Ressourceneffizienz

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Tobias Engelmann, Thomas Merten, Holger Rohn
Ressourceneffizienz
Arbeitspapier im Arbeitspaket 1.2 des
Verbundprojekts Strategische Allianz
„Demografiemanagement, Innovationsfähigkeit und
Ressourceneffizienz am Beispiel der Region
Augsburg (ADMIRe A³)“
31. August 2012
Faktor 10 – Institut für nachhaltiges Wirtschaften gemeinnützige GmbH
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Inhalt
1 Einleitung ........................................................................................................................... 5 2 Aufbereitung der theoretischen Forschungsgrundlagen zum Konzept der
Ressourceneffizienz ................................................................................................................ 6 2.1 Zum Ressourcenbegriff ............................................................................................... 6 2.2 Zum Begriff der Ressourceneffizienz .......................................................................... 9 2.3 Abgrenzungen zu anderen Begriffen......................................................................... 10 2.4 Entwicklung des Diskurses um Ressourceneffizienz ................................................ 12 2.5 Ressourceneffizienz im aktuellen gesellschaftlichen Kontext ................................... 15 2.6 Ressourceneffizienz und nachhaltiges Wirtschaften ................................................. 21 2.6.1 Zur Bedeutung von Ressourceneffizienz für die Wirtschaft ................................ 21 2.6.2 Ressourceneffizienz in Unternehmen ................................................................. 23 2.6.2.1 Anwendungsfelder von Ressourceneffizienz in Unternehmen..................... 23 2.6.2.2 Ressourceneffizienz in KMU ........................................................................ 25 3 Nahtstellen ....................................................................................................................... 26 3.1 Ressourceneffizienz und Innovation ......................................................................... 26 3.1.1 Fördernde und hemmende Bedingungen für Innovationen im Bereich
Ressourceneffizienz ....................................................................................................... 31 3.1.1.1 Finanzielle Förderung seitens der Politik ..................................................... 32 3.1.1.2 Betriebswirtschaftliche Motivation ................................................................ 34 3.1.1.3 Zertifizierung, Normung und Standardisierung ............................................ 35 3.1.1.4 Stakeholderanforderungen und Netzwerke.................................................. 36 3.1.1.5 Soziale Interaktion: Unternehmenskultur, Beteiligung und Führung ............ 36 3.1.1.6 Individuelle Widerstände: Veränderung, organisationales Lernen und
Kompetenz .................................................................................................................. 37 3.1.1.7 Arbeitgeber- und Arbeitnehmersicht ............................................................ 38 3.1.2 Fördernde und hemmende Faktoren für Ressourceneffizienzinnovationen am
Beispiel des Innovationsfeldes „Nutzen statt besitzen“ .................................................. 39 3.1.3 Praxisbeispiele für Ressourceneffizienzinnovationen......................................... 41 3.1.3.1 Eigentum ersetzende Dienstleistungen........................................................ 41 3.1.3.2 Weitere Praxisbeispiele für Ressourceneffizienzinnovationen..................... 44 3.2 Ressourceneffizienz im Kontext weiterer nachhaltigkeitsrelevanter Themen ........... 46 4 Zusammenfassung und Ausblick ..................................................................................... 47 ADMIRe_AP1.2_Ressourceneffizienz_f10.docx
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Abbildungen
Abbildung 1: Schematischer Lebenszyklus eines Produkts (Quelle: Geibler 2010) ................ 8 Abbildung 2: Produktlebenszyklus eines Mobiltelefons (Quelle. Bienge et al. 2010) .............. 8 Abbildung 3: Darstellung eines Wertschöpfungskette im industriellen Bereich (Quelle:
Ritthoff/Rohn/Liedtke 2002, S. 22) ........................................................................................... 9 Abbildung 4: Historische Entwicklung Ressourceneffizienz. Quelle: Dreuw/Bliesner/Rohn
2011, S. 12). .......................................................................................................................... 12 Abbildung 5: Potenziale für Materialeffizienz. Quelle: Statistisches Bundesamt 2008, demea
2010, Layout VisLab Wuppertal Institut ................................................................................. 22 Abbildung 6: Fördernde und hemmende Bedingungen für Innovationen im Bereich
Ressourceneffizienz, Quelle: Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 27). ........................................ 31 Tabellen
Tabelle 1: Anwendungsfelder für Ressourceneffizienz im Unternehmen. Quelle:
Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 20; in Anlehnung an EFA/WI 2001, S. 34. ............................ 25 Tabelle 2: Fördernde und hemmende Faktoren für die Idee des „Nutzen statt besitzen“.
Quelle: Scholl et al. 2010, S. 18 f.) ........................................................................................ 40 Tabelle 3: Beispiele aus dem Bereich „Nutzen statt besitzen“, Quelle: Eigene Darstellung auf
Grundlage der Tabelle in Scholl et al. 2010, S. 38 ff.) ........................................................... 44 ADMIRe_AP1.2_Ressourceneffizienz_f10.docx
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1 Einleitung
Das vorliegende Arbeitspapier mit dem Schwerpunkt „Ressourceneffizienz“ ist eines von
zwei Papieren, die vom Faktor 10 – Institut für nachhaltiges Wirtschaften gemeinnützige
GmbH im Arbeitspaket 1.2 im Rahmen des BMBF-Projekts „Strategische Allianz
„Demografiemanagement, Innovationsfähigkeit und Ressourceneffizienz am Beispiel der
Region Augsburg (ADMIRe A³)“ erstellt werden. Das zweite Arbeitspapier hat den Fokus auf
dem Thema „Strategische Allianzen“. Da im Laufe des Projekts eine solche strategische
Allianz geschaffen werden soll und die verschiedenen fokussierten inhaltlichen Aspekte
demografischer Wandel, Innovationsfähigkeit und Ressourceneffizienz mit Hilfe dieser
Allianz umgesetzt werden sollen, ist das Papier zu strategischen Allianzen dasjenige, in dem
Schnittstellen und Querverbindungen zu Demografie, Innovationsfähigkeit und
Ressourceneffizienz eingehender behandelt werden. Das vorliegende RessourceneffizienzPapier hingegen deutet – auch um Redundanzen zu vermeiden – Nahtstellen zu
Demografiemanagement und strategischen Allianzen nur an und fokussiert auf sein
eigentliches Thema. Lediglich der Verknüpfung von Ressourceneffizienz und Innovation wird
ein breiterer Raum eingeräumt, da diese beiden Begriffe in einem unmittelbaren logischen
Zusammenhang zueinander stehen: Ohne Innovationen ist das Konzept der
Ressourceneffizienz nicht umsetzbar. So ist trotz des eher grundsätzlichen Charakters
dieses thematischen Papiers der Projektkontext – das regionale Innovationssystem, in dem
Ressourceneffizienzinnovationen umgesetzt werden sollen – präsent. Dies bedeutet jedoch
nicht, dass das Thema Ressourceneffizienz ausschließlich im Zusammenhang mit den im
Projekt umzusetzenden Aufgaben und auch den Beschränkungen, die sich aus dem
Projektkontext für die Realisierung von Ressourceneffizienzinnovationen ergeben mögen,
diskutiert wird – vielmehr soll das wissenschaftliche Feld relativ breit beleuchtet werden;
Überlegungen,
welche
Ressourceneffizienzstrategien
im
regionalen
Kontext
erfolgversprechend und realisierbar sein können, werden Teil des nachfolgenden
Arbeitspakets sein, das teilweise auf dem vorliegenden sowie weiteren Arbeitspapieren
basiert. So werden im vorliegenden Papier nicht nur moderate Modifikationen am
bestehenden
soziotechnischen
System
diskutiert,
sondern
auch
radikale,
systemverändernde Innovationsoptionen im Sinne einer Großen Transformation dargestellt –
ohne dass zu diesem Zeitpunkt absehbar ist, ob die Strategische Allianz ADMIRe einen
aktiven Beitrag zu gesellschaftsverändernden Ressourceneffizienzinnovationen wird leisten
können oder sollen.
Mit dem Thema Ressourceneffizienz befasst sich dieses Papier mit einem der
gegenwärtigen Megatrends in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Von Teilen der
Wissenschaft wurde die Bedeutung eines möglichst effizienten Umgangs mit natürlichen
Ressourcen für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftens wie des menschlichen Lebens
überhaupt bereits vor Jahrzehnten erkannt. Beispielhaft für Ansätze, das Thema analytisch
aufzubereiten
wie
auch
mit
normativen
Zielsetzungen
und
konzeptuellen
Umsetzungsstrategien zu versehen, stehen die – teils relativ populär gewordenen – Ideen
von „Faktor zehn“ (Schmidt-Bleek et al. 1993) und „Faktor vier“ (Weizsäcker/Lovins/Lovins
1995); der Ansatz zu „Faktor 10“ wurde zudem durch die Entwicklung des MIPS-Konzepts
(Schmidt-Bleek 1994), mit dem der Material-Input pro Serviceeinheit errechnet werden kann,
anwendungsorientiert operationalisiert.
Während „Pionierunternehmen“ sich bald nach Aufkommen des wissenschaftlichen
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Diskurses und erster konzeptioneller Ansätze mit Ressourceneffizienz befasst haben, hat die
Diskussion um den Umgang mit Ressourcen erst vor wenigen Jahren den Mainstream
politischer und ökonomischer Diskussionen erreicht und in der Folge auch Eingang in
Unternehmensstrategien und politische Programme gefunden. Beispielhaft steht dafür auf
nationaler Ebene das jüngst verabschiedete Deutsche Ressourceneffizienzprogramm
(ProgRess) (BMU 2012); auf EU-Ebene ist ein ressourcenschonendes Europa eine der
sieben Leitinitiativen im Rahmen der „Strategie für intelligentes, nachhaltiges und
integratives Wachstum“ alias „Europa 2020“ (Europäische Kommission 2010); die Initiative
verankert Ressourceneffizienz als Leitprinzip der EU-Politik in den Bereichen Energie,
Transport, Klimaschutz, Industrie, Rohstoff, Landwirtschaft, Fischerei, Biodiversität und
Regionalentwicklung (vgl. Bundesregierung 2012, S. 138). Zur praktischen Umsetzung von
Ressourceneffizienzkonzepten in Unternehmen entstanden in den letzten Jahren
verschiedene Initiativen von politischer Seite1 und von Wirtschaftsverbänden2. Diese
Institutionen werden von verschiedenen Förderprogrammen des Bundes und der Länder
flankiert3 und durch Forschungsprojekte wissenschaftlich untermauert4.
2 Aufbereitung der theoretischen
Forschungsgrundlagen zum Konzept der
Ressourceneffizienz
2.1 Zum Ressourcenbegriff
Der Begriff „Ressourcen“ wird sowohl inter- als auch intradisziplinär unterschiedlich definiert
und dementsprechend uneinheitlich verwendet. In der Volkswirtschaftslehre werden Arbeit
und Kapital als Produktionsfaktoren oder Ressourcen und je nach Analyseziel auch noch
Boden oder andere natürliche Produktionsfaktoren wie z. B. Rohstoffe hinzugerechnet. Im
laufenden Projekt wird der Ressourcen-Begriff auf den ökologischen Kontext zugespitzt und
bezeichnet die „natürlichen Ressourcen“ Boden (mit allen mineralischen Rohstoffen, fossilen
Energieträgern etc.), Wasser, Luft, einschließlich der Biosphäre (dazu zählen z. B. auch
Aspekte wie die Biodiversität) und strömender Ressourcen (z. B. Erdwärme, Wind-,
Gezeiten- und Sonnenenergie). Ressourcen können dabei sowohl als Quellen für die
Herstellung von Produkten wie auch als Senken zur Aufnahme von Emissionen (Wasser,
Boden, Luft) dienen (vgl. WI/IG Metall/BMU 2009, S. 87; UBA 2012, S. 22).
1
Hier ist beispielsweise 1998 durch das NRW-Umweltministerium die Effizienzagentur NRW (EFA)
gegründet worden, um nordrhein-westfälische Unternehmen in technologischer und finanzieller
Hinsicht zur Steigerung der Ressourceneffizienz zu beraten (s. www.efanrw.de). Einen ähnlichen
Ansatz verfolgt bundesweit die vom Bundesministerium für Wirtschaft initiierte Deutsche
2
An dieser Stelle kann beispielhaft das VDI Zentrum Ressourcen Effizienz und Klimaschutz genannt
werden, das Informationen über Ressourceneffizienz und Lösungsansätze für die Umsetzung
insbesondere in KMU zur Verfügung stellt (s. www.vdi-zre.de).
3
Eine Übersicht über die Bekanntheit zahlreicher wichtiger Förderprogramme des Bundes und der
Länder findet sich in einer Umfrage des VDI ZRE zur Ressourceneffizienz in KMU (VDI ZRE 2011, S.
28ff.)
4
Eine Übersicht der Forschungsförderungsaktivitäten des Bundes und verschiedener
Bundesministerien findet sich unter http://www.foerderinfo.bund.de/. Das bisher größte Projekt zur
Ressourceneffizienz war das Verbundprojekt „Materialeffizienz und Ressourcenschonung (MaRess)“.
Aktuell (Sommer 2012) befindet sich beispielsweise das Projekt „RessourcenKultur“ in seiner
Schlussphase, in dem Ressourceneffizienzstrategien auf betriebliche Vertrauenskulturen bezogen
werden.
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Als weiteres Charakterisierungsmerkmal von Ressourcen dient die Frage der
Regenerierbarkeit. Bei den endlichen Ressourcen handelt es sich um fossile oder
anorganische Stoffe, die sich in den für menschliches Handeln relevanten Zeiträumen nicht
neu bilden (vgl. UBA 2012, S. 28). Die Verweildauer dieser Stoffe in der Technosphäre kann
teilweise durch Recycling erheblich verlängert werden. Der Anteil dieser Stoffe, der durch
thermische Verwertung oder dissipative Verluste aus der Technosphäre austritt, ist jedoch
für die weitere menschliche Verwendung verloren (vgl. UBA 2012, S. 33). Dem gegenüber
stehen nachwachsende Ressourcen, also organische Rohstoffe, die sich durch natürliches
oder durch Menschen „gelenktes“ Wachstum (Land- und Forstwirtschaft) regenerieren.
Daneben zählen Wasser und Luft zu den erneuerbaren Ressourcen (vgl. UBA 2012, S. 17,
28). Während sich die Einteilung natürlicher Ressourcen in endlich/regenerativ erschöpft,
kann man, wenn man den Ressourcenbegriff auf immaterielle Ressourcen erweitert,(nicht
nur im engen wirtschaftswissenschaftlichen Sinne als finanzielle/ökonomische Ressourcen,
sondern auch im Sinne sozialer und kultureller Ressourcen, u. a. menschliche Fähigkeiten,
Wissen, soziale Beziehungen und auch kulturelle Praktiken, vgl. hierzu das
RessourcenKultur-Projekt, Dreuw/Bliesner/Rohn 2011), bei solchen immateriellen
Ressourcen auch von generativen Ressourcen (vgl. Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 10;
Gundert et al. 2011, S. 44 f. in Anlehnung an Moldaschl 2007, S. 85) gesprochen werden.
Auch wenn immaterielle Ressourcen nicht im Fokus dieses Projekts stehen und
insbesondere der Begriff der Ressourceneffizienz in Bezug auf solche Ressourcen wenig
Sinn ergibt, sollten immaterielle Ressourcen – auch im Hinblick auf den Aufbau einer
strategischen Allianz, in der unter anderem Ressourceneffizienzinnovationen gelingen sollen
– dennoch nicht außer acht gelassen werden: Je mehr immaterielle Ressourcen wie z. B.
technische und soziale Kompetenzen oder Vertrauen gleichsam als Produktionsfaktoren
generiert werden können, umso eher können Innovationen zur Einsparung materieller
Ressourcen unternehmensübergreifend gelingen (vgl. Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 10).
Der Einsatz von Ressourcen lässt sich auf verschiedenen Betrachtungsebenen beschreiben
und analysieren: auf Ebene von Produkten, Prozessen, Unternehmen, Branchen, Städten,
Regionen, Staaten und des gesamten Globus. Um zu vermeiden, dass das
Ressourcenthema nur schlaglichtartig beleuchtet wird, ist es notwendig, Produkte hinsichtlich
ihrer Ressourcenintensität entlang des gesamten Lebenszyklus zu analysieren, also
typischerweise von der Planung und dem Produktdesign über die Rohstoffgewinnung,
Herstellung von Vorprodukten und Fertigung des Produkts, Marketing, Distribution, Verkauf
und Nutzungsphase bis hin zum Recycling oder der Entsorgung. Stehen nicht Produkte,
sondern Prozesse im Fokus der Betrachtung, sollten nicht nur unternehmensinterne
Prozesse, sondern vielmehr die gesamte Wertschöpfungskette und damit unternehmensund branchenübergreifende Prozesse in den Blick genommen werden. Der
Zusammenschluss von Unternehmen zu Netzwerken und Allianzen erleichtert nicht nur die
Analyse, sondern auch die ressourcenbezogene Optimierung von interorganisationalen
Prozessen
entlang
der
Wertschöpfungskette
und
Produkten
entlang
des
Produktlebenszyklus und bietet somit Potenziale für die Steigerung der Ressourceneffizienz
von Regionen und Volkswirtschaften. Abbildung 1 zeigt schematisch einen
Produktlebenszyklus auf, Abbildung 2 macht einen solchen Zyklus anhand der Produkts
Mobiltelefon
anschaulich.
Abbildung
3
schließlich
veranschaulicht
eine
Wertschöpfungskette; diese Darstellung beinhaltet Aspekte des Produktlebenszyklus, geht
jedoch von der Betrachtungsebene der Produktion aus.
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Abbildung 1: Schematischer Lebenszyklus eines Produkts (Quelle: Geibler 2010)
Abbildung 2: Produktlebenszyklus eines Mobiltelefons (Quelle. Bienge et al. 2010)
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Abbildung 3: Darstellung eines Wertschöpfungskette im industriellen Bereich (Quelle: Ritthoff/Rohn/Liedtke 2002,
S. 22)
2.2 Zum Begriff der Ressourceneffizienz
Der Ressourcenbegriff ist im Verständnis der materiellen Ressourcen eng verbunden mit
dem Begriff der Effizienz: „Effizienz beschreibt das Verhältnis zwischen eingesetzten
Ressourcen und der damit erzielten Wertschöpfung. In der Ökologie meint Effizienz in
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Abgrenzung zur Ökonomie die Minimierung der bei Produktion und Konsum eingesetzten
natürlichen Ressourcen bei Erhaltung des durch die Produkte und Dienstleistungen erwirkten
Nutzens.“ (Simonis 2003, S. 60, zitiert aus Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 10). Durch die
Verknüpfung eines ökologisch geprägten Ressourcenbegriffes mit dem ökonomisch
geprägten Effizienzbegriff konnte der vermeintliche Widerspruch von Ökologie und
Ökonomie in einem Verständnis breiter Zielgruppen reduziert bzw. aufgelöst werden.
Ressourceneffizienz kann in diesem Sinne definiert werden als die „Verfügbarmachung
wettbewerbsfähiger Güter und Dienstleistungen, die menschliche Bedürfnisse befriedigen
und Lebensqualität erzeugen, während sie fortlaufend und lebenszyklusweit geringere
Umweltauswirkungen verursachen und kleinere Ressourcenintensität aufweisen bis hin zu
einem Niveau, das kompatibel ist mit der geschätzten Belastbarkeit der Erde“
(Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 11).5 Mit Ressourceneffizienz ist also die Wirksamkeit des
Einsatzes natürlicher Ressourcen (biotische und abiotische Rohstoffe (inkl. Energie), Wasser
und Fläche, die zur Verfügung von Gütern und Dienstleistungen führen), unabhängig von
ihrem Tauschwert (z. B. Marktpreise) gemeint (vgl. Schmidt-Bleek 2008, S. 232;
Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 10 f.).
2.3 Abgrenzungen zu anderen Begriffen
Die Begriffe Ressourceneffizienz und Ökoeffizienz werden unkorrekterweise oft synonym
gebraucht. Ökoeffizienz (eco-efficiency) im Sinne eines Ziels bezieht jedoch die Outputs
(Toxizität, Abfälle etc.) mit ein. Betriebliche Ökoeffizienzstrategien sorgen demnach dafür,
dass der wirtschaftliche Wert eines Produktes oder eines Unternehmens bei gleichzeitiger
Minimierung des Ressourcenverbrauchs und negativer Umwelteinflüsse maximiert wird (vgl.
Liedtke/Busch 2005).
Ressourceneffizienz fokussiert dagegen auf den Aspekt natürlicher Ressourcen (Boden (mit
allen mineralischen Rohstoffen, fossilen Energieträgern etc.), Wasser, Luft, einschließlich der
Biosphäre). Sie wird meist auf der Ebene des Lebenszyklus eines Produktes betrachtet,
kann aber – wie später noch gezeigt wird – auch für Prozesse oder auf einzelnen Stufen der
Wertschöpfungskette (z. B. in Unternehmen) sowie wertschöpfungskettenweit (und damit in
der Regel unternehmensübergreifend) ermittelt werden. Auch die Ressourceneffizienz von
Dienstleistungen kann dargestellt und gemessen werden. Nicht zuletzt kann
Ressourceneffizienz auch auf ganze Branchen und Volkswirtschaften angewendet werden.
Wie in Kapitel 2.5 gezeigt wird, muss zur Erreichung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise
Ressourceneffizienz zusammen mit Suffizienz und Konsistenz gedacht werden: Es geht
nicht bloß darum, mit möglichst geringem Ressourceneinsatz möglichst viele Produkte und
Dienstleistungen zu erstellen, sondern auch darum, nur solche Produkte und
Dienstleistungen zu erstellen, die tatsächlich sinnvoll sind und zur echten
Wohlstandsmehrung beitragen und sie so zu gestalten, dass sie sich lebenszyklusweit in
5
Sowohl der Ressourcenbegriff als auch der Effizienzbegriff sind parallel zu ökologischen
Definitionen feste Bestandteile der Wirtschaftswissenschaften, aber auch anderer Disziplinen, wie der
Soziologie und Psychologie. In der Ökologie wird ein den Ingenieurswissenschaften entlehnter Begriff
verwendet, der an eine physikalische Qualitäts- und Mengenbestimmung von Ressourcen und
Effizienz anknüpft. In der Ökonomie hingegen werden Ressourcen und Effizienz über monetäre
Tauschwerte bzw. ihren Einfluss auf diese Größen bestimmt. Wird dieser Unterschied nicht betont,
besteht die Gefahr, dass Ressourceneffizienz auf einzelbetrieblicher Ebene als weitgehend
deckungsgleich mit betriebswirtschaftlichen Rentabilitätsberechnungen (Tauschwerte) behandelt wird,
das normative Ziel des ökologischen Gleichgewichts jedoch negiert wird (Dreuw/Bliesner/Rohn 2011,
S. 12).
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möglichst geschlossenen Stoffkreisläufen bewegen. Ähnlich wie der Begriff
Ressourceneffizienz kann auch der Begriff Materialeffizienz verwendet werden.
Materialeffizienz ist ein Teilaspekt der Ressourceneffizienz und bezieht sich auf Materialien,
nicht jedoch auf sonstige Ressourcen, also Energie, Wasser, Luft und Fläche. Bei der
Materialeffizienz wird im ersten Schritt auf Potenziale innerhalb der Prozesse und des
Betriebes fokussiert. Erst beim nächsten Schritt werden dann die gesamten Effekte entlang
der Wertschöpfungskette in die Betrachtung mit einbezogen (vgl. Liedtke/Busch 2005). Unter
Materialeffizienz ist nach Definition der Deutschen Materialeffizienzagentur das Verhältnis
der Materialmenge in den erzeugten Produkten zu der Menge der dazu eingesetzten
Materialien zu verstehen. Eine höhere Materialeffizienz soll durch eine Reduzierung des
Materialeinsatzes erreicht werden, wie beispielsweise durch Verringerung des Ausschusses,
durch Reduzierung von Verschnitt oder durch die Optimierung der Produktkonstruktion
(siehe auch www.materialeffizienz.de/dateien/FAQ_091207.pdf; Dreuw/Bliesner/Rohn 2011).
Im Folgenden werden weitere Effizienzbegriffe genannt, die in den verschiedenen
Teilbereichen von Herstellungsprozessen oder Nachfragemustern einen Beitrag zur
Verringerung des Ressourcenverbrauchs leisten können. Demnach ist Ressourceneffizienz
hier ein übergeordneter umfassenderer Begriff, während Effizienz in Prozessen, Produktion,
Produkten, Funktionen und Technologien Teilaspekte umfassender Maßnahmen zur
Ressourceneffizienz erfüllen (vgl. Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 17).
Produktionseffizienz bezieht sich, meist mithilfe technischer Optimierungen von
Produktionsprozessen, auf den Material- und Energieverbrauch eines bestimmten
unternehmerischen Prozesses. Die Möglichkeiten der Kosteneinsparung sind dabei in
materialintensiven Industrien besonders groß. Bei der Produkteffizienz geht es um eine
Verringerung des Ressourcenverbrauchs pro Produkteinheit oder Produktteil. Eine
Optimierung der betrieblichen Materialkosten sowie eine Verbesserung der
unternehmerischen Umweltauswirkungen durch eine höhere Produkteffizienz kann durch
Erstellen von betrieblichen oder produktbezogenen Ökobilanzen6, Lebenszyklusrechnungen
wie z. B. mit dem MIPS-Konzept (vgl. Schmidt-Bleek 1994; Ritthoff/Rohn/Liedtke 2002;
Lettenmeier et al. 2009), der lebenszyklusweiten Betrachtung des Ressourcenverbrauchs
eines Produktes von der Wiege bis zur Bahre und dem Wertschöpfungskettenmanagement
erreicht werden (vgl. Schmidt-Bleek 1994, 2008, Tischner/Schmidt-Bleek 1995; Schaltegger
2008; Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 17 f.).
Prozessinnovation meint die Weiterentwicklung eines Produktions-, Dienstleistungs- oder
Abwicklungsprozesses zum Zwecke der Optimierung und Kostenersparnis (siehe dazu auch
Lay 1997). Prozessinnovationen zielen darauf ab, bei gleich bleibenden Einsatz der
Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital eine größere Menge an Produkten zu
erstellen oder eine gleich bleibende Produktmenge mit einem geringeren Faktoreinsatz
produzieren zu können. Während Prozessinnovationen den Prozess optimieren, steht bei der
Ressourceneffizienz die Verringerung des Ressourcenverbrauchs bzw. der ökologischen
Auswirkungen auf die Umwelt im Vordergrund. Der Zusammenhang zwischen
Ressourceneffizienz und Innovation wird noch einmal in Kapitel 3.1 aufgegriffen (vgl
Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 18).
6
Definition Ökobilanz (Umweltbilanz) gemäß DIN EN ISO 14040:2006: „Zusammenstellung und
Beurteilung der Input- und Outputflüsse und der potenziellen Umweltwirkungen eines Produktsystems
im Verlauf seines Lebensweges. Unter Input- und Outputflüssen versteht man alle Stoff- und
Energieflüsse, die in das Produktsystem eingehen, innerhalb des Produktsystems auftreten und aus
dem Produktsystem abfließen (z. B. Energie, Rohstoffe, Betriebsstoffe, Abfälle, Emissionen,
Abwässer).“
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Bei einer Steigerung der Funktionseffizienz geht die Betrachtung über die reine
Produktionseffizienz hinaus. Hier wird hinterfragt, welche Produkte oder Dienstleistungen
eine bestimmte Funktion am ressourceneffizientesten erfüllen. Da mehrere unterschiedliche
Produkte diese Funktion erfüllen können, wird auch ein Wechsel der Produkte und ggf. der
Ersatz durch Dienstleistungen bewusst mitbedacht (mehr dazu in Kapitel 3.1.3.1). Noch
einen Schritt weiter geht die Analyse der Bedürfnisse, um eine Steigerung der
Bedürfniseffizienz zu erzielen. Hierbei geht um die Frage, welche Bedürfnisse hinter dem
Konsum
oder
Einsatz
bestimmter
Produkte
stehen
und
wie
diese
am
ressourceneffizientesten erfüllt werden könnten (vgl. Bierter/Stahel/Schmidt-Bleek 1996,
Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 18).
Die Analyse dieser unterschiedlichen Prozesse erlaubt verschiedene Ansätze, um die
Steigerung von Ressourceneffizienz in Unternehmen erreichen zu können. Zur Umsetzung
von Ressourceneffizienz in Unternehmen siehe Kapitel 2.6.
2.4 Entwicklung des Diskurses um Ressourceneffizienz
Ende der 1960er Jahre lenkte eine Gruppe internationaler Experten/-innen aus Politik,
Wirtschaft und Zivilgesellschaft die Aufmerksamkeit der Welt auf die globalen
Umweltprobleme. Der erste Bericht des Club of Rome „The Limits to Growth“ (Meadows et
al. 1972, Nachfolgestudien erschienen 1993 „Beyond the Limits“ und 2004 „Limits to Growth:
The 30-year Update“) löste eine intensive und kontroverse Debatte in Politik, Wirtschaft und
Gesellschaft aus. Zum ersten Mal wurde das weltweite Wachstum, das auf dem
unbegrenzten Konsum von Material und Ressourcen beruht, in einer Welt der endlichen
Ressourcen thematisiert. Das Thema der effizienteren Nutzung von Ressourcen und des
produktiveren Einsatzes von Material wurde damit auf die globale Agenda des 20.
Jahrhunderts gesetzt (siehe Abbildung 4) (vgl. Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 11).
Abbildung 4: Historische Entwicklung Ressourceneffizienz. Quelle: Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 12).
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Daraufhin gründeten Anfang der 1980er-Jahre die Vereinten Nationen in Genf die World
Commission on Environment and Development, die den Auftrag bekam, einen
perspektivischen Bericht zu einer langfristig tragfähigen umweltschonenden Entwicklung der
Welt bis 2000 zu erstellen. 1987 später wurde der sogenannte Brundtland-Report „Our
common future“ veröffentlicht, der die internationale Debatte über Entwicklungs- und
Umweltpolitik maßgeblich bis heute bestimmte, weil er erstmals das Leitbild einer
„nachhaltigen Entwicklung“ postulierte. Der Brundtlandt-Bericht war auch der Auslöser für die
Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992. Das
Konzept der nachhaltigen Entwicklung forderte eine integrative Politikstrategie, die die Armut
in den Entwicklungsländern ebenso überwinden sollte, wie in den Industrieländern den
materiellen Wohlstand in Einklang mit der Erhaltung der Natur als Lebensgrundlage zu
bringen. Schon in diesem Bericht wurde darauf hingewiesen, dass sich die Konsum- und
Lebensweisen der Menschen dauerhaft verändern müssten (Dreuw/Bliesner/Rohn 2011,
S. 12).
Auf dem Weltgipfel in Rio de Janeiro 1992 sollten die im Brundlandt-Bericht aufgestellten
Forderungen in verbindliche Konventionen auf internationaler Ebene umgesetzt werden.
Eine der verabschiedeten Konventionen war die Agenda 21, die konkrete
Handlungsanweisungen für Regierungen auf nationaler Ebene bereitstellte. Einer der vier
Themenbereiche befasste sich mit der Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen. Das
Thema des schonenden Umgangs mit Ressourcen drang nun langsam in das Bewusstsein
mancher – vor allem zivilgesellschaftlicher – Akteure vor. Kurz nach der Umweltkonferenz
von Rio de Janeiro forderten Wissenschaftler, die Verbesserung in der Nutzung von Energie
und anderen Ressourcen zum neuen technologischen Leitmotiv zu erheben. Die
verschiedenen Forderungen lauteten, Ressourceneffizienz müsse – und könne – um den
Faktor Vier bzw. Zehn verbessert werden, um die bedrohte Umwelt zu entlasten (vgl.
Schmidt-Bleek
1994;
Weizsäcker/Lovins/Lovins
1995,
Fussler
1999,
Weizsäcker/Hargroves/Smith 2010; Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 13).
1998 wurde das Ziel der nachhaltigen Entwicklung auch erstmalig im Vertrag der
Europäischen Gemeinschaft verankert. 2001 verabschiedete die Europäische Union ihre
Strategie für Nachhaltige Entwicklung (EU-SDS) in Göteborg, die den Wachstumsvertrag von
Lissabon um eine Umweltdimension ergänzte. Allerdings bleibt festzustellen, dass die
Maßnahmen
aus
der
Umweltdimension,
die
auch
für
ein
produktiveres
Ressourcenmanagement stehen, oftmals von den Bereichen Wirtschafts- und Sozialpolitik
überlagert bzw. zu Gunsten dieser zurückgestellt werden (www.eu-koordination.de)7.
Zeitgleich zum Bekenntnis der EU zu einer nachhaltigen Entwicklung werden in Deutschland
die Fördermaßnahmen des Bundes unter dem Leitmotiv „Nachhaltiges Wachstum“ neu
zusammengefasst. Ebenso werden erste Ressourceneffizienzziele auf nationaler Ebene in
Deutschland und Österreich definiert (Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 13).
Auch die auf der Konferenz von Rio beschlossene Agenda 21 wird m Laufe der 90er-Jahre
auf nationale, regionale und lokale Maßnahmen heruntergebrochen. Durch die Verankerung
in allen Teilen der Gesellschaft sollte eine Bewusstseinsveränderung auf allen Ebenen
befördert werden, um den Erfolg der Projekte zu sichern. Auf der Konferenz wurde das
Business Council for Sustainable Development (BCSD) von Stephan Schmidheiny
gegründet, um aus Unternehmerperspektive heraus die Anforderungen an eine nachhaltige
7
Konzepte zur nachhaltigen Entwicklung der europäischen Wirtschaft sind vorhanden (s. hierzu die
SERI-Studie von Rocholl/Giljum/Schlegelmilch 2006 und die WI-Studie von Schepelmann et al. 2009)
und bis hin zur Indikatorenebene ausgearbeitet (s. hierzu Giljum et al. 2006), werden aber nach wie
vor von anderen Themen wie beispielsweise aktuell von der Schuldenkrise überlagert.
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Entwicklung anzugehen. 1995 wurde daraus das World Business Council for Sustainable
Development (WBCSD) als Resultat der Fusion von BCSD und dem World Industry Council
for the Environment (WICE). Die Unternehmen des WBCSD verfolgen die Vision einer
nachhaltigen Entwicklung basierend auf wirtschaftlicher Entwicklung, ökologischer Balance
und sozialem Fortschritt, die sich aus Ökoeffizienz, Innovation und Corporate Social
Responsibility speist. In den ersten zehn Jahren nach der Gründung konzentrierte sich das
WBCSD darauf, den Bedeutungszusammenhang zwischen den Handlungen der
Unternehmen und nachhaltiger Entwicklung deutlich zu machen. Die erste Publikation des
BCSD „Changing Course: A Global Business Perspective on Development and the
Environment“ 1992 war der erste Schritt. Im gleichen Jahr prägte das Council erstmalig den
Begriff der Ökoeffizienz (eco-efficiency) (siehe BMU/UBA 2007; Aachener Stiftung Kathy
Beys 2005; www.wbcsd.org); Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 13 f.).
Diese Erkenntnisse wurden auch auf nationaler Ebene mit einbezogen. So wurden in
Deutschland zunächst Strategien zur Steigerung der Ressourceneffizienz von einigen
wenigen innovativen Beratern/-innen und in einigen KMU-Förderprogrammen umgesetzt
(vgl. Kristof/Hennicke 2010). Breitere Effekte wurden allerdings erst erzielt, als einige Länder
und der Bund mit Gründung von Effizienz-Agenturen (z.B. Effizienz-Agentur NRW, EFA 1988
und Deutsche Materialeffizienzagentur, demea 2005) Institutionen geschaffen haben, die
Ressourceneffizienz auf breiter Basis in den Unternehmen fördern helfen und damit auch
eine deutlich höhere Wirkung erzielt haben (vgl. Kristof/Hennicke 2010; Dreuw/Bliesner/Rohn
2011, S. 14).
Umfassende nationale Nachhaltigkeitsstrategien wurden von vielen Staaten, so auch
Deutschland, jedoch erst zehn Jahre nach dem Weltgipfel in Rio vorgelegt. Auf diesem
Gipfel trafen sich die Vertreter der Staatengemeinschaft in Johannesburg wieder, um neue
Formen des Umgangs mit den Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung in Zeiten rasanten
technologischen Fortschritts und der Globalisierung zu finden. Einer der Schwerpunkte war
auch hier Ressourcenschutz und der effizientere Umgang mit Ressourcen als ein
notwendiger
Bestandteil
zur
Lösung
der
globalen
Umweltprobleme
(www.worldsummit2002.org/publications/memo_dt_with.pdf;
vgl.
Dreuw/Bliesner/Rohn,
S. 14.). In der im Nachgang des Weltgipfels sukzessive überarbeiteten deutschen Nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie wird Ressourceneffizienz unter verschiedenen Gesichtspunkten
zum Handlungsziel bestimmt. Neben dem grundsätzlichen Ziel, zu einer der
ressourceneffizientesten Volkswirtschaften der Welt zu werden (vgl. Bundesregierung 2012,
S. 20), stehen die nachhaltige Rohstoffnutzung8 (vgl. Bundesregierung 2012, S. 137 f.), die
Erhöhung der Ressourceneffizienz mit dem Ziel der Reduktion der Materialkosten (vgl.
Bundesregierung 2012, S. 139 f.) und die Steigerung der Energieeffizienz (Bundesregierung
2012, S. 148 ff., 153 ff.) auf der Agenda.
Als aktuelle Entwicklungen auf nationaler Ebene durch nichtstaatliche Akteure sind noch
Normungsaktivitäten zu nennen. So entwickelt das Zentrum Ressourceneffizienz und
Klimaschutz des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI ZRE) eine Richtlinienreihe zu
Bewertungs- und Berechnungsmethoden der Ressourceneffizienz (vgl. http://www.vdizre.de/themen/in-der-industrie/methoden-und-arbeitsmittel/#c3999). Auf die Bedeutung von
Standards für Ressourceneffizienzinovationen geht das Kapitel 3.1 ein.
8
Im Kapitel „Rohstoffe nachhaltig nutzen geht es allerdings in erster Linie um die Deckung
wirtschaftlicher Bedarfe, insbesondere die langfristige Versorgungssicherheit. Ökologische und soziale
Erwägungen finden hier wenig Platz, so dass der Begriff „nachhaltig“ an dieser Stelle fast überdehnt
wirkt.
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Im Rahmen der Europa-2020-Strategie wurde die Leitinitiative „Ressourcenschonendes
Europa“ verabschiedet und durch eine Roadmap Ressourceneffizienz konkretisiert. Die
Mitgliedstaaten werden darin aufgefordert, institutionelle Rahmenbedingungen zu entwickeln,
mit denen die Wechselbeziehungen zwischen Wirtschaft, Wohlergehen und Naturkapital
Anerkennung finden. Hindernisse für eine höhere Ressourceneffizienz sollen ausgeräumt
werden. Im Rahmen der Roadmap sollen zudem geeignete Indikatoren entwickelt werden,
die Ressourceneffizienz abbilden können (vgl. Bunderegierung 2012, S. 119).
2.5 Ressourceneffizienz im aktuellen gesellschaftlichen Kontext
Die seit einigen Jahren zunehmende Einsicht in die Bedeutung des Themas
Ressourceneffizienz wird auch die infolge zunehmender Verknappung volatil gewordenen
und tendenziell steigenden Rohstoffpreise sowie die Furcht vor Versorgungsengpässen mit
Rohstoffen getrieben (vgl. Kristof/Hennicke 2010). Ressourceneffizienz berührt jedoch weit
mehr als die sichere Versorgung mit Rohstoffen und die Verhinderung ausufernder
Materialkosten, vielmehr hat der Ressourcenverbrauch auch Auswirkungen auf die soziale
und ökonomische Lage insgesamt. Versorgungsunsicherheit, Ressourcenknappheit sowie
hohe Rohstoffpreise können den Ausgangspunkt für internationale Konflikte bilden (vgl. u. a.
Bundesregierung 2012, S. 26, 119). Durch die Entnahme und Nutzung von Ressourcen
sowie die damit verbundenen Emissionen und die Entsorgung von Abfällen wird die Umwelt
immer stärker belastet. Die heutigen globalen sozialen und ökonomischen Probleme würden
dadurch weiter verstärkt werden. Demzufolge gewinnt die Steigerung der
Ressourceneffizienz in der nationalen und internationalen Politik immer mehr an Bedeutung
(Rohn et al. 2009).
Hierbei gilt es zu bedenken, dass Deutschland eine Wachstumsgesellschaft ist, die sich seit
1967 durch das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz rechtlich dazu verpflichtet stetig zu wachsen. Wirtschaftswachstum soll demnach Arbeitslosigkeit bekämpfen, die soziale Sicherheit
garantieren und die Staatsverschuldung abbauen (vgl. WI et al. 2008.92). Die
Wachstumsorientierung
steht
demnach
in
einem
Spannungsverhältnis
zu
Nachhaltigkeitszielen (vgl. WI et al. 2008.91ff.), z. B. kann die Hinwendung der Industrie zu
umweltfreundlichen Technologien einen Wachstumsschub auslösen (vgl. die Einführung des
EEG und der daraus resultierende Boom der Solarenergieunternehmen). Die
Nachhaltigkeitsstrategie
der
Bundesregierung
formuliert
als
ein
Ziel,
das
Bruttoinlandsprodukt umwelt- und sozialverträglich zu steigern (vgl. Presse- und
Informationsamt der Bundesregierung 2008; WI et al. 2008.92). In diesem Kontext wurde
zum Beispiel 2007 vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(BMU) das Ziel formuliert, Deutschland bis zum Jahr 2020 weltweit zur
ressourceneffizientesten Volkswirtschaft auszubauen. Das Ziel der Bundesregierung, das
Bruttoinlandsprodukt umwelt- und sozialverträglich zu steigern, beruht auf der Annahme,
dass sich Wachstum vom Ressourcenverbrauch abkoppeln ließe. Allerdings lässt sich der im
Rahmen des Faktor-10 Konzepts (vgl. Schmidt-Bleek 1994) notwendige Rückgang des
absoluten fossilen Ressourcenverbrauchs um 90 % mit einer Verdoppelung des
Bruttoinlandsprodukts (welches eine jährliche Wachstumsrate von 1,5 % bis 2050
voraussetzen würde) nur schwer vereinbaren, da dies im Vergleich zum Nullwachstum eine
– ceteris paribus – nochmals verdoppelte Steigerung der relativen Ressourceneffizienz nötig
machen würde.
Die relative Steigerung der Ressourceneffizienz bestimmter Produkte (z. B. sparsamere
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Motoren oder Leuchtmittel) führt nicht zwangsläufig zu einem absoluten Rückgang der
Ressourcenextraktion, da es zu sogenannten Rebound-Effekten (auch bekannt unter
Jevons-Paradox oder Khazoom-Brooks-Postulat), also zu Mehrverbräuchen infolge
gestiegener Effizienz, kommen kann. Paech (2007, zit. nach Clausen/Fichter/Winter 2011, S.
108) unterscheidet zwischen technischen, wachstumsbedingten und psychologischen
Reboundeffekten.
Technische Reboundeffekte liegen vor, wenn Probleme einer Kategorie gelöst werden und
dafür neue Probleme in anderen Kategorien auftreten. Clausen/Fichter/Winter (2011, S. 100
und 108) nennen als Beispiele den Einsatz nachwachsender Rohstoffe im Automobilbau, die
mit problematischen Chemikalien behandelt werden müssen, um einen sicheren Einsatz zu
gewährleisten, und die Reduktion des Energieverbrauchs in der Nutzungsphase von
Automobilen durch Aluminium-Leichtbauweise, die mit einem erhöhten Energieverbrauch in
der Produktionsphase einhergeht und erst ab einer bestimmten Fahrleistung zu einer
Energieeinsparung führt. Dieser Umstand kann nun dahingehend weitergedacht werden,
dass (vielleicht sogar insbesondere umweltbewusste) Nutzer/-innen geradezu motiviert
werden, über eine hohe Fahrleistung einen hohen Umweltvorteil (gegenüber konventionell
konstruierten Autos) zu erreichen. Dies würde in den Bereich der psychologischen
Reboundeffekte fallen, die in der Regel dadurch entstehen, dass neue Produkte als so
umweltfreundlich empfunden werden, dass die Nutzung intensiviert wird, beispielsweise
durch den Verzicht, Energiesparlampen beim Verlassen des Raumes auszuschalten, oder
durch die Wahl eines zwar energieeffizienteren, aber dafür größeren Fernsehers.
Wachstumsbedingte Reboundeffekte wiederum entstehen, wenn neue Märkte erschlossen
werden, deren Produkte (z. B. Netbooks) zwar ressourcenschonender sind als bestehende
Produkte (Notebooks), diese aber nicht ersetzen, sondern vielmehr zusätzlich für neue
Anwendungen (Reisecomputer) angeschafft werden. Ein weiteres Beispiel in diesem Bereich
ist die zusätzliche Anwendung in großer Zahl bei LEDs (vgl. Clausen/Fichter/Winter 2011, S.
108).
Neben diesen direkten Reboundeffekten können indirekte Reboundeffekte auftreten, und
zwar dann, wenn Effizienzsteigerungen zu finanziellen Einsparungen führen, die wiederum
problematische Auswirkungen auf andere Bereiche haben. So könnte eine Einsparung bei
den Heizkosten dazu führen, dass das eingesparte Geld für Wochenendausflüge mit
Billigfliegern ausgegeben wird (vgl. WI/IG Metall/BMU 2009, S. 105).9
Das Auftreten von Reboundeffekten kann nur durch einen ganzheitlichen Ansatz verhindert
werden. Ein systemischer Ansatz, der Technik, Infrastruktur, Recht, Bildung und
Alltagsgewohnheiten umfasst, kann einen erhöhten Konsum, der die eingesparten
Ressourcen wieder auffressen würde, verhindern (siehe Weizsäcker/Hargroves/Smith
2010.14; Liedtke et. al. 2008; Welfens et. al. 2008 a.). Aus diesem Grund müssen neue
Wege des Wirtschaftens gefunden werden, die die Bedürfnisse aller Bürger befriedigen,
ohne auf ständiges Wirtschaftswachstum angewiesen zu sein (siehe WI 2008). Denn
Wachstum hat nicht nur den Verschleiß von Naturkapital zur Folge, sondern bringt auch
hohe soziale Kosten mit sich, deren Folgen für die Gesellschaft ebenso schwerwiegend sein
können (siehe Stengel 2011; WI 2008.99).
9
Ebenso zu beachten, jedoch im Einzelnen schwer vorauszusehen, sind Folgeinnovationen.
Clausen/Fichter/Winter (2011, S. 109) nennen als Beispiel das Internet, das zahlreiche
unvorhersehbare Folgeinnovationen hervorgebracht hat, die wiederum positive (z. B.
Videokonferenztechnik, die Reisen zu vermeiden helfen kann) wie auch negative (z. B.
Videoplattformen, die zusätzlichen Konsum induzieren) Folgen für den Ressourcenverbrauch haben
können.
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In der Ressourceneffizienz geht es darum Steigerungsraten zu erreichen, die das
ökonomische Wachstum übertreffen und die eingesparten Ressourcen nicht durch ein
darüber hinausgehendes Wirtschaftswachstum wieder auffressen. Das wiederum bedeutet,
dass der technische Fortschritt auf natur- und umweltschonenden Technologien basieren
sollte, das politische und wirtschaftliche Management diese Entwicklung befördert und die
Gesellschaft ihre Produktions- und Konsummuster daran anpassen sollten (vgl. WI et al
2008.336). Dadurch würde das bisherige Wachstumsmodell durch eine nachhaltige
Gesellschaftsform abgelöst werden.
Obwohl die globale Banken- und Geldmarktkrise erneut Argumente dafür geliefert hat, dass
Strategien der Gewinnmaximierung und der Steigerung des Shareholder-Value
Zukunftsperspektiven für unsere Wirtschaftssysteme gefährden, zeigte der Klimagipfel Ende
2009 in Kopenhagen, dass die Regierungen noch nicht in der Lage sind, sich auf einen
ressourcenschonenden und umweltfreundlichen Wachstumspfad zu begeben10 (siehe
Weizsäcker/Hargroves/Smith 2010). Zu diesem Ergebnis kommt auch die Declaration 2010
des International Factor 10 Club (s. http://factor10.de/2011/03/16/declaration-2010international-factor-10-club/), in der die Staaten und Unternehmen dringend dazu
aufgefordert werden, die selbstgesteckten Ziele zur nachhaltigen Entwicklung ernst zu
nehmen. Dies weist weit über die populäre Kapitalismuskritik hinaus, die nicht ausreicht, um
zukunftsfähige belastbare Systemveränderungen zu bewirken. Der Übergang zu einem in
diesem Sinne nachhaltigen Wirtschaften kann nur über eine konsequente
Ressourceneffizienzstrategie gelingen.
Allerdings ist die Tendenz auszumachen, den Begriff der Ressourceneffizienz zu stark auf
ein technisches und ökonomisches Effizienzverständnis einzugrenzen, wodurch Blindstellen
etwa beim bereits angesprochenen Phänomen der Rebound-Effekte entstehen können.
Einem solchen Verständnis ist eine weitgehende Zielübereinstimmung bei ökonomischen
und ökologischen Aspekten inhärent – eingesparte Ressourcen müssen weder beim Input
noch beim Durchlauf und bei der Entsorgung bezahlt werden und können daher zur Senkung
der Stückkosten oder Vergrößerung der Gewinnmarge beitragen –, weshalb
Ressourceneffizienzinnovationen11
innerhalb
eines
solchen
technischen
Innovationsverständnisses auch kaum Konfliktpotenzial bergen und „Innovationen im
Umweltbereich zu den erfolgreichsten gehören“ (Hartmann/Brentel/Rohn 2006, S. 17). Für
die ökologische Überlebensfähigkeit der Erde ist aber letztlich nicht der relative, auf das
einzelne Produkt bezogene, sondern der absolute Ressourcenverbrauch entscheidend. Die
nach Einschätzung von Experten herausragenden Ressourceneffizienzpotenziale von
Technologien können ihr volles Potenzial nur dann entfalten, wenn die Rahmenbedingungen
des Einsatzes stimmen und der erzielbare Nutzen einer Anwendung bestimmend bleibt (vgl.
Geibler et al. 2011, S. 13). Anerkannte Konzepte zur Steigerung der Ressourceneffizienz wie
das MIPS-Konzept (vgl. Schmidt-Bleek 1994; Ritthoff/Rohn/Liedtke 2002; Baedeker et al.
2005; Lettenmeier et al. 2009) tragen diesem Umstand Rechnung und berücksichtigen den
Faktor Konsum explizit. Eine Veränderung des Konsumverhaltens ist ein wichtiger Schlüssel
zur Senkung des absoluten Ressourcenverbrauchs (vgl. Liedtke/Welfens 2008). Eine
10
In diesem Tenor lässt sich auch die Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige
Entwicklung (Rio+20) resümieren, wurde dieser im Juni 2012 veranstaltete Erdgipfel angesichts
mangelnder Verbindlichkeit seiner Beschlüsse zurückhaltend bis vernichtend kommentiert (s. hierzu
diverse Zusammenstellungen von Kommentaren auf verschiedenen Plattformen im Netz, u. a. vom
UmweltDialog (http://www.umweltdialog.de/umweltdialog/weltweit/2012-0626_Dossier_Reaktionen_und_Meinungen_zu_Rio_20.php) und Solarify
(http://www.solarify.eu/reaktionen-auf-rio-20/).
11
Näheres zu Innovationen im Allgemeinen und Ressourceneffizienzinnovationen im Besonderen
siehe Kapitel 3.1.
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Vervielfachung der Ressourcenproduktivität – bei gleichzeitiger absoluter Senkung der
Naturbelastungen – ist zur Bedingung des Überlebens im Wohlstand geworden (SchmidtBleek 1994, 2008 und Bringezu/Bleischwitz 2009). Diese Bedingung lässt sich in die drei
Prinzipien Effizienz, Suffizienz und Konsistenz ausdifferenzieren.
Suffizienz bedeutet, dass Produkte, deren Herstellung keinen Beitrag zur
Wohlstandsmehrung (Wohlstand nicht allein im Sinne des Bruttoinlandsprodukts) leisten,
nicht hergestellt werden – auch wenn ihre Herstellung selbst durchaus ressourceneffizient
ist. Eine Volkswirtschaft, die sich an Suffizienz ausrichtet, würde beispielsweise langlebige,
wart- und reparierbare Produkte herstellen, damit in einem bestimmten Zeitraum möglichst
wenige dieser Güter neu produziert werden müssen; die Verbraucher wiederum würden sich
für Lebensstile entscheiden, in denen das Benutzen von Gütern wichtiger ist als das
Besitzen, und in denen generell materielle Werte und Konsum eine weniger dominante Rolle
spielen. Dies würde den Schwerpunkt der Volkswirtschaft in Richtung Dienstleistungen
verschieben, was auf Widerstand des produzierenden Teils der Wirtschaft treffen dürfte.
Zudem hieße Suffizienzorientierung, sich von der althergebrachten Sichtweise der
Wohlstandsmessung anhand des Bruttoinlandsprodukts zu lösen (zu alternativen
Wachstums- und Wohlstandsmodellen s. Weizsäcker 1997, Miegel 2010, Seidl/Zahrnt 2010
und Jackson 2011). Ob Politik, Gewerkschaften, Verbände und Unternehmen den Mut zu
einem solchen Schritt haben, erscheint momentan zweifelhaft. Gleichwohl führt angesichts
globaler Ressourcenknappheit und der Übernutzung der Ökosphäre früher oder später kein
Weg an suffizienten Volkswirtschaften vorbei (für differenzierte Ausarbeitungen zum Thema
Suffizienz s. Sachs 2002 und Stengel 2011).
In einer konsistenten Volkswirtschaft wiederum sind technische Prozesse so organisiert,
dass sie mit den natürlichen vereinbar werden. Der industrielle „Stoffwechsel“ soll die
natürlichen nicht stören wie bisher, sondern sie ergänzen oder von ihnen ergänzt werden, so
dass ein System entsteht, in dem es wie in der Natur nur weiterverwertbare Produkte gibt,
aber keine Abfälle. Wo das nicht möglich ist, sollen naturfremde Stoffe in geschlossenen
Kreisläufen (closed loops) wiedergewonnen werden. Wo auch dies nicht gelingt, sollen sie
gar nicht mehr verwendet werden.
Es geht also nicht nur darum, naturgegebene Ressourcen wie Kohle und Öl zu rationieren
(Suffizienz) oder zu rationalisieren (Effizienz). Beides ist im Prozess der nachhaltigen
Entwicklung notwendig, aber nicht ausreichend, denn Effizienz und Suffizienz können den
Substanzverzehr vermindern, aber nicht aufheben. Die Konsistenzstrategie dagegen soll den
Verzehr nichterneuerbarer Ressourcen erübrigen, wodurch sie es auch acht, zehn oder mehr
Milliarden Menschen auf der Erde ermöglicht, dauerhaft zu überleben, ohne die Ressourcen
der Erde zu übernutzen (vgl. Scherhorn 2008: 5; Dreuw/Bliesner/Rohn, S. 16f.; s. auch Rohn
2010).
Die Verwirklichung dieser Strategien würde eine tiefgreifende Umstellung von Produktionsund Dienstleistungskonzepten und Konsummustern und damit eine grundlegende
Umstellung von Wirtschaft und Gesellschaft bedingen. Dieser Umbau kann, in Anlehnung an
Karl Polanyi und damit als Parallele zur Neolithischen und zur Industriellen Revolution, als
Große Transformation bezeichnet werden. Der Wissenschaftliche Beirat der
Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WGBU) verwendet in seinem
Hauptgutachten von 2011 (WBGU 2011) diesen Terminus in Bezug auf die dekarbonisierte
Gesellschaft, um die Tragweite und Eingriffstiefe der Umstellung des Energieregimes zu
verdeutlichen. Eine „dematerialisierte“ Gesellschaft, also eine Gesellschaft, in der
Ressourceneffizienz, Suffizienz und Konsistenz zu den Leitprinzipien zählen, ist eine
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wichtige Voraussetzung für die dekarbonisierte und damit klimaschonende Gesellschaft,
weist aber durch die Betrachtung aller relevanten Materialströme über das Themenfeld Klima
und Energie hinaus. Insofern scheint es durchaus angemessen, auch die für eine
nachhaltige Entwicklung zwingend notwendige Ressourcen(effizienz)revolution (vgl. u.a.
Hennicke 2010, S. 25, Dobbs et al. 2011) als wichtigen Teil einer Großen Transformation hin
zu einer nachhaltigen Weltgesellschaft zu bezeichnen.
Im Folgenden werden einige Überlegungen des WBGU-Gutachtens aufgegriffen und auf das
Themenfeld der Ressourceneffizienz übertragen.
Im Kern der Überlegungen des WBGU steht ein Gesellschaftsvertrag, in dessen Rahmen ein
„Mainstreaming“ von Nachhaltigkeit auf staatlicher, wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher
Ebene durchgesetzt wird. Bei dieser Durchsetzung haben die Industriestaaten die
strategische und moralische Verpflichtung voranzugehen (vgl. WBGU 2011, S. 66). Für die
Überwindung des High-Carbon- und High-Resource-Paradigmas sind radikale Innovationen
nötig, wobei der kritische Punkt nicht unbedingt technische Innovationen darstellen, sondern
vielmehr die notwendige Veränderung von Lebensstilen und globaler Kooperation, die
Überwindung von Politikblockaden und der verantwortungsvolle Umgang mit
generationenübergreifenden Langfristveränderungen (vgl. WBGU 2011, S. 88 f.).
Während jedoch die Neolithische und die Industrielle Revolution ungesteuert abliefen und
sich über Jahrhunderte bzw. Jahrzehnte vollzogen, bleibt für die Transformation in die
nachhaltige Gesellschaft nicht genug Zeit, um diesen Prozess ungesteuert und
unbeschleunigt nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum ablaufen zu lassen (vgl. WBGU
2011, S. 90), da ansonsten aufgrund der immer knapper werdenden Ressourcen und der
immer stärker übernutzten Senken ökonomische, soziale, ökologische und politische
Verwerfungen – beispielsweise physischer Mangel und extreme Preisanstiege von
Ressourcen, Konflikte um Ressourcenverteilung und nicht zuletzt ein nicht kontrollierbarer
Anstieg der globalen Temperatur um mehr als 2° C – absehbar sind. Diese Steuerung muss
nicht nur in kurzer Zeit wirksam werden, sondern global greifen (vgl. WBGU 2011, S. 97 f.).
Hierfür gibt es keine historischen Vorbilder und Orientierungsbeispiele. Der historische
„Normalfall“ ist dadurch gekennzeichnet, dass Richtungsänderungen durch Schocks und
Krisen bewirkt werden. Die Richtungsänderung hin zur nachhaltigen Entwicklung muss
jedoch prospektiv, auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und Prognosen, vollzogen
werden, da ansonsten irreversible Entwicklungen wie ein nicht mehr kontrollierbarer
Klimawandel drohen (vgl. WBGU 2011, S. 89 f.). Als zentrale Katalysatoren für die
Transformation identifiziert der WBGU zum einen Pioniere des Wandels, die mittels ihrer
Macht, Ressourcen, Kreativität sowie Innovations- und Reformbereitschaft etablierte
Blockadekräfte überwinden, zum anderen neue, attraktive Narrative, Leitbilder oder
Metaerzählungen (vgl. WBGU, S. 90 f.). War das Hauptmotiv des industriellen Zeitalters die
Emanzipation des Menschen von den Grenzen der Natur, so drehen sich die Narrative des
„nachhaltigen Zeitalters“ um die Akzeptanz der Begrenzungen der Ökosysteme (vgl. WBGU
2011, S. 98).
Der Akzeptanz der Begrenzungen der Ökosysteme steht das Paradigma des
Wirtschaftswachstums, das letztlich auf der Inwertsetzung natürlicher Ressourcen basiert,
entgegen (siehe die entsprechenden Ausführungen in diesem Kapitel oben). Der WBGU
bezeichnet es als offen, ob eine Abkopplung des Ressourcen- und Energieverbrauchs vom
Wirtschaftswachstum dergestalt möglich ist, dass das Festhalten am grundsätzlichen Prinzip
des Wirtschaftswachstums mit der absoluten Senkung des Ressourcen- und
Energieverbrauchs vereinbar ist. Gleichwohl werden Schwierigkeiten, Zielkonflikte und
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Widersprüche benannt. So kommt der Verzicht auf die Zunahme materiellen Wohlstands für
Entwicklungs- und Schwellenländer kaum in Frage, da dies mit zentralen Entwicklungszielen
kollidieren würde. Andererseits kann eine Abkehr vom Wachstumsparadigma schwerlich von
einzelnen Staaten, abgekoppelt von der Weltwirtschaft, durchgeführt werden, zumal über
den Welthandel das wirtschaftliche Handeln von Industriestaaten auch auf
Entwicklungsländer rückwirkt. Bleibt das globale Wirtschaftswachstum hinter dem globalen
Bevölkerungswachstum zurück, kann eine Wohlstandsverteilung nicht mehr aus dem
Zuwachs an materiellem Wohlstand, sondern muss aus der bisherigen Substanz erfolgen,
was (international wie innerhalb von Gesellschaften) einen Nachfrageverzicht auf Seiten
derjenigen, die bisher über den Großteil des materiellen Wohlstands verfügen, und damit ein
hohes Maß an Überzeugung von den und Verpflichtung gegenüber den neuen Narrativen
bedingen würde (vgl. WBGU 2011, S. 188 f.).
Die Frage nach der Vereinbarkeit von Wirtschaftswachstum und vermindertem
Ressourcenverbrauch kann an dieser Stelle nicht entschieden werden, wenngleich das
Festhalten am Wachstumsparadigma des Industriellen Zeitalters im Rahmen der
Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft, die Wohlstand anders definiert und die
anders produziert und konsumiert, wenig konsequent erscheint. Andererseits ist zu
beachten, dass ein Wachstumsverzicht und die von Paech (2005, 2007, 2010) geforderte
Stärkung der Subsistenzwirtschaft nicht zwangsläufig einen Beitrag zu einer nachhaltigeren
und insbesondere ressourcenschonenderen Wirtschafts- und Lebensweise leistet; man
denke beispielsweise im Bereich der Landwirtschaft an einen wesentlich höheren
Flächenverbrauch durch traditionelle, angesichts der steigenden Weltbevölkerung nicht mehr
angemessene Anbautechniken (vgl. Hesse et al. 2009, S. 79 und WGBU 1994, S. 207).
Innerhalb des Projektkontextes stellt sich jedoch vielmehr die Frage, welchen Beitrag eine
regionale strategische Allianz zur Transformation hin zu einer nachhaltigen Weltgesellschaft
leisten kann. In dieser Konstellation wird nicht über Fragen der Postwachstumsgesellschaft
verhandelt und entschieden, zumal eine Abkehr vom Wachstumsparadigma den
Satzungszwecken von regionalen Wirtschaftsförderungen als wichtige Akteure solcher
Allianzen entgegenläuft. Der Beitrag regionaler Allianzen zur nachhaltigen Entwicklung ist
daher zunächst systemimmanent über die Hervorbringung innovativer ressourceneffizienter
und konsistenter Lösungen zu suchen. Eine Annäherung an die Strategie der Suffizienz kann
über die Erstellung von Dienstleistungskonzepten erfolgen, die den Fokus vom Besitzen auf
das und den Nutzen und von der Produktionssteigerung auf die Wertschöpfung mittels
Service, Reparatur und Wartung verschiebt. Inwieweit darüber hinaus Impulse an Politik und
Zivilgesellschaft für das Vorantreiben der Transformation ausgehen können, muss an dieser
Stelle offen bleiben und wird Teil der Forschungsarbeit des ADMIRe-Projekts sein, auch um
Anknüpfungspunkte für weitergehende Forschungsvorhaben, die sich eingehend mit der
transformatorischen Bedeutung von Kooperationskonstellationen befassen, aufzuzeigen.
Grundsätzliche Überlegungen, welchen Beitrag eine regionale strategische Allianz mit den
thematischen Schwerpunkten Innovationsfähigkeit, Ressourceneffizienz und demografischer
Wandel, zu einem Gesellschaftsvertrag für eine nachhaltige Gesellschaft beitragen könnte,
können aber auch an dieser Stelle angestellt werden. Der WBGU geht in seinem Gutachten
nicht gesondert auf die Rolle von Netzwerken und Allianzen für die Umsetzung der Großen
Transformation ein, schreibt aber privatwirtschaftlichen Pionieren des Wandels verschiedene
Funktionen zu, die, wie im ADMIRe-Arbeitspapier zu strategischen Allianzen dargestellt wird,
im Rahmen von Kooperationen besser bewältigt werden können. Bei diesen Funktionen
handelt es sich um
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Forschung und Entwicklung sowie Wissensgenerierung,
Bereitstellung finanzieller und personeller Ressourcen,
Initiierung selbsttragender Prozesse am Markt,
Scharnierfunktion zwischen Forschung und Anwendung (Diffusion),
Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen (CSR) (vgl.
WBGU 2011, S. 264).
Wie im Papier zu strategischen Allianzen deutlich wird, sind die in der Aufzählung genannten
Funktionen zentrale Merkmale innovativer Allianzen, weswegen auch im vorkonzeptionellen
Projektstadium davon ausgegangen werden kann, dass die genannten Funktionen wichtige
Bestandteile von Ziel und Zweck der zu etablierenden strategischen Allianz ADMIRe sein
werden. Über die konkreten Funktionen der zu etablierenden Allianz wird dann im Zuge der
Konzeption zu entscheiden sein.
2.6 Ressourceneffizienz und nachhaltiges Wirtschaften
Nachdem sich die vorangegangenen Kapitel mit der Begriffsklärung, der Entwicklung des
Themenfeldes im Laufe der letzten Jahrzehnte und um den gesellschaftlichen und
politischen Diskurs um Ressourceneffizienz drehten, stellt das folgende Kapitel Aspekte der
Umsetzung von Ressourceneffizienz in der Wirtschaft dar. Nach einer knappen Darstellung
makroökonomischer Zusammenhänge liegt der Schwerpunkt auf mikroökonomischen
Fragestellungen insbesondere bezüglich der Bedeutung von Ressourceneffizienz für
Unternehmen. Aufgrund des prägenden Charakters von KMU für die deutsche
Wirtschaftsstruktur werden solche Überlegungen auch gesondert auf KMU bezogen. Die
Meso-Ebene, insbesondere die Kooperation und Vernetzung von Unternehmen bestimmter
Branchen oder auch branchen- und sektorenübergreifend, wird im Arbeitspapier zu
strategischen Allianzen betrachtet und zur Vermeidung von Dopplungen im vorliegenden
Papier nicht näher dargestellt.
2.6.1 Zur Bedeutung von Ressourceneffizienz für die Wirtschaft
Der Verbrauch der natürlichen Ressourcen und damit auch das Thema
Ressourcenmanagement auf betrieblicher Ebene ist eine der großen Herausforderungen des
21. Jahrhunderts. Zunehmend rücken nun auch die Unternehmen in den
gesellschaftspolitischen Fokus, ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung und dem
effizienten Umgang mit natürlichen Ressourcen zu leisten. Unternehmen sind Hauptakteure
der wirtschaftlichen Wertschöpfung und natürliche Ressourcen sind die Grundlage aller
ökonomischen Aktivitäten. Daher sind in Unternehmen nach Einschätzung zahlreicher
Studien (vgl. ADL/ISI/WI 2005, Deutsche Materialeffizienzagentur www.materialeffizienz.de)
große ungenutzte Potenziale zur Senkung des Ressourcenverbrauchs vorhanden. Dies geht
einher mit einem Gewinn an gesellschaftlicher Akzeptanz und Vorteilen im Wettbewerb
durch einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Die Wettbewerbsnachteile,
die durch eine ineffiziente Ressourcennutzung entstehen, gefährden die Entwicklung von
Unternehmen und Arbeitsplätzen. Das spiegelt sich auch in der intensiven Debatte um eine
wirkungsvolle Ressourcenpolitik wider (vgl. z. B. BMU 2006, 2012), mit der Innovationen und
der wirtschaftlichen Modernisierung eine nachhaltige Richtung gegeben werden könnte
(siehe Kristof/Hennicke 2010; Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 5).
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Das Management der natürlichen Ressourcen ist in den letzten Jahren zur globalen
Herausforderung geworden. Das anhaltende Wachstum der Weltbevölkerung, die Steigerung
der weltweiten Produktion und Preissteigerungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten
erhöhen den langfristigen Anpassungsdruck für Gesellschaft und Unternehmen zu
Effizienzsteigerungen beim Einsatz natürlicher Ressourcen (vgl. z. B. Schmidt-Bleek 2004;
Ritthoff/Liedtke/Kaiser 2007, Liedtke/Busch 2005). Während jeder einzelne Mensch seinen
gesellschaftlichen Beitrag zur Senkung des globalen Ressourcenverbrauchs durch ein
verändertes Konsumverhalten leisten kann, können Unternehmen durch die optimale und
effiziente Nutzung von Ressourcen diesem Anpassungsdruck entgegenwirken. Allein im
verarbeitenden Gewerbe sind durchschnittlich 45,4 % der Bruttoproduktionskosten
Materialkosten und zusätzlich noch 2,1 % Energiekosten. In Studien wurde ein
Einsparpotenzial von ungefähr 20 % der Materialkosten ermittelt (vgl. ADL/ISI/WI 2005;
www.materialeffizienz.de/was-ist-Materialeffizienz; Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 5 f.).
Abbildung 5: Potenziale für Materialeffizienz. Quelle: Statistisches Bundesamt 2008, demea 2010, Layout VisLab
Wuppertal Institut
Unter der Verwendung neuer Technologien und innovativer Organisationskonzepte kann
durch die Reduktion des Materialverbrauchs die Umwelt entlastet und bei geringeren Kosten
gleicher oder größerer Nutzen für Unternehmen und Umwelt erzielt werden. Der größere
Nutzen kann sowohl in der Kostensenkung direkt als auch in verbesserten
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Produktionsprozessen, Produktinnovationen und verbesserter Wettbewerbsfähigkeit liegen.
Hier sind Einsparungen beispielsweise beim Ressourcenverbrauch (Material und Energie)
oder auch bei Folgekosten wie etwa der Entsorgung von Abfällen oder beruflich bedingten
Krankheiten der Mitarbeiter zu nennen (siehe Erdmenger et al. 2005). Generell kann
demnach eine höhere Ressourceneffizienz dazu beitragen, Kosten durch geringeren
Verbrauch von Ressourcen zu senken, die Rohstoffsicherheit zu erhöhen und
Umweltbelastungen über den gesamten Produktlebensweg zu verringern (vgl. u. a. Görlach/Schmidt 2010; Lettenmeier et al. 2009; Ritthoff/Liedtke/Kaiser 2007; Van der Voet et al.
2005; Liedtke/Busch 2005; Bringezu 2004; Schmidt-Bleek 2004; Dreuw/Bliesner/Rohn, S.
6 f.). Die im vorhergehenden Kapitel angesprochenen Gefahren durch Rebound-Effekte
durch einen erhöhten Konsum infolge des sparsameren Materialverbrauchs ist durch
Strategien (auf Unternehmensebene wie auch unternehmensübergreifend) zu begegnen, die
sich an Suffizienz- und Konsistenzkonzepten orientieren. Dies kann auch bedeuten, neue
Produkt- und Dienstleistungsmärkte zu schaffen und neue Konsummuster zu bedienen.
Das Thema Ressourceneffizienz ist in Deutschland zwar präsent, aber die Potenziale
werden in vielen kleinen und mittleren (sowie auch in großen Betrieben) noch nicht
ausgeschöpft (vgl. BMU/UBA 2007; BMU 2009; UBA/BMU 2008b; Aachener Stiftung Kathy
Beys 2005; Reinhardt 2010; Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 19); in Teilen der
mittelständischen Wirtschaft ist auch das Bewusstsein für die Bedeutung des Themas noch
nicht hinreichend ausgebildet, was sich unter anderen in einer eher geringen Akzeptanz von
Förderprogrammen zur Steigerung der betrieblichen Ressourceneffizienz ausdrückt (vgl. VDI
ZRE 2011). Dabei summiert sich das oben genannte Einsparpotenzial von ungefähr 20 %
der Materialkosten (vgl. ADL/ISI/WI 2005, Kristof/Hennicke 2010) auf ca. 100 Mrd. Euro pro
Jahr (vgl.: www.demea.de). Andere Studien (z. B. Schröter/Lerch/Jäger 2011,
Schmidt/Schneider 2011), kommen auf etwas niedrigere Werte. So beziffern in einer FhGISI-Studie, in der die Einschätzung von Unternehmen bezüglich ihrer Einsparpotenziale
durch die Steigerung ihrer Ressourceneffizienz abgefragt wurde, die befragten
produzierenden Unternehmen, ihr Materialeinsparpotenzial auf durchschnittlich 7 % (vgl.
Schröter/Lerch/Jäger 2011, S. 5), was sich für die gesamte produzierende Wirtschaft
Deutschlands auf etwa 48 Milliarden Euro summieren würde (vgl. Schröter/Lerch/Jäger
2011, S. 9). Schmidt/Schneider (2010) konstatieren zudem, dass die Investitionen, die zur
Hebung von Ressourceneffizienzinnovationen getätigt werden müssen, meist unter 50.000
Euro bzw. im Schnitt bei 2,4 % des Jahresumsatzes und bei ca. 2.800 Euro pro
Beschäftigtem liegen und sich in der Mehrzahl innerhalb eines halben Jahres amortisieren
(vgl. Schmitt/Rohn 2012, S. 13). Dieses Herunterbrechen auf die mikroökonomische Ebene –
weitere Ausführungen dazu im folgenden Kapitel – zeigt, dass Maßnahmen zur Steigerung
der Ressourceneffizienz auch von der mittelständischen Wirtschaft mit ihren oft begrenzten
finanziellen Möglichkeiten und ihrer mitunter schwierigen Liquiditätssituation geleistet werden
können.
2.6.2 Ressourceneffizienz in Unternehmen
2.6.2.1 Anwendungsfelder von Ressourceneffizienz in Unternehmen
Wesentliche Anwendungsfelder von Ressourceneffizienz in Unternehmen liegen in der
Einsparung von Materialien und (Produktions-)Kosten. Dies betrifft in Unternehmen in erster
Linie die Bereiche Einkauf, Marketing, Produktion und das Produkt selbst sowie Forschung
und Entwicklung (vgl. EFA/WI 2001, S. 12 f). Maßnahmen zur Ressourceneffizienz können
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aber nahezu alle Geschäftsbereiche in einem Unternehmen betreffen und sowohl für die
strategische, operative, organisatorische und administrative Ebene relevant sein. So kann
unter der Verwendung neuer Technologien und innovativer Organisationskonzepte durch die
Reduktion des Materialverbrauchs die Umwelt entlastet und bei geringeren Kosten gleicher
oder größerer Nutzen für Unternehmen und Umwelt erzielt werden (siehe Lemken et al.
2010b und Schmitt/Klinke/Rohn 2011, S. 9 f.; insbesondere zu Technologien, Produkten und
Strategien: Rohn/Pastewski/Lettenmeier 2010). Der größere Nutzen kann sowohl in der
Kostensenkung direkt als auch in verbesserten Produktionsprozessen, Produktinnovationen
und verbesserter Wettbewerbsfähigkeit liegen (Schmitt/Klinke/Rohn 2011, S. 62 ff.). Hier
sind Einsparungen beim Ressourcenverbrauch (Material und Energie) und bei Folgekosten
wie etwa der Entsorgung von Abfällen oder beruflich bedingten Krankheiten der Mitarbeiter/innen zu nennen (vgl. Erdmenger et al. 2005, s. auch Busch/Orbach 2003). Neben dem
Zugewinn an wirtschaftlichem und ökologischem Nutzen bedeutet die Steigerung der
Ressourceneffizienz zudem auch einen Zuwachs an gesellschaftlicher Akzeptanz durch den
schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen. Zudem verbessern Unternehmen durch
die Nutzung neuer Technologien und innovativer Organisationskonzepte, die zur
Ressourceneffizienzsteigerung notwendig sind, die eigene Stellung im Wettbewerb und
werden attraktiv für qualifizierte Beschäftigte. Aus ökonomischer Perspektive soll
Ressourceneffizienz im Unternehmen dabei zu einer Gewinnsteigerung, der Einsparung von
Kosten und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Aus ökologischer
Perspektive zeigt sich eine erfolgreiche Umsetzung und Implementierung von
Ressourceneffizienz im Unternehmen z. B. in der Einsparung von Material, Wasser und
Energie, der Erhöhung der Ressourcenproduktivität oder der Vermeidung von toxischen
Stoffen (vgl. EFA/WI 2001, S. 13; Dreuw/Bliesner/Rohn, S. 19 f.).
Tabelle 1 verdeutlicht die wesentlichen Anwendungsfelder von Ressourceneffizienz in
Unternehmen12:
Anwendungs- und
Wirkungsfeld
Ausprägungen von Ressourceneffizienzmaßnahmen
in Unternehmen
Strategische Planung
Berücksichtigung in der Unternehmenspolitik (nach innen (z.B.
Unternehmensleitbild) und außen)
Strategieentwicklung für ressourceneffiziente Technologien, Produkte
und Dienstleistungen
Strategie für Ressourcenmanagement
Investitionen und Finanzierung
Investitionen in Technologien, Forschung & Entwicklung sowie
Produktlinien
Personalmanagement und -entwicklung Kompetenzentwicklung und Qualifizierung (fachlich und methodisch)
Produkt- bzw.
Optimierung bestehender Produkte und/oder Dienstleistungen
Dienstleistungsentwicklung
Entwicklung von ressourceneffizienten Produkten und/oder
Dienstleistungen und deren Design
12
Für praktische Umsetzungsbeispiele von Anwendungsfeldern für Ressourceneffizienz z.B. für die Bereiche
Material- und Energieeffizienz siehe Ausführungen des PIUS Netzwerks unter www.pius-info.de oder des
NeRess-Netzwerks unter www.netzwerk-ressourceneffizienz.de)
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Produktion
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Optimierung/Entwicklung von Produktionsprozessen bzw.
Dienstleistungen und deren Prozessen
Optimierung/Entwicklung von Abläufen und Technologien (z.B. zur
Einsparung von Wasser, Energie oder Abfall)
Operatives Ablaufmanagement
Identifizierung und Priorisierung von Stoffstrom- und Kostenoptimierung
Ressourceneffizientes Produktinnovationsdesign bzw.
Dienstleistungsinnovationsdesign
Marketing und Kommunikation
Kundeninformation
Produktkennzeichnung
Umwelt-/Nachhaltigkeitsbericht
Tabelle 1: Anwendungsfelder für Ressourceneffizienz im Unternehmen. Quelle: Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S.
20; in Anlehnung an EFA/WI 2001, S. 34.
Ressourceneffizienz findet demnach nicht nur in der Produktentwicklung und Produktion
Anwendung, sondern ist für nahezu alle strukturellen und prozessualen Ebenen und Abläufe
eines Unternehmens von Relevanz. Für KMU, die ausdrücklich an der im Projektverlauf
aufzubauenden Strategischen Allianz ADMIRe A3 beteiligt werden sollen, gelten auch im
Hinblick auf die Umsetzung von Ressourceneffizienz zum Teil besondere Voraussetzungen,
die im folgenden Kapitel erläutert werden (vgl. Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 20 f.).
2.6.2.2 Ressourceneffizienz in KMU
Ein Großteil der in den letzten 15 Jahren entwickelten Konzepte zur Steigerung der
Ressourceneffizienz
wird
trotz
praktikabler
Anwendungs-,
Beratungsund
Fördermöglichkeiten in KMU oftmals nicht angewandt (vgl. Onischka et al. 2008;
Schmitt/Klimke/Rohn 2011). Gründe hierfür können in den Besonderheiten kleinerer und
mittlerer Unternehmen gesucht werden. Bevor Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit
in den Fokus des Mittelstandes rücken, sind zunächst existenziellere Fragen, wie die
Finanzierung des Unternehmens, Personalmangel oder Standortfragen, von Bedeutung.
Während Großunternehmen häufig über ein Umweltmanagementsystem verfügen, das
weitere Schritte hin zu mehr Ressourceneffizienz erleichtert, gibt es dieses in KMU meistens
nicht. Ein derart umfassendes Managementsystem einzuführen ist zeit- und kostenintensiv
und erschwert somit diesen Prozess besonders für kleinere und mittlere Unternehmen. Hinzu
kommt, dass in KMU oftmals nicht genügend Informationen darüber vorhanden sind, dass
sich eine Verbesserung der Ressourceneffizienz positiv auf die Kosten eines Unternehmens
auswirkt und somit auch für KMU gewinnbringend ist. Ein weiterer Unterschied liegt in der
Zielsetzung und Umsetzung von Konzepten zur Steigerung der Ressourceneffizienz. In
kleinen und mittleren Unternehmen stehen grundlegendere Managementfragen, wie die
generelle Steuerung und Messung der Prozesse, oftmals im Vordergrund. Detailfragen zu
einzelnen Prozessen rücken dabei eher in den Hintergrund, da zunächst eine möglichst
effektive Verbesserung mit begrenztem Aufwand erreicht werden soll (vgl. Onischka et al.
2008). Da die Anwendung von Konzepten zur Steigerung der Ressourceneffizienz derzeit
noch punktuell vorgenommen wird, ergibt sich hieraus ein erhöhter Forschungsbedarf mit
besonderem Fokus auf die Umsetzung dieser Konzepte in KMU (Dreuw/Bliesner/Rohn 2011,
S. 23 f.).
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Als ein Schritt zur analytischen Schließung dieser Lücke kann eine Befragung von KMUGeschäftsführer/-innen und Berater/-innen im Rahmen des RessourcenKultur-Projekts
abgesehen werden. Diese Untersuchung fragt nach Ressourceneffizienzmaßnahmen in
KMU und den Treibern und Hemmnissen für die Umsetzung. Ein auffälliges
Befragungsergebnis ist die geringe Einbindung von Beschäftigten und deren Vertretungen
und
die
–
gegenüber
dem
Ziel
allgemeiner
Kostensenkungen
durch
Ressourceneffizienzmaßnahmen
–
eher
untergeordnete
Zielsetzung,
über
Materialkostensenkungen den Druck auf Personalkostensenkungen zu vermindern. Dies ist
insofern bemerkenswert, als gerade das Fachwissen und die Erfahrung der Beschäftigten
ein zentrales Element im Wettbewerb und bei der Sicherung des Standortes darstellen und
zudem Arbeitsplatzsicherheit der Vertrauensbildung dient. Zudem setzt eine systematische
Verankerung von Ressourceneffizienz in den Unternehmen die Einbindung aller
Beschäftigten und aller Funktionseinheiten voraus, was überwiegend nicht stattfindet. In
einigen Betrieben geschieht jedoch die Bildung von Gremien mit Personen aus
unterschiedlichen Hierarchiestufen und Funktionseinheiten, in denen das Know-how von
Geschäftsleitung und Mitarbeiter/-innen vernetzt wird. Was jedoch auf breiter Front fehlt, sind
Anreizsysteme für ressourceneffizientes Handeln auf individueller Ebene. Auch
Qualifizierungsaktivitäten für Ressourceneffizienz spielen eine untergeordnete Rolle, was zu
deutlichen Wissensdefiziten über das Thema insbesondere bei Beschäftigten und deren
Vertretungen führt. (vgl. Schmitt/Klinke/Rohn 2011, S. 85 ff.)
Der geringere Ressourcenverbrauch bedeutet für KMU nicht nur die Senkung der Kosten
und effizientem Einsatz von Roh- Betriebs- und Hilfsstoffen, er führt vor allem auch zu einer
erhöhten Wettbewerbsfähigkeit, zur Optimierung von Prozessabläufen, zur Verbesserung
der innovativen Unternehmensführung und er sichert und schafft moderne und
zukunftsfähige Arbeitsplätze, die wiederum qualifizierte Mitarbeiter/-innen für das
Unternehmen interessieren (vgl. Lemken et al. 2010b; Dreuw/Bliesner/Rohn, S. 24).
3 Nahtstellen
Im Folgenden werden Zusammenhänge von Ressourceneffizienz und Innovation diskutiert.
Weitere Querverbindungen der in diesem Projekt zentralen Themen Ressourceneffizienz,
strategische Allianzen und demografischer Wandel werden im Arbeitspapier zu strategischen
Allianzen behandelt.
3.1 Ressourceneffizienz und Innovation
Innovationsfähigkeit ist ein zentrales Kriterium bei der Steigerung der Ressourceneffizienz,
denn die Ressourceneffizienz kann nur dann gesteigert werden, wenn Unternehmen
ressourceneffizientere Produktionsverfahren oder Produkte bzw. Dienstleistungen
entwickeln.
Ideen, die in neue Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren umgesetzt werden (Invention),
die tatsächlich erfolgreiche Anwendung finden und den Markt durchdringen (Diffusion13),
werden als Innovationen bezeichnet (vgl. Schumpeter 1993). Schumpeter (1964, S. 100 f.)
klassifiziert Innovationen anhand von fünf Aspekten:
13
Zur großen Bedeutung der Diffusion für erfolgreiche Nachhaltigkeitsinnovationen siehe
Clausen/Fichter/Winter 2011.
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•
•
•
•
•
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die Herstellung eines neuen Produkts oder einer besseren Produktqualität,
die Implementation einer neuen Produktionsmethode,
die Erschließung eines neuen Absatzmarktes,
das Ausfindigmachen neuer Bezugsquellen und
die Realisierung einer Neuorganisation.
Dieses Innovationsverständnis ist stark technisch geprägt. Innovation kann jedoch auch in
einem sozialen Sinne verstanden werden. So gehen Innovationen mit der Etablierung neuer
durch Überwindung bestehender Prämissen und der Fähigkeit zur Veränderung und zur
Lösung
von
grundlegenden
Verfahrensund
Organisationsproblemen
(vgl.
Hartmann/Brentel/Rohn 2006, S. 19) und also mit Prozessen des individuellen oder
organisationalen Lernens einher. Die Kunden der Produkte oder Dienstleistungen wiederum
können mit ihrem Verhalten als Treiber von Innovationen wirken und werden umgekehrt
ihrem Verhalten, insbesondere in ihren Konsummustern, von Produkt- und
Dienstleistungsinnovationen beeinflusst (ausführlich zur Bedeutung des Konsums für die
Steigerung der Ressourceneffizienz: Kristof/Süßbauer 2009). Eine Engführung von
Innovation auf technische Aspekte führt zu Blindstellen in der Bewertung der Folgen neuer
Produkte und Verfahren. So müssen konsumseitige Verhaltensmuster, die sich aus
technischen Neuerungen ergeben, mitbedacht werden, um Strategien zur Vermeidung der
oben angesprochenen Reboundeffekte entwickeln zu können14.
Eine Ressourceneffizienzinnovation kann daher definiert werden als Entwicklung und
Durchsetzung einer technischen, organisationalen, institutionellen oder sozialen
Problemlösung, die über die Senkung des Ressourceninputs pro Serviceeinheit (s. o. MIPS),
über die Vermeidung von Überfluss und Verschwendung durch veränderte Produktions- und
Konsummuster (s. o. Suffizienz) und/oder über die Gestaltung geschlossener Stoffkreisläufe
(s. o. Konsistenz) zur absoluten Reduktion der Ressourcenextraktion führt und damit zum
Erhalt kritischer Naturgüter und letztlich zu global und langfristig übertragbaren
Wirtschaftsstilen und Konsumniveaus beiträgt. (in Anlehnung an die Definition zu
„Nachhaltigkeitsinnovationen“ in Clausen/Fichter/Winter 2011, S. 9)
Der Grad, in dem soziale Handlungsmuster verändert werden und technische Innovationen
zu sozialen Innovationen (systemischen Umfangs) werden, hängt wesentlich von der
Innovationshöhe ab. Während inkrementelle Innovationen, also Verbesserungen von
14
Paech (2005) verweist auf die den technischen Innovationen innewohnenden Gefahren durch
Rebound-Effekte (S. 111 ff.), die dazu beitrügen, dass Innovationen nicht zu einer nachhaltigen
Entwicklung mit insgesamt deutlich reduzierter Ressourcenextraktion führten. Des weiteren sei die
Fixierung auf Innovation insgesamt abzulehnen, da diese wie in einem sich immer schneller
drehenden Karussell mit der Lösung eines Problems mehrere neue (auch ökologische) schüfen, zu
deren Lösung wiederum immer neue Innovationen nötig seien (pointiert dargestellt in Paech 2010, S.
12 f.). Hierbei verengt der Autor jedoch den Innovationsbegriff zu stark auf dessen technischen
Aspekt. Wie dieses Papier zeigt, ist auch der von Paech geforderte Übergang in ein nicht durch
Wachstum definiertes Wohlstandsmodell von Innovationen, nämlich sozialen Innovationen, abhängig.
In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff der Exnovation zu sehen, also das Abschaffen nichtnachhaltiger Lösungen, dessen Relevanz für eine nachhaltige Entwicklung Paech betont, und der
auch unabhängig von Innovationen zu denken sei in dem Sinne, dass nicht immer gewartet werden
könne, bis Besseres vorliege, um Schlechtes abzuschaffen (vgl. 2005, S. 253 f.). Innerhalb der Logik
des in diesem Papier entfalteten Innovationsbegriffs können denkbare Exnovationen, auch wenn sie
nicht unmittelbar mit der Substitution durch technische Innovationen verbunden sind (z. B. die
ersatzlose Stilllegung von Kohlekraftwerken mit der Folge einer niedrigeren zur Verfügung stehenden
Strommenge oder die Substitution energieintensiver Nahrungsmittel durch heimische und saisonale)
eben durchaus auch als soziale Innovationen begriffen werden. Daher wird in diesem Papier der
Begriff der Exnovation nicht weiter verfolgt, sondern als integraler Teil des Innovationsgeschehens
begriffen.
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Produktionsabläufen und Produktspezifikationen, im Wesentlichen auf ihren technischen
Aspekt beschränkt bleiben, können radikale Innovationen – beispielsweise neuartige
Produkte, aber auch grundlegende Neuerungen in den Produktionsabläufen – die
Entstehung neuer Märkte induzieren und mit einem auf ihr Technikfeld begrenzten
Strukturwandel verbunden sein. Setzen sich viele radikale und inkrementelle Innovationen in
vielen verschiedenen Unternehmen durch, kann sich durch die daraus folgende Entstehung
neuer oder Neuausrichtung bestehender Branchen Veränderungen des technologischen
Systems oder gar der langfristigen techno-ökonomischen Paradigmen entwickeln. (vgl.
Hafner/Miosga 2012)
Ein Beispiel für eine inkrementelle Innovation im Bereich der Ressourceneffizienz könnten im
einfachsten Fall Änderungen an den Betriebseinstellungen einer Maschine sein, in deren
Folge weniger Energie und Material verbraucht werden. Auch eine neue Maschine, die durch
verbesserte Produktspezifikationen ressourceneffizienter arbeitet, wird in aller Regel in die
Kategorie der inkrementellen Innovationen fallen. Eröffnet eine Maschine jedoch gänzlich
neue Möglichkeiten der ressourceneffizienten Produktion – beispielsweise ein Roboter, der
wesentlich präziser arbeiten kann als ein Mensch –, und hat sie dadurch im Sinne einer
organisatorischen und sozialen Innovation erhebliche Auswirkungen auf das (Arbeits-)Leben
von Menschen, ließe sich eine solche Maschine aber auch als radikale Innovation
klassifizieren. Als Beispiel für ein Konsumprodukt als – seit Jahrzehnten etablierte – radikale
Innovation könnte die Pfandflasche angeführt werden. Diese beeinflusst das Verhalten von
Konsumenten dahingehend, dass diese die leeren Flaschen nicht (zumindest nicht in dem
Maße wie bei Einwegflaschen) wegwerfen, sondern zurückgeben. Dies erfordert eine
Infrastruktur, was Rücknahme, Reinigung und Redistribution betrifft, ist also Grundlage von
Geschäftsfeldern, die ohne dieses Produkt nicht existieren würden.
Das Beispiel der Pfandflasche ist auch deshalb gewählt, weil es im Kleinen das Prinzip
„Nutzen
statt
Besitzen“
verwirklicht.
Diesem
Prinzip
werden
erhebliche
Ressourceneffizienzpotenziale zugeschrieben15 (vgl. u. a. Scholl et al. 2010). Hierbei geht es
nicht nur um einfache Konsumprodukte, sondern um Produkt-Service-Systeme (PSS), die
auch für den Business-to-Business- (B2B-)Bereich entwickelt werden können. Dabei stehen
Anbieter vor der Aufgabe, ihre gewöhnlich absatzorientierte Unternehmensstrategie auf eine
Serviceorientierung umzustellen, das heißt die Kunden während der Nutzungsphase des
Produktes zu begleiten und nach der Nutzungsphase ein Re-Design des Produktes
durchzuführen. Als Beispiele werden PSS im Bereich von Montageanlagen, in Form von
Wiederverwendungen von Robotern und in Gestalt des Chemical-Leasing oder des
Berufsbekleidungs- und Wäscheverleihs genannt (vgl. Rohn/Pastewski/Lettenmeier 2010,
S. 21 f.).
Im
Kapitel
3.1.3
werden
Praxisbeispiele
für
weitreichende
Ressourceneffizienzinnovationen veranschaulicht.
Während Schumpeter die Rolle des schöpferischen (und schöpferisch zerstörerischen, vgl.
Schumpeter 1943, S. 81ff.) Unternehmers betonte, der Innovationen durchsetzt, bis sie
durch Nachahmer zur allgemeinen Routine geworden sind (Schumpeter 1939), betrachten
neuere Ansätze Innovation nicht als Entscheidung eines einzelnen Individuums, sondern
verstehen sie als in ein Innovationsnetzwerk oder Innovationssystem eingebettet (vgl. BlättelMink/Renn 1997; 2003). Ein solches Innovationssystem ist meist durch hoch motivierte
MitarbeiterInnen, einen großen inhaltlichen Zusammenhalt, einer verhältnismäßig losen
15
Auch im Konzept von Eigentum ersetzenden Dienstleistungen kann es allerdings zu
Reboundeffekten infolge vermehrter oder zusätzlicher Nutzung kommen, weswegen „Nutzen statt
besitzen“ nicht zwangsläufig und in jedem Zusammenhang das ressourceneffizientere Prinzip im
Vergleich zum klassischen Konsumeigentum ist (vgl. Scholl et al. 2010, S. 8 f.).
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Kopplung zwischen den Systemeinheiten bzw. Gruppierungen und beträchtlicher
Lernkompetenz charakterisiert (Renn 2003: 7). Daher werden nicht zuletzt strategische
Allianzen und andere Formen von Netzwerken als Orte gesehen, in denen gute
Rahmenbedingungen für Innovationen vorhanden sind bzw. geschaffen werden können (vgl.
u.a. Lemken et al 2010a). Auch zur Realisierung von Nutzen-statt-Besitzen-Konzepten
empfehlen Scholl et al. (2010, S. 9) die Bildung von strategischen Allianzen, da es sich bei
diesen Konzepten oft um eine Kombination technischer und sozialer Innovationen handelt
und dementsprechend breit aufgestellte Netzwerke von Veränderungsakteuren wichtig sind.
Für die Konzeption der ADMIRe-Allianz bedeutet dies, eine Akteurskonstellation zu schaffen,
in denen Change Agents aus verschiedenen Wertschöpfungsstufen repräsentiert sind, und
den institutionellen Rahmen so zu gestalten, dass die Akteure die Chance haben, auch
radikale Innovationen, die Kernaspekte des bisherigen – absatzorientierten –
unternehmerischen Handelns hinterfragen, durchzusetzen. Weitere Vorüberlegungen für
Konzeptionsoptionen der zu etablierenden strategischen Allianz ADMIRe finden sich im
Arbeitspapier „Strategische Allianzen“.
Innovationen für Ressourceneffizienz scheinen in der Regel den gleichen Bedingungen wie
generelle Innovationen in Unternehmen zu unterliegen (zu den Anwendungsfeldern und
Besonderheiten von Ressourceneffizienzinnovationen in Unternehmen siehe Kapitel Fehler!
Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.). Diese Bedingungen treiben Innovationen
für Ressourceneffizienz voran bzw. ermöglichen sie, oder stellen Hindernisse und
Beweggründe dar, dass Innovationen solcher Art nicht oder nur in Teilen zur Umsetzung
gelangen. Hinsichtlich internen und externen Hemmnissen bzw. förderlichen Bedingungen
von Ressourceneffizienzinnovationen kann festgestellt werden, dass Informationen
genereller Art zu Hemmnissen und förderlichen Bedingungen der Innovationstätigkeit von
KMU überwiegen und Informationen zu den fördernden und hemmenden Bedingungen für
Innovationen speziell aus dem Bereich der Ressourceneffizienz unterrepräsentiert sind.
Informationen dazu liegen hauptsächlich zu den Spezifika von Umweltinnovationen generell
vor
(siehe
beispielsweise
ZIT
2004).
Zur
Forschung
zu
Spezifika
von
ressourceneffizienzrelevanten Innovationen hat beispielsweise das BMBF-Projekt
Materialeffizienz & Ressourcenschonung (MaRess) beigetragen. Im Arbeitspaket 4 (Liedtke
et
al.
2010)
wurden
folgende
Hemmnisse
bei
der
Umsetzung
von
Ressourceneffizienzinnovationen in Unternehmen identifiziert (vgl. Dreuw/Bliesner/Rohn
2011, S. 25):
•
•
•
Die Innovationskultur: hier besteht insbesondere eine unzureichende Qualifikation
von Management und Mitarbeiter/-innen, die zu mangelnden Marktinformationen und
Verantwortlichkeiten führt,
Defizite der externen Rahmenbedingungen: dies betrifft die Strukturen und
Dynamiken auf den Kapitalmärkten, die Innovationsberatung als auch die
Förderstrukturen,
Die Effektivität von Förderprogrammen hinsichtlich Ressourceneffizienz und
Innovationsfähigkeit ist oft nur unzureichend in der Fördersystematik umgesetzt.
(Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 25)
Bei vielen Akteuren auf politischer wie auch unternehmerischer Ebene fehlt es jedoch schon
am grundlegenden Bewusstsein für die Notwendigkeit von Ressourceneffizienzinnovationen.
Folgende Hemmnisse für die Bildung eines solchen Bewusstseins können angeführt werden:
•
Komplexität: fehlendes systemisches Verständnis von Ressourceneffizienz bei
unternehmensnahen Akteuren, sowohl in technischer als auch in sozialer Hinsicht,
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•
•
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Kommunikation:
Sprachund
Verständigungsschwierigkeiten
aufgrund
unterschiedlicher fachlicher und gruppenbezogener Hintergründe,
Unterstützungsstrukturen: die Passgenauigkeit von Förder-, Beratungs- und
Bildungsangeboten ist nicht gewährleistet (Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 26).
Ferner sind in einem Discussion Paper des ZEW (Rennings/Rammer 2009) katalytische
Rahmenbedingungen für Energie- und Ressourceneffizienz-Innovationen dargestellt. Diese
sind vor allem ausreichende FuE-Budgets, eine gute Forschungsinfrastruktur und Netzwerke
mit anderen Firmen (Rennings/Rammer 2009, S. 1; Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 26).
Betrachtet man die Innovativität von Unternehmen, lassen sich grundsätzlich „offene“ und
„geschlossene“ Organisationen unterscheiden (vgl. Gebert/Boerner/Lanwer 2001).
Organisationen, die sich durch Dezentralisierung, flache Hierarchien, einen geringen
Formalisierungsgrad und aktive Mitgestaltung durch die Mitglieder sowie Chancengleichheit
auszeichnen, werden als „offen“ bezeichnet. Studien belegen dabei, dass der Grad der
Offenheit (bis zu einem bestimmten Grad) mit der Innovativität eines Unternehmens korreliert
(vgl. Martins/Fehsenfeld/Nerdinger 2007.132f; Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 26). Eine
solche Offenheit ist eine Voraussetzung für die Vernetzung von Unternehmen in Form von
strategischen Allianzen. Die oben angesprochene Bedeutung von Vernetzungsaktivitäten für
Ressourceneffizienzinnovationen, die sich auch im Selbstverständnis des Netzwerks
Ressourceneffizienz
widerspiegelt
(s.
http://neress.de/themenspiegel/stichworte/stichwort.html?tx_tknews_fe1%5Bpost%5D=90&c
Hash=796503b409a509f523b136b0f0e36de2).
Ein
Grund
für
die
Wichtigkeit
unternehmerischer Kooperation gerade im Bereich der Ressourceneffizienzinnovationen
dürfte darin liegen, dass Ressourceneffizienz trotz der großen Präsenz des Themas im
politischen und wissenschaftlichen Diskurs und in Verlautbarungen und Veranstaltungen von
Verbänden, Wirtschaftsförderern und anderen Intermediären noch immer in weiten Teilen
der Wirtschaft kein Mainstream-Thema ist. So sieht sich die Minderheit der in einer Umfrage
des VDI ZRE aktuell oder zukünftig vor Probleme mit knappen Ressourcen gestellt (vgl. VDI
ZRE 2011, S. 9 ff.). Die ökonomische Notwendigkeit der Steigerung der Ressourceneffizienz
wird also noch nicht auf breiter Front erkannt, das Thema daher tendenziell noch eher unter
dem ökologischen Aspekt betrachtet, was in Teilen der Unternehmerschaft zu
Abwehrreaktionen führt. Gleichzeitig kann es von Seiten der Belegschaft zu Widerständen
kommen, wenn der Begriff der „Effizienz“ – insbesondere, wenn er durch externe Berater ins
Unternehmen hineingetragen wird – aufgrund von Erfahrungen mit dem Abbau von
Personalressourcen mit dem Ziel der Effizienzsteigerung „verbrannt“16 ist. In diesem Klima,
in dem das Streben nach Ressourceneffizienzinnovationen kein Selbstläufer ist, kann die
Bildung strategischer Allianzen dazu führen, dass zunächst skeptische Unternehmen von
„Pionieren“ mitgezogen werden – schließlich lassen sich Unternehmer am ehesten von guten
Erfahrungen anderer Unternehmer animieren17. Insbesondere im Bereich radikaler
Innovationen, die sich beispielsweise am Konzept des Nutzen statt Besitzen orientieren und
damit die Umdeutung zentraler Zielsetzungen verlangen, steigen die Chancen auf eine
Umsetzung, wenn mehrere Akteure Win-win-Situationen in der neuen Strategie erkennen
und damit auch die individuellen Risiken, die sich aus einer strategischen Umstellung
16
Dieser Hinweis wurde von einem Gewerkschaftsvertreter auf einem Expertenworkshop der
Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Titel „Betriebliche Instrumente zur Steigerung der
Ressourceneffizienz in KMU und bestehende Beratungsmöglichkeiten“ geäußert.
17
Diesem Gedanken, der von Praktikern und praxisnahen Intermediären auf einschlägigen
Workshops immer wieder geäußert wird, folgen auch die Good- und Best-Practice-Datenbanken von
u. a. EFA (http://www.efanrw.de/index.php?id=56) und demea (http://www.demea.de/was-istmaterialeffizienz/good-practice).
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ergeben, minimieren (zum Zusammenschluss von Unternehmen zwecks Risikominimierung
bei Umweltinnovationen siehe das Arbeitspapier zu strategischen Allianzen:
Engelmann/Merten 2012, S. 65).
In den folgenden Kapiteln 3.1.1 und 3.1.2 werden fördernde und hemmende Bedingungen
für Ressourceneffizienzinnovationen dargestellt. Abbildung 6 zeigt eine Übersicht über
wesentliche fördernde und hemmende externe und interne Bedingungen von Innovationen
für Ressourceneffizienz.
Abbildung 6:
Fördernde und
hemmende Bedingungen für Innovationen im Bereich Ressourceneffizienz, Quelle: Dreuw/Bliesner/Rohn
2011, S. 27).
3.1.1 Fördernde und hemmende Bedingungen für Innovationen im
Bereich Ressourceneffizienz
Wesentliche fördernde und hemmende unternehmensexterne Bedingungen für die
Innovationstätigkeiten von KMU im Bereich Nutzung der Potenziale von Ressourceneffizienz
kommen aus den Bereichen Politik, Markt und Gesellschaft und werden somit an das
Unternehmen von außen herangetragen. Andere fördernde Bedingungen für Innovationen im
Bereich Ressourceneffizienz liegen in einer innovationsförderlichen Unternehmenskultur und
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der Nutzung der Innovationspotenziale innerhalb des Unternehmens vor allem durch
Qualifizierung und Mitarbeiterbeteiligung. Die Bereitschaft und Fähigkeit von Unternehmen,
Innovationen zu generieren, kann dabei als Aspekt der Lern- und Anpassungsfähigkeit
gesehen werden (vgl. Reick et al. 2007.51; Hartmann et al. 2006). Diese Lern- und
Anpassungsfähigkeit kann im Rahmen einer groben Systematisierung auf individueller
Ebene (Lernfähigkeit, Kompetenzentwicklung, Qualifizierung) und auf der sozialen Ebene
der Interaktion (Unternehmenskultur) betrachtet werden. Wesentliche hemmende
unternehmensinternen Bedingungen für die Innovationstätigkeiten von KMU im Bereich
Ressourceneffizienz liegen u. A. in den Charakteristika von Veränderungsprozessen, in
organisationalen Strukturen und kommunikativen Abläufen in Unternehmen, mangelnden
Kenntnissen und Kompetenzen, wobei sich die Sicht auf die Hemmnisse nach Arbeitgeberund Arbeitnehmerperspektive unterscheidet.
Sowohl in Bezug auf Erfolgsfaktoren, die von außen auf das Unternehmen wirken, als auch
hinsichtlich der unternehmensintern zu verortenden erfolgskritischen Bedingungen können
Unternehmen von Kooperationen und Vernetzungen profitieren. Im Bereich der externen
Faktoren spielen dabei u. a. die marktverändernden Wirkungen einer strategischen Allianz
zum gegenseitigen Nutzen der Mitglieder eine Rolle, gegebenenfalls aber auch eine größere
Sichtbarkeit, mit der der politische und gesellschaftliche Diskurs beeinflusst werden können.
Ebenso sind unternehmensinterne Veränderungen möglich, die sich z. B. aus gemeinsamem
Lernen durch Erfahrungsaustausch und allianzweit nutzbare Qualifizierungsangebote
ergeben. Zur innovationsförderlichen Funktion von Kooperationen geht das Arbeitspapier zu
strategischen Allianzen näher ein.
3.1.1.1 Finanzielle Förderung seitens der Politik
Die Anreize durch finanzielle Förderung seitens der Politik werden von Unternehmen in der
Regel zwar als Treiber empfunden (vgl. Reinhardt 2010, S. 10), die finanziellen Mittel
scheinen aber nicht immer bis zum Stadium der tatsächlichen Verwendung im Unternehmen
zu gelangen – bürokratische Hürden und mangelnde zeitliche Ressourcen und Know-how in
KMU können die Akquise von Fördergeldern erschweren (vgl. UBA/BMU 2008a, S. 100; ZIT
2004, S. 24). So stellt eine Studie vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und
der Freien Universität Berlin im Auftrag des UBA heraus, dass die meisten
Fördermaßnahmen des Bundes
zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für
Innovationen speziell auf KMU ausgerichtet sind (vgl. UBA/BMU 2008a, S. 100) –
gleichzeitig wird einschränkend aber festgestellt, dass die Hürden für die Beantragung und
Durchführung von innovativen Maßnahmen im Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich durch
mangelnde finanzielle und zeitliche Ressourcen in KMU oft so hoch sind, dass viele KMU
letztlich keinen Zugang zu diesen Fördermöglichkeiten bekommen (vgl. UBA/BMU 2008a,
S. 100). Diese Ergebnisse werden durch eine weitere Studie gestützt, bei der ca. 62 % der
KMU, die über hemmende Einflüsse bei ihren Innovationsbemühungen befragt wurden,
mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten angegeben haben und die Kosten für
Innovationsbemühungen beklagen (vgl. KfW 2009, S. 60). Dies gilt insbesondere für die
Branchen Baugewerbe und Handel (vgl. KfW 2009, S. 64). Auch in Interviews, die im
Rahmen des MaRess-Projekts geführt wurden (Görlach/Zvezdov/Schmidt 2010, S. 39),
wurde einerseits das bestehende Förderangebot sowohl von den befragten Intermediären
als auch Unternehmen als gut sowie ausreichend eingeschätzt, andererseits würden
bestehende Fördertöpfe nicht ausgeschöpft. Insgesamt stellten Förderungen keinen
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primären
Entscheidungsfaktor
im
(Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 27 f.).
Rahmen
von
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Innovationsvorhaben
dar
Als Hemmnisse im Förderkontext wirkten insbesondere die folgenden Aspekte:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Förderwirrwarr (Intransparenz bzw. mangelnde Bekanntheit)
Praxisferne bzw. mangelnde Berücksichtigung unternehmerischer Interessen
Mittelfluss
Förderbedingungen
Bürokratie
Die bestehenden Fördertöpfe pflegen eine Ko-Existenz; die Themen Energie,
Innovation und Materialeffizienz laufen getrennt
Fördergelder fließen insbesondere in die Klima- und Energiethematik
Zuschüsse und Gutscheine werden gegenüber Krediten als Förderinstrumente
bevorzugt
Es wird vor einer Förderinflation gewarnt; bevor neue Förderungen aufgelegt werden,
sollte über die Ausgestaltung bestehender Programme entschieden werden.
(Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 28)
In Hinblick auf finanzielle Gegebenheiten einer Unternehmung kann zudem festgestellt werden, dass die Diskrepanz zwischen kurzfristigen Geschäftszielen und langfristigen und ggf.
unsicheren Investitionen in Innovationen für Ressourceneffizienz ebensolche oft verhindert
(vgl. ZIT 2004, S. 24). Zur Umsetzung von Innovationen im Ressourceneffizienzbereich wird
wiederholt festgestellt, dass die finanzielle Unsicherheit, insbesondere auch hinsichtlich der
Verfügbarkeit von externem Kapital z. B. in Form von Bankkrediten oder externem
Eigenkapital, zugenommen hat (vgl. Onischka 2010; EFI 2009, S. 9). Im Zusammenhang mit
den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise fürchten Unternehmer ebenso zusätzlich die
Konsum- und Investitionszurückhaltung ihrer Kunden/-innen (vgl. EFI 2009, S. 9; KfW 2009,
S. 20). Als Hemmnisse für die Innovationstätigkeit von Unternehmen seitens der Politik
werden zudem die Trägheit politischer Prozesse und der einseitige Umweltpolitik-fokus auf
einzelne Technologien oder individuelle Akteure identifiziert (vgl. ZIT 2004, S. 24). Im
internationalen Vergleich mit den anderen Industriestaaten ist festzuhalten, dass Deutschland von 17 Plätzen nur Platz 7 in Bezug auf externe Finanzierungsbedingungen wie z. B.
Kredite belegt (vgl. Deutsche Telekom Stiftung/BDI 2009.66; Dreuw/Bliesner/Rohn 2011,
S. 28 f.).
Eine Umfrage des VDI ZRE zu Treibern und Hemmnissen bei der Inanspruchnahme
öffentlicher Förderprogramme zur Steigerung der Ressourceneffizienz relativiert jedoch die
Bedeutung der Ausgestaltung dieser Fördermöglichkeiten und verweist überwiegend auf
unternehmensinterne Faktoren, die Unternehmen davon abhalten, solche Fördergelder zu
beantragen. Demnach scheuen Unternehmen die Offenlegung von Betriebsgeheimnissen,
den Einsatz externer Berater und die starke zusätzliche Belastung des Personals und ziehen
den Erfolg der mit den Förderungen verbundenen Maßnahmen in Zweifel. Lediglich die
komplizierte Antragsstellung wird als relevantes Hemmnis genannt, das unmittelbar der
Ausgestaltung der Förderung zuzurechnen ist. Finanzielle Aspekte wie die Höhe und die
lange Amortisationszeit der aufzubringenden Investitionen – was auf ein mangelndes
Fördervolumen schließen ließe – spielen dagegen eine weniger wichtige Rolle (vgl. VDI ZRE
2011, S. 22f.).
Die in Kapitel 2.6.2.2 bereits zitierte Befragung von Geschäftsführern und
Ressourceneffizienzberatern hebt zwar, im Unterschied zur VDI-ZRE-Studie, die relativ
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große Bedeutung staatlich geförderter Ressourceneffizienzprojekte bei der systematischen
Verankerung
von
Innovationsprozessen
in
den
Unternehmen
hervor
(vgl.
Schmitt/Klinke/Rohn 2011, S. 66, 83), letztlich stehen aber auch der RessourcenKulturBefragung zufolge überwiegend unternehmensinterne, meist betriebswirtschaftliche
Erwägungen im Zentrum der – meist reaktiven – Beschäftigung mit Ressourceneffizienz
(Schmitt/Klinke/Rohn 2011, S. 85 f.).
Auch die in VDI-ZRE-Umfrage ermittelten wichtigsten Treiber (vgl. VDI ZRE 2011, S. 19f.)
liegen überwiegend im Bereich unternehmensinterner Faktoren, auf die bei der Gestaltung
der Fördermöglichkeiten, sofern möglich, eingegangen werden sollte:
•
•
•
•
•
•
Erhöhung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit
Positive Auswirkung auf die Betriebskosten
Erfüllung von Kundenanforderungen
Einhaltung aktueller und künftiger gesetzlicher Vorgaben
Professionelle Analyse relevanter Unternehmensprozesse
Zugang zu externem Expertenwissen
In ihrem vorläufigen Resümee deuten die Autoren ein Mismatch zwischen Angebot und
Nachfrage an (unübersichtliches Angebot, zu starke Fokussierung auf den Beratungsansatz)
und fordern, „dass Barrieren und Vorurteile zwischen Unternehmen und öffentlicher Hand
dringend abgebaut werden müssen“ (VDI ZRE 2011, S. 30).
3.1.1.2 Betriebswirtschaftliche Motivation
Seitens des Marktes ergeben sich Anreize für ressourceneffizienzrelevante Innovationen vor
allem durch Absatzprobleme, verstärkten Wettbewerbsdruck, eine veränderte Kundennachfrage und das Wachsen neuer Märkte (vgl. ZIT 2004, S. 18-21) sowie die Möglichkeiten der
Kosteneinsparung. Der Erhalt und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit angesichts
neuer Märkte mit neuen Bedarfen kann den Druck auf KMU erhöhen, ihre
Innovationstätigkeit zu erhöhen (vgl. ZIT 2004.18-21). Laut BMU beträgt das Wachstum des
Marktes für Ressourcen- und Materialeffizienztechnologien jährlich etwa 8 % (vgl. BMU/UBA
2007), wobei der Anteil am Bruttoinlandsprodukt bis 2020 auf 14 % steigen soll (vgl. BMU
2009). Studien belegen, dass die Beschäftigtenzahlen im Bereich neuer Märkte und neuer
Technologien steigen (u.a. BMU 2009; Aachener Stiftung Kathy Beys 2005), und dass
ressourceneffizienzrelevante Innovationen zu Beschäftigungssicherung und neuen
Arbeitsplätzen beitragen können, wenn Kostensenkungspotenziale jenseits der Senkung von
Personalausgaben erschlossen werden. So würde eine lineare Absenkung der Material- und
Energiekosten um 20 % im Verlauf der nächsten 10 Jahre die Beschäftigung um ca. 700.000
Beschäftigte erhöhen und Löhne, Umsätze und Gewinne der Unternehmen würden steigen
(vgl. Aachener Stiftung Kathy Beys 2005; Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 29).
Fichter und Arnold (2003) stellen in einer Studie fest, dass Innovationen im Umweltbereich
allgemein in der Regel durch einen Kostendruck entlang der Wertschöpfungskette motiviert
sind (vgl. Fichter/Arnold 2003, S. 24 f.) und das vorrangige Ziel der Innovationsmaßnahmen
weniger der Umweltgedanke als eine Einsparung von Kosten im Material-, Energie- und
Entsorgungsbereich ist (vgl. ZIT 2004, S. 19). Der vorrangige Grund für Unternehmen,
Ressourceneffizienz umzusetzen, kann damit in betriebswirtschaftlichen Gründen gesehen
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werden (vgl. Görlach et al. 2009; S. 11). Aber auch das Wachstum und die Entstehung neuer
Zukunftsmärkte im Bereich der Ressourcen- und Materialeffizienztechnologien (vgl.
BMU/UBA 2007) stellt einen großen Motivator dar, Maßnahmen zur Ressourceneffizienz
umzusetzen . Daten und Vergleiche im europäischen Kontext, der in diesem Papier nicht
näher beleuchtet werden soll, liefern der Eco-Innovation Report (Reid/Miedzinski 2008) und
ein EU-Paper (Europäische Kommission 2009). Studien, die über den Anteil einer
intrinsischen Motivation bei der Initiierung und Umsetzung von RessourceneffizienzMaßnahmen
Auskunft
geben,
scheinen
eine
Forschungslücke
darzustellen
(Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 29 f.).
3.1.1.3 Zertifizierung, Normung und Standardisierung
Für Unternehmen, die effizient wirtschaften und die Außenwirkung ihres Unternehmens
verbessern wollen, kann eine Reihe ressourceneffizienzrelevanter Normen und Zertifikate,
wie beispielsweise die EMAS-Verordnung (Eco Management and Audit Scheme, auch „ÖkoAudit“ genannt) sowie die ISO-Normen für Umweltmanagementsysteme (DIN EN ISO 14001
sowie weitere mit nationaler Gültigkeit) und Ökobilanzierung (ISO 14040 und 14044) von
Interesse sein. Diese Instrumente erfassen die betriebliche Ressourcennutzung und können
so dazu beitragen, Kostensenkungspotenziale durch Ressourceneffizienz zu erschließen.
Die Zertifizierung des Unternehmens bei erfolgreich durchlaufenem Prozess kann zudem die
Außenwahrnehmung verbessern und eine gesteigerte Rechtssicherheit durch Prüfung
bieten, was letztlich auch den Umgang mit Umweltvorschriften erleichtert (vgl. Moosmayer et
al. 2009). Zu einem nicht unwesentlichen Teil scheint die Durchführung von größeren Audits
für KMU aber wegen mangelnden finanziellen und zeitlichen Ressourcen sowie fehlendem
Know-how schwierig zu sein (Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 30).
Als Problem wird in Teilen der Literatur (z. B. Peuckert 2011) das Fehlen einer speziell auf
das Thema Ressourceneffizienz ausgerichteten Industrienorm bzw. Normengruppe
angesehen, wobei europäischen Standards, die Konformitätskriterien und den anerkannten
Stand der Technik festlegen, eine enorme Bedeutung bei der Schaffung von
Rechtssicherheit beigemessen wird (vgl. Peuckert 2011, S. 50). Auch auf der Ebene
einzelner Themenblöcke mit hoher Ressourcenrelevanz wie z. B. Bauen und Recycling
spielen ökologische Aspekte bei Normungsaktivitäten eine untergeordnete Rolle (vgl.
Peuckert 2011, S. 50 f.), was aufgrund der damit verbundenen Unsicherheiten zu einem
Innovationshemmnis werden kann. Dies gilt umso mehr für Kompatibitätsstandards bei
unternehmensund
sektorübergreifenden
Prozessen,
die
rechtlich
und
unternehmensstrategisch aufgrund der verbreiteten Furcht vor ungewolltem Wissensabfluss
als besonders sensibel betrachtet werden. Auf der informellen Standardisierungsebene wird
hingegen die Entwicklung des VDI-Richtlinienwerks Ressourceneffizienz hervorgehoben. Da
die von VDI und DIN erarbeiteten BVT18-Blätter im Rahmen der europäischen
Industrieemissionsrichtlinie als wichtiges Instrument zur Förderung von Umweltinnovationen
betrachtet werden, wird die Hoffnung geäußert, dass eine ähnliche Regelung für
Ressourceneinsparungen in ressourcenintensiven Industrien dem Innovationssystem
Ressourceneffizienz Impulse geben kann (vgl. Peucker 2011, S. 51 f.). Da im Rahmen der
Konzeption und vor allem der Realisierung der strategischen Allianz im ADMIRe-Projekt die
in diesem Absatz aufgeworfenen, ressourceneffizienz- und kooperationsbezogenen Themen
auch im Hinblick auf umwelt- und wettbewerbsrechtliche u. dergl. Fragen eine Rolle spielen
dürften, wird die Entwicklung entsprechender Normungsaktivitäten, nicht zuletzt des VDI18
BVT = beste verfügbare Technik
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Richtlinienwerks Ressourceneffizienz, aufmerksam zu verfolgen und zu berücksichtigen sein,
auch um Innovationshemmnisse an dieser Stelle zu vermeiden.
3.1.1.4 Stakeholderanforderungen und Netzwerke
Neben den „internen Stakeholdern“ eines Unternehmens (Beschäftigte, Eigentümer) sind mit
Blick auf die externen fördernden und hemmenden Bedingungen hinsichtlich
Ressourceneffizienz vor allem die externen Stakeholder von Interesse. Zu diesen zählen
neben Staat und Gläubigern vor allem auch die Gesellschaft generell, die Lieferanten des
Unternehmens und dessen Kunden/-innen. Vor allem ein gesteigertes Bewusstsein und
neue Kenntnisse zu den Bereichen Umwelt und Nachhaltigkeit können seitens externer
Stakeholder auf die Unternehmen und ihr Image einwirken. Auch der Druck durch
zivilgesellschaftliche Akteure und die Medien nimmt zu und beeinflussen die
Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen (vgl. ZIT 2004, S. 18-21; Reinhardt 2010, S. 10;
Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 30 f.).
Eine weitere externe Einflussgröße zu Ressourceneffizienz in Unternehmen stellen
Diffusionsförderangebote dar, die Unternehmen unterstützen und anregen, ihr Wissen zum
Thema Ressourceneffizienz zu teilen und zu vermehren (vgl. Lemken et al. 2010b; Liedtke et
al. 2010; Görlach et al. 2009, S. 15). „Innovationsnetzwerke“ (vgl. Fichter/Beucker 2008)
können dabei als starker Treiber für die Innovationstätigkeit von Unternehmen auch im
Bereich Ressourceneffizienz wirken. Solche Netzwerke können z. B. die Diffusion von neuen
Technologien im Bereich Ressourceneffizienz erleichtern und stellen zudem für externe
Akteure eine Plattform dar, Unternehmen mit Informations- und Beratungsangeboten
erfolgreich zu adressieren.19 Es wird festgestellt, dass Unternehmen, die in Netzwerke
eingebunden sind und in ihrem Unternehmen organisationales Lernen und ein aktives
Wissensmanagement pflegen, eine wichtige Voraussetzung für die Etablierung einer
innovationsfreundlichen Wirtschaftsweise schaffen (vgl. WI 2006, S. 21; Fichter et al. 2007,
S. 11; Bandow et al. o.J., S. 1-24; für Grundlagenliteratur wie auch eine im Rahmen des
BMBF-Projektes StratAll erfolgte praxisnahe Ausarbeitung des Themenkomplexes siehe
Lemken et al. 2010a und Engelmann/Merten 2010; Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 30).
3.1.1.5 Soziale Interaktion: Unternehmenskultur, Beteiligung und Führung
Es lässt sich feststellen, dass die Umsetzung von Reorganisationen in Unternehmen, und
damit auch Maßnahmen der Innovation für Ressourceneffizienz, oft an intraorganisationalen
Widerständen scheitern, die sich in der Unternehmenskultur verorten lassen (vgl. Reick et
al. 2007, S. 51 ff.; siehe Hartmann et al. 2006, S. 64). Die Überwindung solcher
intraorganisationalen Widerstände stellt damit eine wesentliche fördernde Bedingung für das
Vorantreiben ressourceneffizienzrelevanter Innovationen dar. In diesem Zusammenhang
wird konstatiert, dass Innovationen nur schwerlich ohne die Beteiligung von den von der
Veränderung betroffenen Personen (Beschäftigte aber auch der Betriebsrat) im
Unternehmen umgesetzt werden können und eine Führungsaufgabe darstellen (Stadelmann
2004; Frommann 2000; Raich 2009; Anlauft et al. 2007; Klemisch/Rohn 2002), zumal in der
19
Ausführlich zur Diffusion von Nachhaltigkeitsinnovationen: Clausen/Fichter/Winter 2011. Dort wird
zwischen produkt-, adopter-, anbieter-, branchen-, politik- und pfadbezogenen Faktoren der
gelingenden Diffusion unterschieden, politikbezogenen Faktoren jedoch eine besondere Rolle
zugebilligt (vgl. Clausen/FichterWinter 2011, S. 89).
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Beteiligung eine Grund-lage für das Lernen in Reorganisationsprozessen gesehen werden
kann (vgl. Stuhldreier 2002, S. 138). Eine Beteiligungsorientierung eines Unternehmens
leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass sich Beschäftigte aktiv und engagiert einbringen
können, ihr Wissen in den Prozess einfließen lassen und innovative Ideen auch zur
generellen
Gestaltung
des
Innovationsprozesses
beitragen
(vgl.
Martins/Fehsenfeld/Nerdinger 2007, S. 131). Durch das Einbeziehen der Beschäftigten in die
Thematik der Ressourceneffizienzsteigerung und die dafür notwendigen Innovationen
erfahren diese eine Erweiterung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten. Zudem können
Mitarbeiter/-innen, die von sich aus nachhaltig handeln, diese „privaten“ Leitbilder und
intrinsische Motivation in Unternehmen mit einbringen. Im Umkehrschluss können
Lerneffekte aus dem Handeln am Arbeitsplatz auch in die Privatsphäre mit übernommen
werden (Rückkopplungseffekte). Beteiligung sollte dabei nicht als temporäres, sondern als
kontinuierliches Prinzip der Unternehmenskultur im Unternehmen verankert werden (vgl.
Anlauft et al. 2007, S. 144) (Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 32).
Nicht nur Qualifikationen und Kenntnisse fachlicher und methodischer Art über den
Innovationsgegenstand müssen dabei gebildet werden, auch eine Beteiligungsorientierung
kann von Führungskräften und Beschäftigten unterschiedliche und z. T. neu zu erwerbende
Kompetenzen erfordern. Beteiligung kann seitens der Beschäftigten eine notwendige
Kompetenzentwicklung bedeuten, die im Rahmen von Beteiligungsprozessen ihre
„Partizipationskompetenz“ ausbilden können (vgl. Anlauft et al. 2007, S. 144). Diese
Kompetenz können die Beteiligten in der alltäglichen Praxis (z. B. durch arbeitsintegriertes
Lernen) oder durch unterstützende Qualifizierungen entwickeln (vgl. Anlauft et al. 2007,
S. 144). Es wird festgestellt, dass Beteiligung die Unterstützung durch eine Führungskultur
notwendig macht, die Beteiligung als wesentlichen Bestandteil versteht (Stadelmann 2004;
Anlauft 2007; Frommann 2000; Raich 2009; Anlauft et al. 2007). In der Umsetzung bedeutet
dies die Gewährung von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen, klare und definierte
Ziele hinsichtlich des Rahmens der Beteiligung und Ressourcen wie Zeit, Entlastung und
Informationen (vgl. Anlauft et al. 2007, S. 144; Görlach et al. 2009, S. 22). Zu ergänzen ist,
dass die Führungsgrundsätze übereinstimmen müssen mit dem Werte- und Zielsystem in
der Unternehmenskultur, um authentisch wahrgenommen zu werden und auch langfristig
tragbar zu sein (vgl. Frommann 2000, S. 120-122). In Hinblick auf die soziale
Zusammenarbeit mit dem Ziel der Umsetzung von Ressourceneffizienz können KMU die
Vorteile, die sich aus flacheren Hierarchien und einen geringeren Formalisierungsgrad
gegenüber den Bedingungen in Großunternehmen auszeichnen, aktiv nutzen
(Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 32 f.).
3.1.1.6 Individuelle
Kompetenz
Widerstände:
Veränderung,
organisationales
Lernen
und
Hemmend für Innovationen im Bereich Ressourceneffizienz kann sein, dass die Umsetzung
von Innovationen für KMU zunächst einen belastenden Reorganisationsprozess darstellt,
dessen Rentierung mal mehr, mal weniger messbar und sicher ist (vgl. Stuhldreier 2002).
Insbesondere aus Sicht der Beschäftigten scheinen Veränderungsprozesse gerade bei
mangelnder Beteiligung durch die Geschäftsführung mit Befürchtungen hinsichtlich eines
erhöhten Arbeitsaufkommens, der Notwendigkeit einer Kompetenzentwicklung, dem Verlust
des Arbeitsplatzes oder finanzieller Einschnitte behaftet zu sein (vgl. Reinhardt 2010, S. 10 f;
Stuhldreier 2002, S. 146). Allgemein können sich Widerstände seitens Personen in
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Organisationen auch durch den „Frustrations-Regressions-Effekt“ ergeben. Dieser Effekt
beschreibt, dass Veränderungen in der Wahrnehmung von Beschäftigten eingeübte
Verfahrensweisen entwerten, und in der Folge eine Frustration einsetzt, die gekoppelt ist mit
einer rückwärts gewandten Reaktion hin zu den alten Verhaltens- und Verfahrensweisen
(vgl. Stuhldreier 2002, S. 147). In diesem Zusammenhang werden auch verwandte
hemmende Mechanismen beschrieben, wie zum Beispiel das Auftreten von „defensiven
Routinen“ oder Anzeichen von „Veränderungsträgheit“ (vgl. Hartmann et al. 2006). In
Hinblick auf die vorherrschenden organisationalen Strukturen und Abläufe im Unternehmen
kann überdies festgehalten werden, dass es Unternehmen häufig an kreativen und
innovativen Milieus mangelt, die aufgrund einer hierarchischer Struktur, interner Bürokratie,
einer fehlenden Feedback- und Lernkultur oder einer verschwiegenen Geschäftskultur eine
innovative Ideen-Kultur verhindern (vgl. ZIT 2004, S. 24; EFA/WI 2001, S. 37). Anzeichen
einer solchen „Innovationshemmenden“ Unternehmenskultur sind dabei eine ungenügend
ausgeprägte Lernkultur und ein falscher Umgang mit Fehlern und Kritik (vgl. Hartmann et al.
2006) (Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 33).
Wie schon im Kontext der Beteiligung angesprochen, können mangelnde personelle
Ressourcen bzw. fehlende Kenntnisse und Faktenwissen ebenfalls als hemmende
Einflussgrößen von Innovationen im Bereich Ressourceneffizienz angesehen werden (vgl.
EFA/WI 2001, S. 36) . Können die Unternehmen den Prozess der Innovation nicht allein
bewältigen, kann Hilfe in Form von externer Beratung notwendig werden, was zu einer
externen Abhängigkeit führen kann (vgl. Klemisch/Rohn 2002, S. 11 f.). Ein Merkmal von
Innovationen im Bereich Ressourceneffizienz im Unternehmen ist der technische Anspruch
von Veränderungsprozessen dieser Art (vgl. Görlach/Schmidt 2010, S. 7). Innovationen, die
sich auf Einsparungen von Material und die Verringerung von Emissionen beziehen,
erfordern bestimmte Fachkenntnisse und Qualifikationen der an der Umsetzung Beteiligten
und Kenntnisse über Einschätzungsverfahren für Risiko und Marktmöglichkeiten z. B. neuer
Produkte (vgl. ZIT 2004, S. 24). Generell kann die Thematik Ressourceneffizienz als sehr
komplex beschrieben werden und erfordert ein gutes Systemverständnis (vgl.
Görlach/Schmidt 2010, S. 7; Welfens et al. 2008 b.; Jäger 2007). In diesem Zusammenhang
können mangelnde Kenntnisse auch zu einer Überlastung von Beschäftigten und einer
sinkenden Motivation und Akzeptanz führen (vgl. BMU/IG Metall/WI 2006, S. 36). Generell
kann in Hinblick auf Innovationen festgehalten werden, dass der Mangel an Know-how und
Fachkräften einen nicht zu vernachlässigenden Faktor darstellt (vgl. KfW 2009). Zu ergänzen
ist im Kontext von Beteiligung und Innovationsprozessen generell, dass häufig einigen
wenigen bestimmten Schlüsselakteuren in solchen Prozessen eine besondere Bedeutung
zukommt: Sie agieren als Impulsgeber und tragen über bestimmte Handlungskonstellationen
den Prozess in weiten Teilen (vgl. Fichter et al. 2007, S. 11; Klemisch/Rohn 2002, S. 21-23).
Solche Personen können als „Chance Agents“ aktiv gefördert werden (vgl. Kristof 2010;
Kundiger 2007; Görlach et al. 2009, S. 35) (Dreuw/Bliesner/Rohn 2011, S. 34).
3.1.1.7 Arbeitgeber- und Arbeitnehmersicht
Betrachtet man die unternehmensinternen Hemmnisse für Innovationen im Bereich der
Ressourceneffizienz aus den in Unternehmen vorhandenen Perspektiven von Arbeitgeber
und Arbeitsnehmer, lässt sich festhalten, dass Arbeitgeber die Hemmnisse vor allem in einer
hohen Bürokratisierung, einer Überregulierung, den fehlenden (finanziellen) Ressourcen und
in unsicheren politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sehen. Zusätzlich wird ein
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unzureichender Stand der technischen Entwicklung als Hemmnis angegeben (vgl. ZIT 2004,
S .24), und die Empfindung, dass Chancen und Risiken von Innovationen (auch im Bereich
Ressourceneffizienz) zu weit in der Zukunft lägen (vgl. Reinhardt 2010, S. 10). Aus der Sicht
der Beschäftigten lassen sich die Hemmnisse im fachlichen, organisatorischen, monetären
und psychologischen Bereich verorten. So fehlen im fachlichen Bereich entsprechende
Kenntnisse z. B. zur Beurteilung technischer Maßnahmen, und im organisatorischen Bereich
wird eine mangelnde Beteiligung an den Innovationsvorhaben durch die Geschäftsleitung
angeführt (vgl. Reinhardt 2010, S. 10 f.). Dies steht im engen Zusammenhang mit
Verunsicherungen, Befürchtungen und Ängsten im psychologischen Bereich. Im monetären
Bereich fürchten Arbeitnehmer zusätzlich den Verlust ihres Arbeitsplatzes und finanzielle
Einschnitte. Dennoch lässt sich ein Interesse von Beschäftigten, ihrer betrieblichen
Interessenvertretung und den Gewerkschaften am Thema Nachhaltigkeit und
Ressourceneffizienz feststellen (vgl. BMU/IG Metall/WI 2006, S. 36 und Vitols 2011). Auch
die steigenden Beschäftigungszahlen in nachhaltigen Zukunftsmärkten (vgl. UBA 2009;
BMU/UBA
2009; UBA/BMU
2008b)
sind
für
Arbeitnehmer
von
Interesse
(Dreuw/Bliesner/Rohn, S. 34 f.)
3.1.2 Fördernde
und
hemmende
Ressourceneffizienzinnovationen
am
Innovationsfeldes „Nutzen statt besitzen“
Faktoren
Beispiel
für
des
Scholl et al. (2010) analysieren in ihrem im Rahmen des MaRess-Projektes erschienenen
Papiers das Innovationsfeld „Nutzen statt besitzen“ und stellen förderliche und hemmende
Faktoren für Innovationen in diesem Feld dar. Um die vorangegangenen Unterkapitel
anschaulicher werden zu lassen, sind diese Ergebnisse im Folgenden kurz dargestellt. Das
Innovationsfeld „Nutzen statt besitzen“ eignet sich deshalb gut zur Veranschaulichung von
Ressourceneffizienzinnovationen, weil, wie in Kapitel 3.1 bereits kurz dargestellt, in diesem
Feld technische, organisatorische und soziale Innovationen auch radikaler Art entstehen
können.
Scholl et al. strukturieren die (Miss-)Erfolgsfaktoren anhand folgender Kategorien: produkt-,
anbieter- und nachfragebezogene Faktoren sowie Rahmenbedingungen. In Tabelle 2 sind
diese Faktoren dargestellt.
Fördernde Faktoren
Produktbezogen
Anbieterbezogen
hohe Anschaffungskosten
niedrige Nutzungshäufigkeit
hohe Planbarkeit der Nutzung
Produkt ist standardisiert
niedriger Symbolwert des
Produktes für Nutzer
• regelmäßige Neuerungen
(kurze Innovationszyklen)
• ggf. Wettbewerbsvorteil durch
Vorwegnahme obligatorischer
Produzentenverantwortung
• ggf. Kostensenkung in
Beschaffung und Entsorgung
(durch Wiederverwendung, •
•
•
•
•
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Hemmende Faktoren
niedrige Anschaffungskosten
hohe Nutzungshäufigkeit
niedrige Planbarkeit der Nutzung
Produkt ist auf individuellen Nutzer
zugeschnitten
• hoher Symbolwert des Produktes für Nutzer
• seltene Neuerungen
•
•
•
•
• ggf. Wettbewerbsnachteil, weil Einführung
obligatorischer Produzenten-verantwortung
ungewiss
• zusätzliche Kosten durch hohe
Arbeitsintensität
• hoher Kapitalbedarf für Mietflotte
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Nachfragerbezogen
Rahmenbedingungen
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verwertung)
• Erschließung neuer Kundengruppen
• Verbesserte Kundenbindung
durch häufigeren
Kundenkontakt
• Auslastungsrisiko der Mietflotte
• höhere Kundenfluktuation, weil geringere
Fixkostenbelastung
• ggf. Kannibalisierungseffekte (Mietgeschäft
„frisst“ Verkaufsgeschäft)
• höheres Ertragsrisiko (da Kapitalrendite
zeitlich gestreckt)
• geringere Fixkostenbelastung
• Entlastung von
Eigentumspflichten (z. B.
Instandhaltung, Reparatur)
• Geringeres Investitionsrisiko
(Vorauswahl durch
Dienstleistungsanbieter,
kürzere Produktbindung,
geringeres Obsoleszenz-Risiko)
• breite Mietflotte erhöht
Auswahlmöglichkeiten für
Nutzer
• Dienstleistung hat Potenzial zu
zeitlicher Entlastung im
hektischen Alltag
• kultureller Wandel z. B.
Richtung Wiederverkaufskultur
• zunehmende Mobilität von
Konsumenten
• Flexibilisierung von Arbeit
• höhere Transaktionskosten (z. B.
Informationssuchkosten, zeitlicher Aufwand
für Abholung und Rückgabe)
• identitätsstiftende Wirkung von Eigentum
für Nutzer
• große Bedeutung ständiger Verfügbarkeit
für Nutzer
• Risiko der unsachgemäßen Nutzung des
Mietgegenstandes durch andere Nutzer
• Informationsmangel bzgl.
Mietmöglichkeiten
• starker Preisverfall in vielen
Konsumgütermärkten (z. B.
Informationstechnik,
Unterhaltungselektronik)
• dominierende Wachstumsorientierung in
weiten Teilen von Wirtschaft und Politik
• Mangel an geeigneten Konsumvorbildern
Tabelle 2: Fördernde und hemmende Faktoren für die Idee des „Nutzen statt besitzen“. Quelle: Scholl et al. 2010,
S. 18 f.)
Anhand dieser Aufstellung wird deutlich, dass, neben ökonomischen und technischen, auch
kulturelle Aspekte eine Rolle spielen, insbesondere was den Symbolwert des Besitzes
betrifft. So können die Potenziale gemeinschaftlicher Nutzung nur dann gehoben werden,
wenn es gelingt, Eigentum ersetzende Dienstleistungen symbolisch aufzuladen und damit
die Akzeptanz für diese Dienstleistungen zu erhöhen (vgl. Scholl et al. 2010, S. 23). Eine
weitere Rolle im Rahmen zielgruppenspezifischer Popularisierungsstrategien, mit denen die
soziale Norm des Konsumeigentums hinterfragt und die Vorteile des Konsums ohne
Eigentum sichtbar gemacht werden können, kann das Aufzeigen von Motivallianzen spielen,
beispielsweise zwischen Mieten und Geld sparen/ Platz sparen (vgl. Scholl et al. 2010,
S. 27). Letztlich geht es unter dem soziokulturellen Aspekt darum, innovative und gut
kommunizierbare Leitbilder einer Nutzungskultur zu schaffen, „in der der flexible Zugang zu
bedarfsgerechten Dienstleistungen wichtiger ist als das Horten von Konsumeigentum.“
(Scholl et al. 2010, S. 31). Diese Forderung zielt in dieselbe Richtung wie das Postulat des
WBGU, neue, attraktive Narrative für das Zeitalter der Nachhaltigkeit zu entwickeln, siehe
hierzu Kapitel 2.5.
Des weiteren sind wirtschaftspolitische Rahmensetzungen für den Erfolg von Eigentum
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ersetzenden Dienstleistungen von Bedeutung. Als Optionen für innovationsförderliche
Rahmensetzungen werden die Veränderung relativer Preise zwischen Arbeit und Kapital,
beispielsweise durch die Subventionierung arbeitsintensiver Handwerksleistungen, und eine
umfassende ökologische Steuerreform genannt. Beide Konzepte könnten den Absatz
ressourceneffizienter und arbeitsintensiver Dienstleistungen ebenso befördern wie die
gezielte Nachfrage öffentlicher Institutionen und das Informieren und Aufklären über
ressourceneffiziente Dienstleistungen, auch mittels des Verleihens von Siegeln und Labeln
(vgl. Scholl et al. 2010, S. 26 f.). Zudem kann auf normativer, auch supranationaler Ebene
das Thema Eigentum ersetzender Dienstleistungen an andere umweltpolitische
Entwicklungen angedockt werden, etwa die EG-Abfallrahmenrichtlinie oder die
Ökodesignrichtlinie (vgl. Scholl et al. 2010, S. 29 ff.).
Scholl et al. (2010, S. 31) schlagen die Bildung strategischer Allianzen als „breit aufgestellte
Netzwerke von Veränderungsakteuren“ vor. Ob die im ADMIRe-Projekt zu etablierende
strategische Allianz auch die Bereitstellung Eigentum ersetzender Dienstleistungen zum
Zweck haben könnte und wie sie zur Durchsetzung solcher Innovationen beitragen könnte –
etwa durch das Entwickeln attraktiver Leitbilder oder auch die Beeinflussung politischer
Rahmenbedingungen durch Lobbying, wird im weiteren Projektverlauf zu diskutieren sein.
3.1.3 Praxisbeispiele für Ressourceneffizienzinnovationen
3.1.3.1 Eigentum ersetzende Dienstleistungen
Ein im Rahmen des Netzwerks Ressourceneffizienz dokumentiertes Beispiel guter Praxis im
Bereich radikaler Ressourceneffizienzinnovation ist das Chemical Leasing des
Anlagenbauers Pero AG, das an die Erläuterungen im vorangegangenen Kapitel zum Thema
„Nutzen stattbesitzen“ anknüpft und an dieser Stelle exemplarisch etwas ausführlicher
dargestellt
wird
(s.
http://neress.de/fileadmin/media/files/Termine/6NWK/GoodPracticeErfolgsfaktorenErbel.pdf).
Im Rahmen der Produkt- und Dienstleistungserstellung der Pero AG werden Prozesse der
Reinigung unterschiedlichster Teile aus vielfältigen Metallen und Kunststoffen in der Uhren-,
Schmuck- und optischen Industrie, Elektroindustrie, im Motoren- und Maschinenbau sowie in
der Automobil- und Luftfahrtindustrie getätigt. Für diese Reinigungsprozesse werden
verschiedene Chemikalien benötigt, die im Rahmen des Chemical Leasing nicht mehr
klassischerweise gekauft, sondern geleast werden.
Chemical Leasing ist laut UBA (vgl. http://www.chemikalienleasing.de/) darauf gerichtet,
durch eine enge Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette den Verbrauch an
Chemikalien zu optimieren. Um dies zu erreichen, verkaufen Hersteller oder Importeure nicht
die Chemikalie – etwa ein Lösemittel zur Platinenherstellung –, sondern bieten dem Käufer,
die Funktion der Chemikalie im Sinne einer Dienstleistung an und übernimmt gegebenenfalls
nach der Nutzung die Verantwortung für die umweltgerechte Aufbereitung oder Entsorgung
der ausgedienten Chemikalien zurücknehmen. Beim Chemical Leasing verdienen die
Anbieter an der Prozessoptimierung des Kunden und mehr alleine über die Menge der
verkauften Chemikalien. Daraus ergibt sich eine Multiple-win-Situation: Der Verkäufer und
Anwender der Chemikalien profitieren wirtschaftlich von einer optimierten und reduzierten
Einsatzmenge, darüber hinaus ergeben sich ökologische und soziale Vorteile in Form von
Ressourceneinsparungen und Verbesserungen beim Gesundheitsschutz.
Bei der Pero AG folgte der Aufbau des Chemical Leasing dem Ziel, den Gesamtprozess aus
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Maschinen, Chemikalien und Betrieb zu optimieren und die Optimierungsrandbedingungen
zu verändern – angestrebt wurde eine hochqualitative, an Ausfallminimierung orientierte
Weiterentwicklung der Maschinen und Optimierung der Chemikaliennutzung an die
Anforderungen der Reinigungsdienstleistung. Dafür sollten Kooperationen mit
Chemikalienherstellern und perspektivisch auch mit Finanzdienstleistern eingegangen
werden.
Chemical Leasing wirkt sich bei der Pero AG wirtschaftlich in Form einer Kostensenkung und
Optimierung der Reinigungsleistung für die Kunden aus; ökologisch konnten die Material-,
Energie- und Chemikalienverbräuche und damit die Umweltwirkung gesenkt werden. Das
Unternehmen betont im Zusammenhang mit dem Chemical Leasing, dass bei der
Erarbeitung von Lösungen zusammen mit dem Chemikalienhersteller die (nationale)
Unternehmenskultur beachtet werden sollte. Bei der Durchsetzung dieser Innovation half es,
mit Pionierlösungen Standards setzen, (z. B. Praxistest an Originalteilen im Testcenter
durchzuführen, und damit die angestrebte Lösung als gutes Beispiel sichtbar zu machen.
(vgl.
http://neress.de/fileadmin/media/files/Termine/6NWK/GoodPracticeErfolgsfaktorenErbel.pdf)
Weitere Beispiele Eigentum ersetzender Dienstleistungen – allerdings überwiegend aus dem
B2C-Bereich – sind in Tabelle 3 aufgeführt.
Bezeichnung
Kurzbeschreibung
Konsumbereich
Werkzeugvermietung
Vermietung von Werkzeug und Heimwerkergeräten
Bauen &
Renovieren
Werkzeugvermietung
Vermietung von Werkzeug und Heimwerkergeräten als
Shop-In-Shop in Heimwerkermärkten
Bauen &
Renovieren
Computervermietung
Vermietung von PC, Notebook, Drucker, Netzwerken,
Software; Service
Büro
Leasing von
Kopiergeräten
Anbieter überlässt gegen Zahlung einer Leasingrate
das Gerät dem Kunden zur Nutzung
Büro
Virtueller
Anrufbeantworter
Nutzung eines virtuellen Anrufbeantworters im Netz
Büro
Geschirrmobil
Vermietung von Geschirr für Veranstaltungen
Ernährung
Mietstation für Babyund Kindergebrauchsgegenstände
Vermietung von Windelsystemen, Baby- und
Kindergebrauchsgegenständen
Haushalt &
Wohnen
Möbelleasing
Vermietung und Leasing von Möbeln und
Haushaltsgeräten (mindestens 12 Monate Laufzeit)
Haushalt &
Wohnen
Möbelleasing
Leasing von Möbeln mit anschließender Rücknahme;
auch an Privat (bis zu 3 bzw. 4 Jahre Laufzeit)
Haushalt &
Wohnen
Waschservice
Regelmäßige Abholung und Reinigung von privater
Wäsche gegen Grundgebühr
Haushalt &
Wohnen
Bekleidungsverleih
Verleih von Abendgarderobe und Faschingskostümen
Kleidung
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Textilreinigungen,
Wäschereien
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Kleidung
Waschsalon
Nutzung von Waschmaschinen und Trocknern gegen
Entgelt
Kleidung
Windeldienst
Lieferung, Abholung und Wäsche von
Baumwollwindeln
Kleidung
Car-Sharing
Vermietung von Autos zur temporären Nutzung; mit
ortsgebundener Rückgabe
Mobilität
Car-Sharing
Vermietung von Autos zur temporären Nutzung; ohne
ortsgebundene Rückgabe (innerhalb des
Geschäftsgebietes)
Mobilität
Car-Sharing
Plattform zur Vermietung von Autos von Privat zu
Privat zur temporären Nutzung ("Personal CarSharing")
Mobilität
Carpooling
Vermittlung von regelmäßigen Mitfahrgelegenheiten
(Arbeitsweg)
Mobilität
Fahrradvermietung
Vermietung von Fahrrädern zur temporären Nutzung;
mit ortsgebundener Rückgabe
Mobilität
Fahrradvermietung
Kurzzeitvermietung von Fahrrädern gegen Entgelt;
ohne ortsgebundene Rückgabe (innerhalb des
Geschäftsgebietes)
Mobilität
Fahrradvermietung
Öffentliche Bereitstellung von Fahrrädern zur
Kurzzeitmiete gegen Entgelt (Nutzung von weniger als
30 Minuten ist kostenlos)
Mobilität
Fahrradvermietung,
Elektrofahrräder
Kurzzeitvermietung von Fahrrädern gegen Entgelt;
Verleih- und Akkuwechselstationen in 38 Regionen in
Deutschland und Österreich
Mobilität
Mitfahrgemeinschaft
Spontane entgeltfreie Mitfahrt in privatem PKW
(Erkennungskartensystem)
Mobilität
Mitfahrzentrale
Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten
Mobilität
Mitfahrzentrale
Internetplattform zur kostenlosen Vermittlung von
Mitfahrgelegenheiten in privaten PKW gegen Entgelt
Mobilität
Vermietung von
Navigationssystemen
Vermietung von Navigationssysteme zur temporären
Nutzung
Mobilität
e-Media
Konsum virtueller Medien (Musik, Filme)
Sport & Freizeit
e-Paper
Dematerialisierung von Büchern, Zeitschriften und
Zeitungen
Verschiedene
Bibliotheken/
Videotheken
Verleih von Büchern, Spielen, CDs, DVDs
Sport & Freizeit
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Bootsmiete
Gemeinschaftliche Nutzung eines Segelbootes
("teilBoot")
Sport & Freizeit
Foto- und
Videokameravermietung
Vermietung von Foto- und Videokameras,
Spielekonsolen etc.
Sport & Freizeit
Lesezirkel
Mehrfachvermietung von Zeitschriften und Magazinen
Sport & Freizeit
Mietservice für
Musikinstrumente
Angebot der Vermietung von Musikinstrumenten (v.a.
E-Gitarren) an Einsteiger
Sport & Freizeit
Partyausstattung
Leihatelier für Partyausstattung (Stehtische,
Mietgeschirr, Dekorationsartikel)
Sport & Freizeit
Skivermietung
Vermietung von Skiausrüstung
Sport & Freizeit
Spieleverleih
Verleih von Brettspielen
Sport & Freizeit
Spielgerätevermietung
Vermietung von Spielgeräten (Hüpfburgen, Hüpfbälle,
Trampoline, Torwand, Jonglierkiste, Stelzen etc.)
gegen Entgelt, für Selbstabholer oder inkl. Service
(Auf- und Abbau, Betreuung etc.)
Sport & Freizeit
Spielzeugverleih
Verleih von pädagogisch wertvollen Spiel- und
Sportgeräten
Sport & Freizeit
Spielzeugverleihhäuser
"toy libraries"
Verleih von Spielwaren gegen jährliche Mitgliedsgebühr
Sport & Freizeit
Sportgerätevermietung
Vermietung von Sportgeräten und -equipment (Ski,
Elektroräder, Angelruten, Inlineskater etc.) gegen
Entgelt; Online-Reservierung möglich
Sport & Freizeit
Wohnungstausch
Eigene Wohnung wird gegen Unterkunft am Urlaubsort
für einen begrenzten Zeitraum getauscht
Sport & Freizeit
Tauschplattform für
Konsumgüter
Privater Tausch von Konsumgütern (Bücher, Musik,
Filme, Spiele) mittels Ersatzwährung
Verschiedene
Tauschplattform für
Konsumgüter
Kostenlose Plattform für Verleih und Vermietung von
privat an privat
Verschiedene
Verleihbörse im
Internet
Internetbasierte Nutzergemeinschaften in
Selbstorganisation (öffentlich oder geschlossen)
Verschiedene
Vermietungsplattform
im Internet für
Mietartikel
Vermittlung von Anbietern im Bereich der
Produktvermietung auf zentraler Internet-Plattform
Verschiedene
Tabelle 3: Beispiele aus dem Bereich „Nutzen statt besitzen“, Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage der
Tabelle in Scholl et al. 2010, S. 38 ff.)
3.1.3.2 Weitere Praxisbeispiele für Ressourceneffizienzinnovationen
Auch mit Produkten, die keine Veränderung von Konsummustern erfordern und bei denen es
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nicht um das Ersetzen von Eigentum geht, können nennenswerte
Ressourceneffizienzgewinne realisiert werden.
Ein Technik- und Konsumfeld, in dem die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs dringend
angezeigt ist, ist die Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK). Dort ist die
Lebensdauer von Produkten sehr kurz und der Ressourcenverbrauch steigt stetig an. Als
eine von zahlreichen Innovationen, die diesem Trend entgegen wirken sollen, sind
beispielhaft „Thin Clients“ zu nennen, diese dienen durch Anbindung an zentrale Server als
reduzierte Endgeräte und verbrauchen im Vergleich zu PCs in der Herstellung und im
Betrieb deutlich weniger Ressourcen. Auch bei dem Verbrauch von „strategisch
interessanten Metallen wie Silber, Gold, Palladium, Tantal, Kupfer, Nickel, Chrom und Eisen“
(Rohn/Pastewski/Lettenmeier 2010, S. 16) können Innovationen wie Thin Clients als deutlich
ressourceneffizienter eingestuft werden. (Vgl. Rohn/Pastewski/Lettenmeier 2010, S. 16)
Die LCD-Technologie wiederum ist aus dem Blickwinkel der Ressourceneffizienz weitgehend
ausgeschöpft. Potenziale birgt dagegen die Technologie von OLED-Bildschirmen (Organic
Light Emitting Diode). Bei OLED-Bildschirmen werden organische halbleitende Materialien
verwendet, die sich durch einen starken Kontrast auszeichnen. Sie verbrauchen wesentlich
weniger Energie als die LCD-Technologie. Die OLED-Technologie verspricht auch für
Beleuchtungszwecke in Zukunft eine interessante Alternative zu Energiesparlampen und
LEDs zu sein. Die Ressourceneffizienz in der Nutzungsphase kann verglichen mit LC- und
Plasma-Displays in den unterschiedlichen Materialkategorien um das drei- bis sechsfache
erhöht werden. Für die noch kurze Lebensdauer von OLED-Bildschirmen müssen noch
Lösungen erarbeitet werden.
Die Entsorgung von IuK-Geräten, stellt den höchsten Handlungsbedarf dar. LC- und
Plasmabildschirme können bislang kaum recycled werden. Kleinere Geräte werden oft nicht
vorschriftsmäßig entsorgt und im Alltag häufig über den Hausmüll beseitigt. Gerade hierbei
wäre es denkbar Anreize über die normale Gesetzgebung hinaus zu schaffen. Eine
Kombination aus Förder-, Kommunikations- und gesetzlichen Maßnahmen könnte hierbei ein
sinnvoller Ansatz sein. Zudem ist es immer wichtig mögliche Rebound-Effekte zu
identifizieren und zu analysieren. (Vgl. Rohn/Pastewski/Lettenmeier 2010, S. 17f.)
Wie in diesem Papier an verschiedenen Stellen betont wurde, sind Innovationen – auch
wenn es sich um neue Technologien handelt – nicht alleine technischer Natur. Insbesondere
dann, wenn hohe Investitionen zur erfolgreichen Umsetzung einer Innovation notwendig
sind, kommt die Frage der Finanzierung ins Spiel. So ist als Finanzierungs-Innovation, die
zur Einsparung von Ressourcen beiträgt, „Intracting“ zu nennen. Intracting ist ein
Finanzierungsinstrument, das die Investitionen in Energiesparmaßnahmen durch die
Umsetzung der Sparmaßnahmen ausgleicht. Im Gegensatz zu Contracting, wo ein externer
Dritter die ressourceneffizienten Projekte plant, finanziert und durchführt, wird beim Intracting
eine vergleichbare Abteilung in der eigenen Verwaltungsstruktur geschaffen. Das Konzept
des Contracting und Intracting wird ganz besonders im kommunalen Bereich angewandt und
kann in allen öffentlichen Verwaltungen angewandt werden. Auch ist die Ausweitung der
Idee, die sich bislang auf Energie- und Wassersparmaßnahmen beschränkt, auf die
Abfallvermeidung denkbar. (Vgl.
http://www.wupperinst.org/uploads/tx_wibeitrag/EcoInno_Intracting_de.pdf)
An dieser Stelle ließen sich weitere konkrete Beispiele für Innovationen zur Steigerung der
Ressourceneffizienz anführen. Aus den Ergebnissen des MaRess-Projekts geht jedoch auch
hervor, dass die isolierte Betrachtung von Innovationen nicht ausreicht, um ein umfassendes
Bild von Ressourceneffizienzpotenzialen zu erlangen. So hängt beispielsweise die
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Ressourceneffizienz von elektrisch betriebenen Automobilen über den gesamten
Lebenszyklus hinweg sehr stark vom Nutzungsverhalten, insbesondere von der Wahl des
„getankten“ Stroms (regenerativ/ fossil), ab. Unabhängig davon darf der Versuch, die
Ressourceneffizienzpotenziale der auf regenerativ erzeugtem Strom basierenden
Individualmobilität zu heben, nicht den Blick dafür verstellen, dass ein großer Anteil des
Ressourcenverbrauchs im Bereich Verkehr auf die Instandhaltung der Infrastruktur
zurückzuführen ist. Maßnahmen zur Verbesserung der Auslastung von Fahrzeugen ebenso
wie der Infrastruktur sowie ressourcenverbrauchsoptimierte Instandhaltungslösungen können
hier entscheidende Ansatzpunkte für Einsparpotenziale sein.
3.2 Ressourceneffizienz im Kontext weiterer
nachhaltigkeitsrelevanter Themen
Ressourceneffizienz ist ein zentrales Nachhaltigkeitsthema, das wiederum im
Zusammenhang mit anderen nachhaltigkeitsrelevanten Themen zu diskutieren ist. Neben
der im vorangegangenen Kapitel dargestellten Innovationsfähigkeit als wichtiger Grundlage
für Ressourceneffizienz, kann der demografische Wandel in Verbindung mit
Ressourceneffizienz und Ressourceneffizienzinnovationen diskutiert werden. So sind es
immer Menschen, die sich Neues ausdenken und das Neue durchsetzen. Fehlen diese
Menschen an den entscheidenden Stellen, geht Innovationspotenzial verloren und
ressourceneffiziente Lösungen werden nicht erdacht und etabliert. Der Zusammenschluss
von Unternehmen und Organisationen in strategischen Allianzen kann zur gemeinsamen
Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen. Querverbindungen von der
Ressourceneffizienz zu weiteren nachhaltigkeitsrelevanten Themen – im ökologischen
Bereich etwa der Klimawandel oder die Artenvielfalt, im sozialen Bereich z. B.
Sozialstandards in der Lieferkette – liegen auf der Hand, sind aufgrund der notwendigen
Fokussierung des Projektvorhabens jedoch nicht Thema dieses Papiers.
Der demografische Wandel äußert sich in Deutschland in Form einer schrumpfenden und
alternden Bevölkerung infolge von zurückgehenden Geburtenzahlen bei gleichzeitiger
Steigerung der Lebenserwartung sowie in einer Zunahme von Menschen mit
Migrationshintergrund (Reimer 2012). Neben den im gesellschaftlichen wie im
wissenschaftlichen Diskurs häufig thematisierten Auswirkungen des demografischen
Wandels auf die sozialen Sicherungssysteme und die Daseinsvorsorge, den Schulbereich,
auf Siedlungs-, Land- und Stadtstrukturen und auf den medizinischen und insbesondere den
Pflegebereich (Klingholz 2004, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2004, Pfaffenbach
2009, Schmied 2009), sind wesentliche Effekte auf Unternehmen zu erwarten und sind ein
wesentlicher Betrachtungsgegenstand in diesem Projekt.
Die prognostizierte langfristige Alterung und Verknappung von Arbeitskräften birgt die Gefahr
eines Rückgangs der Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, wenn Unternehmen
nicht adäquat auf diese Entwicklungen reagieren und ein angemessenes
Demografiemanagement aufsetzen. Ein solches Demografiemanagement muss einerseits
zur Aufgabe haben, die Versorgung des Unternehmens mit Fachkräften zu sichern, unter
anderem durch die verstärkte Einbeziehung von Frauen und Migrant/innen in die qualifizierte
Erwerbsarbeit und das möglichst lange Halten älterer Beschäftigter im Erwerbsleben.
Andererseits müssen diesen Beschäftigten auch möglichst innovationsfreundliche
Rahmenbedingungen geboten werden, unter anderem durch Partizipations- und
Weiterbildungsmaßnahmen.
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Die durch das Demografiemanagement gesicherte Innovationsfähigkeit ist nicht zuletzt auf
das für das nachhaltige Wirtschaften zentrale Thema Ressourceneffizienz zu lenken. Die
Frage, welche Potenziale sich für ein wirkungsvolles Demografiemanagement und für
erfolgreiche Ressourceneffizienzinnovationen ergeben, wenn sich Unternehmen in
strategischen Allianzen vernetzen, welche Möglichkeiten, die von einzelnen Akteuren nicht
oder nur schwer zu realisieren sind, sich also durch Vernetzung auftun, wird im Arbeitspapier
zu strategischen Allianzen diskutiert.
4 Zusammenfassung und Ausblick
Im vorliegenden Arbeitspapier wurde das Thema Ressourceneffizienz dargestellt und seine
Relevanz für eine nachhaltige Wirtschaftsweise erläutert. Die Bedeutung der Steigerung der
Ressourceneffizienz wurde nicht zuletzt mit Blick auf Unternehmen als zentrale Akteure des
nachhaltigen Wirtschaftens diskutiert, wobei die Treiber und Hemmnisse bei der Umsetzung
von Ressourceneffizienzinnovationen in Unternehmen einen Schwerpunkt bildeten.
Zunächst wurde der Ressourcenbegriff für den Projektkontext dahingehend definiert, dass es
hier um die „natürlichen Ressourcen“ Boden (mit allen mineralischen Rohstoffen, fossilen
Energieträgern etc.), Wasser, Luft, einschließlich der Biosphäre – auch in ihrer Funktion als
Emissionssenke – geht. Die Wechselwirkungen mit immateriellen Ressourcen in einem
ökonomischen oder soziologischen Sinne werden in diesem Papier nicht bestritten und im
Projekt ADMIRe nicht ausgeblendet; um Missverständnisse der Zielrichtung des Projekts,
insbesondere
hinsichtlich
der
Ressourceneffizienz,
zu
vermeiden,
wird
der
Ressourcenbegriff auf die ökologische Bedeutung zugespitzt. Dort, wo es um Ressourcen im
ökonomischen Sinne geht, werden je nach Kontext alternative Begrifflichkeiten wie z. B.
Arbeitsproduktivität gewählt.
Um die Ressourceneffizienz von Produkten, Dienstleistungen, Branchen, Bedarfsfeldern etc.
zuverlässig erfassen zu können, müssen alle Stoffströme, die durch ein Produkt oder eine
Dienstleistung induziert werden, berücksichtigt werden. Dies geschieht zum einen durch die
Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette „von der Wiege bis zur Wiege“, zum
anderen durch die Analyse des gesamten Lebenszyklus eines Produktes von der Planung
bis zur Entsorgung oder Wiederverwertung. Bei Waren überschneiden sich die
Betrachtungsweisen von Wertschöpfungsketten und Produktlebenszyklen mehr oder weniger
stark, bei Dienstleistungen ist beides kaum noch voneinander zu trennen.
Nach dem Ressourcenbegriff wurde der Terminus Ressourceneffizienz definiert. Dieser setzt
die bei Produktion und Konsum eingesetzten natürlichen Ressourcen ins Verhältnis zum
Nutzen, der dadurch entfaltet wird. Dabei spielt der ökonomische Tauschwert der
eingesetzten Ressourcen keine Rolle, es erfolgt vielmehr eine ökologische Betrachtung des
Ressourceneinsatzes und seiner Wirksamkeit. Durch die Definition von Serviceeinheiten, wie
dies im MIPS-Konzept geschieht, lässt sich der Nutzen einer Ware oder Dienstleistung und
damit deren Ressourceneffizienz operationalisieren. Auch hier spielt der Tauschwert der
generierten Serviceeinheit keine Rolle, es geht vielmehr um Größen wie „100 km
Autofahren“ oder dergleichen. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu erwähnen, dass
Ressourceneffizienz einerseits eine Messgröße zur Feststellung des Verhältnisses zwischen
Ressourceneinsatz und -nutzen darstellt, andererseits aber auch ein normatives Ziel ist: Nur
wenn die gesellschaftliche Ressourceneffizienz drastisch erhöht wird, kann eine nachhaltige
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Entwicklung gelingen. Die Erhöhung der Ressourceneffizienz findet über die Erhöhung des
Nutzens bei gegebenem Ressourceneinsatz oder durch die Minderung des
Ressourceneinsatzes bei gegebenem Nutzen statt.
Anhand verschiedener Meilensteine wurde daraufhin der historische Diskurs um
Ressourceneffizienz nachgezeichnet, angefangen mit dem ersten Bericht des Club of Rome
zu den Grenzen des Wachstums über den Brundtland-Report mit der Definition einer
nachhaltigen Entwicklung, den Weltgipfel in Rio de Janeiro mit der folgenden Etablierung
lokaler Agenden 21 oder die Einführung der Faktor-4-/Faktor-10-/MIPS-Konzepte bis hin zum
Eindringen des Ressourceneffizienzdiskurses in politische und ökonomische Strategien,
repräsentiert durch die EU-2020-Strategie und die Ressourceneffizienzziele der
Bundesregierung. Anschließend wurde das Thema Ressourceneffizienz im aktuellen
gesellschaftlichen Kontext dargestellt. Dabei wurde festgestellt, dass die Erkenntnis der
notwendigen Steigerung der Ressourceneffizienz nicht zuletzt durch ökonomische
Überlegungen vor dem Hintergrund tendenziell steigender und volatiler werdender
Rohstoffpreise geleitet wird. Die Diskussionen um die Notwendigkeit bzw. Unmöglichkeit
immerwährenden Wachstums zeigen jedoch, dass Ressourceneffizienz sich nicht in
mikroökonomischen Überlegungen zu Ressourcenverfügbarkeit und –kosten erschöpfen
darf, sondern in einen grundsätzlicheren Diskurs über die globale Tragfähigkeit des
menschlichen Handelns eingebettet sein muss, da es letztlich der absolute
Ressourcenverbrauch ist, der die Ökosphäre überlastet und eine relative Abkopplung des
Ressourcenverbrauchs von der Wirtschaftsleistung durch das Wachstum letzterer zumindest
teilweise kompensiert, gegebenenfalls sogar überkompensiert wird. Dementsprechend sind
Ressourceneffizienzsteigerungen einzelner Produkte oder Dienstleistungen notwendig, aber
nicht hinreichend für ein zukunftsfähiges Wirtschaften, da Effizienzgewinne durch
Reboundeffekte aufgezehrt werden können. Neben Effizienz sind daher Suffizienz (nur die
Güter und Dienstleistungen erstellen, die einen echten Nutzen bringen) und Konsistenz
(Waren so produzieren, dass sie in geschlossenen Stoffkreisläufen ohne Abfälle integriert
sind) wichtige Säulen einer langfristig tragfähigen Entwicklung. Dies bedeutet jedoch die
Abkehr des konsum- und wachstumsorientierten Paradigmas und setzt die Etablierung neuer
Produktions- und Dienstleistungskonzepte und Konsummuster und damit eine grundlegende
Umstellung von Wirtschaft und Gesellschaft im Sinne einer Großen Transformation voraus.
Nach diesen eher auf der Makroebene angesiedelten Betrachtungen wurden
Handlungsbedarfe und -möglichkeiten zur Steigerung der Ressourceneffizienz auf die Ebene
einzelner Unternehmen, nicht zuletzt KMU, heruntergebrochen. Anwendungs- und
Wirkungsfelder bestehen in den Bereichen der strategischen Unternehmensplanung,
Investitionen und Finanzierung, Personalmanagement und -entwicklung, Produkt- und
Dienstleistungsentwicklung, Produktion, operatives Ablaufmanagement sowie Marketing und
Kommunikation. Um die in diesen Bereichen noch verborgenen Potenziale zu heben,
müssten allerdings neben einer umfassenden Bewusstseinsbildung bei den Unternehmern
für die Bedeutung der Ressourceneffizienz und bedarfsgerechten Beratungsangeboten auch
die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass sich individuelles ressourceneffizientes
Handeln für die Akteure lohnt.
Im folgenden Kapitel wurde gezeigt, dass zur Steigerung der Ressourceneffizienz
Innovationen nötig sind. Insbesondere wenn das Ziel verfolgt wird, nicht bloß einzelne
Produkte und Anwendungen ressourceneffizienter zu gestalten, sondern mittels veränderter
Produkt-Service-Systeme, Konsummuster und Lebensstile eine absolute Reduktion des
Ressourcenverbrauchs zu erreichen, darf der Innovationsbegriff jedoch nicht rein technisch
verstanden werden, vielmehr muss er auch in seiner sozialen Dimension begriffen werden.
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Als
ein
möglicher
Katalysator,
um
auch
radikale,
weitreichende
Ressourceneffizienzinnovationen zu ermöglichen, wurde die Vernetzung von Unternehmen
untereinander sowie mit Institutionen aus anderen gesellschaftlichen Systemen, v. a. der
Wissenschaft, identifiziert. Weitere kritische Erfolgsfaktoren liegen im Bereich finanzieller
Förderangebote seitens der Politik, betriebswirtschaftlicher Motive, einer Standardisierung
durch Normen und Zertifikate, unternehmenskultureller Aspekte, individueller Widerstände
und unterschiedlicher Interessen zwischen Arbeitgebern und -nehmern. Am Beispiel des
Innovationsfeldes „Nutzen statt besitzen“ wurden etliche produkt-, anbieter- und
nachfragerbezogene sowie Rahmenbedingungen reflektierende fördernde und hemmende
Faktoren für Ressourceneffizienzinnovationen aufgezeigt. Aus dem Feld Eigentum
ersetzender
Dienstleistungen
stammen
auch
viele
Praxisbeispiele
für
Ressourceneffizienzinnovationen, wobei es nur wenige Beispiele aus dem B2B-Bereich gibt.
Weitere Praxisbeispiele aus anderen Innovationsfeldern zeigen, dass auch unter
Beibehaltung klassischer Eigentumsformen erhebliche Ressourceneffizienzpotenziale
gehoben werden können.
Mit den in diesem Papier herausgearbeiteten Ergebnissen ist im weiteren Verlauf des
ADMIRe-Projekts ein Weg zur Steigerung der Ressourceneffizienz im regionalen
Anwendungsfall, also für den Wirtschaftsraum Augsburg als Pilotregion, zu konzipieren.
Dabei sind einerseits die Diskussionen um die Notwendigkeit absoluter Einsparungen beim
Ressourcenverbrauch
und
um
Effizienz,
Suffizienz
und
Konsistenz
als
Umsetzungsstrategien aufzugreifen und damit normative Zielsetzungen im Spannungsfeld
von schwacher und starker Nachhaltigkeit und damit systemimmanenter oder aber
transformativer gesellschaftlicher Entwicklung auf der Grundlage inkrementeller bzw.
radikaler Innovationen in technischer, organisationaler und sozialer Hinsicht aufzugreifen.
Andererseits sind diese sich aus der Thematik der Ressourcenübernutzung heraus
ergebenden Zielsetzungen mit Möglichkeiten und Zielen der Regionalentwicklung im
betreffenden Wirtschaftsraum in Einklang zu bringen. Die Etablierung einer Strategischen
Allianz ADMIRe A3 dient in diesem Sinne sowohl der Definition regionaler
Nachhaltigkeitsziele als auch deren Verwirklichung, indem die Themen Ressourceneffizienz,
Innovationsfähigkeit und demografischer Wandel integrativ bearbeitet werden.
Im Arbeitspapier zu strategischen Allianzen werden Treiber und Hemmnisse von
Ressourceneffizienzinnovationen im Zusammenhang mit der Einbettung von Unternehmen in
Netzwerkstrukturen betrachtet. Die Ergebnisse beider Papiere sowie des in AP 1.5 zu
erstellenden Systhesepapiers, in dem die zentralen Ergebnisse aller in AP 1 verfassten
Arbeitspapiere zusammengeführt werden, bilden dann eine wichtige Grundlage für die
Blueprint der strategischen Allianz ADMIRe A3, damit diese Allianz den in ihr
zusammengeschlossenen
Unternehmen
und
Organisationen
möglichst
innovationsförderliche Rahmenbedingungen bietet.
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