Belimumab bei einer 16-jährigen Patientin mit juvenilem

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Kinderrheumatologie
Kasuistik
Belimumab bei einer 16-jährigen Patientin mit
juvenilem systemischem Lupus erythematodes
D. Barthel; G. Horneff
Asklepios Klinik Sankt Augustin, Zentrum für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie, St. Augustin
Der systemische Lupus erythematodes
(SLE) manifestiert sich als multisystemische Erkrankung zu 20 % vor dem 20. Lebensjahr mit einem mittleren Erkrankungsalter von 13,1 Jahren und einem Verhältnis von Mädchen zu Jungen von 4,7 : 1
(5). Die häufigsten Manifestationen bei
Kindern beinhalten neben allgemeinen
Symptomen (Fatigue, Fieber, Gewichtsverlust) spezifische Organsysteme mit Arthritis (67 %), Schmetterlingserythem (66 %),
Nephritis (55 %) und zentralnervöse Symptome (27 %) (5). Laborchemisch zeigen sich
bei juvenilem SLE häufig Anti-Doppelstrang-DNS-Antikörper (84 %), Thrombopenien (31 %), Lymphopenien (36 %) und
hämolytische Anämien (25 %) (5, 8). Der
juvenile SLE zeigt im Vergleich zum adulten SLE zudem häufiger schwere Verläufe
und häufiger eine Lupusenzephalitis oder
eine Lupusnephritis (6).
Die Indikation zur Therapie wird in Abhängigkeit von Krankheitsaktivität und Organbefall gestellt. Zur Verfügung stehen
neben nichtsteroidalen Antirheumatika
(NSAR) Antimalariamittel, Glukokortikoide und Immunsuppressiva. Azathioprin
wird bei mäßigen bis schweren SLE-Formen erfolgreich eingesetzt. Die Indikation
zur Therapie mit Cylophosphamid erfolgt
unter Berücksichtigung der Toxizität insbesondere bei schwerer Vaskulitis, Enzephalitis oder Glomerulonephritis (4).
Belimumab ist ein gegen den B-Lymphozyten-Stimulator (BLyS) gerichteter monoklonaler Antikörper. Die Bindung von löslichem BLyS, einem B-Zell-Überlebensfaktor,
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Gerd Horneff
Asklepios Klinik Sankt Augustin
53757 Sankt Augustin
Tel.: 0 22 41/249 201, Fax: 0 22 41/249 203
E-Mail: [email protected]
arthritis + rheuma 2015; 35: 56–58
an seine Rezeptoren auf B-Zellen wird inhibiert. Belimumab bindet dabei B-Zellen
nicht direkt, sondern inhibiert durch Bindung von BLyS das Überleben von B-Zellen, einschließlich autoreaktiver B-Zellen,
und reduziert die Differenzierung von
B-Zellen in Immunglobulin-produzierende
Plasmazellen. Nach intravenöser Applikation von Belimumab wurde in zwei Phase3-Studien bei erwachsenen Patienten mit
aktivem SLE, die gegenüber einer Standardtherapie einschließlich Steroiden, Antimalariamittel, und Immunsuppressiva refraktär
waren, eine überlegene Wirksamkeit im
Vergleich zu Placebo nachgewiesen (10, 11).
Seit Juli 2011 ist in Europa Belimumab zur
additiven Therapie des therapierefraktären
adulten SLE zugelassen.
Fallbericht
Berichtet wird über 18-Monate-Therapieerfahrung mit Belimumab bei einer 16-jährigen Patientin, geboren in Aserbaidschan,
mit SLE-Diagnose, die im Alter von zehn
Jahren gestellt worden ist. Im Alter von
acht Jahren war aufgrund einer Hepatound Splenomegalie außerdem eine konnatale Pfortaderthrombose mit Ösophagusvarizen und einer Thrombophilie mit erhöhtem Lipoprotein A und Faktor VIIIc
diagnostiziert worden. Die Patientin wird
bei portaler Hypertension seither mit Propranolol behandelt. Der SLE manifestierte
sich mit Fatigue, Fieber, Morgensteifigkeit,
autoimmunhämolytischer Anämie, Lympho- und Thrombopenie sowie isolierter
Erythrozyturie. Die kardiologische, pulmonale, neurologische und ophthalmologische Untersuchung war jeweils unauffällig.
Laborchemisch wurden Antikörper gegen
Doppelstrang-DNS (68 U/ml), Cardiolipin-IgG (12 U/ml) und -IgM (37 U/ml)
sowie verminderte Spiegel von C3
(0,73 g/l) und C4 (0,06 g/l) nachgewiesen.
Die initiale Therapie bestand aus systemischem Prednisolon, Azathioprin und Hydroxychloroquin. Die Prednisolondosis
wurde im Verlauf der ersten sechs Monate
bei geringer Krankheitsaktivität von 20 auf
5 mg pro Tag reduziert. Nachdem die
Krankheit über 32 Monate unter der Dauertherapie mit Steigerung der Azathioprindosis auf täglich 150 mg milde verlief, zeigte sich im 32. Monat ein klinischer Schub
mit Malaise und Gonarthrits, der unter
dreiwöchiger Erhöhung der Prednisolondosis auf 30 mg am Tag kontrolliert wurde.
Im Verlauf wurden bei allgemeinem
Krankheitsgefühl und erhöhter serologischer Krankheitsaktivität mit ansteigenden
Anti-DNS-Antikörpertitern und abfallenden Komplementspiegeln (C3 und C4)
mehrfach eine dreiwöchige mittelhoch dosierte orale Prednisolontherapie durchgeführt. Ein neuer majorer Organbefall trat
nicht auf. Nach einem erneuten klinischen
Schub mit Gonarthritis 66 Monate nach
Diagnosestellung wurde die Therapie bei
der 15,9-jährigen Patientin durch Belimumab ergänzt.
Es erfolgten bislang 18 monatliche Infusionen mit Belimumab (10 mg/kg), die gut
vertragen wurden. Einzige Nebenwirkung
bislang war ein Herpes labialis. Es zeigte
sich eine klinische Stabilisierung, Krankheitsschübe sind nicht mehr aufgetreten.
Labormedizinisch zeigte sich eine Stabilisierung mit Anstieg des Hämoglobinspiegels, einem Abfall der BSG und der Anti-dsDNS-Antikörper (▶ Abb. 1, ▶ Tab. 1).
Es besteht weiterhin eine milde hämolytische Anämie. Eine pulsatile Steroidtherapie war nicht mehr erforderlich. Unter
Belimumab war der jährliche Prednisolonverbrauch mit 1825 mg deutlich geringer
(–36,5 %) als im Jahr vor der Therapieumstellung (2875 mg). Die kardiologischen, neurologischen, pulmonalen und
ophthalmalogischen Befunde waren stets
unauffällig.
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Kinderrheumatologie
Abb. 1
Anti-dsDNS- Antikörper im Verlauf vor und
unter Belimumab-Therapie im zeitlichen Verlauf; dsDNS-AK = Doppelstrang-DNS-Antikörper
D. Barthel; G. Horneff: Belimumab bei einer 16-jährigen Patientin mit juvenilem SLE
Anti-DNS-Ak (U/L)
57
250
Zusammenfassung
200
Einleitung: Der monoklonale Antikörper
Belimumab ist gegen den B-LymphozytenStimulator (BLyS) gerichtet und zur Therapie
des adulten systemischen Lupus erythematodes (SLE) zugelassen. Erfahrungen bei juvenilem SLE stehen nicht zur Verfügung.
Fallbericht: Berichtet wird über die Therapie mit Belimumab bei einer 16-Jährigen
mit juvenilem SLE. Die Patientin erkrankte
im Alter von zehn Jahren mit Fieber, Malaise, autoimunhämolytischer Anämie, Splenomegalie und Arthritis. Sie erhielt zunächst
Hydroxychloroquin, Prednisolon und Azathioprin. Aufgrund der erhöhten Schubfrequenz ohne majore Organbeteiligung waren wiederholt orale Prednisolontherapien
erforderlich. Bei klinisch und labormedizinisch erhöhter Krankheitsaktivität wurde
die Therapie um Belimumab, 10 mg/kg alle
vier Wochen, erweitert. Die Therapieeffektivität zeigte sich durch das Ausbleiben weiterer Krankheitsschübe, einen deutlich verringerten Prednisolonverbrauch, abfallende
Doppelstrang-Antikörpertiter und ansteigende Komplementspiegel. Die BelimumabInfusionen wurden bislang über 18 Monate
gut vertragen. Ein Herpes labialis wurde als
einziges unerwünschtes Ereignis berichtet.
Diskussion: In klinischen Studien erwies
sich Belimumab bei adulten SLE-Patienten
als wirksam und gut verträglich. Möglicherweise stellt Belimumab bei pädiatrischen
SLE-Patienten eine wirksame und sichere
Alternative zu den bislang angewandten
Immunsuppressiva dar, deren Gebrauch
häufig durch deren Toxizität limitiert ist.
150
100
50
0
-4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Zeit (Monate vor/ nach Therapiestart mit Belimumab)
Diskussion
Tab. 1 Labormedizinische Aktivitätsparameter
unter Belimumab
Die Behandlungsmöglichkeiten bei therapierefraktärem juvenilem SLE sind deutlich
eingeschränkt. Für nicht zugelassene Alternativen wie Mycophenolat-Mofetil fehlt
bislang ein Wirksamkeitsnachweis in Doppelblindstudien (1). Auch der monoklonale
anti-CD20-Antikörper Rituximab konnte
in zwei Doppelblindstudien bei adulten
SLE-Patienten ohne (n = 257) und mit Lupusnephritis (n = 144) keine überlegene
Wirksamkeit gegenüber der Placebogruppe
aufzeigen (7, 9).
Da unsere Patientin bislang keine majore Organmanifestation aufwies, fiel daher
der Entschluss zur additiven Gabe von
Belimumab. Bislang liegen Berichte über
die Erfahrung mit Belimumab lediglich für
Patienten mit adultem SLE vor. In einer
doppelblind randomisierten placebokontrollierten Studie mit 449 Patienten war Belimumab als additive Therapie bei serologisch aktivem therapierefraktärem SLE signifikant wirksamer als Placebo (2, 11). Es
zeigte sich zudem ein Abfall der
CD20+-B-Zellen sowie der ds-DNS-Antikörperspiegel (p < 0,0017). Primäres Zielkriterium der Studien war die Verzögerung
des Auftretens von Krankheitsschüben. Die
Zeit bis zum Auftreten des ersten Schubes
war nach einem halben Jahr Therapie in
der Belimumab-Gruppe signifikant länger
(154 Tage vs. 108 Tage in der Placebogruppe, p < 0,0361). Es zeigte sich zudem eine
Reduktion des Steroidverbrauchs um 25 %
in zwei und 55 % in sieben Jahren (3). Die
Verträglichkeit war über sieben Jahre gut,
am häufigsten traten milde Infektionen
auf. Ein Wirksamkeitsnachweis bei SLE-
Start
Hb (g/dl)
Lymphozyten
9,2
(*106/l)
BSG (mm/h)
anti-DNS-AK (u/l)
Aktuell
10,6
400
330
60
22
145
79
C3 (g/l)
0,44
0,46
C4 (g/l)
0,05
0,07
Hb = Hämoglobin, BSG = Blutsenkung
Patienten mit renalen oder zerebralen
Komplikationen erfolgte bislang nicht.
Diese positiven Ergebnisse aus Studien
an erwachsenen Patienten haben einen
Einsatz von Belimumab auch bei einer jugendlichen Patientin gerechtfertigt. Die Erfahrungen mit der Therapie über nun
mehr 18 Monate sind positiv im Sinne der
Verhinderung von Krankheitsschüben, Stabilisierung der Biomarker zur Krankheitsaktivität und der Reduktion des Kortikosteroidverbrauches bei insgesamt guter
Verträglichkeit.
Offenbar stellt Belimumab auch bei pädiatrischem SLE eine wirksame und sichere Alternative zu den bislang angewandten
Immunsuppressiva dar, deren Gebrauch
häufig durch deren Toxizität limitiert ist.
Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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