Menschen mit demenziellen Erkrankungen – pflegen, beraten und

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Ursula Kocs
Herausgeber: Ursula Kocs, Thomas Kratz
Menschen mit demenziellen Erkrankungen –
pflegen, beraten und betreuen
Kompetente Pflege
1. Auflage
Bestellnummer 16101
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www.bildungsverlag1.de
Bildungsverlag EINS GmbH
Hansestraße 115, 51149 Köln
ISBN 978-3-427-16101-1
© Copyright 2013: Bildungsverlag EINS GmbH, Köln
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Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen.
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Vorwort
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Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
die neue Themenreihe „Kompetente Pflege“ ist flexibel, schüler-, handlungs- und praxisorientiert gestaltet und berücksichtigt aktuelle Erkenntnisse der Fachwissenschaft.
Flexibel wird die Themenreihe durch die einzelnen Themenhefte, die jeweils einen
Schwerpunkt abbilden.
Schülerorientiert sind die Themenhefte in ihrer Bild- und Textgestaltung.
Durch die Lernsituationen berücksichtigen die Themenhefte stringent einen handlungsorientierten didaktischen Ansatz.
Praxisorientiert sind die Themenhefte, da viele Aufgaben in der Praxis von Praxisanleitern aufgegriffen werden können und somit der Theorie-Praxis-Transfer erleichtert
wird.
Zusammen ist dadurch ein innovativer und an den Themenheften orientierter Unterricht
möglich.
Die Themenreihe ist für alle pflegerischen und sozialpflegerischen Berufe und Ausbildungen der Berufsfachschulen, Berufskollegs und Fachschulen (von Altenpflegehilfe, Altenpflege, Diätassistentinnen und Diätassistenten, Familienpflegerinnen und Familienpfleger,
Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Heilerziehungspflege, medizinische Fachangestellten sowie pflegeorientierte Studiengänge) bestimmt.
Durch die Aufteilung in Themenhefte ist eine für den Ausbildungsgang spezifische Auswahl
möglich. Zur besseren Orientierung besitzen die Themenhefte einen farblichen Einband,
der sich an den Lernbereichen des Rahmenlehrplans der Pflegeausbildung orientiert:
Lernbereich
Lernbereich
Lernbereich
Lernbereich
Lernbereich
1 – Aufgaben und Konzepte = grüne Reihe
2 – Unterstützung pflegebedürftiger Personen = lila Reihe
3 – Institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen = orange Reihe
4 – Pflege als Beruf = rote Reihe
übergreifend = blaue Reihe
Dabei sind die Lernsituationen an einer Modelleinrichtung ausgerichtet, sodass ein situationsorientiertes Lernen möglich wird. Die Aufbereitung des Unterrichts wird damit wesentlich reduziert, ohne die methodische Vielfalt einzugrenzen. Damit stellt die Themenreihe
einen neuen Charakter von Schul- und Lehrbüchern dar.
Die Themenhefte berücksichtigen die aktuellen pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse und
die Expertenstandards, was sie als Lehrbücher auszeichnet. Darüber hinaus sind die Themenhefte als Schulbücher konzipiert, die im didaktischen Ansatz handlungs- und kompetenzorientiert ausgerichtet sind.
Das bedeutet, Sie verfügen in jedem Themenheft über
eine Auswahl von Aufgabenstellungen und Falldarstellungen, sodass mithilfe des Themenheftes Unterrichtsreihen gestaltet werden können;
eine integrierte dreistufige Lernsituation, die sich in der Komplexität oder Schwerpunktsetzung steigert und je nach Ausbildungsstand von den Schülerinnen und Schülern in
Teilen oder vollständig selbstständig bearbeitet werden kann. Die Aufgabenformulierungen in der Lernsituation berücksichtigt das Prinzip der vollständigen Handlung, was ein
reflexives Lernen ermöglicht.
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Vorwort
Durch die unterschiedlichen Aufgabenformate und die gestufte Lernsituation wird eine
Förderung der beruflichen Handlungskompetenz berücksichtigt. Dabei wurde besonders
auf eine Anwendungsorientierung geachtet, die sich aus einer Situationsorientierung
einschließlich einer Problemorientierung und einer Entscheidungsorientierung zusammensetzt. Zu den fachdidaktischen Prinzipien zählen ebenso die Wissenschaftsorientierung und die Heterogenität. Mit Heterogenität werden die Voraussetzungen und
Rahmenbedingungen der Pflegeinstitute und Personen verstanden, die im Beziehungsprozess der Pflege stehen. Damit wird eine professionelle Fallarbeit gewährleistet.
Um die Anwendungsorientierung zu ermöglichen, wurde eine Modellgesundheitseinrichtung mit Krankenhaus, Altenheim und ambulanten Pflegedienst entwickelt, an der sich die
Fallsituationen orientieren (hermeneutischer Ansatz). Die Modellgesundheitseinrichtung
bietet die Möglichkeit, möglichst realistische Fälle aus dem Handlungsfeld der Auszubildenden zu integrieren (empirischer Ansatz).
Unter BuchPlusWeb (siehe Code) kann das Organigramm der Modellgesundheitseinrichtung nach einer Registrierung kostenfrei heruntergeladen werden. Zudem finden Sie unter
BuchPlusWeb unterjährige Aktualisierungen zur Themenheftreihe, weitere Zusatzinformationen und Zusatzmaterialien sowie weitere, kostenpflichtige Lernsituationen und Lösungen zum Download.
Wir wünschen Ihnen mit der neuen Themenreihe viel Freude und Erfolg im Unterricht.
Die Herausgeber
Ursula Kocs und Thomas Kratz
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Inhaltsverzeichnis
5
Inhaltsverzeichnis
1
Demenzielle Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
1.1
1.1.1
1.1.2
1.1.3
1.2
1.2.1
1.2.2
1.2.2.1
1.2.2.2
1.2.3
1.2.3.1
1.2.3.2
1.2.3.3
1.2.4
1.2.4.1
1.2.4.2
1.2.5
Delir . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Demenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Einteilung nach Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Einteilung nach Schwere der Demenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Screeningverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Differenzialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bildgebende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Therapie der Hirnleistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Therapie der Begleitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erweitertes Verständnis der Demenz nach Kitwood . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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23
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Pflegeprozessplanung bei Demenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Informationen sammeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Neurologische Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Lebensgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Persönlichkeitstypen nach Fritz Riemann und Christoph Thomann . . . . . . . . . . . .
Bindungstheorie nach Bowlby . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sozialpsychologisches Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dementia Care Mapping (DCM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Profilerstellung des Wohlbefindens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Heidelberger Instrument zur Erfassung der Lebensqualität
Demenzkranker (H.I.L.DE.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2
Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1
Erhaltung vorhandener Fähigkeiten und Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.2
Förderung des Wohlbefindens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3
Hilfen bei Demenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.1
Hilfen zu Beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.2
Beziehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.3
Räumliches Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.3.1 Wohnform. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.3.2 Wohnraumgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.4
Tagesgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.5
Pflegekonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.6
Im Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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28
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44
2.1
2.1.1
2.1.2
2.1.3
2.1.3.1
2.1.3.2
2.1.4
2.1.5
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2.1.5.2
2.1.5.3
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Spezielle Probleme bei Demenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
Grundhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die verstehende Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Umgang mit herausforderndem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Lautes Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sexualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Lernsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
4.1
4.2
4.3
1. Ausbildungsjahr (Helferausbildung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Ausbildungsjahr (Pflegeausbildung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Ausbildungsjahr (Bachelor) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
Bildquellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
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Demenzielle Erkrankungen
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Demenzielle Erkrankungen
Sowohl im St.-Johannes-Krankenhaus als auch im Alten- und Pflegeheim Haus Großeichen
steigt die Zahl der Menschen, die an einer Demenz leiden. Das führt dazu, dass die Abläufe
im Krankenhaus gestört werden. Auch im Alten- und Pflegeheim wächst die Belastung der
Mitarbeiter durch immer häufigeres herausforderndes Verhalten der Bewohner. Die Qualitätsbeauftragten und Pflegedienstleitungen der kooperierenden Häuser beschließen, mithilfe der
Auszubildenden und Studierenden das Thema Demenz zu bearbeiten, um die Pflege und
Betreuung dieser Menschen zu optimieren. Die erste Aufgabe der Auszubildenden besteht
darin zu klären, was eine Demenz ist.
In Deutschland leben ca. 1,2 Mio. Menschen, die an einer Demenz leiden. Laut
Schätzungen der Deutschen Alzheimer
Gesellschaft e. V. (www.deutsche-alzheimer.
de) werden im Jahr 2050 ca. 2,6 Mio. Menschen aufgrund einer Demenz auf Hilfe
angewiesen sein. In Pflegeheimen liegt der
Anteil der Menschen mit Demenz heute
schon bei 53 % und er wird weiter steigen
(vgl. Hallauer u. a., 2005). In Krankenhäusern leiden Schätzungen zufolge inzwischen
mindestens 15 % der Patienten an einer
Pflegende sind häufig mit verwirrten Menschen konfrontiert.
Demenz (vgl. Schlingensiepen, 2008). Trotz
dieser dramatischen Zahlen ist das Wissen um die Krankheit und das Erleben der Betroffenen noch sehr bruchstückhaft. Es gibt kaum gesicherte Richtlinien zur Therapie, Pflege und
Betreuung von Menschen mit einer Demenz. Im Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) werden Demenzen den psychischen Störungen zugeordnet. Die
unterschiedlichen Formen werden unter „Organische, einschließlich symptomatische psychische Störungen“ zusammengefasst (vgl. Dilling u. a., 2008; www.icd-code.de).
ICD-Code
Krankheitsbezeichnungen
F00.0–F00.9
Demenz bei Alzheimer-Krankheit (mit frühem oder spätem Beginn usw.)
F01.0–F01.9
Vaskuläre Demenz (Multiinfarktdemenz, kortikale oder subkortikale usw.)
F02.0–F02.8
Demenzen bei anderenorts klassifizierten Krankheiten (bei Pick-Krankheit, Chorea Huntington,
Parkinson-Syndrom, HIV oder anderen Krankheiten)
F03
Nicht näher bezeichnete Demenz
F04
Organisches amnestisches Syndrom, nicht durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen bedingt
F05.0–F05.9
Delir, nicht durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen bedingt (ohne Demenz, mit
Demenz usw.)
F06.0–F06.9
Andere psychische Störungen aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns
oder einer körperlichen Krankheit (z. B. organische Halluzinose, organische Angststörung,
organische wahnhafte Störung usw.)
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Demenzielle Erkrankungen
ICD-Code
Krankheitsbezeichnungen
F07.0 – F07.9
Persönlichkeits- und Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns (z. B. organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma, organische
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns
F09
Nicht näher bezeichnete organische oder symptomatische psychische Störung
Die Gemeinsamkeit dieser Störungen liegt darin, dass es aus unterschiedlichen Gründen zu
Schädigungen des Gehirns kommt. Diese Schädigungen führen zu Ausfällen in der Gehirnfunktion. Da das Gehirn sowohl für die Steuerung der körperlichen Funktionen, der Bewegung, des Fühlens, als auch für die geistigen Fähigkeiten, wie Wahrnehmung, Erinnern,
Denken usw., zuständig ist, kommt es durch diese Funktionsausfälle bei den betroffenen
Menschen z. T. zu sehr starken Einschränkungen in ihrer Alltagsbewältigung, sodass sie auf
die Hilfe ihrer Mitmenschen angewiesen sind.
Das Gehirn steuert alle körperlichen, geistigen und seelischen Funktionen.
n Aufgabe 1
Sammeln Sie in der Klasse Beispiele für die Dinge, die Sie nur mithilfe Ihres Gehirns machen können.
Reflektieren Sie, was passiert, wenn das Gehirn nicht mehr richtig funktioniert.
Demenz bezeichnet Hirnfunktionsstörungen, die zu Einschränkungen in der Alltagsbewältigung
und damit zur Pflegebedürftigkeit führen.
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Delir
9
Es ist uns mit unserem gesunden Gehirn fast unmöglich zu verstehen, wie die Welt für
demenziell erkrankte Menschen aussieht. Daher stellt uns ihr Verhalten immer wieder vor
überraschende Situationen. Menschen mit Demenz fordern uns heraus, immer wieder neue,
individuelle und kreative Lösungen zu finden, um ihnen ein würdiges Leben zu ermöglichen.
Beispiel
Die Auszubildenden des Gesundheitszentrums tauschen sich aus: Weronika Golanski macht ihr Praktikum
auf der beschützten Station des Alten- und Pflegeheims Haus Großeichen. Ingo Ollenschläger, der in wenigen Monaten seinen Abschluss als Pflegehelfer machen wird, absolviert seinen Praktikumseinsatz in der
ambulanten Pflege. Henning Köhler arbeitet zurzeit in der Orthopädie des St.-Johannes-Krankenhauses. Sie
alle haben im Praktikum Erfahrungen mit verwirrten Menschen gemacht und sind dabei an ihre Grenzen
gestoßen. Henning hat im Krankenhaus erlebt, wie hilflos Pflegende und Angehörige waren, als Patientinnen
trotz Operation aufstehen wollten, auf kein vernünftiges Argument reagierten, schrien und um sich schlugen. Auch Weronika hatte im Altenheim mit Bewohnern zu tun, die jede Körperpflege ablehnten, obwohl
sie ihnen immer wieder zu erklären versuchte, wie wichtig z. B. ein Vorlagenwechsel ist. Ingo hat in der
ambulanten Pflege erlebt, wie überlastet Angehörige sind, wenn sie den kranken Menschen keinen Moment
allein lassen können, ohne ein Unglück zu befürchten. Alle drei hoffen, nach dem Unterricht mit ähnlichen
Situationen besser umgehen zu können. Sonja Härtel ist bereits im dritten Ausbildungsjahr und studiert
berufsbegleitend Pflege an der Fachhochschule. Ihre Aufgabe ist es, ein Fortbildungsprogramm zum Thema
Demenz zu erarbeiten.
1.1 Delir
Frau Brümmer liegt nach einer Oberschenkelhalsfraktur im Krankenhaus. Die Operation ist
gut verlaufen, doch nun treten andere Schwierigkeiten auf: Frau Brümmer ruft laut um Hilfe
und versucht aufzustehen, obwohl sie das nicht darf. Sie bekommt ein Beruhigungsmittel,
doch ihre Unruhe lässt nur geringfügig nach. Als ihre 62-jährige Tochter zu Besuch kommt,
erkennt Frau Brümmer sie nicht. Die Tochter bricht in Tränen aus und behauptet, so kenne
sie ihre Mutter nicht. Henning Köhler ist im zweiten Ausbildungsjahr und hat ähnliche Situationen häufig erlebt. Diesmal hat er den Auftrag, sich intensiv mit Frau Brümmer zu befassen,
um eine optimale Pflege sicherzustellen.
Jeden Augenblick unseres Lebens sind wir auf die Funktionsfähigkeit unseres Gehirns angewiesen. Doch kaum ein Organ ist so störungsanfällig wie das Gehirn. Um funktionieren zu
können, benötigt es die ununterbrochene Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen.
Darüber hinaus ist es auf ein geregeltes Zusammenspiel des Hormonhaushaltes und auf
eine gelungene Abwehr von Giftstoffen angewiesen. Versagt einer dieser Bausteine, kann
es zu „Betriebsfehlern“ im Gehirn kommen. Da unser Gehirn für die Steuerung all unserer
körperlichen, kognitiven und emotionalen Prozesse verantwortlich ist (vgl. Abbildung 2
S. 8), kommt es bei „Ausfällen“ auch zu Problemen in all diesen Bereichen.
n Aufgabe 2
Wahrscheinlich haben Sie mindestens eine der folgenden Situationen schon selbst erlebt: hohes Fieber, zu hoher Alkoholkonsum, extreme Müdigkeit, aufwachen aus einer Narkose usw. In diesen Situationen war Ihr Gehirn nicht normal leistungsfähig. Vergegenwärtigen Sie sich die körperlichen,
kognitiven und emotionalen Begleitsymptome.
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10
Demenzielle Erkrankungen
In diesen Fällen spricht man von akuter Verwirrtheit, von Durchgangssyndromen oder
hirnorganischen Psychosyndromen (HOPS). Die Weltgesundheitsorganisation hat für diese
Störungen die Bezeichnung Delir gewählt.
Delir bezeichnet eine Veränderung des Zentralnervensystems, mit einem akuten Beginn und
wechselnden Störungen der geistigen Fähigkeiten, der Psychomotorik, der Affektivität und der
Bewusstseinslage. Es ist gewöhnlich reversibel (vorübergehend), wenn die Ursache erkannt und
behandelt ist.
Das Delir ist die häufigste psychiatrische Erkrankung unter den über 65-jährigen Menschen
(vgl. Wojnar, 2007). Bei Krankenhausaufenthalten entwickeln 35 % bis 55 % der Patienten
dieser Altersgruppe ein Delir.
1.1.1 Symptome
Beispiel
Frau Brümmer wurde operiert und dann so schnell wie möglich
von der Intensivstation auf die orthopädische Station verlegt. In
der Nacht begann sie laut um Hilfe zu schreien, schlug dann aber
nach der Nachtschwester, als diese zu Hilfe kam. Nur sehr schwer
ließ sie sich beruhigen. Erst gegen morgen schlief sie endlich ein.
Nun liegt sie teilnahmslos in ihrem Bett. Ihre Körperhaltung zeigt,
dass sie sehr angespannt ist, Schweißperlen bedecken ihre Stirn.
Auf Ansprache reagiert sie nicht. Sie wiederholt leise immer wieder
den Satz: „Gleich gehen wir nach Hause.“ Ab und zu versucht sie
aufzustehen, dann klingelt zum Glück die Bettnachbarin. Wenn
Henning dann an ihr Bett kommt, sieht sie ihn ängstlich an und
legt sich zurück. Nach dem Besuch der Tochter (sie machte der
Mutter massive Vorwürfe wegen ihrer Unvorsichtigkeit zu Hause
und weil sie nun nicht antwortet) sprach Frau Brümmer völlig
unverständlich und rief wieder um Hilfe.
Delir als häufige Komplikation bei alten
Menschen im Krankenhaus
Ein Delir entwickelt sich innerhalb von Stunden oder Tagen und kann genauso schnell
wieder vorübergehen, wenn die Ursachen erkannt und behoben werden. Typisch für ein
Delir ist der schwankende Verlauf über den Tag hinweg. Immer wieder kann es zu klaren
Momenten kommen, auf die dann wieder stärkere Symptome folgen. Symptome des Delirs
(nach Dilling u. a., 2008; www.icd-code.de):
Störung des Bewusstseins
– benommen, schläfrig bis zum Koma
– verminderte Aufmerksamkeit
– Orientierungsstörungen
Störungen der Wahrnehmung
– veränderte Wahrnehmung der Wirklichkeit
– Halluzinationen
kognitive Störungen
– Beeinträchtigungen des Denkens
– Sprache ist ungeordnet oder unzusammenhängend
– Wahn
– Gedächtnisstörungen
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Delir
Störung der Psychomotorik und
– hypoaktiv: gehemmt, verminderter Antrieb, apathisch
des Antriebs
– hyperaktiv: gesteigerter Antrieb, ruhelos, ängstlich
Störung des
– Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus, nächtliche Verstärkung der
Schlaf-wach-Rhythmus
11
Symptome
n Aufgabe 3
Erarbeiten Sie die Symptome des Delirs, die bei Frau Brümmer zu beobachten sind.
Leider wird ein Delir gerade bei älteren Menschen häufig immer noch vorschnell als Demenz
eingestuft. Dies führt dazu, dass die Ursache der Störung nicht erkannt wird, was tödliche
Folgen haben kann. Zudem kann ein unbehandeltes Delir chronifizieren und tatsächlich
zu einer Demenz führen. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Hauptunterscheidungsmerkmale zwischen einem Delir und einer Demenz.
Symptome
Delir
Demenz
Bewusstsein
getrübt
klar
Halluzinationen
häufig
selten
Wahn
häufig
selten
Orientierung
schwer gestört
gestört
Sprache
unzusammenhängend
Wortfindungsstörungen
Psychomotorik
hypo-/hyperaktiv
meist unauffällig
körperliche Symptome
meist vorhanden
fehlen meist
Beginn
akut
schleichend
Verlauf über den Tag
wechselnd, fluktuierend
beständig
Auch Menschen mit einer Demenz können ein Delir haben. Schwankt der Zustand eines Demenzkranken, sollte immer überprüft werden, ob ein Delir vorhanden ist.
1.1.2 Ursachen
Im Alter häufen sich körperliche Einschränkungen
und soziale Verluste. Dadurch werden immer mehr
Anpassungsleistungen im Alltag erforderlich. Doch
diese Anpassungen müssen mit immer geringeren
körperlichen Ressourcen bewältigt werden. Durch die
körperlichen Veränderungen im Alter kommt es zu
Einschränkungen in der Versorgung des Gehirns.
Häufen sich nun Anforderungen an das zentrale Nervensystem oder kommt es zu Versorgungspannen,
kann es zu den bereits beschriebenen Ausfällen in der
Funktionsfähigkeit des Gehirns kommen.
Körperliche Veränderungen im Alter bewirken Einschränkungen
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Demenzielle Erkrankungen
Beispiel
Frau Brümmer ist 82 Jahre alt. Sie hat bis zu ihrem 65. Lebensjahr gearbeitet, bei der Erziehung ihrer Enkelkinder mitgeholfen und immer gesund gelebt. Vor mehreren Jahren erkrankte ihr Ehemann an Krebs. Sie
pflegte ihn bis zu seinem Tod. Sie sah, wie die Enkelkinder ins Leben starteten. Sie merkte, wie ihre Kräfte
nachließen. Immer mehr Freunde verstarben. Schon seit einigen Jahren braucht sie Hilfe bei der Pflege des
Gartens und des Hauses. Vor einer Woche stürzte Frau Brümmer auf der Kellertreppe. Es dauerte sieben
Stunden bis ihre Tochter kam und sie fand. Daran kann sich Frau Brümmer nicht mehr erinnern. Sie kam
im Krankenhaus zu sich und kann seitdem nicht verstehen, was mit ihr geschieht. Sie fühlt sich bedroht,
hat Angst, kommt nicht zur Ruhe, weil sie ihre Situation begreifen will. Sie hat Atemnot, Schweißausbrüche,
Herzrasen, Schwindelanfälle, denn sie kann sich die Situation nicht erklären.
An Frau Brümmers Beispiel wird deutlich, dass zahlreiche Faktoren zur Entstehung eines
Delirs führen können. Wie bei allen psychischen Störungen liegt die Ursache in einem
Zusammenspiel von persönlicher Verletzlichkeit (Vulnerabilität) und äußeren Belastungen.
Gerade im Alter sind wir vielen Risikofaktoren ausgesetzt, die unsere Belastungsgrenze senken. Ist ein so verletzlicher alter Mensch nun zusätzlichen Belastungen ausgesetzt, kann es
schnell zu einem Delir kommen.
Risikofaktoren
zusätzliche Belastungen
– hohes Lebensalter
– Stress
– Demenz
– fremde Umgebung, Störung des Biorhythmus
– Multimorbidität
z. B. durch Krankenhausaufenthalt
– Hör- und Sehbehinderung
– körperliche Einschränkungen, Immobilisation
– Dehydratation und Mangelernährung
– Anämie
– Entzugserscheinungen
+
– Elektrolytentgleisungen
– Depression und Ängstlichkeit
– Psychopharmaka, Anticholinergika
– Alkoholismus und Benzodiazepingebrauch
– akute Infektionen
– Schmerzen
– arterielle Hypotonie
– kognitive Störungen
– Organversagen, Blutverlust
– Einsamkeit
– chirurgische Eingriffe, Narkose, Intensivpflichtigkeit
=
Delir
n Aufgabe 4
Erarbeiten Sie die Risikofaktoren und die zusätzlichen Belastungen, die bei Frau Brümmer zu dem Delir
geführt haben.
n Aufgabe 5
Hennings Kollegen sind überzeugt, dass bei Frau Brümmer wohl eine beginnende Demenz vorliegt.
Finden Sie Argumente, die Hennings Kollegen davon überzeugen, dass Frau Brümmer an einem Delir
leidet.
1.1.3 Hilfen
Ein Delir ist immer ein Hinweis auf eine lebensbedrohliche körperliche Erkrankung. Daher
sollte immer der Arzt informiert werden, der für die Behandlung der Grunderkrankung
sorgen wird.
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Delir
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Bei Verdacht auf ein Delir muss immer der Arzt verständigt werden.
Pflegekräfte sollten folgende Grundsätze beachten:
Orientierung erleichtern
durch Bezugspflege oder durch anwesende Familienmitglieder
ruhige, klar strukturierte Umgebung
freundlicher, verstehender Umgang
Vorgänge genau erklären
Hör- und Sehhilfen einsetzen
Überwachung, um eine Selbstgefährdung auszuschließen (Sturzgefahr, Entgleisung der
Vitalwerte usw.)
Ursache(n) des Delirs beseitigen
in Absprache mit dem Arzt mögliche körperliche Ursachen erkennen und beseitigen
ausreichende Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr
körperliche Funktionen optimieren
möglichst keine Zwangsmaßnahmen (Fixierung)
Zurückhaltung mit eingreifenden Maßnahmen z. B. Dauerkatheter, Infusion
Mobilisieren!
n Aufgabe 6
Beschreiben Sie die Symptome eines Delirs.
n Aufgabe 7
Beschreiben Sie mögliche Ursachen eines Delirs.
n Aufgabe 8
Beschreiben Sie die Grundsätze der Pflege bei einem
Delir.
n Aufgabe 9
Beraten Sie Frau Brümmers Tochter. Klären Sie sie
über die Ursachen des Verhaltens ihrer Mutter auf. Hohes Lebensalter als Risikofaktor für Delir
Erklären Sie der Tochter, wieso die Mutter keine
Demenz hat. Beraten Sie die Tochter dahingehend, wie sie sich der Mutter gegenüber verhalten sollte
und wie sie ihrer Mutter dabei helfen kann, bald wieder nach Hause zu kommen.
n Aufgabe 10
Frau Brümmer leidet an einem Delir. Wer sollte über diesen Zustand im Krankenhaus informiert werden? Mit wem sollten die weitere Pflege und Behandlung abgestimmt werden?
n Aufgabe 11
Welche Bedingungen müssten im Krankenhaus vorliegen, um die Zahl der Verwirrtheitszustände nach
operativen Eingriffen zu reduzieren bzw. zu verkürzen?
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Demenzielle Erkrankungen
1.2 Demenzen
Frau Mechthild Grothe lebt seit sechs Monaten im Haus Großeichen. Sie wurde mit der
Diagnose Alzheimer-Demenz eingewiesen,
nachdem sie orientierungslos von der Polizei
in der Stadt aufgegriffen wurde. Da keine Verwandten aufzufinden waren, wurde ein gesetzlicher Betreuer bestellt. Frau Grothe kann sich
nicht alleine pflegen, da sie z. B. beim Waschen
plötzlich beginnt, die Kacheln zu putzen.
Manchmal versucht sie, mit der Zahnbürste
ihre Haare zu kämmen. Ohne Hilfe zieht sie
ihre Kleider falsch an. Trotz häufiger Erklärun- Frau Grothe
gen findet sie den Speiseraum nicht und aus dem Speiseraum zurückkehrend findet sie ihr
Zimmer nicht, obwohl ihr Name an der Türe steht. Beim Essen steht sie ständig auf und läuft
herum. Sie hält sich an keine Absprachen und reagiert sehr ärgerlich, wenn man sie auffordert,
sitzen zu bleiben oder etwas zu tun. Weronika Golanski wird zur Bezugspflegekraft bestimmt.
Auch Jenny Schulz, die eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin macht, ist in
ihrem Altenpflegepraktikum auf dieser Station. Gemeinsam mit Weronika soll sie die Pflege
und Betreuung von Frau Grothe verbessern und ihr Wissen an die Kollegen weitergeben.
Der Unterschied zwischen einem Delir und einer Demenz besteht hauptsächlich darin, dass
ein Delir heilbar ist und eine Demenz nicht.
Als Demenz bezeichnet man Hirnleistungsstörungen aufgrund von Schädigungen des Gehirns,
die nicht reversibel sind.
1.2.1 Symptome
Wie in Kapitel 1.1 dargestellt, ist nicht jede Funktionseinschränkung des Gehirns gleich
eine Demenz. Glücklicherweise lassen sich viele Fehlfunktionen des Gehirns rückgängig
machen. Um vorschnellen Urteilen vorzubeugen, hat die WHO (vgl. Dilling u. a., 2008;
www.icd-code.de) strenge Regeln für die Diagnose einer Demenz aufgestellt:
1. Ein Delir, eine Depression oder eine Schizophrenie müssen ausgeschlossen werden.
2. Es müssen in allen folgenden Bereichen
Auffälligkeiten festzustellen sein:
Störungen im Langzeitgedächtnis (biografisches Wissen, Handlungswissen,
Faktenwissen oder soziales Wissen,
das im Laufe des Lebens erworben
wurde, geht nach und nach verloren)
Störungen im Kurzzeitgedächtnis (Ereignisse, Informationen können nicht
mehr abgespeichert werden.)
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Demenzen
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Störungen weiterer kognitiver Funktionen:
–
–
–
–
–
3.
Störung des logischen Denkens
Störung der Abstraktionsfähigkeit
Aphasie (Störung des Sprachverständnisses oder des Sprechens)
Apraxie (Störung der Handlungsfähigkeit trotz intakter Motorik)
Agnosie (Unfähigkeit, Wahrgenommenes zu erkennen, trotz intakter Sinnesorgane)
Diese Auffälligkeiten müssen länger als sechs Monate bestehen.
Vergesslichkeit alleine ist noch kein Anzeichen für eine Demenz. Weitere kognitive Störungen
müssen hinzukommen.
Beispiel
1. Frau Grothe zeigt keine Anzeichen eines Delirs, einer Depression oder eine Schizophrenie.
2. Folgende Störungen sind bei ihr zu beobachten:
– Frau Grothe hat Störungen im Langzeitgedächtnis (LZG). Sie
hat vergessen, dass sie vor sechs Monaten ins Heim gezogen
und vor sieben Jahren in Rente gegangen ist. Häufig setzt sie
sich in „ihr Büro“ im Dienstzimmer und ordnet Papiere. Ihr
soziales Wissen und ihr Faktenwissen sind noch sehr beeindruckend. Sie ist eine elegante Erscheinung und löst immer
noch leidenschaftlich gerne Kreuzworträtsel.
– Frau Grothe vergisst alles sofort, ihr Kurzzeitgedächtnis
(KZG) ist gestört. Sie vergisst, wohin sie gehen wollte und
woher sie kam. Sie vergisst, dass sie sich waschen wollte
oder dass sie schon gegessen hat.
– Insbesondere beim Anziehen ist die Störung des logischen Denkens erkennbar. Frau Grothe erkennt ihre Kleidungsstücke und
legt Wert auf ein gepflegtes Äußeres, doch sie schafft es nicht,
das Anziehen in einer logischen Reihenfolge zu planen und durchzuführen.
– Frau Grothe leidet an einer Agnosie. Sie verkennt Gegenstände (z. B. die Zahnbürste). Beim Essen erkennt
sie die Situation nicht und verlässt den Raum wieder.
– Eine Apraxie ist manchmal erkennbar, z. B. wenn Frau Grothe sich die Zähne putzen soll. Sie starrt dann
bewegungslos auf die Zahnbürste, ohne die Hand zu bewegen. Führt die Pflegerin die Hand zum Mund,
putzt sich Frau Grothe weiter die Zähne.
– An einer Aphasie leidet Frau Grothe nicht. Sie kann sich sehr gewählt ausdrücken. Allerdings ist das
Gesagte aufgrund der Denkstörungen häufig sinnlos.
3. Diese Auffälligkeiten zeigt Frau Grothe seit ihrem Einzug vor sechs Monaten.
1.2.2 Formen
Wie schon dargestellt, gibt es nicht „die Demenz“. Die WHO unterscheidet mehrere Formen der Demenz. Die Unterschiede liegen in:
der Ursache und
der Schwere der Demenz.
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