„Seid ihr bereit…?“ – „Priester sein in unserer Zeit

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Markus Lersch /
Christoph G. Müller (Hrsg.)
„Seid ihr bereit…?“ –
„Priester sein in unserer Zeit
echter
5
Inhalt
Grußwort
Bischof Heinz Josef Algermissen . . . . . . . . . . . . . . .
7
Vorwort
Markus Lersch / Christoph G. Müller . . . . . . . . . . .
11
„Ihr seid ein heiliges Volk,
eine königliche Priesterschaft!“
Christoph G. Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Christsein heißt Priestersein –
Das gemeinsame Priestertum
der Gläubigen in der Tradition
Markus Lersch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Amt „von oben“ – Amt „von unten“? –
Zur Frage nach dem Sinn
des priesterlichen Dienstes
Weihbischof Karlheinz Diez . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
„Stelle dein Leben unter das Geheimnis
des Kreuzes!“ – Zur Theologie und
Liturgie der Priesterweihe
Cornelius Roth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Zwischen Mönch und Manager: Pfarrer
und Seelsorger – Zum Profil des
priesterlichen Dienstes heute
Richard Hartmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Neuere Literatur zum Priestertum (in Auswahl) . . . 153
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
11
Vorwort
Markus Lersch / Christoph G. Müller
Als Papst Benedikt XVI. am 16. März 2009 vor der Vollversammlung der Kleruskongregation in Rom ein Priesterjahr zwischen den Herz-Jesu-Festen 2009 und 2010 ankündigte, konnte er noch nicht ahnen, wie sehr das Priesteramt in diesem Zeitraum – freilich anders als
gewünscht – in den öffentlichen Fokus geraten würde. Das
ursprüngliche Leitmotiv dieses zweiten Themenjahres des
Pontifi kats Benedikts im unmittelbaren Anschluss an das
„Paulus-Jahr“ war es, „das Engagement einer inneren Erneuerung aller Priester für ein noch stärkeres und wirksameres Zeugnis für das Evangelium in der Welt von heute
zu fördern“1. Vorbild dieser geistlichen Erneuerung, so der
Papst in dem soeben zitierten Brief zum Beginn des Priesterjahres, sei der heilige Pfarrer von Ars, Jean Marie Vianney, dessen Todestag sich am 4. August 2009 zum 150.
Mal jährte.
Zu dieser spirituellen Zielsetzung des Priesterjahres ist
aber rebus sic stantibus schnell eine allgemeine Debatte
über das Priestertum und seine Gestalt angesichts der drängenden Herausforderungen der Gegenwart und der sich
rasant verändernden Situation der Kirche hinzugekom-
1 Vgl. http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/letters/2009/
documents/hf_ben-xvi_let_20090616_anno-sacerdotale_ge.html
(5. 1. 11). Alle wesentlichen Texte zum Priesterjahr sind zusätzlich zusammengestellt auf der Webseite zum Priesterjahr, vgl. http://www.
annussacerdotalis.org.
12 Markus Lersch / Christoph G. Müller
men – mit teils großer Skepsis hinsichtlich der Tragfähigkeit einer Ausrichtung am Priesterideal eines französischen
Landpfarrers aus dem 19. Jahrhundert. 2 Verschärft wurden diese grundsätzlichen Debatten dann vor allem durch
das Bekanntwerden mehrerer Fälle von Missbrauch und
Gewalt durch Priester, welche die Kirche (gerade in
Deutschland) aufs Neue dramatisch erschüttert haben. Gisbert Greshake kommt angesichts dessen in seinem Rückblick auf das Priesterjahr in der Herder Korrespondenz
nicht umhin, die derzeitige kirchliche Situation als „katastrophal“ zu bezeichnen.3 Papst Benedikt selbst sieht in
dem Zusammenfall der Enthüllungen mit dem Priesterjahr
gar einen Angriff des „bösen Feind[s]“ auf das neu erstrahlende Priestertum.4
Vielleicht gilt es diese krisenhafte Situation bei all ihrer
Problematik und den durch sie aufgerissenen Wunden aber
auch als Chance zu begreifen, als Chance für die dringend
gebotene Neubesinnung auf Wesen, Gestalt, Auftrag und
2 Hier ist etwa an die Invektiven von Gottfried Bachl gegen den Brief des
Papstes gedacht, in dem er sowohl den Papst als auch den Pfarrer von
Ars als „primitiv“ bezeichnet (dokumentiert in: Erich Garhammer:
Zum Ausklang des Priesterjahres : eine Nachlese. In: Lebendige Seelsorge 61 [2010], S. 311−313, hier S. 311). Weitaus differenzierter urteilt
Ludwig Mödl: Priestersein in Deutschland : Kann der Pfarrer von Ars
noch Leitbild sein? In: Klerusblatt 90 (2010), S. 203−207, hier S. 204:
„Kann so ein Mann uns heute Leitbild sein? Nein! Leitbild nicht für
eine heutige Pastoral! Aber sagen kann er uns dennoch viel. Er kann
uns auf Defi zite aufmerksam machen, und er kann uns Elemente für
eine priesterliche Existenz zeigen“ (vgl. ebd., S. 207).
3 Vgl. Gisbert Greshake: Was hat es gebracht? Ein kritischer Rückblick
zum Priesterjahr. In: Herder Korrespondenz 64 (2010), S. 375−377,
hier S. 377.
4 So in seiner Predigt bei der Abschlussmesse am Herz-Jesu-Fest 2010
auf dem Petersplatz, vgl. http://www.vatican.va/holy_father/benedict_
xvi/homilies/2010/documents/hf_ben-xvi_hom_20100611_conclanno-sac_ge.html (5. 1. 11).
Vorwort 13
Würde des priesterlichen Dienstes.5 Wie kann priesterliches Leben angesichts der veränderten kirchlichen und gesellschaftlichen Situation heute gelingen? Auf welche Weise lässt sich im Volke Gottes ein neues Gespür und Verständnis für das Priestertum wecken (eine dringende Frage
nicht nur der Berufungspastoral)? Welche Anpassungen
des Berufsprofils sind zielführend und entsprechen zugleich
dem theologischen Gehalt und dem ekklesiologischen Ort
des Weihesakraments?
Die Theologische Fakultät Fulda hat sich dieser komplexen Fragestellung im Rahmen des Kontaktstudiums im
Sommersemester 2010 gewidmet unter der Überschrift
„Seid Ihr bereit …? Priester sein in unserer Zeit“. Die Vortragsreihe war darauf angelegt, vielfältige grundlegende
Überlegungen zum Priestertum aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven und in loser Reihung zu präsentieren,
um so anlässlich des Priesterjahres die brennende Frage
nach Priestern für das 21. Jahrhundert in den Blick zu nehmen – ohne Ausklammerung, aber eben auch ohne Fixierung auf die üblichen Reizthemen. Der breite und engagierte Teilnehmerzuspruch an den vier Vortragsabenden
zeugte von dem großen Interesse an diesem Thema und
weckte den hiermit erfüllten Wunsch nach Veröffentlichung der Vorträge. Diese sind für die Publikation allesamt leicht überarbeitet worden, haben aber die grundsätzliche Gestalt von Vortragsmanuskripten behalten und werden hier in chronologischer Reihenfolge wiedergegeben.
5 Wie es Greshake am Ende seines eher düsteren Rückblicks denn auch
insinuiert, vgl. Greshake: Was hat es gebracht? (wie Anm. 3), S. 377.
Ähnlich schließt Boris Repschinski: Das Ende des Priesterjahres. In:
Zeitschrift für katholische Theologie 132 (2010), S. 249−250, hier
S. 250.
14 Markus Lersch / Christoph G. Müller
Den Auftakt bildet der Beitrag von Christoph G. Müller, der unter der Überschrift „Ihr seid ein heiliges Volk,
eine königliche Priesterschaft“ die biblischen Grundlagen
des gemeinsamen, königlichen Priestertums im Ersten Petrusbrief untersucht, dessen Ekklesiologie sich als fortgeschritten, selbstbewusst und verblüffend communial
erweist. Im Ausgang von einem Zitat aus der ersten Sonntagspräfation, in die das Konzept des königlichen
Priestertums Einzug gehalten hat, und nach Verweis auf
vergleichbare Stellen in der Offenbarung des Johannes
wendet sich Müller gleich dem zentralen Text in 1 Petr
2,1–10 zu. Hier zeigt sich in Gestalt der Stein- bzw. Hausbaumetaphorik das christologische Fundament der Ekklesiologie des Briefes. Diese Bildwelt findet eine Ergänzung
in der Kultmetaphorik, deren Zentrum ebendie Vorstellung einer königlichen Priesterschaft bildet, die 1 Petr wohl
aus dem Buch Exodus in der Septuaginta-Fassung übernimmt. Wesentliche Leitgedanken dieses metaphorisch zu
verstehenden Priesterdienstes aus Ex 19,6 bzw. 23,22 seien die besondere Gottesbeziehung bzw. Aussonderung des
Volkes, seine darin begründete Heiligkeit sowie seine missionarische Sendung. Müller zeigt detailliert auf, wie der
1 Petr diese Bedeutungen inklusive des wesentlich gemeinschaftlichen Charakters und der durch das Attribut „königlich“ artikulierten Würde der Priesterschaft übernimmt
und auf die christliche Gemeinde überträgt.
Die Ausführungen von Markus Lersch unter der Überschrift „Christsein heißt Priestersein – Das gemeinsame
Priestertum der Gläubigen in der Tradition“ führen diese
exegetische Annäherung an das gemeinsame Priestertum
unter theologiegeschichtlicher und systematischer Perspektive weiter und versuchen von hier aus auch das hierarchische Priestertum neu in den Blick zu nehmen; in seinem
engen Verhältnis, aber eben auch in seinem wesentlichen
Vorwort 15
(essentia, non gradu tantum) Unterschied zum Priestertum aller Gläubigen. Zunächst skizziert Lersch die wechselhafte Geschichte des Konzepts „gemeinsames Priestertum“ von seinen biblisch-neutestamentlichen Grundlagen
und der breiten Bezeugung in der alten Kirche über seine
Zurückdrängung im Frühmittelalter, die modifi zierte Wiederentdeckung durch die Reformation bis hin zur erneuten Rezeption in der katholischen Theologie und lehramtlichen Verkündigung des 20. Jahrhunderts. Im Verlauf dieser geschichtlichen Durchsicht ergeben sich bereits die
wesentlichen theologischen Grundlinien. Im Anschluss erfolgt – ausgehend von allgemeinen Überlegungen zum
Priesterbegriff – eine systematische Erschließung des gemeinsamen Priestertums in Analogie und Zuordnung zu
dem universalen Hohepriestertum Jesu Christi und dem
hierarchischen Priestertum. Als Leitfaden dient dabei der
mit dem Priesterbegriff assoziierte Ternar Gottesunmittelbarkeit, Stellvertretung und Opfer – freilich in genuin
christlicher Lesart.
Mit dem Referat von Weihbischof Karlheinz Diez wird
der Blick dann vorrangig auf das besondere Priestertum
gerichtet. Die titelgebende Frage „Amt ,von oben‘ – Amt
,von unten‘? Zur Frage nach dem Sinn des priesterlichen
Dienstes!“ wirft dabei bereits das vielfältige christologische, pneumatologische und ekklesiologische Bezugsfeld
des Sakraments der Priesterweihe auf. Ausgangspunkt der
Überlegungen ist Romano Guardinis Reflexion auf die eigene priesterliche Berufung, an der sich deutlich die ekklesiale Verortung des Priestertums zeigt. Es folgen Ausführungen zum Verhältnis des Amtes zum Charisma, das nicht
als Konkurrenzverhältnis, sondern partizipativ zu denken
sei, wobei Charisma als Dienst an der Kirche den Oberbegriff darstelle. Diez umreißt anschließend die Grundlegung
des Priestertums in der Sendung Christi sowie dessen früh-
16 Markus Lersch / Christoph G. Müller
kirchliche Entwicklung. Es folgt eine Darstellung der theologischen Bedeutung des Weiheamts anhand der Unterpunkte der (zeichenhaften und werkzeuglichen) Repräsentation Christi, der Repräsentation der Kirche, des
Weihecharakters (als „lebenslanger Verpflichtung“) sowie
der Ausgestaltung der Zulassung zur Weihe, die deutlich
die letzte Einheit des Priestertums „von oben“ und „von
unten“ dokumentiert. In der gebotenen Kürze referiert der
erfahrene Ökumeniker im Folgenden die Unterschiede zwischen katholischem und evangelischem Amtsverständnis,
die er ekklesiologisch begründet sieht, nämlich in der Frage nach der Sakramentalität der Kirche. Der Beitrag stellt
den Priester abschließend noch einmal als „Mann der Hoffnung“ vor Augen.
Der Beitrag von Cornelius Roth befasst sich unter dem
Titel „,Stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes!‘ – Zur Theologie und Liturgie der Priesterweihe“ mit
der historischen Entwicklung des Ritus der Priesterweihe
und zeigt anhand dieser zugleich veränderte Schwerpunktsetzungen in der Theologie des Weihesakraments auf. Nach
einem kurzen Abriss der Entwicklung von der neutestamentlichen Zeit bis ins 15. Jahrhundert stellt Roth dann
ausführlich den seit 1485 nahezu unveränderten Ritus den
beiden Fassungen der Weiheliturgie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gegenüber. Hierbei wird deutlich, wie
sich die erneuerten weihe- und liturgietheologischen Vorgaben des Konzils in der Umgestaltung, Straffung und Vereinfachung des neuen Ritus niedergeschlagen haben – ein
ganz konkretes und sehr deutliches Beispiel für die Interdependenz und Reziprozität von lex credendi und lex orandi. Anschließend referiert Roth kritisch die Vorschläge von
Stefan Knobloch zur Reform der Weiheliturgie und stellt
ihnen eine Weiterentwicklung des Ritus am Leitgedanken
des „Priesters als Mystagogen“ gegenüber, wie sie sich be-
Vorwort 17
reits in dem zum Vortragstitel gewählten Wort zum ausdeutenden Ritus der Übergabe von Kelch und Hostienschale zeige.
Richard Hartmann untersucht unter der Überschrift
„Zwischen Mönch und Manager: Pfarrer und Seelsorger –
Zum Profil des priesterlichen Dienstes heute“ aus pastoraltheologischer Perspektive die derzeitige Krisensituation
des Weiheamts und sucht nach Lösungswegen auf der Basis theologischer, spiritueller und soziologischer Überlegungen. Hartmann macht sechs gegenwärtige Herausforderungen des Priestertums aus, nämlich ein überholtes Modell von Rolle respektive Profession des Priesters mit der
Konsequenz einer latenten Überforderung, die generelle
Infragestellung von Autoritäten und Institutionen, die
kirchliche Glaubwürdigkeitskrise, die Problematik der zu
stark idealisierten kirchlichen Sexualmoral inklusive des
Zölibats sowie den gegenwärtigen Trend zu individualisierter und erlebnisorientierter Religiosität. Angesichts dieser Situation scheint eine Besinnung auf die spirituellen
Grundlagen des Priestertums („der Priester als Mönch“?),
auf dessen gnadentheologisch-sakramentales Fundament,
auf eine ekklesiologisch sachgerechte Leitungsstruktur
(„der Priester als Manager“?) und auf eine ausgewogenere
Zuordnung des priesterlichen Dienstes zu anderen Diensten und Ämtern des Gottesvolks geboten. Im Anschluss
daran liefert Hartmann ein alternatives Modell der „Neubeschreibung“ priesterlichen Dienstes auf Basis der vier
Grunddimensionen Leiturgia, Martyria, Diakonia und
Koinonia, um mit einem ökumenischen Verweis auf Überlegungen und ein Gedicht des evangelischen Theologen
Richard Riess zur Seelsorge bzw. zum Amt zu enden.
Abschließend seien noch herzliche Dankesworte gerichtet an Herrn Prof. Dr. Dr. Jörg Disse, den Herausgeber der
Fuldaer Hochschulschriften, und an Herrn Heribert Hand-
18 Markus Lersch / Christoph G. Müller
werk vom Echter Verlag für die gute Zusammenarbeit sowie an Frau Edeltraud Kübler und Herrn Dr. Matthias Helmer für die Korrekturarbeiten.
Fulda, am Fest des heiligen Hrabanus Maurus 2011, des
Patrons der Theologischen Fakultät Fulda
Markus Lersch / Christoph G. Müller
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