Darstellung eines historischen Sachverhalts in Form einer historischen Argumentation These: „Die Oktoberrevolution war zunächst ein Putsch der Bolschewiki. Erst in der Folgezeit wurde eine Revolution durchgeführt.” Aufgabe: Setzen Sie sich mit dieser These auseinander, in dem Sie die Entwicklungen in Russland zwischen 1917 und 1939 darstellen. Die Oktoberrevolution, häufig auch als russische Revolution bezeichnet, wird bis heute in der Geschichtsrezeption ideologisch verklärt dargestellt. Während russische und sozialistische Historiker, Politiker und Journalisten seit jeher den Sieg des Proletariats über deren Unterdrücker feiern, stempeln konservativ kapitalistische Geschichtsschreiber die „Revolution” zumeist als Putsch der Bolschewiki ab. Dies wird besonders an den folgenden zwei Zitaten1 deutlich: „Jene legendären Tage, die eine neue Epoche „Diese „Große Sozialistische des gesellschaftlichen Fortschritts, der wahren Oktoberrevolution" war weder eine Revolution Geschichte der Menschheit eingeleitet haben. – vielmehr ein Staatsstreich –, noch fand sie im Die Oktoberrevolution war in der Tat eine Oktober statt: Da die Russen den Sternstunde der Menschheit, ihre Morgenröte. Gregorianischen Kalender erst später Bei der Oktoberrevolution handelte es sich um einführten, feiern sie Oktoberrevolution – in eine Revolution des Volkes und für das Volk, für diesem Jahr zum 50. Mal -- am 7. November,“ den Menschen, für seine Befreiung und Der Spiegel – 1967 Entwicklung“ Michail Gorbatschow Daraus folgt ein bis heute andauernder Streit: War die Oktoberrevolution 1917 ein Putsch oder eine Revolution? Oder vielleicht doch die Abfolge aus Putsch und Revolution, wie es die zu erörternde These sagt? Hat man sich zur Revolution geputscht? Das zu erörtern ist Aufgabe der historischen Darstellung. Um darzustellen, was für Änderungen die Oktoberrevolution, bzw. die Revolutionen im Jahr 1917 mit sich brachten, ist die historische Kontextualisierung unabdingbar. Beginnend mit Zar Nikolaus II., über die Februarrevolution 1917 mit Lwow und Kerenski, bis hin zur Oktoberrevolution und deren Folgen personifiziert durch die Personen Lenins, Trotzkis und Stalins erhebt diese Darstellung nicht den Anspruch einer vollständigen Aufarbeitung der russischen Geschichte, sondern untersucht viel mehr die entscheidenden Phasen der russischen Entwicklung im 1 http://de.wikipedia.org/wiki/Oktoberrevolution 20. Jahrhundert auf Merkmale von Putsch und Revolution. Diese Merkmale lassen sich aus den Definitionen der jeweiligen Begriffe ableiten: Revolution: Als Revolution bezeichnet man gemeinhin eine Massenbewegung, welche, häufig gewaltsam, einen Systemwechsel in politischer, sozialer, rechtlicher und ökonomischer Sicht hervorruft. Diese Masse wird dabei zumeist von einer alternativen Ideologie geleitet. Als begrifflicher Gegensatz zur Evolution wird mit Revolutionen zumeist plötzlicher Wandel verbunden. Unter dem Begriff Putsch im Folgenden synonym auch als Staatsstreich betitelt, dagegen versteht man den Austausch von Führungseliten, welcher häufig keinen Systemwechsel zur Folge hat. Dieser Austausch wird zumeist durch eine kleine elitäre Gruppe ausgeführt, welche einem Staatsorgan angehören kann. Häufig ist diese das Militär, oder eine zumindest paramilitärische Gruppe. Russland unter Zar Nikolaus II Das Zarenreich Russland, welches sich als Vielvölkerstaat seit dem 19. Jahrhundert vom Baltikum, bis nach Mitteleuropa, Kleinasien und China erstreckte wurde absolut vom Monarchen Zar Nikolaus II. beherrscht, welcher nach den Revolutionen und Verfassungen im Rest der Welt, der traditionelle Herrscher mit der größten Machtfülle war. Daraus resultieren die Probleme, dass es dem Land und seinen Bewohnern immer nur so gut geht, wie es der jeweils Erstgeborenen der Adelsfamilie zu organisieren vermag. Im Laufe der Jahrhunderte gab es viele große Zaren, mit brillanten politischem Geschick, aber auch noch mehr, denen jegliche politische Kompetenz fehlte. Nikolaus II. gehörte zur letztgenannten Gruppe. Diese Umstände führten dazu, dass Russland zu Beginn des 20. Jahrhundert ein großes, aber völlig unterentwickeltes Land war. Ein Feudalsystem und Leibeigenschaft für bis zu 40% der Russen, zumeist Bauern, die nach der Bauernbefreiung zwar nicht mehr an Adelige, wohl aber noch an die Dorfgemeinschaft gebunden waren, führte zu Versorgungskrisen und Hungersnöten, daran konnten auch große Reformen im 19. Jahrhundert nichts ändern. Somit herrschte Nikolaus II., nach der ersten Revolution 1905, im Scheinkonstitutionalismus, absolut über ein heruntergewirtschaftetes Land, weiter geschwächt durch diverse Kriege, in dem die Menschen unfrei, ungebildet, hungrig und kriegsmüde waren. Februarrevolution 1917 Angetrieben durch diesen sozialen Zündstoff gingen am 28. Februar 1917 hungernde Arbeiterinnen auf die Straße und demonstrierten unter dem Slogan „Brot, Frieden und Freiheit” gegen die unzumutbare Ernährungslage. Die revolutionären Parteien: Sozialrevolutionäre, Menschewiki und Bolschewiki probierten diese Massen zu lenken und es kam zur Bildung eines „Exekutivkomitees der Sowjets”, gegründet durch die einzelnen Fabriken- und Kasernensowjets, sowie zur Bildung des „Provisorien Komitees zu Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung” gebildet durch die bis dato machtlose Duma, welches die Regierungsgewalt ausübte. Zuvor war bereits das gesamte Kabinett des Zaren zurückgetreten. Unter Druck der Massen und der Armeeführung dankte der Zar am 2. März 1917 ab. Fortan wurde Russland in einer Doppelherrschaft, aus zwei Entscheidungszentren geleitet. Somit musste sich die provisorische Regierung die Sowjets und auf die revolutionären Massen stützen. Bei der Bewertung der Februarrevolution von 1917 fällt auf, dass es sich um eine Revolution von unten handelt, in der sich die Armee auf die Seite der Revolutionäre stellt. Der in den Folgemonaten mäßige Erfolg der Revolution lässt sich dadurch erklären, dass die Revolutionäre vom 28. Februar das wesentliche Merkmal der alternativen Ideologie nicht aufweisen. Keine der Frauen die dort auf die Straße ging dachte stark über eine „kommunistischsozialistische Weltrevolution” nach. Die Frauen demonstrierten weil sie und ihre Familien hungerten, sie demonstrierten gegen exorbitante Brotpreise und für die Heimkehr ihrer Männer und Söhne aus dem Krieg. Die Abdankung des Zaren war zwar eine Folge dieser Bewegung, aber kein Ziel. Als Ergebnis dieses Prozesses stand eine bürgerlich-kapitalistische Übergangsregierung, geteilt in zwei Machtzentren, deren Land immer noch in einem Krieg steckte, den es nur verlieren konnte und für den die neue Regierung nicht verantwortlich war. Außerdem musste die Demokratisierung und die Stabilisierung des Landes vorangetrieben werden. Die Zeit der provisorischen Regierung Trotz dieser großen Hürden konnte die neue Regierung schnell Erfolge vorweisen. Privilegien des Adels wurden eliminiert und freiheitlich-revolutionäre Rechte wie Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit eingeführt. Indessen stimmte die Duma allerdings gegen eine Umverteilung des Landes, also gegen den Wunsch von 80% der Bevölkerung. Das führte zur gewaltsamen Selbstbefreiung der Bauern, zur Erstürmung von Landgütern des Adels und zum Mord an zahlreiche Mitgliedern der Adelsfamilien. Die aus heutiger Sicht wichtigste Problematik war allerdings die des Kriegs. Die Reichswehr hatte die russische Armee weit zurückgedrängt und nachdem die erneute russische Offensive, angeordnet von der neuen Regierung unter Lwow, ebenfalls abgewehrt wurde, brach der Kriegswille der Russen endgültig in sich zusammen. Dies nutzte der Sozialrevolutionär Kerenski um mit einem Kabinett aus Parteifreunden und Menschewiki eine neue Regierung zu etablieren. Somit war ein Wechsel aus traditioneller in legale Herrschaft gelungen. Die Bolschewiki hatten zu dieser Zeit eine eher untergeordnete Position und wenig Rückhalt in der Bevölkerung, weswegen sie in sämtlichen Gremien nur oppositionelle Aufgaben hatte. Zwar war der äußerst populäre Lenin mit großem Beifall in Petrograd empfangen worden, nachdem er von den Deutschen gekauft und zurückgefahren wurde, allerdings war die Partei vielen Russen zu radikal und wurde zeitweise sogar verboten. Erst im Herbst 1917 nachdem es Lenin und Trotzki gelungen war, auch mit erheblicher finanzieller Hilfe der Deutschen, die Missstimmung der Arbeiter zu potenzieren, stellten sich politische Erfolge ein und Trotzki, ein Vertrauter Lenins, wurde Vorsitzender des einflussreichen Petrograder Sowjets Bei der Bewertung der Rolle der Bolschewiki in dieser Phase der russischen Revolution fällt auf, dass die Bolschewiki in der russischen Bevölkerung zunächst kaum Rückhalt verspürten. Jeder kannte Lenin und seine Aprilthesen und Bücher, dennoch waren vielen Russen die Bolschewiki schlichtweg zu radikal. Erst durch den erhöhten Misserfolg der Regierung Kerenski, wurden die Bolschewiki interessant. Es bleibt offen ob die Lösung der Kriegsproblematik durch das Kabinett Kerenski die Machtergreifung der Bolschewiki verhindert und somit Russland langfristig demokratisch hätte werden können. Abschließend lässt sich die vorrevolutionäre Situation - Russland im Herbst 1917- folgendermaßen charakterisieren: Der Vielvölkerstaat wurde durch die äußere Bedrohung der deutschen empfindlich geschwächt. Die russische Armee ist denen der Mittelmächte nicht gewachsen und die russische Politik ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt und durch vorherige Verpflichtungen des Zaren eingebunden, als dass sie eine politische Lösung finden könnte. Es besteht zwar ein allgemeiner Wille nach Veränderung, aber keine allgemeingültige Ideologie. Die Bauern haben sich selbst befreit, die Menschen hungern teilweise weiter, der Krieg gilt als verloren und auf all das haben gemäßigte Sozialrevolutionäre und Menschewiki andere Lösungsvorschläge als die alte Intelligenz und die radikalen Bolschewiki. Auf Grund des Nichtvorhandenseins eines Bildungsbürgertums, dass sowohl finanziell als auch intellektuell die Geschicke leiten und eine Demokratie formen könnte, braucht Russland, wie so oft in seiner Geschichte, eine starke und leitende Hand. Das sahen auch Lenin und seine Bolschewiki. Die Oktoberrevolution und die Machtergreifung der Bolschewiki Nach harten Flügelkämpfen in der eigenen Partei gelingt es Lenin einen Beschluss zum bewaffneten Aufstand zu erlassen. Über das von Trotzki geleitet „revolutionäre Militärkomitee” gelang es den Bolschewiki Zugang zu beinahe allen Waffen und Soldaten der Hauptstadt zu erlangen und somit sämtliche Mitglieder der Partei zu bewaffnen und so eine paramilitärische Armee zu entwickeln. Diese erstürmt ohne Gegenwehr den Winterpalast, vertreibt die Regierung Kerenski. Aus Protest dagegen treten Menschewiki und Sozialrevolutionäre aus der Versammlung der Sowjets aus, somit hatten linke Revolutionäre die Mehrheit. Ohne Umschweife wurden die Bedürfnisse der Bauern befriedigt, was politische und militärische Vorteile brachte, in dem man ihre Landnahmen legalisierte. Dennoch verloren die linken Kräfte die Wahlen zur konstitutionellen Versammlung, was dazu führte das Lenin seine Roten Garden die erste dieser Versammlungen ebenfalls militärisch vertreiben und auflösen ließ. Die Bolschewiki sichern ihre Macht also mit einem doppelten innenpolitischen putschähnlichen Vorgehen. Das Vorgehen der Bolschewiki weist zweifelsohne Merkmale eines Putschs auf. Es kommt zu einem militärischen Austausch der Führungseliten ( Menschewiki und rechte Revolutionäre mit Bolschewiki und Linken), außerdem wird dies mit Trotzkis „Revolutionären Militärkomitee” durch ein Regierungsorgan geleitet und durch (para)militärische Einheiten ausgeführt. Allerdings ist daran zu zweifeln, dass man die Bolschewiki als kleine radikale Gruppe, die Mithilfe der militärischen Macht einen Putsch durchführte bezeichnen kann. Bereits im Jahr 1907 hatten die Bolschewiki mit 46.1432 die meisten Parteimitglieder und das noch vor der Rückkehr des populären Lenins. Es ist also anzunehmen, dass die Mitgliederzahlen im Jahr 1917 noch erheblich höher waren. Bei dem Sturm auf den Winterpalast kamen außerdem noch einige tausend Kronstädter Matrosen hinzu und bei den Stadtratswahlen in Petrograd zeigte sich, dass auch die Bolschewiki einen großen Rückhalt in der Petrograder Gesellschaft hatten. Was dazu führte, dass sich bei der Erstürmung des Winterpalastes und der Auflösung der konstitutionellen Versammlung keinerlei Widerstand in der Bevölkerung regte. Ganz im Gegenteil: die Petrograder scheinen sich nach einer neuen starken Hand gewünscht zu haben. Somit bietet sich der Schluss an, dass das Vorgehen der Bolschewiki durchaus putschistisch war, allerdings von den breiten revolutionären Massen gebilligt und eventuell sogar gewünscht wurde. Ob diese Massen eine Mehrheit waren bleibt offen, zweifelsohne aber war der Umsturz ein Werk politischen und militärischen Geschicks, welches aber demokratischen Rückhalt in der Bevölkerung genoss. Die postrevolutionäre Phase – Leninismus Im Folgenden ersetzten die Bolschewiki die parlamentarische Demokratie der Übergangsphase durch eine Räterepublik. Erstmals in der russischen Geschichte wurde nun nach einem Programm 2 http://www.marxists.de/party/clifflen1/20-masspart.htm Politik betrieben – der Ideologie des Marxismus-Leninismus. Diese beinhaltete auf Basis der marxistischen Lehren eine Politik des äußeren Friedens, in der durch den Vertrag von Brest-Litowsk das kriegsmüde russische Volk erlöst wurde. Ein wichtiger Schritt um den Rückhalt der Gesellschaft zu gewinnen. Von innerem Frieden dagegen konnte keine Rede sein – der russische Bürgerkrieg gegen zaristische Truppen, welcher bis 1921 andauerte konnte auf Grund guter Organisation der neuen Roten Armee und auf Grund völliger Desorganisation der Weißen gewonnen werden. Somit war die boschewistische Macht endgültig gesichert. Die revolutionären Freiheiten wurden wieder abgeschafft, andere Parteien verboten und Demonstrationen die dagegen kämpften niedergeschlagen. Der Aufbau eines Einparteienstaates gestärkt durch eine Geheimpolizei (Tscheka) war somit erfolgreich abgeschlossen. Zum Programm der Partei gehörte die zunehmende Einführung des Sozialismus, mit Säkularisierung, Gleichstellung der Frau, Erhöhung des Bildungsniveaus und einer zunehmenden Industrialisierung. Es bildete sich eine Fortschrittsdiktatur. In der allerdings jegliche Art des Fortschritts nur soweit erlaubt war, wie er die Ziele der Bolschewiki voranbrachte. Das der Sozialismus in Kombination mit der Verstaatlichung von Unternehmen auch zu Problemen führen kann, sah Lenin ein und erlaubte einen Kleinkapitalismus die sog. NEP um sinkenden Produktionszahlen und der Inflation entgegenzuwirken, die dem Regime den Rückhalt der Bauern gekostet hätten. Die postrevolutionäre Politik Lenins weist die entscheidenden Merkmale einer Revolution auf: Es wird nach einer Ideologie gehandelt (Marxismus-Leninismus). Es kommt zur wirtschaftlichen Neugestaltung (NEP, Industrialisierung). Es kommt zum gesellschaftlichen Wandel (Sowjetintelligenz, Säkularisierung) Ein politischer Wandel vollzieht sich von der parlamentarischen Demokratie zur Räterepublik. Fraglich bleibt inwieweit dieses Programm von den revolutionären Massen aufgenommen wurde. Gerade in Bezug auf die Verurteilung der Konterrevolutionäre ist dies als fraglich zu sehen. Während man also erst einen Putsch durchführte mit plebiszitärer Legitimation, werden jetzt Reformen durchgeführt, die unter einer Ideologie stehen, die eine zwischenzeitliche Diktatur, an der den revolutionären Massen, sicher nicht gelegen ist. Stalinismus Nach dem Tot Lenins setzt sich Stalin, bisher Mitglied des Politbüros, gegen seinen Widersacher Trotzki durch und zwingt diesen ins Exil. Stalin festigt mit äußerster Härte seine Position in der eigenen Partei sowie in Gesamtrussland, in dem er mit Hilfe der Tscheka, später OGPU ein Terrorregime und einen Personenkult um seine eigene Person aufbaut, er probiert sich als charismatischer Herrscher zu profilieren. Stalins Politik, der Stalinismus, hatte mit den Zielen der Revolution oder mit der bisherigen Ideologie dem Marxismus nichts mehr gemein. Er errichtete eine totalitäre Herrschaft, in der sein Staat die Macht über alle Bereiche des Lebens der Bürger ausübte und dies mit 2,5 Millionen Verhaftungen und 680000 Toten durchsetzte. Erneut ließ sich das russische Volk widerstandslos unterdrücken und folgte der harten Hand Stalins wohlwollend. Mit der Machtübernahme Stalins kommt es zu einer erneuten Zäsur in der russischen Geschichte, die von nun an geprägt wird durch Willkür und Grausamkeit, die die UdSSR bis 1990 prägen wird. Resümierend lässt sich feststellen, dass man sich bei der Oktoberrevolution 1917 zur Revolution geputscht hat. Es gab also weder einen echten Putsch (Zustimmung der Massen), noch gab es eine echte Revolution, da die Massenbewegung durch das Vorgehen der Bolschewiki nach 1917 verhindert wurde. Die Putschisten unter Lenin haben im Folgenden revolutionäre Inhalte durchgesetzt, die für die russische Entwicklung signifikant waren. Ohne die Einführung des Sozialismus unter Lenin wäre die UdSSR nie eine Supermacht geworden. Die russische Mentalität scheint sich stets an einem charismatischen Herrscher auszurichten und vorgefertigte Wege gerne einzuschlagen. So war es erst Nikolaus II., dann Lenin und schließlich Stalin, dem man gefolgt ist. Diese Kette zieht sich über Gorbatschow weiter bis in die Gegenwart zu Putin. Sie hätte nur durchtrennt werden können von den Regierungen Lwow und Kerenski, die sich aber in der, durch den 1. Weltkrieg und die Bolschewiki, unsicheren Phase nicht behaupten konnten, da eine parlamentarische Republik eben keinen Charakterkopf hat, an dem man sich orientieren kann. Die Tatsache, dass sich aus der Oktoberrevolution bis heute keine Form der funktionierenden Demokratie entwickelt hat, ist vor allem am mangelnden Bürgertum festzumachen. Wenn es keine Schicht gibt, die über ausreichende kognitive und materielle Fähigkeiten verfügt um eine Demokratie aufzubauen und zu schützen, dann scheitert das Projekt Volksherrschaft unweigerlich an Despoten wie Lenin und Stalin. Dies ist auch der signifikante Unterschied zwischen Russland 1917 und Frankreich 1789. Während man in Frankreich für Ideale „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit” focht, ging es bei der Russichen Revolution ums Alltägliche „Brot, Frieden, Freiheit”. Die französischen Aristokraten strebten nach Mitbestimmung, die russischen ArbeiterInnen nach Nahrung. Eine Demokratie aufzubauen bedarf demnach also einer Stabilität. Wer nichts zu essen hat, philosophiert nicht über Partizipation, er wird von dem Überlebenstrieb auf die Straße getrieben. Und wenn Aristokraten glücklich sind, wenn sie frei sind, dann sind Proletarier glücklich, wenn sie satt sind. Das Gemeinwohl des Proletariats ist vielleicht doch „a priori” feststellbar und wenn man sagt, dass Ziel der russischen Revolution sei es gewesen Russland weiter zu entwickeln, dann war sie sogar erfolgreich, auch wenn man Gorbatschow, der von einer der größten Momente der Menschheitsgeschichte spricht, doch deutlich widersprechen muss. Wenn man aber sagt, es sei um mehr gegangen, um Ideale, um Inhalte und um Ideologien, dann gibt der Vordenker der Revolution Karl Marx selbst die Antwort „ Nur in einer Revolution kann die stürzende Klasse dahin kommen, sich den ganzen alten Dreck vom Hals zu schaffen.”3 Den alten Dreck haben sich die Russen vom Hals geschaffen, doch ob der neue politisch und sozial besser ist, dass hätten nur die Insassen von Stalins Gulags bewerten können. Wörter:2688 z.T sehr gute Darstellung, aber sie krankt daran, dass ausgerechnet die wesentlichen wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen, im Unterschied zu den politischen, nicht präzise thematisiert wurden. 11 P 3 Buchners Kolleg, Geschichte 11/12