Sonderausbildung für Kinder- und Jugendlichenpflege am Bildungszentrum der Gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken „Borderline“ in der Adoleszenz Das Leben in Schwarz/Weiß Schriftliche Abschlussarbeit Verfasserin: DGKS Sarah Schwaighofer Vorgelegt bei: DGKS Eva Maria Kellner, MSc. Salzburg, Juli , 2012 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz ABSTRACT Diese Fachbereichsarbeit mit dem Thema „Borderline in der Adoleszenz“ wurde im Rahmen der Sonderausbildung für Kinder- und Jugendlichenpflege zur Erlangung des Diploms verfasst. Der Name der Verfasserin lautet Sarah Schwaighofer, welche derzeit die Sonderausbildung für Kinder- und Jugendlichenpflege am Bildungszentrum der Salzburger Landeskliniken besucht. Da es bisher noch sehr wenig Fachliteratur zum Thema „Pflege bei Borderline“ gibt, lautet die Fragestellung wie folgt: Wie können Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeit, sowie deren Angehörigen vom diplomierten Pflegepersonal professionell unterstützt werden? Die Verfasserin behandelte diese Frage, in dem sie in verschiedenster Literatur recherchierte. Die Pflege bei dieser höchst komplexen Erkrankung ist oft sehr schwierig, weil es wichtig ist, eine Vertrauensbasis aufzubauen zu können. Das Vertrauen zwischen Pfleger und Pflegendem ist der Grundstein einer guten Pflegebeziehung. Allerdings kann dies bei Menschen mit einer Borderline–Störung sehr kompliziert und langwierig sein und ist für das ganze Team eine große Herausforderung. Es muss strukturiert und einheitlich vorgegangen werden. Ein Stationskonzept, klare Regeln und ein gut eingespieltes interdisziplinäres Team ist von Nöten. Nicht zu vergessen ist die Miteinbeziehung der Angehörigen. Eltern von Kindern mit einer Borderline–Persönlichkeitsstörung verspüren großen Druck und fühlen sich sehr hilflos. Keywords: Borderline–Persönlichkeitsstörung, Skills, Skillstraining, Dialektisch – behaviorale Therapie (DBT), Selbstschädigendes Verhalten, Suizidalität. 1 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 1. Prolog ................................................................................................................. 4 2. Definition "Persönlichkeitsstörungen" ................................................................. 5 2.1. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ......................................................... 6 2.1.1. Emotional instabile Persönlichkeitsstörung ICD 10 Borderline-Typus.... 7 2.1.2. DSM IV-Kriterien .................................................................................... 8 2.2. Selbstschädigendes/Selbstverletzendes Verhalten als Symptom .............. 11 2.3. Ätiologie der Borderline–Persönlichkeitsstörung ........................................ 12 2.3.1. Psychosoziale/umgebungsbedingte Faktoren: .................................... 12 2.3.2. Genetische Faktoren:........................................................................... 12 2.4. Zahlen in Deutschland ............................................................................... 13 3. Behandlung und Therapie der Borderline–Persönlichkeitsstörung ................... 14 3.1. Diagnostik .................................................................................................. 14 3.2. Dialektisch–behaviorale Therapie (DBT) .................................................... 15 3.2.1. Einzeltherapie ...................................................................................... 16 3.2.2. Gruppentherapie .................................................................................. 16 3.2.3. Skillstraining ......................................................................................... 16 4. Allgemeine Grundsteine in der Pflege .............................................................. 18 4.1. Bezugspflege ............................................................................................. 18 4.2. Das Team bestimmt die Regeln ................................................................. 18 4.3. Grundannahmen ........................................................................................ 18 4.4. Verträge und Vereinbarungen .................................................................... 19 4.5. Verhaltensanalyse...................................................................................... 19 5. Pflege anhand der DSM IV–Kriterien für das Vorliegen einer Borderline-Störung ............................................................................................................................. 21 5.1. Umgang mit instabilen und idealisierten Beziehungen ............................... 21 5.2. Pflege bei wiederholtem suizidalem Verhalten, Andeutungen oder Drohungen ........................................................................................................ 21 5.3. Pflege bei selbstschädigendem Verhalten ................................................. 22 5.3.1. Der „Skillskoffer.................................................................................... 22 6. Die Borderline–Persönlichkeit und seine Angehörigen ..................................... 24 2 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 6.1. Reaktionen der Angehörigen auf die Erkrankung „Borderline“ ................... 24 6.1.1. Verlust der Selbstachtung .................................................................... 24 6.1.2. Ohnmachtsgefühle ............................................................................... 24 6.1.3. Rückzug ............................................................................................... 25 6.1.4. Schuld und Scham ............................................................................... 25 6.1.5. Suchtverhalten ..................................................................................... 25 6.1.6. Übernahme der Denk- und Gefühlsmuster .......................................... 25 6.2. Welche Möglichkeiten haben Angehörige auf die Verhaltensweisen des „Borderliners“ einzugehen? ............................................................................... 26 6.2.1. Hilfreiche Verhaltensweisen der Angehörigen: .................................... 26 7. Interview mit DpGKP Georg Erber ................................................................... 27 8. FAZIT ............................................................................................................... 30 9. Literaturverzeichnis .......................................................................................... 32 Anhang ................................................................................................................. 33 Ehrenwörtliche Erklärung .................................................................................. 36 3 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 1.Prolog Mit der vorliegenden Arbeit möchte die Verfasserin Pflegepersonen, welche im beruflichen Alltag, Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeit betreuen, sowie betroffene Angehörige, ansprechen. Umfangreiches Fachwissen ist notwendig, um professionelle Unterstützung bieten zu können. Jugendliche mit einer BorderlinePersönlichkeit sollen erfahren, dass eine Integration in den gesellschaftlichen Alltag vorurteilsfrei möglich ist. Borderline ist eine Persönlichkeitsstörung, die sich vorwiegend im Kindes- bzw. Jugendalter entwickelt. Nur wenige Menschen wissen über diese Persönlichkeitsstörung Bescheid. Oftmals entstehen deshalb Vorurteile und Vorbehalte - nicht nur im privaten Bereich - auch bei Pflegenden. Eine Auseinandersetzung mit diesem Thema ist unerlässlich, um betroffenen Jugendlichen und deren Angehörigen professionelle Unterstützung zu bieten und eine Integration ins „normale“ Leben zu ermöglichen. Die Fragestellung dieser Abschlussarbeit lautet: Wie können Jugendliche mit einer Borderline–Persönlichkeit, sowie deren Angehörigen vom diplomierten Pflegepersonal professionell unterstützt werden? Die Abschlussarbeit wurde deduktiv erarbeitet. Die Verfasserin recherchierte in verschiedenster Literatur, also in Büchern, Zeitungen, aber auch im Internet. Zu aller erst wird allgemein auf die verschiedenen Definitionen von Persönlichkeitsstörungen und der Borderline-Persönlichkeitsstörung eingegangen. Zusätzlich werden das Hauptsymptom und die Ätiologie dieser Krankheit beschrieben, um ein Verständnis für die Situation der Erkrankten zu erlangen. Danach konzentriert sich die Verfasserin auf die verschiedensten Möglichkeiten der Diagnostik und der Behandlung. Um die Fragestellung beantworten zu können, wird erläutert, wie diplomierte Pflegepersonen, den Betroffenen professionelle Unterstützung bieten können. Abschließend sind die Sorgen der Angehörigen beschrieben. Wie Pflegende, Eltern von betroffenen Kindern professionell beraten und helfen können, ist im weiteren Verlauf ausführlich dargelegt. 4 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 2. Definition "Persönlichkeitsstörungen" Als Persönlichkeitsstörungen werden typische, stabile und beherrschende Verhaltensweisen für den einzelnen Menschen bezeichnet, die sich als strenge Reaktionsmuster in Persönlichkeitszüge verschiedenen sind überdauernde Lebenssituationen Formen des manifestieren. Wahrnehmens, der Beziehungsmuster und das Denken über die Umwelt und über sich selbst. Eine Persönlichkeitsstörung entwickelt sich erst dann, wenn Persönlichkeitszüge starr, unangepasst und zu Funktionsbeeinträchtigungen oder subjektiven Leiden führen. Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung bei Jugendlichen sollte jedoch, aufgrund der noch eventuell vorhandenen Entwicklungsmöglichkeiten, zurückhaltend, das heißt nicht vor dem 16. Lebensjahr, gestellt werden (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 8). Die Klassifikationen von Störungen der Persönlichkeit wird in der "International Classification of Diseases" (ICD-10) wiedergegeben und ist weitgehend einheitlich mit den Definitionen der DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorder). ICD-10: Allgemeine Kriterien für Störungen der Persönlichkeit: I. Charakteristische und dauerhafte Verhaltensweisen von Betroffenen weichen insgesamt deutlich von kulturell erwarteten Normen ab. Diese Abweichungen äußern sich in Bereichen wie, Kognition, das bedeutet die Wahrnehmung von Dingen, Menschen und Vorstellungen von sich und anderen. Affektivität, damit ist die Angemessenheit und Intensität der emotionalen Reaktionen gemeint. Impulskontrolle und Bedürfnisse. Zwischenmenschliche Beziehungen und Umgang mit anderen Menschen. II. Abweichungen sind so ausgeprägt, dass das Verhalten in persönlichen oder sozialen Situationen unflexibel und unzweckmäßig ist. III. Der persönliche Leidensdruck. 5 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz IV. Es muss nachgewiesen werden, dass die Abweichung stabil und von langer Dauer ist und im späten Kindesalter bzw. jungen Erwachsenenalter angefangen hat. V. Die Abweichung ist nicht durch die Folge einer anderen psychischen Störung des Erwachsenenalters zu erklären. VI. Als mögliche Ursache werden organische Erkrankungen oder Verletzungen ausgeschlossen (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 9). Im nachfolgenden Kontext wird auf die Definition der Borderline- Persönlichkeitsstörungen ausführlich eingegangen. 2.1. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung Vieles, das „Borderliner“ erleben, lässt sich sehr schwer beschreiben. Zwar gibt es Symptome, wie zum Beispiel die Selbstverletzung, die ein Hinweis auf eine Borderline-Persönlichkeit sein kann. Es wäre jedoch falsch, Borderline immer auf das Symptom des selbstverletzenden Verhalten zu reduzieren (vgl. Knuff & Tilly, 2004, S. 11). Einige der Verhaltensweisen ähneln psychischen Auffälligkeiten, die Neurosen genannt werden, andere erinnern an die Verhaltensweisen der Psychose. Da sich diese Persönlichkeit nicht eindeutig zuordnen ließ, wurde in den dreißiger Jahren der Begriff „Borderline“ geprägt. Dieser Begriff sollte beschreiben, dass die psychischen Schwierigkeiten der Betroffenen an der Grenze zwischen Neurosen und Psychosen einzuordnen sind. Mittlerweile wird es aber als eine eigene psychische Erkrankung beschrieben, bei der es zu verschiedenen Symptomen kommen kann. Der Begriff hat zwar seine ursprüngliche Bedeutung verloren, beschreibt aber sehr gut, wie sich die Betroffenen fühlen. Sie fühlen sich oft als Grenzgänger, zwischen Gefühlshoch und Gefühlstief, zwischen Nähe und Distanz zu anderen Menschen und immer wieder auch zwischen Leben und Tod (vgl. Knuff & Tilly, 2004, S. 12). Die Borderline-Persönlichkeit ist durch ein anhaltendes Muster der Instabilität im Bereich des Affektes, der Impulskontrolle, der zwischenmenschlichen Beziehungen und des Selbstbildes gekennzeichnet. Das Leitsymptom der Borderline-Erkrankung sind die selbstschädigenden Verhaltensweisen der Betroffenen (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 10). Zum Verständnis und zur 6 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz Diagnosestellung von Borderline helfen Kriterien, die im ICD 10 und DSM IV beschrieben werden. 2.1.1. Emotional instabile Persönlichkeitsstörung ICD 10 Borderline-Typus I. Die allgemeinen Kriterien der Persönlichkeitsstörungen, wie zuvor beschrieben, müssen erfüllt werden (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 10). II. Mindestens drei der folgenden Verhaltensweisen müssen vorliegen: Tendenz zu unerwarteten Handlungen und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen. Tendenz zu Streitereien und Konflikten mit anderen Mitmenschen. Neigung zu Wutausbrüchen und Unfähigkeit zur Kontrolle explosiven Verhaltens. Schwierigkeiten beim Weiterführen von Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt werden. Unbeständige und unberechenbare Stimmung (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 10). III. Zusätzlich müssen mindestens zwei der folgenden Eigenschaften zutreffen: Störung und Unsicherheit des Selbstbildes, der eigenen Ziele und der inneren Präferenzen. Neigung, sich in intensive und instabile Beziehungen einzulassen, die oft mit emotionalen Krisen verbunden sind. Große und übertriebene Bemühungen, das Verlassenwerden zu vermeiden. Häufige Drohungen und Handlungen mit Selbstschädigung. Andauerndes Gefühl von Leere (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 11). Die Kriterien anhand des DSM IV erfolgen, wie im weiteren Verlauf beschrieben. 7 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 2.1.2. DSM IV-Kriterien Nach den DSM IV-Kriterien müssen für das Vorliegen einer Borderline – Persönlichkeitsstörung mindestens 5 Punkte erfüllt sein. 2.1.2.1. Verzweifeltes Bemühen, ein Alleinsein zu verhindern. Das Vermeiden von Alleinsein und die Angst vor Leere, stehen für viele Betroffene in engem Zusammenhang. Viele trauen sich nicht, jemanden von ihrer Angst des Alleinseins zu erzählen, sie befürchten, missverstanden oder nicht ernst genommen zu werden (vgl. Knuff & Tilly, 2004, S. 14). Oft haben sie in ihrer Kindheit beängstigende Situationen erlebt, in denen sie hilflos waren und keiner für sie da war (vgl. Knuff & Tilly, 2004, S. 15). Die Angst verlassen zu werden kann so groß sein, dass der Betroffene mit heftigen Verhaltensweisen reagiert. Oft äußert sich diese Angst in Wut, da sie sich verletzlich fühlen und ihre Situation nicht kontrollieren können (vgl. Mason & Kreger, 2008, S. 49). 2.1.2.2. Ein Muster von instabilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen, dass sich durch einen Wechsel zwischen Überidealisierung und Abwertung auszeichnet. „Borderliner“ haben oft Probleme, menschliches Verhalten in ihrer Umgebung richtig wahrzunehmen. Für viele sind Menschen entweder nur „gut“ oder „böse“. Ist ihnen eine Person wichtig, richten sie ihre gesamte soziale Energie auf diesen Menschen (vgl. Knuff & Tilly, 2004, S. 17). Menschen, die an dieser Störung leiden, suchen verzweifelt nach Nähe und Intimität. 2.1.2.3. Identitätsstörung: Eine ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder des Gefühles für sich selbst. Betroffene haben das Gefühl, sich selbst fremd zu sein. Viele versuchen ihr Verhalten und ihr Erscheinungsbild der Umwelt anzupassen. Sie haben das Gefühl, sie seien „anders“ und fühlen sich nicht dazugehörig (vgl. Knuff & Tilly, 2004, S. 24). Das Gefühl der inneren Leere und des Chaos führt zur Abhängigkeit des Patienten von Personen, die ihm Orientierung geben. Das Alleinsein hingegen gibt ihm das Gefühl, nicht zu wissen, wer er ist. Durch die Schwierigkeiten der 8 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz Selbstwahrnehmung, sind Borderline–Persönlichkeiten von dem Gefühl geprägt, niemals gut genug zu sein (vgl. Mason & Kreger, 2008, S. 59). 2.1.2.4. Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen. Jeder Mensch hat Impulse, die er gern ausleben möchte. Jedoch verfügen die meisten Menschen über eine Impulssteuerung und sind in der Lage, sich die Langzeitfolgen vor Augen zu führen. Borderline–Patienten hingegen, empfinden es als schwierig, Impulsen zu widerstehen oder sie zu kontrollieren. Fühlen sie sich leer und ängstlich, können selbstschädigende Aktivitäten sehr angenehm erscheinen. Bewusstseinsverändernde Drogen sorgen beispielsweise zur unmittelbaren Erleichterung und Ablenkung. Diese selbstschädigenden Aktivitäten können dazu dienen, Wut oder Selbsthass zu äußern. Um die innere Leere zu füllen und sich wieder eine Identität zu schaffen, nehmen Betroffene Zuflucht zu impulsiven Verhalten, wie Fressattacken, promiskuitiver Sexualität, maßlosem Kaufverhalten etc. (vgl. Mason & Kreger, 2008, S. 62). 2.1.2.5. Wiederholtes suizidales Verhalten, Andeutungen oder Drohungen. „Borderliner“ verletzen sich aus verschiedensten Gründen selbst. Manche schneiden sich an unterschiedlichen Stellen des Körpers, um sich selbst überhaupt wieder zu spüren, als Druckentlastung bei hoher Anspannung oder um den inneren Schmerz sichtbar machen zu können. Es gibt viele Formen der Selbstverletzung wie Wundkratzen, Brennen der Haut mit Zigaretten, Schlagen bestimmter Körperstellen gegen Wände oder harten Gegenständen usw. Oft sehen sie keine Möglichkeit mehr weiterzuleben, so findet man oft in vielen Krankengeschichten eine Reihe an Suizidversuchen (vgl. Knuff & Tilly, 2004, S. 15). Suizidales Verhalten oder Androhung von Suizid erweist sich als sehr effektiv, um Reaktionen der Umwelt zu erlangen und Hilfe zu bekommen, die den emotionalen Druck reduziert. Das Selbstverletzen ist ein Bewältigungsmechanismus für die Betroffenen. So können sie den emotionalen Leidensdruck abbauen oder ertragen, denn Selbstverletzungen setzen körpereigene Opiate frei (Beta-Endorphine), die ein Gefühl des allgemeinen Wohlbefindens erzeugen (vgl. Mason & Kreger, 2008, S. 66). 9 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 2.1.2.6. Affektive Instabilitäten, infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung. Viele Menschen sind in der Lage sich alleine aus Stimmungstiefs zu befreien, indem sie selbstständig Maßnahmen zur Steigerung ihres Wohlbefindens ergreifen. Es ist ihnen auch möglich, die Auswirkungen ihrer einzelnen Stimmungen auf die Beziehung zu anderen Menschen zu kontrollieren. Im Gegensatz dazu, fällt dies Borderline–Patienten sehr schwer. Im Verlauf weniger Stunden kann sich deren Stimmung zwischen Wut, Depression, Reizbarkeit und Ängstlichkeit bewegen. Diese Form der Unberechenbarkeit wird von Angehörigen oft als sehr erschöpfend empfunden. 2.1.2.7. Chronisches Gefühl der Leere. Die Erkrankten haben andauernd das Gefühl der Leere. Dies führt zur Abhängigkeit zum Partner, der ihnen die fehlende Orientierung geben soll. Alleinsein führt bei dem Erkrankten dazu, nicht zu wissen wer er ist (vgl. Schäfer et. al., 2010, S. 25). 2.1.2.8. Unangemessene, intensive Wut oder Schwierigkeiten die Wut zu kontrollieren. Die Wut von betroffenen Menschen kann sich sehr intensiv und unberechenbar darstellen und ist meist mit logischen Argumenten nicht zugänglich. Sie gleicht oft einem manischen Zustand, der plötzlich und aus heiterem Himmel entsteht, aber auch genau so schnell wieder vergehen kann (vgl. Mason & Kreger, 2008, S. 67). 2.1.2.9. Vorübergehende durch Stress ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome. Eine Dissoziation kann variieren zwischen dem Zustand sich wie betäubt oder losgelöst zu fühlen. Es kann verschiedene Kennzeichen der multiplen Persönlichkeitsstörungen mit sich bringen. Auch "Borderliner" können, um schmerzhaften Gefühlen oder Situationen aus dem Weg zu gehen, verschiedene Grade der Dissoziation durchleben. Je belastender der Betroffene eine gewisse Situation empfindet, desto eher und im schwereren Ausmaß wird er dissoziieren. 10 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz Dies kann im Extremfall sogar gänzlich den Kontakt zur Realität bedeuten (vgl. Mason&Kreger, 2008, S. 68). Die soeben genannten Kriterien sind Symptome die Borderliner erfahren, jedoch ist das selbstverletzende Verhalten als das Leitsymptom dieser Erkrankung zu sehen. 2.2. Selbstschädigendes/Selbstverletzendes Verhalten als Symptom Das Hauptmerkmal eines „Borderliners“ ist das selbstschädigende Verhalten. Es gibt verschiedenste Formen, wie sich Betroffene selbst verletzen können: Schnitte durch Scherben, Rasierklingen, Messer an Körperstellen Wunden durch Kratzen oder das Aufkratzen alter Wunden Fingernägel abreißen oder abbeißen bis zum Nagelbett Ausreißen jeglicher Körperbehaarung Schlagen des Kopfes an Wände, Tische etc. Schlucken von schädigenden Substanzen Hungern allen möglichen 2.2.1. Sucht als selbstschädigendes Verhalten Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Borderline– Persönlichkeitsstörung und Sucht. Viele Süchte werden durch psychische Störungen hervorgerufen. Zu den Borderline assoziierten Süchten gehören: Alkoholsucht Tabaksucht Medikamentensucht Spielsucht Drogensucht Kaufsucht Menschen mit einer Borderline–Erkrankung leiden oft an innerer Leere und Langeweile. Zum Beispiel können sie durch Drogen den inneren Druck ausgleichen, sie verspüren durch die Einnahme plötzlich Glück und fühlen sich stark. Dieses Glücksgefühl hält aber in der Regel nicht lange an, denn sobald die Wirkung der Droge nachlässt, verspüren sie wieder ihr Leid. Somit kommen sie in einen immer tiefer werdenden Teufelskreis (Wiegmann, 2012, S. 1). 11 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz Damit Pflegepersonen und vor allem Angehörige, die Symptome von „Borderlinern“ nachvollziehen können, ist es wichtig über mögliche Ursachen Bescheid zu wissen. Diese werden im nächsten Absatz näher beschrieben. 2.3. Ätiologie der Borderline–Persönlichkeitsstörung Bei der Borderline–Persönlichkeitsstörung gehen Forscher von einer multifaktoriellen Genese aus, d.h. die Ursache besteht aus einer Kombination zwischen psychosozialen, umgebungsbedingten und biologischen/genetischen Faktoren. 2.3.1. Psychosoziale/umgebungsbedingte Faktoren: Der biographische Hintergrund von Betroffenen der Borderline–Persönlichkeit ist häufig geprägt von schwerwiegenden psychosozialen Belastungsfaktoren. Dazu zählen Gewalterfahrungen, sexueller Missbrauch oder emotionale Vernachlässigung. Derartige traumatische Erfahrungen führen bei Kindern zu Defiziten in der Emotionsregulation und Verhaltenskontrolle. Oft wachsen diese Kinder in einer Umgebung auf, in der Gefühle und Wahrnehmungen ignoriert oder auch bestraft werden (vgl. Rohde & Marneros, 2007, S. 216). 2.3.2. Genetische Faktoren: Viele Forscher gehen heute davon aus, dass die Borderline– Persönlichkeitsstörung eine eindeutige genetische Basis besitzt (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 23). Studien beweisen, dass eine familiäre Häufung als zentrales Merkmal der Borderline–Persönlichkeit besteht (vgl. Rohde & Marneros, 2007, S. 216). Mittlerweile sind sich Forscher einig, dass diese Erkrankung nicht nur auf einer Ursache beruht, sondern viele Faktoren zusammenspielen, bevor es zu einer Entwicklung der Störung kommt (vgl. Schäfer et. al., 2010, S. 51). Trotz umfassender Recherche, konnte die Verfasserin keine Literaturangaben und Statistiken über etwaige Zahlen in Österreich herausfinden. Aus diesem Grund werden im nächsten Unterkapitel die wissenschaftlichen Zahlen von Deutschland erläutert, um einen Einblick über die Häufigkeit der auftretenden BorderlineStörungen zu gewähren. 12 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 2.4. Zahlen in Deutschland Die Prävalenz einer Borderline–Störung wird in Deutschland mit ca. 0,8 – 2 Prozent angeben. Davon befinden sich ca. 80 % der Betroffenen in psychiatrischer Behandlung (vgl. Schäfer et. al., 2010, S. 43). Weiters zeigen Statistiken in Deutschland auf, dass vermehrt Frauen als Männer betroffen sind. Das Verhältnis von Frau zu Mann beträgt 3:1. 70-75 % der „Borderliner“ weisen mindestens eine selbstverletzende Handlung auf. Suizidale Vorkommnisse werden bei ca. 9 % der Betroffenen beobachtet (vgl. Wiegmann, 2012, S. 1). Das nächste Kapitel handelt von den verschiedenen Therapiemöglichkeiten der Borderline-Erkrankung. 13 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 3. Behandlung und Therapie der Borderline– Persönlichkeitsstörung Zur allgemeinen Persönlichkeitsdiagnostik stehen verschiedene Interviewverfahren und Fragebögen zur Verfügung. 3.1. Diagnostik Als Fragebogen zur psychiatrischen Persönlichkeitsklassifikation kann das Persönlichkeitsstil- und Störungsinventar (PSSI) eingesetzt werden (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 34). Dieser Fragebogen wird ab dem 14. Lebensjahr verwendet und ist ein Selbstbeurteilungsinstrument, das die Ausprägung nach Persönlichkeitsstilen der DSM IV und dem ICD 10 verwendet (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 35). Nach dem Ausfüllen des Fragebogens kommt das strukturierte Interviewverfahren zum Einsatz. Für Jugendliche wird das Strukturierte Klinische Interview für DSM IV (SKID-II) oder die International Personality Disorder Eximination nach ICD 10 (IPDE) verwendet (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 34). Bei dem SKID-II Fragebogen werden Fragen gestellt wie: „Geraten Sie in Panik, wenn Sie sich vorstellen, dass jemand, der Ihnen viel bedeutet, Sie verlässt?“ „Haben Sie je versucht, sich selbst zu verletzen oder umzubringen, oder es angedroht?“ „Haben Sie oft Wutausbrüche oder werden Sie so böse, dass Sie die Kontrolle verlieren?“ (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 38). Der International Personality Disorder Examination (IPDE) orientiert sich an der Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen nach ICD – 10. Hier werden 6 verschiedene Bereiche eingeschätzt. Arbeit Selbstwertgefühl Zwischenmenschliche Beziehungen 14 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz Affektivität Realitätskontrolle Impulskontrolle (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 38). Selbsttests stellen einen wichtigen Teil der Diagnostik und Feststellung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen dar. Sie bilden ein Hilfsmittel, welches vor allem beim Erstverdacht ihre Wichtigkeit beweist. Der Kontakt zum professionell geschulten Personal ist jedoch unumgänglich und sollte in weiterer Folge auch gesucht werden. Im Anhang wird als Beispiel der Selbsttest nach Dr. Richard Fellner, 2011, angeführt und beschrieben. Bei Vorliegen aller Kriterien einer Borderline–Störung wird umgehend mit der Behandlung begonnen, auf die im nächsten Absatz eingegangen wird. 3.2. Dialektisch–behaviorale Therapie (DBT) Die Behandlungsdauer von betroffenen Jugendlichen liegt zwischen 16 und 20 Wochen. Wichtig ist, dass Eltern der Betroffenen in die Therapie miteinbezogen werden. So wird der Lerneffekt verstärkt und die Eltern können gelernte Fertigkeiten zu Hause aufrechterhalten (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 66). Bei der Arbeit mit Jugendlichen besteht der Schwerpunkt darin, die Balance zwischen den notwendigen Veränderungen und der Akzeptanz von schwierigen Verhaltensweisen zu finden. Die Behandlung von Jugendlichen mit einer Borderline – Persönlichkeit erfordert eine umfassende Therapie. Die Behandlung erfüllt fünf verschiedene Funktionen: 1. Die Förderung der Fertigkeiten (Skills) des Betroffenen, auf die im Unterkapitel „Skillstraining“ näher eingegangen wird. 2. Die Steigerung der Motivation Die Steigerung der Motivation wird vor allem in der Einzeltherapie gefördert. 3. Die Sicherstellung der neu erlernten Fertigkeiten im Alltag. 4. Die Erhöhung der Fähigkeiten und der Motivation des Therapeuten. 5. Die Anregung des Patientenumfelds, die Fertigkeiten zu verfestigen (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 67). 15 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 3.2.1. Einzeltherapie Jugendliche mit selbstschädigenden und schwierigen Verhaltensweisen benötigen eine effektive und störungsspezifische Behandlung. Wichtig ist, dass die Behandlung stets systematisch bei dem Problem mit der höchsten Priorität beginnt. In der Einzeltherapie werden zusammen mit dem Betroffenen Verhaltensanalysen für das jeweils größte Problemverhalten erarbeitet. Die Einzeltherapie soll den Patienten unterstützen, die erlernten Fertigkeiten in sein übliches Umfeld zu übertragen. Weiters ist die Förderung der Motivation wichtig. Der Patient wird motiviert, gewisse Verhaltensweisen aufzugeben und durch erwünschte, erlernte Verhaltensmuster zu ersetzen. Alle Betroffenen führen ein Wochenprotokoll. Es wird protokolliert, welches Ausmaß die Symptome der Borderline-Störung in der vergangenen Woche hatten und wie gelernte Fertigkeiten umgesetzt werden konnten. Dieses Protokoll wird zu Beginn der Einzeltherapie durchgesehen und verschafft dem Therapeuten einen Überblick über das Befinden des Patienten. Dem Patienten wird auch die Möglichkeit gegeben, telefonischen Kontakt zum Therapeuten aufzunehmen. Dies ist vor allem während Krisensituationen eine große Hilfe (vgl. Fleischhaker & Schulz, 2010, S. 72). 3.2.2. Gruppentherapie Ein großes Merkmal von Persönlichkeitsstörungen ist die Störung der Interaktion mit anderen Menschen. Vor allem in der Adoleszenz ist die Interaktion mit anderen, um Freundschaften zu schließen und zu halten, eine wichtige Entwicklungsaufgabe. Dies reguliert den Selbstwert von Jugendlichen. Deswegen ist die Verbesserung der Kontakte eine zentrale therapeutische Aufgabe, welche besonders durch die gruppentherapeutische Behandlung unterstützt wird (vgl. Schlüter-Müller et. al., 2009, S. 22). 3.2.3. Skillstraining "Marsha Linehan (1993b) definiert Skills als kognitive, emotionale und handlungsbezogene Reaktionen, die sowohl kurz- als auch langfristig zu einem Maximum an positiven und einem Minimum an negativen Ergebnissen führen" (Bohus & Wolf, 2009, S. 2). 16 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz Jeder Mensch verwendet Skills (Fertigkeiten) im Alltag, ohne sich dessen bewusst zu sein. Menschen mit einer Borderline-Störung neigen dazu, auf diese Skills zu verzichten oder mit dysfunktionalen Reaktionsmustern zu reagieren. Somit dient das „Skillstraining“ dazu, dem Patienten Skills zu veranschaulichen und neu zu erlernen, um sie in Krisensituation anwenden zu können (vgl. Bohus & Wolf, 2009, S. 2). Bei der Borderline–Persönlichkeitsstörung entstehen Störungen der Affektregulation, der Identität und im zwischenmenschlichen Bereich. Deswegen werden fünf Fertigkeiten in einer Trainingsgruppe vermittelt. Achtsamkeit: Die Wahrnehmung des eigenen Körpers bzw. das Wahrnehmen des derzeitigen emotionalen Befindens aus einer selbstreflektierenden Position. Stresstoleranz Das Unterdrücken und Vermeiden von negativem Stress bzw. Strategien zur Stressbewältigung. Umgang mit Gefühlen Umfasst theoretische Aspekte und Fertigkeiten, um Emotionen richtig zu deuten und zu regulieren. Zwischenmenschliche Fertigkeiten Hilft dem Betroffenen soziale Kompetenz zu entwickeln und sich besser in sein soziales Umfeld zu integrieren. Selbstwert Durch Selbstreflexion der eigenen Wahrnehmungen wird das Selbstwertgefühl des Patienten wieder verstärkt (vgl. Bohus & Wolf, 2009, S. 9). Nachdem die Verfasserin das Grundwissen über diese sehr komplexe Persönlichkeitsstörung, die jede Pflegeperson besitzen soll, beschrieben hat, möchte sie nun auf ihre Fragestellung eingehen. Im nächsten Kapitel wird beschrieben, wie das Pflegeteam den Betroffenen professionelle Hilfe anbieten kann. 17 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 4. Allgemeine Grundsteine in der Pflege Im gesamten Team muss bei der Behandlung und Pflege von „Borderlinern“ strukturiert und einheitlich vorgegangen werden. Ein Stationskonzept, klare Stationsregeln und Zusatzausbildungen für das ganze Team sind unbedingt notwendig, um den Patienten in seinem Verhalten und seinen Symptomen zu verstehen und unterstützen zu können (vgl. Haupt & Jochheim, 2009, S. 471). 4.1. Bezugspflege Um Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeit bestmöglich unterstützen zu können, ist es wichtig einzelne Bezugspflegekräfte einem Patienten zuzuordnen. Diese sind Hauptansprechpartner für den Patienten, sowie für den Therapeuten (vgl. Bohus, 2002, S. 112). Borderline–Patienten können meist von sich aus keine Beziehungen aufrechterhalten, somit ist es die Aufgabe der Bezugspflege, für die Erhaltung der Beziehung zu sorgen. Die Patienten sollen merken, dass es normal ist, wenn in Beziehungen Konflikte entstehen und somit lernen mit Spannungen umzugehen (vgl. Grunst & Schramm, 2003, S. 478). Um einen Betroffenen optimal helfen zu können, ist es wichtig im Team allgemeine Regeln und Standards festzulegen. 4.2. Das Team bestimmt die Regeln Das Behandlungsteam bespricht mit dem Patienten gleich am ersten Tag, was auf ihn zukommt und was das Team von ihm erwartet. Ohne Festlegen von Regeln wird der Patient jeden Spielraum nützen, um seine dysfunktionalen Verhaltensmuster einzusetzen. Wichtig ist es, immer wieder nachzufragen, ob alles verständlich war. Der Patient kann auch aufgefordert werden es zu wiederholen, um ganz sicher zu gehen, dass er es versteht (vgl. Haupt & Jochheim, 2009, S. 472). 4.3. Grundannahmen Acht Grundannahmen der dialektisch-behavioralen Therapie (DBT) sind in der Pflege bei Borderline-Patienten sehr hilfreich. 18 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz Patienten versuchen das Beste aus ihrer Situation zu machen. Betroffene wollen sich verändern. Betroffene haben ihre Probleme nicht alle selbst verursacht, müssen sie aber selbst lösen. Das Leben mit einer Borderline–Störung ist so, wie es gelebt wird, nicht auszuhalten. „Borderliner“ müssen neues Verhalten in verschiedensten Bereichen des Lebens erlernen. In der dialektisch-behavioralen Therapie gibt es kein Versagen. Therapeuten brauchen Unterstützung (vgl. Haupt & Jochheim, 2009, S.471). 4.4. Verträge und Vereinbarungen Nach einem Suizidversuch oder nach selbstverletzendem Verhalten, soll in den ersten 24 Stunden ein NON-Suizid oder NON-Schneidevertrag abgeschlossen werden. Bei Patienten, die sich regelmäßig schneiden, kann vereinbart werden, dass sie sich nicht mehr so tief schneiden. Zusätzlich müssen Betroffene, Selbstverletzungen jeglicher Art dem Team melden und zeigen. Oft führt eine Selbstverletzung zur nächsten, man kann es als Sucht bezeichnen (vgl. Haupt & Jochheim, 2009, S. 471). Ganz zu Beginn wird dem Betroffenen nahegelegt, dass er es meldet, wenn er den Vertrag nicht mehr einhalten kann und sein Zustand sich verschlechtert. In dieser Situation kann der Betroffene um den „Notfallkoffer“, der in Kapitel 5 beschrieben wird, bitten. Erfahrungen nach, werden diese Verträge zwischen Patienten und dem Behandlungsteam selten gebrochen (vgl. Haupt & Jochheim, 2009, S. 47). 4.5. Verhaltensanalyse Wenn der Patient ein Problemverhalten aufweist (Selbstverletzung etc.) oder sich nicht an Absprachen/Verträge halten kann, muss er zeitnah eine Verhaltensanalyse schreiben und dies mit dem Team besprechen (vgl. Haupt & Jochheim, 2009, S. 473). In dieser Analyse wird das Problemverhalten genau beschrieben. Er beschreibt was genau passiert ist, wer involviert war und wo es sich abgespielt hat. Danach werden die vorausgegangen Ereignisse, Gefühle und Gedanken beschrieben und was das auslösende Ereignis war. Weiters werden die 19 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz Konsequenzen aufgelistet. Der Patient schreibt über mögliche Ideen und Vorschläge, die ihm helfen könnten, sein Verhalten unter Kontrolle zu bringen. Der nächste Schritt ist die Lösungsanalyse, bei der gemeinsam, Skills erarbeitet werden. Es folgt die Präventionsstrategie, das heißt Anfälligkeitsfaktoren werden so gering als möglich gehalten. Jeweilige Faktoren könnten zum Beispiel zu wenig Schlaf oder Drogen und Alkoholkonsum sein. Am Schluss wird festgehalten, wie sich der Betroffene belohnen oder entschuldigen kann. Durch sein dysfunktionales Verhalten hat er sich schon selbst genug bestraft, wie z.B. mit selbstverletzendem Verhalten, Scham, Narben etc. Es ist wichtig, eine Lösung zu finden, wie er sich selbst etwas Gutes tun und entlasten kann (z.B. sich um seine Wunden kümmern oder sich bei den beteiligten Menschen entschuldigen). Die Wiedergutmachung ist aufgrund des geringen Selbstwertgefühls ein sehr wichtiger Punkt (vgl. Haupt & Jochheim, 2009, S. 473). Die Verhaltensanalyse wird von den Patienten oft als Bestrafung erlebt. Sie hilft aber dem Team und dem Betroffenen zu erkennen, was wirklich passiert ist, welche Faktoren vorhanden waren und wie/wo er anders handeln hätte können. Vor allem die Lösungsansätze werden auf das genaueste besprochen, den so kann der Patient die nächste Krise „vorbereiten“ und „planen“ (vgl. Haupt & Jochheim, 2009, S. 474). Anhand der wichtigsten DSM IV – Kriterien für Borderline–Störungen werden die wichtigsten Pflegeschwerpunkte aufgelistet. 20 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 5. Pflege anhand der DSM IV–Kriterien für das Vorliegen einer Borderline-Störung Bei dieser äußerst komplizierten Persönlichkeitsstörung, haben Pflegende die Aufgabe, auf die verschiedensten Symptome der Borderline–Patienten einzugehen. 5.1. Umgang mit instabilen und idealisierten Beziehungen Die Aufgabe der Pflege ist es, dieses Muster zu erkennen und es gemeinsam mit dem Betroffenen zu besprechen und zu bearbeiten. Pflegende sollen sich dabei im Klaren sein, dass dieses Verhaltensmuster nur bedingt was mit ihnen zu tun hat. Sie sind „Projektflächen“. Die Haltung der Patienten, dem Pflegeteam gegenüber kann sich innerhalb kürzester Zeit ändern. Aufgrund der Persönlichkeitsstörung kann der Betroffene nur wahrnehmen, ob eine Person „gut“ oder „böse“ ist (vgl. Haupt & Jochheim, 2009, S. 471). Nicht selten teilen die Betroffenen das Pflegeteam in „gute“ und „böse“ Personen. Daher ist es wichtig, dass die Bezugspflege von mehreren Pflegepersonen durchgeführt wird. Aufgabe ist es, dem Patienten zu verdeutlichen, dass das Spalten oder Ausspielen der Teammitglieder keinen Vorteil für ihn bringt. Absprachen und einheitliche Teamstrategien sind hier in der Pflege unumgänglich. Die Pflege soll in diesem Fall, Ängste der Betroffenen und die völlig erhöhten Erwartungen an eine Person wahrnehmen und versuchen eine realistische Beziehung herzustellen (vgl. Grunst & Schramm, 2003, S. 349). 5.2. Pflege bei wiederholtem suizidalem Verhalten, Andeutungen oder Drohungen Die wichtigste Aufgabe der Pflegepersonen auf der Station ist die aufmerksame Beobachtung und das rechtzeitige Erkennen von Suizidalität (vgl. Grunst & Schramm, 2003, S. 478). Wenn der Verdacht auf suizidale Tendenzen besteht, ist das direkte Ansprechen von Suizidgedanken von großer Wichtigkeit. Ein Gespräch mit dem Arzt und der Bezugspflegeperson entlastet den Betroffenen. 21 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz Die Fragen sollen sensibel gewählt werden und nicht alle hintereinander gefragt werden. Somit wird der Patient nicht überfordert. Nach dem Gespräch wird gemeinsam eingeschätzt, welche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden müssen (vgl. Grunst & Schramm, 2003, S. 479). Maßnahmen bei akut suizidalen Patienten: Der Patient soll sich immer in Sichtweite des Stationsstützpunktes befinden. Pflegepersonen sehen häufig nach dem Patienten. Dem Betroffenen wird intensive Zuwendung gegeben. Strenge Kontrollen im Bezug auf gefährliche Gegenstände. Eventuell eingeschränkte Ausgangsvereinbarungen setzen bzw. Ausgang in Begleitung der Pflegenden ermöglichen. Bei hochsuizidalen Patienten ist evt. eine (Teil-) Fixierung nötig. Dabei ist es von äußerster Wichtigkeit auf rechtliche Voraussetzungen zu achten. Pflegepersonen müssen sich im Klaren sein, dass die Überwachung eines suizidalen Patienten, niemals in einer Weise geschehen darf, die den Betroffenen kränkt oder verletzt. Ein sensibler Umgang hat auch hier höchste Priorität (vgl. Grunst & Schramm, 2003, S. 480). 5.3. Pflege bei selbstschädigendem Verhalten Um die Situation des betroffenen "Borderliners" ändern zu können, muss er zusammen mit dem Therapeuten und den Pflegekräften, Skills (Fertigkeiten) erarbeiten und erlernen, welche im dritten Kapitel bereits erwähnt wurden. Für die Pflege ist es wichtig, Alternativen zum selbstverletzenden Verhalten zu kennen und praktisch anwenden zu können. 5.3.1. Der „Skillskoffer“ Hat ein Patient den Drang nach Selbstverletzung, kann er sich bei den zuständigen Pflegepersonen melden und nach dem sogenannten „Skillskoffer“ verlangen. Dieser Koffer wird individuell mit jedem Patienten zusammengestellt. Bei Jugendlichen ist er mit verschiedenen Utensilien gefüllt, welche dem Patienten die Möglichkeit gibt, sich leichte Schmerzen zuzufügen. Somit werden ernsthafte Verletzungen vermieden. 22 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz Dieser Koffer dient dazu den Patienten ins Leben zurückzuholen und den Druck abzubauen, den er verspürt. Beispiele für mögliche Utensilien in einem Skillskoffer: Saure oder scharfe Bonbons Pfefferminzöl oder Chiliöl harte Bürsten Kieselsteine, die man bei Bedarf in die Schuhe legt Gummi für das Handgelenk Coolpacks Der Patient darf mit dem Skillskoffer nicht alleine gelassen werden, besonders bei der Anwendung von Hotpacks, weil es dadurch leicht zu Verbrennungen kommen kann (Wiegmann, 2012, S. 1). 23 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 6. Die Borderline–Persönlichkeit und seine Angehörigen Wie schon im Kapitel fünf erwähnt wurde, weisen Borderline-Patienten in der Beziehungsgestaltung erhebliche Probleme auf. Sie sind in permanenter Angst enttäuscht und verletzt zu werden. „Borderliner“ sind nicht in der Lage einem anderen Menschen zu vertrauen, somit ist die Beziehung von Unsicherheit und Misstrauen geprägt. Kontrolle, Eifersucht und die panische Angst vor dem Verlassenwerden bestimmen die Beziehung. Diese Angst führt oft zu einem „Anklammern“, was von den Angehörigen als einengend und nicht nachvollziehbar erlebt wird. Auf der anderen Seite gelingt ihnen die Regulation von Nähe und Distanz sehr schwer. Es ist kaum möglich, Nähe für eine längere Zeit auszuhalten. Dadurch entsteht sofort die Angst vor Selbstaufgabe und Selbstverlust. Oft verschwinden sie für einige Tage und melden sich nicht mehr, was für die Angehörigen natürlich sehr belastend ist (vgl. Rüther et. al., 2010, S. 106). Besonders schwierig für Angehörige ist der Umgang mit dem selbstverletzenden Verhalten oder gar Suizidalität. Oft reagieren sie mit Mitleid, Hilflosigkeit oder Ärger. Sie haben das Gefühl für sämtliche Probleme in der Beziehung verantwortlich zu sein (vgl. Rüther et. al., 2010, S. 107). 6.1. Reaktionen der Angehörigen auf die Erkrankung „Borderline“ Durch das Verhalten des Borderline–Patienten entstehen verschiedenste Gefühle und Reaktionen der betroffenen Angehörigen. 6.1.1. Verlust der Selbstachtung Schuldzuweisung, Beleidigungen und Unterstellungen führen nach einer gewissen Zeit dazu, dass das Selbstwertgefühl des Angehörigen sinkt. Somit ist er nicht mehr in der Lage, die Situation realistisch zu beurteilen. 6.1.2. Ohnmachtsgefühle Auch wenn das Borderline–Verhalten viel Leid erzeugt, scheint es für Bezugspersonen unmöglich, denjenigen zu verlassen. Die Drohung, Suizid zu 24 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz begehen oder sich zu verletzen, gibt ihnen das Gefühl, es sei zu riskant, Grenzen zu setzen. 6.1.3. Rückzug Um die Situation aushalten zu können, zieht sich der Angehörige immer mehr zurück. Dies kann wiederum die Folge haben, dass sich der „Borderliner“ allein gelassen fühlt und noch intensiver reagiert (vgl. Mason & Kreger, 2008, S. 126). 6.1.4. Schuld und Scham Allmählich ist die Bezugsperson der Meinung, dass sie tatsächlich die Ursache aller Probleme ist. Eltern von Betroffenen sind besonders verletzlich. Sie glauben in der Erziehung alles falsch gemacht zu haben und schlechte Eltern zu sein. 6.1.5. Suchtverhalten Oft reagieren Angehörige mit exzessivem Trinken, übermäßigem Essen oder gar mit Missbrauch verschiedenster Substanzen. Das Suchtverhalten ist ein Hilfsmittel mit der emotionalen Belastung umzugehen (vgl. Mason & Kreger, 2008, S. 127). 6.1.6. Übernahme der Denk- und Gefühlsmuster Die Gefahr besteht, dass Bezugspersonen oft selbst in ein „Schwarz-WeißDenken“ verfallen. Oft erleben sie Stimmungsschwankungen, sie sind in guter Stimmung, wenn der „Borderliner“ ein Hoch hat, und werden in schlechte Stimmung versetzt, wenn der „Borderliner“ in ein Tief gerät (vgl. Mason & Kreger, 2008, S. 128). Um diese Verhaltensweisen zu verhindern oder ändern zu können, ist es von großer Wichtigkeit, dass auch Angehörige von Menschen mit einer Borderline– Persönlichkeit, Hilfe und Unterstützung erhalten. Ein Teil der Forschungsfrage in dieser Abschlussarbeit ist es, wie diplomierte Pflegepersonen, die Angehörigen eines Borderline–Betroffenen, professionell unterstützen können. Dieser Punkt wird im nächsten Unterkapitel bearbeitet. 25 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 6.2. Welche Möglichkeiten haben Angehörige auf die Verhaltensweisen des „Borderliners“ einzugehen? Die Aufgabe der Pflege ist hier die Beratungsfunktion, wie Angehörige bestmöglich mit einem „Borderliner“ zusammenleben können. Tipps und Ratschläge sind vor allem für Eltern sehr hilfreich und können positiven Einfluss in die Beziehung bringen. Die wichtigste Maßnahme der Angehörigen eines Borderline-Betroffenen ist, dass er dem Partner ausreichend Grenzen setzt. Die Grenzen sollen allerdings rechtzeitig gesetzt werden, bevor der Betroffene wütend wird und mit kontrollierenden oder einschränkenden Maßnahmen reagiert. Selbstlosigkeit ist für keinen in der Beziehung hilfreich (vgl. Rüther et. al., 2010, S. 109). Allgemeine Regeln, wie das Zuhören, den anderen Aussprechen lassen oder respektvoller und höflicher Umgang, ist die Basis des Zusammenlebens. Die betroffenen Eltern müssen darauf hingewiesen werden, dass Verteidigungspositionen, Rückzug oder Gegenangriffe zu vermeiden sind. Diese Verhaltensweisen würden den Konflikt nur noch verstärken. Ein weiterer Beratungspunkt ist es, das Angehörige gemeinsam mit dem „Borderliner“ absprechen, welche Maßnahmen in Krisensituationen zu ergreifen sind. Wichtig ist, dass sich der Angehörige bewusst wird, dass Veränderungen nur in kleinen Schritten möglich sind (vgl. Rüther et. al., 2010, S. 111). Die Borderline–Persönlichkeitsstörung ist eine lang anhaltende Störung die nur langsame Veränderungen zulässt. Sie kann sich bei guter Betreuung und Pflege aber kontinuierlich verbessern und ist auf keinen Fall unheilbar (vgl. Rüther et. al., 2010, S. 112). 6.2.1. Hilfreiche Verhaltensweisen der Angehörigen: Rechtzeitiges Setzen von Grenzen Klare Positionen Verantwortung teilen Gefühle und Gedanken klar äußern Vermeiden von Eskalationen Absprachen treffen für Krisensituationen (vgl. Rüther et. al., 2010, S. 113). Um diese Arbeit mit Erfahrung aus der Praxis abzuschließen, möchte die Verfasserin das Interview mit DpGKP Erber miteinbeziehen. 26 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 7. Interview mit DpGKP Georg Erber Herr Georg Erber ist stellvertretender akademischer Lehrer für Direktor der psychiatrischen Gesundheitsberufe und Gesundheits- und Krankenpflegeschule am Bildungszentrum der Christian Doppler Klinik in Salzburg. Das vorliegende Interview wurde nicht Wort für Wort übertragen. I. Wo konnten Sie Erfahrungen mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) sammeln? Erfahrung mit der Borderline-Störung konnte Herr Erber auf der Kinder- und Jugendpsychiatrie, auf der er 7 Jahre tätig war, machen. Zusätzlich auch im Vereinstraining der Polizeidirektion. II. Was ist in der Pflege von BPS–Patienten am schwierigsten? Am schwierigsten ist die Beziehungsgestaltung in der Betreuung von Borderline-Patienten. Durch das gestörte Nähe- und Distanzverhältnis der Betroffenen ist es sehr schwer sich abgrenzen zu können. Die Emotionen und Reaktionen von Patienten können sehr nahe gehen. III. Haben Sie Erfahrungen mit dem Prinzip der Spaltung in Pflege von BPSBetroffenen? Ja, in der Pflege von „Borderlinern“ gibt es oft einen guten und bösen Betreuer. Am Anfang ist es schwer eine Beziehung aufzubauen. Ist dies aber geschehen, konzentrieren sich Patienten oft mit voller Aufmerksamkeit auf ihre Bezugspflegeperson. Geht es ihnen aber schlecht, äußert sich das oft in selbstverletzendem Verhalten oder kann sich auch nach außen projizieren. Zum Beispiel: Du hast mir versprochen für mich da zu sein, aber du bist nach Hause gegangen und hast mich alleine gelassen. Als Betreuer muss man sich aber bewusst sein, dass diese Reaktion aufgrund einer inneren Strukturstörung vorliegt. Der Patient macht das nicht bewusst. Diese Reaktion dient als Schutzmechanismus, sie fühlen sich verletzlich. 27 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz IV. Wird der „Skillskoffer“ in der Christian Doppler Klinik angewendet? Auf der Kinder- und Jugendpsychiatrie wir das Bezugspflegesystem angewandt. Das heißt der Betreuer muss sich überlegen, was der Patient braucht und wie er mit ihm umgeht. Jeder Patient benötigt individuelle Skills. Es gibt soziale Skills, körperbezogene Skills, sinnesbezogene Skills usw. Oft reicht auch nur ein Gespräch mit dem Bezugspfleger oder ganz laut Musik zu hören. Nur ein kleiner Teil wird vorgegeben, den Rest bestimmt der Patient selbst. Der Patient wird gefragt welche Alternativen er bisher zum selbstverletzenden Verhalten hatte. Auf der Suizidprävention in der Christian-Doppler-Klinik gibt es zum Beispiel einen „Notfallsessel“. Dieser wird der „Sichere Ort“ genannt. Wenn es dem Patienten schlecht geht, der Druck überhand nimmt und der Notfallkoffer nicht mehr reicht, kann er sich auf den Stuhl setzen. Der Bezugspfleger spricht den Betroffenen darauf an und „holt ihn ab“. V. Welche Alternativen zur Selbstverletzung bieten Sie den Patienten am häufigsten an? Zu aller erst biete ich den Patienten ein Gespräch an. Dem Betroffenen wird zugehört. Wenn dies den Druck nicht senkt, können verschiedenste Tätigkeiten angeboten werden. Diese sind je nach Patient individuell. Manche wollen spazieren gehen, manche wollen sich körperlich spüren (z.B. auf Chilischotten beißen usw.). VI. Haben sie Erfahrung mit Suizidalität eines Patienten?? Das Ziel der Patienten ist nicht der Tod. Oft ist die Selbstverletzung einfach so schwer, dass sie zum Tod führt, z.B. das Essen von Glasscherben oder Rasierklingen, ist ein impulsives Verhalten und im Nachhinein bereuen sie es. Das Notfallmittel beim Verschlucken von scharfen Gegenständen ist Sauerkraut. Das Sauerkraut wickelt sich um den scharfen Gegenstand und schützt vor Verletzungen. 28 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz VII. Haben Sie viele Rückfälle erlebt? Rückfälle gibt es sehr häufig. Oft sind es aber „maskierte“ Rückfälle. Die Selbstverletzung wird einfach anders durchgeführt z.B. Workaholics etc. VIII. Sind mehr männliche oder weibliche Jugendliche betroffen? Erfahrungen nach gibt es mehr weibliche Jugendliche, die betroffen sind. 29 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 8. FAZIT Zusammenfassend ist „Borderline“ eine der schwierigsten und komplexesten psychiatrischen Erkrankungen. Die professionelle Pflege hat in diesem Bereich einen sehr großen Aufgabenbereich, dem man mit viel Sensibilität gegenüberstehen muss. Die Situation ist nicht nur für den Betroffenen und den Angehörigen schwierig, sondern auch das multiprofessionelle Team und vor allem das Pflegepersonal werden sehr gefordert. Die leitende Fragestellung dieser Fachbereichsarbeit, wie können Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, sowie deren Angehörigen vom diplomierten Pflegepersonal professionell unterstützt werden, kann mit zwei einfachen Worten beschrieben werden: GEDULD und VERTRAUEN. Vertrauen ist der Grundstein einer guten Pflegebeziehung. Dies mag einem am Anfang sehr schwer und langwierig vorkommen und fordert sehr viel Geduld. Erst durch das Aufbauen einer guten Beziehung können pflegerelevante Maßnahmen richtig umgesetzt werden und von den Betroffenen richtig angenommen werden. Der Betroffene soll lernen, Beziehungen aufzubauen und zu halten. Daher wird Bezugspflegepersonen darauf geachtet, zuzuteilen, welche jedem Patienten während des bestimmte gesamten Krankenhausaufenthalts als Hauptansprechpartner gelten. Somit kann er ein angemessenes Nähe- und Distanzverhältnis kennenlernen und vor allem eine stabile Beziehung führen. Die Borderline–Persönlichkeitsstörung umfasst ein großes Spektrum an verschiedenen Symptomen, auf die alle individuell und sensibel eingegangen werden muss. Deswegen werden Pflegemaßnahmen, mit jedem Patienten einzeln besprochen und angepasst. Um mit dem Druck und den Spannungszuständen besser umgehen zu können, erlernen Menschen mit einer Borderline–Störung, zusammen mit dem professionellen Team, bestimmte Fertigkeiten (Skills), die er anstelle dem selbstverletzenden Verhalten einsetzen kann. 30 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz Große Priorität hat die Einbeziehung der gesamten Familie. Auch für die Eltern der Betroffenen ist diese Erkrankung eine immense Herausforderung. Sie verspüren großen Druck und fühlen sich hilflos, sie müssen aufgeklärt und in die Pflege integriert werden. Somit können sie bestimmte Verhaltensweisen des Borderline– Patienten verstehen lernen und mit gezielten Hilfsmitteln unterstützend reagieren. Obwohl Borderline mittlerweile eine weit verbreitete psychiatrische Erkrankung geworden ist und im Pflegealltag einen großen Platz eingenommen hat, gibt es wenige, die sich mit diesem komplexen Thema auseinandersetzen. Wünschenswert wäre für die Zukunft, dass das Stigma von psychiatrischen Erkrankungen abgelegt und fortan ernst genommen wird, um allen Betroffenen eine professionelle und vor allem hilfreiche Unterstützung anbieten zu können. 31 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 9. Literaturverzeichnis Bohus, M. & Wolf, M. (2009). Interaktives Skillstraining für Borderline - Patienten im Set. Stuttgart: Schattauer GmbH. Bohus, M. (2002) Borderline. Göttingen: Hogrefe – Verlag GmbH & Co. KG. Fleischhacker, C. & Schulz, E. (2010). Borderline - Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter. Berlin Heidelberg: Springer. Grunst, A. & Schramm, A. (2003). Pflege konkret Neurologie, Psychiatrie. München: Urban & Fischer Verlag. Jochheim, K. &Haupt, W. (2009). Neurologie und Psychatrie für Pflegeberufe. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG. Knuff, A., Tilly, C. (2004). Borderline: Das Selbsthilfebuch. Bonn: Balance Verlag. Mason, P. & Kreger, R. (2008). Schluss mit dem Eiertanz. Für Angehörige von Menschen mit Borderline. Bonn: Balancebuch + medien Verlag. Rhode, A. & Marneros, A. (2007). Geschlechterspezifische Psychatrie und Psychotherapie: Ein Handbuch. Stuttgart: Kohlhammer. Schäfer, U., Rüther, E., Sachsse, U. (2010). Borderline - Störung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Schlüter – Müller, S. & Schmeck, K. (2009). Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter. Heidelberg: Springer Medizin Verlag. Wiegmann, C. (2012). Borderline - Störung. [WWW Dokument] Verfügbar unter: http:// www. Borderline-borderliner.de. [Datum des Zugriffs: 15.07.2012]. Fellner, R. (2011). Selbsttest auf Borderline -Störung. [WWW Dokument]. Verfügbar unter: http://www.psychotherapiepraxis.at/surveys/test_borderline.phtml. [Datum des Zugriffs: 15.07.2012]. 32 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz Anhang Selbsttest auf Borderline – Störung: Zeichenerklärung: 0 = ich stimme nicht zu, 3 =ich stimme definitiv zu 1. In meiner Familie gab es Substanzmissbrauch (z.B. Alkoholabhängigkeit, Medikamentenmissbrauch, Drogenkonsum) und/oder ich nehme regelmäßig Drogen/Alkohol/Medikamente. 2. Es braucht nicht viel, damit ich in Wut gerate. 3. Ich habe im Wesentlichen noch dieselben Ziele für mein Leben wie die, die ich vor 2-3 Jahren hatte und habe auch schon relativ klare Ziele für die nächsten 3 Jahre. 4. Ich falle manchmal stimmungsmäßig in sehr tiefe Löcher (Angst oder Depression). 5. Zu manchen Menschen habe ich eine recht extreme Beziehung: Ich liebe sie sehr, sie können mich aber auch oft zur Weißglut bringen. 6. Manchmal fühle ich mich äußerst einsam und verloren, das halte ich dann kaum aus. 7. Es fällt mir schwer, stabile, dauerhafte Freundschaften zu halten. 8. Ich verletze mich manchmal selbst und/oder bin anfällig für kleinere und größere Unfälle. 9. Ich gerate manchmal in eine Stimmung von geradezu lähmender Langeweile - obwohl ich eigentlich genug zu tun hätte. 10. "Ich weiß, wer ich bin." - Diese Aussage trifft auf mich zu. 11. Manchmal bin ich nicht sicher, welche sexuellen Vorlieben ich eigentlich habe bzw. in welche Richtung es mich eigentlich zieht. 12. Meist finde ich Mittel und Wege, meine Ziele zu verwirklichen. Nötigenfalls helfe ich ein bisschen nach. 13. Ich hatte aufgrund psychischer Probleme schon psychiatrische Kontakte (Klinikaufenthalt, ärztliche Evaluation etc.), oder mir wurde schon einmal von anderen nahe gelegt, einen Psychiater oder Psychotherapeuten aufzusuchen. 33 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 14. Ich hatte in meinem Leben schon das eine oder andere Mal das Gefühl, die Kontrolle über mich zu verlieren oder "auszurasten". 15. Ich habe Erinnerungen an sexuellen Missbrauch oder Gewalt (z.B. sehr harte Bestrafungen), durch Eltern, Verwandte oder andere Personen und/oder Ich wurde früh von meinen Eltern in Stich gelassen (z.B. Trennung, Freigabe zur Adoption, Kinder- und Jugendheime, Fürsorge...) 16. Es passiert mir oft, dass ich wesentlich mehr Geld ausgebe, als ich plante. 17. Ich gerate öfters in heftige Wut, die in manchen Fällen auch zu Prügeleien oder Rangeleien führen kann. 18. Wenn es mir sehr schlecht geht, kann das so weit führen, dass ich mir etwas antue (oder es zumindest ankündige). 19. Manchmal setze ich Aktionen oder treffe Entscheidungen, ohne über die Folgen ausreichend nachzudenken. 20. Ich bin ein Mensch mit starken Stimmungsschwankungen. 21. Ich neige zur "Schwarz/Weißmalerei", also zu Aussagen wie "das ist so" oder "das ist nicht so", ohne Graubereich - ohne feinere Abwägungen vorzunehmen. 22. Wenn ich mit anderen Menschen spreche, kommt es öfters vor, dass sie Schwierigkeiten haben, meinen Gedankengängen zu folgen. 23. Ich verliere rasch mein inneres Gleichgewicht, wenn sich Dinge anders entwickeln, als ich das erwartet habe. 24. Ich habe schon von einem Medikament deutlich mehr eingenommen als verordnet. 25. Wenn ich in Wut gerate, dauert es einige Zeit, bis ich mich wieder beruhige (beruhigen lasse). 26. Manche Leute sagen(sagten) über mich, ich sei manipulativ oder hinterhältig. 27. Ich hatte innerhalb der letzten 2 Jahre wiederkehrende Selbstmordgedanken. 28. Wenn ich alleine bin oder wenn ich nichts zu tun habe, fällt mir leicht die "Decke auf den Kopf". Langeweile oder das Gefühl von Leere belasten mich überdurchschnittlich. 29. Gelegentlich klaue ich in Läden etwas. 34 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz 30. Es gibt Phasen, in denen ich regelrechte "Fressanfälle" habe. 0 1 2 3 31. Ich habe Angst vor dem Alleinsein. 32. Wenn ich eine dreiseitige Abhandlung über das schreiben müsste, was mir im Leben wirklich etwas bedeutet, müsste ich nicht lange überlegen und könnte sofort beginnen, loszuschreiben. 33. Ich habe große Angst davor, von den Menschen die ich liebe, verlassen zu werden. 34. Wenn ich extrem unter Stress stehe, habe ich manchmal ein bedrohliches Gefühl, ich könnte "durchdrehen", den Boden unter den Füßen verlieren oder völlig die Kontrolle über mich verlieren. 35.Ich habe schon des Öfteren Ausbildungen, Psychotherapien, ärztliche Therapien, die Schule etc. abgebrochen, meinen Job überdurchschnittlich häufig gewechselt oder verloren und/ oder ich habe mehr abgebrochene Beziehungen hinter mir als andere Menschen meines Alters 36. Bei manchen meiner Freunde oder Freundinnen frage ich mich manchmal, ob sie wirklich die Richtigen für mich sind und/oder bei meinem(r) Partner(in) frage(fragte) ich mich sehr oft, ob er/sie die Richtige für mich ist. 37. Manchmal ist mir extrem langweilig. 0 1 2 3 38. Es fällt mir nicht gerade leicht, mich in andere Menschen einzufühlen. 39. Manchmal habe ich das Gefühl, jemand verfolge mich und/oder manchmal habe ich das Gefühl, bestimmte Teile meines Körpers gehörten nicht zu mir. Ich nehme manchmal Dinge wahr (z.B. sehend oder hörend), von denen ich bezweifle, dass sie real sind. 40. Ich habe Ängste, die ich einfach nicht los werde (z.B. vor dem Erröten, Sprechen in der Öffentlichkeit, vor bestimmten Tieren, vor Unwettern, Höhenangst, vor Beschmutzung, vor Ansteckung etc.) (Fellner, 2011,S.1) 0 1 2 3 35 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 0 1 2 3 Das Leben in Schwarz/Weiß. Die Borderline - Störung in der Adoleszenz Ehrenwörtliche Erklärung Hiermit erkläre ich, dass es sich bei der vorliegenden Abschlussarbeit um eine Arbeit handelt, die ich selbst verfasst und in der ich alle Quellen zitiert habe. Sarah Schwaighofer S.A.B. für Kinder- und Jugendlichenpflege Name Ausbildung Salzburg, am Ort, Datum Unterschrift 36