- Nürnberg, 06. Oktober 2016 Offener Brief der Katholischen

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Herrn Ministerpräsidenten Horst Seehofer
Parteivorsitzender der CSU
Franz-Josef Strauß Haus
Mies-van-der-Rohe-Str. 1
80807 München
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Nürnberg, 06. Oktober 2016
Offener Brief der Katholischen Akademien in Franken
an den Parteivorsitzenden der CSU
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer,
mit großer Sorge nehmen wir in den vergangenen Monaten Entwicklungen wahr,
welche aus unserer Sicht den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die politische
Kultur und damit auf Dauer wichtige Säulen einer freiheitlich-demokratischen
Gesellschaft gefährden. Als Vertreter von Katholischen Akademien in Bayern
dürfen wir Ihnen diese Sorgen vorlegen als einen Aufruf zur Besonnenheit und
gleichzeitig als Beitrag für das gemeinsame Bemühen, diese Säulen einer den
Menschenrechten verpflichteten und christlich wertorientierten Gesellschaft zu
stützen.
Die Katholischen (wie übrigens auch die Evangelischen und andere) Akademien
wurden nach dem Zweiten Weltkrieg begründet, um in einem pluralen System
gemeinsam Orte der Begegnung, der Wertorientierung und des (religiösen wie
politischen) Dialogs zu bilden. Es war sicher ein gemeinsames Verdienst aller
Akademie
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demokratischen Parteien, dass sich durch eine gewachsene Diskussionskultur
auch das Selbstverständnis änderte: Aus weltanschaulichen Feinden konnten
politisch Andersdenkende im gemeinsamen Ringen um die Gestaltung eines
demokratischen Miteinanders werden. Wir stellen fest, dass sich diese politische
Streitkultur ändert. Und wir befürchten, dass sie sich auflöst.
Zu dieser politischen Streitkultur gehört zweifelsohne auch die klare Abgrenzung
von
allen
Formen
des
rassistischen,
nationalistischen
wie
allgemein
ausgrenzenden und diskriminierenden Gedankenguts. In unseren Veranstaltungen
werden wir immer öfter damit konfrontiert, dass nach dem Motto „Man wird doch
noch sagen dürfen“ mittlerweile Positionen salonfähig geworden sind, die dieses
menschenverachtende Potenzial in die Diskussionen und damit in Denken und
Handeln hineintragen.
Gerade an Orten der Bildung und Begegnung wissen wir um die hohe Symbolkraft
und subtilen Wirkungen von Begriffen, Metaphern und sprachlichen Bildern und
vermissen so schmerzlich einen verantwortungsvollen Umgang mit ihnen;
Metaphern wie „Flut“ oder „Welle“ haben sich beispielsweise im Zusammenhang
mit Geflüchteten bei vielen Menschen längst verbunden zu einem diffusen Gefühl
der „Überfremdung“, der „Islamisierung“ und damit Gefährdung „unseres
christlichen Abendlandes“.
Dabei ist das christliche Welt- und Menschenbild ein wunderbar weites und
inklusives, das den Blick auf jeden Notleidenden lenkt, und kein exklusives, das
die eigene Identität durch Abgrenzung sucht. Gerade in Bayern war bei aller Pflege
der eigenen Kultur in einem volkstümlich formulierten „Leben und leben lassen“
immer auch der Blick auf „den Anderen“ gerichtet; und damit wurde das „Fremde“
sowohl
zur
eigenen
wahrgenommen.
Selbstvergewisserung
wie
auch
als
Bereicherung
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In Veranstaltungen der Katholischen Akademien in Nürnberg und Würzburg wird
deutlich, wie sich Menschen von der CSU entfremden, die bisher gerade in dieser
Partei in besonderem Maße die Verwirklichung der katholischen Soziallehre bzw.
der christlichen Gesellschaftslehre suchten. Die Prinzipien der Personalität, der
Subsidiarität und der Solidarität sowie einer „Option für die Armen“ und einer
„nachhaltigen Entwicklung“ sind dabei stets im weltweiten Kontext zu denken. Die
Sorge um den Nächsten war niemals räumlich oder quantitativ begrenzt, sondern
schloss immer auch den Fernsten ein, wenn es darum ging, sich gegen
Ausgrenzung, Ausbeutung und einen unmenschlichen Umgang mit Menschen
einzusetzen.
Unsere Katholischen Akademien sind auch ein Treffpunkt von Menschen, die sich
christliche Orientierung wünschen. So sprechen wir mit vielen, die wie Erzbischof
Ludwig Schick, Bischof Friedhelm Hofmann und andere deutlich zum Ausdruck
bringen, dass sie bei politischen Äußerungen von Verantwortlichen der CSU immer
wieder die grundsätzliche christliche Offenheit und Toleranz sowie den Respekt
vor den Inhalten des Grundgesetzes, der Genfer Konvention wie auch vor den
Menschenrechten vermissen.
Bildung lebt von der berühmten „didaktischen Reduktion“, um komplexe
Sachverhalte zielgruppenspezifisch darstellen zu können. Auch Politik muss
solche Reduktionen von Komplexität anbieten. Gleichzeitig nehmen wir deutlich
wahr, dass viele Menschen trotz unterschiedlicher sozialer wie beruflicher
Hintergründe ein Mehr an Komplexität vertragen und sich eher von allzu starken
Vereinfachungen, Pauschalisierungen und damit auch Polarisierungen abwenden.
Es sind Sternstunden unserer Bildungsarbeit, aber auch des gesellschaftlichen
Diskurses,
wenn
Zeit
und
Raum
ist,
komplexe
Zusammenhänge
ohne
Vereinfachungen darzustellen, im Gespräch zu befragen und Kontroverses auch
kontrovers zu behandeln, ohne die Basis eines grundlegend wohlwollenden
Umganges miteinander zu verlassen.
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Als Vertreter der Katholischen Akademien wünschen wir uns von der CSU – wie
auch von anderen Parteien – dass sie diesen Dialog unterstützt, der sich der
komplexen Wirklichkeit stellt - ohne polarisierende Vereinfachung, aber auch in
klarer Abgrenzung gegen Extremismus und Diskriminierung.
Natürlich stehen wir Ihnen jederzeit gerne zu weiteren Nachfragen zur Verfügung
und verbleiben mit freundlichen Grüßen
Dr. Siegfried Grillmeyer
Direktor der Akademie CPH
Nürnberg
Dr. Rainer Dvorak
Direktor der katholischen Akademie Domschule
Würzburg
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