Borderline

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Sozialmedizinische und Sozialpsychiatrische Grundlagen Sozialer Arbeit
WS 2010/11
Dozent: Eugen Kuhn
Handout XXL
Borderline
Kathrin Kranert (38994)
Anna Konopczak (38795)
Borderline- Störung
Begriff
 Hat seine Wurzeln in der Psychoanalyse und in der Psychopathologie
 1938 vom Psychoanalytiker Stern geprägt
- Gemeint war eine Art „Grenzlinie“ zwischen neurotischen und psychotischen
Zuständen
 1970er/1980er Jahre- wurde der Begriff als Sonderform der schizophrenen Psychose
verstanden
 1870er Jahre- Symptome bereits bekannt unter dem Krankheitsbild der „Hysterie“ >
Störungen, die durch emotionale Konflikte ausgelöst wurden
Kriterien der BLS nach DSM-IV
 Verzweifeltes Bemühen ein tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu
vermeiden
 Muster von instabilen & intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen, das sich
durch einen Wechsel zwischen extremer Idealisierung bzw. Abwertung auszeichnet
 Identitätsstörung
 Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Bereichen (z.B.:
Geldausgeben, Sex, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Fressanfälle)
 Suizidale Handlungen, Suiziddrohung, selbstverletzendes Verhalten
 Affektive Instabilität, die durch eine ausgeprägte Orientierung an der aktuellen
Stimmung gekennzeichnet ist (z.B.: starke episodische Niedergeschlagenheit,
Reizbarkeit oder Angst, üblicherweise wenige Stunden bis selten wenige Tage
 Chronisches Gefühl der Leere
 Unangemessene, starke Wut oder Schwierigkeiten, Wut oder Ärger zu kontrollieren
(z.B.: häufige Wutausbrüche, andauernder Ärger, wiederholte Prügeleien)
 Vorrübergehende stressabhängige paranoide Vorstellungen, schwere dissoziative
Symptome
Symptomatik
Emotionsregulation und kognitive Beeinträchtigung:
 Gestörte Affektregulation und Selbstwahrnehmung
 Beeinträchtigung der Beziehungsgestaltung
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Begleitet von: extrem starken fehlgeleiteten (dysfunktionalen) Informations- und
Verarbeitungsmustern- affektiven und kognitiven Schemata sowie selbstschädigenden
Verhaltensweisen
Emotionsregulation (Affektregulation):
 Zentrales Problem:
Störung der Affektregulation
 Für die Störung typisch:
extrem niedrige Reizschwelle führt zur Auslösung von
Emotionen, die sich auf sehr hohem Erregungsniveau halten und nur langsam
abklingen
 erhöhte Sensitivität gegenüber emotionalen Reizen
 verstärkte emotionale Auslenkung + verzögerte Rückkehr auf das emotionale
Ausgangsniveau
 Unterschiedliche Emotionen werden von den Betroffenen:
-nicht differenziert wahrgenommen
-verursachen aversive Spannungszustände
Hinzu kommt:
- Schwierigkeit Gefühle zu steuern
- Mangelnde Impulskontrolle
- Enorme Angst vor Gefühlen
 Borderline- Patienten müssen erst lernen, dass Gefühle differenziert wahrgenommen,
beschrieben und zugeordnet werden können > Handlungen unterliegen der freien
Entscheidung> Gefühl der Kontrolle/ emotionalen Stabilität
 Viele Borderline- Patienten weisen in ihrer Lebensgeschichte eine traumatische
Erfahrung auf> viele leiden auch an einer posttraumatischen Belastungsstörung
Dissoziative Symptome
 Lassen sich zumeist von traumatischen Erfahrungen und Erlebnissen herleiten
 Werden durch intrapsychischen Stress ausgelöst
 Unter extrem hoher Anspannung wird das Flucht- und Kampfpotential des Körpers bis
hin zum Totstellreflex (freezing) aktiviert
Es entsteht:
-
Zustand von Emotionsüberflutung
Gefühlswirrwarr verbunden mit Körperwahrnehmungsstörungen
Wahrnehmungsverzerrungen
Hyperästhesie (Schmerzüberempfindlichkeit) oder
Analgesie (Schmerzunempfindlichkeit)
Veränderung der Sinneswahrnehmung
Somatoforme Veränderungen
Psychisches und körperliches Erleben im Hier und Jetzt löst sich auf
Dissoziationspotential des Körpers wird ausgeschöpft, sensibilisiert und
konditioniert
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Selbstauflösung, Sprachlosigkeit und Kommunikationsschwierigkeiten
Gefühl der Leere und Realitätsverlust: >Der eigene Körper wird als fremd
empfunden
>Geräusche werden nur mehr entfernt wahrgenommen, optische
Konturen lösen sich auf > Angst steigert sich zur Panik und verstärkt das Gefühl
der Unwirklichkeit, Fremdheit und Bedrohung > begleitet von überdimensionalen
Gefühlen, die plötzlich da sind, unerträglich sind und nicht abklingen wollen
> Hilfe in der Situation: Selbstverletzung, Vorstellung von Suizid
 Handlungen werden oft als fremd erlebt „ Das passiert nicht mir“ >
„Nichterinnernkönnen“ (Amnesie) gesetzter Handlungen, da diese nicht im
Kurzzeitgedächtnis gespeichert werden
 Ungeschulte Beobachter können oft von außen keine sichtbaren Veränderungen
wahrnehmen, für die Betroffenen selbst bedeutet das Kontrollverlust, der das
Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit entstehen lässt
 Wut als Überlebensstrategie: Um unerträgliche Gefühle oder Trauma nicht
nochmals durchleben zu müssen (Flashbacks)
Folge: - unangemessene Wutanfälle
- ständige Konflikte
- aggressive Handlungen
- Zwischenmenschliche Konflikte: Wut, Selbsthass und dysfunktionale
Bewältigungsstrategien stehen im Vordergrund
Hochstress und kognitive Beeinträchtigung
Die mit Hochstress im Zusammenhang stehenden Symptome wie „Dissoziative Phänomene“
beeinträchtigen die Fähigkeit neue Erfahrungen machen zu können
denn: Realität kann nicht situationsadäquat wahrgenommen werden> In diesen
Moment ist eine Gesprächsführung schwierig bis unmöglich
Neurobiologische Studien zeigen: Unter Hochstress ist die Lernfähigkeit deutlich
herabgesetzt> Neues Verhalten kann so nicht geübt bzw. gelernt werden
Bei Beziehungsgestaltung: Beachtung der Hochstresssymptomatik+ Selbstverletzung
Denn: Motivation zur Selbstverletzung> Aspekt des Kontrollverlustes: Selbstverletzung
unterbricht unerträgliche Spannungszustände+ unterliegt einer mystisch, magischen
Vorstellung von Selbstbestrafung und Kontrolle
Viele Betroffene haben Erfahrung mit Ohnmacht und Kontrollverlust> niedriger Selbstwert,
Selbsthass und Selbstverachtung> wenig Handlungsspielraum
Vermutung: Durch Selbstverletzung wird Kontrollverlust unterbrochen> Therapie:
Erarbeitung anderer Möglichkeiten um das Gleiche Ziel zu erreichen
Spannungszustand
 Klinisches Leitsymptom der Borderline- Störung
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 Intensive, äußerst unangenehme Anspannung (Spannung)
 Betroffenen setzen diverse oft selbstschädigende Maßnahmen ein um Anspannung zu
beenden und unangenehme Gefühle zu verbessern
Z.B.: Sportliche Betätigung (Schwimmen und Laufen bis zum Umfallen)
Hochrisikoverhalten (Autorasen, gefährliche Balanceübung)
Essstörungen (Hunger Phasen, Essanfälle, Ess- Brech Sucht)
Selbstverletzung
Schmerzwahrnehmung
 Borderline- Patienten nehmen Schmerz i.d.R. weniger intensiv wahr, als „Gesunde“
 Hochstress führt zu Selbstverletzung und zu einer reduzierten
Schmerzwahrnehmung> bis hin zu völliger Schmerzlosigkeit
 Selbstverletzung soll den Zustand der Anspannung, Unfähigkeit der
Schmerzwahrnehmung beenden> Betroffene wollen sich selbst wieder spüren
 Selbstverletzung beginnt oft im Kindes bzw. Jugendalter
 Im Laufe der Zeit. Gewöhnung des Körpers an den Schneideeffekt> Immer tiefere
Schnitte führen zur Spannungsreduktion
 Selbstverletzung ist kein Zeichen für den Verlust von Impulskontrolle>
Schneiden/Ritzen als Ritual
Forschung:
 Bei Borderline- Patienten kann man eine aktive Unterdrückung von
Schmerzempfindungen im Gehirn beobachten> Tranceartige Zustände während der
Selbstverletzung
 Versuche im Labor mit applizierten Hitze- und Druckreizen zeigen eine geringe
Wirkung
 Je stärker die Symptome von Anspannung+ dissoziativen Zuständen> desto
unempfindlicher gegenüber Schmerzreizen
 Generelle Beeinträchtigung der sensorisch- diskriminativen Schmerzwahrnehmung
kann ausgeschlossen werden
Zwischenmenschliche Beziehungen
 Kriterium nach DSMIV- „Verlassenwerden Vermeiden“
 Schwierige Beziehungsmuster mit häufig wiederkehrenden Trennungs- und
Wiederannäherungs- Prozessen
 Hinzu kommt: ausgeprägte Angst vor dem Alleinsein+ Verlassenwerden
 Langzeitverläufe zeigen: Borderline- Beziehungen werden selten ganz aufgelöst,
bestehen lange, sind sehr turbulent
Typische destruktive Beziehungsmuster:
-
Idealisierung und Entwertung
Spaltung
Projektion und projektive Identifizierung
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Stigmatisierende Beschreibungen: Unberechenbarkeit, Aggressivität, Misstrauen,
Depressivität, manipulatives Verhalten von Borderline- Patienten
- Ermutigende positive Eigenschaften: Fähigkeit zur Leidenschaft, Offenheit,
ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, gutes Gespür für zwischenmenschliche und
emotionale Prozesse, Spontanität als positive Ressource
- Borderline- Patienten sind wie Seismographen für die Gefühle und Bedürfnisse
anderer
- Nicht Stigmatisieren> sondern Destruktivität und Unkontrollierbarkeit negativer
Tendenzen erkennen und durchbrechen
Vielen Borderline- Patienten erlitten einen weitreichenden Mangel an Akzeptanz von
Geborgenheits- und Anerkennungsbedürfnissen und/oder auch
Missbrauchserfahrungen haben zu einem verminderten Selbstwertgefühl und
verminderter Selbstakzeptanz geführt> es dienten destruktive Strategien als
Überlebenshilfe > Störung der Beziehung zu sich selbst und zu anderen
Es finden sich häufig Selbstüberzeugungen wie: -Ich bin nichts wert
- Allein bin ich schwach und hilflos
- Andere Menschen sind gefährlich und wollen mich verletzen
- Ich muss mich anpassen und verstellen um geliebt zu werden
- Wenn jemand erfährt, wie ich wirklich bin, wird er mich sofort verlassen
Überzeugungen entsprechen evtl. früheren Erfahrungen
Unbewusst wird so gehandelt als hätten die Aussagen in der Gegenwart Gültigkeit
Die Dialektisch- Behaviorale Therapie (DBT)
 Psychotherapie speziell für die Behandlung von Borderline- Störung
 Entwickelt von der amerikan. Psychologin Marsha Lineham
Phase 1: Aufbau von langfristig gesünderen Überlebensstrategien
Phase 2: Bearbeitung traumatischer Erfahrungen (Traumatherapie)
Phase 3: Integration und Wege zu neuer Identität (Selbsthilfegruppe)
 Bestandteile der DBT:
Einzeltherapie: fester Einzeltherapeut, gemeinsame Bearbeitung des emotionalen
Leidens> oft langwieriger Weg> Erarbeitung von Behandlungszielen + Umsetzung
Fertigkeitstraining („Skilltraining“) in der Gruppe> 8 Borderliner und 2
Fertigkeitstrainer
Ziel: Neue Fertigkeiten in folgenden Bereichen
>Innere Achtsamkeit; Stresstoleranz, Umgang mit Gefühlen, zwischenmenschliche
Fertigkeiten
Telefonberatung: Einzeltherapeut 24h telefonisch für Patient in Krisen erreichbar
Supervisionsgruppe ( in erster Linie für die Therapeuten)
Die therapeutische Beziehung
Wichtiger Stellenwert bei der Behandlung
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Beeinträchtigung des Kontakt- & Beziehungsverhaltens erfordert eine verlässliche &
transparente Beziehung
Oftmals ist dies die erste Beziehungserfahrung die hält und wo der Betroffene Akzeptanz
erfährt
Zu beachten: Ambivalenz in der Therapie durch wechselnde Nähe- Distanz Bedürfnisse
Frühkindliche Traumata> fehlgeleitete Emotionen, Ängste, Ekel, Scham- und Schuldgefühle>
Schwierigkeiten in Wahrnehmung, Benennung und Umsetzung von eigenen Bedürfnissen
Patient braucht Hilfe und Unterstützung> Beziehungsaufbau auf freiwilliger Basis> räumt (in
seinen Augen) dem Therapeuten höheren Status und Macht ein> Übertragungsphänomene,
die an die Abhängigkeitsgefühle des Kindes erinnern> Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit;
Rettung
Hier wiederholt sich der Missbrauch- emotional und oft auch sexuell! Z.B. bei Narzisstischen
Gefühlen des Therapeuten
Der Therapeut hat die Verantwortung der Versuchung zu wiederstehen, seine eigenen
Bedürfnisse zu befriedigen
Grenzen der Therapie: Therapie soll Sicherheit, Zuwendung und positive
Beziehungserfahrung geben, kann aber nie einer Liebesbeziehung gleichgestellt werden
Borderline- Therapeuten brauchen Unterstützung und Reflexionsmöglichkeit
Quellen

http://www.welt.de/wissenschaft/article745527/Borderline_der_Wahn_der_Kreativen.html (15.01.11)

http://www.aware-magazin.ch/issues/aware_HS08_borderline.pdf (15.01.11)

http://de.wikipedia.org/wiki/Marsha_M._Linehan (15.01.11)

Dieter Beck,Henriette Dekkers, Ursula S. Langerhorst; Borderline Erkrankungen; Verlag freies
Geistesleben; 3.Aufl.; 2001

Sander M. Abend, Michael S. Porder, Martin S. Willick; Psychoanalyse von Borderline
Patienten;Vandenhoeck und Ruprecht; 1994

Katharina Leithner- Dziubas, Peter Schuster, Marianne Springer-Kremser (Hrsg.); BorderlineStörungen; Facultas Verlags-und Buchhandels AG; 2008

Alice und Martina Sendera: Borderline- die andere Art zu fühlen; SpringerWiennewYork;2010

Kernberg; Borderline- Störungen und pathologischer Narzissmus; Suhrkamp; 1983

Christoph Kröger, Christine Unckel (Hrsg.); Borderline Störungen- Wie mir die dialektischbehaviorale Therapie geholfen hat; Hogrefe Verlag GmbH & Co.KG; 2006

Arntz van Genderen; Schematherapie bei Borderline Persönlichkeitsstörung; Beltz Verlag; 2010

Gerhard Dammann und Paul L.Janssen(Hrsg.); Psychotherapie der Borderline- Störungen; Georg
Thieme Verlag; 2001
6
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