Blätter für Vorgesetzte in der chemischen Industrie Herausgegeben vom Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. Wiesbaden 12/2009 Zeitenwende Schon wieder Neujahr Es ist doch noch gar nicht solange her, seit man in der Silvesternacht auf ein gutes Neues Jahr anstieß. Und sich am Neujahrsmorgen noch einmal eindringlich die guten Vorsätze für das bevorstehende Jahr in das Gedächtnis rief. Das soll schon wieder ein Jahr her sein? Wo ist das Jahr geblieben? In der Tat, rein subjektiv hat man mit fortschreitendem Alter immer mehr das Gefühl, dass die Zeit rennt, Jahre schneller vergehen als früher. Schon wieder Weihnachten, Ostern oder der eigenen Geburtstag. Doch wie kommt es zu diesem zwar objektiv falschen, aber subjektiv umso eindringlicher erlebten Gefühl? Schließlich hat ein Jahr immer 365 oder alle vier Jahre 366 Tage. Die Erklärung ist ebenso banal wie einleuchtend. Der Wert des Alter(n)s ändert sich Zum einen durch die eigene, sich im Laufe des Lebens verändernde Wertigkeit von Alter. Als achtjähriges Kind möchte man möglichst schnell zehn werden. Das Taschengeld wird höher und man darf abends länger aufbleiben. Als 15-Jähriger ist die Achtzehn das sehnsüchtig erwartete Ziel. Dann gehört man zu den Großen, den Erwachsenen. Über zwanzig nimmt man das jeweilige Alter meist relativ teilnahmslos zur Kenntnis und freut sich über die Geburtstags–Feten und die Geschenke. Doch irgendwann beginnen bei runden Geburtstagen die inneren roten Lichter anzugehen. Bei manchen mit dreißig, andere erwischt es mit vierzig oder fünfzig. Das Vergangene gewinnt gnadenlos einen immer größeren Anteil am Leben, überschreitet irgendwann die vermutete Halbzeitgrenze. Und mit höherem Alter mischt sich dann zuweilen Stolz hinzu. Vor allem, wenn einem jemand mit kopfschüttelndem Zweifel sagt: „Das glaube ich nicht – Sie sollen 80 oder 85 sein? Ich hätte Sie höchstens auf 70 bis 75 geschätzt.“ Das ist der eine Aspekt. Die andere Hälfte der Begründung liegt in der Wahrnehmung des Ablaufes unseres Lebens. Anderes Zeitgefühl Kurz nach der Geburt wird das Leben spannend und aufregend. Ständig neue Eindrücke, ständig Dinge, die wir mühsam erlernen müssen. Nicht auf ewig in den Windeln liegen, aufrecht gehen, ohne dauernd umzufallen, alleine ohne elterliche Hilfe zu essen. Und wir lernen, teilweise aus Versuch und Irrtum, teilweise durch das, was uns Eltern, Großeltern, Geschwister oder Freunde zeigen und vermitteln. Später kommen Lehrer, Ausbilder oder Professoren hinzu. Immer wieder müssen und wollen wir Neues aufnehmen. Im privaten und beruflichen Bereich gleichermaßen. Bis irgendwann unbemerkt die Kurve knickt. Das Vertraute, Bekannte, das, was wir beherrschen oder schon hundert Mal erlebt haben, wird mehr als die neuen Eindrücke. Aus dem Inhalt: Kreativität, Kompetenz und Konsequenz Provadis: Neuer Studiengang Das aktuelle Schaubild 2 8 8 Wir wechseln nicht mehr oft die Wohnung und das Mobiliar. Auch im Urlaub kehren wir ab und an gerne wieder an Orte zurück, an denen wir uns wohl gefühlt haben. Wir haben schon hundert Mal chinesisch, italienisch oder griechisch gegessen, und das eine oder andere Theaterstück sieht man nun auch zum zweiten oder dritten Mal. Das gleiche Muster kennt jeder von Autofahrten und Urlauben. Warum erscheint einem die Rückfahrt meist kürzer als die Hinfahrt? Obwohl man doch exakt die gleiche Strecke in die Gegenrichtung fährt. Warum vergeht die zweite Urlaubshälfte im subjektiven Erleben schneller als die erste Hälfte? Es ist doch auch wieder die gleiche Zahl an Tagen! Immer gilt das Gleiche: Die Zahl der neuen Wahrneh- mungen und Reize ist geringer geworden. Die Wege in der Hotelanlage, zum Strand und in den Ort sind seit Tagen vertraut. Die Abläufe beim Frühstücks- und Abendbuffet sind ebenso bekannt wie die Cocktailkarte an der Bar. Und den in den ersten Tagen als faszinierend bestaunten Sonnenuntergang hat man nun auch schon viele Abende genossen. Er ist nur noch Kulisse. In dem Maße, in dem Wiederholungen im Kleinen oder Großen unseren Alltag bestimmen oder überwiegen, komprimiert sich Zeit in unserem subjektiven Erleben. Die Jahre werden als kürzer wahrgenommen. Auf ein gutes, neues (langes) Jahr! R.N. Die Zukunft gestalten Kreativität, Kompetenz und Konsequenz „Die entscheidenden Probleme, denen wir uns gegenübersehen, lassen sich nicht auf der Ebene des Denkens lösen, auf der wir sie geschaffen haben.“ (Albert Einstein, 1879-1955) In herausfordernden Zeiten voller Probleme braucht es Lösungen und die Kraft, diese auch umzusetzen. Die Zukunft muss gestaltet werden, denn Veränderungen finden statt – heute schneller denn je. Entweder wir verändern uns, oder wir werden verändert. Dazu brauchen wir eine gute Strategie, um richtig zu entscheiden (= Kreativität), gute Fähigkeiten, um richtig zu handeln (= Kompetenz) und eine gute Führung, um Chancen zu nutzen, Veränderung zu bewirken und Menschen zu begeistern (= Konsequenz). Blick zurück Gehen wir in Gedanken einmal hundert Jahre zurück. Wie war die Situation zu Beginn des 20. Jahrhunderts? 2 Wir meinen oft, nur heute sei eine Zeit des Umbruchs. Weit gefehlt, denn Umbrüche und Verwerfungen gab es schon immer. Oft waren die Folgen daraus kriegerisch und schrecklich. Die große Herausforderung der Gegenwart ist es, aus der Vergangenheit zu lernen, um die Zukunft besser gestalten zu können. Dies ist eine Verantwortung, die wir heute haben und sie betrifft nicht nur Politiker, sondern ebenso Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter in gleichem Maße. Aber blicken wir doch gemeinsam einmal 100 Jahre zurück (siehe Kasten auf Seite 3). 1903 hoben die Gebrüder Wright zum ersten motorisierten Flug ab. Heute könnte man diesen kurzen Flug (der ein Meilenstein für unsere technische Entwicklung war) im Innenraum einer A 380 simulieren. Und auf nebenstehender Übersicht werden nur einige Beispiele der Veränderungen deutlich. Viele davon sind jünger als 50 Jahre, manche haben sich erst in den letzten 10 Jahren ereignet. Es ist also keine Frage mehr, ob wir uns verändern müssen, die einzige Frage ist, ob wir schnell genug sein werden! Eines kommt ergänzend hinzu: Wenn wir uns nicht selbst verändern, werden wir von außen verändert. Blätter für Vorgesetzte 12/2009 Einfache Fragen – schwierige Antworten Vor hundert Jahren gab es ... Die Fragen, die sich in diesem Zusammenhang jeder stellen sollte, sind einfach, die Antworten (und vor allem die Konsequenzen) schon etwas schwieriger: ... die ersten Flugversuche, ... die ersten Automobile, ... keine Kühlschränke, ... keine Radios, ... keine Fernsehgeräte, ... keine Walkmans, ... keine Handys (gerade die ersten Telefone), ... keine CD-, Cassetten- und Videorecorder, DVD, ... keine Tonfilme, ... keine Produkte aus Plastik, ... keine Kunstfasern, ... keine Neonröhren, ... keine Verkehrsampeln, ... keine Gentechnologie, ... keine Computer, ... kein Windows, ... kein Internet, ... kein Google, ... kein iPod. Wollen wir gestalten oder gestaltet werden? Wollen wir führen oder geführt werden? Wollen wir aktiv leben oder passiv gelebt werden? Wenn wir uns für den aktiven Weg entscheiden, den Weg der Freiheit, so entscheiden wir uns immer auch für den Weg der Verantwortung, denn Freiheit ohne Verantwortung gibt es nicht. Zeiten des Wandels der Märkte sind auch Zeiten der Veränderung von Unternehmen. Und dazu ist eine wirksame Führung unabdingbar. Drei Grundsätze wirksamer Führung Mit wirksamer Führung sind an dieser Stelle drei Dimensionen der Führung gemeint: 1.Die Führung eines Unternehmens 2. Die Führung von Menschen 3. Die persönliche Lebensführung Führung ist immer ganzheitlich. Führung ist abhängig von der Person, die führt und von den Personen und Unternehmen, die geführt werden. Führung ist aber auch immer abhängig von der Situation, in der geführt wird. Das Wesen der Führung hat drei Ebenen: Das Bewusstsein (mit welchen Werten und Einstellungen wird geführt), die Methoden (die Aufgaben der Führung) und letztlich die Werkzeuge, die dabei unterstützen, wirksam führen zu können. Im Mittelpunkt davon stehen drei Grundsätze: 1. Grundsatz: Kreativität = …richtig entscheiden 2. Grundsatz: Kompetenz = …richtig handeln 3. Grundsatz: Konsequenz = …richtig leben Es geht immer um eine ganze Reihe von Gedanken, Ideen, Maßnahmen und so wird an dieser Stelle auch nicht von „den“ drei Grundsätzen gesprochen. Es ist für jedes Unternehmen wichtig, seinen eigenen Weg zu suchen und seine Strategie für die Zukunft zu entBlätter für Vorgesetzte 12/2009 wickeln. Dieser Prozess der Strategie-Entwicklung ist ein permanenter. 1. Grundsatz: Kreativität – richtig entscheiden Das Wort Kreativität kommt von dem lateinischen „creare“ und heißt so viel wie „Neues schöpfen, erfinden, erzeugen, herstellen oder auswählen“. Die Kreation ist die Schöpfung von etwas Neuem, die Kreatur das neu erschaffene Leben. In diesem Sinn sind mit Kreativität ein neues Denken, neue Ideen, neue Produkte oder auch neue Geschäftsmodelle gemeint. Besonders verbreitet ist der Irrtum, dass wir besonders kreativ sind, wenn wir entspannt sind und es uns gut geht. Das Gegenteil ist der Fall. Wir waren aufgrund unserer Entwicklungsgeschichte besonders in Krisenzeiten genötigt, uns etwas einfallen zu lassen. Daher hat Kreativität auch viel damit zu tun, sich dann anstrengen zu müssen, wenn man mit dem Rücken an der Wand steht. Aus der Kreativität entstehen nicht nur innovative Produkte, sondern auch innovative Dienstleistungen, innovativer Kundennutzen, Emotionalität und neue Formen des Service, neue Geschäfts3 modelle und Partnerschaften, innovative Preissysteme, Organisationsformen und Ideen, die Menschen begeistern. Kreativität war zu allen Zeiten der eigentliche Motor des Fortschrittes. Ob wir uns die vielen Basisinnovationen der letzten zwei Jahrhunderte ansehen (die sog. „Langen Wellen“ der Kondratieff-Theorie) oder die kurzen Innovationszyklen der letzten zehn Jahre, immer spielt Kreativität die entscheidende Rolle. 2. G rundsatz: Kompetenz – richtig handeln Für richtiges Handeln benötigt man Kompetenz – und diese auf mehreren Ebenen. Wir brauchen fachliche Kompetenz, denn ohne diese werden wir nicht die nötige Qualität unserer Produkte und Dienstleistungen erzeugen können. Qualität ist eine notwendige Grundvoraussetzung, um überhaupt erfolgreich sein zu können. Ohne Qualität wird jedes Unternehmen über kurz oder lang scheitern. Leider ist Qualität für sich allein nicht mehr ausreichend, denn ausschließlich Qualität führt nicht automatisch zum Erfolg. Unternehmen können heute trotz guter Qualität scheitern. Zur Kompetenz gehört deshalb weiterhin die methodische, soziale und letztlich auch ethische Kompetenz eines Unternehmens. Kompetenz nutzt nur wenig, wenn sie nicht konsequent angewendet wird, womit wir beim dritten Grundsatz wirksamer Führung wären. 3. Grundsatz: Konsequenz – richtig leben Konsequenz bedeutet, die Herausforderungen anzunehmen und Verantwortung zu übernehmen. Das Wort setzt sich aus den beiden lateinischen Wörtern „cum“ und „sequi“ zusammen und bedeutet „mit“ „Folge“ oder als „consequi“ einfach „folgen“. Etwas zieht eine Folge, also konkrete Maßnahmen und Handlungen nach sich. Gute und kreative Ideen, gepaart mit hoher Kompetenz sind wertlos, wenn sie nicht auch im Markt umgesetzt werden. Wenn wir uns z. B. eine besondere Dienstleistung überlegen, die für unsere Kunden sehr nützlich ist, so entsteht dieser Nutzen erst, wenn er auch beim Kunden ankommt. Unserem Unternehmen nützt es erst dann etwas, wenn der Kunde auch bereit ist, dafür zu bezahlen. Nehmen wir ein konkretes Beispiel aus der Branche, 4 aus welcher die Krise hervorgegangen ist. Die Dienstleister auf den Finanzmärkten, ganz gleich ob Banken oder Versicherungen, haben ihren Vertrauensvorschuss genutzt, um immer komplexere Produkte anzubieten. Das Ziel war die Jagd nach hohen Renditen, an der ja auch die Kunden beteiligt waren. Aber die Kunden haben die Produkte nicht verstanden und jetzt kommt das Entscheidende: Die Banken und auch die Versicherungen haben diese Produkte und die damit verbundenen Risiken auch nicht mehr verstanden. Wenn wir eine neue Leistung anbieten wollen, so hat dies vor allem mit Kompetenz und Transparenz zu tun, aber auch mit der Bereitschaft im Beratungsgespräch, diese zu leben. Das Beratungsgespräch der Zukunft muss anders sein als das der Vergangenheit. Aus Verkäufern müssen jetzt wirkliche Berater werden, die ihrem Namen Ehre machen und die Lust auf diese Form der Leistung haben. Vertiefen wir an dieser Stelle die drei Grundsätze und übertragen sie auf die wesentlichen Aufgaben der Unternehmensführung, eine gute Strategie, eine konsequente Steuerung, eine geeignete Organisation und eine effektive Führung. Gute Strategie im Mittelpunkt Eine Zeit der schnellen Veränderung von Märkten ist auch eine Zeit der Strategie-Entwicklung eines Unternehmens. Eine Strategie ist nie starr und unveränderlich. Obwohl sie einer Kontinuität folgen sollte, muss sie ebenso veränderlich sein. Der Strategieprozess eines Unternehmens hat daher eine ganz besondere Bedeutung. Drei Inhalte werden oft unter dem Begriff Strategie zusammengefasst: Unternehmensphilosophie oder was uns wichtig ist (Leitbild, Vision, Mission, Werte, Kultur, Grundsätze – also das Sein und Denken eines Unternehmens) Unternehmensstrategie (Analysen, Positionierung, Kunden, Angebote, Entwicklungen, Wettbewerb, Innovationen, Kooperationen) Unternehmensplanung (lang-, mittel und kurzfristige Ziele mit klarem Maßnahmenplan) Darüber hinaus kann der Begriff Strategie (der aus dem griechischen „stratos“ kommt und bedeutet „das Heer zu führen“) für eine Vielzahl von Konzepten Blätter für Vorgesetzte 12/2009 in einem Unternehmen verwendet werden (Marketingstrategie, Finanzstrategie,…). Letztlich bedeutet es aber immer, dass sich ein Unternehmen konkrete Gedanken über die zukünftige Gestaltung der einzelnen Bereiche macht. Die Abgrenzung zum Wort „Planung“ ist hier fließend. Die Entwicklung einer Strategie erfolgt nicht im luftleeren Raum, sondern wird geprägt von bestimmten Gedanken und Annahmen, die auch in der Unternehmensphilosophie beschrieben werden können. Nennen wir sie an dieser Stelle Grundwerte der Strategie-Entwicklung, die das Bewusstsein eines Unternehmens prägen. Folgende sieben Grundwerte sollten eine praktische Strategie prägen: 1. Ganzheitlichkeit Eine Unternehmensstrategie muss sich mit vielen Aspekten des Unternehmens beschäftigen und daher durchdacht sein. Sowohl die weichen, als auch die harten Faktoren müssen berücksichtigt werden. So wie bei einem Menschen Körper und Seele eine Einheit bilden, so ist dies im Unternehmen auf der materiellen und immateriellen Ebene der Fall. 2. Balance Eine kluge Strategie balanciert und optimiert gegensätzliche Interessen. Sie balanciert zwischen dem Nutzen für den Kunden und dem Nutzen für das Unternehmen und versucht, beides in Einklang zu bringen, wissend, dass sich beide Ziele oft auch widersprechen. Eine Aussage wie „Nutzenmaximierung vor Gewinnmaximierung“ hört sich schön an, bildet aber letztlich nicht die Realität ab, denn es geht um beides. „Gewinne sind die Kosten des Überlebens“ (Peter Drucker) und so ist damit gemeint, dass der Gewinn das Ergebnis der Verwirklichung übergeordneter Unternehmensziele ist, die sich am Nutzen für den Kunden orientieren sollten. 3. Energie Jedes Unternehmen hat bestimmte Ressourcen an Geld und Zeit zur Verfügung. Der Grundsatz Energie fordert, sich nicht zu verzetteln, sondern die Energie wirksam und fokussiert auf das Wesentliche im Hinblick auf den Unternehmenserfolg einzusetzen. Blätter für Vorgesetzte 12/2009 4. Klarheit Unternehmensführung ist geprägt von einer Vielzahl von Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Strategiearbeit ist dann gut, wenn sie dem Unternehmer dabei hilft, Entscheidungen zu treffen. Klarheit zeigt sich in einem wichtigen Wort: „NEIN“. Was wollen wir nicht (!) anbieten? Für welche Kunden wollen wir nicht (!) arbeiten? Wenn ein Unternehmen diese Fragen klar beantworten kann, dann fällt das „JA“ viel leichter. 5. Kontinuität Kommen wir zur Umsetzung einer Strategie. Hier wird häufig vergessen, dass es etwas Zeit braucht, bis eine neue strategische Ausrichtung wirkt und Erfolge zeigt. Daher ist es gefährlich, die strategische Ausrichtung zu schnell zu wechseln, wie es auch gefährlich sein kann, sie über einen zu langen Zeitraum nicht zu wechseln. Allein dieses Beispiel macht deutlich, dass ein „entweder, oder“ immer falsch sein muss und immer ersetzt wird durch ein „sowohl, als auch“. 6. Verständlichkeit Die Umsetzung einer Strategie ist immer Teamarbeit. Aber auch hier gilt „sowohl, als auch“, denn es gibt Situationen, da sind Einzelleistungen entscheidend. Im Großen und Ganzen ist ein Unternehmen dennoch ein Team und es kommt daher darauf an, dass möglichst viele Menschen im Unternehmen die Strategie auch verstehen. 7. Veränderbarkeit Strategiearbeit ist ein kontinuierlicher Prozess. Wenn sich das Umfeld verändert, muss sich auch die Strategie eines Unternehmens verändern. Dies deutlich zu machen, ist eine der wesentlichen Führungsaufgaben. Die Widerstände („Das haben wir schon immer so gemacht“ bzw. „Das haben wir noch nie so gemacht“) sind jedem bekannt, denn Veränderung ist nicht beliebt. Daher ist die Förderung der Veränderungsbereitschaft eine permanente Führungsaufgabe. Praxistest: Vom „Kenner“ zum „Könner“ Erst Kompetenz führt zum richtigen Handeln, denn eine richtige Entscheidung muss auch umgesetzt werden. Jetzt geht es um klare Ziele, um Prioritäten und um Maßnahmen, die von bestimmten Personen in 5 einer bestimmten Zeit realisiert werden. Hier spielt die Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln eine besondere Rolle. Sind bei der Entwicklung einer Strategie die „Kenner“ hilfreich und nützlich, so geht es bei der Umsetzung um die „Könner“. Kompetenz-Kombination Es ist vor allem die Kombination der ausgeprägten Kompetenzen. Natürlich ist die fachliche Kompetenz zunächst maßgeblich, ganz gleich, ob Dienstleistungen oder Produkte Gegenstand des Unternehmens sind. Ein Taxifahrer sollte die Stadt kennen, in der er seine Dienste anbietet. Ein Navigationssystem kann ihm zwar helfen, aber spätestens bei einem Stau und drängender Zeit wird deutlich, ob der Taxifahrer sein Handwerk beherrscht oder nicht. Bei jedem anderen Beruf ist dies ebenso. Neben der fachlichen Kompetenz ist vor allem auch die methodische Kompetenz entscheidend bei der Umsetzung im Alltag. Wie gut ist ein Mensch, ein Unternehmen organisiert? Wie geht man mit der eigenen Zeit und mit der Zeit seiner Kunden um? Wie sieht es mit einfachem aber gutem Projekt- und Qualitätsmanagement aus? Emotionale Dimension Die beiden rationalen Kompetenzen nützen aber im größeren Unternehmensumfeld wenig, wenn nicht auch die emotionalen Kompetenzen (soziale und ethische) hinzukommen. Wie will man andere Menschen bewegen, einbinden und dafür gewinnen, gemeinsam an Zielen zu arbeiten? Wie will man die Nachhaltigkeit sicherstellen und Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei Kunden und Mitarbeitern aufbauen? Oft gibt es fachlich und methodisch kompetente Menschen, denen man wenig vertraut. Wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist, helfen fachliche und methodische Kompetenz wenig. Menschen folgen Menschen und keinem Qualitätsmanagement. Um eine Strategie auch umzusetzen, braucht es neben den einzelnen Kompetenzen vor allem klare und messbare Ziele, Prioritäten, die das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden, konkrete Maßnahmen und dafür verantwortliche Personen. 6 An diesem Punkt wird es konkret und hier geht die Strategie-Entwicklung über in die konkrete Planung und Diskussion über die zu vereinbarenden Ziele, über Prioritäten, über Verantwortung und konkrete Maßnahmen. Hier wird die methodische Kompetenz wieder sehr wichtig. Gerade das nachhaltige Verfolgen und Erreichen von Zielen stellt im Alltag die größte Herausforderung dar. Gute Strategie konsequent leben Der Unterschied zwischen einem guten und sehr guten Unternehmen ist immer eine Frage der Konsequenz, mit der das Unternehmen jeden Tag ans Werk geht. Der Führung kommt hierbei eine ganz besondere Rolle zu. Roman Herzog brachte es in seiner Berliner Rede 1997 mit folgendem Satz zum Ausdruck: „In Zeiten existentieller Herausforderung wird nur der gewinnen, der wirklich zu führen bereit ist ... .“ Führung ist ein schwieriges Feld, weil das Thema durch unsere Geschichte negativ belegt ist. Das Wort „Führer“ ist in unserem Land zu einem Tabu geworden. Wir bringen mit diesem Wort die grausamsten Verbrechen der menschlichen Geschichte in Verbindung. Damit wurde das Thema Führung inhaltlich entstellt, obwohl es für den Erfolg eines Unternehmens sehr wichtig ist. Führung entzieht sich der wissenschaftlichen Betrachtung und ist ein „weicher Faktor“. Das öffnet den in der Managementliteratur beliebten Pseudowissenschaftlern Tür und Tor. Führung muss auf Werten basieren. Wenn diese falsch und verbrecherisch sind, wird in die falsche Richtung geführt. Dies ist dann keine Führung, sondern Verführung. Daher ist es wichtig, sich nicht nur das Wesen der Führung genauer anzusehen, sondern auch die Aufgaben. Management ist etwas anderes als Führung. Auch wenn beide Begriffe in den meisten Wirtschaftspublikationen synonym verwendet werden. Was ist Management? Management beruht auf Wissenschaft, auf Zahlen und Fakten. Der Taylorismus begründete die wissenschaftliche Betriebsführung und Peter F. Drucker das moderne Management, wie wir es heute kennen. Und was ist Führung? Führung ist das Gestalten, gemeinsam mit anderen Menschen, unter Berücksichtigung des Umfeldes und ganzheitlichen, ethischen Grundsätzen. Führung ohne Verantwortung ist ein Blätter für Vorgesetzte 12/2009 Irrtum. Der Werteaspekt, Ethik, Ganzheitlichkeit, Verantwortung und Charakterstärke sind Elemente der Führung, die sich zugegebenermaßen schlecht messen lassen. Führung ist nicht mehr oder weniger als Management – beide stehen gleichbedeutend nebeneinander und ergänzen sich. Beide sind für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens unverzichtbar. Führung ist eine einfache Disziplin, die gelernt werden kann. Führung folgt Grundsätzen, besteht aus Aufgaben und verwendet Werkzeuge. Grundlage der Führung ist der Charakter. Führung ist ohne Geheimnisse und ohne jede Mystik – sie ist das Ergebnis eines ethisch handelnden und verantwortungsbewussten Menschen. Führung beginnt beim „Ich“ – und wirkt immer von innen nach außen. Weisheit, Willenskraft, Besonnenheit (Maß halten), Gerechtigkeit, Vertrauen, Optimismus und Wertschätzung – diese Grundsätze leiten sich aus den sieben Kardinaltugenden ab und sind somit praktisch gelebte Ethik. Diese Tugenden sind der Stoff, aus dem ein guter Charakter gemacht ist. Die ersten vier Grundsätze sind Verhaltensgrundsätze (sie leiten sich von den ursprünglich vier Kardinaltugenden des Aristoteles Blätter für Vorgesetzte 12/2009 ab, nämlich Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung) und die letzten drei sind Einstellungstugenden des Bewusstseins und leiten sich aus der christlichen Philosophie ab (Glaube, Hoffnung, Liebe). Diese Grundsätze sind die Voraussetzung für die vier Aufgaben der Führung von Menschen (Kasten unten). Die Frage nach dem Sinn von effektiver Führung erscheint gerade in der aktuellen Krisenzeit eine ganz wesentliche zu sein. Dies ist auch die große Chance der Krise, denn erst durch den Wegfall der hedonistischen Heilsversprechen auf der materiellen Ebene (aus den guten Zeiten des Wirtschaftswachstums) wird der Blick frei für die ethische Ebene. Nur auf ihr werden wir die Probleme lösen können. Wir haben nicht nur eine Struktur- und Wirtschaftskrise, sondern – was viel schlimmer ist – eine Sinn- und Orientierungskrise. Nur durch wirkliche Führung und Führer – im positiven Sinn des Wortes – sind diese Krisen zu überwinden. Oder um mit den Worten von Gertrud Höhler zu sagen: „Die Wissensgesellschaft hat im Strudel ihrer Gewinne und Verluste kaum Energie für den Kern der menschlichen Existenz übrig.“ Dr. Dr. C. v. F. 7 Neuer Studiengang an der Provadis Hochschule Mitte Oktober hat an der Provadis Hochschule mit einer Rekordzahl von mehr als 200 Neueinschreibungen das Wintersemester 2009/2010 begonnen. Besonders bemerkenswert ist der neue berufsbegleitende Bachelorstudiengang Biopharmaceutical Science für ausgelernte Biologielaborantinnen und Biologielaboranten. Er trägt der hohen Nachfrage an einer biologisch orientierten akademischen Qualifikation in der pharmazeutischen und biotechnologischen Industrie und dem bisherigen Mangel an vergleichbaren Angeboten in der Region Rechnung. Die Absolventen werden so qualifiziert, dass sie anspruchsvolle Funktionen entlang der Wertschöpfungskette, der Wirkstoffentwicklung und Wirkstoffproduktion in Theorie und Praxis ausfüllen können. Der Studiengang schließt mit dem Bachelor of Science ab. Der nächste Studienjahrgang startet im Oktober 2010. Das aktuelle Schaubild lich aber unterscheiden sich die Volumina und Staatliche Konjunkturpakete zur Bekämpfung der Wirtschafts- und Finanzkrise in % des jeweils prognostizierten Bruttoinlandsprodukts 2009 die ergriffenen MaßSaudi-AraChina nahmen von Land zu bien Malaysia Land ganz erheblich. An USA Mexi Argentin ko der Spitze liegt China, ien 13,0 % 7,9 5,6 11,3 Ung 4,7 Neuseelaarn 3 ,9 Für* dessen Konjunkturpaket nd Phililiip 3,8 ppinen IndustrieSchwellenThailand 3,8 in Höhe von 586 MilliDeutschila länder länder 3,7 lan 2,8 Südkoread 3,0 Steuererleichterungen arden Dollar 13 Prozent 2,8 Australilie en 2,7 Chilile 34,1 e des geschätzten BIP für 2,5 Japan 2,3 % 46,5 Infrastruktur K 2,3 2009 beansprucht. Nach Großbritaanada nnie 2,0 Südafrikan 1,3 14,9 absoluten Zahlen ist der Indonesi 1,2 en Umverteilung an Bezieher Russland 1,2 6,8 „American Recovery niedriger Einkommen Frankreic 10,8 1,1 h 0,2 Portugal 1,1 Beschäftigung 2,9 and Reinvestment Act Vietnam 1,1 0,9 Span Niederla ien of 2009“ mit einem 0,8 nd Sonstiges** 37,3 43,5 Norwege e 0,8 n 0,6 Umfang von 787 MilliarBelgien 0,5 Indien 0 ,3 den Doller das umfangSchweiz 0,3 Italilie *basierend auf 10 Industrie- u. 12 Schwellenländern, für die eine Aufteilung möglich ist en 0 ,3 Brasililie reichste Hilfsprogramm. en 0,2 **z.B. Hilfen für Unternehmen u. Verbraucher, zusätzl. Investitionen in Bildung u. Gesundheit 3192 Quelle: IILS Unter den Maßnahmen dominieren auf Seiten der Industrieländer mit einem Anteil von über einem Gigantische Konjunkturpakete sind zur Krisenabwehr Drittel an den eingesetzten Mitteln fiskalische Impulse, auf den Weg gebracht worden. Deren Volumen erreicht mit Anteilen von knapp 15 bzw. elf Prozent folgen rund zwei Billionen US-Dollar, was einem Anteil von Infrastrukturmaßnahmen und Einkommenstransfers etwa 1,4 Prozent an der globalen Wirtschaftsleistung an Bezieher niedriger Einkommen. Die Schwellenländer entspricht. Der Internationale Währungsfonds hatte der setzen dagegen mit einem Anteil von fast 47 Prozent Staatengemeinschaft empfohlen, mindestens zwei Proganz überwiegend auf Infrastrukturinvestitionen. zent des jeweiligen nationalen Bruttoinlandsprodukts Stat. Ang.: International Institute for Labour Studies. (BIP) zur Bekämpfung der Krise einzusetzen. Tatsäch© Globus Stützen für die Konjunktur Herausgeber: Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V., Postfach 1280, 65002 Wiesbaden, Telefon +49 611 778810, Internet: www.bavc.de Redaktion: Hans-Günter Glass, Kontakt: [email protected]. Mitarbeiter dieser Ausgabe: Rainer Nocht, Hannover; Dr. Dr. Cay von Fournier, St. Gallen. Verlag: Dr. Curt Haefner-Verlag GmbH, Heidelberg. Druck: abcdruck GmbH, Heidelberg. Erscheint monatlich. Bezugspreis: € 6,42 (Jahres-Abonnement € 6,– zzgl. MwSt. € 0,42) einschließlich Zustellgebühr. Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers gestattet.