Selbstverletzendes Verhalten bei Mädchen und jungen

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Selbstverletzendes Verhalten bei
Mädchen und jungen Frauen
Möglichkeiten und Grenzen im (sonder-)
pädagogischen Handlungsfeld
EREV Forum Schule und Erziehungshilfe
28.11.2012 Luisenthal
Nadine Döring
Bitte beantworten Sie folgende
Fragen
1. Was bedeutet Schmerz für Sie
persönlich (rote Karte)?
2. Hatten Sie schon direkt mit SVV zu
tun (blaue Karte)?
3. Welche Frage muss für Sie in diesem
Workshop unbedingt beantwortet
werden (gelbe Karte)?
Gliederung
1.
2.
3.
4.
Begriffsbestimmungen
Genderaspekt
Risikofaktoren und mögliche Auslöser
Psychiatrische Störungsbilder vs.
Modetrend
5. Was passiert bei Selbstverletzerinnen?
6. Do‘s and Dont‘s
7. Möglichkeiten
8. Grenzen
9. Selbsthilfe
10.Diskussionsrunde
1. Begriffsbestimmungen
Der Schmerz (gesellschaftliche Definition)
„(…) unangenehme physische oder
psychosomat. Sinnes- oder
Gefühlswahrnehmung eines Zustandes, der
eine Störung des Wohlbefindens anzeigt (…).
Akuter Schmerz warnt vor Bedrohung des
Organismus, so dass der Betroffene mit
Abwehr- und Verhütungsmaßnahmen reagieren
kann.“
(Vgl.: Das aktuelle wissen.de Lexikon 2004, S. 253)
1. Begriffsbestimmungen
Der Schmerz (Definition aus Sicht von
Selbstverletzerinnen)
„(…) lustvolle Erlösung und Befreiung meiner
Seele und Abbau von Hochstress mit
euphorischer Wirkung. Der im akuten Moment
unfühlbare Schmerz ist ein Akt der
Selbstfürsorge, Kontrolle und der glückliche
Beweis, dass ich am Leben bin.“
1. Begriffsbestimmungen
Indirektes Selbstverletzendes
Verhalten:
Verweigerung von Nahrung und Wasser
Chronischer Alkohol-, Drogen- und
Medikamentenmissbrauch
Verweigerung medizinischer Behandlungen
Risikoverhalten jeglicher Art (Sport,
Straßenverkehr, Sex…)
(Vgl.: Petermann/Winkel 2009, S. 17)
1. Begriffsbestimmungen
Direktes Selbstverletzendes Verhalten:
Initiierung eines Verhaltens, mit dem eine
Selbstschädigung bewirkt werden soll
Einnahme einer ungenießbaren Substanz oder
Verschlucken eines ungenießbaren Objekts
Einnahme einer Substanz in größeren Mengen,
als ärztlich verordnet
Einnahme illegaler Drogen, wenn damit eine
Selbstschädigung bewirkt werden soll
(Vgl.. Hawton/Rodan/Evans 2008, S. 27)
Beispiele für direktes SVV
Schneiden, Ritzen, Stechen
Aufkratzen der Haut
Verbrennen, Verbrühen, Verätzen
Abschnüren von Körperteilen
Haare ausreißen (Trichotillomanie)
Sich selbst schlagen, Kopf gegen die Wand schlagen
Knochenbrüche verursachen
Aufbeißen der Mundschleimhaut und regelmäßiges
Öffnen der verheilenden Wunden
Einführen von spitzen Gegenständen unter die Haut oder
in Körperöffnungen
Springen aus großer Höhe
Extremes Nägelkauen
(Vgl.: Smith/Cox/Saradjian 2004, S.16f.)
2. Genderaspekt
„Jungen explodieren, Mädchen implodieren“
(Ulrike Held)
Schulstudie: 11,2% Mädchen und 3,2%
Jungen (Hawton et. al. 2003c / Oxford)
Mädchen fast viermal so häufig als Jungs
Studie ergab in anderen Ländern dasselbe
konsistente Muster
Insgesamt SVV bei Mädchen konstant
höher als bei Jungen
hohe Grauzone
(Vgl.: Hawton/Rodham/Evans 2008, S. 65f.)
2. Genderaspekt
Mädchen- und frauenspezifisches
Verhalten, das an gesellschaftliche
Bedingungen geknüpft ist
Aggression muss unterdrückt werden
Aggression gilt als „unweiblich“
Es gibt keine sichtbar „typische
Selbstverletzerin“
Depression stärker weiblich verbreitet
Weniger Macht („Frau nimmt sich weniger
wichtig“)
Vulnerabilität höher
(Vgl.: Teuber 2000, S. 48 und Smith/Cox/Saradjian 2004, S. 24f.)
3. Risikofaktoren und mögliche
Auslöser
Massive Traumata im Kindesalter
Psychische Krankheiten im Kindes- und
Jugendalter
Bindungsstörungen
Pubertät und Adoleszenzkrisen
Mangel an Zuwendung und Aufmerksamkeit
Mangel an Bewältigungsstrategien im
Umgang mit Stress und Druck
3. Risikofaktoren und mögliche
Auslöser
Extrem instabiler
Selbstwert/Identitätsproblematik
Kein Vertrauen in sich und andere
Menschen
Unausgelebte Aggressionen
Gruppenzugehörigkeitsgefühl
Modeerscheinung, Nachahmung
Mobbing, soziale Isolation
4. Psychiatrische Störungsbilder vs.
Modetrend
Emo – Kult (seit 2000 in Deutschland Modetrend)
(http://www.examiner.com/images/blog/wysiwyg/image/emo.jpg)
(http://cdn.maedchen.de/bilder/emo-frisuren-emo-sein-faengt-auf-dem-kopf-an
557x313-42932.jpg)
4. Psychiatrische Störungsbilder vs.
Modetrend
„Gemeinsam einsam“ –
Zusammengehörigkeits- und
Innigkeitsgefühle
Sogwirkung
Mutprobe
Gemeinsamer Frust und Protest gegen
aktuelle Lebensbedingungen
vorübergehend
(Vgl. Teuber 2000, S. 54f.)
4. Psychiatrische Störungsbilder in
Verbindung mit SVV
Depressionen
Körperschemastörung/Essstörung
Traumatisierung/PTBS
Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS)
Angststörung
Autismus
Zwangsstörung
Drogen- und Alkoholabhängigkeit
Multiple Persönlichkeitsstörung (MPS)
(http://www.rotelinien.de/information.html)
4. Psychiatrische Störungsbilder in
Verbindung mit SVV
Traumata in Folge von massiven
Gewalterfahrungen in der Kindheit:
Sexueller Missbrauch
Seelische Misshandlung
Körperliche Misshandlung
Deprivation
5. Was passiert bei
Selbstverletzerinnen im Akutfall?
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Meistens ausgelöst durch einen „trigger“
Hochstress und Hochspannung
Extremer Druck
Kontrollverlust
„Suchtdruck“
„Überflutung“ des Ichs mit negativen
Gefühlen und Gedanken
5. Was passiert bei
Selbstverletzerinnen im Akutfall?
7. Gefühl von Ohnmacht und Leere
8. Angst, Verzweiflung, Panik, Chaos
9. Spaltung zwischen Körper und Ich
10.Völliger Verlust des Körpergefühls
11.„Der blanke Horror“
12. SVV als letzte Lösungsinstanz
Teufelskreis
5. Was passiert bei
Selbstverletzerinnen im Akutfall?
Die Tiefe der jeweiligen Verletzung
korrespondiert mit der Unerträglichkeit
und Ausweglosigkeit der erlebten
Situation
Keine Tötungsabsicht!
SVV ist kein Suizidversuch
Exzessiver Alkohol-, Drogen- und
Sexmissbrauch als „narzisstische Plombe“
(Vgl.: Teuber 2000, S. 49ff.)
5. Was passiert bei
Selbstverletzerinnen im Akutfall?
Automatische Gedanken bei SVV:
Selbstverletzung stellt ein akzeptables
Verhalten dar
Der eigene Körper und die eigene Person
sind verabscheuungswürdig und müssen
bestraft werden
SVV ist nötig, um unerwünschte Emotionen
zu bewältigen
SVV ist nötig, um über Emotionen zu
kommunizieren
(Vgl.: Petermann/Winkel 2009, S. 85)
5. Was passiert bei
Selbstverletzerinnen im Akutfall?
Das SVV ist oft die einzige Chance um
Kontrolle und Ordnung wiederherzustellen
Die Hemmschwelle für SVV sinkt mit der
Anzahl
„Teufelskreis“ wird zur Sucht
(Vgl. ebd.)
5. Was passiert bei
Selbstverletzerinnen im Akutfall?
Störungen der eigenen
Emotionswahrnehmung
Starke emotionale Reaktivität
Störungen der Emotionsregualtion („Den
kühlen Kopf bewahren“)
(Vgl.: Petermann/Winkel 2008, S. 85f).
5. Was passiert bei
Selbstverletzerinnen danach?
Aufwachen und sich (wieder mal) wünschen, gestern
wäre nie passiert!
„Seelenkater“
Mühsames Zusammensetzen von „Filmrissen“ und
Kontrollverlusten
Körperliche Schmerzen
Schuld
Scham
Selbsthass
Depression
Irgendwie den Tag überstehen müssen!
Rückzug
6. Do‘s
Nachfragen
Bleiben!
Beständigkeit
Offen, ehrlich und wertfrei sein (auch mit eigenen
Gefühlen)
Eigene innere Bilder in den Hintergrund stellen
Hilfsangebote machen / weitervermitteln
Empathie zeigen und ausdrücken
Ruhig bleiben, „trigger“ vermeiden
Alltagsbegleitung (über das päd. Umfeld hinaus)
„Dran bleiben“
Zurückweisung akzeptieren
BEZIEHUNG, BEZIEHUNG, BEZIEHUNG !!!!
6. Dont‘s
Verurteilen und bewerten
Druck ausüben („Wehe, wenn..“)
Ultimatum stellen
Kontrolle
Die Betroffene ablehnen und/oder allein
lassen
Sich persönlich angegriffen fühlen
In Panik ausbrechen
Eltern anrufen
Gegen den Willen des Mädchens etwas tun
7. Möglichkeiten
Transparenz
„Ent-Tabuisierung“ der Thematik
Offenheit
Bildung von Helfersystemen: Was kann die
Gruppe leisten?
Schaffung von Verständnis und Akzeptanz
Verminderung von Schamgefühlen („Du bist
nicht verrückt“)
Offene Fragerunde / Austausch der
Mädchen untereinander zum Thema
7. Möglichkeiten
Projekte / Unterrichtsinhalte:
Selbstpflege-Tagebuch positive
Ressourcenaktivierung
Selbstachtsamkeit und „Skills“ üben
Bilder malen, Musik
Gedichte verfassen
„Notfall – Koffer“ erstellen
Die Reise zum „sicheren Ort“
Entspannungseinheiten
(Vgl.: Hantke/Görges 2012)
8. Grenzen
Pädagogen/innen sind keine Therapeuten!
Umgang mit (Täter-) Projektion und
Gegenübertragung
Umgang mit eigenen Affekten u. Impulsen
Fehlende Distanz zum Thema
Zu viel persönliche Betroffenheit
Anblick von Blut, klaffenden Wunden oder
sonstigen Verletzungen verursacht Ekel
(Vgl.: Sachsse 2002, S. 85ff.)
9. Selbsthilfe
Supervision
Interne Fallbesprechungen im Team
Wissenschaftliche und praktische
Auseinandersetzung mit der Thematik und
den zugehörigen Erfahrungen
Unterhalten mit Betroffenen
Sinnvolles Hobby / Freizeitausgleich
Stabiles soziales Netz
Achtsamkeit mit eigenen Ressourcen
Vielen Dank!
Kontakt
Nadine Döring
Diplom-Sozialpädagogin (BA) / Studentin SOP (E/L)
Schulsozialarbeit Nürtingen
Tel.:
Mobil:
Mail:
Internet:
Facebookprofile:
07022 9322992
0172 7371459
[email protected]
[email protected]
www.ssa-ms-nt.de
Nadine Döring oder
Schulsozialarbeit Mörikeschule
Nürtingen
10. Diskussionsrunde
Gibt es noch offene Fragen?
Wurden die Wünsche der TN
berücksichtigt?
Gibt es mehr Verständnis und
Handlungssicherheit bezüglich der
Thematik als vor dem Workshop?
Gibt es einen konkreten Fall, den wir
besprechen könnten?
Etc.
Quellenverzeichnis
Literatur:
Das aktuelle wissen.de Lexikon (2004): Band 19. Wissen
Media Verlag GmbH, Gütersloh/München.
Hantke, L./Görges, H.-J. (2012): Handbuch
Traumakompetenz. Basiswissen für Therapie, Beratung und
Pädagogik. Junfermann Verlag, Paderborn.
Hawton, K./Rodham,K./Evans,E. (2008): Selbstverletzendes
Verhalten und Suizidalität bei Jugendlichen. Risikofaktoren,
Selbsthilfe und Prävention. Verlag Hans Huber, Bern.
Petermann, F./Winkel, S. (2009): Selbstverletzendes
Verhalten. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage.
Hogrefe, Göttingen.
Quellenverzeichnis
Sachsse, U. (2002): Selbstverletzendes Verhalten.
Psychodynamik-Psychotherapie. Das Trauma, die Dissoziation und
ihre Behandlung. 6. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.
Smith, G./Cox, D./Saradjian, J. (2004): Selbstverletzung.
„Damit ich den inneren Schmerz nicht spüre“. 5. Auflage.
Kreuz Verlag, Zürich.
Teuber, K. (2000): „Ich blute, also bin ich“. Selbstverletzung
der Haut von Mädchen und jungen Frauen. 3. Auflage.
Centaurus, Herbolzheim. ( sehr zu empfehlen!!!)
Quellenverzeichnis
Internet:
http://www.examiner.com/images/blog/wysiwyg/image/emo.jpg
http://cdn.maedchen.de/bilder/emo-frisuren-emo-sein-faengt
auf-dem-kopf-an557x313-42932.jpg)
http://www.rotelinien.de/information.html
Weitere Literaturtipps und nützliche
Links
Bausum, J./Besser, L./Kühn, M./Weiß, W. (Hrsg.) (2011):
Traumapädagogik. Grundlagen, Arbeitsfelder und Methoden für die
pädagogische Praxis. 2., ergänzte und korrigierte Auflage. Juventa,
Weinheim und München.
Gahleitner, S./Gunderson, C. (Hg.) (2008): Frauen Trauma
Sucht. Neue Forschungsergebnisse und Praxiserfahrungen. Asanger
Verlag, Kröning.
( sowie der Nachfolger: Gender Trauma Sucht).
Levenkron, S. (2004): Der Schmerz sitzt tiefer. Selbstverletzung
verstehen und überwinden. 2. Auflage. Kösel Verlag. München.
Schmeißer, S. (2000): Selbstverletzung. Symptome, Ursachen,
Behandlung. Waxmann. Berlin.
Weitere Literaturtipps und nützliche
Links
DVD – Dokumentationen: „Lebenszeichen“ und „Diagnose
Borderline“unter www.medienprojekt-wuppertal.de
Spielfilm: „Allein“ von Thomas Durchschlag unter www.sunfilm.de
oder www.amazon.de
www.rotelinien.de
www.rotetraenen.de
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