308 Rechtsprechung GesR 5/2014 Konkurrenzschutzklausel: Illoyale Verwertung der Erfolge gemeinsamer Arbeit? BGB §§ 138 Abs. 1, 139; GG Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 S. 1; HGB § 74 Abs. 2 analog Zum Anspruch auf Unterlassung ärztlicher Konkurrenztätigkeit nach dem Ausschluss eines Arztes aus einer Praxis-GbR. LG Heidelberg, Urt. v. 30.9.2013 – 5 O 104/13 Aus dem Tatbestand: Die Kl. ist eine ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft von Fachärzten für Chirurgie in Form der GbR, deren Gesellschafterin die Bekl. ebenfalls bis 31.3.2013 war. Die Kl. begehrt von der Bekl. Unterlassung bestimmter ärztlicher Konkurrenz. Die Kl. wurde als ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft in Form der GbR von den inzwischen noch verbliebenen Gesellschaftern Dr. L. und Dr. B. am 2.1.2010 gegründet. Im Jahr 2011 wurde eine Aufnahme der Bekl. in die Berufsausübungsgemeinschaft bzw. die Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft unter Einbeziehung der Bekl. in Aussicht genommen (Besprechungsprotokoll vom 21.4.2011). Die Bekl., die zuvor als Klinikärztin tätig war, sollte hierfür einen hälftigen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag (Kassenzulassung bzw. GesR 5/2014 Rechtsprechung Vertragsarztsitz) erlangen und in die Berufsausübungsgemeinschaft einbringen. Zu diesem Zweck wurde die Bekl. – auf Vermittlung der Gesellschafter der Kl. – zunächst für die Zeit vom 1.4.2011 bis 30.9.2011 in eine Gemeinschaftspraxis mit dem Chirurgen M.C. aufgenommen mit dem Recht, bei Verlassen dieser Gemeinschaftspraxis einen hälftigen Vertragsarztsitz mitzunehmen; hierfür hatte die Bekl. aus eigenen Mitteln an Herrn C. 15.000 c zu zahlen. Der von der Bekl. erworbene und dann auch in die Berufsausübungsgemeinschaft eingebrachte Vertragsarztsitz ist beschränkt auf das Gebiet MannheimStadt. Wie vorgesehen wurde zum 1.10.2011 die ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft mit den Gesellschaftern Dr. L., Dr. B. und der Bekl. gegründet, und zwar auf der Basis zunächst eines Gesellschaftsvertrags vom 13.9.2011, sodann jedoch ab 11.10.2011 auf der Grundlage des modifizierten Gesellschaftsvertrags (im Folgenden: GV) vom selben Datum (Anl. K 7). Wegen der Einzelheiten der Vertragsbestimmungen wird auf die Anl. K 7 Bezug genommen, insbesondere auf §§ 4, 12, 14 Abs. 2 und 5, 19 Abs. 18 GV. Nach § 14 Abs. 2 und 5 hatten die Gesellschafter Dr. L. und Dr. B. während einer Probezeit bis 30.9.2013 das Recht, die Bekl. mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres auszuschließen, ohne dass hierfür ein besonderer Kündigungsgrund vorliegen müsste. Nach § 19 Abs. 18 galt für den Fall des Ausscheidens der Bekl. während der Probezeit, dass diese entweder bei Zurücklassen ihres hälftigen Vertragsarztsitzes gegen eine pauschale Abfindung von 15.000 c oder bei Mitnahme ihres hälftigen Vertragsarztsitzes ohne Abfindung ausscheidet. In jedem Fall sollte es ihr untersagt sein, „sich innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren gerechnet von ihrem Ausscheiden an innerhalb eines Radius von fünf Kilometern Luftlinie um den Standort R., ... Mannheim niederzulassen oder sich in einem MVZ oder bei einem anderen Arzt/einer anderen Gemeinschaftspraxis anstellen zu lassen“ (§ 19 Abs. 18.2, 18.3 GV). Wie vorgesehen brachte die Bekl. ihren hälftigen Vertragsarztsitz ein. Weiteres Kapital brachte die Bekl. nicht ein, sie wurde zunächst auch nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligt (§ 4 GV). Die Berufsausübungsgemeinschaft wurde alsbald über den ursprünglichen Standort R. hinaus ausgedehnt auf einen zweiten Standort in der L-Str., jeweils in Mannheim (Genehmigung des Zulassungsausschusses vom 2.11.2011). Im zweiten Halbjahr 2012 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den heute verbliebenen Gesellschaftern und der Bekl., u.a. wegen einer von den heute verbliebenen Gesellschaftern beklagten „finanziellen Schieflage“. Die heute verbliebenen Gesellschafter verlangten im November 2012 eine rückwirkende Deckelung des der Bekl. zustehenden Gewinnanteils auf 6.000 c monatlich. Im Folgenden kam es zu einem Schriftwechsel. Die heute verbliebenen Gesellschafter Dr. L. und Dr. B. beschlossen am 21.12.2012 den Ausschluss der Bekl. aus der ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft zum 1.4.2013. Die Bekl. nahm beim Ausscheiden ihren hälftigen Vertragsarztsitz mit und vertrat jedoch den Standpunkt, dass das vereinbarte Konkurrenzverbot unwirksam sei; außerdem erklärte sie die Anfechtung des Gesellschaftsvertrages wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung, die Klägervertreterin habe bei Entwurf des Gesellschaftsvertrages gegen das berufsrechtliche Verbot der Mehrfachvertretung und das strafrechtliche Verbot des Parteiverrats verstoßen. Die Bekl. beabsichtigte zunächst, ihre ärztliche Tätigkeit in der Tagesklinik G. – die sich ebenso wie die Zweigstelle der Kl. in der L-Str. in Mannheim befindet – aufzunehmen. Die Kl. forderte sie zur Unterlassung auf und intervenierte sodann erfolgreich beim Vermieter. Jedenfalls seit Juni 2013 übt die Bekl. ihre ärztliche Tätigkeit als Fachärztin für Chirurgie in einer eigenen Praxis in der E-Str. in Mannheim aus. Dieser Standort befindet sich in ca. 2 km Entfernung (Luftlinie) vom Standort der Kl. am R. Die Bekl. versandte in diesem Zusammenhang an ehemalige Patienten und andere Personen in streitigem Umfang Postkarten mit Hinweis auf diese neue Praxis. 309 Der Kl. hält das im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot für wirksam und begehrt deshalb von der Bekl. Unterlassung. Das Wettbewerbsverbot sei sachlich gerechtfertigt, obwohl die Bekl. keine Abfindung bei ihrem Ausscheiden erhalten habe. Denn sie habe sich am Vermögen der Kl. nicht beteiligt und auch nicht nachhaltig am Aufbau eines immateriellen Wertes mitgewirkt; hiervon könne erst nach ca. drei Jahren Praxistätigkeit ausgegangen werden. Mit Ausnahme von etwa zehn Patienten, die die Kl. von der Gemeinschaftspraxis mit Herrn C. mitgebracht habe, seien sämtliche von der Bekl. bei der Kl. behandelten Patienten aufgrund des bereits langjährig bestehenden ausgezeichneten Rufes der Kl. und ihrer heute noch verbliebenen Gesellschafter gekommen. Die Bekl. könne ihre ärztliche Tätigkeit auch unter dem Konkurrenzverbot fortführen, etwa in den außerhalb der Zone liegenden Stadtteilen von Mannheim. ... Aus den Gründen: Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Kl. nach § 78 ZPO ordnungsgemäß durch eine Rechtsanwältin als Prozessbevollmächtigte vertreten. Insoweit bedarf es keiner Klärung und Entscheidung der Frage, ob der Vorwurf der Bekl., es liege eine Vertretung widerstreitender Interessen vor, zutrifft. Denn ein etwaiger Verstoß des Rechtsanwalts gegen § 43a Abs. 4 Bundesrechtsanwaltsordnung berührt ohnehin nicht die Wirksamkeit der ihm erteilten Prozessvollmacht und der von ihm namens der Partei vorgenommenen Prozesshandlungen (BGH, Urt. v. 14.5.2009 – IX ZR 60/08, NJW-RR 2010, 67). Die Klage ist jedoch unbegründet. 1) Zu Klageantrag Ziff. 1: Die Kl. stützt ihre Unterlassungsklage auf § 19 Abs. 18.3 des Gesellschaftsvertrages. Zweifelsfrei verstößt die Bekl. auch gegen die dort niedergelegte Unterlassungsverpflichtung, indem sie in einer Entfernung von 2 km (Luftlinie) vom Standort R. eine Praxis als niedergelassene Fachärztin für Chirurgie betreibt. Allerdings gilt dies nur für die Zeit bis 31.3.2015, weshalb der zeitlich unbeschränkte Klageantrag zu weit gefasst ist. Hierauf kommt es jedoch nicht an, da die im Gesellschaftsvertrag niedergelegte Unterlassungsverpflichtung ohnehin gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Denn sie schränkt die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Bekl. in unverhältnismäßiger Weise ein. a) Dass nachvertragliche Wettbewerbsverbote nach den genannten Vorschriften unwirksam sind, wenn sie das räumlich, zeitlich und gegenständlich notwendige Maß überschreiten, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. nur BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584; BGH, Urt. v. 29.1.1996 – II ZR 286/ 94, NJW-RR 1996, 741). „Ihre Rechtfertigung finden sie allein darin, die Partner des ausgeschiedenen Gesellschafters vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit oder vor einem Missbrauch der Ausübung der Berufsfreiheit zu schützen. Dagegen darf ein solches Wettbewerbsverbot rechtlich nicht dazu eingesetzt werden, den ehemaligen Partner als potentiellen Wettbewerber auszuschalten“ (BGH, Urt. v. 28.6.2000 – 11 C 13/99, NJW 2000, 3584). Die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des ausscheidenden Gesellschafters ist mit dem ebenfalls grundrechtlich nach Art. 12 Abs. 1 GG und möglicherweise auch nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (vgl. BGH, Urt. v. 22.7.2002 – II ZR 265/00, NJW 2002, 3538) geschützten Interesse der verbleibenden Gesellschafter an Erhalt und Weiterfüh- 310 Rechtsprechung rung der Gemeinschaftspraxis durch Herstellung praktischer Konkordanz zum Ausgleich zu bringen (BGH, Urt. v. 22.7.2002 – II ZR 265/00, NJW 2002, 3538). b) Die somit gebotene Abwägung führt nach Überzeugung des Gerichts zu dem Ergebnis, dass die Beschränkung der ärztlichen Berufsausübungsfreiheit der Bekl. nicht durch schutzwürdige Interessen der Kl. bzw. ihrer Gesellschafter gerechtfertigt werden kann und deshalb übermäßig ist. Dies beruht auf folgenden Erwägungen: Ausgangspunkt der Überlegungen muss die Frage nach einer möglicherweise illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit sein. Im vorliegenden Fall einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis besteht der immaterielle Wert, der „Goodwill“, in erster Linie aus Patientenbindungen und Verbindungen zu den sog. ärztlichen „Zuweisern“, also zu Haus- oder Fachärzten, die Patienten an die Gemeinschaftspraxis überweisen. Diese Bindungen wiederum beruhen auf dem ärztlichen Ruf der Praxis, beruhen also auf positiven Erfahrungen von Patienten und Zuweisern mit der ärztlichen Behandlung in der Gemeinschaftspraxis einschließlich des Service und der Betreuung durch Ärzte und Personal. Wenn die Bekl. in räumlicher Nähe der Gemeinschaftspraxis erneut fachärztliche chirurgische Leistungen anbietet, besteht die Möglichkeit, dass sowohl Patienten als auch ärztliche Zuweiser, die bisher an die Gemeinschaftspraxis gebunden waren, nunmehr der Bekl. als ehemaligem Mitglied dieser Gemeinschaftspraxis folgen. Da ärztliche Behandlung regelmäßig in Wohnortnähe wahrgenommen wird, ist diese Gefahr umso größer, je geringer der räumliche Abstand der neuen ärztlichen Tätigkeit der Bekl. zum Standort der Kl. ist. Mit zunehmendem zeitlichem Abstand sinkt dann jedoch wieder die Gefahr, dass Patienten oder ärztliche Zuweiser eine gedankliche Verbindung zwischen der Bekl. und der Kl. herstellen. Dem Anliegen der Kl., ihren „Goodwill“ vor Ausnutzung durch die Bekl. zu schützen; wird somit grundsätzlich durch das räumlich und zeitlich begrenzte Wettbewerbsverbot des GV Rechnung getragen. Entscheidend ist sodann jedoch, ob ein solcher Schutz der Kl. gegen Ausnutzung ihres „Goodwill“ gerechtfertigt ist. Dies würde nach der dargestellten Rechtsprechung voraussetzen, dass eine solche Ausnutzung seitens der Bekl. als illoyal anzusehen wäre. Der BGH (Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584) hat entschieden, dass eine illoyale Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit vorliegen würde, wenn ein ausscheidender Gesellschafter eine Abfindung erhält, welche auch den Wert des „Goodwill“ umfasst, und sodann durch Konkurrenztätigkeit in zeitlicher, räumlicher und gegenständlicher Nähe zur Gesellschaft, insbesondere durch „Mitnahme“ von Geschäftsbeziehungen, dennoch am gemeinsam aufgebauten „Goodwill“ partizipiert. In diesem Fall ist ein auf das notwendige Maß beschränktes nachvertragliches Wettbewerbsverbot gerechtfertigt. Dem ausscheidenden Gesellschafter muss nicht gestattet werden, sich zugleich für das Zurücklassen der immateriellen Werte entschädigen zu lassen und diese dennoch auszunutzen. Diese Konstellation ist vorliegend jedoch nicht einschlägig. Denn die Bekl. hat dafür, dass die immateriellen Werte, der sog. „Goodwill“, bei der Kl. verbleibt, keine Abfindung erhalten. Sie hat zwar den hälftigen Vertragsarztsitz beim Ausscheiden mitgenommen, dieser war jedoch von ihr eingebracht. Sie hat mithin beim Ausscheiden aus der Gesellschaft GesR 5/2014 nichts mitgenommen oder erhalten, was nicht auch ursprünglich von ihr eingebracht wurde. Die Kl. verkennt dies nicht und argumentiert dahin gehend, dass der immaterielle Wert der Kl. nicht oder jedenfalls nicht nennenswert auf der Leistung und Tätigkeit der Bekl. beruhe und es deshalb auch ohne Zahlung einer Abfindung illoyal wäre, wenn die Bekl. nach Ausscheiden an diesem immateriellen Wert partizipieren könne, insbesondere durch „Mitnahme“ von Patienten. Insoweit hält das Gericht indessen die Argumentation der Kl. für widersprüchlich. Die Kl. befürchtet, dass Patienten zur Bekl. abwandern könnten, meint aber andererseits, dass die Bekl. keinen Anteil am immateriellen Wert der Praxis habe, weil praktisch sämtliche von ihr behandelten Patienten ausschließlich wegen des ausgezeichneten Rufs der bereits zuvor bestehenden Gemeinschaftspraxis Dr. L./Dr. B. gekommen seien. Die Befürchtung eines „Abwanderns“ von Patienten kann nach Ansicht des Gerichts jedoch nur dann begründet sein, wenn eine Patientenbindung zur Bekl. entstanden ist, weil Patienten mit deren Behandlung zufrieden waren, oder wenn entsprechende Zufriedenheit bei ärztlichen Zuweisern eingetreten ist. Ist dies jedoch der Fall, so hat die Bekl. durch ihre Tätigkeit auch einen gewissen Anteil an Bestand und Fortentwicklung dieser Bindungen geleistet, der nunmehr bestehende „Goodwill“ beruht zu einem gewissen Anteil auch auf ihrer Tätigkeit. Wenn sie diesen zurücklassen müsste, ohne hierfür entschädigt zu werden, würde sie illoyal benachteiligt. Entweder es ist zutreffend, dass die Bekl. keinen oder nur in vernachlässigbarem Umfang Anteil am „Goodwill“ der Kl. hat; dann ist aber auch eine Ausnutzung desselben durch die Bekl. nicht zu befürchten. Oder es bestehen doch schon nennenswerte Bindungen von Patienten und ärztlichen Zuweisern an die Bekl., welche sie ausnutzen und „mitnehmen“ kann; dann hat sie aber auch hierdurch zumindest in gewissem Umfang Anteil am immateriellen Wert der Kl. und es wäre nicht zu rechtfertigen, dass sie diesen entschädigungslos zurücklassen müsste. Bei der Abwägung kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass gerade während der Probezeit der Bekl. ihr jederzeitiger Ausschluss aus der Berufsausübungsgemeinschaft ohne Vorliegen von Gründen möglich war (§ 14 Abs. 2 und 5 GV). In Verbindung mit dem in § 19 Abs. 18 GV niedergelegten Konkurrenzverbot folgte hieraus für die Bekl. als neu eintretende Gesellschafterin die Gefahr, schon nach kürzester Zeit einer bezahlten Tätigkeit von weiterer ärztlicher Berufsausübung in einem großen Teil des Stadtgebiets von Mannheim entschädigungslos vorläufig ausgeschlossen zu werden, obwohl sie gerade erst durch nicht unerhebliche Eigenmittel einen Vertragsarztsitz für den Zulassungsbezirk MannheimStadt erworben hatte. Letztendlich vom Gutdünken der übrigen Gesellschafter war deshalb nicht nur – was selbstverständlich für eine Probezeit unbedenklich ist – ihr Verbleiben in der Gemeinschaftspraxis, sondern darüber hinaus überhaupt ihre weitere ärztliche Tätigkeit in einem großen Teil des Stadtgebiets von Mannheim abhängig. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Verbot zeitlich auf zwei Jahre beschränkt ist. Denn diese Zeitspanne kann offenkundig nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise „überbrückt“ werden; vielmehr muss die ärztliche Tätigkeit dann auf einen Standort außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Wettbewerbsverbots verlagert werden, und diese Verlagerung wird aus wirtschaftlichen Gründen in der Regel auch dauerhaft sein. Der durch das Wettbewerbsverbot be- GesR 5/2014 Rechtsprechung zweckte Ausschluss der ärztlichen Tätigkeit für einen großen Teil des Stadtgebiets von Mannheim, namentlich die Kernstadt, ist auch keineswegs in räumlicher Hinsicht für die Bekl. unerheblich, weil sie ggf. andernorts oder in Außenbezirken tätig werden könnte. Selbstverständlich ist es Teil ihrer grundrechtlich geschützten Berufsausübungsfreiheit, gerade auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten den Standort ihrer ärztlichen Tätigkeit zu wählen und hierbei die besonderen Chancen einer Innenstadtlage in der Großstadt Mannheim zu nutzen. Diese schwerwiegenden Folgen für die Bekl. werden hier auch nicht durch eine Karenzentschädigung analog § 74 Abs. 2 HGB ausgeglichen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird mit guten Gründen vertreten, dass § 74 Abs. 2 HGB auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die in einem Gesellschaftsvertrag über eine ärztliche Gemeinschaftspraxis enthalten sind, analog anzuwenden ist (OLG Stuttgart, Urt. v. 13.3.1998 – 2 U 21/ 98, OLGR 1998, 275). Es kann offen bleiben, ob dem in voller Konsequenz – auch hinsichtlich der durch § 74 Abs. 2 HGB vorgegebenen Höhe der Entschädigung – zu folgen ist. Jedenfalls gilt aber, dass die Folgen des Wettbewerbsverbotes für die Berufsausübung der Bekl. besonders schwer wiegen, weil sie durch keinerlei Entschädigung abgemildert werden. Insgesamt ist das Wettbewerbsverbot somit nicht gerechtfertigt, weil der Bekl. eine schwer wiegende Einschränkung ihrer ärztlichen Berufsausübung auferlegt wird, obwohl sie gerade nach der Argumentation der Kl. allenfalls in geringfügiger Weise noch nachvertraglich am „Goodwill“ und damit am immateriellen Wert der Kl. partizipieren kann, bzw., soweit Bindungen von Patienten und ärztlichen Zuweisern an die Bekl. doch erwachsen sein sollten, sie diesen auch auf ihrer Tätigkeit beruhenden Anteil am „Goodwill“ entschädigungslos zurücklassen müsste. 2) Zu Klageantrag Ziff. 2: Der Kl. steht kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der im Klageantrag Ziff. 2 genannten Handlungen zu: a) Eine Anspruchsgrundlage aus dem Gesellschaftsvertrag über die Berufsausübungsgemeinschaft ist nicht erkennbar. Insbesondere kann der Anspruch nicht als Annex aus dem Wettbewerbsverbot hergeleitet werden, da dieses, wie dargestellt, nicht wirksam ist. Aufgrund der Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots ist auch die einschränkende Regelung über die Benachrichtigung von Patienten in § 19 Abs. 18.3 S. 3 GV unwirksam; die dortigen Regelungen in den Sätzen 2 und 3 stehen in wechselseitigem Zusammenhang und können nicht isoliert bestehen bleiben (vgl. § 139 BGB). b) Grundsätzlich kommt als Anspruchsgrundlage §§ 8 Abs. 1 und 3, 3 UWG in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitbewerber die Unterlassung unlauterer geschäftlicher Handlungen verlangen. Die Vorschrift erstreckt sich auch auf geschäftliche Handlungen von freiberuflich tätigen Personen, insbesondere auch von Ärzten (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 2 Rz. 29). Ein solcher Anspruch der Kl. besteht aber deshalb nicht, weil die Bekl. keine unlautere geschäftliche Handlung vorgenommen hat und eine solche auch nicht droht. i) Unstreitig hat die Bekl. zum Zweck der Bekanntmachung und Bewerbung ihrer neu eröffneten Praxis die in Anlage K 23 abgebildeten Postkarten zumindest an Pati- 311 enten verschickt, welche sie zuvor in der Gemeinschaftspraxis behandelt hatte. Dieses Vorgehen kann jedoch nicht als unlauter i.S.d. § 3 UWG angesehen werden. Dass die Bekl. durch ihre Handlung gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen hätte, was nach umstrittener Ansicht zur Einordnung als unlautere geschäftliche Handlungen nach § 4 Nr. 11 UWG führen würde (OLG Köln, Urt. v. 19.11.2010 – 6 U 73/10, CR 2011, 680; a.A. OLG München, Urt. v. 12.1.2012 – 29 U 3926/ 11, GRUR-RR 2012, 395), ist nicht vorgetragen und behauptet. Die Bekl. hat auch nicht gegen § 17 UWG verstoßen. Zwar sind Kundenlisten, auch selbstgefertigte, als Geschäftsgeheimnis in diesem Sinne zu werten (BGH, Urt. v. 27.4.2006 – I ZR 126/03, NJW 2006, 3424). Die Bekl. war jedoch nicht eine bei der Kl. „beschäftigte Person“; die Vorschrift erfasst nicht Tätigkeiten von Mitgesellschaftern (Köhler/Bornkamm, § 17 Rz. 14). Das Handeln der Bekl. kann auch nicht in Analogie zu § 17 UWG bzw. nach dessen Rechtsgedanken als unlauter gewertet werden. Die Bekl. war als Gesellschafterin Teil der Berufsausübungsgemeinschaft und hat somit in Form der Patientendaten nicht fremde, sondern „auch-eigene“ Geschäftsgeheimnisse an sich genommen und später verwendet. Zwar war dies entgegen der Ansicht der Beklagtenvertreterin nicht nach § 17 Abs. 3 GV ausdrücklich erlaubt, denn § 17 GV regelt ausdrücklich die Folge der Beendigung der Gesellschaft, während vorliegend die Bekl. durch Ausschluss ausgeschieden ist, die Gesellschaft jedoch fortbesteht. Andererseits gilt aber auch, dass der Gesellschaftsvertrag die Nutzung von Patientendaten durch einen ausscheidenden Gesellschafter weder regelt noch gar ausdrücklich verbietet. Ohne besondere gesellschaftsvertragliche Regelung kann es nicht als unlauter angesehen werden, dass die Bekl. solche Patienten in sachlicher Weise über die Neueröffnung ihrer Arztpraxis informiert hat, welche auch von ihr selbst bei der Kl. behandelt wurden. Denn in diesem Fall handelte es sich um gemeinsame Patienten und damit – auch – um Patienten der Bekl. als Mitgesellschafterin der Berufsausübungsgemeinschaft. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass nach Ausscheiden der Bekl. die Kl. mit den verbliebenen Gesellschaftern ein besseres Recht hinsichtlich dieser Patienten hätte als die Bekl. als ausscheidende Gesellschafterin. Insoweit gilt erneut eine bereits oben angestellte Erwägung. Die Versendung der Postkarten ist der Versuch, etwa vorhandenen „Goodwill“ in Form von Patientenbindungen zu realisieren. Grundlage ist die Annahme oder Hoffnung der Bekl., dass Patienten aufgrund zufriedenstellender Erfahrungen mit ihrer Behandlung sich auch künftig von der Bekl. behandeln lassen und auf diese Weise zu ihr „abwandern“. Da die Bekl. nicht dafür entschädigt wurde, dass sie auch auf ihrer Tätigkeit beruhende Patientenbindungen zurücklässt, kann ihr auch nicht untersagt werden, an diesen weiter zu partizipieren. ii) Soweit der Unterlassungsantrag darüber hinausgehende Handlungen umfasst, fehlt es mangels einer Wiederholungs- oder Begehungsgefahr i.S.d. § 8 Abs. 1 UWG an einem Unterlassungsanspruch. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob insoweit auch unerlaubte geschäftliche Handlungen umfasst wären. 312 Rechtsprechung Insbesondere ist von Klägerseite weder substantiiert dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass die Bekl. auch Patientendaten von solchen Patienten, die nicht von ihr behandelt wurden, verwendet hat oder verwenden will. Namentlich gilt dies für Patientendaten aus der Zeit nach Ausscheiden der Bekl. Ebenso wenig ist dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Bekl. außer den unstreitig versandten Postkarten andere Werbemittel, insbesondere Praxisflyer, unter Verwendung derartiger Daten versandt hat. GesR 5/2014