Gelungene Synthese von Architektur und Energieeffizienz

Werbung
Forschung & Entwicklung
Klimatechnik
Bilder: ZAE Bayern/Petra Hoeglmeier
Das Energy Efficiency Center ist eine Technologiereferenz für zukunftsorientiertes Bauen
und innovative Gebäudetechnik.
Auszeichnung für Leuchtturmprojekt:
Gelungene Synthese von Architektur
und Energieeffizienz
Im vergangenen Jahr wurde das „Energy Efficiency Center“ in Würzburg feierlich eröffnet. Das Zentrum
ist der neue Standort des Bayerischen Zentrums für Angewandte Energieforschung e. V. (ZAE Bayern) und
gleichzeitig Forschungszentrum für die Erprobung von neuartigen Entwicklungen im Gebäudebereich.
Jetzt wurde dem ZAE Bayern für das Leuchtturmprojekt im Rahmen einer festlichen Preisverleihung im
Maritim Hotel Nürnberg der Bayerische Energiepreis 2014 verliehen.
M
it dem Energy Efficiency Center (EEC) hat das ZAE Bayern
im Zeitraum August 2010 bis
Februar 2014 eine Technologiereferenz
für zukunftsorientiertes Bauen und innovative Gebäudetechnik geschaffen,
die gleichzeitig als Innovationsbeschleuniger wirken soll. Hauptziel ist, durch
den Einsatz von moderner Technik eine
hohe Energieeffizienz zu erzielen. Dazu
zählen unter anderem wärmegedämmte
Vakuumisolationspaneelen, eine energieoptimierte textile Hülle und abhängig
vom Wetter geregelte Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik. Das ehrgeizige Vorhaben wurde im Rahmen des
Förderschwerpunktes „Forschung für
38
KI Kälte · Luft · Klimatechnik · 11 2014
Energieoptimiertes Bauen (EnOB)“ des
Bundesministeriums für Wirtschaft und
Energie sowie durch das Bayerische
Wirtschaftsministerium gefördert und
von zahlreichen Partnern unterstützt.
Das Gebäude wurde als Experimentiergebäude konzipiert, an dem verschiedene neuartige Entwicklungen im Gebäudebereich unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten erprobt werden können.
In einem abgestimmten Ansatz wurden
hochinnovative energieeffiziente Technologien in der Gebäudehülle integriert,
die in Verbindung mit einer intelligenten Gebäudetechnik zu einer hohen
Primärenergieausbeute führen. So
konnte die Vereinbarkeit von Energieef-
fizienz, Nutzungsanforderungen und
ansprechender Architektur überzeugend unter Beweis gestellt werden.
Zahlreiche Kooperationen für ein
hochinnovatives Gesamtkonzept
Prof. Dr. Vladimir Dyakonov, Vorstand
und Wissenschaftlicher Leiter des ZAE
Bayern, ist besonders stolz auf die Vielzahl von Kooperationen, die im Rahmen dieses Projekts entstanden sind.
„Es war während des ganzen Projekts
ein großer Teamgeist zu spüren. Architekten, Planer, Industrie und die ZAEWissenschaftler aus allen Bereichen haben hier Hand in Hand intensiv zusammengearbeitet. Nur so konnte das amwww.ki-portal.de
Forschung & Entwicklung
Klimatechnik
bitionierte Vorhaben so erfolgreich
verlaufen und das hochinnovative Gesamtkonzept umgesetzt werden.“
Am Bau waren mehr als 30 Industriepartner beteiligt, die nicht nur Technik lieferten, sondern diese auch zusammen mit dem ZAE Bayern weiterentwickeln und testen. Die Besonderheiten
des
Projekts
sind
die
gewerkübergreifende Verknüpfung von
Raumtemperaturregelung, Beleuchtungssteuerung, Blend- und Sonnenschutz sowie deren Zusammenspiel mit
neuartigen Materialien und innovativen gebäudetechnischen Komponenten. So ist der innenliegende Blendschutz mit einer neuartigen Beschichtung versehen, die Wärmestrahlung
reflektiert und auch eine geringe Eigenabstrahlung aufweist. Damit reduzieren
sich im Sommer für die Bürobenutzer
die empfundenen Temperaturen. Die
Raumluft muss weniger gekühlt werden. Diese Beschichtung wurde im Projekt „Low-e Gewebe“ des Bundeswirtschaftsministeriums in Kooperation mit
einem Industriepartner vom ZAE Bayern entwickelt.
Klima-, Heiz- und Kühldecken
aus Graphitplatten
Eine Herausforderung ist die Regelung
und Steuerung der als Back-up notwendigen konventionellen HLK-Anlagen als Grundinfrastruktur bei gleichzeitiger Einbindung der Forschungsprojekte und deren Priorisierung im Betrieb. Zu den prototypischen Anlagen
zählen unter anderem Klima-, Heizund Kühldecken aus Graphitplatten mit
thermisch angekoppeltem Phasenwechselmaterial (PCM). Das Engagement für die Latentspeichermaterialien
kommt nicht von ungefähr: Das ZAE
Bayern ist maßgeblich an der Entwicklung von Phasenwechselmaterialien für
Leichtbauplatten und Paneele beteiligt.
Da im EEC eine vergleichsweise geringe
konventionell erzeugte Kälteleistung
quasi als Back-up-System vorgehalten
wird, kommt den PCM-Bauteilen eine
große Bedeutung zu. Weil Leichtbaugebäude im Sommer schnell zum Überhitzen neigen, ermöglichen Phasenwechselmaterialien (Paraffin, Salzhydrat) die Pufferung von Temperaturspitzen durch die Speicherung oder Abgabe
von latenter Wärme, die bei Phasenübergang von fest auf flüssig oder bei
reversiblen chemischen Reaktionen
(Absorptions-/Desorptionsprozess) entsteht. Durch die Kombination von PCM
www.ki-portal.de
Dachansicht des Energy Efficiency Centers mit seinen lichtdurchlässigen Membranen zur Tageslichtbeleuchtung
mit einem Wasserkreislauf und einer
Regelung beziehungsweise einer automatisierten Nachtlüftung kann das Gebäude in Abhängigkeit der Wetterdaten
gezielt entwärmt beziehungsweise vorgekühlt werden. Diese Lade- und Entladeprozesse werden durch die Einbindung in ein Gebäudeautomatisierungssystem nachhaltig unterstützt. Siemens
hat im EEC z.B. sein Gebäudeautomationssystem „Desigo“ verbaut und kann
jetzt das System weiter testen und neue
Regelalgorithmen entwickeln.
Gewerkübergreifendes Zählerund Auswertungskonzept
Da es sich beim EEC sowohl um ein
Forschungsgebäude als auch um ein mit
öffentlichen Mitteln gefördertes Forschungsprojekt handelt, werden an die
Erfassung, Dokumentation und Weiterverarbeitung der Messwerte besonders
hohe Anforderungen gestellt. Um die-
sem Anspruch gerecht zu werden, wurde bereits in der Planung ein gewerkübergreifendes Zähler- und Auswertungskonzept entwickelt. Von Vorteil
war, dass durch die integrierte Planung
die Protokolle für das Gebäudeautomatisierungssystem (BACnet), das Zählersystem für Wasser und Wärme (M-Bus)
und für die Zählung und Messung elektrischer Energie (Mod-Bus) schon im
Vorfeld festgelegt werden konnten. Dadurch ist gewährleistet, dass Drittsysteme ohne Schnittstellenverluste in das
Gebäudeautomatisierungssystem eingebunden werden können.
Genauso wichtig ist die Erfassung
von Verbrauchsdaten (Wärme, Kälte,
Wasser und elektrischer Strom). Dazu
dient das Energiemanagement- und
Controlling-System (EMC) zusammen
mit dem Gebäudeautomatisierungssystem „Desigo“. Daher startete im Anschluss an die Gebäudeinbetriebnahme
Technikraum des Energy Efficiency Centers
mit seinen innovativen Komponenten zur
Gebäudeklimatisierung
KI Kälte · Luft · Klimatechnik · 11 2014
39
Forschung & Entwicklung
Klimatechnik
ein Energiemonitoring- und Controlling-Projekt (EMC-Projekt). EMC ist
eine flexible Plattform für die Datenarchivierung, Verbrauchsdatenberechnung (Beleuchtung, HLK-Systeme) und
Lastspitzenüberwachung. Darüber hinaus gibt das Gebäudeautomatisierungssystem „Desigo“ seine Daten über eine
OPC-Schnittstelle auch an den sogenannten High Level Controller des ZAE
Bayern weiter. Dieser wird unter anderem zur experimentellen Programmierung neuer Regelalgorithmen einge-
dem Gebäude über die feuchten Wärmeübertragerflächen eines indirekten
Verdunstungskühlers geleitet. Das somit produzierte kalte Wasser zirkuliert
über ein Kreislaufverbundsystem und
kühlt den Zuluftwärmeübertrager beziehungsweise den Absorber. Die durch
den Absorptionsprozess verdünnte
Salzlösung wird in einem Regenerator
durch das Verdunsten des Wassers bei
70 bis 80 °C wieder aufkonzentriert. Da
sowohl die konzentrierte als auch die
verdünnte Salzlösung gespeichert wer-
Rund 4.000 Besucher haben inzwischen die Ausstellung des Informationszentrums besucht.
setzt, die über die OPC-Schnittstelle auf
das BACnet-System von „Desigo“ konvertiert werden. Erst wenn sich eine
neue Regelungsstrategie bewährt hat,
wird diese in „Desigo“ implementiert
und in der „Desigo“-Bibliothek, einer
Sammlung erprobter und zuverlässiger
Applikationen, für die allgemeine Verwendung verfügbar gemacht. Die Trennung von konventionellem Gebäudebetrieb über „Desigo“ und den High
Level Controller des ZAE Bayern hat
den Vorteil, dass die vom ZAE Bayern
entwickelten innovativen Systeme
rückwirkungsfrei arbeiten, Daten jedoch mit dem konventionellen Gesamtkonzept ausgetauscht oder optimiert
werden können.
Sorptive Klimaanlagensysteme in
offener und geschlossener Bauart
Zu den innovativen Bauteilen gehören
auch sorptive Klimaanlagensysteme in
offener und geschlossener Bauart. Dabei wird Außenluft mit Hilfe einer konzentrierten Salzlösung in einem Absorber entfeuchtet und anschließend gekühlt. Parallel dazu wird die Abluft aus
40
KI Kälte · Luft · Klimatechnik · 11 2014
den kann, wirken die Salzlösungen wie
Energiespeicher. Im Winter, wenn keine Kälteenergie benötigt wird, werden
Wärmeübertrager und Absorber als
Wärmerückgewinner verwendet.
Wasserkühlkreislauf mit natürlicher
Rückkühlung
Ein weiterer innovativer Ansatz ist die
nächtliche Strahlungskühlung über
Dachflächen durch einen offenen Regenwasserkreislauf mit Einspeicherung
des abgekühlten Wassers in einer
Löschwasserzisterne. Beim Passiv-Infrared-Cooling (PINC) handelt es sich
um einen Wasserkühlkreislauf mit natürlicher Rückkühlung über eine Dachfläche. Dabei wird Abwärme aus dem
Gebäude (Gerätekühlung, Kühldecken)
über einen Wärmetauscher an das Wasser einer Regenwasserzisterne übertragen. Die Rückkühlung erfolgt während
der Nacht in einem offenen Kreislauf.
Beim Ablaufen über die Dachfläche
kühlt das Wasser durch Konvektion,
Verdunstung und Strahlungsaustausch
ab und erreicht dabei eine Temperatur,
die knapp unter der Taupunkttempera-
tur liegt. Über eine Regenrinne und einen Filter wird das abgekühlte Wasser
wieder der Zisterne zugeführt. Bei rund
acht Stunden Rückkühlbetrieb werden
– bezogen auf das Würzburger Wetter
– Kühlleistungen von 60 bis 120 W/m²
Dachfläche erreicht. Bei einer angenommenen Kaltwasser-Vorlauftemperatur von 18 °C im Gebäude ergeben
sich in der Zisterne Temperaturen zwischen 13 und 18 °C.
Preiswürdige innovative Effizienz­
technologien
Das „Energy Efficiency Center“ überzeugt als Forschungs- und Demonstrationsgebäude durch die dort eingesetzten
innovativen Effizienztechnologien und
die gelungene Synthese von anspruchsvoller Architektur und Energieeffizienz.
Daher ist die Auszeichnung mit dem
diesjährigen Bayerischen Energiepreis
durch den Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft
und Medien, Energie und Technologie,
Franz Josef Pschierer, folgerichtig.
„Mit diesem Gebäude haben wir ein
einzigartiges Forschungsinstrument an
der Hand, mit dem wir zukünftig praxisnah neue Technologien vor Ort testen können“, erklärt Dr. Hans-Peter
Ebert, Bereichsleiter und Mitglied des
erweiterten ZAE-Vorstands. „Das Schöne daran ist, dass Kooperationen zum
großen Teil über das Projekt hinaus
fortgesetzt werden.“
Ein weiteres Novum ist das im EEC
integrierte Informationszentrum. Hier
werden der breiten Öffentlichkeit, angefangen von Schülern und Jugendlichen
über interessierte Laien bis hin zum
Fachpublikum, die Themen Energie,
energieeffizientes Bauen und Nachhaltigkeit anschaulich näher gebracht.
Rund 4.000 Besucher haben seit der Eröffnung des Gebäudes im Juni vergangenen Jahres diese Ausstellung besucht.
Die Verbindung von kooperativer
Forschung, Entwicklung, Demonstration und Information an einem Ort und
die integrale Betrachtung von Gebäudethemen, angefangen von Materialien
über Komponenten bis hin zu Systemen, soll dazu beitragen, schneller Innovationen aus der Forschung in die
Praxis zu überführen und die notwendige Technologieakzeptanz zu fördern
– letztlich mit dem Ziel, eine höhere
Energieeffizienzsteigerungsrate für den
Gebäudebereich zu erreichen. n
www.energy-efficiency-center.de
www.ki-portal.de
Herunterladen