die Gestalt (x; t) = (x)e?itE (1.9) fur ein reelles E . Sie heien stationare Losungen. In diesem Fall beschreibt einen Eigenvektor des Hamilton-Operators zu dem Eigenwert E: H = E (1.10) 1.3 Das Problem mehrerer Elektronen Das wichtigste Anliegen der theoretischen Atomphysik ist die Bestimmung der Energieniveaus fur ein Atom oder auch fur ein Ion. In erster Naherung ist dies das Problem von n Elektronen unter der Wirkung ihrer gegenseitigen Coulomb-Krafte und der Coulomb-Anziehung durch einen (als unendlich schwer angenommenen) Kern der Kernladungszahl Z . Sei x(i) der Ortsvektor des i-ten Elektrons und (i) der zugehorige Laplace-Operator, so konnen wir fur den Hamilton-Operator schreiben: H =^ X i ! 2 X e2 ? 21m (i) ? jZe + x(i) j i<k jx(i) ? x(k) j (1.11) Wird der Zustand durch einen statistischen Operator beschrieben, so ist der Erwartungswert einer Observablen A durch Spur(A) gegeben. 8 Auch diese Formel erlaubt eine Verallgemeinerung: es gilt namlich w(1 j2 ) = Spur(1 2 ) fur zwei statistische Operatoren 1 und 2 . Bemerkenswert ist hier die Symmetrie dieses Ausdruckes unter der Vertauschung der Indizes. 7 12 DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE Als Hilbertraum, auf dem dieser Operator deniert ist, mu der Raum L2 (R3n) gewahlt werden. Dieser umfat alle Wellenfunktionen (x(1) ; : : : ; x(n) ); die auf dem Kongurationsraum R3n von n Teilchen quadratintegrabel sind. In diesem Raum sind die Eigenwerte E und die Eigenfunktionen zu bestimmen: H = E. Der im Laboratorium zu beobachtende U bergang von einem stationaren Zustand zu einem anderen ist nur durch Emission oder Absorption von Photonen moglich, deren Beschreibung unser Hamilton-Operator noch nicht vorsieht. Eine explizite und vollstandige Losung des Eigenwertproblems ist uns versagt. Fur die schweren Atome (groes Z ) ist jedoch die Zentralfeld-Approximation sinnvoll. Diese nimmt an, da sich jedes Elektron der Atomhulle in einem Zentralpotential V (r) bewegt, das von dem Kern und allen anderen Elektronen im Mittel erzeugt wird. Man geht hierbei von der folgenden Aufspaltung des Hamilton-Operators aus: H = H 0 + H1 (1.12) mit X 1 (i) ? 2m + V (ri) ; ri = jx(i) j H0 =^ (1.13) i und ! 2 X Ze2 X e (1.14) H1 =^ jx(i) ? x(k) j ? r + V (ri ) i<k i i Diese Aufspaltung ist streng und kann noch keinen Fehler verursachen. Die Annahme besteht vielmehr darin, da ein Potential V gewahlt werden kann, fur das der Operator H1 nur noch eine kleine Storung darstellt, die man in nullter Naherung vernachlassigt: Man lost also zunachst das Problem H0 = E mit kk = 1. In erster Naherung nimmt man dann die Ersetzung E ! E + (; H1) vor, so wie es die Schrodingersche Storungsrechnung vorschreibt. Um nun einen geeigneten Ausdruck fur das Zentralpotential V zu gewinnen, gibt es im wesentlichen zwei Verfahren: Die Berechnung im Rahmen des statistischen Modells von Thomas und Fermi. 1.4. DER SPIN DER ELEKTRONEN 13 Die Bestimmung durch Losung eines Variationsproblems in einem Raum spezieller Wellenfunktionen (Hartree-Fock-Funktionen). Worin liegt nun die Vereinfachung, wenn wir die Eigenwerte von H0 (anstelle von H ) aufsuchen? Antwort: H0 ist eine Summe von EinteilchenOperatoren. Wir haben also das Einteilchenproblem nur einmal zu losen, um alle Eigenwerte von H0 zu kennen: E = E 1 + E2 + + E n (1.15) wobei die Ei beliebige Energie-Eigenwerte des Elektrons in dem Zentralpotential V sind. Unsere Vorstellung, da die Elektronen eines Atoms in Schalen angeordnet sind, sowie unsere Vorstellung vom dem Aufbau dieser Schalen und die atomtheoretische Deutung des Periodensystems der Elemente beruht entscheidend auf der Korrektheit der ZentralfeldApproximation, der angenommenen Proportionalitat V (r) / r?1 und dem Pauli-Prinzip. 1.4 Der Spin der Elektronen Bislang haben wir unberucksichtigt gelassen, da die Elektronen einen Spin besitzen. Eine konsistente Beschreibung des Elektrons, die den Spin mit einbezieht, ist nur auf der Basis der Dirac-Gleichung moglich. Diese Gleichung gibt zugleich eine lorentz-kovariante Formulierung des Problems. Obwohl es scheinen mag, da relativistische Eekte bei der Bindung von Elektronen in Atomen keine Rolle spielen, zeigen die Tatsachen ein anderes Bild. Die korrekte Beschreibung der Feinstruktur der Ein-Elektron-Atome folgt einzig aus der Dirac-Gleichung und nicht aus der Schrodinger-Gleichung. Ferner: die Einbeziehung der Spin-BahnWechselwirkung in den Hamilton-Operator, wie wir sie gleich weiter unten vornehmen wollen, stellt eine Korrektur dar, die aus einer Approximation der Dirac-Gleichung folgt. Diese Spin-Bahn-Wechselwirkung spielt, wie wir wissen, eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der Energieniveaus. Dennoch: aus Platzmangel konnen wir auf die DiracGleichung nicht eingehen. Es gibt genau zwei Basiszustande fur die Polarisation des Elektrons: bezuglich einer beliebig vorgegebenen Richtung (meistens die DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE 14 3-Richtung) kann der Spin so " oder so # gerichtet sein. Wenn wir nun alle weiteren Freiheitsgrade des Elektrons auer acht lassen, so haben wir es hier mit einem zweidimensionalen Hilbertraum zu tun, den wir den Spinorraum nennen (seine Elemente heien Spinoren) und den wir kurz mit C2 bezeichnen9 . Die vollstandige Beschreibung des EinElektron-Hilbertraumes wird erreicht, wenn wir nun Funktionen auf dem Kongurationsraum einfuhren mit Werten im Spinorraum: Z : R3 ! C2 ; kk2 = d3x k(x)k2 < 1 (1.16) Der Hilbertraum dieser Funktionen wird mit L2(R3; C2 ) bezeichnet. In dieser erweiterten Theorie des Elektrons beschreibt k(x)k2 die Dichte fur den Aufenthalt des Teilchens und k(x)k?1(x) die Polarisation am Ort x, sofern dort k(x)k nicht verschwindet. Mit Hilfe der Paulischen Spinmatrizen k denieren wir jetzt den Spinoperator S = (S1 ; S2; S3) durch [Sk ](x) = 21 k (x) (1.17) Zur Beschreibung eines Zustandes zieht man manchmal die beiden Eigenwerte = 21 von S3 heran, indem man Wellenfunktionen (x; ) mit Werten in C benutzt. Die Verbindung zu den vorigen U berlegungen kann durch (x) = f(x; 21 ); (x; ? 21 )g hergestellt werden. Eine geeignete Beschreibung eines Zustandes von n Elektronen geschieht nun durch Angabe einer Wellenfunktion (1; 2; : : : ; n) (mit Werten in C), wobei die Zahl i fur das Paar (x(i) ; (i)) steht, also fur den Ort und die Spinvariable des i-te Teilchens. Das Pauli-Prinzip fordert nun die totale Antisymmetrie eines solchen Zustandes. Es gilt also fur jedes i (1; : : : ; i; i + 1; : : : ; n) = ?(1; : : : ; i + 1; i; : : : ; n) (1.18) Hiermit meinen wir den Vektorraum aller Paare z = fz ; z g gebildet aus komplexen Zahlen unter dem Skalarprodukt (z; z 0) = z z 0 + z z 0 . Die Vektoren f1; 0g und f0; 1g formen eine Basis und entsprechen den beiden Polarisationszustanden " und #. Die allgemeinste Situation wird jedoch durch eine Polarisationsmatrix beschrieben: dies ist eine komplexe 2 2-Matrix mit 0 und Spur = 1. Ein 9 1 1 1 2 2 2 Elektron heit unpolarisiert, wenn 2 = 1 (Einheitsmatrix) gilt. 1.4. DER SPIN DER ELEKTRONEN 15 Diese Eigenschaft ist charakteristisch fur identische Teilchen mit halbzahligen Spin. Man nennt sie Fermionen. Diese Besonderheit, die uns bei den identischen Teilchen begegnet, wollen wir ein wenig beleuchten. Sind H1 und H2 zwei Hilbertraume, mit denen wir zwei verschiedene (d.h. unterscheidbare) physikalische Systeme hinsichtlich der fur sie moglichen Zustande beschreiben, so gibt es stets einen Hilbertraum, der alle Zustande des vereinigten Systems, sozusagen die gemeinsamen Zustande und nur diese, umfat. Der gesuchte Raum ist das Tensorprodukt H1 H2 . Ist also H = L2 (R3; C2) etwa der Hilbertraum eines einzelnen Elektrons, so wurde man erwarten, da die Wellenfunktionen von n Elektronen in dem n-fachen Tensorprodukt n O i=1 H = H H H (n Faktoren) (1.19) zu suchen sind. Fur unterscheidbare Teilchen ware dies richtig. Elektronen sind jedoch identische Teilchen, und das Pauliprinzip sagt uns, da die Zustande von n Elektronen in einem Unterraum liegen, den man das n-fache alternierende Produkt der Ein-Teilchen-Raume nennt: ^n i=1 H = H ^ H ^ ^ H (n Faktoren) (1.20) Ein genaherter Hamilton-Operator fur ein n-Elektronen-Atom, der die genannte Spin-Bahn-Wechselwirkung mit einbezieht, ist H = H0 + H1 + H2 mit n X (1.21) H2 = (i) L(i) S(i) i=1 wobei [ (i) ](: : : x(i) : : :) = (jx(i)j)(: : : x(i) : : :) (1.22) (r) = 2m12 c2 1r dV dr (r) (1.23) Hier bezeichnen L(i) und S(i) den Bahndrehimpuls- bzw. den Spinoperator des i-ten Elektrons und L(i) S(i) deren Skalarprodukt. 16 DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE 1.5 Symmetrien und Erhaltungssatze 1.5.1 Translationen Wir wollen bekannte Transformationen aus der klassischen Mechanik auf die Quantenmechanik ubertragen und beginnen mit dem einfachsten Beispiel, namlich der Translation: x0 = x + a ; a 2 R3 Wir konnen zwei grundsatzlich verschiedene Vorstellungen mit einer solchen Transformation verbinden. Passive Auassung (ein System, zwei Beobachter): die Translation beschreibt die relative Position zweier Bezugssysteme, K und K 0, von denen aus ein physikalisches System (d.h. sein Zustand) beurteilt wird. Ist in dem System K der Zustand durch die Wellenfunktion beschrieben, so wird der gleiche Zustand in K 0 durch die Wellenfunktion 0 beschrieben, wobei die Tatsache, da es sich um den gleichen Zustand handelt, durch 0(x0 ) = (x) ausgedruckt ist. Aktive Auassung (zwei Systeme, ein Beobachter): die Translation beschreibt einen Vorgang, bei dem ein physikalisches System als Ganzes um einen Vektor a verschoben wird. War der ursprungliche Zustand durch eine Wellenfunktion beschrieben, so kann der neue Zustand durch eine Wellenfunktion 0 beschrieben werden, wobei die benutzten Ortskoordinaten unverandert bleiben und durch x bezeichnet werden. Der Zusammenhang ist dann durch 0(x) = (x ? a) gegeben. Beide Auassungen sind mathematisch aquivalent: gilt namlich 0(x + a) = (x) fur alle x, so gilt auch 0(x) = (x ? a) fur alle x und umgekehrt. Es wird deshalb in Zukunft nicht notig sein, den Unterschied, 1.5. SYMMETRIEN UND ERHALTUNGSSATZE 17 der in den beiden Bildern besteht, zu betonen. Es ist wichtig fur das Verstandnis, da mit der Einfuhrung einer Transformation (wie hier der Translation) uberhaupt keine Symmetrie verbunden sein mu: dies bleibt eine gesonderte Forderung an die Physik des zugrundegelegten Systems. Welche Auassung wir dabei vertreten, die aktive oder passive, ist wiederum irrelevant. Der nachste Schritt in unserer Analyse der Situation besteht darin, da wir den Operator U (a) : L2 (R3) ! L2(R3) einfuhren10 : [U (a)](x) = (x ? a) (1.24) Dieser Operator hat eine Reihe von Eigenschaften11 1. U (a) ist ein linearer Operator, d.h. er respektiert Superpositionen von Wellenfunktionen. 2. Es gilt kU (a)k = kk fur alle , d.h. U (a) ist unitar und respektiert damit nicht nur die Normierung einer Wellenfunktion, sondern erhalt auch alle Wahrscheinlichkeiten w = j(; )j2 (sofern und der gleichen Transformation unterworfen werden).12 3. Es gilt U (a)U (b) = U (a + b). Da wir hier den Vektor a als eine Variable betrachten, sagt dies, da die Gesamtheit der Operatoren U (a) eine Gruppe von unitaren Operatoren, kurz, eine unitare Gruppe deniert. Der Hamilton-Operator eines einzelnen kraftefreien Teilchens ist H = ?=2m. Fur alle im Denitionsbereich von H gilt [U (a)H](x) = [HU (a)](x), wie man durch eine leichte Rechnung bestatigt. Also gilt U (a)H = HU (a), kurz: [U (a); H ] = 0, und wir haben hier die charakterisierende Eigenschaft einer Symmetrie vor uns. In Worten: der unitare Operator U (a) vertauscht mit dem Hamilton-Operator. Beachte: dies ist mit der Aussage U (a)?1 HU (a) = H identisch. Wir schreiben hier [U (a)](x) anstelle von U (a)(x), um unmiverstandlich deutlich zu machen, da U (a) auf die Funktion und nicht auf den Funktionswert (x) wirkt. 11 Wichtig auch hier: diese Eigenschaften allein machen aus U (a) noch keine Symmetrieoperation. 12 Ein linearer Operator auf einem Hilbertraum, der die Norm P erhalt, erhalt auch das Skalarprodukt. Dies folgt aus der Darstellung 4(; ) = k + k2 (Summation uber die vier Wurzeln der Gleichung 4 = 1). 10 18 DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE 1.5.2 Translationen im homogenen Magnetfeld Das nachste Beispiel ist komplizierter aber lehrreich. Wir wahlen als physikalisches System ein Elektron (Ladung -e), das sich in einem raumlich wie zeitlich konstanten Magnetfeld B bewegt. Es ist anschaulich klar, da ein solches System translationsinvariant ist. Die klassische Hamilton-Funktion 2 (1.25) Hkl(p; q) = 21m p ? 2e q B druckt diese Symmetrie durch Hkl(p + 2e a B; q + a) = Hkl(p; q) (1.26) aus. Das zugehorige quantenmechanische Problem wird durch den HamiltonOperator (1.27) [H](x) = 21m ( 1i r ? 2e x B )2 (x) deniert. Der unitare Operator U (a), der eine Symmetrietransformation auf dem Hilbertraum ausfuhren soll, mu hier anders gewahlt, d.h. der neuen Situation angepat werden: [U (a)](x) = (x ? a) exp(i 2e [aBx]) (1.28) Neu ist das Auftreten einer x-abhangigen Phase13 . Die A nderung gegenuber dem ursprunglichen Ausdruck fur U (a), so konnen wir sagen, wird durch eine Eichtransformation bewirkt. Setzen wir (1.29) [P](x) = ( 1i r ? 2e x B )(x) so ndet man leicht PU (a) = U (a)P und deshalb HU (a) = U (a)H (1.30) in oensichtlicher Analogie zur klassischen Situation. Ein nicht-klassischer Eekt besteht nun darin, da die so denierten Translationen i.a. nicht miteinander kommutieren. Vielmehr gilt fur zwei Vektoren a und B U (a)U (b) = U (a + b) exp(i 2e [aBb]) (1.31) 13 Mit [aBx] bezeichnen wir das Spatprodukt aus den drei Vektoren a, B und x. 1.5. SYMMETRIEN UND ERHALTUNGSSATZE 19 Es gilt jedoch weiterhin U (0) = 1 und U (a)?1 = U (?a), soda U (a)U (b)U (?a)U (?b) = exp(ie[aBb]) (1.32) mit der folgenden Konsequenz: ein Teilchen der Ladung e, das in einem Magnetfeld B entlang der Berandung eines Parallelogramms, aufgespannt von den Vektoren a und b, verschoben wird, kehrt zwar zu seinem Ursprung zuruck. Jedoch nimmt seine Wellenfunktion den konstanten Phasenfaktor exp(?ieF B ) auf, wobei F = ab der Vektor der umfahrenen Flache ist. Wir erkennen in M = F B den magnetischen Flu durch das Parallelogramm. Da eine beliebige Flache durch eine Summe von Rechtecken approximiert werden kann, ist die Aussage allgemein: bei dem Umfahren einer Flache erhalt die Wellenfunktion einen konstanten Phasenfaktor der Form exp(?ieM ), wobei M den magnetischen Flu durch diese Flache bezeichnet.14 Wir lernen an diesem Beispiel, da die Symmetrie eines Systems, wenn sie klassisch durch eine abelsche Gruppe beschrieben ist, quantenmechanisch betrachtet, sehr wohl nichtabelsche Zuge haben kann. Die Verletzung der Kommutativitat zeigt sich stets im Auftreten von Phasenfaktoren und beruht auf der Tatsache, da konstante Phasen physikalisch bedeutungslos sind. 1.5.3 Innitesimale Translationen Wir kehren zu der Situation zuruck, in der eine Translation durch [U (a)](x) = (x ? a) dargestellt wird. Wir nehmen an, da (x ? a) bezuglich a in eine konvergente Taylorreihe entwickelt werden kann: 1 X (x ? a) = n1! (?a r)n(x) n=0 Indem wir hier den Impuls P = ?ir einfuhren, wird 1 X U (a) = n1! (?ia P)n = e?iaP n=0 Man vergleiche hierzu den bekannten Aharanov-Bohm-Eekt in der Quantenmechanik der Elektronen. 14 20 DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE Wir nennen dies die Exponentialkonstruktion der unitaren Gruppe U (a). Die Gruppe hat drei Generatoren, namlich die Komponenten von P. Wir haben gesehen, wie man U (a) aus P konstruiert. Wir konnen aber auch den umgekehrten Weg gehen: ?ia P = lim t?1[U (ta) ? 1] t!0 (1.33) Wir nennen -iaP die innitesimale Transformation15 der einparametrigen Schar U (ta) , t 2 R. Unsere Betrachtungen lassen sich leicht auf n-Teilchensysteme ubertragen. Hier bewirkt eine Translation, da alle Koordinaten gemeinsam um einen Vektor a verschoben werden: [U (A)](x(1) ; : : : ; x(n) ) = (x(1) ? a; : : : ; x(n) ? a) (1.34) Eine Taylorentwicklung ergibt (x(1) ? a; : : : ; x(n) ? a) = k 1 1 X X a r(j))k (x(1) ; : : : ; x(n) ) (1.35) ( ? i ! j =1 k=0 Also gilt auch hier U (a) = exp(?ia P), wobei P den Gesamtimpuls bezeichnet: P = P(1) + : : : + P(n) ; P(j) = ?ir(j) Wie in der klassischen Mechanik konnen wir denieren: Ein System heit abgeschlossen, wenn es translationsinvariant ist, d.h. wenn [U (a); H ] = 0 fur alle a 2 R3 gilt. Dies ist mit der Aussage aquivalent, da die Generatoren von U (a) mit dem Hamilton-Operator vertauschen: [P; H ] = 0 Man beachte den begriichen Unterschied zwischen Generatoren und innitesimalen Transformationen(i.Tn.). Es gibt nur drei Generatoren der Translationen, jedoch unendlich viele i.Tn.: sie formen namlich einen 3-dimensionalen Vektorraum, der von iP1 , iP2 und iP3 aufgespannt wird. Generatoren sind selbstadjungiert, die i.Tn. sind es nicht. 15 1.5. SYMMETRIEN UND ERHALTUNGSSATZE 21 Selbstadjungierte Operatoren wie P, die mit H vertauschen, nennen wir Erhaltungsgroen. Ein Beispiel fur viele: das System von n Elektronen unter der Wirkung ihrer gegenseitigen Coulomb-Abstoung ist abgeschlossen. Formal folgt dies aus der Tatsache, da die potentielle Energie nur von den Dierenzen x(i) ? x(k) abhangt. Als Konsequenz davon ist der Gesamtimpuls der Elektronen eine Erhaltungsgroe. 1.5.4 Rotationen Wir wollen uns nun den Rotationen zuwenden und ihren Zusammenhang mit dem Drehimpuls untersuchen. Wir gehen dabei von dem geometrischen Begri aus. Sei R = (Rik ) eine reelle 33-Matrix. Die durch sie vermittelte Transformation des R3, x0 = Rx, heit orthogonal (wir sagen auch, R sei eine orthogonale Matrix), wenn die Lange der Vektoren erhalten bleibt: jRxj = jxj. Bekanntlich ist dies mit der Aussage RT R = 1 identisch, wenn man mit RT die transponierte Matrix bezeichnet. Wir erinnern an die Regeln fur Determinanten: det(RS ) = (det R)(det S ) det(RT ) = det R det 1 = 1 Aus RT R = 1 folgt (det R)2 = 1 und somit det R = 1: orthogonale Matrizen sind nichtsingular16 und erfullen R?1 = RT . Die orthogonalen Transformationen bilden eine Gruppe, die man die orthogonale Gruppe nennt und mit O(3) bezeichnet. Die Untergruppe SO(3) = fR 2 O(3)j det R = 1g heit spezielle orthogonale Gruppe oder kurz Drehgruppe. Ist R 2 SO(3), so ist -R in der Nebenklasse derjenigen Matrizen, deren Determinante -1 ist. Die Matrix -1 ist ein Element dieser Nebenklasse und beschreibt Diese sehr einfache Tatsache wird falsch in unendlich-dimensionalen Raumen. Eine Isometrie im Hilbertraum, kUk = kk erfullt zwar U U = 1 aber nicht notwendigerweise U ?1 = U : nicht jeder isometrische Operator ist unitar. Der Defekt tritt immer dann auf, wenn U nicht invertierbar ist. 16 22 DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE eine Spiegelung: x0 = ?x. Jede orthogonale Matrix R 2 O(3) ist also entweder speziell orthogonal (eine Drehung) oder das Produkt einer Drehung (namlich -R) und der Spiegelungsmatrix -1. Auch in der Quantenmechanik gibt eine Drehung R Anla zu einem Wechsel des Bezugssystems. Fur die Wellenfunktion eines Teilchens lautet die Transformationsformel: 0(x0 ) = (x) x0 = Rx (1.36) (1.37) In 0(Rx) = (x) konnen wir x durch R?1x ersetzen und die Bezeichnung U (R) = 0 einfuhren. Dann gilt: [U (R)](x) = (R?1x) (1.38) Der hierdurch eingefuhrte Operator ist unitar17. Es gilt: U (R)?1 = U (R) = U (R?1 ) = U (RT ) U (R)U (S ) = U (RS ) U (1) = 1 (1.39) (1.40) (1.41) Auch hier gilt: diese Eigenschaften allein machen aus SO(3) noch keine Symmetriegruppe. Viele Einteilchenprobleme sind rotationssymmetrisch. Sei etwa [H](x) = [?=2m + V (x)](x) (1.42) der Ausdruck fur den Hamilton-Operator. Dann sind die folgenden beiden Aussagen aquivalent: Das Potential ist drehinvariant: V (x) = V (Rx), d.h. V hangt nur von r = jxj ab. Der Hamilton-Operator vertauscht mit U (R), d.h. [U (R); H ] = 0. Der Grund ist sehr einfach: das Volumenelement d3 x, mit dem wir jj2 integrieren, ist invariant gegenuber Drehungen. Fur diese Eigenschaft wurde es ausreichen anzunehmen, da j det Rj = 1 ist. 17 1.5. SYMMETRIEN UND ERHALTUNGSSATZE 23 1.5.5 Innitesimale Rotationen Wir betrachten Drehungen R(t), die stetig dierenzierbar von einem reellen Parameter t abhangen und R(0) = 1 erfullen. Dierenzieren wir nun die Relation R(t)T R(t) = 1 auf beiden Seiten an der Stelle t = 0, so erkennen wir, da jede innitesimale Rotation A = (dR=dt)(0) die Bedingung AT + A = 0 (1.43) erfullt, d.h. A ist antisymmetrisch. Tatsachlich bekommen wir alle reellen antisymmetrischen Matrizen auf diese Weise; denn sei A eine solche Matrix, so beschreibt R(t) = exp(tA) eine geeignete einparametrige Schar von Drehungen18 . Der Vorteil der Beschreibung durch A liegt nun darin, da antisymmetrische Matrizen sich leicht parametrisieren lassen: 1 0 0 ?a3 a2 A=B @ a3 0 ?a1 CA ?a2 a1 0 (1.44) so da Ax = a x mit a = (a1 ; a2; a3) fur alle x 2 R3 ist. Die charakteristische Gleichung det(A ? ) = 0 einer solchen Matrix hat stets die Form 3 + !2 = 0 mit !2 = ?SpurA2 =2 = jaj2: Das Theorem von Caley-Hamilton sagt, da die Matrix A ihre eigene charkteristische Gleichung erfullt, also A3 + !2A = 0 (1.45) Mit Hilfe dieser Matrixidentitat lat sich die Exponentialreihe leicht aufsummieren, ! A2 (1.46) eA = 1 + sin! ! A + 1 ?!cos 2 Dies folgt aus [exp(tA)]T = exp(tAT ) = exp(?tA) = [exp(tA)]?1 und der Stetigkeit der Funktion f (t) = det exp(tA): da f (0) = 1 und f (t)2 = 1, ist f (t) = 1. Es gilt jedoch noch mehr: R(t) = exp(tA) stellt eine einparametrige Untergruppe von SO(3) dar und jedes Element R 2 SO(3) liegt in einer solchen Untergruppe. 18 24 DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE und auf diese Weise haben wir eine Parametrisierung der Drehgruppe gewonnen. Wegen der Periodizitat der trigonometrischen Funktionen konnen wir den Vektor a so einschranken, da jaj erfullt ist. Aus x k a folgt eAx = x, und aus x ? a mit jxj = 1 folgt xeA x = cos jaj. Deshalb ist fur die Rotation R = eA a=jaj = Richtung der Drehachse, ! = jaj = Drehwinkel. Wir betrachten die einparametrige Gruppe U (etA ) und berechnen die zugehorige innitesimale Transformation: [U (etA )](x) = (x ? ta x + O(t2)) = (1 ? t[axr] + O(t2))(x) = (1 ? ita L + O(t2))(x) mit L = x(?ir), dem Drehimpulsoperator. Die innitesimale Transformation ist also ?ia L, und die von ihr erzeugte einparametrige Untergruppe gewinnen wir durch die Exponentialkonstruktion: U (etA ) = e?itaL (1.47) Auf eine Wellenfunktion von n Teilchen (ohne Spin) wirkt eine Rotation in analoger Weise: [U (R)](x(1) ; : : : ; x(n) ) = (R?1x(1) ; : : : ; R?1x(n) ) (1.48) Es ist oensichtlich, in welchen Situationen die so eingefuhrte Transformationsgruppe zu einer Symmetrie wird. Lassen wir namlich die Teilchen so miteinander wechselwirken, da die Zweikorperpotentiale nur von den Abstanden jx(i) ? x(k) j abhangen, hat der Hamilton-Operator die Eigenschaft [U (R); H ] = 0. Die Generatoren von U (R) sind die drei Komponenten des Gesamtdrehimpulses L = L(1) + + L(n) (1.49) Nur er (und nicht jeder Einteilchen-Drehimpuls separat) hat die Eigenschaft, eine eine Erhaltungsgroe zu sein: [L; H ] = 0. Haben die Teilchen zudem noch Spinfreiheitsgrade, so mussen diese ebenfalls der Drehung unterworfen werden, damit eine Symmetrie entsteht. Dies fuhrt 1.5. SYMMETRIEN UND ERHALTUNGSSATZE 25 dazu, da man in die Summe aller Drehimpulse auch noch die Spins der einzelnen Teilchen mit einbeziehen mu. Die genaue Beschreibung dieser Situation erfolgt spater. Es ist aus dem Gesagten klar, da man Einzeldrehimpulse (ebenso wie die zugehorigen partiellen Drehungen) zwar denieren kann, sie aber i.a. keine Erhaltungsgroen darstellen, weil die Wechselwirkung der Teilchen untereinander dies nicht zulat. Damit konnen partielle Drehungen auch keine Symmetrien beschreiben. In einer wichtigen Situation ist es jedoch moglich, eine partielle Drehgruppe einzufuhren, die gleichzeitig Symmetriegruppe ist. Betrachten wir etwa ein abgeschlossenes System von zwei Teilchen, die vermoge eines Potentials V (r) miteinander wechselwirken, das nur von dem Abstand r = jx(1) ? x(2) j abhangt. Hier ist es zweckmaig, zunachst Schwerpunkts- und Relativkoordinaten einzufuhren: (1) + m x(2) 2 = m1 xm + ; x = x(1) ? x(2) 1 m2 Eine Symmetriegruppe ist dann durch [U (a; R)](; x) = ( ? a; R?1 x) ; a 2 R3; R 2 SO(3) (1.50) erklart. Die hier enthaltenen Translationen fuhren zur Erhaltung des Gesamtimpulses (klassisch: die Bewegung des Schwerpunktes mit konstanter Geschwindigkeit). Die Drehungen der Relativkoordinaten konnen wir anschaulich auassen als Drehungen der Teilchenkoordinaten um den bewegten Schwerpunkt als Zentrum. Sie fuhren zur Erhaltung des relativen Bahndrehimpulses Lrel = ?ix rx . Naturlich lat sich die Vorstellung von Drehungen im mitbewegten Bezugssystem ubertragen auf das n-Korperproblem, wobei = (P mi )?1 P mi x(i) : [U (R)](x(1) ; : : : ; x(n) ) = ( + R?1(x(1) ? ); : : : ; + R?1 (x(n) ? )) (1.51) Durch U bergang zu innitesimalen Drehungen nden wir leicht die Generatoren: es sind die Komponenten von Lrel = L ? Q P (1.52) 26 DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE wobei L den Gesamtdrehimpuls, Q den Ortsoperator des Schwerpunktes19 und P den Gesamtimpuls bezeichnet. 1.5.6 Paritat und Zeitumkehr In der Gruppe O(3) nden wir auer den Drehungen auch die Spiegelungstransformation x 7! ?x. In der klassischen Mechanik fuhrt eine Invarianz des Systems gegenuber Spiegelungen zu keiner neuen Erhaltungsgroe. Dies ist anders in der Quantenmechanik: die neue Erhaltungsgroe P heit Paritat: [P](x(1) ; : : : ; x(n)) = (?x(1) ; : : : ; ?x(n) ) (1.53) Die Situation ist dadurch speziell, da der Operator P zugleich unitar und selbstadjungiert ist: wir konnen damit P als Symmetrietransformation und zugleich auch als Erhaltungsgroe auassen. Oensichtlich gilt P 2 = 1, d.h. P besitzt die Eigenwerte 1 (und nur diese). Jede Wellenfunktion lat sich in einen Anteil positiver Paritat und einen Anteil negativer Paritat zerlegen. Die Zerlegung ist eindeutig und wird durch Anwendung der Projektoren 12 (1 P ) erreicht. Bekanntlich haben die Kugelfunktionen Ylm(; ), die als Drehimpuls-Eigenfunktionen eine wichtige Rolle spielen, eine denierte Paritat, namlich (?1)l . Viele Hamilton-Operatoren, die SO(3)-invariant sind, besitzen automatisch die volle O(3)-Symmetrie. Dies gilt fur die kinetische Energie, Einteichenpotentiale, die nur von ri = jx(i) j, und Zweiteilchenpotentiale, die nur von rik = jx(i) ? x(k) j abhangen. Es ist jedoch nicht schwierig, ad hoc SO(3)-invariante Operatoren zu konstruieren, die nicht O(3)invariant sind: [x(1) x(2) x(3) ] ; x(1) L(2) ; P S u:s:w: Alle diese Groen haben eines gemeinsam: sie lassen sich als Skalarprodukte eines polaren Vektors mit einem Axialvektor darstellen. Solche Groen wollen wir Pseudoskalare nennen. Wie die beiden Typen von Vektoren in der Quantenmechanik zu unterscheiden sind, ist leicht auszumachen: 19 P P d.h. [Q](x(1) ; : : : ; x(n) ) = ( mi )?1 ( mi x(i) )(x(1) ; : : : ; x(n) ). 1.5. SYMMETRIEN UND ERHALTUNGSSATZE 27 Denition 1 Ein System von drei Operatoren A = (A1 ; A2; A3) heit Vektor, wenn gilt20: U (R)?1 AiU (R) = 3 X k=1 Ri k Ak ; R 2 SO(3) (1.54) Denition 2 Ein Vektor A heit polar, wenn gilt: P AP = ?A . Er heit axial, wenn gilt21 : P AP = A. Typischerweise entstehen Axialvektoren als Vektorprodukte von polaren Vektoren. Damit ist auch jeder Drehimpuls L ein Axialvektor. Es gibt aber auch Axialvektoren, die nicht durch Produktbildung entstehen, z.B. den Spin S (also den Eigendrehimpuls) eines Teilchens. Wir wenden uns nun der Zeitumkehr zu und erlautern sie anhand der kraftefreien Bewegung eines Teilchens: (?=2m) (x; t) = i _ (x; t). Fragen wir hier, ob mit (x; t) auch (x; ?t) eine Losung ist, so lautet die Antwort nein. Man erkennt jedoch sofort, da durch (x; ?t) eine neue Losung beschrieben wird. Dies fuhrt uns dazu, den Operator T der Zeitumkehr durch [T](x) = (x) ; 2 L2 (R3) (1.55) zu denieren, also durch eine einfache komplexe Konjugation der Wellenfunktion. Ist namlich (x; t) die zeitliche Entwicklung des Anfangzustandes (x) = (x; 0), so ist (x; ?t) die zeitliche Entwicklung des Anfangzustandes (x). Die Eigenschaften der so eingefuhrten Zeitumkehr sind: 1. Der Operator T ist antilinear, d.h. T (c + c0 0) = cT + c0 T0 ; c; c0 2 C (1.56) Wir sehen hier, da der Vektorcharakter nur in bezug auf eine bestimmte Darstellung U (R) der Drehgruppe deniert werden kann. 21 Die weitere Dienzierung unter den Vektoren beruht oenbar darauf, da eine bestimmte Darstellung U (R) der orthogonalen Gruppe O(3) vorgegeben ist, so da U (R)?1 AU (R) = RA fur polare Vektoren, hingegen U (R)?1 AU (R) = (det R)RA fur axiale Vektoren gilt. 20 DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE 28 2. Der Operator T invertiert das Skalarprodukt: (T; T0) = (0; ) (1.57) Operatoren mit den Eigenschaften 1. und 2. heien antiunitar22 . 3. Ist der Grundzustand eines Hamilton-Operators H mit [T; H ] = 0 nicht entartet, so gilt T = c mit jcj = 1. Dies heit: nach Wahl einer geeigneten Phase wird der Grundzustand durch eine reelle Wellenfunktion beschrieben, so etwa der Grundzustand des Wasserstoatoms. 4. Ist p(x) = eipx eine ebene Welle mit dem Impuls p, so gilt Tp = ?p . Man nennt daher auch T den Operator der Bewegungsumkehr, und diese Bezeichnung ist vielleicht sogar klarer und dem Begri Zeitumkehr vorzuziehen. Impulse und Drehimpulse andern ihr Vorzeichen: T PT = ?P , T LT = ?L. Ortsoperatoren bleiben unverandert: T QT = Q. Deshalb gilt: Skalarprodukte vom Typ QP und QL , ebenso wie Hamilton-Operatoren, die von solchen Groen in linearer Weise abhangen, sind nicht zeitumkehrinvariant. 5. Bewegt sich ein Teilchen in einem Potential V (x), so gilt fur den Hamilton-Operator H die Beziehung [T; H ] = 0 genau dann, wenn das Potential reell ist. Die Einfuhrung komplexer Potentiale23 verstot gegen die Forderung nach Invarianz gegenuber der Zeitumkehr (ganz abgesehen davon, da ein solcher Hamilton-Operator dann nicht mehr selbstadjungiert ware). Der antilineare Charakter der Zeitumkehr ist, was seinen Gultigkeitsbereich betrit, nicht auf die Schrodinger-Theorie beschrankt. Um dies Man kann leicht zeigen, da jeder antiunitare Operator A als Produkt A = TU der Konjugation T und eines unitaren Operators U geschrieben werden kann: man hat nur U = TA zu setzen und T 2 = 1 auszunutzen. 23 Eine beliebte Methode in der Theorie der Streuung von Neutronen an einem Kern besteht darin, mit Hilfe komplexer Potentiale die Absorption der Neutronen durch den Kern mitzubeschreiben, in Analogie zu dem optischen Verhalten eines Festkorpers, den wir durch einen komplexen Brechungsindex charakterisieren. Eine solche Theorie verletzt wesentliche Prinzipien der Quantentheorie. 22 1.5. SYMMETRIEN UND ERHALTUNGSSATZE 29 einzusehen, denken wir uns irgendeine relativistische Theorie der Elementarteilchen mit unitarer Zeitevolution U (t) = exp(?itH ). In relativistischen Theorien gilt grundsatzlich H 0. Eine Zeitumkehr T mu, wenn sie diesen Namen verdient, die Eigenschaft TU (t) = U (?t)T besitzen. Gehen wir hier zu innitesimalen Zeitverschiebungen uber, so folgt TiH = iHT . Damit haben wir die folgende Alternative: entweder gilt TH = HT und Ti = ?iT oder TH = ?HT und Ti = iT . Im ersten Fall ist T antilinear, im zweiten Fall linear. Ist ein Zustand positiver Energie, so ist T ein Zustand positiver Energie im ersten, ein Zustand negativer Energie im zweiten Fall. Der zweite Fall verletzt die Bedingung H 0 und scheidet fur uns aus. Es bleibt nur die Moglichkeit, da T antilinear ist. Es gilt zwar T 2 = 1 in der Quantenmechanik, doch ware es falsch, von einer Observablen T mit den Eigenwerten 1 zu sprechen. Der Grund: T ist nicht selbstadjungiert. Dies bewirkt, da mit einer solchen Symmetrie keine Erhaltungsgroe verbunden ist. Denoch sind mit der Invarianz gegenuber Zeitumkehr viele Auswahlregeln verknupft, z.B. kann ein neutrales Spin- 21 -Teilchen (etwa das Neutron) kein elektrisches Dipolmoment besitzen. E.P.Wigner hat gezeigt, da eine allgemeine Transformation des Zustandsraumes, die alle Wahrscheinlichkeiten w( j) = j( ; )j2 (siehe den Abschnitt 2.2) invariant lat, entweder unitar oder antiunitar ist. Es ist bemerkenswert, da die Natur von der zweiten Moglichkeit, eine Symmetrie darzustellen, wenigstens in einem bekannten Fall Gebrauch gemacht hat. 1.5.7 Symmetrien im engeren Sinn Wir wollen nun nach der Diskussion einiger Beispiele in den vorangegangenen Abschnitten den Begri der Symmetriegruppe allgemein fassen. Wir denken uns ein physikalisches System. Es benennen heit 30 DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE seinen Zustandsraum H und seinen Hamilton-Operator H kennen. Sei G eine abstrakte Gruppe und U (g) : H ! H fur jedes g 2 G entweder unitar oder antiunitar, so da U (g)U (g0) = U (gg0) ; U (e) = 1 (1.58) fur alle g; g0 2 G erfullt ist24. Ist U (g) fur jedes g 2 G unitar, so nennen wir die Abbildung g 7! U (g) eine unitare Darstellung der Gruppe G. Die individuellen Operatoren U (g) der Darstellung U heien die Darsteller. Fur den Fall, da die schwachere Bedingung U (g)U (g0) = c(g; g0)U (gg0) (1.59) mit c(g; g0) 2 C und jc(g; g0)j = 1 erfullt ist, sprechen wir von einer projektiven Darstellung der Gruppe G. Denition 3 . Gilt [U (g); H ] = 0 fur alle g 2 G, so heit G eine Symmetriegruppe im engeren Sinn fur das physikalische System und g 7! U (g) ihre Darstellung. Die Existenz einer Symmetriegruppe hat die folgende oensichtliche Konsequenz: Ist 2 H ein stationarer Zustand, d.h. gilt H = E, so sind auch alle Zustande U (g) (g 2 G) stationar und zwar zum gleichen Eigenwert E . Da Eigenlosungen zum gleichen Eigenwert einen linearen Raum25 bilden, konnen wir sagen, da U (g) auf diesem Raum operiert, ohne ihn zu verlassen: HE = fj H = Eg ist ein invarianter Unterraum fur die Darstellung U der Symmetriegruppe G. Wir schreiben allgemein gg0 fur das Gruppenprodukt und bezeichnen mit e das neutrale Element in G. 25 Die Dimension eines solchen Raumes kann endlich oder unendlich sein. Im allgemeinen stellt sich die Dimension jedoch als endlich heraus. 24 1.5. SYMMETRIEN UND ERHALTUNGSSATZE 31 Die Einschrankung von U (g) auf den invarianten Unterraum HE beschreibt eine Teildarstellung UE von U , wobei sich die Darsteller UE (g) von U (g) nur dadurch unterscheiden, da ihr Wirkungsbereich uber HE nicht hinaus geht. Ein selbstadjungierter Operator A auf H wird eine Erhaltungsgroe genannt, wenn [A; H ] = 0 gilt. Es besteht ein wichtiger Zusammenhang zwischen diesem Konzept und dem Begri der Symmetrie: Sei namlich A eine Erhaltungsgroe, so beschreibt U (s) = exp(isA) mit s 2 R eine einparametrige unitare Gruppe von Symmetrietransformationen; denn es gilt [U (s); H ] = 0 fur alle s 2 R. Umgekehrt fuhrt jede einparametrige Symmetriegruppe durch U bergang zu der innitesimalen Transformation auf eine Erhaltungsgroe. Die Existenz einer Erhaltungsgroe A erlaubt einige Folgerungen: Sei t eine Losung der Schrodinger-Gleichung Ht = i_ t , so da A0 = a0 (A nimmt zur Zeit t = 0 den Eigenwert a an). Dann gilt At = at fur alle Zeiten t. Sei t irgendeine Losung der Schrodinger-Gleichung. Dann ist der Erwartungswert (t; At) unabhangig von der Zeit t. Diese Aussage lat sich noch verscharfen. Zu t mit ktk = 1 und A existiert eine zeitlich konstante Wahrscheinlichkeitsverteilung der Mewerte von A, d.h. es gibt ein W-Ma auf R, so da26 Z (t; eisAt) = d(a) eisa fur alle s 2 R unabhangig von t erfullt ist. Ein Beispiel: in einem abgeschlossenen System ist nicht nur der Erwartungswert des Impulses zeitlich konstant, sondern auch die gesamte Impulsverteilung. Mit A ist auch jedes Polynom Pn(A) mit reellen Koezienten eine Erhaltungsgroe. Mit der gebotenen mathematischen Vorsicht kann man sogar behaupten, da jede Funktion f (A) eine Erhaltungsgroe ist. Das Problem besteht lediglich darin, dem Symbol Die hier beschriebene Funktion von s ist die Fourier-Transformierte des Maes . Sie wird auch die charakteristische Funktion des W-Maes genannt. 26 32 DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE f (A) eine Bedeutung zu geben. Wir wollen auf dieses Problem hier nicht eingehen. Sei E ein Energie-Eigenwert und HE der Raum der zugehorigen Eigenlosungen. Dann gilt AHE HE . Allgemeiner: Jeder invariante Unterraum von H ist auch ein invarianter Unterraum von A und umgekehrt. Hatten wir es hier mit gewohnlichen Matrizen H und A zu tun, so liee sich der Sachverhalt auch so ausdrucken: H und A haben ein gemeinsames System von Eigenfunktionen, sind also "gemeinsam diagonalisierbar". Fur die Theorie des Meprozesses bedeutet die Relation [A; H ] = 0 , da Messungen der Observablen H und A kompatibel sind, d.h. sie sich nicht gegenseitig beeinussen. Insbesondere konnen H und A zugleich mit beliebiger Genauigkeit gemessen werden; es existiert keine Unscharfe-Relation fur kommutierende Groen. Die hier aufgefuhrten Behauptungen sind so elementar, da es dem Leser uberlassen wird, sie im einzelnen zu verizieren. 1.5.8 Symmetrien im weiteren Sinne Das bisher benutzte Symmetriekonzept gibt der Zeit eine Sonderstellung unter den vier Koordinaten der Raum-Zeit. Dies ist auf jeden Fall dann nicht wunschenswert, wenn wir zu einer relativistischen Theorie der Teilchen ubergehen wollen. Zu einer allgemeineren Begrisbildung innerhalb der Schrodinger-Theorie gelangen wir, wenn wir die Bedingung [U (g); H ] = 0 aufgeben. Sei (H; H ) ein physikalisches System und g 7! U (g) eine beliebige unitare Darstellung einer Gruppe G auf H. Wir denieren Ut (g) = e?itH U (g)eitH (1.60) abhangig von der Zeit t. Dann gilt: ist t eine Losung der SchrodingerGleichung Ht = i_ t , so auch gt = Ut (g)t fur jedes g 2 G. Auch hier gilt, da die Gruppe G auf dem Raum der (zeitabhangigen) Losungen operiert, jedoch ist ihre Wirkung selbst zeitabhangig und kann deshalb nicht zu Erhaltungsgroen fuhren. Der Nutzes des neuen Konzeptes ist daher sehr begrenzt. Wir betrachten zwei Beispiele. 1.5. SYMMETRIEN UND ERHALTUNGSSATZE Galilei-Transformationen. 33 Fur eine beliebige Geschwindigkeit v, die wir als Relativgeschwindigkeit zweier Bezugssysteme interpretieren, fuhrt der Ansatz j0(x0; t0 )j = j(x; t)j (1.61) 0 x = x + vt (1.62) 0t = t (1.63) auf 0(x; t) = eif (x;t) (x ? vt; t) mit einer zunachst belieben reell-wertigen Funktion f . Wir wollen annehmen, da (x; t) eine Losung der Schrodinger-Gleichung mit H = ?=2m darstellt. Dann ist die transformierte Wellenfunktion 0(x; t) genau dann eine Losung derselben Gleichung, wenn die folgenden beiden Dierentialgleichungen erfullt sind: rf (x; t) = mv (1.64) @ f (x; t) = ? 1 mv2 (1.65) 2 @t Mit der Festsetzung f (0; 0) = 0 wird die Losung eindeutig: f (x; t) = mv x ? 21 mv2t (1.66) Schreiben wir nun [Ut (v)t](x) = t(x ? vt; t)eif (x;t) (1.67) so gilt in der Tat Ut (v) = exp(?itH )U (v) exp(itH ) mit [U (v)](x) = (x)eimvx (1.68) oder U (v) = exp(imv Q). Die Generatoren der Darstellung U sind die drei Komponenten von mQ. Obwohl der Ortsoperator Q keine Erhaltungsgroe ist, haben wir dennoch mit seiner Hilfe die GalileiTransformationen in dem Raum L2 (R3) beschrieben. Galilei-Invarianz nden wir bei allen abgeschlossenen n-Teilchensystemen. Die genaue Gestalt des Hamilton-Operators H ist irrelevant. Entscheident ist nur, da sich der Schwerpunkt mit konstanter Geschwindigkeit bewegt: e?itH QeitH = Q + tP=m (1.69) 34 DER QUANTENMECHANIK KAPITEL 1. GRUNDZUGE Hier bezeichnet m die Gesamtmasse, Q den Ortsoperator des Schwerpunktes und P den Operator des Gesamtimpulses. Genau wie vorher, sind auch hier die Komponenten von mQ die Erzeuger der Darstellung U . An der Gestalt der Funktion f (x; t) andert sich nichts; wir mussen darin nur m als die Gesamtmasse und x als die Koordinaten des Schwerpunktes interpretieren. Translationen im homogenen E -Feld. Das Problem eines Elektrons im homogenen E -Feld ist translationsinvariant. Gesucht ist eine geeignete Beschreibung der Translationen. Sei also [H](x) = (?=2m ? ex E )(x) (1.70) der Hamilton-Operator. Wir gehen aus von [U (a)](x) = (x ? a). Da dies keine Symmetrietransformationen sind, konstruieren wir Ut (a) = = = = e?itHU (a)eitH exp ?ie?itH a PeitH exp(?ia P ? t[H; a P]) eieaEt U (a) Hierbei haben wir ausgenutzt, da [H; P] = ?ieE und [H; [H; P]] = 0 gilt. Als Resultat erhalten wir die Symmetrietransformationen [Ut (a)t](x) = t(x ? a)eieaEt (1.71) Obwohl die Translationen damit auf dem Raum der Losungen der Bewegungsgleichung operieren, konnen wir aus dieser Wirkung keine vektorielle Erhaltungsgroe ableiten. Jedoch gilt hier, da Ut (a) genau dann unabhangig von t ist, wenn a ? E gilt: fur solche a ist aP eine Erhaltungsgroe. Wahlen wir etwa E = (0; 0; E3), so sind P1 und P2 zeitlich konstant, und diese beiden Operatoren erzeugen eine Symmetriegruppe im engeren Sinn. Kapitel 2 Darstellungen von Gruppen In welchem sich zeigt, da einer, so er nur gelernt hat, den rechten Glauben von den Irrlehren zu scheiden, durchaus imstande ist, auch uber Dinge zu reden, von denen er keine Ahnung hat. Stefan Heym, Ahasver 2.1 Homomorphismen Die Untersuchung der Struktur von Gruppen, ihrer Beziehungen untereinander und ihrer Darstellungen beruht auf einem zentralen Begri, dem des Homomorphismus, aus dem weitere wichtige Begrie ableitbar sind. Denition 4 . Eine Abbildung f : H ! G zwischen Gruppen G und H wird ein Homomorphismus genannt, wenn sie die Gruppenstruktur respektiert, d.h. wenn fur alle h; h0 2 H gilt: f (hh0) = f (h)f (h0) Unter Kern und Bild eines Homomorphismus f verstehen wir die Mengen Kerf = fh 2 H : f (h) = eg (2.1) Imf = ff (h) : h 2 H g (2.2) 35 KAPITEL 2. DARSTELLUNGEN VON GRUPPEN 36 wobei e das neutrale Element in G bezeichnet. Es ist leicht, die folgenden Aussagen zu beweisen: 1. Kerf und Imf sind Untergruppen von H bzw. G. Kerf ist sogar eine invariante Untergruppe1 von H , und jede invariante Untergruppe ist Kern eines Homomorphismus. In einer abelschen Gruppe ist jede Untergruppe invariant. 2. Kerf ist trivial (besteht nur aus einem Element) genau dann, wenn f injektiv ist; f wird surjektiv genannt, wenn Imf = G gilt. Also ist f bijektiv oder ein Isomorphismus genau dann, wenn sowohl Kerf trivial ist als auch Imf = G gilt. Wir schreiben dann H = G. 3. Bezeichnen wir mit 1 die triviale Gruppe (sie besteht nur aus einem Element), so sind fur jede Gruppe G die Homomorphismen 1 ! G und G ! 1 eindeutig. Ist f : H ! G ein Homomorphismus und K = Kerf die zugehorige invariante Untergruppe von H , so ist es moglich, eine Faktorgruppe H=K auf folgende Weise zu konstruieren: Zu h 2 H betrachten wir die Nebenklasse hK H . Da K invariant in H ist, gilt hK = Kh (Rechts- und Linksnebenklassen sind identisch). Fur zwei Teilmengen A; B H schreiben wir AB = fab : a 2 A; b 2 B g. Das Produkt zweier Nebenklassen ist wieder eine Nebenklasse: (hK )(h0K ) = h(Kh0 )K = h(h0 K )K = (hh0 )(KK ) = (hh0 )K Bezuglich der so erklarten Multiplikation bilden die Nebenklassen eine Gruppe, in der K die Rolle des neutralen Elementes ubernimmt. Satz 1 (Kanonische Zerlegung eines Homomorphismus.) Jeder Homomorphismus f : H ! G besitzt eine eindeutige Darstellung der Art f1 f2 f3 H! H=Kerf ! Imf ! G wobei f1 surjektiv, f2 bijektiv und f3 injektiv ist. Setzen wir K = Kerf , so gilt f1 (h) = hK und f2 (hK ) = f (h); f3 ist die kanonische Einbettung einer Untergruppe. Eine Untergruppe K H heit invariant, wenn hkh? 2 K fur alle h 2 H und k 2 K gilt. 1 1 2.1. HOMOMORPHISMEN 37 Die wichtigste Eigenschaft von Homomorphismen ist, da sie sich verketten lassen, wobei wieder Homomorphismen entstehen. Eine Sequenz von zwei Homomorphismen 0 f 0 f 00 G! G !G deniert einen Homomorphismus f 0 f : G ! G00 . Das hierdurch denierte Verknupfungsgesetz ist assoziativ. Oft begegnen wir umfangreicheren Sequenzen: fn?2 fn?1 fn+1 fn ?! Gn?1 ?! Gn+1 ?! Gn ?! Eine solche Sequenz heit exakt an der Stelle n, wenn gilt: Imfn?1 = Kerfn. Sie heit exakt, wenn sie an jeder Stelle exakt ist. Die verschiedenen Situationen, die wir schon fruher diskutiert haben, lassen sich auch durch exakte Sequenzen charakterisieren: f 1!K! H : f ist injektiv. f H! G!1 : f ist surjektiv. f 1 ! K ! G ! 1 : f ist bijektiv. f 1!K!H! G!1 :K = H=Kerf . = Kerf und G Etwas vereinfachend: K ist eine invariante Untergruppe von H und G ist ihre Faktorgruppe. 1 ! Kerf ! H ! Imf ! 1 : diese Sequenz ist exakt fur alle Homomorphismen f : H ! G. 1.Beispiel. Alle Vielfachen der ganzen Zahl n formen eine Untergruppe nZ der additiven Gruppe der ganzen Zahlen. Die Faktorgruppe Zn = Z=nZ heit zyklische Gruppe der Ordnung n: 1 ! nZ ! Z mod ?!n Zn ! 1 Man kann Zn ebensogut identizieren mit der multiplikativen Gruppe der n-ten Einheitswurzeln (Losungen der Gleichung zn = 1) oder auch mit den Drehungen eines regularen n-Ecks. 2.Beispiel. Wir konnen die ganzen Zahlen als Untergruppe der reellen Zahlen auassen; die Faktorgruppe R=Z ist das Einheitsintervall KAPITEL 2. DARSTELLUNGEN VON GRUPPEN 38 mit Endpunkten identiziert. Diese Gruppe beschreibt man am bequemsten als die unitare Gruppe in einer Dimension, U (1) = fexp(i2t) : 0 t < 1g: 1 ! Z ! R mod1 ?! U (1) ! 1 3. Beispiel. Sei O(n) die Gruppe der orthogonalen nn-Matrizen. Fur jedes R 2 O(n) gilt det R = 1, und die Determinante beschreibt einen Homomorphismus in die Gruppe Z2 : det 1 ! SO(n) ! O(n) ?! Z2 ! 1 4. Beispiel. Sei U (n) die Gruppe aller unitaren n n-Matrizen Q, so ist det Q eine komplexe Zahl vom Betrag 1. Alle Q 2 U (n) mit det Q = 1 bilden eine invariante Untergruppe, so da det 1 ! SU (n) ! U (n) ?! U (1) ! 1 5.Beispiel. Sei GL(n; C) die Gruppe aller komplexen nichtsingularen n n-Matrizen A, so gilt det A = 6 0, d.h. die Determinante beschreibt hier einen Homomorphismus in die multiplikative Gruppe2 exp C = fez : z 2 Cg. Alle Matrizen mit Determinante 1 bilden wiederum eine invariante Untergruppe: det 1 ! SL(n; C) ! GL(n; C) ?! exp C ! 1 6.Beispiel. Die euklidische Gruppe E (n) in n Dimensionen besteht aus allen Transformationen x 7! Rx + a des Rn mit R 2 O(n) und a 2 Rn. Die Translationen x 7! x + a bilden hier eine invariante Untergruppe, die wir mit der additiven Gruppe Rn identizieren. Es ist nicht sinnvoll, die O(n) als eine Untergruppe von E (n) aufzufassen. Grund: es gibt viele Untergruppen isomorph zu O(n), und keine ist in irgendeiner Weise ausgezeichnet. Vielmehr ist hier die O(n) als Faktorgruppe aufzufassen: 1 ! Rn ! E (n) ! O(n) ! 1 Wahrend die multiplikative Gruppe exp R isomorph zur additiven Gruppe R ist, gilt dies nicht, wenn wir hier R durch C ersetzen; denn exp(i2) = 1. Dies zeigt aber, da die Exponentialabbildung die folgende Sequenz exakt macht: 1 ! i2Z ! C ! exp C ! 1. 2 2.2. LINEARE DARSTELLUNGEN 39 2.2 Lineare Darstellungen Jeder lineare Raum L (auch Vektorraum genannt) ist in naturlicher Weise mit einer Gruppe verknupft. Dies ist die Gruppe Aut(L) der Automorphismen von L, also die Gruppe der linearen Abbildungen A : L ! L, die umkehrbar sind. Jede physikalische Theorie, in der ein Superpositionsprinzip wirksam ist, benutzt einen reellen oder komplexen Vektorraum zur Beschreibung ihrer Zustande. Da wir allen unseren Betrachtungen die Quantentheorie zugrunde legen, wollen wir stets voraussetzen, da L ein komplex-linearer Raum ist. Ist L endlichdimensional und ist seine Dimension n, so kann dieser Raum nach Wahl einer Basis mit dem Raum Cn und jede Transformation A : L ! L mit einer komplexen n n-Matrix (Aik ) identiziert werden3 , wobei det A 6= 0 gilt. Wir sehen so, da Aut(Cn) mit GL(n; C) ubereinstimmt. Denition 5 . Ein Homomorphismus D : G ! Aut(L) heit lineare Darstellung oder auch kurz Darstellung der Gruppe G auf dem Darstellungsraum L. Die Darstellung heit treu, wenn D 1 ! G ?! Aut(L) exakt ist. Ist der Darstellungsraum endlich-dimensional und n seine Dimension, so sprechen wir von einer n-dimensionalen Darstellung der Gruppe. Die einfachste Darstellung ist die triviale Darstellung: sie ordnet jedem Element einer Gruppe die identische Transformation des eindimensionalen Raumes C zu. Um diese Situation anzudeuten, schreiben wir einfach D(g) = 1 fur alle g 2 G oder auch D = 1. Diese Darstellung ist nicht treu, wenn G nicht nur aus einem Element besteht. Die Frage entsteht, ob jede Gruppe eine treue Darstellung besitzt. Darauf konnen wir eine partielle Antwort geben. Satz 2 Jede endliche4 Gruppe besitzt eine treue n-dimensionale Darstellung mit n = jGj. Diese durch die folgende Konstruktion ausgezeicheiner BasisPfei g wird eine lineare Transformation A durch Aek = P ABeieVorgabe allgemeiner Vektor mit den Komponenten x = i xi ei ein P i ik i erklart. Ist P xi 2 C , so gilt Ax = i x0i ei mit x0i = k Aik xk . Eine Gruppe heit endlich, wenn sie endlich viele Gruppenelemente besitzt. Die Zahl der Elemente wird die Ordnung der Gruppe G genannt und mit jGj bezeichnet. 3 4 40 KAPITEL 2. DARSTELLUNGEN VON GRUPPEN nete Darstellung Dreg heit die regulare Darstellung einer endlichen Gruppe. Konstruktion. Sei V (G) der freie Vektorraum uber der Gruppe G: dies ist der Raum aller Funktionen f : G ! C. Identizieren wir jedes g 2 G mit der Funktion g : G ! C ; g(h) = 1, falls g = h, und g(h) = 0, falls g 6= h, so besitzt jedes f 2 V (G) die Darstellung f= X f (h)h h2G d.h. wir betrachten V (G) als einen Vektorraum mit der Basis G. Auf diesem Vektorraum wirkt die Gruppe G durch Multiplikation von links: Dreg (g)f = X h2G f (h)gh (2.3) Oensichtlich handelt es sich hier um eine Darstellung mit der Dimension n = jGj. Um zu entscheiden, ob sie treu ist, bestimmen wir den Kern von Dreg , also alle g 2 G mit Dreg (g)f = f fur alle f 2 V (G). Dies fuhrt auf gh = h (alle h), also auf g = e, d.h. die Darstellung ist treu. 2 Durch Konstruktion besitzt V (G) eine ausgezeichnete Basis. Bezuglich dieser Basis haben die Darstellungsmatrizen Dreg (G) eine spezielle Struktur: ihre Elemente sind entweder 0 oder 1: ( = gh0 Dreg (g)hh0 = 10 hsonst (2.4) 1.Beispiel. Die zyklische Gruppe Zn = (a; a2; : : : ; an = e) hat ein erzeugendes Element a. Zur Beschreibung der regularen Darstellung genugt es, fur dieses Element die Darstellungsmatrix anzugeben: 0 BB 10 00 B BB 0 1 0 Dreg (a) = B ... ... B@ ... 1 0 0 ... 0 1 0 1 CC CC CC CA 2.2. LINEARE DARSTELLUNGEN 41 Nun ist es ohne weiteres moglich, da eine Gruppe eine n-dimensionale treue Darstellung besitzt mit n < jGj. Dies demonstrieren die nachsten drei Beispiele. 2.Beispiel. Da die zyklische Gruppe Zn Drehungen des regularen n-Ecks beschreibt, konnen wir das erzeugende Element dieser Gruppe durch ! cos 2n ? sin 2n (2.5) D2 (a) = sin 2n cos 2n darstellen. Wir erhalten so eine 2-dimensionale treue Darstellung der Gruppe Zn. Ihre Matrizen haben allerdings nicht mehr die Eigenschaft, nur aus den Zahlen 0 und 1 aufgebaut zu sein. Da es uns erlaubt ist, auch komplexe Matrizen als mogliche Darstellungsmatrizen in Betracht zu ziehen, konnen wir noch einen Schritt weitergehen und die eindimensionale Darstellung D1 (a) = exp(i2=n) (2.6) der Gruppe Zn einfuhren, die ebenfalls treu ist. 3.Beispiel. Die Permutationen von 1; : : : ; n bilden eine Gruppe Sn, die symmetrische Gruppe der Ordnung n!. Eine n-dimensionale treue Matrixdarstellung nden wir, indem wir setzen: ( = (k) i; k = 1; : : : ; n D()ik = 10 isonst (2.7) Auch diese Matrizen sind nur aus den Zahlen 0 und 1 aufgebaut. Man nennt sie Permutationsmatrizen, und fur viele Zwecke ist es bequem, sie mit den Gruppenelementen selbst zu identizieren: damit wird Sn zu einer Matrixgruppe. Fur die nn-Matrix hat det den Wert +1 oder -1, je nachdem, ob eine gerade oder ungerade Permutation beschreibt. Da die Determinante fur alle Matrixgruppen einen Homomorphismus deniert, haben wir die folgende exakte Sequenz: det 1 ! An ! Sn ?! Z2 (2.8) Die invariante Untergruppe An aller geraden Permutationen wird die alternierende Gruppe genannt. Es gilt jAnj = n!=2. 4.Beispiel. Wir betrachten alle Decktransformationen eines gleichseitigen Dreiecks. Die hierdurch beschriebene Gruppe wird erzeugt durch 42 KAPITEL 2. DARSTELLUNGEN VON GRUPPEN zwei Elemente: a = Drehung um 2=3 , b = Spiegelung an einer Seitenhalbierenden. Dies liefert uns die Darstellung 0 1 1p 1 ! ? 3 ? 1 0 2 2 A ; D(b) = D(a) = @ 1 p 1 0 ?1 3 ? 2 2 Jede Permutation der drei Ecken ist so erreichbar. Tatsachlich haben wir also eine 2-dimensionale Darstellung der symmetrischen Gruppe S3 konstruiert, wobei irrationale Zahlen unter den Matrixelementen auftreten. Dies lat sich vermeiden. Dieselben Decktransformationen konnen wir namlich auch anders beschreiben. Seien e1 , e2 und e3 die drei Vektoren vom Mittelpunkt zu den Eckpunkten des Dreiecks. Es gilt e1 + e2 + e3 = 0 , und die Gruppe S3 permutiert diese Vektoren. Je zwei dieser Vektoren bilden eine Basis aller Vektoren der Ebene. Wir wahlen e1 und e2 und a : e1 7! e2; e2 7! e3 ; e3 7! e1 b : e1 7! e2; e2 7! e1 ; e3 7! e3 In Matrizenschreibweise: ! ! 0 ? 1 0 1 0 0 D (a) = 1 ?1 ; D (b) = 1 0 Auf diese Weise haben wir erreicht, da alle Darstellungsmatrizen nur ganzzahlige Matrixelemente besitzen. Fur die Kristallographie ist eine solche Darstellung von groem Vorteil. Obwohl die Darstellungen D und D0 an sich verschieden sind (die Matrizen sind verschieden), beschreiben beide Darstellungen dennoch dieselben linearen Transformationen der Ebene (in verschiedenen Koordinaten). Man wurde sie damit als aquivalent empnden. Was wir nun brauchen, ist ein allgemeiner A quivalenzbegri. Denition 6 Zwei Darstellungen D : G ! Aut(L) und D0 : G ! Aut(L0 ) mit dim(L) = dim(L0 ) = n heien aquivalent, wenn eine lineare und umkehrbare Abbildung T : L ! L0 existiert, so da TD(g) = D0(g)T fur alle g 2 G gilt. DARSTELLUNGEN 2.3. UNITARE 43 Nachdem wir in beiden Raumen eine Basis gewahlt haben und wir somit D(g) und D0(g) als Matrizen auassen durfen, besagt diese Denition gerade, da eine nichtsingulare nn-Matrix T existiert, so da TD(g) = D0(g)T gilt, wobei wir es hier mit einer gewohnlichen Matrixmultiplikation zutun haben. 2.3 Unitare Darstellungen In der Quantenmechanik ist man vorwiegend an Darstellungen einer Gruppe durch unitare Operatoren auf einem Hilbertraum interessiert. Wir werden deshalb annehmen, da der Darstellungsraum H ein Hilbertraum ist, und werden mit Aut(H) die Gruppe aller invertierbaren linearen Transformationen U : H ! H bezeichnen, die das Skalarprodukt invariant lassen. Damit ist Aut(H) als die Gruppe aller unitaren Operatoren U auf H gekennzeichnet. Nach Wahl einer Basis5 wird U zu einer endlichen oder unendlichen Matrix. Denition 7 Ein Homomorphismus D : G ! Aut(H) heit unitare Darstellung der Gruppe G auf dem Hilbertraum H. Man konnte nun meinen, da durch die Forderung der Unitaritat der Spielraum stark eingeschrankt ist. Da diese Besorgnis fur endliche (oder auch kompakte) Gruppen unberechtigt ist, zeigt das folgende klassische (A.Hurwitz zugeschriebene) Ergebnis. Satz 3 Jede lineare Darstellung einer endlichen Gruppe auf einem Vektorraum endlicher Dimension ist bezuglich eines geeignet gewahlten Skalarproduktes unitar. Zum Beweis betrachten wir eine Darstellung D : G ! Aut(L), wobei L lediglich ein linearer Raum ist, dessen Dimension wir als endlich annehmen. Das Skalarprodukt auf L wird in zwei Schritten konstruiert: 1. Wahle eine Basis feig in L und Pdeniere mit ihrerPHilfe ein vorlaPuges Skalarprodukt hx; yi = xi yi, wobei x = xi ei und y = yiei beliebige Vektoren in L sind. Unter einer Basis in einem Hilbertraum verstehen wir stets ein orthonormiertes vollstandiges System von Vektoren. 5 KAPITEL 2. DARSTELLUNGEN VON GRUPPEN 44 2. Deniere das endgultige Skalarprodukt als X (x; y) = jG1 j hD(g)x; D(g)yi g2G Es besitzt durch Konstruktion die Eigenschaft (D(g)x; D(g)y) = (x; y) fur jedes g 2 G: 2 Bemerkung: Die Art des Beweises zeigt, da der Satz verallgemeinerungsfahig ist. Ist namlich G eine kompakte Gruppe, so existiert auf ihr ein invariantes Ma mit (G) = 1, das man das Haarsche Ma nennt. Zur Konstruktion des Skalarproduktes konnen wir dann ein Integral an die Stelle der Summe setzen: Z (x; y) = d(g) hD(g)x; D(g)yi Das ursprungliche Skalarprodukt hx; yi konnte vorgegeben sein: Wir beginnen also mit einer linearen und stetigen Darstellung der kompakten Gruppe G durch beschrankte (nicht notwendig unitare) Operatoren auf einem Hilbertraum H. Durch eine A nderung des Skalarproduktes kann erreicht werden, da diese Darstellung unitar wird. Viele Gruppen, die man in der Physik betrachtet, sind nicht kompakt, wohl aber lokalkompakt: So etwa die Gruppe der Translationen, die euklidische Gruppe, die Galilei-Gruppe und die Lorentz-Gruppe. Auch fur eine lokalkompakte (nichtkompakte) Gruppe G existiert stets ein invariantes Ma . Es ist jedoch nicht normierbar6 : (G) = 1. In dieser Situation kann nicht bewiesen werden, da das Integral in der Formel fur (x; y) wohldeniert ist, und der Beweis versagt. Fur die Klasse der lokalkompakten Gruppen genugt es also nicht, sich auf das Studium der unitaren Darstellungen zu beschranken. Man sieht dies am besten an der Gruppe der Translationen, die formal mit der additiven Gruppe R3 ubereinstimmt. Hier stimmt das Haarsche Ma mit dem Lebesgueschen Ma uberein: d(x) = dx1 dx2 dx3 . 6 2.4. REDUZIBILITAT 45 2.4 Reduzibilitat Wir kehren zur allgemeinen Situation einer linearen Darstellung D : G ! Aut(L) zuruck. Mitunter ist es moglich, eine solche Darstellung in einfachere Bestandteile zu zerlegen. Denition 8 Ein Teilraum L1 L heit invariant, wenn D(g)L1 L1 fur alle g 2 gilt. Ist L1 ein echter7 Teilraum von L, so heit die Darstellung D reduzibel. In einem solchen Fall deniert die Einschrankung aller Darsteller D(g) auf L1 eine Teildarstellung D1 : G ! Aut(L1 ), und wir schreiben D1 D. Eine Darstellung, die keinen echten invarianten Teilraum besitzt, heit irreduzibel. Wir wollen nun annehmen, da D : G ! Aut(G) reduzibel sei mit dim(L) = n und dim(L1 ) = n1 < n. Wir konnen dann durch eine geeignete Wahl der Basis in L erreichen, da alle darstellenden Matrizen die folgende Blockstruktur annehmen: ! Q ( g ) D ( g ) 1 D(g) = (2.9) 0 D2 (g) Fur beliebige g; h 2 G gilt D(gh) = D(g)D(h). Dies ist aquivalent den Bedingungen: Di(gh) = Di(g)Di(h) ; i = 1; 2 Q(gh) = D1(g)Q(h) + Q(g)D2(h) Hieraus wird deutlich, da sowohl D1 als auch D2 Matrixdarstellungen der Gruppe G sind, wobei D1 D gilt. Fur D2 D ist jedoch Q = 0 notwendig8 . Denition 9 Die Darstellung D : G ! Aut(L) zerfallt und ist direkte Summe zweier Teildarstellungen D1 und D2 , wenn nach Wahl einer geeigneten Basis in L eine Blockstruktur (2.9) erreicht werden kann, so da darin Q = 0 gilt. Wir schreiben dann abkurzend D = D1 D2 und sagen, D sei die direkte Summe der Darstellungen D1 und D2 . Ein Teilraum L L soll echt heien, wenn weder L = 0 noch L = L gilt. Es ist ublich, den trivialen Raum f0g, der nur aus dem Nullvektor besteht, selbst mit 0 zu bezeichnen. Q(g) ist eine n (n ? n )-Matrix. Wie bei Funktionen ublich, schreibt man Q = 0, falls Q(g) = 0 fur alle g 2 G gilt. 7 8 1 1 1 1 1 46 KAPITEL 2. DARSTELLUNGEN VON GRUPPEN Nehmen wir an, wir hatten bereits einen invarianten Teilraum einer gegebenen Darstellung gefunden. Die entscheidende Frage lautet dann: Zerfallt die Darstellung? Die Frage lat sich nicht dadurch beantworten, da man fur irgendeine Basis, die auf die Dreiecksblockstruktur (2.9) fuhrt, nachpruft, ob hierin Q = 0 gilt. Im allgemeinen wird dies nicht erfullt sein. Vielmehr mu untersucht werden, ob es uberhaupt eine Basis gibt, fur die die Bedingung Q = 0 erfullt ist. Diese schwierige Arbeit wird uns abgenommen, wenn D : G ! Aut(H) eine unitare Darstellung auf einem Hilbertraum H ist: Haben wir namlich in H1 einen (abgeschlossenen) invarianten Teilraum von H gefunden, so ist auch sein orthogonales Komplement H2 = H1? ein (abgeschlossener) invarianter Teilraum, wie man sehr leicht beweist. Es gilt sodann H = H1 H2 und D = D1 D2. Mit anderen Worten: Satz 4 Jede reduzible unitare Darstellung zerfallt. In der allgemeinen Situation einer linearen (nicht notwendig unitaren) Darstellung kommt uns der Satz 3 zu Hilfe, der uns gestattet, bei endlichen Gruppen und endlich-dimensionalen Raumen, eine Hilbertraumstruktur zu nden, durch die die Darstellung unitar wird. Deshalb haben wir das wichtige Ergebnis: Satz 5 Jede reduzible Darstellung einer endlichen Gruppe zerfallt. Bemerkung: Auch dieser Satz kann sinngema auf kompakte Gruppen ausgedehnt werden. Dazu beachte man die Bemerkung im vorigen Abschnitt. Da lokalkompakte (aber nichtkompakte) Gruppen reduzible nichtzerfallende Darstellungen besitzen, zeigen wir nun an drei markanten Beispielen. 1.Beispiel Durch D(z) = 10 z1 ! z2C (2.10) wird eine zweidimensionale reduzible Darstellung der additiven Gruppe der komplexen Zahlen beschrieben. Sie zerfallt nicht; denn fur jedes z 6= 0 besitzt die Matrix z?1 D(z) Jordan-Gestalt. Aus der Algebra ist 2.4. REDUZIBILITAT 47 bekannt, da eine Jordan-Matrix der Dimension n > 1 nicht diagonalisierbar ist. 2.Beispiel Durch D(a; R) = R0 a1 ! R 2 O(n) ; a 2 Rn (2.11) wird eine (n + 1)-dimensionale Darstellung der euklidischen Gruppe E (n) beschrieben (s.S.26). Sie besitzt die Teildarstellung D1(a; R) = R, zerfallt aber nicht. 3.Beispiel Die nichtrelativistischen Transformationen von Raum und Zeit x0 = Rx + vt + a t0 = t + R 2 O(3) ; v; a 2 R3 ; 2 R (2.12) bilden die volle Galilei-Gruppe. Eine treue 5-dimensionale Darstellung dieser Gruppe ist, wie man sich leicht uberzeugt, durch 1 0 R v a D(; a; v; R) = B @ 0 1 CA (2.13) 0 0 1 gegeben. Sie zerfallt nicht, obwohl sie zwei Teildarstellungen9 enthalt. Wir haben diskutiert, welche Vereinfachungen sich ergeben, wenn eine Darstellung D : G ! Aut(L) einen invarianten Teilraum besitzt. Moglicherweise besitzt eine Darstellung mehrere invariante Teilraume, und das Verfahren der Vereinfachung lat sich solange fortsetzen, bis die Darsteller nach Wahl einer diesen Teilraumen angepaten Basis alle die Blockdreiecksgestalt 0 D (g) BB 1 D(g) = B BB 0.. D.2.(g) . @ . 0 9 Die Darsteller sind R bzw. R v . 0 1 ... ... 0 Dn(g) 1 CC CC CA (2.14) 48 KAPITEL 2. DARSTELLUNGEN VON GRUPPEN annehmen, wobei die Reduktion notwendigerweise dadurch ein Ende ndet, da schlielich alle Darstellungen Di irreduzibel werden (also keine echten invarianten Teilraume mehr besitzen). Konnen wir die Basis sogar so einrichten, da alle Blocke oberhalb der Blockdiagonale verschwinden, so zerfallt die Darstellung D vollstandig in irreduzible Teildarstellungen Di, und wir schreiben dann kurz D = D1 D2 Dn oder auch n M (2.15) D = Di i=1 Sind in dieser Zerlegung einige Teildarstellungen aquivalent, so fassen wir sie zusammen und schreiben D = m1D1 m2D2 (2.16) wobei jede Zahl mi die Vielfachheit10 angibt, mit der Di in D vorkommt. Wir nennen auch mi die Multiplizitat von Di in D. Denition 10 Eine Darstellung, die direkte Summe irreduzibler Darstellungen oder selbst irreduzibel ist, heit vollreduzibel oder diskret reduzibel. Wir haben gelernt, da unitare Darstellungen automatisch zerfallen, wenn sie reduzibel sind. Sind die (unitaren) Teildarstellungen reduzibel, zerfallen sie wiederum, und so weiter. Es mag scheinen, da durch diesen Vorgang man schlielich die gewunschte Zerlegung der Darstellung in irreduzible Bestandteile erreicht. Dies ist aber in 1-dimensionalen Raumen im allgemeinen nicht garantiert. Ein Ende der Zerlegung ist nur abzusehen, wenn es minimale invariante Teilraume gibt. Diese brauchen jedoch nicht zu existieren, wie wir uns an einem sehr einfachen Beispiel klar machen konnen. Die Darstellung (1.24) der Translationen fur ein Schrodinger-Teilchen besitzt viele invariante Teilraume. Jeder dieser Raume kann beschrieben werden als Gesamtheit aller Wellenfunktionen, deren Impulsspektrum in einer festen Teilmenge B des Impulsraumes beheimatet ist: Z (x) = d3p eipx~(p) (2.17) B Da wir zulassen, da die Dimension des Darstellungsraumes abzahlbar unendlich ist, wollen wir auch mi = 1 als moglichen Wert zulassen. 10 2.4. REDUZIBILITAT 49 Die Menge B R3 mu mebar sein und ein positives Ma besitzen. Minimale Mengen dieser Art gibt es aber nicht; die Darstellung ist nicht diskret reduzibel. Tatsachlich leistet das Fourierintegral hier die Zerlegung in irreduzible Bestandteile: Ein Integral tritt an die Stelle der Summe, und diese Erscheinung ist charakteristisch fur viele nichtkompakte Gruppen. Fur kompakte Gruppen ist die Situation gunstiger. Insbesondere konnen wir im Spezialfall der endlichen Gruppen aufgrund der Ergebnisse des letzten Abschnittes feststellen: Satz 6 Jede endlich-dimensionale Darstellung einer endlichen Gruppe ist diskret reduzibel. In Hinblick auf die Anwendungen in der Quantenmechanik bedeutsamer ist jedoch das Pendant dazu: Satz 7 (Peter-Weyl) Jede unitare Darstellung einer kompakten Gruppe ist diskret reduzibel, und die irreduziblen unitaren Darstellungen haben alle endliche Dimension. Bemerkung: Naturlich lat das Peter-Weyl-Theorem die Moglichkeit zu, da in der Zerlegung D = D1 D2 unendlich viele Summanden auftreten. Wichtig ist nur die Aussage, da die Zerlegung in Form einer Summe und nicht in Form eines Integrals geschieht11 . Dieses fundamentale Theorem ebnet den Weg zur Behandlung wichtiger Gruppen in der Quantenphysik, so der SO(n)-Gruppen, der SU (n)-Gruppen und anderer. Eine Besonderheit der endlichen Gruppen soll hier noch ohne Beweis mitgeteilt werden: Die Anzahl k der Klassen zueinander inaquivalenten irreduziblen Darstellungen einer endlichen Gruppe G ist endlich. Bezeichnen wir die Dimensionen dieser Darstellungen mit n1 ; n2 ; : : : nk und setzen n(G; s) = ns1 + ns2 + : : : + nsk (2.18) Ein Problem, das hier nicht nahert erortert wird, ist die Eindeutigkeit der Zerlegung (bis auf A quivalenz). Auch diese Frage kann positiv entschieden werden fur die hier betrachteten Gruppen. Dies ist aber keinesfalls selbstverstandlich, wie aus Gegenbeispielen hervorgeht, die man bei einigen nichtkompakten Gruppen und Integralzerlegungen ihrer Darstellungen ndet. 11 50 KAPITEL 2. DARSTELLUNGEN VON GRUPPEN so haben wir auf diese Weise charakteristische Zahlen n(G; s) (s=0,1,2,. . . ) der Gruppe G deniert. Fur gewisse Werte von s haben diese Zahlen eine elementare Bedeutung12 : Satz 8 (Burnside) n(G; 0) = k = Anzahl der Klassen von G (2.19) n(G; 2) = jGj = Ordnung von G: (2.20) Fur eine endliche Gruppe ist es daher moglich, eine Liste aller irreduzibler Darstellungen anzulegen (also eine Liste endlich vieler Matrizen) und anhand des Relationen des Burnside-Theorems zu uberprufen, ob diese Liste vollstandig ist. Beispiel Die symmetrische Gruppe S3 enthalt 6 Elemente in 3 Klassen. Die Relation 6 = n21 + n22 + n23 besitzt nur eine Losung: n1 = n2 = 1; n3 = 2. Die drei irreduziblen Darstellungen mit den Dimensionen 1,1,2 sind uns bereits bekannt. Es handelt sich um die triviale Darstellung D1 = 1, die alternierende Darstellung D2 = 1 (siehe (2.8)) und die Darstellung, die durch die Decktransformationen eines gleichseitigen Dreiecks (siehe S.29) beschrieben wird. Diese Liste ist vollstandig; jede weitere irreduzible Darstellung mu zu einer Darstellung in dieser Liste aquivalent sein. 2.5 Zwei Satze von Schur Zerfallt eine gegebene Darstellung in Teildarstellungen, so konnen wir, ohne auf die invarianten Teilraume eingehen zu mussen, den Zerfall auch rein algebraisch charakterisieren. Grob gesprochen: je mehr Operatoren mit einer gegebenen Darstellung vertauschen, umso "reduzibler" erweist sie sich. Wir beginnen mit der einfachsten Situation: Die Darstellung D : G ! Aut(L) habe die invarianten Teilraume L1 und L2 und es gelte L = L1 L2 . Die Darstellung ist damit blockdiagonal, d.h. sie zerfallt. Ein Operator P : L ! L mit 0 6= P 2 = P 6= 1 heit Projektor. Jede Zwei Gruppenelemente g1 und g2 gehoren zur selben Klasse, wenn sie konjugiert zueinander sind, d.h. wenn ein Element h in der Gruppe existiert, so da g1 h = hg2 gilt. 12 2.5. ZWEI SATZE VON SCHUR 51 Zerlegung L = L1 L2 gibt Anla zu einem Projektor P (er annulliert Vektoren in L2 ). Umgekehrt deniert jeder Projektor in eindeutiger Weise eine Aufspaltung des Raumes L in zwei direkte Summanden. In unserer Situation genugt also die Angabe eines Projektors P mit der Eigenschaft13 D(g)P = PD(g) fur alle g 2 G (2.21) Wir wollen nun annehmen, da die Darstellung D diskret reduzibel ist und in n irreduzible Bestandteile zerfallt. In dieser Situation existieren minimale Projektoren P1 ; : : : ; Pn , so da PiPk = 0 (i 6= k) P1 + : : : + Pn = 1 D(g)Pi = PiD(g) (i = 1; : : : ; n) (2.22) (2.23) (2.24) Daraus folgt unmittelbar, da alle Operatoren A, deren Spektralzerlegung die Form A = 1P1 + 2 P2 + : : : + nPn (i 2 C) (2.25) annimmt, mit der Darstellung D vertauschen: D(g)A = AD(g). Unter Umstanden hat man auf diese Weise alle Operatoren A konstruiert, die mit D vertauschen. Ist dies der Fall, so formen die mit D vertauschbaren Operatoren eine abelsche Algebra. Es kann aber durchaus sein, da weitere Operatoren A mit D(g)A = AD(g) existieren, die nicht die Form (2.25) besitzen. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn wenn zwei irreduzible Teildarstellungen von D zueinander aquivalent sind: Operatoren A, die lediglich eine Permutation solcher Teildarstellungen bewirken, haben nicht die Gestalt (2.25). Hier verliert die Algebra der Operatoren A mit D(g)A = AD(g) die Eigenschaft abelsch zu sein; sie sind dann nicht mehr gemeinsam diagonalisierbar. Der Verlust dieser Eigenschaft ist verknupft mit dem Auftreten einer Multiplizitat > 1, d.h. einer Vielfachheit, mit der die irreduziblen Teildarstellungen in D auftreten. Wenn namlich in der Zerlegung (2.16) mi > 1 fur wenigstens Es ist trivial, da die gleiche Relation fur den komplementaren Projektor Q = 1 ? P gilt, wenn sie fur P erfullt ist. Man mache sich folgendes klar: Die schwachere Bedingung PD(g)P = D(g)P besagt, da die Darstellung reduzibel ist, d.h. sie besitzt die Blockdreiecksgestalt (2.9). 13 52 KAPITEL 2. DARSTELLUNGEN VON GRUPPEN ein i gilt, so ist die Darstellung nicht multiplizitatsfrei. Wir kommen nun zu dem allgemeinen Begri. Denition 11 Seien D und D0 Darstellungen der gleichen Gruppe G auf linearen Raumen L und L0 , so bezeichnen wir mit R(D; D0) den linearen Raum aller linearen Abbildungen14 A : L ! L0 mit D0(g)A = AD(g) fur alle g 2 G. Fur D = D0 ist R(D; D) ist eine Algebra. Die Darstellung D heit multiplizitatsfrei, wenn R(D; D) abelsch ist. Was ist gewonnen, wenn wir, statt von Teilraumen zu reden, nur noch von Abbildungen sprechen, die zwei Darstellungen D und D0 miteinander verbinden? Die erste erfreuliche Nachricht kommt uns von einem Satz (der oft das 1.Schursche Lemma genannt wird): Satz 9 (Schur) Sind D und D0 irreduzible Darstellungen einer Gruppe G auf (endlich-dimensionalen) Raumen L und L0 , so ist jedes A 2 R(D; D0) entweder ein Isomorphismus oder es gilt A = 0. Beweis. Sei A 2 R(D; D0) und A = 6 0. Oenbar sind Ker(A) = fx 2 L : Ax = 0g Im(A) = fAx 2 L0 : x 2 Lg (2.26) (2.27) invariante Teilraume bezuglich D bzw. D0. Da aber beide Darstellungen nach Voraussetzung keine echten Teilraume besitzen, kommen nur vier Falle in Betracht: Ker(A) = 0; Im(A) = 0 Ker(A) = L; Im(A) = 0 Ker(A) = 0; Im(A) = L0 Ker(A) = L; Im(A) = L0 =) =) =) =) T =0 T =0 T = Isomophismus Widerspruch 2 Dieser Satz hat eine bemerkenswerte Konsequenz, wenn wir hierin D = D0 setzen (bekannt als 2.Schursches Lemma): In der englischsprachigen Literatur heien solche Abbildungen intertwining maps, also etwa "Verechtungsabbildungen". 14 2.5. ZWEI SATZE VON SCHUR 53 Satz 10 (Schur) Ist D eine irreduzible Darstellung einer Gruppe G auf einem Raum L endlicher Dimension, so gilt R(D; D) = f1 : 2 Cg. In Worten: Nur die Vielfachen des Einheitsoperators vertauschen mit einer irreduziblen Darstellung. Beweis: Sei A 2 R(D; D). Nach Wahl einer Basis in L konnen wir A als Matrix auassen. Der Fundamentalsatz der Algebra garantiert, da det(A ? 1) = 0 eine Losung 2 C besitzt. Fur dieses ist A ? 1 nicht invertierbar, also kein Isomorphismus. Andererseits gilt A ? 1 2 R(D; D). Deshalb folgt A?1 = 0 aufgrund des vorhergehenden Satzes. 2 Dieser Satz endlich hat viele bedeutende Anwendungen. Eine davon betrit die abelschen Gruppen. Satz 11 Jede irreduzible Darstellung einer abelschen Gruppe ist eindimensional. Beweis: Aus gh = hg, gultig in abelschen Gruppen, folgt D(g)D(h) = D(h)D(g) in einer Darstellung D. Ist D irreduzibel, so folgt aus dem vorhergehenden Satz D(h) = (h)1. Fur eine solche Darstellung ist jeder Teilraum invariant, aber nur der eindimensionale Raum besitzt keine echten Teilraume. Folglich ist der Darstellungsraum eindimensional. 2 Eine andere Anwendung betrit die Physik unmittelbar. Satz 12 Der Hamilton-Operator nimmt in irreduziblen Darstellungen von Symmetriegruppen einen Eigenwert an. Zum besseren Verstandnis sei daran erinnert, da der Hamilton-Operator H die Symmetriegruppe15 G besitzt, wenn U (g)H = HU (g) mit g 2 G fur eine unitare Darstellung U gilt, wobei alle Operatoren auf dem gleichen Hilbertraum H deniert sind. Nun kann U immer in irreduzible Bestandteile zerlegt werden: U = U 1 U2 : : : Damit die folgenden Betrachtungen mathematisch korrekt sind, wollen wir annehmen, da G eine kompakte Gruppe ist. Mit etwas mehr Aufwand ist es moglich, auch nichtkompakte Gruppen und die damit verbundenen Integralzerlegungen in die Betrachtung einzubeziehen. 15 54 KAPITEL 2. DARSTELLUNGEN VON GRUPPEN Betrachten wir etwa den Teilraum H1 H, auf dem die Darstellung U1 wirkt, so gilt H H1 H; denn H und U (g) sind gemeinsam diagonalisierbar. Die Einschrankung des Hamilton-Operators auf den Teilraum H1 wollen wir mit H1 bezeichnen. Es gilt H1 2 R(U1 ; U1 ) und damit H1 = E11 fur ein reelles E1, den Energie-Eigenwert von H in der Darstellung U1 . Sei n = dim(H1), so nennt man n die Multipizitat oder den Entartungsgrad des Eigenwertes E1 . Man sagt auch der Eigenwert sei n-fach entartet. In der Quantenphysik ist die Entartung von Energie-Eigenwerten eine haug beobachtete Erscheinung. Es gehort zu den festen Glaubenssatzen des Physikers, da eine Entartung stets ihren Ursprung in einer (moglicherweise verborgenen) Symmetrie des Problems hat, so da der Entartungsgrad n als Dimension einer irreduziblen Darstellung erklart werden kann. Als Folge dieser Auassung gibt es keine "zufallige" Entartung. Eine Storung dieser Symmetrie kann die Entartung dann auch wieder aufheben. So fuhrt das Einschalten eines Magnetfeldes bekanntlich zum Zeeman-Eekt. Es gibt weitere Grunde, warum die algebraische Betrachtungsweise nutzlich ist, warum lineare Abbildungen und Operatoren Vorrang vor Vektoren und Teilraumen haben. Ein wichtiges Argument ist, da wir R(D; D0) konstruieren konnen, wie wir nun zeigen wollen. Satz 13 Sei G eine endliche (allgemeiner: kompakte) Gruppe, D und D0 zwei Darstellungen von G auf den Raumen L und L0. Fur eine beliebige lineare Abbildung A : L ! L0 sei A0 : L ! L0 durch X A0 = jG1 j D0(g)AD(g?1) (2.28) g2G deniert. Dann ist A0 2 R(D; D0) und jedes Element von R(D; D0) kann auf diese Weise erhalten werden. Ist G eine kompakte Gruppe mit dem Haarschen Ma , so lautet die (2.28) analoge Formel: Z A0 = d(g) D0(g)AD(g?1) (2.29) Beweis: Durch unmittelbare Rechnung bestatigt man D0(g)A0 = A0 D(g), also A0 2 R(D; D0). Ist nun A bereits in R(D; D0), so zeigt die Konstruktion, da A = A0 gilt. 2 2.5. ZWEI SATZE VON SCHUR 55 Diese so nutzliche Mittelung uber die Gruppe kann in verschiedenen physikalischen Situationen eingesetzt werden. Sei etwa U : G ! Aut(H) eine unitare Darstellung einer Gruppe G, die nur "naherungsweise" als eine Symmetriegruppe fur den Hamilton-Operators H (mit dem Zustandsraum H) aufgefat werden kann. Wir denieren dann den symmetrischen Anteil von H als X H0 = jG1 j U (g)HU (g?1) (2.30) g2G bzw. Z H0 = d(g) U (g)HU (g?1) Ist H selbstadjungiert, so auch H0. Wir schreiben sodann H = H 0 + H1 (2.31) (2.32) und nennen H1 den symmetrieverletzenden Anteil des Energie-Operators. In gunstigen Situationen ist H0 durch Ausnutzung der Symmetrie leicht zu diagonalieren und H1 so beschaen, da eine storungstheoretische Behandlung moglich ist. 1.Beispiel. In (2.53) wurde der Paritatsoperator P eingefuhrt. Ein Hamilton-Operator H , der nicht mit P vertauscht, wird paritatsverletzend genannt. Ein solcher Operator besitzt die kanonische Zerlegung H = H0 + H1 in einen paritatserhaltenden Anteil, H0 = 21 (H + PHP ); (2.33) und in einen Anteil, H0 = 21 (H ? PHP ); (2.34) der die Paritat eines Zustandes umkehrt. Man nennt H0 auch einen skalaren und H1 einen pseudoskalaren Operator aufgrund dieses Verhaltens unter P . 2.Beispiel. Ein asymmetrischer Kreisel wird durch den HamiltonOperator J12 + J22 + J32 H = 2 (2.35) 2 2 1 2 3 56 KAPITEL 2. DARSTELLUNGEN VON GRUPPEN beschrieben, wobei J = (J1; J2; J3) der korperfesten Drehimpuls ist. Der Operator besitzt die Zerlegung H = H0 + H1 in einen rotationssymmetrischen Anteil, 1 = 1 1 + 1 + 1 3 1 2 3 und einen symmetriebrechenden Term H1 = 1 J12 + 2 J22 + 3 J32 ; i = 1 ? 1 i mit 1 + 2 + 3 = 0. J2 ; H0 = 2 (2.36) (2.37) 2.6 Orthogonalitatsrelationen In diesem Abschnitt betrachten wir nur Darstellungen, die irreduzibel sind. Wir wollen die fundamentalen Satze von Schur auf sie anwenden und zeigen, da wir aus ihnen weitere interessante Relationen herleiten konnen. Wir mussen zuvor die folgende Frage beantworten: Wenn zwei Darstellungen D und D0 aquivalent sind, was lat sich uber den Raum R(D; D0) sagen? Oensichtlich gilt: Jedes Element A 2 R(D; D0) mit A 6= 0 ist ein Isomorphismus (1.Lemma von Schur). Sind A und A0 zwei nichtverschwindende Elemente in R(D; D0), so sind sie linear abhangig: A = A0. Denn A?1 A0 2 R(D; D), also A?1 A0 = 1 (2.Lemma von Schur). Damit gilt: dim R(D; D0) = ( 1 D und D0 sind aquivalent 0 D und D0 sind inaquivalent (2.38) Das Ergebnis ist einer Orthogonalitatsrelation schon sehr ahnlich. Haben wir ein weiteres Werkzeug, die Mittelung uber die Gruppe, zur Verfugung, so konnen wir daraus Orthogonalitatsrelationen fur die Matrizen von irreduziblen Darstellungen ableiten. Wir wollen zunachst annehmen, die Gruppe G sei endlich. 1.Fall. D und D0 sind aquivalent, gleichbedeutend mit R(D; D0) = fI : 2 Cg fur einen gewissen Isomorphismus I : L ! L0 . Sei feig eine Basis in L und fIeig die korrespondierende Basis in L0 . Dann sind 2.6. ORTHOGONALITATSRELATIONEN 57 die darstellenden Matrizen in beiden Darstellungen gleich, und es ist nicht langer notig, sie voneinander zu unterscheiden. Fur eine beliebige Matrix A gilt dann 1 X D(g)AD(g?1) = 1 jGj g2G (2.39) wobei es gelingt, durch Spurbildung auf beiden Seiten zu berechnen: SpurA = n (dim L = dim L0 = n). Sei speziell A diejenige Matrix, die an der Stelle (j; k) eine 1 und sonst nur Nullen aufweist, so ist SpurA = jk und somit 1 X D (g)D (g?1) = 1 jGj g2G ij k` n i` jk (2.40) 2.Fall. D und D0 sind inaquivalent, gleichbedeutend mit R(D; D0) = f0g. Wir wahlen eine beliebige Basis fei g, i = 1; : : : n in L und eine be0 0 0 0 liebige P Basis fej g, j = 1; : : : n in L . Fur eine beliebige n n-Matrix A ist 0 g D(g )AD (g ) = 0 und somit 1 X D (g)D0 (g?1) = 0 jGj g2G ij k` (2.41) Selbstverstandlich konnen die Orthogonalitatsrelationen (2.40-41) in einer solchen Weise verallgemeinert werden, da sie fur eine beliebige kompakte Gruppe G mit dem Haarschen Ma Gultigkeit haben16 : Z d(g) Dij (g)D0 k` (g?1) = ( (1=n)i`jk D = D0 0 D= 6 D0 (2.42) Erinnern wir uns daran, da es keine Einschrankung bedeutet, wenn wir annehmen, D und D0 seien unitare Darstellungen: durch eine geeignete Wahl der Basis in L und L0 ist also erreichbar, da die Darsteller der Gruppe G unitare Matrizen sind. In diesem Fall konnen wir in den obigen Formeln Dk`0 (g?1) durch D`k0 (g) ersetzen. 16 Wir schreiben hier vereinfachend D 6= D0 , falls D und D0 nicht aquivalent sind. 58 KAPITEL 2. DARSTELLUNGEN VON GRUPPEN 2.7 Der Charakter einer Darstellung Wir stellen nun die Frage nach den Invarianten: das sind Groen, die in aquivalenten Darstellungen gleich sind und somit die A quivalenzklasse charakterisieren. Die wichtigste Invariante gewinnen wir durch Spurbildung: Denition 12 Die komplexwertige Funktion (g) = SpurD(g) (2.43) heit Charakter der Darstellung D. Er wird primitiv genannt, wenn D irreduzibel ist. Aus der Denition folgt unmittelbar, da aquivalente Darstellungen den gleichen Charakter haben, ferner, da der Charakter eine Klassenfunktion ist17 , d.h. 8g; h 2 G : (hgh?1 ) = (g). Es gilt (g?1) = (g) (2.44) falls G kompakt ist. Grund: die darstellenden Matrizen konnen als unitar angenommen werden. Fur kompakte Gruppen haben wir in dem Charakter bereits ein vollstandiges Invariantensystem, d.h. zwei Darstellungen mit demselben Charakter sind aquivalent. Dies ist nicht richtig fur nichtkompakte Gruppen. Ein Beispiel: Die Darstellungen D(x) = 10 01 ! D0(x) = 1 x 0 1 ! (2.45) der additiven Gruppe der reellen Zahlen haben den gleichen Charakter (x) = 2, sind aber nicht aquivalent. Wir wollen uns jetzt vorstellen, D1 ; D2 ; D3 ; : : : sei eine Liste von inaquivalenten und irreduziblen Darstellungen einer kompakten Gruppe mit Dimensionen ni. Der Zerlegung D = m1 D1 Mit anderen Worten: nimmt jeder A hnlichkeitsklasse von G einen konstanten Wert an. Beweis: Spur(D(h)D(g)D(h)?1 ) = SpurD(g). 17 2.7. DER CHARAKTER EINER DARSTELLUNG 59 m2 D2 : : : einer Darstellung D nach irreduziblen Bestandteilen18 entspricht eine ebensolche Zerlegung ihres Charakters : = m11 + m2 2 + : : : (2.46) d.h. Charaktere von reduziblen Darstellungen lassen sich stets in eindeutiger Weise in primitive Charaktere zerlegen, wobei die Koezienten mi gerade die Multiplizitaten und damit naturliche Zahlen sind. Fur primitive Charaktere i folgt eine Orthogonalitatsrelation direkt aus den Ergebnissen des vorigen Abschnittes (vgl.(2.42)): ( Z k (2.47) d(g) i(g)k (g) = 10 ii = 6= k Fuhren wir die Norm eines Charakters durch Z 2 kk = d(g) j(g)j2 ein, so nden wir unter der Zerlegung (2.46) kk2 = m21 + m22 + : : : (2.48) Der minimale Wert der rechten Summe ist 1. Er tritt genau dann auf, wenn die Darstellung D irreduzibel ist. Also: Satz 14 Eine Darstellung ist genau dann irreduzibel, wenn ihr Charakter die Norm 1 besitzt. Ein Blick in die Resultate des vorigen Abschnittes lehrt (vgl.(2.42)): ( Z =k d(g) Di(g)k (g) = 0(1=ni)1 ii 6= (2.49) k Hier bezeichnet "1" eine ni-dimensionale Einheitsmatrix. Hieraus folgt unmittelbar eine Aussage fur eine allgemeine Darstellung D, in der die irreduzible Darstellung Dk (Dimension nk ) mit der Multiplizitat mk vorkommt: Der Operator Z Pk = nk d(g) D(g)k(g) (2.50) Wir setzen mi = 0, wenn Di in der Zerlegung von D nicht auftritt. Im ubrigen gilt mi 1. 18 60 KAPITEL 2. DARSTELLUNGEN VON GRUPPEN ist ein Projektor in R(D; D). Er projiziert auf den invarianten Unterraum, der zur Teildarstellung mk Dk gehort (dieser Teilraum hat die Dimension mk nk ). Wir sehen auf diese Weise, da es ausreicht, eine Liste aller primitiven Charaktere einer kompakten Gruppe zu besitzen, um jede beliebige Darstellung soweit ausreduzieren zu konnen, da wir die Teildarstellungen mk Dk als elementare Bausteine erhalten. Fur die Zerlegung eines "Konglomerats" mk Dk in seine mk Bestandteile gibt es dann kein kanonisches Verfahren mehr: jede weitere Zerlegung ist der Willkur des Physikers uberlassen. Sind wir nur daran interessiert zu erfahren, mit welcher Multiplizitat mk die Darstellung Dk in einer vorgelegten Darstellung D auftritt, so berechnen wir einfach den Charakter (g) = SpurD(g) und projizieren auf k : Z mk = d(g) (g)k(g) (2.51) Dies wird im weiteren Verlauf unserer Untersuchungen vom groen Nutzen sein. Kapitel 3 Die Theorie der SU(2) 3.1 Wie dreht man den Spin? Bei der Beschreibung des Spins eines einzelnen Elektrons benutzt man, wie schon im Abschnitt 1.4 erwahnt, die Pauli-Matrizen 1 = 01 10 ! 2 = 0i ?0i ! 3 = 10 ?01 ! (3.1) Jede dieser Matrizen wirkt als Operator auf dem Hilbertraum C2. Zugleich fassen wir sie als Basisvektoren eines reellen 3-dimensionalen Raumes auf, dem Raum der hermiteschen spurfreien 2 2-Matrizen. Dieser Raum ist dem gewohnlichen 3-dimensionalen euklidischen Raum isomorph, und wir konnen deshalb untersuchen, welche Wirkung ein Basiswechsel hat, wenn er durch eine Drehung des Koordinatensytems hervorgerufen wird. Zu jedem R 2 SO(3) erhalten wir die "gedrehten" Pauli-Matrizen als X k0 = Rik i (3.2) i Die Frage lautet: Entspricht dieser Drehung eine Transformation im Hilbertraum? Genauer: Gibt es zu jedem R 2 SO(3) ein u 2 SU (2), so da X (3.3) uk u?1 = Rik i i 61 KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) 62 erfullt ist1? In diesem Fall wurden wir sagen, da jedes System (3.2) von "gedrehten" Pauli-Matrizen dem ursprunglichen System unitar aquivalent sei. Eine andere Sprechweise ware, da die Drehung R durch den Operator u auf dem Hilbertraum C2 reprasentiert wird. Wir behaupten konkret: Satz 15 Zu jedem u 2 SU (2) existiert genau ein R 2 SO(3), so da die Gleichung (3.3) erfullt ist. Alle R 2 SO(3) konnen auf diese Weise erzeugt werden. Die hierdurch vermittelte Abbildung f : SU (2) ! SO(3) ist ein Homomorphismus. Sie ist eine 2:1-Abbildung in dem Sinne, da u und ?u die gleiche Rotation R ergeben. Insbesondere gilt Kerf = f1; ?1g = Z2 . Die verschiedenen Teilaussagen dieses Satzes lassen sich in einer Aussage zusammenfassen: Die Sequenz f 1 ?! Z2 ?! SU (2) ?! SO(3) ?! 1 (3.4) ist exakt. Beweis des Satzes. Fur jedes x 2 R3 denieren wir x = x +x3ix x1??xix2 1 2 3 ! (3.5) Wir erhalten so jede hermitesche spurfreie 2 2-Matrix. Fur jedes u 2 SU (2) ist uxu?1 wieder eine solche Matrix, und folglich existiert x0 2 R3 mit x0 = uxu?1. Die hierdurch vermittelte Abbildung ist linear. Wegen ?jx0 j2 = det x0 = det(uxu?1) = det x = ?jxj2 ist sie normerhaltend, also orthogonal: x0 = Rx mit R = f (u) 2 O(3). Es gilt sogar R 2 SO(3). Grund: Als topologischer Raum ist SU(2) zusammenhangend (man kommt stetig von einem Punkt zum anderen), und die Abbildung u 7! det f (u) ist stetig mit Werten in f1g. Der Es genugt die Matrizen in SU (2) statt in U (2) zu suchen; denn mit u 2 U (2) leistet auch cu bei jcj = 1 die gleichen Dienste, und durch det(cu) = 1 kann c 1 geeignet festgelegt werden. 3.1. WIE DREHT MAN DEN SPIN? 63 Wert +1 tritt sicher auf (z.B. fur u = 1). Dann kann aus Stetigkeitsgrunden -1 als Wert nicht auftreten. Eine einfache U berlegung zeigt, da f (uu0) = f (u)f (u0) und f (1) = 1 erfullt sind. Um nun zu zeigen, da jedes R 2 SO(3) erhaltlich ist, erinnern wir daran, da eine beliebige Rotation als R = exp A mit 1 0 0 ?a3 a2 A=B @ a3 0 ?a1 CA ?a2 a1 0 darstellt werden kann. Der innitesimalen Rotation A ordnen wir die Matrix A^ = ? 2i a zu: ! i a a ? ia 3 1 2 = ? 21i a A^ = ? 2 a + ia ?a 1 2 3 Dann lautet unsere Behauptung, da u = exp A^ das Problem 8x 2 R3 : uxu?1 = (Rx) lost. Es genugt, die entsprechende Behauptung fur innitesimale Rotationen zu verizieren: 8x 2 R3 : [A;^ x] = (Ax) Diese Formel ist aber inhaltlich identisch mit den Vertauschungsrelationen der Pauli-Matrizen: [a; x] = 2i(a x). Wir kommen nun zu der Behauptung, da es sich bei f um eine 2:1-Abbildung handelt, bei der u und ?u auf das gleiche R abgebildet werden. Angenommen, wir hatten zwei Losungen u und u0 zu gegebenem R. Deniere v = u0u?1. Dann vertauscht v mit allen Matrizen x und folglich mit allen hermiteschen 22-Matrizen: das leistet nur v = 1. Auerdem gilt v 2 SU (2) und deshalb det v = 2 = 1. Somit ergeben sich die beiden Losungen = 1 ) u0 = u = ?1 ) u0 = ?u d.h. genau u und ?u (und keine weiteren Matrizen) fuhren zum gleichen R. Das Zentrum der Gruppe SU (2) (das sind diejenigen Gruppenelemente, die mit jedem Gruppenelement vertauschen) besteht aus KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) 64 1 und -1. Diese sind zugleich diejenigen Elemente der SU (2), die auf R = 1 abgebildet werden. Sie bilden den Kern des Homomorphismus f : SU (2) ! SO(3). 2 Der Satz 15 demonstriert die enge Verwandtschaft der beiden Gruppen SU (2) und SO(3). In vier weiteren Anmerkungen soll diese Verwandtschaft naher beleuchtet werden. 1. Nach Division durch das Zentrum werden die beiden Gruppen isomorph: SU (2)=Z2 = SO(3) 2. SU (2) und SO(3) sind lokal isomorph: Zu jedem u 2 SU (2) existiert eine Umgebung2 von u, die stetig und bijektiv auf eine Umgebung von R = f (u) in SO(3) abgebildet wird. 3. f : SU (2) ! SO(3) beschreibt eine 3-dimensionale Darstellung der Gruppe SU (2) (oder kann so aufgefat werden). Sie ist unitar und irreduzibel. Erlauterung: Normalerweise sind Drehungen orP 0 thogonale Transformationen eines reellen Raumes: xi = k Rik xk . Vermoge zi0 = Pk Rik zk konnen wir sie aber ebenso gut als spezielle unitare Transformationen des Hilbertraumes C3 auassen, und damit gilt f : SU (2) ! Aut(C3). Wir werden spater sehen, da diese Darstellung durch die Drehimpulsquantenzahl ` = 1 charakterisiert ist. 4. SU (2) ist die universelle Uberlagerungsgruppe der Drehgruppe SO(3). Sie ist damit die "kleinste", bis auf Isomorphie eindeutige, einfach zusammenhangende Gruppe G, die "groer" als SO(3) ist. In dem letzten Punkt wird ein wichtiges Konzept bei den topologischen Gruppen angesprochen, das wir kurz erlautern wollen. In einer exakten Sequenz f 1 ! K ! G ?! H!1 (3.6) Gemeint ist eine Umgebung U in der Gruppenmannigfaltigkeit; denn wenn wir 2 einmal von der Gruppenstruktur absehen, so sind SU (2) und SO(3) topologische Raume, zu deren Beschreibung wir lokal drei reelle Parameter benotigen. Umgebungen in diesen Raumen konnen wir daher durch Umgebungen im R3 beschreiben. Bei der Wahl von U hat man nur Sorge zu tragen, da U \ (?U ) = ; erfullt ist. 3.1. WIE DREHT MAN DEN SPIN? 65 von stetigen Homomorphismen, wo H zusammenhangend, G einfach zusammenhangend und K diskret (also vollig unzusammenhangend) ist, heit f eine Uberlagerungsabbildung (U A), und eine universelle U A dann, wenn jede weitere U A 0 f H!1 1 ! K 0 ! G0 ?! die Eigenschaft hat, da f 0 uber f faktorisiert, d.h. wenn f 0 = f e fur ein e : G0 ! G gilt. Jede der hier angesprochenen Gruppen G; G0 usw. wird Uberlagerungsgruppe (U G) von H genannt. Existenz und Eindeutigkeit (bis auf Isomorphie) der universellen U G kann allgemein bewiesen werden: Auf dieser Tatsache beruht Bedeutung und Tragweite des gesamten Konzeptes. Trivial ist, da die universelle U G einer einfach zusammenhangenden Gruppe H mit H zusammenfallt. Weiterhin gilt, da Gruppe und universelle U G immer lokal isomorph sind. In einer U A (3.6) gibt n = jK j (auch n = 1 moglich) die Zahl der "Blatter" an, mit der H uberdeckt wird, ahnlich den Blattern einer Riemannschen Flache, die die komplexe Ebene uberdecken. Wir zahlen nun (ohne Beweis) wichtige Falle von universellen U A's auf, die in der Physik eine Rolle spielen: 1!Z!R 1!Z!R 1 ! Z2 ! SU (2) 1 ! Z2 ! SU (2) SU (2) 1 ! Z2 ! SL(2; R) 1 ! Z2 ! SL(2; C) ?! ?! ?! ?! ?! ?! U (1) ! 1 SO(2) ! 1 SO(3) ! 1 SO(4) ! 1 LOG(3) ! 1 LOG(4) ! 1 (3.7) (3.8) (3.9) (3.10) (3.11) (3.12) Hier bezeichnet LOG(n) die Lorentz-Gruppe3 in n Dimensionen (n-1 Raum- und eine Zeitdimension). Man stellt leicht fest, da die Gruppe LOG(2), im Gegensatz zu ihren hoheren Schwestern, einfach zusammenhangend ist. Genau gesprochen, betrachten wir hier nur die Zusammenhangskomponente der Einheit: das sind diejenigen Lorentz-Transformationen, die stetig mit der 4 4-Einheitsmatrix durch einen Weg innerhalb der Gruppe aller LorentzTransformationen verbunden werden konnen. 3 66 KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) 3.2 Parametrisierung der SU(2) Eine beliebige Matrix u 2 SU (2) hat die Gestalt ?b ! d u = b d ; jdj2 + jbj2 = 1 (3.13) Umgekehrt gehort jede Matrix, die diese Gestalt hat, zur Gruppe SU (2). Damit steht uns eine bequeme Parametrisierung der Gruppe durch zwei komplexe Zahlen, die einer einschrankenden Bedingung genugen, zur Verfugung. Von hier aus gelangt man zu einer Beschreibung durch vier reelle Groen c0; c1 ; c2; c3, die sog. Caley-Parameter, indem man d = c0 + ic3 b = c2 + ic1 (3.14) (3.15) setzt und sie der Bedingung c20 + c21 + c22 + c23 = 1 unterwirft. Dies zeigt, da die SU (2) als topologische Mannigfaltigkeit mit der 3-Sphare S 3 , also mit der Oberache einer Hyperkugel im R4 vom Radius 1 identiziert werden kann. Da die S 3 einfach zusammenhangend und kompakt ist, gilt dies auch fur die SU (2). In einem weiteren Schritt, durch die U berlagerungsabbildung SU (2) ! SO(3) namlich, gelangt man zu einer Parametrisierung der Drehgruppe SO(3) durch die Caley-Parameter: 1 0 2 2 2 2 c0 ? c1 ? c2 + c3 2(c0c2 ? c1c3) 2(c0c1 + c2 c3) R=B @ 2(?c0 c2 ? c1c3 ) c20 + c21 ? c22 ? c23 2(c0c3 ? c1c2 ) CA 2(?c0 c1 + c2 c3) 2(?c0c3 ? c1 c2) c20 ? c21 + c22 ? c23 (3.16) Die SO(3) als Mannigfaltigkeit darf naturlich nicht unmittelbar mit der S 3 identiziert werden. Dazu ist notig, da wir zuvor gegenuberliegende Punkte auf der S 3 identizieren; denn (ci) und (?ci) fuhren zum gleichen R. Die so entstehende Mannigfaltigkeit ist nicht mehr einfach zusammenhangend (nicht jeder geschlossene Weg lat sich auf einen Punkt zusammenziehen). 3.2. PARAMETRISIERUNG DER SU(2) 67 Nun haben wir schon bei dem Beweis des Satzes 15 gewisse u 2 SU (2) kennengelernt, namlich (3.17) u = exp A^ ; A^ = ? 2i a ; mit a = fa1; a2 ; a3g 2 R3 und ! = jaj . Wir fragen uns nun, ob durch diese Formel eine Parametrisierung der gesamten SU (2) erreicht werden kann. Die Beantwortung verlangt Sorgfalt von uns. Mit Hilfe der Matrixidentitat 4A^2 + !21 = 0 (3.18) kann die Exponentialreihe aufsummiert werden: exp A^ = (cos !2 )1 + ( !2 sin !2 )A^ (3.19) Vergleiche hierzu die analoge Formel (1.46). Die Caley-Parameter lassen sich nun leicht durch den Vektor a ausdrucken: (3.20) c0 = cos !2 ci = a!i sin !2 (i = 1; 2; 3) (3.21) Aber nun erkennen wir, da die Einschrankung 0 ! auf c0 0 fuhrt, und damit erreichen wir nur die "Halfte" von SU (2), namlich4 fu 2 SU (2) : Spur u 0g Erst die Erweiterung 0 ! 2 und damit 0 jaj 2 (3.22) bringt das gewunschte Ergebnis: eine U berdeckung der gesamten SU (2). Das Gebiet (3.22) stellt eine Kugel vom Radius 2 dar, so da den Punkten der Kugeloberache nur ein Element der Gruppe entspricht: die Matrix -1. Indem wir alle Punkte der Kugeloberache identizieren, erhalten wir eine topologische Mannigfaltigkeit, die der Sphare S 3 isomorph ist, wie zu erwarten war. Es ist leicht einzusehen, da dieser Teil der SU (2) keine Untergruppe ist; denn aus Spuru 0 und Spurv 0 folgt keineswegs immer Spuruv 0. 4 68 KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) Unser Ziel ist eine Parametrisierung der Sphare S 3 durch geeignete Winkelvariable: Wir wahlen Polarkoordinaten fur den Vektor a mit jaj 2: a1 = ! sin cos a2 = ! sin sin a3 = ! cos Dies konnen wir in (3.20-21) einsetzen: c0 = cos !2 (3.23) ! c1 = sin 2 sin cos (3.24) ! c2 = sin 2 sin sin (3.25) ! (3.26) c3 = sin 2 cos Die drei Winkel !2 ; ; erweisen sich somit als Polarkoordinaten der S 3, wobei ; Polarkoordinaten der S 2 sind und die Richtung der Drehachse beschreiben. Der Bereich, uber den die Winkel variieren, ist: 0 ! 2 0 0 2 (3.27) L.Euler, als er sich mit dem Verhalten des Kreisels befate, bevorzugte eine andere Parametrisierung (fur ihn handelte es um Lagekoordinaten des Kreisels). Die nach ihm benannten Euler-Winkel ; ; sind bequeme Parameter der SO(3), aber auch jedes Element u 2 SU (2) kann so geschrieben werden: u = u3( )u2( )u3() (3.28) wobei uk (!) = e?i!k =2 = cos !2 ? i(sin !2 )k k = 1; 2; 3 (3.29) Diesen Gruppenelementen entsprechen in der Drehgruppe SO(3) Drehungen um die k-Achse mit dem Winkel !. Der Zusammenhang mit ursprunglichen Parametrisierung (3.13) ist leicht hergestellt: (3.30) d = exp(i +2 ) cos 2 b = exp(i ?2 ) sin 2 (3.31) 3.3. DIE INVARIANTE INTEGRATION 69 Daraus ergeben sich die Caley-Parameter: c0 = cos +2 cos 2 c2 = cos ?2 sin 2(3.32) c3 = sin +2 cos 2 (3.33) c1 = sin ?2 sin 2 Eine genaue Inspektion dieser Darstellung zeigt, wie der Denitionsbereich zu wahlen ist: 0 4 0 0 2 (3.34) Zur Parametrisierung der Gruppe SO(3) genugt es, wenn im Intervall [0; 2] variiert. 3.3 Die invariante Integration Wir wollen nun das Haarsche Ma fur die Gruppe SU (2) bestimmen. Voraussetzung ist, da wir die Gruppe geeignet parametrisiert haben, so da stetige Funktionen auf der Gruppe als stetige Funktionen in den Gruppenparametern angesehen werden konnen. Was soll das Haarsche Ma leisten? Mit seiner Hilfe mu es moglich sein, jeder stetigen Funktion f : SU (2) ! R ihren Mittelwert zuzuordnen, Z M[f ] = d(u) f (u) ; (3.35) so da M[f ] einer Invarianzforderung genugt: Fur alle v; v0 2 SU (2) soll Z M[f ] = d(u) f (v0uv?1) (3.36) gelten. Fur festes v und v0 heit u 7! v0uv?1 eine Translation in der Gruppe. Indem wir jedes u 2 SU (2) mit einem Punkt der Sphare S 3 identizieren und die Caley-Parameter fcig zur Beschreibung heranziehen, ? ic3 ?c2 ? ic1 u = cc0 ? 2 ic1 c0 + ic3 ! c20 + c21 + c22 + c23 = 1 ; (3.37) 70 KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) lassen sich die Translationen als Abbildungen tv0 ;v : S 3 ! S 3 ; u 7! v0uv?1 (3.38) der Sphare interpretieren. Wir wollen jetzt zeigen, da es sich, anschaulich gesprochen, um Drehungen der Sphare handelt, wenn wir sie uns in den 4-dimensionalen Raum eingebettet denken. Der R4, in den die Sphare eingebettet ist, soll durch cartesische Koordinaten xi = rci (i = 0; 1; 2; 3)(0 r < 1) beschrieben werden. Jedem Punkt des R4 entspricht dann genau eine Matrix ix3 ?x2 ? ix1 ru = xx0 ? 2 ? ix1 x0 + ix3 ! u 2 SU (2) ; r 0 (3.39) Die durch (3.38) induzierten reell-linearen Abbildungen t(v0; v) : R4 ! R4 ; ru 7! v0ruv?1 (3.40) transformieren jede Hyperkugel jxj = r = const: in sich und sind damit Elemente der orthogonalen Gruppe O(4). Es gilt sogar t(v0; v) 2 SO(4); denn sowohl v als auch v0 konnen in der SU (2) stetig in die 2 2Einheitsmatrix uberfuhrt werden und es gilt t(1; 1) = 1. Satz 16 Die Abbildung t : SU (2) SU (2) ! SO(4) ; (v0; v) 7! t(v0; v) ist ein Homomorphismus, dessen Kern aus genau zwei Elementen besteht: (1,1) und (-1,-1). Die Produktgruppe SU (2) SU (2) ist die uni der SO(4) und t die universelle UA. Die Sequenz verselle UG t 1 ! Z2 ! SU (2) SU (2) ?! SO(4) ! 1 (3.41) ist exakt. Die noch fehlenden Details zum Beweis dieses Satzes werden dem Leser uberlassen. Fur uns ist im Augenblick nur wichtig, da es genau ein normiertes Ma auf S 3 gibt, das SO(4)-invariant ist, namlich das Oberachenma d 3 , wenn wir es durch das Ma jS 3j = 22 der gesamten Oberache dividieren: d(u) = (22)?1 d 3 (3.42) 3.3. DIE INVARIANTE INTEGRATION 71 Das Oberachenma steht mit dem Volumenma d4x = dx0 dx1dx2 dx3 in einem einfachen Zusammenhang, d4 x = r3dr d 3 ; (3.43) und die Jacobi-Determinante fur den U bergang zu Polarkoordinaten ist leicht ausgerechnet: @ (x0 x1 x2 x3 ) = 1 r3(1 ? cos !) sin (3.44) @ (r!) 4 Hierbei haben wir xi = rci und (3.23-26) benutzt. Jetzt konnen wir schreiben: (3.45) d 3 = 14 (1 ? cos !)d! d 2 d 2 = sin d d (3.46) Wir interpretieren das Ergebnis anschaulich so: Eine Mittelung uber die Gruppe SU (2) vollzieht sich in zwei Schritten, (1) Mittelung uber die Sphare S 2 (d.h. uber die moglichen Richtungen der Drehachse), (2) Mittelung uber alle Werte des Drehwinkels ! mit dem Gewicht 1?cos !, wobei im Gegensatz zur SO(3) der "vergroerte" Bereich 0 ! 2 zugrundegelegt werden mu. Satz 17 Fur jede stetige Funktion f auf der Gruppe SU (2) ist das Mittel durch Z 2 Z Z 2 M[f ] = 812 0 d! (1 ? cos !) 0 d sin 0 d f (!; ; ) (3.47) gegeben. In den Anwendungen kommt es oft vor, da f eine Klassenfunktion ist, also auf den auf den Konjugationsklassen konstant ist, d.h. es gilt 8u; v 2 SU (2) : f (uv) = f (vu) (3.48) In einer solchen Situation vereinfacht sich die Vorschrift (3.47). Die Funktion f ist genau dann Klassenfunktion, wenn f invariant ist gegenuber allen Translationen tv;v . Die Elemente (v; v) formen eine Untergruppe von SU (2) SU (2), die sog. Diagonalgruppe des direkten 72 KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) Produktes. Sie ist der Gruppe SU (2) isomorph. Das Bild der Diagonalgruppe unter t ist die Untergruppe SO(3) SO(4). Welche Untergruppe? Aus Spur(vuv?1) = Spur u (3.49) folgt, da es sich bei t(v; v) um genau diejenigen SO(4)-Transformationen handelt, die den Caley-Parameter c0 und damit den Drehwinkel ! erhalten. Sie formen eine Untergruppe = SO(3). Klassenfunktionen sind also einfach Funktionen von !. Damit folgt: Satz 18 Jedem u 2 SU (2) ist ein Drehwinkel ! 2 [0; 2] zugeordnet, der sich gema der Formel 2 cos !2 = Spur u berechnet. Klassenfunktionen auf der Gruppe sind Funktionen von ! allein. Der Mittelwert einer Klassenfunktion ist durch Z 2 (3.50) M[f ] = 21 0 (1 ? cos !)f (!) d! gegeben. Typische Klassenfunktionen sind Charaktere von Darstellungen. Manchmal ist es nutzlich, die Beschreibung des invarianten Integrals auch in der Parametrisierung der SU (2) durch die Euler-Winkel ; ; zu kennen. In diesem Fall erhalt man eine andere Jacobi-Determinante: @ (x0 x1 x2 x3 ) = r3 sin (3.51) @ (r ) 8 und damit die folgende Vorschrift fur die Berechnung des Mittelwertes: Z 4 Z Z 2 M[f ] = (41)2 0 d 0 d sin 0 d f (; ; ) (3.52) Fur die Beschreibung von Klassenfunktionen sind die Euler-Winkel jedoch nicht besonders bequem. 3.4 Konstruktion irreduzibler Darstellungen Wir beginnen mit einer Voruberlegung. Die SU (2) ist eine Matrixgruppe; ihre Matrizen wirken auf Spinoren z = (z1 ; z2) 2 C2 . Man kann den 3.4. KONSTRUKTION IRREDUZIBLER DARSTELLUNGEN 73 Raum C2 , in einer anderen Betrachtungsweise, auch als den Raum aller linearen Funktionen f (1 ; 2 ) von zwei komplexen Variablen auassen gema der Korrespondenz (z1 ; z2 ) () f (1; 2) = z1 1 + z2 2 Wir scheiben vereinfachend = (1; 2) und f ( ). Der Wirkung von u 2 SU (2) auf dem Raum C2 entspricht eine Wirkung von u auf dem Funktionenraum: h 1=2 i D (u)f ( ) = f (uT ) (3.53) Genau genommen ist diese Darstellung - wir haben sie D1=2 genannt nichts anderes als die vertraute Darstellung der SU (2) auf C2 . Denn, indem wir in dem Funktionenraum die Basis, bestehend aus den beiden Funktionen f1 ( ) = 1 und f2 ( ) = 2, einfuhren, hat jede Funktion die Gestalt f = z1 f1 + z2 f2 , d.h. z1 und z2 sind die Koordinaten von f , und bei dieser (naturlichen) Wahl der Koordinaten kann D1=2 mit der Matrix u identiziert werden5 . Die folgende Konstruktion geht auf H.Weyl zuruck. Sei L der Vektorraum aller6 Polynome P ( ) von = (1; 2). Eine Darstellung D : SU (2) ! Aut(L) erklaren wir durch [D(u)P ]( ) = P (uT ) ; u 2 SU (2) (3.54) Bekanntlich studiert man in der Theorie der Vektorraume den Dualraum L0 eines (endlich-dimensionalen) Vektorraumes L und ndet eine naturliche Isomorphie L00 = L. Davon haben wir hier Gebrauch gemacht. Jedem linearen Operator A : L ! L entspricht ein dualer Operator A0 : L0 ! L0. Es gilt (AB )0 = B 0 A0 . Eine Darstellung D einer Gruppe G auf L induziert immer eine Darstellung D auf L0 durch die Vorschrift D (g) = D(g?1 )0 fur alle g 2 G. Man sagt, D sei konjugiert zu D. Nach Wahl einer Basis (ei ) in L und der zugeordneten dualen Basis (e0i ) mit e0i (ek ) = ik in L0 sind die Darsteller Matrizen, so da D (g)ik = D(g?1 )ki gilt, oder, wie wir auch schreiben konnen: D (g) = (D(g)T )?1 . Naturlich induziert D wiederum eine Darstellung D auf dem Raum L00 . Unter der Isomorphie L00 =L gilt aber D = D. In unserer Situation haben wir z 2 C2 , 2 (C2 )0 und f 2 (C2 )00 . Gehen wir von der identischen Darstellung D(u) = u der SU (2) aus, so konnen wir - in der Matrizenschreibweise - die konjugierte Darstellung durch D (u) = (uT )?1 beschreiben; D (u) = u ist automatisch erfullt. Anstelle von D haben wir D1=2 geschrieben. 6 Gemeint sind selbstverstandlich Polynome beliebigen Grades in zwei komplexen Variablen 1 und 2 mit komplexen Koezienten. Die Dimension des Raumes L ist abzahlbar unendlich. 5 KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) 74 Mit Hilfe des Haarschen Maes auf der Gruppe gelingt es, ein Skalarprodukt in L einzufuhren, so da D zu einer unitaren Darstellung wird7: Z (P; Q) = 2 d(u) P (u^)Q(u^) (3.55) Die Wahl von ^ ist im Grunde irrelevant. Wir wahlen ^ = (1; 0). Invariante Teilraume sind leicht zu nden. Fur die Werte j = 0 ; 12 ; 1 ; 23 ; 2 ; 52 ; : : : (3.56) sind die Teilraume Lj = fP 2 L : P (t ) = t2j P ( )g (3.57) alle invariant bezuglich D. Die Vektoren in Lj heien homogene Polynome vom Grade 2j . Mit Dj bezeichnen wir die Teildarstellung auf dem Raum Lj . Da jedes Polynom P 2 L als Summe homogener Polynome geschrieben werden kann, und da eine unitare Darstellung zerfallt, erhalten wir eine Zerlegung in Form einer direkten Summe: M M L = Lj ; D = D j j j Wir konnen nun eine Basis in L aus homogenen Polynomen Pjm so bestimmen, da fur festes j und m = ?j; ?j +1; : : : ; j ? 1; j gerade der Teilraum Lj aufgespannt wird: " # 1=2 + 1)! j +m j ?m Pjm( ) = 2(j +(2mj )!( (3.58) j ? m)! 1 2 Damit folgt dim(Lj ) = 2j + 1. Die Matrizen der Darstellung Dj sind durch X j (u) Pjm0 (uT ) = Pjm( )Dmm (3.59) 0 m gegeben. Zum besseren Verstandnis betrachten wir die einfachsten Falle: 1. Der Fall j=0. Es ist P00( ) = 1, dim(L0 ) = 1 und D0(u) = 1 fur alle u 2 SU (2). Es handelt sich hier oensichtlich um die triviale Darstellung D0 = 1 der SU (2). 7 Dies wurde auf den Seiten 30-31 ausfuhrlich diskutiert. 3.4. KONSTRUKTION IRREDUZIBLER DARSTELLUNGEN 75 2. Der Fall j=1/2. Es ist P 21 21 ( ) = 1 P 12 ? 21 ( ) = 2 Ein beliebiger Vektor in L1=2 hat die Gestalt z1 1 + z2 2, und aufgrund der eingangs angestellten U berlegungen kann man L1=2 mit dem Spinorraum C2 identizieren, von dem die gesamte Konstruktion ihren Ausgang nahm. Fazit: Bei der von uns gewahlten Basis ist D1=2 (u) = u, d.h. D1=2 erweist sich als die identische Darstellung der SU (2). 3. Der Fall j=1. Anstelle der Basis P11 ; P10; P1?1 kann man auch die Basis p Q1( ) = 23 (12 ? 22) (3.60) p (3.61) Q2( ) = 2i3 (12 + 22) p Q3( ) = 3 12 (3.62) benutzen. Dann zeigt eine kleine Rechnung, da Qk (uT ) = 3 X i=1 Qi( )Rik (k = 1; 2; 3) (3.63) gilt, wobei R 2 SO(3) die Gestalt (3.16) besitzt, wenn u 2 SU (2) in der Form (3.37) vorliegt. Die Darstellung D1 ist also aquivalent zur U berlagerungsabbildung f : SU (2) ! SO(3). Wir konnen schreiben: D1 (u) = Sf (u)S ?1, wobei S eine unitare 3 3-Matrix ist, die sich aus dem Basiswechsel ergibt. Wir kommen nun zu den allgemeinen Aussagen: Satz 19 Die Polynome Pjm bilden eine orthonormierte Basis in L. Fur jedes j sind die Darstellungsmatrizen Dj (u) unitar. Der Charakter der Darstellung Dj ist j + 1)(!=2) j (!) = sin(2sin( (3.64) !=2) KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) 76 (!=Drehwinkel). Jede der Darstellungen Dj ist irreduzibel; sie sind paarweise inaquivalent zueinander und stellen eine vollstandige Liste von irreduziblen Darstellungen dar, d.h. jede weitere irreduzible Darstellung der SU (2) ist aquivalent zu einer der Darstellungen Dj . Es gilt Dj (?u) = (?1)2j Dj (u) (3.65) Folglich sind Darstellungen mit ganzzahligem j zugleich auch unitare Darstellungen der Gruppe SO(3). Darstellungen mit halbzahligem j sind "zweiwertige", d.h. projektive Darstellungen der SO(3). Beweis. Wir wahlen die Parametrisierung der SU (2) durch die EulerWinkel ; ; . Wir setzen = uT ^ fur u 2 SU (2) und ^ = (1; 0), so da 1 = e?i(+)=2 cos(=2) 2 = ?ei(?)=2 sin(=2) Nun fuhren wir noch die Konstante " + 1)! cjm = 2(j +(2mj )!( j ? m)! ein und erhalten so Pjm(uT ^) = cjm1j+m2j?m " = cjme?im cos 2 #j+m " (3.66) (3.67) #1=2 ? sin 2 (3.68) #j?m (3.69) e?ij (3.70) Jetzt konnen wir das Skalarprodukt berechnen: Z 4 Z Z 2 2 0 0 (Pjm; Pj m ) = (4)2 d d sin d Pjm(uT ^)Pj0m0 ((3.71) uT ^) 0 0 0 2 (3.72) = jcjmj Ijmjj0 mm0 wobei wir Z 4 0 d ei(m0 ?m) = 4mm0 Z 2 0 d ei(j0?j) = 2jj0 3.4. KONSTRUKTION IRREDUZIBLER DARSTELLUNGEN ausnutzten und die Abkurzung Ijm = Z 0 " d sin cos 2 #2(j+m) " sin 2 #2(j?m) 77 (3.73) einfuhrten. Indem wir sin = 2 sin(=2) cos(=2) setzen und sodann die neue Integrationsvariable = =2 einfuhren, kann Ijm auf ein bekanntes Integral zuruckgefuhrt werden: Z =2 ? m)! d [cos ]2(j+m)+1 [sin ]2(j?m)+1 = 2 (j +(2mj)!(+j1)! 0 (3.74) 2 Also gilt jcjmj Ijm = 1 und damit Ijm = 4 (Pjm; Pj0m0 ) = jj0 mm0 (3.75) Da wir nachgewiesen haben, da die Basis in L orthonormiert ist, wird jeder unitare Operator Dj (u) bezuglich der Basis fPjm ; ?j m j g in Lj zu einer unitaren Matrix: Die Darstellungen Dj sind unitar. Wir berechnen nun den Charakter j . Da er als Klassenfunktion nur von dem Drehwinkel ! abhangen kann, genugt es fur jeden Wert von ! einen Reprasentanten in der Klasse zu wahlen, z.B. ?i!=2 0 u3(!) = e 0 ei!= 2 Dann ist Also und ! h ij+m h i!=2 ij?m Pjm(u3(!)T ) = cjm e?i!=2 1 e 2 = e?im! Pjm( ) (3.76) (3.77) j (u (! )) = e?im! 0 (?j m; m0 j ) Dmm 0 3 mm (3.78) j (!) = j X m=?j j + 1)(!=2) e?im! = sin(2sin( !=2) (3.79) KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) 78 Wir berechnen nun0 das Skalarprodukt der Charaktere zweier Darstellungen Dj und Dj unter Benutzung von Satz 18: Z 2 j 0 + 1)(3.80) !=2 1 M[j j0 ] = 2 0 d! (1 ? cos !) sin(2sinj +!=1)2!=2 sin(2sin !=2 Z = 2 d sin(2j + 1) sin(2j 0 + 1) (3.81) 0 ( = !=2) (3.82) = jj0 Die Darstellung Dj ist irreduzibel, weil ihr Charakter die Norm 1 hat 0 j j (Satz 14). Zwei Darstellungen D und D mit j 6= j 0 sind inaquivalent, weil ihre Charaktere orthogonal zueinander sind. Die Liste fDj ; j = 0; 1=2; 1; 3=2; : : :g der irreduziblen Darstellungen ist vollstandig; denn gabe es eine weitere irreduzible Darstellung, so mute fur ihren Charakter gelten: 8j M(j ) = 0, d.h. Z d sin(2j + 1) [(2) sin ] Weil das Funktionensystem sin n (n = 0; 1; 2; : : :) fur den Raum aller stetigen Funktionen f () auf dem Intervall [0; ] mit f (0) = f () = 0 vollstandig ist, folgt8 (2) sin = 0, d.h. = 0. Daraus folgt: (0) = Dimension der Darstellung = 0, also ein Widerspruch. Da die Polynome Pjm homogen vom Grade 2j sind, gilt Pjm(?uT ) = (?1)2j Pjm(uT ) und somit Dj (?u) = (?1)2j Dj (u). Bei der U berlagerungsabbildung SU (2) ! SO(3) werden aber genau u und ?u auf das gleiche R 2 SO(3) abgebildet. Damit ergeben sich die restlichen Aussagen des Satzes. 2. Jede (unitare) Darstellung D der SU (2) hat ihre eigenen (selbstadjungierten) Generatoren J = fJ1 ; J2; J3g. Denitionsgema gilt D(e?ia=2 ) = e?iaJ (3.83) fur a = fa1; a2 ; a3g mit reellen Komponenten. In der Darstellung D = Dj bestatigt man leicht durch U bergang zu den innitesimalen SU (2)Transformationen die aus der Quantenmechanik bekannten Formeln: (J1 + iJ2 )mm0 = [(j ? m + 1)(j + m)]1=2 m;m0 +1 (3.84) 0 Wir nutzen hier naturlich aus, da die Darstellung stetig ist. Folglich ist der Charakter eine stetige Funktion. Beachte, da f () = (2) sin die Bedingung f (0) = f () = 0 erfullt. 8 3.5. EINE REALISIERUNG DURCH BOSE-OPERATOREN 79 (J1 ? iJ2 )mm0 = [(j + m + 1)(j ? m)]1=2 m;m0 ?1 (3.85) (3.86) (J3 )mm0 = m m;m0 2 2 2 (3.87) (J1 + J2 + J3 )mm0 = j (j + 1) m;m0 In der irreduziblen Darstellung Dj nimmt der Operator J2 - wie erwartet - den Eigenwert j (j + 1) an. 3.5 Eine Realisierung durch Bose-Operatoren Wir variieren das Thema des vorangegangenen Abschnittes, indem wir eine Methode vorstellen, die von J.Schwinger in die Physik eingefuhrt wurde. Bekanntlich kann der eindimensionale quantenmechanische Oszillator dadurch behandelt werden, da man seinen Hamilton-Operator in die folgende Form bringt: H = !(aya + 21 ) Die Operatoren a und ay, die die Vertauschungsrelationen [a; ay] = 1 (3.88) erfullen, spielen auch in anderen Bereichen der Quantenphysik eine wesentliche Rolle und werden kurz Bose-Operatoren genannt. Es ist ublich den (normierten) Grundzustand des Oszillators mit dem Symbol j0i zu belegen und alle angeregten Zustande jni daraus zu konstruieren: y )n ( a p j0i (n = 1; 2; 3; : : :) jni = n! Der Formalismus lat sich ohne weiteres auf den d-dimensionalen harmonischen Oszillator ausdehnen, indem wir schreiben: H= d X i=1 !i(ayi ai + 21 ) Die Vertauschungsrelationen nehmen hier die Form an: [ai ; ak ] = 0 [ayi ; ayk ] = 0 [ai ; ayk ] = ik (3.89) KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) 80 (i; k = 1; : : : ; d). Der Grundzustand eines solchen Oszillators ist durch die Bedingungen ai j0i = 0 und h0j0i = 1 bis auf eine irrelevante Phase charakterisiert, wahrend die Anregungszustande durch y )n1 (ay )n2 (ap 1 2 j0i n1!n2 ! (3.90) beschrieben sind. Die ayi heien Erzeugungsoperatoren, die ai Vernichtungsoperatoren. Nun sei d = 2 und J1 = 21 (ay1 a2 + ay2a1 ) J2 = 21i (ay1 a2 ? ay2 a1 ) J3 = 12 (ay1 a1 ? ay2 a2 ) (3.91) (3.92) (3.93) Dann erfullen die so denierten Operatoren die Vertauschungsrelationen der Drehimpulskomponenten: [Jk ; J`] = iJm (k; `; m = 1; 2; 3 zyklisch) Damit sind diese Operatoren die Erzeuger einer Darstellung der SU (2) auf dem Zustandsraum L des zweidimensionalen Oszillators. Analog der Einfuhrung homogener Polynome (3.58) in der Weylschen Konstruktion, betrachtet Schwinger homogene Polynome in den beiden Erzeugungsoperatoren ay1 und ay2 und deniert die Zustande y j +m y j ?m jj; mi = q(a1) (a2 ) j0i (j + m)!(j ? m)! (3.94) (?j m j ). Man ndet durch bloe Anwendung der Vertauschungsrelationen (3.88) und der Bedingung aij0i = 0 die Wirkung der Drehimpulskomponenten auf die Basisvektoren: (J1 + iJ2 )jj; mi (J1 ? iJ2 )jj; mi J3 jj; mi 2 2 (J1 + J2 + J32 )jj; mi q = (j + m + 1)(j ? m) jj; m + 1i (3.95) q = (j ? m + 1)(j + m) jj; m ? 1i (3.96) = m jj; mi (3.97) = j (j + 1) jj; mi (3.98) 3.6. HARMONISCHE POLYNOME 81 Ein Vergleich mit (3.82-85) lehrt, da die Oszillatorzustande jj; mi mit festem j einen invarianten Teilraum Lj aufspannen, auf dem die Darstellung Dj der SU (2) wirkt. Es ist auch klar, da L in die direkte Summe der Raume Lj (j = 0; 12 ; 1; : : :) zerfallt. Damit ist der Oszillatorraum von Schwinger dem Weylschen Raum der Polynome vollig isomorph. Durch rekursive Anwendung der Formel (3.95) gelingt es, die Basiszustande jj; mi zu festem j und variablem m aus einem Zustand, etwa jj; j i, abzuleiten: " + m)! jj; mi = (j (?j m )!(2j )! #1=2 (J1 ? iJ2 )j?mjj; j i (3.99) Der Zustand jj; j i entspricht - anschaulich gesprochen - der physikalischen Situation, in der der Drehimpuls in die 3-Richtung weist (der Eigenwert von J3 ist maximal). 3.6 Harmonische Polynome Die Methode von Weyl, die Einfuhrung homogener Polynome, besitzt viele interessante Varianten. Wir diskutieren eine weitere Variante. Sei x = fx1 ; x2 ; x3g der Ortsvektor eines Teilchens und r; ; seine Polarkoordinaten: x1 = r sin cos x2 = r sin sin x3 = r cos Mit Hilfe der Kugelfunktionen Y`m denieren wir H`m (x) = r`Y`m(; ) (3.100) (?` m `; ` = 0; 1; 2; : : :). Die Funktionen H`m(x) erweisen sich als Polynome, homogen vom Grade `. Die einfachsten harmonischen KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) 82 Polynome sind: q 4 ` m 2`+1 H`m (x) 0 0 1 1 0 x3 1 1 p12 (x1 ix2 ) 2 0 12 (2x23 ? x21 ? x22 ) q 2 1 32 x3 (x1 ix2 ) q 2 2 12 32 (x1 ix2 )2 Die harmonischen Polynome wurden von J.C.Maxwell eingefuhrt, von ihm in seiner Theorie des Elektromagnetismus benutzt und heien harmonische Polynome, weil sie Losungen der Laplace-Gleichung H = 0 sind. Zugleich beschreiben sie fur festes ` eine Basis in L` , dem Raum aller harmonischen Polynome, die homogen vom Grade ` sind. L` ist Darstellungsraum der (2`+1)-dimensionalen Darstellung D` der SO(3). Ihre Darstellungsmatrizen sind durch X ` 0 (R) H`m0 (R?1x) = H`m (x)Dmm (3.101) m gegeben. Es handelt sich hier um die gleichen Matrizen, die wir schon fruher (Abschnitt 3.4) konstruiert haben, mit dem Unterschied allerdings, da nun das Argument nicht u sondern R heit und ` nur der Werte 0; 1; 2; : : : fahig ist (vgl. die Aussage des Satzes 19). Dies wollen wir kurz begrunden. Ausgangspunkt ist der Bahndrehimpuls L = x (?ir). Die Kugelfunktionen werden in der Quantenmechanik so eingefuhrt, da gilt: (L1 + iL2 )Y`m (L1 ? iL2 )Y`m L3 Y`m 2 2 (L1 + L2 + L23 )Y`m = = = = q (` + m + 1)(` ? m)Y`m+1 q (` ? m + 1)(` + m)Y`m?1 mY`m `(` + 1)Y`m (3.102) (3.103) (3.104) (3.105) Man erkennt: Es handelt sich hier um einen Spezialfall der Relationen (3.94-97) fur ganzzahliges j . Die Kenntnis von Y`` genugt, um Y`m fur 3.6. HARMONISCHE POLYNOME 83 allgemeines m zu konstruieren (Gleichung (3.98)): s ` (2` + 1)! ( ? 1) i` sin` e (3.106) Y``(; ) = 2``! 4 s 1)` (2` + 1)! x1 + ix2 ` = (? (3.107) ``! 2 4 r v u u ` + m)! `?m Y`m(; ) = t (2`()!( ` ? m)! (L1 ? iL2 ) Y``(; ) (3.108) Damit erhalten wir die folgende Darstellung fur die harmonischen Polynome: ` " 2` + 1 (` + m)! #1=2 ( ? 1) H`m(x) = 2``! 4 (` ? m)! (L1 ? iL2 )`?m (x1 + ix2)` (3.109) An dieser Darstellung wird uberhaupt erst deutlich, da es sich um Polynome handelt9 . Fur den Laplace-Operator kann man schreiben: 2 = 12 d r2 d ? L2 (3.110) r dr dr r Benutzen wir nun (3.99) und (3.104), so folgt in der Tat H`m = 0 fur alle ` und m. Da die harmonischen Polynome H`m homogen vom Grade ` sind, gilt insbesondere H`m(?x) = (?1)`H`m(x). Dies wird gewohnlich so ausgedruckt10 : Die Kugelfunktionen Y`m haben die Paritat (?1)`. Wir fassen die Winkel und als Koordinaten der Sphare S 2 auf. Es ist bequem fur dieses Winkelpaar zu schreiben. Das Oberachenma ist durch d = sin d d gegeben. Mit der Sphare S 2 ist in naturlicher Weise ein Hilbertraum L2 (S 2) verknupft: R L2 (S 2) = ff : S 2 ! C : d jf ( )j2 < 1g Beachte: Ist P (x) ein Polynom in x1 ; x2 ; x3 , so ist Lk P (x) wieder ein solches Polynom, wenn k = 1; 2; oder 3. Ist P homogen vom Grade `, so auch Lk P . 10 Entspricht x den Winkeln ; , so ?x den Winkeln ? ; 2 ? . Deshalb gilt Y`m ( ? ; 2 ? ) = (?1)` Y`m (; ). 9 KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) 84 In diesem Hilbertraum bilden die Kugelfunktionen eine (orthonormierte) Basis. Dies bedeutet konkret zweierlei: 1. Orthogonalitat und Normierung, d.h. Z = d Y`m( )Y`0m0 ( ) = ``0 mm0 (Y`m; Y`0m0 ) def (3.111) 2. Vollstandigkeit, d.h. jede Funktion f 2 L2 (S 2) kann nach Kugelfunktionen entwickelt werden: f ( ) = c`m = 1 X̀ X Z` m=?` c`mY`m( ) d Y`m( )f ( ) (3.112) (3.113) Die erste Eigenschaft wird in den Vorlesungen uber Quantenmechanik behandelt, die zweite Eigenschaft erfordert etwas Aufwand (insbesondere Methoden aus der Funktionalanalysis). 3.7 Multipole In der Elektrostatik begegnet man den harmonischen Polynomen bei der Multipolentwicklung des Potentials. Der Weg zu einer solchen Entwicklung fuhrt uber die Legendre-Polynome P`( ). Gewohnlich werden die Legendre-Polynome durch ihre erzeugende Funktion deniert: 1 X p1 ? 21u + u2 = u`P`( ) `=0 (?1 1 ; 0 u < 1). Fur zwei Vektoren x; x0 2 R3, die den Winkel # einschlieen, gilt dann 1 r 0 !` 1 = 1X (3.114) jx ? x0 j r `=0 r P`(cos #) (jxj = r > r0 = jx0j). Eine andere Weise, Legendre-Polynome einzufuhren, ist, sie als spezielle Kugelfunktionen aufzufassen: q Y`0(#; 0) (3.115) P`(cos #) = 2`4+1 3.7. MULTIPOLE 85 Noch interessanter wird der Zusammenhang mit den Kugelfunktionen durch das folgende Resultat. Satz 20 (Additionstheorem fur Kugelfunktionen) Es seien (; ) und (0 ; 0) die Polarkoordinaten zweier Einheitsvektoren e und e0 im R3 mit e e0 = cos #. Dann gilt P` 0 0 (3.116) P`(cos #) = 2`4+1 m=?` Y`m (; )Y`m ( ; ) Beweis. Wir schreiben Y`m(e) fur Y`m(; ), Y`m(e0 ) fur Y`m(0 ; 0) und setzen X (3.117) S`(e; e0 ) = Y`m(e)Y`m (e0) m Aus der Unitaritat der Darstellung D` der Gruppe SO(3) folgt die Rotationsinvarianz dieses Ausdruckes, d.h. 8R 2 SO(3) : S`(Re; Re0 ) = S`(e; e0 ), mit dem Resultat, da S` nur eine Funktion von e e0 = cos # ist. Wir berechnen sie, indem wir die Wahl e0 = f0; 0; 1g treen. In diesem Fall gilt # = und q 4 0 2`+1 Y`m (e ) = m0 Somit q 4 4 S (e; e0 ) = ` 2`+1 2`+1 Y`0 (; 0) = P` (cos ) unter Ausnutzung von (3.114). 2 Die Gleichungen (3.113), (3.115) und H`m(x0 ) = r0`Y`m(0; 0) fuhren uns direkt zu dem nachsten Resultat. Satz 21 (Multipolentwicklung) Sei (x) eine Ladungsverteilung mit (x) = 0 fur jxj > R. Dann existiert eine Entwicklung Z 1 f` (; ) 0) X ( x 3 0 (r = jxj > R) (3.118) d x jx ? x0 j = `+1 `=0 r wobei (r; ; ) die Polarkoordinaten von x sind und f`(; ) = q 4 P` 2`+1 m=?` q`m Y`m (; ) (3.119) Die q`m sind Integrale der harmonischen Polynome uber die Ladungsverteilung: q R 3 q`m = 2`4+1 d x (x)H`m (x) (3.120) KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) 86 Die durch das Integral (3.119) eingefuhrten Groen nennt man die Multipolmomente der Ladungsverteilung: ` = 0 q00 = Gesamtladung ` = 1 q1m = Dipolmoment ` = 2 q2m = Quadrupolmoment ` = 3 q3m = Oktupolmoment etc. Die U bertragung dieser Formeln aus der Elektrostatik in die Quantenphysik ist nun sehr leicht. In verschiedenen Situationen (spharisch asymmetrische Atomkerne, Ionen, Molekule usw.) mochte man die Multipolmomente der Ladungsverteilung bestimmen, wenn die Wellenfunktion des Vielkorperproblems als bekannt vorausgesetzt wird. Wir stellen uns allgemein vor, ein solches System bestehe aus n Teilchen mit den Ladungen qi (i = 1; : : : ; n). Die normierte Wellenfunktion sei (x(1) ; : : : ; x(n) ). Dann hat man in allen Formeln der Elektrostatik nur die Ladungsdichte11 Z Z n X (x) = d3x(1) : : : d3x(n) qi (x(i) ? x) j(x(1) ; : : : ; x(n) )j2 (3.121) i=1 einzusetzen. Ergebnis: Die Multipolmomente sind Erwartungswerte, d.h. es existieren Operatoren Q`m , so da q`m = (; Q`m) (3.122) Anders ausgedruckt: In der Quantenmechanik sind die Multipolmomente Operatoren, deren Erwartungswerte mit den (statischen) Megroen ubereinstimmen. Die Gestalt dieser Operatoren folgt unmittelbar aus den Formeln (3.119) und (3.120): [Q`m ](x(1) ; : : : ; x(n) ) = q 4 Pn (i) (1) (n) 2`+1 i=1 qi H`m (x )(x ; : : : ; x ) (3.123) Unter Drehungen (s.(1.48)) zeigen diese Operatoren das folgende Verhalten: X ` 0 (R) U (R)Q`m0 U (R?1 ) = Q`m Dmm (3.124) m Dies ist eine Konsequenz des Transformationsverhaltens der harmonischen Polynome. Fur festes ` transformieren sich die Operatoren 11 Hier bezeichnet (x) die 3-dimensionale Diracsche Deltafunktion. 3.7. MULTIPOLE 87 fQ`m ; ?` m `g wie die Basisvektoren einer irreduziblen Darstellung der Gruppe SO(3). Wir nennen solche Operatoren in der Quantenmechanik deshalb irreduzible Tensoroperatoren. Wir kommen auf diesen Begri im nachsten Kapitel noch einmal zuruck. 88 KAPITEL 3. DIE THEORIE DER SU(2) Kapitel 4 Kopplung von Drehimpulsen 4.1 Motivation und Problemstellung Aus der klassischen Mechanik wissen wir, da Drehimpulse sich wie Vektoren addieren. Die analoge Aussage fur die Quantenmechanik eines n-Korperproblems wurde in dem Abschnitt 1.5.5 diskutiert1: Es gilt die gleiche Regel, diesmal fur die Operatoren: L = L(1) + L(2) + : : : + L(n) Welche Drehimpulsoperatoren sind nun Erhaltungsgroen? Aus der angenommenen SO(3)-Invarianz2 folgt, da nur der Gesamtdrehimpuls L eine Erhaltungsgroe ist, und selbst diese Aussage bleibt korrekt nur so lange, wie wir den Spin vernachlassigen durfen. Wegen der Existenz der Spin-Bahn-Kopplung (s. Abschnitt 1.4) ist selbst fur ein einzelnes Elektron im rotationssymmetrischen Potential weder sein Bahndrehimpuls L noch sein Spin S separat erhalten, sondern lediglich die Summe J = L + S. In Formeln: Es gilt weder [L; L S] = 0 noch [S; L S] = 0, wohl aber [L + S; L S] = 0. Fur ein System von n Elektronen ware, unter Umstanden, nur noch J = J(1) + : : : + J(n) eine Erhaltungsgroe, weil die Elektronen in Wechselwirkung miteinander stehen. In einem solchen Fall ist die SU (2) eine Vergleiche hierzu insbesondere die Formeln (1.48) und (1.49). Die Annahme besteht konkret darin, da der Hamilton-Operator invariant unter simultanen Drehungen aller in ihm auftretenden Vektoren ist. 1 2 89 KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN 90 Symmetriegruppe, und die Komponenten des Gesamtdrehimpulses J sind die Erzeuger einer unitaren Darstellung der SU (2) auf dem Hilbertraum der n-Teilchenzustande : Fur jedes u 2 SU (2) existiert also ein unitarer Operator U (u), der mit dem Hamilton-Operator kommutiert (was hier immer angenommen werden soll und zu unseren Voraussetzungen gehort). Welche Wirkung der Operator U (u) auf eine Wellenfunktion hat, mu noch im Detail studiert werden. Wir beginnen mit dem einfachsten physikalischen System, einem Elektron in einem Potential V (r) unter dem Einu der Spin-BahnWechselwirkung. Hierbei konnte es sich etwa um das Valenzelektron eines Alkaliatomes handeln. Der zugrundeliegende Hilbertraum ist H = L2 (R3; C2) und die Wirkung der SU (2) wird durch [U (u)](x) = u(R?1x) u 2 SU (2) R = f (u) (4.1) beschrieben, wobei f : SU (2) ! SO(3) die U berlagerungsabbildung ist. Der Hamilton-Operator H = ?=2m + V + L S wurde schon im Abschnitt 1.3 vorgestellt. Es empehlt sich, H = H0 + H1 mit H1 = L S zu schreiben. Der Sinn dieser Aufspaltung liegt darin, da nun [H0; L] = [H0 ; S] = 0 gilt, d.h. unter Vernachlassigung der Spin-Bahn-Wechselwirkung sind sowohl der Spin S als auch der Bahndrehimpuls L Erhaltungsgroen. Dies bedeutet die Existenz einer Symmetriegruppe von der Art SU (2) SU (2), also einer Produktgruppe3 , die es ermoglicht, da Spin und Ort unabhangig voneinander gedreht werden konnen4 : [U (u; v)](x) = u(R?1 x) u; v 2 SU (2) R = f (v) Sind G und H Gruppen, so versteht man unter der Produktgruppe G H die Menge aller Paare (g; h) mit g 2 und h 2 H . Durch die Verknupfungsvorschrift (g; h)(g0 ; h0 ) = (gg0 ; hh0 ) wird G H zu einer Gruppe. 4 Wir benutzen uberall die Gruppe SU (2), selbst dann, wenn sie einmal, wie bei den gewohnlichen Drehungen eines Ortvektors x, durch die Gruppe SO(3) ersetzt werden kann. Dies durfen wir tun, weil jede Darstellung der SO(3) auch als eine Darstellung der SU (2) verstanden werden kann. 3 4.1. MOTIVATION UND PROBLEMSTELLUNG 91 Wir betrachten nur gebundene Zustande des Elektrons. Ihnen entsprechen Eigenwerte der Energie. Auf jedem Eigenwertraum ist die Spin-SU (2) durch die zweidimensionale Darstellung D1=2 , die BahnSU (2) durch eine der Darstellungen D` (` = 0; 1; 2; : : :) vertreten. Jedes Energieniveau ist daher mit einer irreduziblen Darstellung Ds;` von SU (2) SU (2) verknupft und ist aus diesem Grund 2(2` + 1)-fach entartet (von weiteren zufalligen Entartungen einmal abgesehen). Die 2(2` + 1) Basiszustande, die den Eigenraum Ls;` aufspannen, sind Y`m( ) 10 ! Y`m( ) 01 ! (?` m `) (4.2) Nun studieren wir den vollen Hamilton-Operator H = H0 + H1 und bemerken eine Reduktion der Symmetrie: nicht die SU (2)SU (2), sondern die Diagonalgruppe SU (2) beschreibt nunmehr die Symmetrie5. Die verminderte Symmetrie hat zur Folge, da nur noch die Kombination L+S eine Erhaltungsgroe ist. Damit sind wir aufgefordert, die Darstellung Ds;` der Produktgruppe auf die Diagonalgruppe einzuschranken, die ja eine Untergruppe darstellt, und die so bestimmte Darstellung auszureduzieren; denn nur so erhalten wir die neuen Eigenwertraume, wenn auch nicht automatisch die neuen Energie-Eigenwerte. Die Liste (4.2) der Basisvektoren zeigt die Struktur des Raumes Ls;` : Er ist ein Tensorprodukt Ls L`, gebildet aus den vertrauten Darstellungsraumen Lj der Gruppe SU (2) (siehe die Abschnitte 3.45). In einer abstrakten Notation konnten wir die Basisvektoren (4.2) auch symbolisch durch jsi j`mi kennzeichnen, wobei = 21 die Projektion des Spins auf die 3-Richtung beschreibt. Die hier gemachte Beobachtung lat sich naturlich verallgemeinern: ; Satz 22 Sind G und H zwei Gruppen, so hat jede irreduzible Darstellung D : G H ! Aut(L) die Gestalt eines Tensorproduktes, d.h. es existieren irreduzible Darstellungen D1 : G ! Aut(L1 ) und D2 : H ! Aut(L2 ), so da L = D1(g) D2 (h) fur alle = L1 L2 und D(g; h) g 2 G und h 2 H gilt. Zur Erinnerung: Ist (u; v) das allgemeine Element in SU (2) SU (2), so haben alle Elemente der Diagonalgruppe die Form (u; u). 5 92 KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN Kurz, kennt man die irreduziblen Darstellungen von G und H , so kennt man sie von GH . Der formale Beweis dieser Tatsache bleibt dem Leser uberlassen. Die wesentliche Voraussetzung fur die Gultigkeit des Satzes ist die Irreduzibilitat der Darstellung der Produktgruppe. Die andere Beobachtung, die wir bei der Diskussion unseres Beispiels gemacht haben, war die Reduktion der Symmetrie durch bestimmte Anteile des Hamilton-Operators. Dem Verlust an Symmetrie korrespondiert ein sehr allgemeiner Begri der Darstellungstheorie: Denition 13 Sei D : G ! Aut(L) eine Darstellung und H G eine Untergruppe, so bezeichnet man die Einschrankung des Homomorphismus D auf die Untergruppe H als Subduktion und nennt D : H ! Aut(L) eine subduzierte Darstellung von H . Wir werden subduzierte Darstellungen, soweit Irrtumer ausgeschlossen sind, mit dem gleichen Buchstaben (etwa D) kennzeichnen. Grob gesprochen: Subduzierte Darstellungen einer Gruppe H sind solche Darstellungen, die sich aus Darstellungen einer groeren Gruppe ergeben. Bei unserem Beispiel gingen wir von Ds;`(u; v) = Ds(u) D`(v) u; v 2 SU (2) aus, um schlielich durch die Einschrankung u = v eine subduzierte Darstellung der SU (2) zu erhalten. Wir stoen somit auf einen besonderen Typ von Darstellungen, auf die direkten Produkte. Denition 14 Seien Di ! Aut(Li ) (i = 1; 2) zwei Darstellungen einer Gruppe G, so heit die durch D(g) = D1 (g) D2 (g) bestimmte Darstellung D : G ! Aut(L1 L2 ) das direkte Produkt der Darstellungen D1 und D2. Es wird mit D = D1 D2 bezeichnet. Anmerkung: Ist dim(Li) = ni < 1, so gilt dim(L1 L2 ) = n1 n2 , d.h. D1 D2 ist eine n1n2 -dimensionale Darstellung. Zuruck zu unserem Beispiel: Fur ` > 0 ist die Darstellung Ds D` der SU (2) reduzibel. Zu jeder Teildarstellung Dj existiert ein Energieniveau Es`j von H = H0 + H1 : Dies ist der Inhalt des Satzes 12. Deshalb wird die Ausreduktion von Produktdarstellungen eines unserer Hauptprobleme sein. 4.1. MOTIVATION UND PROBLEMSTELLUNG 93 Wir wollen ein weiteres Bespiel aus der Atomphysik heranziehen, um zu demonstrieren, da der Verlust an Symmetrie sich immer nach dem gleichen Muster vollzieht. Es sei H = H0 + H1 der HamiltonOperator eines Zweielektronenatoms, wie in Gleichung (1.11) deniert, auf dem Hilbertraum L2 (R6) gegeben, d.h. wir vernachlassigen den Spin, berucksichtigen aber die Coulombabstoung H1 der beiden Elektronen. Ohne H1 nden wir nden wir die Symmetriegruppe SU (2) SU (2), weil die Ortsvektoren x(1) und x(2) unabhangig voneinander gedreht werden konnen. Konsequenz: sowohl L(1) als 0auch L(2) sind Erhaltungsgroen. Den irreduziblen Darstellungen D`;` der Produktgruppe entsprechen (2` + 1)(2`0 + 1)-fach entartete Energienieveaus E`;`0 des ungestorten Hamilton-Operators H0 . Die Basiszustande, die den Eigenraum L` L`0 aufspannen, sind Y`m( 1 )Y`0m0 ( 2 ) ?` m` ?`0 m0 `0 ( i = Winkelkoordinaten von x(i) ). Wir werden diese Zustande auch symbolisch durch j`mi j`0 m0i beschreiben. Der volle Hamilton-Operator H = H0 + H1 besitzt eine verminderte Symmetrie, entsprechend dem U bergang von der Produktgruppe zur Diagonalgruppe. Konsequenz: nur noch der Gesamtbahndrehimpuls L(1) + L(2) ist jetzt eine Erhaltungsgroe. Durch die Subduktion entstehen Produktdarstellungen der 0 ` ` SU (2) vom Typ D D , und jeder darin enthaltenen Teildarstellung Dj entspricht ein Eigenwert E``0j von H ; dies ist durch den Satz 12 garantiert. Die Beispiele motivieren uns, den zugrundeliegenden Gedanken allgemein zu formulieren: Denition 15 Ist fDa : a = 1; 2; : : :g eine vollstandige Liste von inaquivalenten, unitaren und irreduziblen Darstellungen einer kompakten Gruppe G, so heit die fur jedes Wertepaar a; b existierende Zerlegung M Da Db mabc 2 f0; 1; 2; : : :g (4.3) = mabcDc c eine Clebsch-Gordan-Reihe der Gruppe G. Wir haben somit in den Multiplizitaten mabc weitere charakteristische Zahlen der Gruppe G gefunden. So wie wir die Clebsch-Gordan-Reihe KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN 94 eingefuhrt haben, ist sie nur fur kompakte Gruppen sinnvoll. Denn wir benutzten hierbei das Peter-Weyl-Theorem (Satz 7 auf Seite 34). Mitunter geschieht es, wie bei der SU (2), da alle Produktdarstellungen multiplizitatsfrei6 sind. In einem solchen Fall ist mabc nur der beiden Werte 0 oder 1 fahig, d.h. eine Darstellung Dc tritt oder tritt nicht in (4.3) auf. Dies ist nicht immer so: Schon im Falle der SU (3) ndet man Multiplizitaten mabc 2. Da wir G als kompakt vorausgesetzt haben, ist jede Darstellung Da endlichdimensional. Damit ist es moglich, die Darsteller Da (g) als na na -Matrizen aufzufassen. Die Tensorprodukte Da(g) Db (g) sind dann n n-Matrizen mit n = na nb. Die Gleichung (4.3) sagt konkret, da eine unitare nn-Matrix C (abhangig von a und b) existiert, derart da ! M Da (g) Db(g) = C mabc Dc(g) C ?1 (4.4) c fur alle g 2 G gilt. Denition 16 Die Matrix C heit Clebsch-Gordan-Matrix, ihre Matrixelemente Clebsch-Gordan-Koezienten. Die Matrix C ist leider nicht eindeutig, und es bedarf einiger Konventionen, um den Wert der Clebsch-Gordan-Koezienten festzulegen. Physikalische Aussagen bleiben von solchen Konventionen unberuhrt. Satz 23 Sei D = Da Db und C und C 0 zwei CG-Matrizen, die das Problem (4.4) losen, so gilt C 0 = AC , wobei A eine unitare Matrix in R(D; D) ist. Ist umgekehrt A 2 R(D; D) unitar und C eine CGMatrix, so beschreibt AC ebenfalls eine CG-Matrix. Ist D multiplizitatsfrei und sind Pc die minimalen Projektoren in R(D; D), so hat jedes unitare A 2 R(D; D) die Form A= X c : mabc =1 eic Pc (c 2 R) (4.5) Der Beweis folgt unmittelbar aus der Tatsache, da die Matrix C 0C ?1 mit allen Darstellern D(g) vertauscht, somit in R(D; D) liegt, und aus der Tatsache, da R(D; D) abelsch ist, wenn D multiplizitatsfrei 6 Siehe die Ausfuhrungen im Abschnitt 2.5. 4.2. DIE CLEBSCH-GORDAN-REIHEN DER SU(2) 95 ist (vergleiche die allgemeine Diskussion in Abschnitt 2.5). Wir sehen, da es notig ist, alle Phasen c in Abhangigkeit von a und b festzulegen. Fur die Gruppe SU (2) wurde dies erstmalig von E.U.Condon und G.H.Shortley 1935 in ihrem Monumentalwerk The Theory of Atomic Spectra durchgefuhrt. Die hier getroene Konvention ist heute allgemein akzeptiert. Es sind zwei Probleme, denen wir uns jetzt zuwenden wollen: (1) Bestimmung der CG-Reihen fur die SU (2), (2) Bestimmung der CGKoezienten auf der Basis der Condon-Shortley-Konvention. 4.2 Die Clebsch-Gordan-Reihen der SU(2) Aud der Vektorrechnung ist die Dreiecksungleichung bekannt: jjaj ? jbjj ja + bj jaj + jbj In der Theorie des Drehimpulses ndet man interessante Parallelen, und wir wollen deshalb den folgenden Sprachgebrauch einfuhren: Drei Quantenzahlen j1 ; j2 ; j3 2 f0; 1=2; 1; 3=2; : : :g erfullen die Dreiecksbeziehung, wenn gilt (1) j1 + j2 + j3 = 0(mod1) (2) jj1 ? j2 j j3 j1 + j2 Es ist ublich, diesen Sachverhalt durch ein besonderes Symbol zum Ausdruck zu bringen: ( (1) und (2) gilt; (j1 j2j3 ) = 10 ; falls (4.6) sonst Die so denierte Funktion ist symmetrisch unter Permutationen ihrer Argumente, und es gilt X (j1j2 j ) = min(2j1 + 1 ; 2j2 + 1) (4.7) X j j (2j + 1)(j1j2 j ) = (2j1 + 1)(2j2 + 1) (4.8) Wir zeigen nun, da die Zahlen (j1 j2 j ) mit den Multiplizitaten der CG-Reihen ubereinstimmen. KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN 96 Satz 24 Fur die Darstellungen Dj (j = 0; 21 ; 1 : : :) der SU (2) haben alle CG-Reihen die Gestalt Dj1 Dj2 = X j (j1 j2j )Dj (4.9) Insbesondere sind alle Produktdarstellungen multiplizitatsfrei. Beweis. Wir fassen die Darsteller Dj (u), u 2 SU (2), als Matrizen auf und berechnen den Charakter der Produktdarstellung, wobei 2 cos(!=2) = Spur u: Spur Dj1 (u) Dj2 (u) = Spur Dj1 (u) Spur Dj2 (u) = j1 (!)j2 (!) = = j1 X j2 X m1 =?j1 m2 =?j2 j1X +j2 X j j =jj1?j2 j m=?j e?i(m1 +m2 )! e?im! = X j (j1j2 j )j (!) Dabei haben wir auf die Formel (3.79) zuruckgegrien. Die Multiplizitat der Darstellung Dj in Dj1Dj2 berechnen wir gema der Formel (2.51), indem wir den Charakter = j1 j2 auf j projizieren und dabei (3.81) ausnutzen: M[j1 j2 j ] = (j1j2 j ) (4.10) Damit ist der Satz bewiesen. 2 Wir konnen jetzt die Diskussion unseres sehr einfachen Beispiels aus dem vorigen Abschnitt zu Ende fuhren und erinnern daran, da die Spin-Bahn-Kopplung bei den Alkaliatomen (ein Elektron auf der aueren Schale) oder auch bei dem Wasserstoatom zur Feinstruktur fuhrt. Diese wird nun charakterisiert durch die Zerlegung Ds D` = D`+s D`?s s = 21 ; ` 1 Sie erklart auf einfache Weise die Dublettstruktur der Spektrallinien, soweit es sich um U bergange in den Grundzustand (` = 0) handelt. Diese Situation nden wir etwa bei den beruhmten Natrium-D-Linien mit 5890 bzw. 5896 Angstrom. Der Spin-Bahn-Term hat keinen Einu auf 4.2. DIE CLEBSCH-GORDAN-REIHEN DER SU(2) 97 den Grundzustand; die angeregten Niveaus (` 1) spalten in je zwei benachbarte Niveaus auf, die durch den Gesamtdrehimpuls j = ` 12 charakterisiert sind: `=1 `=0 j = 3=2 j = 1=2 A ?? Feinstruktur durch Spin-Bahn-Wechselwirkung Die Aufspaltung ist erfahrungsgema klein, so da man die Schrodingersche Storungstheorie in 1.Ordnung anwenden darf. Fur festes ` sei E die ungestorte Energie. Die beiden durch die Spin-Bahn-Wechselwirkung daraus entstehenden Energien Ej ergeben sich als Ej = E + h ihL Si unter Benutzung von (1.21-23). Die Mittelwerte von und L S sind bezuglich der Radialwellenfunktion des ungestorten Problems (abhangig von `) und der Eigenfunktion des Gesamtdrehimpulses (abhangig von ` und j ) zu bilden. Der zweite Mittelwert lat sich ohne Aufwand bestimmen: 2hL Si = hJ2 ? L2 ? S2 i = j((j + 1) ? `(` + 1) ? s(s + 1) = ` + s (s = 1 ) = `?` ? 1 jj = 2 `?s Der erste Mittelwert ist schwieriger zubestimmen. Ist das Potential V (r) jedoch negativ und strebt es streng monoton gegen 0 fur r ! 1, so gilt V 0(r) > 0, also h i > 0 und damit E`+s ? E`?s = (` + 21 )h i > 0 in U bereinstimmung mit der Beobachtung. U ber die Groenordnung des Eektes, in Einheiten mc2, lat sich ebenfalls eine allgemeine Aussage machen. Es gilt 2 h i = O(4) e ?1 = = (137 ; 036 : : : ) 2 mc h c 98 KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN Die Konstante , die sich auf diese Weise in der Atomphysik bemerkbar macht, heit darum auch die Feinstrukturkonstante. Sie erweist sich als die fundamentale Konstante fur die Quantenelektrodynamik (QED). Fur das H-Atom konnen alle Rechnungen selbstverstandlich explizit durchgefuhrt werden mit dem Ergebnis: h i = n3 `(` +mc1)(2 ` + 1) 2 4 n 1 : Hauptquantenzahl Vergleicht man dieses Ergebnis mit strengen Rechnung (Sommerfeld, Jordan und Pauli) fur das H-Atom auf der Basis der Dirac-Gleichung, 2 0 Enj = mc2 641 + @ q n ? (j + 12 ) + (j + 21 )2 ? 2 123?1=2 A 75 (j + 12 = 1; 2; : : : ; n; n =Hauptquantenzahl), so ndet man durch eine Entwicklung nach vollige U bereinstimmung mit der nichtrelativistischen Rechnung bis zur Ordnung 4. Abweichungen stellen sich erst bei der Ordnung 6 ein. Wie man sieht, fuhrt die Dirac-Theorie auf Niveaus, die unabhangig von der Drehimpulsquantenzahl ` sind. Jedes Niveau Enj ist 2(2j + 1)-fach entartet. Die Entartung bezuglich ` wird erst durch die Wechselwirkung des Elektrons mit den Vakuumuktuationen des Strahlungsfeldes aufgehoben (Lamb shift) und kann im Rahmen der Quantenelektrodynamik berechnet werden. 4.3 Die Clebsch-Gordon-Koezienten Es ist bequem, die Basisvektoren in Lj , dem Vektorraum zur Darstellung Dj , wie im Abschnitt 3.5 geschehen, symbolisch mit jjmi zu bezeichnen und fur die Basisvektoren des Produktraumes Lj1 Lj2 jj1m1 j2 m2 i def = jj1m1 i jj2m2 i zu schreiben. Wir betrachten die Quantenzahlen j1 und j2 als fest gewahlt und setzen n = (2j1 + 1)(2j2 + 1). Aus dem Satz 24 folgt, 4.3. DIE CLEBSCH-GORDON-KOEFFIZIENTEN 99 da eine unitare n n-Matrix C existiert, deren Elemente wir die CGKoezienten nennen und mit ! j1 j2 j m1 m2 m bezeichnen, so da der durch jjmi = X m1 m2 ! j1 j2 j jj m j m i m1 m2 m 1 1 2 2 (4.11) beschriebene Basiswechsel die Produktdarstellung in irreduzible Bestandteile zerlegt. Aus der Denition folgt unmittelbar: (j1j2 j ) = 0 ) ! j1 j2 j = 0 m1 m2 m Durch Anwendung der Operatoren J3 = J3(1) + J3(2) auf (4.11) unter Ausnutzung von (3.96) gewinnen wir die Aussage ! j j j 1 2 (m1 + m2 ? m) m m m = 0 1 2 (4.12) Lassen wir andererseits die Operatoren J1 iJ2 = (J1(1) iJ2(1) ) + (J1(2) iJ2(2) ) auf (4.11) wirken und benutzen (3.94-95), so erhalten wir die Rekursionsformeln: ! q j j j 1 2 (j m + 1)(j m) m m m 1 1 2 ! q j j j 1 2 = (j1 m1 + 1)(j1 m1 ) m 1 m m 1 2 ! q j j j 1 2 + (j2 m2 + 1)(j2 m2 ) m m 1 m (4.13) 1 2 Allen CG-Koezienten mit gegebenen j1 ; j2 ; j3 konnen wir Punkte eines zweidimensionalen Gitters Z2 zuordnen, als dessen Koordinaten wir x = j1 ? m1 und y = j2 ? m2 wahlen. Den nichtverschwindenden CG-Koezienten entsprechen Punkte (x; y) 2 Z2 , die entweder auf KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN 100 dem Rande oder im Inneren eines Sechsecks liegen; gegenuberliegende Seiten sind parallel und gleichlang. Durch Rekursion sind alle Punkte miteinander verknupft. Dies bedeutet, da wir die CG-Koezienten alle aus einem Koezienten ableiten konnen. Es ist zweckmaig, hierfur einen Eckpunkt auszusuchen. Wir wahlen denjenigen, fur den m1 = j1 , m2 = j ? j1 und m = j gilt (siehe die Abbildung: die Pfeile geben die Richtung an, in die die Rekursion verlauft). Ist der zugehorige Koezient reell, so sind alle Koezienten reell, und die CG-Matrix ist orthogonal: C T C = 1. 2j2 @@ @ @@ @@ x = j 1 ? m1 @@ y = j 2 ? m2 " y - 6- 6- 6 Start @ 6 6 R @ @@ R6 @ p p p p p p p p p b 0 x 2j1 0 y 2j2 j1 + j2 ? j x + y j 1 + j 2 + j @@ @@ x ! 2j1 Wir konnen noch uber das Vorzeichen des ausgewahlten Koezienten verfugen - also zwischen C und ?C wahlen - und verlangen ! j1 j2 j 0 j1 j ? j1 j (4.14) (=0 nur dann, wenn die Dreiecksbedingung verletzt ist). Dies ist der Inhalt der Konvention von Condon & Shortley. Nutzt man die Beziehung C T C = 1 zur Normierung der CG-Koezienten, so kommt man 4.3. DIE CLEBSCH-GORDON-KOEFFIZIENTEN 101 nach einer langeren Rechnung auf den Ausdruck ! v u (2j1)!(2j + 1)! j1 j2 j = u t j1 j ? j1 j (j1 ? j2 + j )!(j1 + j2 + j + 1)! (j1j2 j ) (4.15) aus dem man nun alle CG-Koezienten durch Rekursion berechnen kann. Mit dem Wissen, da alle CG-Koezienten reell sind, konnen wir die Umkehrung von (4.11) in der folgenden Form angeben: jj1m1 j2 m2 i = X jm ! j1 j2 j jjmi m1 m2 m (4.16) Die CG-Koezienten besitzen eine Reihe von Symmetrien, die - wie E.Wigner erkannte, sich besser oenbaren, wenn man zu den sog. 3jSymbolen ubergeht: j1 j2 j m1 m2 m ! j1 ?j2 +m = (?p1)2j + 1 def j1 j2 j m1 m2 ?m ! (4.17) Man kann den Sinn der Wigerschen 3j -Symbole auch darin sehen, da mit ihrer Hilfe drei Drehimpulse mit den Quantenzahlen j1 ; j2; j3 zum Drehimpuls 0 gekoppelt werden: j00i = X m1 m2 m3 ! j1 j2 j3 jj m i jj m i jj m i 2 2 3 3 m1 m2 m3 1 1 (4.18) Sie beschreiben somit die Projektion der Darstellung Dj1Dj2Dj3 auf die darin enthaltene Teildarstellung D0. Eine andere Schreibweise des 3j-Symbols hat T.Regge vorgeschlagen: 3 2 ? j1 + j2 + j j 1 ? j2 + j j 1 + j2 ? j 64 j1 ? m1 j2 ? m2 j ? m 75 (4.19) j1 + m1 j2 + m2 j+m Das Regge-Symbol hat uberraschende Eigenschaften: 1. Alle neun Elemente des Regge-Symbols sind nichtnegative ganze Zahlen (d.h. anderenfalls ist es trivialerweise Null). 102 KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN 2. Es ist ein magisches Quadrat: Jede Zeile und jede Spalte hat die gleiche Summe j1 + j2 + j . 3. Es andert nicht seinen Wert bei zyklischer Vertauschung von Zeilen oder Spalten. 4. Es andert nicht seinen Wert bei Spiegelung an der Hauptdiagonalen. (Dies ist der Inhalt der sog. Regge-Symmetrie.) 5. Bei Vertauschung von zwei Zeilen oder zwei Spalten erhalt das Regge-Symbol einen Faktor (?1)j1 +j2+j . Eine Folge davon ist, da es verschwindet, wenn j1 + j2 + j ungerade ist und zwei Zeilen oder zwei Spalten gleich sind. 6. Das quadrierte Regge-Symbol ist immer eine rationale Zahl. Durch Ausnutzung der Symmetrien des Regge-Symbols ist es moglich das kleinste Element in die linke obere Ecke zu bringen. Dies hilft die CG-Koezienten in moglichst okonomischer Weise zu berechnen. Man beginnt die Berechnung mit der Formel 3 2 " #1=2 0 n12 n13 64 n21 n22 n23 75 = (?1)n23 +n32 n12 !n21 !n13 !n31 ! (4.20) n ! n ! n ! n ! n ! 22 33 23 32 n31 n32 n33 (n = j1 + j2 + j + 1) und fuhrt durch Rekursion alle Regge-Symbole darauf zuruck: 3 3 2 2 n n n n ? 1 n n 11 12 13 11 12 13 pn n 64 n n n 75 = pn n 64 n n22 n23 ? 1 75 21 22 23 21 11 23 32 n31 n32 n33 n n32 ? 1 n33 3 2 31 n ? 1 n n 11 12 13 75 ? pn22n33 64 n21 n22 ? 1 n23(4.21) n31 n32 n33 ? 1 CG-Koezienten werden haug benotigt, und manche davon haben sehr einfache Werte: ! j1 j2 j (4.22) j1 j2 m = j;j1+j2 jm 4.4. DAS WIGNER-ECKART-THEOREM ! 0 j ! 0 j j0 0 j m0 0 m = 0 m0 m = jj0 mm0 ! j j 0 0 = (p?1)j?m 0 0 m ?m0 0 2j + 1 jj mm s ! jm+1 j 21 j + 21 = 1 1 m 2 m 2 2j + 1 s ! jm j 12 j ? 21 = 1 1 m 2 m 2 2j + 1 103 (4.23) (4.24) (4.25) (4.26) Insbesondere kann man aus (4.24) ablesen, wie man aus Drehimpulszustanden jjmi einen SU (2)-invarianten Zustand konstruiert: j00i = X (?1)j?m p jjmi jj ? mi m 2j + 1 (4.27) Aus (4.25-26) folgt, wie wir angesichts der Spin-Bahn-Wechselwirkung fur das H-Atom oder fur die Alkali-Atome den Elektronenzustand mit den Quantenzahlen j; m des Gesamtdrehimpulses konstruieren: 8 r 1 1 r `+ 1 ? m 0 > + m ` + 1 2 2 > + Y Y `m?1=2 `m+1=2 < 2`+1 2`+1 0 1 j = `+ 2 jjmi = > r 1 1 r `+ 1 + m 0 `+ 2 ? m > 2 : ? 2`+1 Y`m?1=2 0 + j = ` ? 12 2`+1 Y`m+1=2 1 (4.28) Eine oft benutzte Symmetrierelation der CG-Koezienten im Zusammenhang mit dem Pauli-Prinzip ist ! ! j1 j2 j = (?1)j1+j2?j j2 j1 j m1 m2 m m2 m1 m 4.4 Das Wigner-Eckart-Theorem (4.29) Es sei U eine unitare Darstellung der SU (2) auf einem Hilbertraum H. Im allgemeinen ist eine solche Darstellung reduzibel, und die irreduzible Darstellung Dj kommt oft mit hoher Multiplizitat darin vor. Wir konnen deshalb davon ausgehen, da es auf vielfache Weise moglich ist, 104 KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN Vektoren jm 2 H fur gewisse Werte von j und fur ?j m j so anzugeben, da X j U (u)jm0 = Dmm (4.30) 0 (u)jm m fur alle u 2 SU (2) erfullt ist. Wenn wir auch noch zulassen, da jm gelegentlich der Nullvektor ist, so konnen wir o.B.d.A. annehmen, die Vektoren jm seien fur alle j und m deniert. Angesichts der Eigenschaft (4.30) hat sich folgender Sprachgebrauch eingeburgert: Man sagt, das System der Vektoren jm mit festem j transformiert sich wie die kanonische Basis der Darstellung Dj . Das darf nicht dazu verleiten anzunehmen, die Vektoren jm bilden selbst eine Basis in H: Wir haben nicht einmal vorausgesetzt, da es sich um normierte Vektoren handelt. In den Anwendungen begegnet man solchen Vektoren auf vielfache Weise, und es bleibt die Struktur von Skalarprodukten zu untersuchen, wenn wir etwa einen zweiten Satz von Vektoren jm 2 H, der genau die gleichen Eigenschaften - ausgedruckt in (4.30) - besitzt, vor uns haben. Satz 25 Unter den genannten Bedingungen gilt (4.31) (j0m0 ; jm) = cj jj0 mm0 fur gewisse komplexe Zahlen cj unabhangig von m. Beweis. 1.Fall: j 6= j 0. jm und j0m0 gehoren orthogonalen Teilraumen Hj und Hj0 an, weil die auf diesen Teilraumen operierenden Darstellungen der SU (2) inaquivalent sind. 2.Fall: j = j 0, m 6= m0 . jm und j0m0 gehoren orthogonalen Teilraumen Hjm und Hj0m0 an, weil die auf diesen Teilraumen operierenden Darstellungen der U (1) inaquivalent sind7 . 3.Fall: j = j 0, m = m0 . Wenn J1 ; J2; J3 die Erzeuger der Darstellung U sind, so gilt fur ?j m < j (j m+1 ; (J1 + iJ2 )jm) = ((J1 ? iJ2 )j m+1; jm) also unter Ausnutzung von (3.94-95) q q (j + m + 1)(j ? m)(j m+1 ; j m+1 ) = (j ? m)(j + m + 1)(jm; jm) Gemeint ist diejenige Untergruppe U (1) SU (2), die den Drehungen um die 7 3-Achse entspricht. 4.4. DAS WIGNER-ECKART-THEOREM 105 Da die Wurzelausdrucke ungleich Null sind, mussen die Zahlen cj = (jm; jm) unabhangig von m sein. 2 Nicht nur Vektoren konnen sich wie die kanonische Basis einer irreduziblen Darstellung transformieren, auch Operatoren konnen diese Eigenschaft besitzen. Denition 17 Existiert fur festes j ein Satz von Operatoren fTjm : ?j m j g auf dem Hilbertraum H, so da fur alle u 2 SU (2) X j U (u)Tjm0 U (u?1 ) = Dmm (4.32) 0 (u)Tjm m erfullt ist, so heit T ein irreduzibler Tensoroperator oder kurz Tensoroperator vom Typ j unter der Darstellung U . Bemerkung: Obwohl die Denition fur die SU (2) vorgenommen wurde, ist es, wie man leicht sieht, ohne weiteres moglich eine ahnliche Denition fur jede kompakte Gruppe zu geben. Zugleich ist diese Denition eine Verallgemeinerung des Konzeptes "Vektoroperator": Drei Operatoren A1; A2 ; A3 auf H bilden einen Vektoroperator, wenn X U (u)Ak U (u?1) = Rik Ai (4.33) i f mit R = f (u) gilt, wobei SU (2) ! SO(3) die U berlagerungsabbildung bezeichnet. Gehen wir hier zu innitesimalen Transformationen uber, so erhalten wir die aquivalente Formulierung ( [Aj ; Jk ] = [Jj ; Ak ] = 0iA` jj; =k; k` = 1; 2; 3 zyklisch (4.34) Auf diese Weise konnen viele bekannte Operatoren, wie der Ortsoperator Q, der Impulsoperator P und alle Drehimpulsoperatoren L, S, J etc. als Vektoroperatoren erklart werden. Es ist nun leicht, aus den Komponenten A1 ; A2; A3 eines beliebigen Vektoroperators die kanonischen Komponenten A1m (m = ?1; 0; 1) eines Tensoroperators vom Typ 1 im Sinne der Denition 13 zu formen: 8 1 > < ? p2 (A1 + iA2) m = 1 A3 m=0 A1m = > (4.35) : p12 (A1 ? iA2) m = ?1 106 KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN Zur Verizierung kann man etwa (3.100) fur ` = 1 heranziehen. Wir studieren nun die Anwendung eines Tensoroperators vom Typ j1 auf Vektoren j2m2 (j2 fest): Tj1 m1 j2m2 Die Gleichungen (4.30) und (4.32) zusammen ergeben, da die so gewonnenen Vektoren einen invarianten Teilraum von H aufspannen, auf dem U durch die Darstellung Dj1 Dj2 vertreten ist. Diese Darstellung kann in irreduzible Bestandteile zerlegt werden: Mit Hilfe der CGKoezenten denieren wir Vektoren X j1 j2 j ! jm = Tj1m1 j2m2 m1 m2 m1 m2 m die, falls sie nicht verschwinden, die gewunschten Teilraume aufspannen. Die Relation lat sich umkehren und wir erhalten X j1 j2 j ! jm Tj1m1 j2m2 = jm m1 m2 m Diese Darstellung erlaubt es nun, die allgemeine Gestalt von Matrixelementen eines Tensoroperators zu bestimmen. Satz 26 (Wigner-Eckart-Theorem) Seien fj2m2 g und fjmg zwei Satze von Vektoren mit dem durch (4.30) beschriebenen Transformationsverhalten und T ein Tensoroperator vom Typ j1 . Dann existieren komplexe Zahlen, unabhangig von m1 ; m2 ; m, die wir mit (j kTj1 kj2 ) bezeichnen und reduzierte Matrixelemente nennen, so da ! j j j 1 2 (jm; Tj1m1 j2m2 ) = m m m (j kTj1 kj2 ) 1 2 (4.36) gilt. Beweis. Die Behauptung folgt direkt aus der Gleichung (4.4) und Satz 25. 2 4.4. DAS WIGNER-ECKART-THEOREM 107 Eine Konsequenz dieses Satzes: Unter den Observablen der Quantenmechanik konnen keine Tensoroperatoren vom halbzahligen Typ vorkommen, also keine vom Typ 1/2, 3/2 usw.; denn alle Erwartungswerte eines solchen Operators in Zustanden mit festem Drehimpuls wurden verschwinden, weil der zugehorige CG-Koezient verschwindet. Wir muten schon Erwartungswerte von solchen Zustanden betrachten, die aus Superpositionen von Wellenfunktionen mit halbzahligen und ganzzahligen Drehimpulsen hervorgehen. Aber solche Zustande gibt es nicht in der Natur8. In der Quantenfeldtheorie treten dagegen Tensoroperatoren vom Typ 1/2 auf: Jeder Erzeugungs- oder Vernichtungsoperator eines Elektrons mit ` = 0 ist ein solcher Operator. Tensoroperatoren vom Typ 0 sind naturlich alle diejenigen Operatoren, die im herkommlichen Sinne invariant genannt werden. Sie heien auch Skalare. Ist also T ein skalarer Operator, so reduziert sich das Wigner-Eckart-Theorem auf die Aussage: (jm; Tj0m0 ) = (j kT kj )jj0 mm0 Tensoroperatoren vom Typ ` (` = 0; 1; 2; : : :) haben wir bereits im Abschnitt 3.7 kennengelernt. Es handelt sich dabei um die Multipoloperatoren Q`m . Aufgrund ihrer Denition haben diese Operatoren noch eine weitere entscheidende Eigenschaft: sie besitzen eine denierte Paritat. Sei namlich P der Paritatsoperator, so gilt PQ`mP = (?1)`Q`m (4.37) Dies folgt ganz einfach aus der Tatsache, da die harmonischen Polynome eine denierte Paritat besitzen. Damit ist nun klar, da Erwartungswerte von Q`m in Zustanden denierter Paritat gleich Null sind, wenn ` ungerade ist. Wir beobachten deshalb weder bei den Atomen, noch bei den Kernen, noch bei den Elementarteilchen statische elektrische Dipolmomente (oder Oktupolmomente etc.). Welchen Gesamtdrehimpuls j mu der Grundzustand eines Atoms (eines Kerns, eines Elementarteilchens im Ruhsystem) mindestens besitzen, damit ein elektrisches Quadrupolmoment beobachtet werden kann? Aus der Dreiecksbedingung (j 2j ) = 1 folgt j 1. Fur den Erwartungswert erhalten wir Dies ist der Inhalt einer sog. Superauswahlregel, die solche Superpositionen verbietet, als nicht realisierbar erklart. 8 108 KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN dann den Ausdruck ! j j 2 (4.38) 2m jji = 0 m (j kQ2 kj ) d.h. das Quadrupolmoment ist durch eine Zahl vollkommen bestimmt, als die wir das reduzierte Matrixelement wahlen, wobei wir die Normierung hj0jji = 0 voraussetzen. hj0jQ 4.5 Wirkungen des Pauli-Prinzips Bei einem n-Korperproblem von identischen Teilchen tritt durch die Statistik9 oft eine Reduktion der Symmetrie ein, gerade so, als ob ein symmetriebrechender Term im Hamilton-Operator vorhanden ware. Wir betrachten ein einfaches Beispiel. Zwei Elektronen ohne Berucksichtigung ihrer Spins werden durch eine antisymmetrische Ortsfunktion beschrieben: (x(1) ; x(2) ) = ?(x(2) ; x(1) ) Bewegen die Elektronen sich in einem Zentralpotential und bleibt die gegenseitige Coulomb-Abstoung unberucksichtigt, so konnte man Symmetrietransformationen der Art 0(x(1) ; x(2) ) = (R1?1x(1) ; R2?1x(2) ) R1 ; R2 2 SO(3) vermuten, da man, ohne die Energie zu beeinussen, die beiden Ortsvektoren unabhangig voneinander drehen kann. Da dies dennoch nicht richtig ist, erkennt man daran, da die so erhaltene Wellenfunktion 0 das Pauli-Prinzip verletzt: 0 ist nicht mehr antisymmetrisch, es sei denn R1 = R2. Mit anderen Worten, das Pauli-Prinzip vermindert die Symmetrie; von der groeren Gruppe SO(3)SO(3) bleibt nur die kleinere Diagonalgruppe ubrig. Dies auert sich so, da nicht, wie zuvor erwartet, die Einzeldrehimpulse Erhaltungsgroen sind, sondern nur Man unterscheidet Bosonen und Fermionen, je nachdem, ob die Teilchen der Bose-Einstein-Statistik oder der Fermi-Dirac-Statistik genugen. Im ersten Fall sind die Wellenfunktionen symmetrische im zweiten Fall antisymmetrische Funktionen der Teilchenkoordinaten. 9 4.5. WIRKUNGEN DES PAULI-PRINZIPS 109 noch deren Summe L = L(1) + L(2) : Das Pauli-Prinzip bewirkt eine Kopplung der Drehimpulse, so als ob die Elektronen miteinander in Wechselwirkung stunden. Wir erweitern nun die Betrachtung durch Einbeziehung des Elektronenspins. Fur den Raum C4 = C2 C2 der Spinzustande zweier Elektronen bilden die folgenden Vektoren eine Basis: 8 > 1 0 ? 0 1 p12 s=0 m=0 > 0 0 1 1 > > > 1 1 > s=1 m=1 < sm = > 1 1 0 0 0 0 1 p2 > s=1 m=0 > 0 1 + 1 0 > > 0 0 > s = 1 m = ?1 : 1 1 Die hierbei auftretenden Linearkombinationen wurden mit Hilfe der CG-Koefzienten bestimmt. Als Ergebnis erhalten wir antisymmetrische Spinfunktionen fur den Gesamtspin s = 0, dagegen symmetrische fur s = 1. Wird nun eine bestimmte Symmetrie erzwungen, z.B. durch das Pauli-Prinzip fur die Gesamtwellenfunktion, tritt damit zugleich eine Kopplung der Elektronenspins ein und wir erhalten Zustande mit deniertem Gesamtspin s. Diesen Eekt sehen wir bei dem Heliumatom. Denn, insoweit wir die Spin-Bahn-Wechselwirkung vernachlassigen und zufallige Entartungen ausschlieen durfen, ist hier jeder stationare Zustand ein Produkt aus einer Orts- und einer Spinfunktion. Die Ortsfunktion ist entweder symmetrisch oder antisymmetrisch unter der Vertauschung10 von x(1) und x(2) . Dies erzwingt die Antisymmetrie bzw. Symmetrie der Spinfunktion, und wir haben es mit Gesamtwellenfunktionen der folgenden Art zu tun: s(x(1) ; x(2) )sm wobei s(x(1) ; x(2) ) = (?1)ss (x(2) ; x(1) ) Formal entspricht der Vertauschung der Ortskoordinaten eine Symmetriegruppe, namlich die symmetrische Gruppe S2 . Jedem Eigenwert der Energie entspricht eine irreduzible Darstellung dieser Gruppe, sofern keine zufallige Entartung vorliegt. Die beiden irreduziblen Darstellungen sind = 1 und = ?1. 10 110 KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN gilt. Das Termschema des Heliumatoms besteht aus einem SingulettTermsystem (s = 0) und einem Triplett-Termsystem (s = 1), die nicht interkombinieren, zwischen denen also keine Strahlungsubergange beobachtet werden11 . Man hat deshalb zunachst geglaubt, es gabe zwei Arten von Helium-Atomen, und hat diese Parhelium und Orthohelium genannt. Der Grundzustand des Heliums ist ein Singulett-Zustand und wird mit 11S bezeichnet. Das Zerfallen des Spektrums in Singulettund Triplettserien ndet man auch bei den Erdalkalien, bei Quecksilber, Cadmium und Zink sowie allen Ionen mit zwei aueren Elektronen, ist also eine fur alle Zweielektronensysteme typische Erscheinung. Als nachstes Beispiel studieren wir ein 3-Elektronensystem, eine Situation also typisch fur die Elemente der dritten Hauptgruppe des Periodensystems. Wir beginnen mit der Konstruktion der Spinfunktionen, die einem 8-dimensionalen Raum angehoren, auf dem die Darstellung D1=2 D1=2 D1=2 = 2D1=2 D3=2 der SU (2) wirkt. Dem Teilraum mit s = 3=2 gehoren nur symmetrische Spinfunktionen an; er ist 4-dimensional und besitzt die kanonische Basis: 8 1 1 1 > > > 0 0 0 m = 3=2 > > 1 1 0 + 1 0 1 > p13 > 0 0 1 0 1 0 > > > m = 1=2 + 01 10 10 < sm = > 1 1 0 0 0 1 0 p3 > > 0 1 1 + 1 0 1 > > > m = ?1=2 + 01 01 10 > > > 0 0 0 > m = ?3=2 : 1 1 1 Hier ist dem Pauli-Prinzip Rechnung getragen, wenn die Ortsfunktion total antisymmetrisch ist. Die Energieniveaus, die zu s = 3=2 gehoren, Eine Untersuchung der Spektren bei hoher Auosung ergibt, da die SingulettZustande einfach, die Triplett-Zustande dagegen aus aus drei dicht beieinanderliegenden Niveaus bestehen, was durch die Spin-Bahn-Kopplung erklart werden kann. Strahlungsubergange zwischen Zustanden mit gleichgerichteten Spins ("") und Zustanden mit entgegengerichteten Spins ("#) sind extrem unwahrscheinlich. 11 4.5. WIRKUNGEN DES PAULI-PRINZIPS 111 machen sich dadurch bemerkbar, da sie bei genugender Auosung eine Feinstruktur von vier dicht beieinander liegenden Niveaus zeigen. Man spricht dann von einem Quartett-Termsystem. Auerdem beobachtet man ein Dublett-Termsystem entsprechend dem Gesamtspin s = 1=2. Die Symmetrie der zugehorigen Spinfunktionen ist ein wenig verwickelter. Fur den 4-dimensionalen Vektorraum L4 der Darstellung D1=2 D1=2 wahlen wir ein ubervollstandiges System von sechs Basisvektoren: 8 1 1 0 1 0 1 > m = 1=2 < p12 0 0 1 ? 0 1 0 1 sm = > 1 0 1 0 0 0 1 : p2 1 0 1 ? 1 1 0 m = ?1=2 8 0 1 1 1 1 0 > p12 m = 1=2 ? < 2sm = > 1 10 00 01 01 00 10 : p2 1 1 0 ? 0 1 1 m = ?1=2 8 1 0 1 0 1 1 > p12 m = 1=2 ? < 3sm = > 1 01 10 00 10 01 00 : p2 0 1 1 ? 1 0 1 m = ?1=2 Die verknupfende Relation lautet 1sm + 2sm + 3sm = 0 (m = 12 ) (4.39) durch die es im Prinzip moglich ware zwei der Basisvektoren zu eliminieren. Die Willkur, die in einer solchen Prozedur steckt, hat ihre Ursache darin, da die Darstellung Ds (s = 21 ) zweifach auftritt. Man ndet fur die Skalarprodukte die folgenden Werte: ( 0 i=k k i (4.40) (sm0 ; sm) = ?1mm 0 i 6= k 2 mm Es ist nun moglich, die Beschreibung der genannten Situation ubersichtlicher zu gestalten, indem man den Raum C2 C2 C2 zum Darstellungsraum der Gruppe G = SU (2)S3 erklart, und zwar durch die folgende Wirkung der symmetrischen Gruppe S3: v1 v2 v3 7! v(1) v(2) v(3) KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN 112 wobei 1 0 vi = 0 oder 1 ; 2 S3 Auf die Vektoren ism angewandt, bewirkt eine Permutation die Transformation (i) ism 7! det sm Hierbei ist det = 1 die Signatur der Permutation. Auf diese Weise wird deutlich, da der Raum L4 ein invarianter Teilraum unter der Wirkung der Gruppe G ist. Wir schreiben diesen Raum als Tensorprodukt, L4 = C2 C2, indem wir den Basisvektoren die folgende Gestalt geben: ism = sm ei (i = 1; 2; 3) wobei die Vektoren sm mit s = 12 eine kanonische Basis fur die identische Darstellung der SU (2) bilden; insbesondere gilt (sm0 ; sm) = mm0 . Die Vektoren ei dagegen erfullen die Beziehungen e1 + e2 + e3 = 0 ( =k (ei; ek ) = ?11 ii 6= k 2 und konnen somit geometrisch-anschaulich als Vektoren interpretiert werden, die vom Zentrum eines gleichseitigen Dreiecks zu dessen Ecken fuhren. Eine Permutation 2 S3 bewirkt nun die folgende Transformation: ei 7! det e(i) Ein Vergleich mit den Ausfuhrungen Abschnitt 2.2 (Beispiel 4) lehrt, da die Gruppe G auf L4 irreduzibel und treu dargestellt ist, als Ds(u) det D0() mit (u; ) 2 G, wobei D0 die zweidimensionale irreduzible Darstellung12der Gruppe S3 bezeichnet (siehe S.29). Der nachste Schritt besteht nun darin, Gesamtwellenfunktionen fur drei Elektronen mit dem Gesamtspin s = 21 als Summen uber Produktfunktionen zu konstruieren: 3 X i(x)sm ei x = fx(1) ; x(2) ; x(3) g 2 R9 (4.41) i=1 Setzen wir D00 () = det D0 (), so gilt D00 = D0 , wie man sich leicht klar macht. Diese Tatsache benotigen wir jedoch nicht. 12 4.6. DIE ELEKTRONENKONFIGURATION 113 Eine auf diese Weise konstruierte Gesamtwellenfunktion ist normiert, wenn gilt 1 k ? k2 + 1 k ? k2 + 1 k ? k2 = 1 2 3 1 2 1 2 2 2 3 k:k die Norm in L2(R9) bezeichnet. Eine Verschiebung (4.42) wobei i 7! i + verandert die Gesamtwellenfunktion nicht, so da wir die Freiheit haben, die drei Ortsfunktionen durch die Relation 1 + 2 + 3 = 0 miteinander zu verknupfen. Weitere einschrankende Bedingungen folgen aus dem Pauli-Prinzip. Eine Permutation der Ortskoordinaten kann so beschrieben werden: a = (1) b = (2) x = fx(a) ; x(b) ; x(c) g c = (3) und eine unitare Darstellung der S3 durch die Vorschrift, alle Teilchenkoordinaten zu permutieren: " U () X i # i sm ei (x) = X i i (?1x)sm det e(i) (4.43) Die entscheidende Symmetriebedingung fur die drei Ortsfunktionen ist 8 2 S3 i(x) = (i) (x) (4.44) Denn nur so folgt U () = det 1, d.h. nur so ist dem Pauli-Prinzip Rechnung getragen. 4.6 Die Elektronenkonguration In einem Atom mit mehr als einem Elektron wechselwirken alle Elektronen miteinander. Als Zustande eines solchen Systems kommen streng genommen nur Wellenfunktionen in Betracht, in denen alle Teilchenkoordinaten miteinander korreliert werden: Vom Zustand eines einzelnen Elektrons kann dabei nicht gesprochen werden, er bleibt undeniert. 114 KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN Dennoch zeigt es sich, da man bei einem Atom in Naherung von den Zustanden der einzelnen Elektronen sprechen kann. Die Naherung, die eine solche Beschreibung moglich macht, ist die Zentralfeldapproximation (s.Abschnitt 1.3). Es handelt sich dabei um die stationaren Zustande jedes einzelnen Elektrons in einem eektiven Potential, das von dem Kern und allen ubrigen Elektronen im Mittel erzeugt wird. Im allgemeinen mu man sogar davon ausgehen, da dieses Potential fur 2s-Elektronen anders aussieht als fur 4f-Elektronen. Die Gesamtwellenfunktion wird dann aus Produkten der Einteilchenwellenfunktionen aufgebaut unter Berucksichtigung des Pauli-Prinzips. Zu den Annahmen gehort, da das Potential rotationssymmetrisch ist. Deshalb wird jeder Einteilchenzustand durch einen bestimmten Wert des Bahndrehimpulses ` charakterisiert. Die Zustande fur festes ` werden - in der Reihenfolge wachsender Energie - durch die Zahl n numeriert, die man die Hauptquantenzahl nennt. Wie beim H-Atom beginnt man die Zahlung stets bei n = `+1. Jedoch ist die Reihenfolge der Energieniveaus mit verschiedenem n und ` im allgemeinen anders als bei dem H-Atom. Zum Beispiel hangt die Energie bei wasserstoahnlichen Atomen uberhaupt nicht von ` ab: dies ist bei komplizierten Atomen nicht mehr der Fall. Beim Gang durch das Periodensystem kommt es vor, da das Niveau mit n = 5, ` = 0 tiefer liegt als das Niveau mit n = 4, ` = 2. Es gibt aber immer 2(2` + 1) verschiedene Zustande mit gleichem n und ` entsprechend den moglichen Einstellungen des Bahndrehimpulses und des Spins. Diese Zustande werden aquivalent genannt. Das Pauli-Prinzip gestattet nicht, da mehr als 2(2` + 1) Elektronen dieselben Werte von n und ` haben. Sind daher alle Zustande mit gegebenen n und ` besetzt, so spricht man von einer abgeschlossenen Schale. Die Verteilung der Elektronen uber die Zustande mit verschiedenen n und ` nennt man die Elektronenkonguration. So hat der Grundzustand des Aluminiums die Konguration 1s22s22p63s23p und es ist ersichtlich, da hier die K-Schale (n = 1, ` = 0), die beiden L-Unterschalen (n = 2, ` = 0 und n = 2, ` = 1) sowie die M-Unterschale mit n = 3, ` = 0 abgeschlossen ist. Dabei wird unterstellt, der Gesamtspin von dem 3p-Elektron allein bestimmt wird: Der Grundzustand hat also s = 21 . Zugleich bietet das Aluminium ein 4.6. DIE ELEKTRONENKONFIGURATION 115 Beispiel fur ein 3-Elektronensystem, wenn wir alle Valenzelektronen auf der M-Schale in die Rechnung einbeziehen. Die allgemeine Analyse eines solchen Systems, die wir in dem vorigen Abschnitt durchgefuhrt haben und die die Zentralfeldapproximation nicht benutzte, lat auch eine Beschreibung des 3s23p-Zustandes zu, wobei der Approximation zufolge Produktwellenfunktionen gebildet aus der 3s-Ortsfunktion u0 und der 3p-Ortsfunktion u1 auftreten13 : 1 = u0(1)fu0(2)u1(3) ? u1(2)u0(3)g 2 = u0(2)fu0(3)u1(1) ? u1(3)u0(1)g 3 = u0(3)fu0(1)u1(2) ? u1(1)u0(2)g Wir diskutieren nun das allgemeine Problem, Korrekturen zur ZFApproximation zu erfassen. Zu berucksichtigen sind im wesentlichen zwei Anteile des Hamilton-Operators H = H0 + H1 + H2 : 1. Die Dierenz H1 zwischen der Coulomb-Wechselwirkung der Elektronen untereinander und der mittleren Wechselwirkung, die bereits durch das Zentralfeld berucksicht wurde. 2. Die Spin-Bahn-Wechselwirkung H2 . Das LS-Kopplungsschema. Hier nimmt man an, da der zu erwar- tende Eekt von H1 den von H2 uberwiegt. In dieser Situation ist von P ( i ) allen Bahndrehimpulsen nur noch deren Summe L = i L eine Erhaltungsgroe und damit auch J ? L = S = Pi S(i) . Das Pauli-Prinzip verhindert, da die individuellen Spinoperatoren S(i) Erhaltungsgroen sind. Die Grobstruktur der beobachteten Niveaus kann also durch die Eigenwerte von L2 und S2 gut beschrieben werden. Die zugehorigen Eigenfunktionen werden naherungsweise als Linearkombinationen von Zustanden eines Energieniveaus von H0 berechnet (keine Kongurationsmischung). Dies sind endlich viele Zustande (namlich 2, 6, 10 14 oder 18), und das Problem reduziert sich darauf, die Eigenwerte einer Matrix zu bestimmen. In einem zweiten Schritt berucksichtigt man H2. Wir unterdrucken hier die Abhangigkeit von der Richtungsquantenzahl m des Drehimpulses ` = 1. Ebenso benutzen wir i anstelle von x(i) als Argument in den Einteilchenfunktionen. Die entstehenden Funktionen sind unnormiert. 13 116 KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN Jetzt ist nur noch J eine Erhaltungsgroe, und man beobachtet eine Kopplung von L und S in Form der Feinstruktur, deren Niveaus durch die Eigenwerte von L2, S2 und J2, also durch Quantenzahlen `; s; j charakterisiert werden. Die Naherung besteht darin, da die wahren Eigenfunktionen als Linearkombinationen von Wellenfunktionen eines Energieniveaus von H0 + H1 konstruiert werden, und dies ist wiederum ein Matrixproblem. Der Anwendungsbereich dieser Naherung ist beschrankt. Auf diese Weise konnen die Niveaus der leichten Atome bestimmt werden. Mit zunehmender Ordnungszahl oder bei stark angeregten leichten Atomen ist die Naherung nicht mehr anwendbar. Das jj-Kopplungsschema. Hier nimmt man an, da der zuerwartende Eekt uberwiegend von H2 bestimmt wird. Die individuellen Bahndrehimpulse und Spins sind keine Erhaltungsgroen, wohl aber deren Summe J(i) = L(i) + S(i) . Auch hier erlaubt man keine Kongurationsmischung, um den numerischen Aufwand in Grenzen zu halten. P Berucksichtigt man dann noch H1 , so bleibt nur J = i J(i) als Erhaltungsgroe ubrig. Bei der im letzten Schritt benutzten Naherung werden die Niveaus durch die Eigenwerte von J(i)2 und J2 charakterisiert und die wahren Eigenfunktionen als Linearkombinationen von Wellenfunktionen eines Energieniveaus von H0 + H2 konstruiert. In Wirklichkeit tritt dieser Kopplungstyp in reiner Form uberhaupt nicht auf. Bei sehr schweren Atomen beobachtet man Zwischenstufen zwischen der LS- und der jj-Kopplung. Fur viele Atome ist weder die eine noch die andere Naherung brauchbar. In ein konstantes Magnetfeld B gebracht, besitzt ein Atom eine zusatzliche Wechselwirkungsenergie H3 = B B (L + gS) g ? 2 = 0; 00231928 : : : wobei B das Bohrsche Magneton bezeichnet. Die Abweichung von g = 2 (der Vorhersage der Dirac-Theorie) wird einem anomalen magnetischen Moment des Elektrons zugeschrieben, das durch die Wechselwirkung des Elektrons mit dem Strahlungsfeld hervorgerufen wird und mit Hilfe der Quantenelektrodynamik berechnenbar ist. Die SU (2)-Symmetrie wird durch die Anwesenheit von H3 gebrochen, und die verbleibende U (1)-Symmetrie wird durch diejenige Untergruppe der SU (2) beschrieben, die den Drehungen um die Achse 4.6. DIE ELEKTRONENKONFIGURATION 117 des Magnetfeldes entspricht. Geben wir dem B-Feld die Richtung der 3-Achse, so handelt es sich oenbar um die Gruppe G= ( ei 0 0 e?i ! ) : 0 < 2 = U (1) Da G eine abelsche Gruppe ist, sind die irreduziblen Darstellungen von G alle eindimensional: n2Z dn() = ein (4.45) Setzt man in die Darstellungsmatrizen Dj der SU (2) die Elemente der Untergruppe G ein (siehe Gleichung 3.78), so erhalt man14 Dj ()m0 m = e2im mm0 (4.46) Resultat: Bei Einschrankung (Subduktion) der Darstellung Dj der SU (2) auf die Untergruppe G zerfallt diese Darstellung in eine direkte Summe von 2j + 1 irreduziblen Darstellungen: Dj j j M d2m G= (4.47) m=?j Wir erlautern nun das Verhalten eines Atoms in schwachen und starken Magnetfeldern. Der Zeeman-Eekt. Werden die Energieniveaus bei abgeschaltetem Magnetfeld gut durch das LS-Kopplungsschema beschrieben, so auert sich die Anwesenheit eines schwachen Magnetfeldes in der Aufspaltung der durch `; s; j gekennzeichneten Niveaus: die (2j +1)-fache Entartung wird aufgehoben. Entsprechend den in Dj enthaltenen Darstellungen d2m von G entstehen aquidistante Subniveaus. Die Aufspaltung ist dem Magnetfeld proportional. Jedem Subniveau ist somit eine Quantenzahl m zugeordnet, die man aus diesem Grund die magnetische Quantenzahl nennt. Da die Darstellungen d2m eindimensional sind, ist kein Subniveau entartet. Diese Vorstellung ist nur insoweit korrekt, als man annehmen darf, da die Matrixelemente von S zwischen Zustanden mit Wir schreiben vereinfachend Dj () anstelle von Dj (u (?2)). 14 3 118 KAPITEL 4. KOPPLUNG VON DREHIMPULSEN verschiedenem j vernachlassigbar sind. In der Praxis der Storungsrechnung erreicht man dies durch den (nur als Naherung gedachten) Ansatz S = rJ, wobei r eine fur jedes (`sj )-Niveau charakteristische reelle Zahl ist, die man leicht bestimmen kann: 2rj (j + 1) = 2rJ2 = 2JS = J2 + S2 ? (J ? S)2 = J2 + S2 ? L2 = j (j + 1) + s(s + 1) ? `(` + 1) Der Operator H3 erhalt (mit g = 2) die Form B jB j(J3 + S3 ) = B jB j(1 + r)J3. Bezeichnen wir die Eigenwerte von J3 mit m, so ergeben sich die Energieniveaus zu E`sjm = E`sj + B jB jg`sj m g`sj = 1 + j (j + 1) +2sj((sj ++1)1)? `(` + 1) (4.48) (4.49) Die Konstante g`sj wird Lande-Faktor genannt. Der Paschen-Back-Eekt. In starken Magnetfeldern entsprechen die beobachteten Niveaus eher den Eigenwerten von H0 + H3 mit einer durch H2 verursachten Feinstruktur. Das Magnetfeld hebt die Entartung der Niveaus von H0 (ausgedruckt in den magnetischen Quantenzahlen m 2 f?`; : : : ; `g und = 21 der Valenzelektronen) auf. Bei den Alkali-Atomen erhielten wir so Energieniveaus E`m = E` + B jB j(m + g) In der Naherung g = 2 sind hier im allgemeinen (d.h. wenn jm+2j < `) zwei der Energien gleich. Diese zweifache Entartung wird aber durch die Spin-Bahn-Wechselwirkung aufgehoben und wir erhalten ein DublettTermsystem. Kapitel 5 Spezielle Potentiale Im Jahre 1873 bewies J.Bertrand den folgenden Satz: Gegeben ein Punktteilchen, das sich gem den Gesetzen der klassischen Mechanik in einem rotationssymmetrischen Potential V (r) bewegt, wobei die Funktion V dreimal stetig dierentierbar ist, angenommen werden soll, so erlen nur die beiden Potentialfunktionen ar2 und ?a=r (a > 0) die Bedingung, da jede beschrnkte Bahn des Teilchens geschlossen ist1. Obwohl wir keine hnliche Bedingung in der Quantenmechanik formulieren knnen, sind dennoch diese Potentiale auch hier in besonderer Weise ausgezeichnet: Sie fhren zu Hamilton-Operatoren, die einen unerwartet hohen Grad an Symmetrie besitzen. 5.1 Das 1/r-Potential 5.1.1 Bindungszustnde Als Grundlage fr die Diskussion whlen wir das Modell des H-Atoms. Hierbei ist es bequem, grundstzlich alle Energien und Lngen in sogenannten atomaren Einheiten anzugeben: mc2 2 = e2 =a0 = 27; 21165 eV (2 Rydberg) h ?1 = a = 0; 529177 10?8 cm (Bohrscher Radius) 0 mc Eine Bahn x(t) heit beschrnkt, wenn jx(t)j < R fr ein R und alle t erfllt ist. Sie 1 heit geschlossen, oder periodisch, wenn x(t + T ) = x(t) fr ein T und alle t gilt. 119 120 KAPITEL 5. SPEZIELLE POTENTIALE Bei dieser Wahl der Einheiten vereinfacht sich der Ausdruck fr den Hamilton-Operator: H =^ ? =2 ? 1=r (5.1) Der Hilbertraum L2(R3) kann als eine direkte Summe H? H+ geschrieben werden, so da 2 H? ) (; H) < 0 2 H+ ) (; H) > 0 gilt. Zugleich ist H? der kleinste abgeschlossene Teilraum von H, der alle Bindungszustnde enthlt: H? ist der Raum des diskreten Spektrums von H . Im Gegensatz dazu enthlt das orthogonale Komplement H+ alle Streuzustnde fr die Streuung eines Elektrons an einem Proton-Target: H+ ist der Raum des kontinuierlichen Spektrums von H . Ein geeignetes System von orthonormierten Eigenfunktionen der Gestalt n = 1; 2; 3; : : : n `m (x) = Rn`(r)Y`m( ) ` = 0; 1; : : : ; n ? 1 (5.2) ?` m ` bildet eine Basis in H? . Dies sind nX ?1 X̀ `=0 m=?` 1 = n2 Funktionen fr festes n, die Hauptquantenzahl. Nur von dieser Zahl hngen die Eigenwerte der Energie ab: (5.3) En = ? 2n1 2 H n`m = Enn`m Dies hat zur Konsequenz, da jedes Niveau n2 -fach entartet ist. Die Radialwellenfunktionen sind #1=2 " 2 ( n ? ` ? 1)! n ? ` ? 1 Rn`(r) = (?1) Ln`(2r=n) (5.4) n2 (n + `)! wobei Ln`(y) = e?y=2 y`L2n`?+1`?1(y) (y 0) (5.5) 5.1. DAS 1/R-POTENTIAL 121 Es handelt sich bei den Funktionen Ln (y) um Polynome vom Grad n, die unter dem Namen zugeordnete Laguerresche Polynome bekannt sind: n d 1 y ? (5.6) Ln (y) = n! e y dyn (e?y yn+) n X n + (?y)k = (5.7) n ? k k! k=0 5.1.2 Der Lenz-Runge-Vektor Fr zwei Vektoroperatoren2 A und B mit Komponenten Ai und Bi denieren wir ihr antisymmetrisches Produkt als A ^ B = 12 (A B ? B A) (5.8) Es hat die Eigenschaften: 1. A ^ B ist wieder ein Vektoroperator, ist also insbesondere selbstadjungiert. 2. A ^ B = ?B ^ A , insbesondere gilt A ^ A = 0. 3. Kommutieren Ai und Bk fr i 6= k, so folgt A ^ B = A B. Im Zusammenhang mit dem 1/r-Potential sind fr uns die folgenden Vektoroperatoren von Interesse: P =^ ? ir F =^ ? x=r3 L =^ x (?ir) G =^ x=r Fr den durch (5.1) denierten Hamilton-Operator ergeben sich die Kommutatoren i[H; L] = 0 i[H; P] = F i[H; G] = F ^ L Der Begri des Vektoroperators wurde im Abschnitt 4.4 diskutiert. Wir werden von nun an vorausetzen, da die Komponenten eines Vektoroperators selbstadjungierte Operatoren sind. 2 KAPITEL 5. SPEZIELLE POTENTIALE 122 Unter anderem folgt nun i[H; P ^ L] = F ^ L so da der Vektoroperator R = P^L ? G (5.9) mit H kommutiert und somit eine Erhaltungsgre darstellt. Man nennt R den Lenz-Runge-Vektor. Er geht in den klassischen Ausdruck fr den LR-Vektor ber, wenn man P und L durch ihre klassischen Ausdrcke ersetzt. Aus den Denitionen folgt die Beziehung L(P^L) = 21i (LP ? P L). Andererseits gilt L P = L G = 0, so da LR = 0 erfllt ist (gleichbedeutend mit R L = 0). (5.10) Nachdem wir das antisymmetrische Produkt zweier Vektoroperatoren kennengelernt haben, wollen wir nun das symmetrische Produkt einfhren. Es ist durch A B = 21i (A B + B A) (5.11) deniert und hat die folgenden Eigenschaften: 1. A B ist wieder ein Vektoroperator (insbesondere selbstadjungiert). 2. A B = B A 3. A A = ?iA A 4. Kommutieren Ai und Bk fr i 6= k, so ist dies gleichbedeutend mit A B = 0. 5. Die Gleichung A B = C ist quivalent den Relationen [Aj ; Bk ] + [Bj ; Ak ] = 2iC` j; k; ` = 1; 2; 3 zyklisch 5.1. DAS 1/R-POTENTIAL 123 Es ist nun bemerkenswert, da die Kommutatorrelationen fr den Drehimpuls L sich durch LL = L ausdrcken lassen. Darberhinaus gilt: Ist A ein Vektoroperator, so ist die Beziehung L A = A erlt. Insgesamt stellen wir fest, da der Drehimpuls und der Lenz-Runge-Vektor drei wichtige algebraische Relationen befriedigen, LL = L LR = R R R = ?2H L ; (5.12) die nahelegen, auf dem Hilbertraum H? den Vektoroperator M = (?2H )?1=2 R (5.13) einzufhren, um die Relationen symmetrischer zu gestalten: LL = L LM = M M M = L (5.14) Durch Einfhrung der Linearkombinationen K = 21 (L ? M) J = 21 (L + M) erhalten wir schlielich JJ = J KK = K (5.15) und [Ji; K`] = 0 fr i; ` = 1; 2; 3. Daraus ist ersichtlich, da sowohl die Komponenten von J als auch die Komponenten von K den Vertauschungsrelationen von Drehimpulsen gengen. Da J und K komponentenweise kommutieren, sind die so bestimmten sechs Operatoren die Erzeuger einer unitren Darstellung der Gruppe G = SU (2)SU (2) auf H?. Die Gruppe G ist eine Symmetriegruppe fr den Teil des HamiltonOperators, der durch Einschrnkung von H auf den Teilraum H? entsteht. Die Existenz dieser Symmetriegruppe erklrt die n2-fache Entartung eines jeden Niveaus En dadurch, da, wie noch zu beweisen ist, der zugehrige Eigenraum Trger einer n2 -dimensionalen irreduziblen Darstellung von G ist. Im Prinzip knnten alle irreduziblen Darstellungen (j; k) mit j; k = 0; 21 ; 1; : : : und Darstellern Dj (u) Dk (v) u; v 2 SU (2) bei diesem Problem eine Rolle spielen, und (2j + 1)(2k + 1) wre die Dimension des Darstellungsraumes. Wegen LR = LM = 0 gilt jedoch 124 KAPITEL 5. SPEZIELLE POTENTIALE J2 = K2, also j = k, und nur Darstellungen vom Typ (j; j ) knnen auftreten. Wir haben jetzt nur noch die Dimension (2j + 1)2 dieser Darstellung mit n2 gleichzusetzen, um die Beziehung zwischen j und der Hauptquantenzahl n zu bekommen: n = 2j + 1 (5.16) Da L = J + K ist, werden die gewhnlichen Drehungen durch die Diagonalgruppe des Produktes SU (2)SU (2) beschrieben. Die Einschrnkung (Subduktion) der Darstellung (j; j ) auf die Diagonal-SU (2) ergibt die reduzible Produktdarstellung Dj Dj M = D` 2j `=0 d.h. bei gegebenem n durchluft die Drehimpulsquantenzahl ` alle Werte zwischen 0 und n ? 1 in bereinstimmung mit dem Ergebnis der elementaren Analyse des Wasserstoproblems. Da die Operatoren (?2H )?1 und 4J2 + 1 berall in H? den gleichen Eigenwert (nmlich n2) annehmen, mssen sie bereinstimmen. Die hierfr verantwortliche Relation R2 = 1 + 2H (L2 + 1) (5.17) gilt berall in H und lt sich auch durch eine direkte Rechnung aus den Denitionen heraus besttigen. Wie in der klassischen Mechanik gilt: R2 < 1 (in H?) R2 1 (in H+) Klassisch gilt R2 = 2 fr elliptische Bahnen, wobei die numerische Ekzentrizitt bezeichnet. 5.1.3 Die SO(4)-Symmetrie Wir haben soeben die Erzeuger der Symmetriegruppe G = SU (2) SU (2) konstruiert und kennen somit die innitesimalen Symmetrietransformationen. Es fehlt jedoch eine Beschreibung der endlichen Transformationen. Ihre Gestalt ist entscheidend fr die Beantwortung der Frage, um welche Gruppe es sich in Wirklichkeit hierbei handelt. Denn wir 5.1. DAS 1/R-POTENTIAL 125 mssen damit rechnen, da eine diskrete invariante Untergruppe K von G existiert, die trivial dargestellt wird, so da in Wahrheit H = G=K die gesuchte Symmetriegruppe ist, weil nur H und nicht G treu dargestellt ist. Wir bekommen leicht einen berblick, wenn wir alle Mglichkeiten auisten3 : G=K K (1,1) SU (2) SU (2) (1,1),(-1,1) SO(3) SU (2) SU (2) SO(3) (1,1),(1,-1) (1,1),(-1,-1) SO(4) (1,1),(-1,1),(1,-1),(-1,-1) SO(3) SO(3) Zur Entscheidung dieser Frage ist es notwendig, eine symmetriegerechte Basis in H? einzufhren. Wir gehen dabei von der Basis (5.2) aus und konstruieren mit Hilfe der CG-Koezienten die neue Basis als ! X j j ` 2j +1 jm1 m2 = j = 0; 21 ; 1; : : : (5.18) `m m m m 1 2 `m Eine unitre Darstellung U : G ! Aut (H?) kann dann durch X j u; v 2 SU (2) m1m2 Dmj 1 m01 (u)Dmj 2m02 (v) U (u; v)jm01 m02 = m1 m2 (5.19) deniert werden. Da die Eigenrume von H zugleich die invarianten Teilrume dieser Darstellung sind, ist G tatschlich eine Symmetriegruppe. Da G auf jedem dieser Teilrume irreduzibel dargestellt ist, ist die Wirkung von G bis auf einen Isomorphismus eindeutig festgelegt. Wenn wir fordern, da Transformationen U (u; u) mit gewhnlichen Drehungen zu identizieren sind, so kann ein solcher Isomorphismus I : H? ! H? (unter Heranziehung des 2. Schurschen Lemmas) nur von der Form I n`m = cn`n`m jcn`j = 1 sein. Die gleiche Freiheit der Phasenwahl hatten wir bereits bei der Denition des Vektors M in (5.13): anstelle von M htten wir ebenHier bezeichnet 1 2 SU (2) die 2 2-Einheitsmatrix. Die Liste enthlt alle LieGruppen, die zu der gleichen Lie-Algebra, d.h. zur Lie-Algebra der SU (2) SU (2) 3 fhren. 126 KAPITEL 5. SPEZIELLE POTENTIALE sogut I MI ?1 einfhren knnen. Aus diesem Grund ist keine Phasenwahl in irgendeiner Weise ausgezeichnet. Die (5.4) eingefhrte Phase cn` = (?1)n?`?1 hat den Zweck, da (5.13) und (5.18) miteinander konsistent sind. Die Darstellung U hat die folgenden Eigenschaften: U (1; 1) = U (?1; ?1) = 1 U (?1; 1) = U (1; ?1) = (?1)2j Dies bedeutet, da es sich in Wahrheit um eine treue Darstellung der Symmetriegruppe SO(4) handelt. Die Tatsache, da wir auf eine kompakte Symmetriegruppe gefhrt wurden, beruht entscheidend auf der Ungleichung H < 0, die nur auf den Bindungszustnden richtig ist. Die Relationen (5.12) sind dagegen berall auf H korrekt. Auf H+ wren wir jedoch gezwungen, den Vektor M so zu denieren: M = (2H )?1=2R In den Relationen (5.14) wre ein einziges Vorzeichen anders ausgefallen: M M = ?L Dies sind nicht mehr die Strukturrelationen einer kompakten Lie-Gruppe. Vielmehr handelt es sich, wie eine Analyse zeigt, um die pseudo-orthogonale Gruppe SO(3; 1). 5.2 Das r2-Potential Glatte Potentiale V (r) knnen in der Nhe ihres Minimums, sofern es existiert, durch eine Parabel approximiert werden. Ein gebundenes Teilchen vollfhrt harmonische Schwingungen mit der klassischen Frequenz ! in einem r2-Potential; quantenmechanisch kann ein solches Teilchen verschiedene Bindungszustnde eingehen, die den Eigenwerten des HamiltonOperators H =^ ? 21m + 12 m!2r2 (5.20) auf H = L2 (R3) 5.2. DAS R2-POTENTIAL 127 entsprechen. Zur Behandlung des Eigenwertproblems setzt man r m! s 1 @ (i = 1; 2; 3) ; (5.21) ai =^ 2 xi + 2m! @x i erhlt die adjungierten Operatoren als s r m! 1 @ (5.22) ayi =^ 2 xi ? 2m! @xi und ndet so X (5.23) H = ! (ayi ai + 21 ) i zusammen mit den kanonischen Vertauschungsrelationen (abgekrzt CCR vom englischen canonical commutation relations) [ai; ayk ] = ik (5.24) [ai; ak ] = [ayi ; ayk ] = 0 Der nichtentartete Grundzustand wird durch eine Gau-Funktion beschrieben: (x) = Ne?m!r2 =2 Hierbei ist N eine geignete Normierungskonstante. Diese Funktion lst simultan die drei Dierentialgleichungen ai = 0 (i = 1; 2; 3) (5.25) und minimiert aus diesem Grund die Energie; denn fr eine allgemeine normierte Wellenfunktion gilt (; H) = ! Pi(kaik2 + 21 ). Fr beliebiges c = fc1; c2; c3 g 2 C3 setzen wir X ay(c) = ayi ci i Den Hilbertraum, der von allen Vektoren der Form ay(c(1) ) ay(c(n) ) c(i) 2 C3 aufgespannt wird, wollen wir mit Hn bezeichnen. Auf jedem dieser Rume nimmt H einen Eigenwert En an, und zwar ist En = (n + 3=2)!. Dies zeigt man durch bloe Anwendung der CCR. Man ndet leicht dim Hn = 21 (n + 1)(n + 2) ; KAPITEL 5. SPEZIELLE POTENTIALE 128 und somit wchst die Entartung hnlich schnell an wie bei dem CoulombPotential. In der hier gewhlten Darstellung wurden die Eigenfunktionen abstrakt eingefhrt. Sie lassen sich natrlich auch als konkrete Funktionen, d.h. als Bessel-Hermite-Funktionen berechnen. Das System dieser Funktionen ist vollstndig in H, und somit gilt H= 1 M n=0 Hn Rotationsinvarianz allein kann die Entartung nicht erklren. Dennoch ist die Ursache der Entartung schnell gefunden: Sie liegt in einer U (3)-Invarianz des Modells. Es zeigt sich nmlich, da sowohl H als auch die CCR erhalten bleiben, wenn man die Operatoren ai einer unitren Transformation unterwirft: a0i = Denn es folgt X k u 2 U (3) (u?1)ik ak a0 yk = X i (5.26) ayi uik und damit beweist man auf direktem Wege die gewnschte Invarianz. Damit die Gruppe U (3) zur Symmetriegruppe des 3-dimensionalen Oszillators wird, ist notwendig, da wir eine unitre Darstellung U auf H angeben knnen, so da U (u)ayk U (u)?1 = X i ayi uik (5.27) fr alle u 2 U (3) gilt. Diese Forderung ist gleichbedeutend mit U (u)ay(c) = ay(uc)U (u) wobei wir die natrliche Wirkung von u auf C3 benutzen. Auf dem Grundzustand soll die Gruppe trivial dargestellt sein: U (u) = (5.28) Damit ist aber die Wirkung von U (u) auf H bereits eindeutig festgelegt: U (u)ay(c(1) ) ay(c(n) ) = ay(uc(1) ) ay(uc(n) ) (5.29) 5.2. DAS R2-POTENTIAL 129 Zugleich wird deutlich, da fr jedes n der Raum Hn die Darstellung U reduziert. Mit etwas mehr Aufwand kann man sogar beweisen: die Teildarstellung Un der U (3) auf Hn mit der Dimension 21 (n +1)(n +2) ist irreduzibel und stimmt mit dem n-fachen symmetrischen Tensorprodukt der identischen Darstellung berein. Im Gegensatz zur Gruppe SU (2) sind nicht alle irreduziblen Darstellungen der U (3) oder der SU (3) in dieser Weise erhltlich. Wie bei dem Coulomb-Potential ist es auch hier nicht mglich, die U (3) geometrisch, d.h. als Transformationsgruppe des 3-dimensionalen euklidischen Raumes zu deuten. Andererseits ist die Gruppe O(3), die eine geometrische Interpretation besitzt, in natrlicher Weise in der U (3) als Untergruppe vorhanden. Die Zustnde in Hn lassen sich daher nach ihrem Drehimpuls und ihrer Paritt klassizieren. Die Paritt ermitteln wir ohne Probleme: Un (?1) = (?1)n Durch Einschrnkung der Darstellung Un der Gruppe U (3) auf die Untergruppe SO(3) ndet man die Zerlegung: M UnjSO(3) = D` wobei ber alle ` mit 0 ` n und n = ` mod 2 zu summieren ist. Dies lt sich zum Beispiel dadurch beweisen, da man den Charakter der reduziblen Darstellung ermittelt und ihn nach primitiven Charakteren zerlegt. Man kann allerdings auch auf direktem Wege, nmlich durch den Separationsansatz n`m(x) = Rn`(r)Y`m( ) und Lsen der Radialwellengleichung die Basis ermitteln, die der Symmetriegruppe SO(3) angepat ist. Man ndet " n?` #1=2 2( 2 )! 3 = 4 2 Rn`(r) = (m!) K n` (m!r ) n + ` +3 ?( 2 ) mit Kn`(y) = e?y=2 y`=2L`(n+1?=`2)=2 (y) (y 0) wobei wiederum die zugeordneten Laguerreschen Polynome auftreten, die in (5.6) deniert wurden. Auch bei Wahl dieser Basis sind nur solche Quantenzahlen n und ` zugelassen, fr die 0 ` n und n = ` mod 2 gilt. 130 KAPITEL 5. SPEZIELLE POTENTIALE Kapitel 6 Strahlungsubergange In der Atom-, Molekul- und Kernphysik erhalten wir wichtige Informationen uber die innere Struktur durch Beobachtung der Emission oder Absorption von Photonen. Will man die Strahlungsubergange in Strenge beschreiben, so muten alle U berlegungen auf der Basis der Quantenelektrodynamik durchgefuhrt werden. In der semiklassischen Approximation, bei der das Strahlungsfeld als klassisches Maxwell-Feld behandelt wird, macht man Gebrauch von dem Korrespondenzprinzip, das einem Photon mit dem Impuls h k und der Energie h ! eine ebene Welle mit dem Wellenvektor k und der Frequenz ! zuordnet. Unser erstes Ziel ist die Entwicklung von eikx nach Kugelwellen. 6.1 Die Rayleigh-Entwicklung Spharische Bessel-Funktionen werden durch ihre erzeugende Funktion eingefuhrt: 1 X eiz cos # = i`(2` + 1)j`(z)P`(cos #) (6.1) `=0 Eine solche Entwicklung der Exponentialfunktion ist immer moglich; denn eine Reihe nach steigenden Potenzen cosn# geordnet kann durch bloe Umordnung als eine Reihe in den Legendre-Polynomen P`(cos #) geschrieben werden. Im Gegensatz zu den gewohnlichen Bessel-Funktionen existieren fur die spharischen Bessel-Funktionen sehr einfache geschlos131 KAPITEL 6. STRAHLUNGSUBERG ANGE 132 sene Ausdrucke: z j0 (z) = sin z z2 j1 (z) = sin z ? z cos z z3 j2 (z) = (3 ? z2 )sinz ? 3z cos z usw: In der Nahe von z = 0 besitzen diese Funktionen das folgende Verhalten1: z` + O(z`+2) (6.2) j`(z) = (2` + 1)!! Der folgende Satz beschreibt die Entwicklung einer ebenen Welle nach spharischen Bessel-Funktionen und harmonischen Polynomen H`m. Satz 27 (Rayleigh-Entwicklung) Es seien und r die Betrage von k 2 R3 und x 2 R3. Dann gilt eikx = 4 1 X `=0 i`(r)?`j` (r) X̀ m=?` H`m(k)H`m(x) (6.3) Zum Beweis schreibt man k = e, x = re0, z = r und e e0 = cos #. Aus (6.1), dem Additionstheorem fur Kugelfunktionen (Satz 20) sowie aus (3.99) folgt dann das Resultat. 2 Sind (; 0 ) und (r; ) die Polarkoordinaten von k bzw. x, so konnen wir (6.3) auch in der folgenden Weise schreiben: eikx = 4 1 X `=0 i`j`(r) Daraus folgt dann unmittelbar X̀ m=?` Y`m( 0 )Y`m( ) ?` Z j`(r)Y`m( ) = i4 d 0 eikxY`m( 0 ) (6.4) (6.5) Nun sei c die Lichtgeschwindigkeit und ! = c die Frequenz. Da ei(kx?!t) eine Losung der Wellengleichung ist, folgt aus (6.5) ! @ 2 ? j (r)Y ( )e?i!t = 0 c = ! (6.6) ` `m c2 @t2 Man setzt (2` + 1)!! = 1 3 5 (2` + 1) 1 6.2. DIE WECHSELWIRKUNG MIT EBENEN WELLEN 133 Die hierdurch konstruierten Losungen der Wellengleichung bezeichnet man als Kugelwellen. Eliminieren wir die zeitabhangige Funktion e?i!t , so erhalten wir ( + 2 )j`(r)Y`m( ) = 0 (6.7) oder auch, indem wir von (3.109) Gebrauch machen, ! 1 d r2 d ? `(` + 1) + 2 j (r) = 0 (6.8) ` r2 dr dr r2 6.2 Die Wechselwirkung mit ebenen Wellen Um auch die Spinfreiheitsgrade des Photons zu berucksichtigen, erweitern wir die Beschreibung der ebenen Welle so, da sie als Losungen der Maxwell-Gleichungen im Vakuum erscheinen. Hierfur ist notwendig, ein Viererpotential A = (A0; ?cA) anzugeben, das der Wellengleichung genugt. Wir konnen durch Wahl der Eichung erreichen, da A0 = 0 und r A = 0 gilt. Eine ebene Welle wurde dann die Gestalt i h A(x; t) = < aei(kx?!t) annehmen, wobei k 2 R3, a 2 C3 und k a = 0 cjkj = ! gilt. Der komplexe Vektor a enthalt die Information uber die Intensitat und die Polarisation der Welle und damit uber den Spinzustand des Photons. Wir normieren die Intensitat, indem wir aa = 1 (6.9) setzen. Der klassische Ausdruck fur die Energie einer gegebenen Stromdichte j(x; t) in Wechselwirkung mit der ebenen Welle ist Z W (t) = ? d3x A(x; t) j(x; t) i h = ?< a ~j(k; t)e?i!t (6.10) KAPITEL 6. STRAHLUNGSUBERG ANGE 134 Hierbei wurden wir auf die Fourier-Transformierte der Stromdichte gefuhrt, Z ~j(k; t) = d3x eikxj(x; t) ; (6.11) die nun ihrerseits eine Rayleigh-Entwicklung gestattet: 1 ~j(k; t) = X ~j` (k; t) `=0 Z ~j`(k; t) = 4i` X̀ H`m(k) d3x (r)?`j`(r)H`m(x)j(x; t)(6.12) m=?` Bei Anwendungen, die wir im Auge haben, werden die elektrischen Strome ausschlielich durch die Bewegung der Ladungstrager innerhalb eines Molekuls, eines Atoms oder Kernes verursacht. Gewohnlich ist die Wellenlange der Strahlung gro gegenuber den Lineardimensionen der Stromverteilung2. Wenn aber r 1 uberall im Integrationsgebiet gilt, konnen wir von (6.2) Gebrauch machen und erhalten so naherungsweise: ~j` (k; t) = 4i` X̀ H (k) Z d3x H (x)j(x; t) `m (2` + 1)!! m=?` `m (6.13) In dieser Naherung werden wir auf die Multipolmomente der Stromverteilung gefuhrt: g`m(t) = q 4 2`+1 Z d3x H`m(x)j(x; t) (6.14) Fur festes ` sind die Momente g`m ; ?` m `, (die Abhangigkeit von t wollen wir fur den Augenblick unterdrucken) nicht irreduzibel unter der SO(3), was man daran erkennt, da g`m einerseits ein Vektor, andererseits aber auch ein Tensor vom Typ ` ist. Dieser Charakter der Momente wird deutlicher, wenn wir eine Basistransformation vornehmen. Allgemein gesprochen, konnen wir jedem Vektor a 2 C3 seine Nehmen wir die Kernphysik: die Kerne senden -Strahlen im MeV-Bereich aus, entsprechend einer Wellenlange von 10?10cm. Der Kernradius ist dagegen nur 10?13cm. Oder die Atomphysik: alle charakteristischen Linien des Wasserstospektrums erfullen die Bedingung > 4?1 a0 mit ?1 137, wobei a0 der Bohrsche Radius ist. 2 6.2. DIE WECHSELWIRKUNG MIT EBENEN WELLEN 135 "spharischen" Komponenten [a]m (m = +1; 0; ?1) zuordnen3 , indem wir setzen: 8 1 > < ? p2 (a1 + ia2 ) m = +1 def q 4 a3 m=0 [a]m = 3 H1m(a) = > (6.15) : p12 (a1 ? ia2 ) m = ?1 Auf die Situation a = g`m angewandt, liefert dies einen Tensor [g`m1 ]m2 , dessen Transformationseigenschaften durch die Produktdarstellung D` D1 der SO(3) bestimmt sind: Im Teilchenbild stehen ` und 1 fur den Bahndrehimpuls bzw. Spin des Photons. Irreduzible Tensoren erhalten wir, sobald wir die Produktdarstellung nach dem bekannten Verfahren ausreduzieren: M j D` D1 D `1 = j =`1 Konkret heit dies, da wir mit Hilfe der CG-Koezienten zu den Komponenten ! X j ` 1 ` = (6.16) gjm m m m [g`m1 ]m2 1 m1 m2 2 ubergehen, die ebenfalls als Momente der Stromdichte interpretierbar sind. Andererseits ist nun g` ein irreduzibler Tensor vom Typ j . Die Umkehrung dieser Transformation lautet: X ` 1 j ! ` gjm (6.17) [g`m1 ]m2 = jm m1 m2 m Ist a die komplexe Amplitude der ebenen Welle mit der Information uber die Polarisation, so sind wir aufgefordert das Produkt a g`m zu berechnen. Wir stellen zunachst fest, da fur beliebige Vektoren a; b 2 C3 gilt: X a b = (?1)m[a]?m [b]m Folglich, a g`m1 = m X jmm2 (?1)m2 [a] ?m2 X jm ! ` 1 j g` m1 m2 m jm (6.18) Gruppentheoretisch bedeutet dies naturlich, da wir zu einer SO(2)-angepaten Basis ubergehen, wobei SO(2) SO(3) alle Drehungen um die 3-Achse enthalt. 3 KAPITEL 6. STRAHLUNGSUBERG ANGE 136 Wir vereinbaren nun, da der Impuls des Photons in die 3-Richtung weist: k = f0; 0; g. Aus der Transversalitatsbedingung k a = 0 folgt dann a3 = [a]0 = 0, und [a]+1 ist die Amplitude einer rechtszirkularen Welle (Spin und Impuls des Photons stehen parallel), wahrend [a]?1 die Amplitude einer linkszirkularen Welle ist (Spin und Impuls des Photons stehen antiparallel). Man bezeichnet die Quantenzahl m in [a]m auch als die Helizitat des Photons. Wir geben nun die expliziten Ausdrucke fur die einfachsten Momente der Stromdichte an: Z g10m (t) = d3x [j(x; t)]m (6.19) R g001 (t) = ? p13 d3x x j(x; t) Z 1 g1m (t) = i d3x [x j(x; t)]m (6.20) (6.21) Hierbei machten wir von den allgemeinen Formeln X 1 1 0! [a]m1 [b]m2 = ? p13 a b m m 0 1 2 m1 m2 X m1 m2 ! 1 1 1 [a] [b] = i[a b] m1 m2 m m1 m2 m Gebrauch. In der klassischen Elektrodynamik ist die Stromdichte grundsatzlich reell. Ferner kennt man ein Teilgebiet der Elektrodynamik, wo die Stromdichte als zeitlich konstant und divergenzfrei vorausgesetzt werden darf ("stationare Strome"). Sofern die stationare Stromdichte j(x) fur groe jxj hinreichend schnell gegen Null strebt, verschwinden viele ` identisch als Folge des Satzes von Gau, z.B. gilt Momente gjm g10m = g001 = g21m = 0 Die erste nichttriviale Groe ist dann das magnetische Moment m, das durch m = 21 R d3x x j(x) eingefuhrt wird und mit dem von uns denierten Moment fur ` = j = 1 in einem einfachen Zusammenhang steht: g11m = 2i[m]m . 6.3. UBERGANGSSTR OME 137 6.3 U bergangsstrome Oft ist die Annahme zutreend, da an der Emission oder Absorption eines Photons nur ein einziges geladenes Teilchen (Elektron,Proton usw.) beteiligt ist. Dennoch konnen wir weder in der Atomhulle noch im Kern ein solches Teilchen isoliert betrachten, weil es Teil eines groeren Verbandes ist, dessen mogliche Zustande durch Mehrteilchenwellenfunktionen beschrieben werden. Wir wollen annehmen, da es sich hierbei um gleichartige Teilchen der Masse M und der Ladung q handelt, deren Wellenfunktionen ; 0 usw. entweder symmetrisch oder antisymmetrisch unter der Vertauschung der Teilchenkoordinaten sind. Der Ladungsoperator Q(x; t) ist durch seine Matrixelemente auf folgende Weise bestimmt: (0; Q(x; t)) = q Z d~x n X k=1 (x(k) ? x)0 (~x; t)(~x; t) Hier haben wir die Bezeichnungen (~x) = (~x; 0), 0(~x) = 0 (~x; 0) und d~x = d3x(1) d3x(n) ~x = fx(1) ; : : : ; x(n) g eingefuhrt. Sucht man nun nach einem Vektorfeld J(x; t), das mit Q(x; t) zusammen die Kontinuitatsgleichung r J(x; t) + @t@ Q(x; t) = 0 erfullt, so bietet sich die Denition an: (0; J(x; t)) = n o n q Z d~x X (k) ? x) 0 (~x; t)r(k) (~x; t) ? (~x; t)r(k) 0 (~x; t) ( x 2iM k=1 (6.22) Dieser Ansatz berucksichtigt nicht einen etwa vorhandenen Spin der Teilchen und lat Modikationen auer acht, die aus der Dirac-Theorie fur Spin-1/2-Teilchen folgen. KAPITEL 6. STRAHLUNGSUBERG ANGE 138 Fur die Wechselwirkungsenergie einer ebenen Welle A(x; t) schreiben wir in Anlehnung an den klassischen Ausdruck: Z H1 (t) = ? d3x A(x; t) J(x; t) (6.23) Diese Energie, als Teil des Hamilton-Operators, soll storungstheoretisch in erster Ordnung berucksichtigt werden. Man beginnt also mit Losungen der Schrodinger-Gleichung fur das ungestorte Problem; wir wollen insbesondere annehmen, da und 0 stationare Losungen sind: (~x; t) = (~x)e?iEt 0 (~x; t) = 0(~x)e?iE0t Zwischen zwei Zustanden dieser Art vermittelt die Wechselwirkung H1(t) U bergange ! 0, fur die man die U bergangsrate berechnen mochte. Der erste Schritt4 in Richtung auf dieses Ziel ist die Bestimmung des Zeitintegrals Z1 dt (0; H1(t)) Z1 Z i h = ? dt d3x < aei(kx?!t) (0; J(x; 0))ei(E0?E)t I = ?1 ?1 Hierdurch erhalt das Matrixelement j(x) = (0; J(x; 0)) (6.24) eine reale Bedeutung, obwohl j(x) als komplexe Groe keinem klassi schen Ausdruck mehr entspricht. Man nennt j(x) den Ubergangsstrom fur den U bergang ! 0. Die Zeitintegration lat sich ausfuhren: Z1 ?1 dt ei(E0?E!)t = 2(E 0 ? E !) Das Ergebnis druckt die Energie-Erhaltung aus. Wir unterscheiden zwei Falle: In den Buchern der Quantenmechanik wird dieses Vorgehen unter dem Stichwort Diracsche Storungstheorie ausfuhrlich diskutiert. 4 6.3. UBERGANGSSTR OME 139 1. E 0 > E : Absorption von Photonen aus dem umgebenden Strahlungsfeld. In diesem Fall gilt I = ?(E 0 ? E ? !)a ~j(k) (6.25) 2. E 0 < E : Eine durch das umgebende Strahlungsfeld induzierte Emission von Photonen. In diesem Fall gilt (6.26) I = ?(E 0 ? E + !)a ~j(?k) In beiden Fallen wurde eine Fourier-Transformation des U bergangsstromes, wie in (6.11) beschrieben, durchgefuhrt. In beiden Fallen deniert man den Wirkungsquerschnitt als5 Zahl der U bergange pro Zeit = Zahl der einfallenden Photonen pro Flache und Zeit und ndet6 fur die Absorption den Ausdruck 2 1 = 4c!2 ja ~j(k)j2 (6.27) Der entsprechende Ausdruck fur die induzierte Emission lautet: 2 2 = 4c!2 ja ~j(?k)j2 (6.28) Unter der Vertauschung von und 0 geht ~j(k) in ~j(?k) uber, soda, unter der Annahme E 0 > E , die beiden Prozesse 1. ! 0 (optisches Pumpen) 2. 0 ! (induzierte Emission) den gleichen Wirkungsquerschnitt besitzen. Hierbei wird angenommen, da alle Photonen den Impuls hk, die Energie h! und die Polarisation a haben. 6 Siehe L.I.Schi,Quantum Mechanics,Chap.X. Sec.35. 5 140 KAPITEL 6. STRAHLUNGSUBERG ANGE 6.4 Elektrische Dipolubergange Eine in vielen Situationen brauchbare drastische Naherung besteht darin, in (6.11) die Exponentialfunktion eikx durch 1 zu ersetzen, wenn j(x; t) der (komplexe) U bergangsstrom ist. Im Rahmen der RayleighEntwicklung bedeutet dies, da wir nur den ersten Term, also den mit ` = 0, berucksichtigen. In dieser Naherung mussen wir lediglich das Integral Z g00 = d3x (0; J(x; 0)) (6.29) bestimmen. Wir bemuhen uns um eine Vereinfachung dieses Ausdruckes. Ein Blick auf die Denition (6.22) des Stromoperators lehrt, da es sich hier oenbar - bis auf den Faktor q=M - um ein Matrixelement des Gesamtimpulses P handelt: g00 = (q=M )(0; P) (6.30) Fur den ungestorten Hamilton-Operator H , der auer der kinetischen Energie nur Potentialterme enthalt, trit ein wichtiger Sachverhalt zu, P=M = i[H; Q] (6.31) Q =^ x(1) + + x(n) ; (6.32) soda g00 = i(E 0 ? E )(0; qQ) (6.33) Wir erinnern uns nun an die in (3.122) eingefuhrten Multipoloperatoren Q`m und schreiben (fur E 0 > E ) mit ihrer Hilfe das Ergebnis (6.33) um: g10 = i!(0; Q1 ) = ?1; 0; +1 (6.34) Wir sehen so, da g10 einem elektrischen (U bergangs-) Dipolmoment proportional ist. Anfangs- und Endzustand haben im allgemeinen einen denierten Drehimpuls aufgrund der SO(3)-Invarianz von H . Wir schreiben daher jjmi anstelle von und jj 0m0 i anstelle von 0. Das Wigner-EckartTheorem erlaubt nun eine Darstellung durch reduzierte Matrixelemente: 0 ! j 1 j 0 0 (6.35) hj m jQ1 jjmi = m m0 hj 0kQ1kj i 6.5. SPONTANE EMISSION 141 Dies begrundet die 1.Auswahlregel: (1jj 0) = 1 fur solche U bergange. Anfangs- und Endzustand haben im allgemeinen eine denierte Paritat aufgrund der O(3)-Invarianz von H . Da der Dipoloperator Q1 die Paritat -1 besitzt und damit die Paritat eines Zustandes umkehrt, nden wir die 2.Auswahlregel: Anfang- und Endzustand haben entgegengesetzte Paritat (Regel von Laporte). Die experimentelle Situation ist oft dadurch charakterisiert, da im Anfangszustand jjmi alle Werte der Richtungsquantenzahl m gleichwahrscheinlich sind, ferner auch dadurch, da im Endzustand jj 0m0i der Wert von m0 nicht festgestellt wird. Wir werden deshalb den Wirkungsquerschnitt, der im Prinzip von m und m0 abhangt, uber m mitteln und uber m0 summieren und erreichen so eine Vereinfachung; denn X 1 j j 0 ! 1 j j 0 ! 2j 0 + 1 0 0 m m0 = 3 0 mm0 m m (6.36) und der so bestimmte totale Wirkungsquerschnitt wird unabhangig von der Polarisation der elektromagnetischen Strahlung: 2 2j 0 + 1 4 tot = 3c 2j + 1 jhj 0kQ1kj ij2 (6.37) 6.5 Spontane Emission Neben der induzierten Emission beobachtet man den Vorgang der spontanen Emission, bei dem das System unter Aussendung eines Photons einen U bergang E 0 ! E vollzieht, unabhangig davon, ob ein aueres elektromagnetisches Feld vorhanden ist oder nicht. Auf diese Weise erhalt jeder angeregte Zustand eine endliche Lebensdauer. Die Quantenelektrodynamik gibt eine Beschreibung auch dieses Vorganges, indem sie ihn, wie alle anderen Prozesse, auf die Wechselwirkung mit dem KAPITEL 6. STRAHLUNGSUBERG ANGE 142 quantisierten Photonfeld zuruckfuhrt. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die hierzu notwendige Rechnung auf semiklassischen Boden nachzuvollziehen, jedoch mit zweifelhaften Erfolg: Die Ableitungen sind nebelhaft und keineswegs uberzeugend. Bereits 1917 hat A.Einstein gezeigt, da die Wahrscheinlichkeiten fur Absorption, induzierte und spontane Emission in einer festen Relation zueinander stehen mussen, wenn die Plancksche Strahlungsformel richtig ist. Wir wollen diesen Gedanken hier kurz erlautern und stellen uns vor, wir hatten einen Hohlraum, dessen Wande die einheitliche Temperatur T besitzen und sich im thermodynamischen Gleichgewicht mit der Strahlung im Hohlraum benden. Wir nehmen weiter an, da die Wande des Hohlraumes Teilchen der Masse M und der Ladung q enthalten, die sich in verschiedenen Bindungszustanden denierter Energie, Paritat und deniertem Drehimpuls aufhalten. Von diesen Teilchen werden im Gleichgewicht pro Zeiteinheit gleichviel Photonen der Frequenz ! emittiert wie absorbiert. Es konnen in unserem Modell naturlich nur solche Frequenzen auftreten, die einer moglichen Dierenz E 0 ? E von Bindungsenergien entsprechen. Wir fragen nach der Zahl I (!) der Photonen mit der Energie h !, die pro Zeit und Flache auf die Wand treen und erhalten aus der Planckschen Theorie die Antwort 3 ?1 I (!) = !2c2 e! ? 1 (6.38) mit = (kB T )?1 und h = 1. Ist N (E ) die Anzahl der Teilchen in der Wand, die die Energie E besitzen, so ergibt sich die Rate (=Zahl der Ereignisse E ! E 0 pro Zeit) fur die Absorption eines Photons der Energie h ! als das Produkt Ra = tot I (!)N (E ) wobei tot der fur den U bergang verantwortliche totale Wirkungsquerschnitt ist, dessen Dimension (Flache)?1 ist. Der gleiche Wirkungsquerschnitt beschreibt auch den induzierten Anteil der Emission: tot I (!)N (E 0). Hinzu kommt allerdings die Rate fur den spontanen Proze, ?1N (E 0 ), wobei die Lebensdauer des angeregten Niveaus E 0 bezeichnet7 . Die Gesamtrate fur die Emission eines Photons der Energie h ! ist deshalb Re = [tot I (!) + ?1]N (E 0 ) Genauer: ? ist die partielle Breite, die dem U bergang E 0 ! E entspricht. 7 1 6.5. SPONTANE EMISSION 143 Aus der Bedingung Ra = Re folgt dann ! N ( E ) ? 1 = tot I (!) N (E 0 ) ? 1 ! = E0 ? E (6.39) Wir wollen nun annehmen, da die Teilchen in der Wand den Gesetzen der klassischen statistischen Mechanik genugen. Wir nehmen also, konkret gesprochen, an, die einzelnen Energieniveaus seien so besetzt, wie es die Boltzmann-Verteilung vorschreibt: N (E ) = e?E N (E 0 ) e?E0 Aus (6.38) und (6.39) folgt dann die Beziehung zwischen Lebensdauer und totalem Wirkungsquerschnitt: 3 (6.40) ?1 = !2c2 tot Die einfache Ableitung und das Ergebnis ist verbluend, weil die Temperatur hierbei nur eine Hilfsrolle spielt und in der Endformel nicht mehr vorkommt8 . Da wir auch keine speziellen Annahmen uber tot gemacht haben, gilt die Formel sogar allgemein. Benutzen wir nun fur tot die Dipolnaherung (6.37), so gelangen wir zu der Aussage 3 0 (6.41) ?1 = 34 !c 22jj ++ 11 jhj 0kQ1kj ij2 Es bleibt zu erwahnen, da h = mit der naturlichen Linienbreite des U berganges E 0 ! E identiziert werden kann. Stehen namlich verschiedene Zerfallskanale E 0 ! Ei oen, so errechnet sich die Gesamtbreite als Summe der partiellen Breiten und die Lebensdauer als die inverse Gesamtbreite. Da ?1 mit der Rate fur die spontane Emission ubereinstimmt, folgt aus dem exponentiellen Zerfallsgesetz. 8 Die Temperaturunabhangigkeit der Lebensdauer ist nur so lange richtig, als wir mit klassischer Statistik der Teilchen in der Wand rechnen durfen. Haben wir es dagegen mit einem entarteten Elektronengas zu tun, so tritt in unserer Rechnung die Fermiverteilung an die Stelle der Boltzmann-Verteilung. Hierdurch wird neben der Temperatur noch ein weiterer Parameter, namlich die Fermi-Energie EF eingefuhrt. Das Ergebnis der neuen Rechnung zeigt, da die partielle Breite (6.40) durch einen zusatzlichen Faktor [exp (EF ? E ) + 1]?1 vermindert ist, was plausibel erscheint, weil das Pauli-Prinzip den U bergang E 0 ! E behindert, und zwar umso starker, je vollstandiger das Niveau E besetzt ist. In solchen Situationen ist die Lebensdauer temperaturabhangig. KAPITEL 6. STRAHLUNGSUBERG ANGE 144 6.6 Verbotene U bergange Es ist denkbar, da fur gewisse stationare Zustande und 0 das Matrixelement (0; Q1m ) verschwindet, zum Beispiel dann, wenn die fur elektrische Dipolubergange gultigen Auswahlregeln verletzt sind. In einem solchen Fall tritt der Term mit ` = 0 in der Entwicklung (6.13) nicht auf, und es ware dann zu prufen, ob der der Folgeterm mit ` = 1 einen endlichen Beitrag liefert. Dann ware dieser Beitrag zwar dominant, aber dennoch um eine Faktor a kleiner9 als Beitrage mit ` = 0 normalerweise sein wurden. Die U bergangsrate ware somit um einen Faktor (a)2 kleiner, und der U bergang ware weitgehend unterdruckt. Allgemein: Hat das emittierte oder absorbierte Photon einen Bahndrehimpuls ` > 0, so enthalt die U bergangsrate einen Unterdruckungsfaktor (a)2` ("Drehimpulsbarriere"), und man spricht von einem verbotenen U bergang. Um einen verbotenen U bergang naher zu analysieren, mussen Matrixelemente eines fur den U bergang charakteristischen Tensoroperators berechnet werden. Alle hierfur notwendigen Tensoroperatoren leiten sich von dem Stromoperator ab. Die Konstruktion vollziehen wir in zwei Schritten, die den Formeln (6.14) und (6.16) entsprechen. Erster Schritt: q Z 3 d x H`m (x)J(x; 0) (6.42) G`m = 2`4+1 Zweiter Schritt: G`jm = X m1 m2 ! ` 1 j [G ] `m1 m2 m1 m2 m (6.43) Wir wollen die Struktur der hier eingefuhrten Operatoren naher untersuchen, indem wir von der Formel (6.22) fur den Stromoperator ausgehen. Damit die entstehenden Ausdrucke nicht unubersichtlich werden, wollen wir einige Denitionen treen. Denition 18 Das `-fache Tensorprodukt eines Vektoroperators P = fP1; P2; P3g mit sich selbst ist ein Tensoroperator vom Typ ` mit den R Hier ist = !=c und a der Ladungsradius, den man durch nqa2 = d3x (x)jxj2 deniert, wobei (x) durch (3.120) gegeben ist. 9 6.6. VERBOTENE UBERG ANGE Komponenten [P]`m = q 145 4 2`+1 H`m (P) (6.44) Denition 19 Es seien Aj1 und Bj2 Tensoroperatoren vom Typ j1 bzw. j2 mit den Komponenten Aj1 m1 und Bj2m2 . Fur jedes j mit (j1 j2j ) = 1 ist das symmetrische Tensorprodukt (Aj1 Aj2 )j vom Typ j ein Tensoroperator mit den Komponenten (Aj1 Aj2 )jm = X j1 j2 j m1 m2 m m1 m2 ! 1 fA 2 j1 m1 ; Bj2 m2 g (6.45) wobei fA; B g = AB + BA den Antikommutator bezeichnet. Die Schrodinger-Theorie eines einzelnen Teilchens benotigt nur den Ortsoperator Q und den Impulsoperator P als Bausteine, mit deren Hilfe alle Observablen von Interesse konstruiert werden konnen. Unsere Denitionen benutzend, konnen wir einem solchen Teilchen eine Reihe von Tensoroperatoren zuordnen, ([Q]`1 [P]`2 )`m ; von denen einige physikalische Bedeutung besitzen, z.B. erhalten wir die Drehimpulskomponenten als ([Q]1 [P]1)1m = i[Q P]1m Wir erinnern an die im Abschnitt 6.3 beschriebene Situation von n gleichartigen Teilchen der Masse M und der Ladung q, mit Ortsoperatoren Q(k) und Impulsoperatoren P(k) , k = 1; : : : ; n. Aus (6.22) und (6.42) folgt zunachst q G`m = 2M und somit n X k=1 [Q(k) ]`mP(k) + P(k)[Q(k) ]`m n n o X [Q(k)]`m1 ; [P(k)]1m2 [G`m1 ]m2 = q 2M k=1 (6.46) (6.47) KAPITEL 6. STRAHLUNGSUBERG ANGE 146 Schlielich folgt aus (6.43) und (6.45) n X [Q(k) ]` [P(k)]1 jm G`jm = Mq k=1 (6.48) Insbesondere erkennen wir in G01m = (q=M )[P(1) + : : : + P(n) ]1m den Operator, der fur die elektrischen Dipolubergange verantwortlich ist. Unter den Operatoren (6.47) benden sich auch - von einem Faktor 2i abgesehen - die spharischen Komponenten des Operators M des magnetischen Momentes: G11m = 2i[M]1m n X q M = 2M L(k) k=1 L(k) = Q(k) P(k) (6.49) (6.50) Strahlungsubergange ! 0, die durch (0; G11m) dominiert werden, bezeichnet man daher auch als magnetische Dipolubergange. Allgemein werden U bergange, die durch G`jm mit ` = j vermittelt werden, als magnetische U bergange, alle anderen als elektrische U bergange bezeichnet. Eine gesonderte Betrachtung erfordert der Fall ` = 1 ; j = 0: Es gibt keine Strahlungsubergange, die durch den Operator G100 vermittelt werden, selbst dann nicht, wenn (0; G100 ) 6= 0 gilt. Wir erhalten namlich einen Gradienten als Beitrag dieses Matrixelementes zum U bergangsstrom j(x). Anders ausgedruckt, der Beitrag10 zur FourierTransformierten ~j(k) hat die Form ck. Ist a der Polarisationsvektor des Photons und k sein Impuls, so gilt ak = 0 (Transversalitatsbedingung), so da wir auf diese Weise keinen Beitrag zu a ~j(k) bekommen, und damit kann G100 keinen Beitrag zu den Wirkungsquerschnitten (6.2728) liefern. Diese U berlegung hat gezeigt, da keine Photonzustande 10 Eine einfache Rechnung zeigt, da dieser Beitrag zu ~j(k) sich explizit als Z p (i=3)k d3x (0 ; x J(x)) = ?(i= 3)k(0 ; G100 ) schreiben lat. 6.6. VERBOTENE UBERG ANGE 147 produziert werden konnen, bei denen das Photon den Bahndrehimpuls ` = 1, gleichzeitig aber den Gesamtdrehimpuls j = 0 besitzt (antiparallele Stellung von Spin und Bahndrehimpuls). Das Wigner-Eckart-Theorem erlaubt die Darstellung ! j j j i f ` hjf mf jGjmjjimi i = m mi mf hjf kG`j kjii sobald Anfangs- und Endzustand einen denierten Drehimpuls besitzen. Beachten wir daruberhinaus noch die Paritat der durch (6.47) eingefuhrten Operatoren, PG`jmP = (?1)`+1G`jm ; (6.51) so erhalten wir die Auswahlregeln, die auch die verbotenen U bergange mit einschlieen. Magnetische U bergange: ji ! jf mit (jjijf ) = 1 und j 1. Die relative Paritat von Anfangs- und Endzustand ist (?1)j+1. Elektrische U bergange: ji ! jf mit (jjijf ) = 1 und j 1. Die relative Paritat von Anfangs- und Endzustand ist (?1)j . Ein U bergang heit strikt verboten, wenn er die allgemein gultigen Auswahlregeln verletzt. Dies ist fur jeden U bergang ji = 0 ! jf = 0 der Fall, ungeachtet ob Anfangs- und Endzustand die gleiche Paritat besitzen oder nicht. U bergange der Art 0 ! 0 werden erst in hoheren Ordnungen der Storungstheorie moglich. An einem solchen Proze sind dann (mindestens) zwei Photonen beteiligt, wobei drei Falle unterschieden werden konnen: 1. Zwei Photonen werden in einem Elementarproze absorbiert. 2. Ein Photon wird absorbiert unter gleichzeitiger Aussendung eines anderen Photons (inelastische Streuung). 3. Zwei Photonen werden in einem Elementarproze emittiert.