Diplomarbeit Das Usher-Syndrom (Retinitis pigmentosa u. angeborene cochleäre Innenohrschädigung) Bio-psycho-soziale Auswirkungen einer doppelten Sinnesbeeinträchtigung eingereicht von Barbara Gaugl geb. am 22.05.1977 zur Erlangung des akademischen Grades Doktorin der gesamten Heilkunde (Drin med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt an der Universitäts-Augenklinik Graz unter der Anleitung von ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. phil. Otto Schmut Dr. med. univ. Dieter F. Rabensteiner Graz, im Juli 2013 Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am __________________ i Gewidmet meiner Familie und meinem Freund René ii Gendergerechte Formulierung Zur Erleichterung der Lesbarkeit der vorliegenden Arbeit und aus Gründen der Praktikabilität habe ich mich entschlossen, geschlechtsneutrale Formulierungen bzw. das generische Maskulinum zu verwenden. In dieser Schreibweise sind ausdrücklich sowohl männliche als auch weibliche Personen eingeschlossen, soweit nicht zu einer differenzierten Betrachtung explizit nur die männliche oder weibliche Wortform gewählt wurde. iii Mein Dank gilt… …vielen Menschen, ohne die es mir nicht möglich gewesen wäre, dieses Studium zu beginnen und zu beenden. Sie alle haben ihren großen oder kleinen Teil dazu beigetragen diesen Weg zum Erfolg zu führen – sie alle hier namentlich zu nennen ist unmöglich, jedoch richtet sich mein aufrichtiger Dank an euch, für euere Unterstützung und den Glauben an mich. …allen voran meinen Eltern, die mich nicht nur finanziell, sondern auch moralisch immer unterstützt und mir den Rücken gestärkt haben – ohne euch, wäre dieses Studium niemals möglich gewesen. …meinem Freund René, der einen wichtigen Teil des Weges mit mir gegangen ist und der oft ein geduldiger Zuhörer und meine emotionale Stütze war. …meinem Betreuer Herrn Univ.-Prof. Dr. Otto Schmut für die unendliche Geduld sowie für die fachliche und kompetente Unterstützung bei der Erstellung der Diplomarbeit. …meinen Freunden, die mich während des Studiums begeleitet, aufgebaut und auf ihre Weise immer wieder motiviert haben. Besonderer Dank geht an Markus, der in den letzten Jahren stets ein offenes Ohr für mich hatte. Und DANKE Lissy – ohne dich hätte ich den Endspurt nicht geschafft – vor allem hätte das 6. Studienjahr niemals so viel Spaß gemacht. „ Geduld bedeutet nicht, auf etwas zu warten, sondern zu wissen, dass es geschehen wird, wenn die Bedingungen reif sind.“ iv Zusammenfassung Das Usher-Syndrom ist eine Hörsehbehinderung, welche autosomal rezessiv vererbt wird. Definiert wird die Erkrankung durch früh einsetzende Innenohrschwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit von Geburt an und später einsetzenden Verlust des Gesichtsfeldes, verursacht durch Retinitis pigmentosa. Das Absterben der Photorezeptoren vollzieht sich in der Regel von der Peripherie zur Macula hin. Wie für eine Retinitis pigmentosa typisch, kommt es im Verlauf erst zu Nachtblindheit und dann zu einer langsamen Einschränkung des Gesichtsfeldes bis hin zu einem sich immer mehr verengenden „Tunnelblick“, was in einem späteren Stadium in der Regel – ja nach Usher-Typ – zur Erblindung führt. Die Hörbeeinträchtigung beim Usher-Syndrom beruht im Wesentlichen auf einer Schädigung der Haarzellen in der Schnecke des Innenohres. Sie liegt meist ab der Geburt in Form von Taubheit oder mittel- bis hochgradiger Schwerhörigkeit vor. Die Erkrankung zeigt sowohl klinisch als auch genetisch kein einheitliches Bild, weshalb sich eine klinische Einteilung in Subtypen bewährt hat. Der Zeitpunkt des Auftretens erster Symptome der Retinitis pigmentosa lässt sich nicht genau feststellen, da das Alter, in dem diese dann bemerkt und erkannt werden, sehr variabel ist. Der Verlauf und das Fortschreiten der Krankheit sind intra- und interfamiliär unterschiedlich und nicht genau vorauszusehen. Es ist nur auf der Basis regelmäßiger klinischer Untersuchungen in zweibis fünfjährigen Abständen möglich abzuschätzen, wie schnell der Sehverlust voranschreitet. Vor allem die Gesichtsfeldeinschränkungen und die Fähigkeit damit umzugehen, sowie ihre psychische Bewältigung sind individuell verschieden. Den exemplarischen Fall des Usher-Syndroms gibt es nicht. Ziel dieser Diplomarbeit ist es primär diese seltene und relativ unbekannte Erkrankung publik zu machen und die bio-psycho-sozialen Probleme aufzuzeigen, mit denen UsherSyndrom Betroffene tagtäglich in unserer Gesellschaft leben und kämpfen; aufzuzeigen, was es heißt, mit einer doppelten Sinnesbeeinträchtigung das Leben und den Alltag zu meistern. An welche Grenzen sie stoßen, sei es in der Kommunikation, in banalen Alltagssituationen und vor allem welche Arbeit es bedeutet, diese Behinderung zu akzeptieren und zu bewältigen. v Abstract Usher syndrome is a disability, which is inherited as an autosomal recessive trait. This disease is characterized by sensorineural hearing loss or deafness from birth and a gradual loss of vision caused by retinitis pigmentosa. The death of photoreceptors usually takes place from the periphery toward the macula. Typical of retinitis pigmentosa, people suffer from night blindness and then the gradual loss of vision and "tunnel vision" leading to blindness at a later stage – depending on Usher type. The hearing impairment in Usher syndrome is mainly due to damage to the hair cells in the cochlea of the inner ear. It is usually from birth as deafness or moderate to severe hearing loss. There is no typical picture of the disease. That is why there is a clinical classification in subtypes. The age when the first symptoms of retinitis pigmentosa are recognized is highly variable. The course and progression of the disease are intra-and inter-family different. The progression of visual loss can only be estimated based on regular clinical examinations in two-to five-year intervals. How to cope with the visual handicap, physically as well as psychologically, is individually different. The exemplary case of Usher syndrome does not exist. The primary aim of the thesis is to publicize this rare and relatively unknown disease. Moreover the bio – psychosocial problems of people suffering from the Usher syndrome are demonstrated. The thesis shows the difficulties and limits which these people have to confront in everyday life, communication and society. And it shows what it means to accept this disability and to cope with it. vi Inhaltsverzeichnis Eidesstattliche Erklärung I Danksagung IV Zusammenfassung V Abstract VI Inhaltsverzeichnis VII Glossar und Abkürzungen IX Abbildungsverzeichnis X Tabellenverzeichnis XI 1. Einleitung 1 1.1. Thematische Hinführung 1 2. Das Usher –Syndrom 5 2.1. Symptome 5 2.2. Vorkommen 5 2.3. Klassifikation des Usher-Syndrom 6 2.4. Vererbung 8 2.5. Diagnostik 11 3. Funktion und Störung des Sinnesorgan Ohr – bezogen auf das Usher-Syndrom 11 3.1. Anatomie 11 3.2. Embryologie 14 3.3. Physiologie 15 3.4. Hörschädigungen 16 3.5. Unterschied Schwerhörigkeit und Taubheit 18 3.6. Hörstörungen des Usher-Syndroms 19 4. Funktion und Störung des Sinnesorgan Auge – Bezogen auf das Usher-Syndrom 20 4.1. Anatomie 20 4.2. Embryologie 23 4.3. Physiologie 23 4.4. Retinitis pigmentosa 26 4.4.1. Nachtblindheit 27 4.4.2. Eingeschränktes Gesichtsfeld 27 vii 4.4.3. Vermindertes Kontrastsehen 29 4.5. Untersuchungsmethoden 30 5. Auseinandersetzung mit der Behinderung 33 5.1. Diagnose 33 5.2. Bewältigungsprozess 34 5.3. Auseinandersetzung mit der Hörbehinderung 36 5.4. Doppelte Sinnesbeeinträchtigung 36 5.4.1. Taubblindheit 37 6. Beeinträchtigung der Kommunikation 39 6.1. Kommunikationsformen 40 6.1.1. Lautsprache 42 6.1.2. Gebärdensprache 43 6.1.3. Taktile Gebärdensprache 45 6.1.4. Lormen 46 7. Spezielle Probleme von Usher-Syndrom Betroffenen im Alltag 48 8. Interview mit einer Usher-Syndrom Betroffenen 51 9. Therapie und Forschung 58 10. Zusammenfassung 59 11. Literaturverzeichnis 62 viii Glossar und Abkürzungen BIG Bundesinstitut der Gehörlosenbildung Wien CI Cochlea Implantat DGB Deutsche Gebärdensprache Dpt Dioptrie MdE/GdB Minderung der Erwerbstätigkeit / Grad der Behinderung ÖGS Österreichische Gebärdensprache ÖHTB Österreichisches Hilfswerk für Taubblinde und hochgradig Hör- und Sehbehinderte RP Retinitis pigmentosa USH Usher-Syndrom ix Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 „Angst & Schwerelosigkeit“ von Lernbass Markus Abbildung 2 Charles Usher - http://www.mrcophth.com/ww/usher.htm Abbildung 3 Autosomal-rezessiver Erbgang – http://www.bsvt-nordhausen.de Abbildung 4 Sinnesorgan Ohr - http://www.hoersturz.de/das-ohr.htm Abbildung 5 Schneckengang im Querschnitt - http://www.hoersturz.de/das-ohr.htm Abbildung 6 Hörbahn - http://www.tz-wien.at Abbildung 7 Haarzellen im Innenohr - http://www.tz-wien.at Abbildung 8 Frequenz- u. Lautstärkenumfang von Musik u. Sprache - http://www.laermorama.ch Abbildung 9 Aufbau des Auges Abbildung 10 Schichten und Zelltypen der Retina Abbildung 11 Nachtblindheit - http://www.uzh.ch/news/articles/2006/2391.html Abbildung 12 Normalsicht - Tunnelblick Abbildung 13 Normalsicht – Blendungsempfindlichkeit Abbildung 14 Gesichtsfeldmessung - http://www.augen-wi.de/cms/index.php?glaukom-gruener-star Abbildung 15 Intern. Einhand Fingeralphabet - http://www.gebaerdenlexikon.ch Abbildung 16 Taktile Gebärdensprache - http://www.manuvista.de Abbildung 17 Das Lormalphabet - http://www.michaelszczepanski.de/FA/Lormen01.jpg 4 5 9 12 12 14 14 16 20 21 27 28 29 30 45 46 48 Abbildungen 9, 10, 12 und 13 aus www.wikipedia.org (GNU-Lizenz) x Tabellenverzeichnis Tabelle 1 Tabelle 2 Tabelle 3 Tabelle 4 Klassifikation des Usher-Syndrom Gene des Usher-Syndroms Einstufung des Hörverlustes in Dezibel Photopisches und skotopisches Sehen im Überblick 8 10 17 22 xi 1. Einleitung 1.1. Thematische Hinführung Das Usher – Syndrom Bio-psycho-soziale Auswirkungen einer doppelten Sinnesbeeinträchtigung 1 Stellen Sie sich vor, blind zu sein... Stellen Sie sich vor, auch taub zu sein... Sie sehen NICHTS. Sie hören NICHTS. 2 Wie kommunizieren Sie mit anderen Menschen? Könnten Sie Ihre derzeitige Berufstätigkeit fortsetzen? Könnten Sie überhaupt einen Beruf ausüben? Wie würden Sie sich in der eigenen – wie in einer fremden Stadt zurechtfinden? Wie würden Sie im Alltag zu Recht kommen? Wie würden Sie z.B. Ihre Einkäufe im Supermarkt tätigen? Wie erledigen Sie Behördenwege? Wie lernen Sie andere Menschen kennen? Wie flirten Sie? Wie spielen Sie mit Kindern? Besteht bei Ihnen, aufgrund der Erkrankung überhaupt ein Kinderwunsch? Könnten Sie Ihre derzeitigen Hobbys uneingeschränkt ausüben? Könnten Sie so leben wie sie jetzt leben? Versuchen Sie sich vorzustellen, wie Sie diese vermeintlich banalen Alltags-Situationen meistern würden - vielleicht macht es das leichter, sich in die Situation eines UsherBetroffenen hineinzuversetzen. Manche Usher-Betroffene kommen taub, andere schwerhörig zur Welt und mit zunehmendem Alter verschlechtert sich auch ihr Sehvermögen – bei manchen bis hin zur absoluten Blindheit. Die Diagnose "Usher-Syndrom" wird infolge des normalerweise schleichenden Charakters der Erkrankung meist erst zu einem Zeitpunkt gestellt, in dem der Betroffene hinsichtlich seiner familiären und beruflichen Lebensplanung bereits wichtige Entscheidungen fällt oder gerade gefällt hat. Neben der Schwierigkeit, die Ausfälle seiner sinnlichen Wahrnehmung zu kompensieren, bedeutet damit die emotionale Bewältigung seiner Krankheit eine zusätzliche Belastung für den Usher-Betroffenen. 3 Die Diagnose löst ANGST aus. Angst vor der beruflichen Zukunft und der materiellen Lebenssicherung. Angst vor dem Verlust vieler Lebens- und Erlebensmöglichkeiten. ANGST, als Behinderter gebrandmarkt zu werden. Angst vor der Notwendigkeit, Hilfe zu fordern und anzunehmen. Angst vor der Schwierigkeit, einen Partner zu finden, der diese schwere Last mit trägt. ANGST vor einem Leben in Isolation und Einsamkeit. Abb.1: „Angst & Schwerelosigkeit“ 4 Das Usher-Syndrom zählt wegen der Beeinträchtigung der beiden wichtigsten Sinnesorgane Auge und Ohr zu den schwerwiegendsten Behinderungen überhaupt. Denn grundsätzlich dienen die Sinnesorgane der Wahrnehmung der Umwelt und machen uns damit ein Leben in ihr erst möglich. 2. Das Usher – Syndrom 2.1. Symptome Das Usher-Syndrom ist ein sowohl klinisch wie genetisch uneinheitliches Krankheitsbild, das erstmals 1858 von dem deutschen Augenarzt Albrecht von Graefe – dem Begründer der modernen Augenheilkunde – beschrieben wurde als Kombination von Innenohrschwerhörigkeit und der Augenerkrankung Retinitis pigmentosa (RP). Charles Howard Usher (1865-1942), ein englischer Augenarzt, zeigte 1914 als erster die Erblichkeit der Erkrankung auf (Adler et al., 1996). In den folgenden Jahren wurde diese Annahme von verschiedenen Wissenschaftlern bestätigt, doch erst Carl H. Hallgren, ein Genetiker aus Stockholm, untersuchte systematisch die Häufigkeit des Usher Syndroms in Schweden und erkannte 1959 die Einteilung (Taubheit/Schwerhörigkeit). Abb.2: Charles Usher 2.2. in Heute 2 Usher sind 3 Typen verschiedene Subtypen des Usher Syndroms bekannt (Yan und Liu, 2010). Vorkommen Die Häufigkeit des Usher-Syndroms in der Bevölkerung wird auf ungefähr 4-6 Betroffene pro 100.000 Personen geschätzt (Rosenberg et al., 1997). Nach skandinavischen Erhebungen beträgt die Inzidenz etwa 1:30 000 (Witkowski und Ullrich, 1999). Es ist also absolut gesehen eine seltene Erkrankung. Dennoch stellt das Usher-Syndrom in den Industrieländern eine häufige Ursache von Taubblindheit dar und ist hier vermutlich für ca. 50% der Fälle verantwortlich (Bolz und Gal, 2002). In Österreich leben etwa 400 – 1400 taubblinde bzw. hörsehbehinderte Menschen. Davon sind etwa 335 bis 500 Usher-Syndrom-Betroffene. Es gibt für Österreich leider keine genauen Zahlen – nur Schätzungen, die auf internationalen Erhebungen basieren. In 5 Deutschland leben ungefähr 5000 Betroffene (Wanka und Horsch, 2012). Von diesen sind circa ein Drittel Usher-Syndrom Typ I und zwei Drittel Usher-Syndrom Typ II Betroffene. Insgesamt wird weltweit eine Anzahl von 17.500 bis 25.000 Patienten mit Usher-Syndrom angenommen. In den Hörgeschädigten-Schulen sind zwischen drei und fünf Prozent der Schüler am Usher-Syndrom erkrankt. Man kann davon ausgehen, dass von den Menschen, die von Geburt an unter einer Schwerhörigkeit oder Taubheit und einer Sehminderung leiden zwischen 6% und 12% vom Usher-Syndrom betroffen sind (Große-Wilde, 2009; Rohrschneider, 2003). Geschichtlich betrachtet galt die Röteln-Erkrankung in der 1960er und 1970er Jahren als primäre Ursache einer hochgradigen Hör-Sehbehinderung. Die an sich harmlose RötelnErkrankung kann in der Schwangerschaft schwere Folgeerkrankungen beim Kind hervorrufen. Das Rötelvirus kann schwere Schäden am Corti-Organ verursachen, wenn die Infektion in die 7. oder 8. Entwicklungswoche fällt (Sadler, 2008). Doch mit der Einführung geeigneter Impfstoffe konnte die Zahl der mehrfachbehinderten Kinder durch Rötel-Infektionen in der Schwangerschaft um ein vielfaches reduziert werden. Das UsherSyndrom trat dadurch an die Stelle der Hauptursache einer Taubblindheit/hochgradigen Hör-Sehbehinderung und befindet sich seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts an diesem Platz (Sacherer, 2011). 2.3 . Klassifikation des Usher-Syndroms Drei große klinische Subtypen (USH Typ I, Typ II und Typ III) werden auf der Grundlage der Schwere des Hörverlusts, des Vorhandenseins oder Fehlen von Vestibularisausfall und dem Alter bei Beginn der RP unterschieden (Yan und Liu, 2010). Usher Typ I (USH1): Der Typ I des Usher-Syndroms stellt die schwerere Verlaufsform dar. Betroffene sind von Geburt an gehörlos, bzw. leiden an einer an Taubheit grenzenden sensorineuralen Schwerhörigkeit. Außerdem bestehen starke Gleichgewichtsstörungen, gleichzeitig bestehenden Funktionsstörung der Gleichgewichtsorgane infolge einer (vestibuläre Areflexie). Die Augenerkrankung beginnt in der frühen Kindheit (1. Lebensjahrzehnt) mit einer Störung des Dämmerungssehens sowie später mit Nachtblindheit und Gesichtsfeldeinschränkungen – etwa ab dem 12. – 14. Lebensjahr (Wanka und Horsch, 6 2012). Die meisten dieser Kinder werden in Gehörlosenschulen unterrichtet und lernen dabei großteils Gebärdensprache. Sie erleben sich dann aber aufgrund ihrer Zusatzerkrankung oftmals nicht mehr als Teil der Gehörlosengemeinschaft und fühlen sich zunehmend in kommunikativen, mobilen und sozialen Bereichen isoliert, da ihr Verhalten anfangs oft aufgrund der Unkenntnis der Erkrankung falsch interpretiert wird. Zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr erfolgt der Verlust der visuellen Wahrnehmung der Gebärdensprache. Sie sind dann aber in der Lage, bei sich einschränkendem Gesichtsfeld auf taktiles Gebärden umzusteigen (Sacherer, 2011). „Wegen der Kommunikationsbarrieren wird das Verhalten des hörgeschädigten Menschen bereits im Kindesalter als launisch und ignorant interpretiert. Mit auftretender RP vermitteln sie noch häufiger diesen Eindruck, etwa, wenn sie auf eine Begrüßung nicht antworten, ein Lächeln nicht erwidern oder gar eine ausgestreckte Hand nicht greifen.“ (Große-Wilde, 2009) Usher-Syndrom Typ II (USH2): Die Krankheit verläuft sowohl was die Seh- als auch die Hörbehinderung betrifft deutlich milder als beim Typ I. Es liegt eine mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit ab der Geburt vor, die aber in der Regel mit Hörgeräten kompensiert werden kann (mäßiger Hörverlust in tiefen Frequenzen, starker Hörverlust in hohen Frequenzen). Zu einem Fortschreiten der Schwerhörigkeit kommt es nicht – der Hörverlauf bleibt stabil, mit individuellen, der restlichen Bevölkerung gleichwertigen Altersverschlechterung (Rohrschneider, 2003). Der Gleichgewichtssinn ist normal. Die Augenerkrankung bemerkt der Betroffene häufig erst im frühen Erwachsenenalter. Der Gesamtverlauf ist weniger fortschreitend als beim Typ I (Rohrschneider, 2003; Sacherer, 2011). Usher-Syndrom Typ III (USH3): Patienten mit Usher Syndrom Typ III werden schwerhörig geboren. Erst im fortgeschrittenen Alter werden sie taub. Exakte Aussagen zum Gleichgewichtsinn liegen bislang nicht vor. Die Augenbeteiligung ist vergleichbar mit dem Typ II. Insgesamt ist der Typ III sehr selten und nur in Finnland und in wenigen nach den USA ausgewanderten finnischen Familien beschrieben worden. 7 Retinitis pigmentosa Anzeichen Gleichgewicht Hörverlust Usher-Syndrom TYP I (a – g) Überwiegend frühe Kindheit Überwiegend schwere Gleichgewichtsstörungen Angeborene schwere Taubheit bzw. geringe Hörreste in tiefen Frequenzen od. bei großer Lautstärke. Usher-Syndrom TYP II (a – d) Variabler Beginn Normaler Gleichgewichtssinn Teilweise Taubheit. Mäßiger Hörverlust in tiefen Frequenzen – starke Höreinbußen in hohen Frequenzen – Hörgeräte können effektiv eingesetzt werden. Usher-Syndrom TYP III (a) Beginn während der Pubertät Nicht bekannt Fortschreitender Hörverlust im frühen Erwachsenenalter bis hin zur Taubheit. Insgesamt tritt dieser Typ sehr selten auf. Tab.1: Klassifikation des Usher-Syndroms (Yan und Liu, 2010) Wichtig zu beachten ist, dass die Hör- und Seherkrankung beim Usher-Syndrom zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftritt. Die Hörerkrankung beginnt beim UsherSyndrom Typ I und II nach der Geburt. Beim Typ III ist das Hörvermögen anfangs noch erhalten, im zweiten Lebensjahrzehnt werden die Betroffenen taub. Die Seherkrankung beginnt beim USH1 in den ersten 10 Lebensjahren und beim USH2 und USH3 meist bis zum Ende des 20. Lebensjahres. 2.4. Vererbung Die Bezeichnung Usher-Syndrom (USH) umfasst eine Gruppe von autosomal rezessiv vererbten Erkrankungen, die durch eine doppelte sensorische Beeinträchtigung des audiovestibularen und visuellen Systems gekennzeichnet sind (Firth, Hurst und Hall, 2005). Es handelt sich beim Usher-Syndrom nicht um ein einheitliches Krankheitsbild, 8 sondern es werden anhand des Ausmaßes der Hörschädigung verschiedene Typen unterschieden, die selbst wiederum auch genetisch heterogen sind. Das Usher-Syndrom wird streng nach den Mendelschen Gesetzen vererbt und folgt einem autosomal rezessiven Erbgang. Der Begriff autosomal bedeutet, dass die Krankheit nicht geschlechtsgebunden vererbt wird. Frauen und Männer sind gleich häufig davon betroffen. Rezessiv bedeutet, dass zum Ausbruch der Erkrankung beide der immer paarweise vorhandenen Gene krankhaft verändert sein müssen (Rohrschneider, 2012). Wenn man nur ein defektes Usher-Syndrom Gen hat, dann ist man Genträger, hat aber nicht das Usher-Syndrom. Beide Eltern eines Kindes mit Usher-Syndrom haben ein defektes Usher Gen. Da sie aber nur ein defektes Gen haben, bricht bei ihnen die Krankheit niemals aus. Das betroffene Kind hat dagegen von Vater und Mutter jeweils ein defektes Usher-Syndrom Gen erhalten. Beide Elternteile sind also "gleich verantwortlich" für die Vererbung der Krankheit. Die Abbildung 2 zeigt die Vererbung der Usher Gene anhand einer vierköpfigen Familie. Aus dem Stammbau geht hervor, dass bei vier Kindern eine 25%ige Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung besteht. Abb.3: Autosomal rezessiver Erbgang (Große-Wilde, 2009) 9 Tab.2: Bisher bekannte Gene bzw. vermutete Genorte für die verschiedenen Typen des Usher-Syndroms (Wolfrum, 2012) Seit der Klonierung des ersten USH-Gen (MYO7A) im Jahr 1995, gab es bemerkenswerte Fortschritte bei der Aufklärung der genetischen Grundlagen für diese Erkrankung (Yan und Liu, 2010). Etwa 80% der USH-Patienten haben Mutationen in einem der neuen bekannten USH-Gene (Bolz, 2009). USH ist eine sehr komplexe Krankheit. Trotz allem konnte die molekulare Charakterisierung der USH-Proteine sowie deren molekulare Zusammenspiele in diversen Proteinnetzwerken die Krankheitsentstehung in Ohr und Auge aufklären. Im Ohr sind die USH-Proteine für die Ausdifferenzierung funktioneller Haarsinneszellen essenziell, und demnach ist USH im Ohr ein Entwicklungsdefekt. Insgesamt sind die Erkenntnisse, die aus der Grundlagenforschung zu USH-Molekülen und ihren molekularen Wechselwirkungen gewonnen wurden, notwendige Voraussetzungen für die Evaluation von Therapiestrategien (Wolfrum, 2012; Overlack et al., 2011). 10 2.5. Diagnostik Zur Früherkennung einer Hörschädigung im Säuglings- und Kindesalter ist ein aufmerksames Beobachten der Kinder durch die Eltern sehr hilfreich. Ein mangelndes Reagieren z. B. auf Händeklatschen, Telefonläuten oder Ansprache kann einen ersten Hinweis geben. Durch audiometrische Methoden werden Art und Umfang von Hörstörungen festgestellt. Diese sind: Tonaudiogramm Verhaltensaudiometrie bei Kindern Sprachaudiogramm Stapediusreflexmessung Otoakustische Emissionen Hirnstammaudiometrie Promontorialtest Elektrocochleographie Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Hals-Nasen-Ohrenarzt und Augenarzt ist zur Diagnosenstellung und zur Betreuung der Patienten sowie zur Abgrenzung gegenüber ähnlichen, zum Teil vererbbaren, Erkrankungen wie Morbus Refsum (autosomal rezessive Störung des Phytansäurestoffwechsels), Bidet-Bardl-Syndrom und Gregg Syndrom erforderlich (Große-Wilde, 2009). 3. Funktion und Störung des Sinnesorgan Ohr – bezogen auf das Usher-Syndrom 3.1. Anatomie Das Gehörorgan ist ein dem Gehörsinn dienendes Organ und für die Wahrnehmung der Töne und Geräusche zuständig. Es setzt sich aus drei Abschnitten zusammen - dem Außenohr (Ohrmuschel und Gehörknöchelchen) und dem Gehörgang), dem Mittelohr (Paukenhöhle mit Innenohr (Schnecke, Hörnerv und Bogengänge des Gleichgewichtsorgans). Die Ohrmuschel des Menschen als Schalltrichter besteht mit Ausnahme des Ohrläppchens aus elastischem Knorpel und sammelt aus verschiedenen Richtungen die auftreffenden Schallwellen. Am inneren Ende des Gehörgangs liegt das 11 membranhäutige bzw. trichterförmige Trommelfell mit einem etwa 9 bis 11 Millimeter großen Durchmesser (Kahle und Frotscher, 2009). Die Trommelfellmembran wird durch die ankommenden Schallwellen in Schwingungen versetzt und überträgt diese auf die drei Gehörknöchelchen im Mittelohr. Abb. 4: Sinnesorgan Ohr Das Mittelohr ist mit Luft gefüllt, und die mit dem Nasen-Rachen-Raum verbindende Ohrtrompete sorgt für neutrale Luftdruckverhältnisse. Die mit Hammer- und Steigbügelmuskeln gelenkig verbundenen Knöchelchen wirken dabei als Hebelsystem und verstärken die auftreffenden Schallschwingungen um das Vielfache. Der Steigbügel gibt über das ovale Fenster (Vorhoffenster) die Schallwellen an das Innenohr weiter. Dieses besteht aus der Schnecke (Cochlea) und den Bogengängen. Letztere haben aber kaum Einfluss auf den Hörvorgang und dienen dem Gleichgewichtssinn sowie der Lageempfindlichkeit im Raum. Abb. 5: Schneckengang im Querschnitt Die knöcherne Cochlea besteht aus einem zweieinhalbfach spindelgewundenen Schneckeneingang, der mit Endolymphe gefüllt ist, und einer Knochenleiste, die die Fasern 12 des Hörnervs enthalten. Der Schneckengang ist ein dreieckiger Bindegewebsschlauch, der an der Knochenleiste befestigt ist. Durch diese Anordnung wird der Innenraum der Cochlea in Treppen aufgegliedert – gefüllt mit der Perilymhe. Die Cochlea wird mit zwei Membranen gegen die Treppen abgegrenzt. Die Begrenzung gegen die Vorhoftreppe bildet die Reissner-Membran und gegen die Paukentreppe die Basilarismembran. Auf dieser liegt das eigentliche schallaufnehmende Corti-Organ. Es hat beim Menschen rund 10000 bis 12000 äußere und 3500 innere Hörzellen. Sie liegen zwischen Stützzellen und tragen an ihrem oberen Ende feine Sinneshärchen. Unmittelbar über den Sinneszellen befindet sich die Deckmembran, die wahrscheinlich mit den Sinneshärchen verwachsen ist und dadurch die Sinneszellen durch Schwingungen reizen kann (Kahle und Frotscher, 2009; Schmidt, 2001). Indem die Steigbügelfußplatte ihre Schwingungen über die Membran des Vorhoffensters auf die Flüssigkeit im Vorhof und auf die Vorhoftreppe überträgt, werden darin Druckund Dichteschwankungen mit kleiner Amplitude erzeugt, sie erstrecken sich auf den schwingungsfähigen häutigen Schneckengang und pflanzen sich weiter durch das Schneckenloch an der Schneckenspitze in die Paukentreppe fort, wo über die Membran des runden Fensters ein Druckausgleich stattfindet. Längs des häutigen Schneckengangs findet nun die Reizverteilung an alle Sinneshärchen statt. Die inneren Haarzellen sind die wichtigsten Sinneszellen, weil die meisten auditiven Nervenfasern zum und vom Gehirn mit ihnen verbunden sind. Schallwellen, die aufs Ohr treffen, versetzten die Basilarmembran in Vibration. Unterschiedliche Frequenzen erzeugen Schwingungen an verschiedenen Stellen entlang der Basilarmembran. Die äußeren Haarzellen arbeiten ähnlich wie der Servomechanismus in einem Auto: leichte Schwingungen schwacher Schallvorgänge werden mechanisch verstärkt, wodurch die inneren Haarzellen angeregt werden. Die äußeren Haarzellen enthalten Muskelgewebe und geben auch bei Schall mit niedrigem Pegel ausreichend Schwingungen an die Basilarmembran. Dabei ist die Wirkung der äußeren Haarzellen bei niedrigen Schallpegeln groß, bei stärkeren Pegeln gering. Die äußeren Haarzellen sind mit efferenten Nervenzellen verbunden. Diese leiten Kontrollsignale vom Gehirn an die Haarzellen weiter. Die inneren Haarzellen hingegen sind mit afferenten Nervenfasern verbunden, welche die Signale von den Haarzellen an das Gehirn weiterleiten (Wartenberg, 2006). Schon feinste Erschütterungen des Schneckenganges reizen – je nach Intensität und Schwingungen – einen Teil der Sinneshärchen. Dort befindliche Härchen werden 13 abgeknickt, und biochemische Überträgerstoffe für die Weiterleitung der Impulsinformation auf den Hörnerven werden freigesetzt. Nach dieser unterschiedlich stimulierten neuronalen Reizung werden bioelektrische Impulse über die Hörbahn (Ganglion spirale – Nucleus cochlearis – Olivenkomplex – Schleifenkern – Collicus inferior Komplex – Corpus geniculatum mediale) zum Hörzentrum des Gehirns (primären Hörrinde) weitergeleitet und dort in einen endlichen Höreindruck entschlüsselt, umgewandelt und interpretiert. So werden aus Impulssignalen Informationen entwickelt (Hick und Hick, 2009; Trepel, 2008). Abb. 6: Hörbahn 3.2. Abb. 7: Haarzellen im Innenohr Embryologie Das Ohr des Erwachsenen entwickelt sich im Embryo aus drei verschiedenen Anteilen: Das äußere Ohr, dient als Schallaufnahmeorgan und entwickelt sich aus der 1. Schlundfurche und aus den Ohrmuschelhöckern. Der äußere Gehörgang entsteht aus der 1. Schlundfurche. Im Trommelfell grenzen das Ektoderm der 1. Schlundfurche und das Entoderm der 1. Schlundtasche aneinander. Die Ohrmuschel geht aus sechs Aurikularhöckern hervor, die die 1. Schlundfurche umgeben. Das Mittelohr fungiert als Schallleitungsorgan und verbindet das äußere Ohr mit dem Innenohr. Es entsteht aus der 1. Schlundtasche. Die Verbindung zwischen Paukenhöhle und Epipharynx bleibt als Tuba auditiva erhalten. 14 Die Gehörknöchelchen leiten sich vom 1. Schlundbogen (Malleus und Incus) und vom 2. Schlundbogen (Stapes) ab. Das Innenohr verwandelt Schallwellen in Nervenimpulse, registriert Gleichgewichtsveränderungen und stammt vom ektodermalen Ohrbläschen ab. Das häutige Labyrinth geht aus der ektodermalen Ohrplakode hervor, die sich in der 4. Entwicklungswoche zum Ohrbläschen einstülpt. Das Ohrbläschen gliedert sich in einen dorsalen Utriculusabschnitt, aus dem der Utriculus, die Bogengänge und der Ductus endolymphaticus hervorgehen, sowie in einen ventralen Sacculusabschnitt, aus dem Sacculus und Corti-Organ hervorgehen (Sadler, 2008; Schiebler, 2005). Das Hörorgan reift als erstes Sinnesorgan des Menschen voll aus. Die Cochlea bildet sich nach der 7. Schwangerschaftswoche (SSW) und ist ab der 22. SSW weitestgehend ausdifferenziert, einschließlich der Kontaktstellen zu den Hörnervenfasern, den Synapsen. Damit ist das Innenohr bereits funktionsfähig – ab der 24. SSW lassen sich durch akustisch-vibratorische Stimuli an der Bauchdecke der Mutter Reaktionen des Kindes im Uterus auslösen. Bei der Geburt ist das periphere Hörorgan ausgewachsen und nimmt im Laufe der weiteren Entwicklung nicht mehr an Größe zu. In den prägenden frühkindlichen Entwicklungsphasen führen akustische Reize zu einer zunehmenden Organisation der zentralnervösen Strukturen des Hörorgans. Größe und Anzahl der Synapsen sind für die Integrität des funktionalen Hirnsystems von entscheidender Bedeutung. Diese wesentlichen Entwicklungsvorgänge spielen sich in den ersten 12 Lebensmonaten ab. Die Fähigkeit der Lokalisation einer Schallquelle beginnt mit dem 4. Lebensmonat (Friedrich, Bigenzahn und Zorowka, 2007). 3.3. Physiologie Um ein Geräusch wahrnehmen zu können, muss sich der Schall einen komplizierten Weg ins Gehirn bahnen und dort im Hörzentrum des Großhirns in einen Laut umgewandelt werden. Dabei wird der Schall zuerst vom äußeren Ohr eingefangen, durch das Trommelfell über die kleinen Gehörknöchelchen im Mittelohr und anschließend durch das Innenohr via Haarzellen an das Großhirn weitergeleitet. Lassen aber ein oder mehrere Glieder dieser Kette nach, kann es zu Hörbeeinträchtigungen bis hin zur Gehörlosigkeit kommen (Clarke, 2010). Die Fortbewegung der Töne oder Geräusche, ausgehend von einer Schallquelle, sind die physikalisch beschriebenen Luftschwingungen von Molekülen, besser gesagt, schnelle 15 Änderungen des fortschreitenden Luftschalldruckes, der die Erregungsschwingung von den Molekülen an andere Moleküle weitergibt. Ob ein Ton bzw. ein Geräusch als hoch oder tief empfunden wird, hängt von seiner Frequenz – ein Maß für die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde – ab. Gemessen wird diese aber in der Einheit Hertz (Hz). Ein tiefer Ton bzw. ein tiefes Geräusch ist eine langsame Schwingung, je höher der Ton bzw. das Geräusch, umso schneller ist die Schwingung. Das gesunde menschliche Ohr kann Töne im Bereich von 20 bis 20 000 Hz hören. Am empfindlichsten ist es im Bereich zwischen 2000 und 5000 Hz. Der aurale Hauptlautsprachbereich liegt zwischen ca. 250 und 6000 Hz (Klinke und Bauman, 2010). Abb. 8: Frequenz- und Lautstärkenumfang von Musik und Sprache, sog. Hörflächen 3.4. Hörschädigungen Nach der „Global Burden of Disease“-Studie der WHO zählen Hörstörungen in den Industrieländern beeinträchtigenden zu den sechs Erkrankungen häufigsten, – neben die Lebensqualität Krankheiten wie der am meisten ischämischen Herzkrankheit, Depression und M. Alzheimer. Angeborene permanente bilaterale Schwerhörigkeit weist eine Prävalenz von 1,2 pro 100 000 Neugeborenen auf (Zahnert, 2011). 16 Ab wann man als gehörlos gilt und wie eine Hörbehinderung eingeteilt wird, kann sich in vielerlei Hinsicht darstellen. Einen genauen Überblick über die Einstufung des Hörverlustes in dB gibt die folgende Tabelle von Müller, 1993: Mittlerer Hörverlust Bezeichnung Auswirkungen Ohne Hörgeräte haben Kinder vor allem Probleme im leichtgradige Hörschädigung Verstehen von < als 30 dB (leichtgradige Schwerhörigkeit) Flüstersprache. Die Lautsprache entwickelt sich mehr oder weniger normal. Ohne Hörgeräte haben Kinder bereits Probleme, mittelgradige Hörschädigung Umgangssprache in 30 bis 60 dB (mittelgradige Schwerhörigkeit) normaler Lautstärke zu verstehen, wenn sie über 1 m vom Sprecher entfernt sind. hochgradige oder an Ohne Hörgeräte ist ein Gehörlosigkeit Verstehen normal grenzende Hörschädigung gesprochener Sprache 60 bis 90 dB (hochgradige oder an Taubheit nicht grenzende Schwerhörigkeit) mehr möglich. Auch Kinder, die einen Hörverlust in dieser Größenordnung haben, Resthörigkeit (Gehörlosigkeit oder verfügen in der Regel über 90 bis 120 dB Taubheit) Hörreste, die für die Sprachwahrnehmung genutzt werden können. Die Hörschädigung ist so stark, dass auch mit Gehörlosigkeit/Taubheit Hörgeräten Sprache nicht > 120 dB mehr verstanden werden kann. Tab. 3: Einstufung des Hörverlustes in Dezibel (Tauber und Wipplinger, 2012) Diese Tabelle stellt die medizinische Einteilung dar, wobei jedoch die persönliche Zuteilung und Identifikation mit einer dieser Gruppen eine andere sein kann. So zählen sich Schwerhörige beispielsweise oftmals zu den Gehörlosen und integrieren sich in diese Gemeinschaft, obwohl sie es vom medizinischen Standpunkt her nicht sind. Somit ist eine Fremdzuschreibung nicht immer dieselbe wie die persönliche. Schwerhörigkeit (Hypakusis): darunter versteht man eine Verminderung der Hörfähigkeit im weitesten Sinne, beginnend von subjektiv kaum empfundenen 17 Hörstörungen bis hin zur Gehörlosigkeit. Ursächlich können Probleme bei der Schalleitung zum Innenohr, der Schallempfindung durch die Sinneszellen der Cochlea oder bei der Schallverarbeitung entlang der Hörnerven, der Hörbahn oder der Hörzentren in Frage kommen. Schwerhörigkeit ist somit nur ein Symptom der Erkrankung des Hörorganes und ist abzugrenzen von anderen Formen der Hörstörung wie Hyperakusis, dem fluktuierenden Gehör oder von Tinnitus. 3.5. Unterschied Schwerhörigkeit und Taubheit Mittels Hilfe besonderer Tabellen aus Ton- und Sprachaudiogrammen erfolgt die Ermittlung der verschiedenen Schwerhörigkeitsgrade. Das Tonaudiogramm ermittelt die Lautstärke, bei der Frequenzen gerade noch gehört werden (Tonhörschwelle). Das Sprachaudiogramm stellt fest, bei welcher Lautstärke Sprache gerade eben verstanden wird (Sprachverständlichkeitsschwelle) und wie viel Sprache bei optimaler Verstärkung verstanden wird (maximales Sprachverständnis). Dieses geschieht durch einen Zahlenbzw. Einsilbertest – zusätzlich kann man mit diesen Ergebnissen und mit speziellen Tabellen den Hörverlust in % und die MdE/GdB ermitteln. Gehörlosigkeit und Schwerhörigkeit haben auch Einfluss auf den Spracherwerb. Er ist deutlich erschwert und setzt eine gezielte Förderung beginnend in möglichst jungen Jahren voraus. Die Sprache klingt häufig verwaschen, undeutlich, monoton und ist mit Sprachfehlern behaftet. Der Grund ist verständlich, da ein großer Anteil des Sprachenlernens durch Nachahmung des Gehörten geschieht Von Gehörlosigkeit oder Taubheit spricht man, wenn kein nennenswertes Sprachverständnis mehr vorhanden ist (ermittelt mit Tabellen, Hörverlust 100%). Das Hören als Warnfunktion, wie z.B. im Straßenverkehr zur Signalisierung von herannahenden Fahrzeugen, entfällt. Alle Geräusche der Umwelt, die uns ständig eine Vielzahl von Informationen bewusst und unbewusst übermitteln, können von Gehörlosen nicht wahrgenommen werden (GroßeWilde, 2009). 18 3.6. Hörstörungen des Usher-Syndroms Es handelt sich beim Usher-Syndrom um eine cochleäre Innenohrschwerhörigkeit, bedingt durch eine Schädigung der Haarzellen der Hörschnecke. Man muss zwischen einer hochgradigen Hörbehinderung wie beim USH2 und USH3 und einer Taubheit wie bei den Formen des USH1 unterscheiden, die sich sowohl von der Bedeutung für den Betroffenen wie auch von den therapeutischen Möglichkeiten stark unterscheiden. Usher-Syndrom Typ1 – hierbei handelt es sich um eine cochleäre Hörstörung mit Taubheit. Die Kommunikation erfolgt überwiegend in Gebärdensprache, da die Geräusche der Umwelt von den Gehörlosen nicht wahrgenommen werden. Die Sprache ist verwaschen bis unverständlich. Usher-Syndrom Typ2 – je nach Förderung und Ausprägung der Schwerhörigkeit ist die sprachliche Entwicklung (fast) normal bis verwaschen. Vorhandene Sprachfehler erklären sich auch dadurch, dass harte Konsonanten (bei den hohen Tonlagen etwa 4000Hz) und bei weichen Konsonanten (etwa bei 2000Hz) nicht gehört werden. Über ein Fortschreiten der Hörstörung bei Usher-Typ2 finden sich in der Literatur widersprüchliche Angaben. Eine aktuelle Studie der Universität Heidelberg und Omaha aus dem Jahr 2002 ergab stabile Hörverläufe bei einer Beobachtungsspanne von 17 Jahren an 125 untersuchten Patienten. In anderen Publikationen wird von messbaren Hörverlusten berichtet. Nur klinisch diagnostizierte Usher-Typ2(a-d)-Patienten und Betroffene mit genetisch abgesicherter Mutation im USH2A-Gen sind möglicherweise eine Erklärung für die unterschiedlich angegebenen Hörverläufe (Große-Wilde, 2009). Usher-Syndrom Typ3 – er ist durch eine fortschreitende Innenohrschädigung gekennzeichnet. Diese erscheint als leichtgradige Schwerhörigkeit in der Kindheit und entwickelt sich zu einem mittelgradigen Hörverlust im frühen Erwachsenenalter. Über eine hochgradige Schwerhörigkeit im Alter von 20 Jahren verlieren die Betroffenen cirka in den 40er Jahren ihr Hörvermögen (Große-Wilde, 2009). 19 4. Funktion und Störung des Sinnesorgan Auge – bezogen auf das Usher-Syndrom Das Auge ist ein sehr wichtiges – wenn nicht sogar das wichtigste Sinnensorgan – denn kein anderes Organ hat so großen Anteil an der Gesamtheit der Sinneseindrücke (Grehn, 2008). Das Auge ist wohl das Sinnesorgan, mit dem sich der Mensch am unmittelbarsten identifiziert. Mit keinem anderen Organ nehmen wir die Umwelt in einer solchen Vielfalt wahr (Trepel, 2008). 80% aller Informationen des Menschen werden vom Auge aufgenommen – es fungiert hierbei als optischer Analysator. Auch das menschliche Vorstellungs-, Erinnerungs- und Erfahrungsgut, seine Denkprozesse, Tätigkeiten und Phantasie beruhen zum größten Teil auf visuellen Eindrücken. Das Sinnesorgan Auge bzw. der Sehsinn besitzt somit eine immense Bedeutung für den Menschen, für seine Aus- und Weiterbildung, seine tägliche Arbeit, seine Leistungen und seine Lebensqualität (Nasemann, Sachsenweger und Klauß, 2002). 4.1. Anatomie Das menschliche Auge kann mit einem analogen Fotoapparat verglichen werden. Hornhaut und Linse, die brechenden Medien des Auges, entsprechen dem Linsensystem der Kamera. Die Regenbogenhaut fungiert als Blende, die den Lichteinfall und die Tiefenschärfe regelt und die Netzhaut entspricht dem Film (Grehn, 2008). Abb.9: Aufbau des Auges Das Auge ist der periphere Teil des Lichtsinnesorgans, der zur Aufnahme elektromagnetischer Wellen der Wellenlänge von etwa 350 bis 750 nm dient. Diese physikalischen Reize werden in der Netzhaut durch fotochemische Vorgänge in elektrische Impulse umgewandelt und über den Sehnerv zum Sehzentrum der Großhirnrinde geleitet, wo die eigentliche Auswertung und Beurteilung erfolgt. Das Auge, speziell die Netzhaut, 20 ist somit ein vorgeschobener Gehirnteil. Netzhaut und Sehnerv werden als rezeptorischer (sensorischer) Apparat des Auges zusammengefasst. Das sichtbare Licht muss, um die Netzhaut reizen zu können, durch den optischen (lichtbrechenden) Apparat gelangen. Zu den brechenden Medien des Auges zählen Hornhaut, Vorderkammer, Linse und Glaskörper. Die Hornhaut trägt den größten Teil der Brechkraft bei, die Linse ermöglicht zusätzlich durch Änderung der Krümmung die Scharfeinstellung auf verschiedene Entfernungen. Bei Trübungen oder Abweichungen von der normalen Brechkraft (Refraktion), die für die Hornhaut ca. 43 dpt und für die Linse bei Fernakkommodation ca. 19 dpt beträgt, ist die Abbildung auf der Netzhaut unscharf (Faller und Schünke, 2012). Die Form des Auges wird durch den Augeninnendruck aufrechterhalten, der durch Produktion und Abfluss von Kammerwasser bestimmt wird. Tränenflüssigkeit und Lidschlag schützen die Hornhaut vor der Austrocknung. Die Netzhaut ist eine 0,1 – 0,5 mm dicke, durchsichtige Struktur, die einen im histologischen Schnitt gut erkennbaren Schichtenaufbau zeigt. Ihre äußerste Schicht ist das retinale Pigmentepithel, das als einschichtige Lage hexagonaler Zellen der BruchMembran aufsitzt. Die inneren, wesentlich komplexer aufgebauten Schichten werden als neurosensorische Netzhaut bezeichnet. Die Stäbchen und Zapfen der Photorezeptorschicht bestehen aus den erneuerungsfähigen Außensegmenten und den permanenten Innensegmenten. Die Außenund Innensegmente sind durch die aus Gliafortsätzen bestehende Membrana limitans interna von den Zellkernen der Stäbchen und Zapfen getrennt. Die Zellkerne bilden die äußere Körnerschicht. Abb.10: Schichten und Zelltypen der Retina 21 Die Verteilung der Stäbchen und Zapfen in der Netzhaut ist jedoch keineswegs gleichmäßig. Hell-Dunkel nehmen wir vorwiegend in der Netzhautperipherie durch die sehr lichtempfindlichen Stäbchen war, während sich in der Fovea centralis, dem zentralen Punkt der Retina und Ort des schärfsten Sehens, ausschließlich die weniger lichtempfindlichen, aber farbwahrnehmenden Zapfen befinden (Trepel, 2008). Tabelle 4: Photopisches und skotopisches Sehen im Überblick (Hick, Hick 2009) Seite 341 In der äußeren plexiformen Schicht stellen die Axone der 120 Millionen Stäbchen und 6 Millionen Zapfen den Kontakt zu Horizontal- und Bipolarzellen her. Horizontalzellen sind für Querverbindungen unter den Axonen verantwortlich, die Bipolarzellen leiten die Impulse zur inneren plexiformen Schicht weiter. Ihre Zellkerne liegen in der inneren Körnerschicht. Hier liegen auch die Zellkerne der für Querverbindungen zuständigen amakrinen Zellen und der Müller-Stützzellen, deren Ausläufer die gesamte Netzhaut „stützen“. In der inneren plexiformen Schicht nehmen die Axone der Bipolarzellen Kontakt mit den Ganglienzellen und amakrinen Zellen auf. Die Axone der Ganglienzellen verlaufen parallel zu und unter der Oberfläche der Netzhaut als Nervenfaserschicht zum Nervus opticus. Die Membrana limitans interna trennt die Netzhaut vom hinteren Teil der Glaskörpergrenzmembran. (Schiebler, 2005; Hick und Hick 2009). Der beschriebene Schichtenaufbau der Retina weist aber an zwei Stellen wesentliche Abweichungen auf - in der Fovea centralis und in der Papilla nervi opitici. In der Fovea centralis, die etwa 3,5mm von der Papille entfernt liegt und etwa der Größe der Papille entspricht, kommen an Photorezeptoren nur Zapfen vor. 22 Darüber hinaus finden sich hier fast nur Gliazellen und Ganglienzellen. Die äußere plexiforme Schicht besitzt hier einen schrägen, von der Foveamitte nach außen weisenden Verlauf. Eine Nervenfaserschicht zeigt sich histologisch erst außerhalb der Fovea. Die Foveola ist eine zentrale Einsenkung der Fovea von etwa 0,35mm Durchmesser, in der die inneren Netzhautschichten so stark ausgedünnt sind, dass hier die Zapfen fast unter der Netzhautoberfläche liegen (Kahle und Frotscher, 2009). 4.2. Embryologie Das retinale Pigmentepithel entwickelt sich bereits in der 3. Schwangerschaftswoche aus Anteilen des äußeren Augenbechers, dem äußeren Neuroektoderm. Die neurosensorische Netzhaut entsteht wenig später aus einer in den Augenbecher eingestülpten Schicht neuroektodermaler Zellen, dem inneren Neuroektoderm. Der Raum zwischen äußerem und innerem Neuroektoderm, genannt Sehventrikel, bildet sich zu einem kapillaren Spalt zurück (Schiebler, 2005). Während der ersten 5 Schwangerschaftswochen entwickeln sich in der Netzhaut drei Schichten: die innere neuroblastische Schicht besteht aus den Zellkernen der zukünftigen Ganglienzellen, Müller-Stützzellen und amakrinen Zellen, die mittlere, als anukläre Zone bezeichnete Schicht aus deren Zellfortsätzen. Die äußere neuroblastische Schicht differenziert sich später zu den Photorezeptoren. Die Ganglienzellen der inneren neuroblastischen Schicht entwickeln Axone, die in der 6. Woche den Nervus opticus bilden und 1 Woche später das Gehirn erreichen. Die Reifung der Photorezeptoren beginnt wesentlich später: Die Außensegmente werden erst im 6. Schwangerschaftsmonat gebildet. Ab diesem Zeitpunkt ist das Auge lichtempfindlich. Die Ausreifung der Makula wird erst nach der Geburt abgeschlossen. Die Vaskularisation der Netzhaut erfolgt zum Ende der Schwangerschaft. Die Gefäßbildung beginnt an der Papille und erreicht die nasale Netzhautperipherie im 9. Monat. Die temporale Peripherie wird erst 4 Wochen später erreicht (Sadler, 2008). 4.3. Physiologie Funktionell kann man das Auge aufteilen in den physikalisch-optischen Teil (dioptrischer Apparat) und die Rezeptoroberfläche der Netzhaut, in der die Umsetzung des optischen Reizes in Erregung neuronaler Elemente erfolgt (Transduktion). Sehen beginnt mit dem 23 Lichteintritt ins Auge. Das Licht tritt durch die Kornea ein und erreicht über die vordere Augenkammer, Linse und Glaskörper die Netzhaut. Der dioptrische Apparat entwirft im Auge ein verkleinertes, umgekehrtes Bild. Die Photorezeptoren der Netzhaut enthalten verschiedene Sehfarbstoffe, deren Anregung durch Licht und Vermittlung intrazellulärer Überträgersysteme den Erregungsvorgang einleitet. Die Menge an verfügbarem Sehfarbstoff bestimmt maßgeblich die Lichtempfindlichkeit bei der Dunkelanpassung (Klinke und Bauman, 2010). Die Photosensoren bilden den „Eingang“ in das retinale Neuronennetzwerk – die Ganglienzellen bilden mit ihren Axonen den Sehnerv und damit den „Ausgang“. Je Auge gibt es ca. 1 Million retinaler Ganglienzellen, das heißt, es liegt eine erhebliche Signalkonvergenz von den 126 Millionen Photosensoren vor. Die Ganglienzellen bilden Aktionspotentiale aus, die über den Nervus opticus zum Gehirn laufen. Die Umwandlung eines Bildes auf der Netzhaut in elektrische Nervensignale ist also nur der Beginn des Sehens. Damit wir die erhaltenen Informationen verarbeiten und darauf reagieren können und zwar möglichst ohne Verzögerung - führt mit der Sehbahn eine wahre Hochgeschwindigkeitsstrecke vom Auge ins Gehirn. Verlauf der Sehbahn: nasale Retinahälften kreuzen im Chiasma opticum und verlaufen mit den ungekreuzten temporalen Hälften als Tractus opticus zum Corpus geniculatum, wo sie umgeschaltet werden und dann fächerförmig in der Gratiolet-Sehstrahlung in der Sehrinde (Area striata) münden. Dabei wird der obere Quadrant im unteren Gyrus calcarinus gesehen und umgekehrt. Beim Menschen wechselt im Chiasma opticum rund die Hälfte der Fasern aus den beiden Nervensträngen die Richtung, die anderen fünfzig Prozent verlaufen weiter auf der Seite des Auges, dem sie entspringen. Welche Nervenfasern kreuzen und welche nicht, richtet sich nach dem Gesichtsfeld: Wie sich anhand von Strahlengängen verdeutlichen lässt, fällt Licht aus dem linken Bereich unseres Gesichtsfeldes im linken Auge auf die innere, nasale Seite der Netzhaut. Im rechten Auge fällt es auf die äußere, temporale Hälfte und umgekehrt. Beide Augen bekommen so Informationen von jeder Seite des Gesichtsfeldes. An der Sehnervkreuzung wechseln die nasalen Fasern die Seite – sie werden also kontralateral verschaltet, während die temporalen Fasern auf der ursprünglichen, ipsilateralen Seite verbleiben. Ein Effekt dieser komplizierten Verschaltung ist, dass jede Hälfte des visuellen Cortex nur Informationen über eine Seite des Gesichtsfeldes erhält – aber von beiden Augen. Ein anderer Effekt ist, dass auf diese Weise das gesamte System 24 auf Effizienz und Schnelligkeit getrimmt wird: So wird schon im Zwischenhirn vom Corpus geniculatum laterale, anhand der Informationen aus den verschiedenen Gesichtsfeldhälften ein Feedback an die Augen „gefunkt“, ob zum Beispiel die Helligkeitsadaptation der Pupille verbessert werden muss. Aufgrund der Überkreuzung führen Schädigungen der Nervenbahnen zu ganz charakteristischen Gesichtsfeldausfällen, die auf die Lokalisation des Defekts schließen lassen. Jenseits dieser Kreuzung ändert sich die Bezeichnung des Sehnervs: Als Tractus opticus ziehen die meisten Nervenfasern Richtung Hinterkopf. Ein kleiner Teil allerdings hat mit dem bewussten Sehen nichts zu tun, er liefert beispielsweise Input für unsere „innere Uhr“ im Hypothalamus. Der Großteil der Fasern jedoch erreicht mit dem seitlichen Kniehöcker die einzige Umschaltstation zwischen Netzhaut und primärer Sehrinde. Dass es nur diese eine Verschaltstelle gibt, ist entscheidend für unsere Fähigkeit, visuelle Eindrücke nahezu ohne Verzögerung wahrnehmen zu können. Der Ausdruck Sehstrahlung macht auf das bemerkenswerte Detail der retinotopen Organisation aufmerksam. Bestimmte Netzhautbezirke senden Signale nur an bestimmte, immer gleiche Regionen des visuellen Cortex. Was also von benachbarten Photorezeptoren der Netzhaut an Impulsen kommt, wird auch von benachbarten Cortexneuronen bearbeitet. Auf diese Weise wird eine Art Landkarte des Gesehenen übermittelt, wobei diese Landkarte stark verzerrt ist. Das hat seinen Sinn: Was auch immer wir fokussieren, dessen Abbild fällt auf die Fovea, den Ort des schärfsten Sehens auf der Netzhaut. Entsprechend wird diese Region überproportional betont: Um die 80 Prozent des primären visuellen Cortex beschäftigen sich mit Impulsen aus der Fovea, die selbst nur einige Millimeter groß ist. In der Sehrinde erst beginnt die eigentliche Analyse. Und sie beginnt rasend schnell: Von der Codierung des Bildes in der Netzhaut bis zu den ersten messbaren Impulsen in der primären Sehrinde vergehen bei gesunden Menschen kaum 100 Millisekunden. Möglich macht diese Geschwindigkeit – neben der Reduktion auf nur eine Umschaltstelle – die Ummantelung der Nervenfasern mit Myelinhüllen, die eine sehr hohe Leitungsgeschwindigkeit erlauben (Groß, 2011). Wenn die Sehschärfe wegen Erkrankungen des Auges oder Gehirns am besser sehenden Auge auf weniger als 30 Prozent reduziert ist, liegt eine Sehschädigung vor. Wenn die Sehschärfe unter 2 Prozent liegt und sich der Mensch in einer fremden Umgebung ohne fremde Hilfe nicht mehr zurechtfindet oder das vollständige Augenlicht fehlt, spricht man von Blindheit. 25 Eine international einheitliche Definition der Sehschädigung gibt es nicht. In Österreich ist folgende Definition gebräuchlich: Normalsichtigkeit: 1,2 bis 0,8 oder (120% bis 80%) Auffälliges Sehvermögen: 0,7 bis 0,4 oder (70% bis 40%) Sehschädigung: weniger als 0,3 oder (<30%) Geringe Sehschädigung: 0,3 bis 0,1 oder (30% bis 10%) Mittlere Sehschädigung: 0,08 bis 0,05 oder (8% bis 5%) Hochgradige Sehschädigung: 0,04 – 0,02 oder (4% bis 2%) Blind im Sinne des Gesetzes: weniger als 0,02 oder (<2%) oder eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung auf 5 Grad allseits vom Zentrum Blind: keine Lichtwahrnehmung Die gesetzliche Definition von Sehbehinderung wird durch die medizinisch begründete Festsetzung der Sehschärfe auf dem besseren Auge mit Korrektur gemessen. Eine solche Einstufung erfolgt allerdings nicht nur anhand der Sehschärfe, sondern Veränderungen des Gesichtsfeldes sowie Einengungen sind ebenso wichtig (Gruber, 2007). 4.4. Retinitis pigmentosa (RP) Eigentlich ist der Ausdruck Retinitis pigmentosa nicht korrekt, da es sich nicht um eine Entzündung (-itis) der Netzhaut handelt. Im medizinischen Sprachgebrauch aber hat sich diese Bezeichnung gegenüber dem eigentlich richtigen Ausdruck Retinopathia pigmentosa durchgesetzt. Bei RP degeneriert langsam die periphere Netzhaut, während die Stelle des schärfsten Sehens lange erhalten bleibt – es entsteht der sogenannte Tunnelblick. Die periphere Netzhaut hat die Funktion des Dämmerungs- und Nachtsehens, während die Netzhautmitte, wo die Stelle des schärfsten Sehens lokalisiert ist, für das Farbensehen und besondere Sehleistungen wie das Lesen verantwortlich ist. Die Zerstörung der peripheren Netzhaut erklärt die typischen Symptome der Retinitis pigmentosa: Nachtblindheit, eingeschränktes Gesichtsfeld und vermindertes Kontrastsehen. Hinzu kommt noch ein besonderer Typ des grauen Stars, von dem noch 26 unklar ist, ob er auch vererbt wird. Diese Symptome können bis zum völligen Verlust eines praktisch nutzbaren Sehvermögens führen. Durch diese zusätzlichen Beeinträchtigungen erfährt der tägliche Lebensvollzug der Betroffenen grundsätzliche Veränderungen, zusätzliche Erschwernisse, Behinderungen und vielleicht auch Stigmatisierungen (PRO RETINA, 2004). 4.4.1. Nachtblindheit Nachtblindheit ist eines der ersten Symptome der Augenerkrankung. Sie wird aber häufig von den Betroffenen nicht wahrgenommen, weil sie es nicht anders kennen. Nachtblinde Menschen sehen nicht nur nachts oder im Dunklen schlecht, sie brauchen auch sehr lange, bis sich ihre Augen vom hellen Licht an das schwache Licht in einem Raum gewöhnen. Ein guter Hinweis für eine Nachtblindheit bei einem betroffenen Kind könnte sein, wenn es beim Laufen in der Dämmerung an der Hand laufen will oder nachts immer nach einer Zimmerbeleuchtung verlangt, um z.B. auf die Toilette zu gehen. Abb. 11: Nachtblindheit – Simulation in der Mitte des Bildes 4.4.2. Eingeschränktes Gesichtsfeld Unter dem Gesichtsfeld versteht man das Wahrnehmungsfeld des Auges bei unbewegtem Geradeausblick Es umfasst die Gesamtheit aller Punkte (Gegenstände, Flächen) im Raum, die bei Fixation eines Punktes gleichzeitig vom Auge gesehen werden (Lang, 2008). Das beidäugige Gesichtsfeld des augengesunden Menschen ist ca. 180 Grad weit. Es vermittelt eine Panoramasicht, wobei aber nicht alle Zonen funktionell gleichwertig sind. 27 Das eingeschränkte Gesichtsfeld ist das schwerwiegendste Problem der Retinitis pigmentosa. Die Gesichtsfeldeinschränkung beginnt als ein ringförmiger blinder Fleck und wächst weiter zum Zentrum und nach außen. Sehr lange bleibt noch eine seitliche Gesichtsfeldinsel erhalten, die für die Orientierung von großem Nutzen ist. Wenn die seitliche Gesichtsfeldsichel verschwunden ist, bleibt ein "Tunnel" oder "Röhrenblick" übrig. Abb.12: Normalsicht – Tunnelblick Diesen Tunnelblick kann man Nichtbetroffenen durch den Blick durch ein Rohr leicht deutlich machen. Bei dieser typischen Form der RP ist die Orientierung im Raum erheblich erschwert, während das Sehen im Zentrum noch funktioniert. Also kann es durchaus vorkommen, dass ein RP-Betroffener mit Tunnelblick zwar schon den Blindenstock für die Orientierung benutzen muss, dass er aber trotzdem die Tageszeitung lesen kann. Wegen dieses offensichtlichen Widerspruchs läuft der Betroffene Gefahr, als Simulant bezeichnet zu werden. Auch das Autofahren ist mit einem eingeschränkten Gesichtsfeld nicht mehr möglich. Häufig wird dem Betroffenen seine Einschränkung des Gesichtsfeldes nicht oder erst nach einem Unfall bewusst; denn das verlorene Gesichtsfeld erscheint nicht als schwarzer oder weißer Fleck, sondern wird, obwohl es fehlt, vom Gehirn je nach Umgebung ergänzt. In vielen Fällen schreitet die Netzhautzerstörung auch anders voran. Die Ausfälle können als Ring um das Zentrum (Ringskotom) oder fleckenförmig auftreten. Möglich ist auch ein zunächst zentraler Befall; hierbei beginnt die Schädigung untypischer weise in der Gesichtsfeldmitte (inverse RP oder Zapfen-Stäbchen-Dystrophie). Bei dieser inversen Form der RP ist, anders als beim Tunnelblick, das Zentrum (die Makula) stärker betroffen, während die Randzonen noch erhalten sind. Dadurch sieht der 28 Betroffene in seiner Blicklinie (im Zentrum am Ort des schärfsten Sehens) schlecht; er muss daher geschickt an allen Gegenständen vorbeipeilen, um sie zu sehen. Außerhalb des Sehzentrums nimmt bekanntlich die Sehschärfe ab, auch beim Augengesunden. Dies hat zur Folge, dass der von inverser RP Betroffene schon sehr früh eine Lupe braucht, um noch lesen zu können, während die Orientierung im Raum noch längere Zeit problemlos ist. Auch wenn die Frühsymptome der inversen RP denen der Makuladegeneration sehr ähnlich sind, muss darauf hingewiesen werden, dass diese beiden Erkrankungen hinsichtlich ihrer Prognose, ihres Verlaufs und ihrer Ursachen unterschiedlich sind. (PRO RETINA 2004) 4.4.3. Vermindertes Kontrastsehen Farbsehen, Blendempfindlichkeit, Kontrastsehen: Patienten mit einem Usher-Syndrom haben typischerweise ein gestörtes Blau-Gelb Farbensehen. Die Einschränkung des peripheren Gesichtsfeldes führt gleichzeitig zu einer erhöhten Blendempfindlichkeit und einem herabgesetzten Kontrastsehen (z.B. beim Lesen, wenn die Schrift sich nicht gut vom Hintergrund abhebt). Kontraste verschwinden, und die Umgebung kann kaum noch erkannt werden. Abb. 13: Normalsicht - Blendungsempfindlichkeit Auf diesem Bild vermischen sich wegen der Blendung Personen, helle Kleidung und die Decke auf der Wiese zu einer hellen milchigen Fläche. In schweren Fällen entsteht das Gefühl, man laufe gegen eine weiße Wand. Bei hoher Blendungsempfindlichkeit helfen besondere Filtergläser, Seitenschutz und Hutkrempen, die das Gesicht beschatten. 29 4.5. Untersuchungsmethoden Gesichtsfeldmessung (Perimetrie): Hinweis auf die Erkrankung ist eine Einengung des Gesichtsfeldes zum Zentrum hin. Eine Perimetrie ist die Überprüfung des Bereichs, den man wahrnehmen kann, ohne das Auge zu bewegen = das Gesichtsfeld. Hierbei unterscheiden sich das Gesichtsfeld eines Auges (monokulares Gesichtsfeld) und das beider Augen (binokulares Gesichtsfeld). Beim Blick geradeaus, reicht das Gesichtsfeld zur Seite bis zu einem Winkel von über 90 Grad. Nach unten sind es bis zu 70 Grad und nach oben sowie zur Nase hin bis 60 Grad. Für Farben ist das Gesichtsfeld kleiner als für weißes Licht. Gegenstände am Rande des Felds werden deshalb nicht farbig wahrgenommen. Außerdem ist das Gesichtsfeld abhängig von der Adaptation, der Größe und der Helligkeit eines betrachteten Objekts. Eine klassische Untersuchung ist die kinetische Gesichtsfeldmessung mit dem manuellen Goldmann-Perimeter. Sie ist auch der vorgeschriebene Standard für gutachterliche Untersuchungen. Neue Computer-Perimeter erlauben auch copumtergesteuerte kinetsiche Perimetrie. Leichtere Funktionsstörungen im Frühstadium lassen sich besser durch die statische Perimetrie entdecken (Grehn, 2008). Die automatische statische Perimetrie ist die am häufigsten angewandte Methode der Gesichtsfeldmessung. Sie misst, wie empfindlich die bestimmten Stellen Lichteinstrahlung Netzhaut ist. an gegenüber Bei der statischen Perimetrie sitzt der Patient vor einem halbrunden Testschirm Abb. 14: Gesichtsfeldmessung (Perimeter). Auf dem Schirm erscheinen in zufälliger Reihenfolge aufblinkende Lichtpunkte. Die zu testende Person blickt auf ein Fixierlicht in der Mitte des Schirms und muss immer dann, wenn sie ein Licht in der Umgebung bemerkt, einen Signalknopf drücken. Betätigt sie bei einer Lichtmarke den Knopf nicht, so erhöht sich zunächst die 30 Lichtstärke. Nimmt die Person den Punkt wieder nicht wahr, registriert der angeschlossene Computer einen Ausfall. Das Messergebnis vergleicht der Arzt anschließend mit einem Normalbefund. Durchschnittlich dauert eine Gesichtsfeldmessung 10 bis 20 Minuten. Dabei wird immer nur ein Auge getestet, während das andere mit einer Augenklappe abgedeckt ist. Eine ältere und seltener angewandte Art der Gesichtsfeldmessung ist die kinetische Perimetrie. Auch bei dieser Methode sitzt die zu testende Person meist vor einem halbrunden, selten vor einem flachen Testschirm (Kampimetrie). Auf diesem werden bewegte Lichtpunkte von außen nach innen in das Gesichtsfeld herangeführt. Der Zeitpunkt an dem der Patient die Punkte wahrnimmt, wird vom untersuchenden Arzt oder automatisch von einem Computer erfasst und anschließend ausgewertet. Auf diese Weise kann der Arzt die genaue Größe des Gesichtsfelds bestimmen. Mesoptometer: Hell-Dunkel-Anpassung und gestörtes Dämmerungssehen können durch eine Überprüfung mit dem Mesoptometer abgeklärt werden. Elektroretinogramm: Der Untergang der peripheren Netzhaut kann mittels eines Elektroretinogramms untersucht werden, mit dem elektrische Potentiale der Netzhaut abgeleitet werden. Bei dem Usher-Syndrom sind diese deutlich reduziert. Beim Elektroretinogramm werden Lichtreize appliziert und die darauf von der Netzhaut gebildeten elektrischen Potenziale mittels mehrerer Elektroden aufgezeichnet. Diese Potenziale spiegeln die elektrische Aktivität der Zapfen und Stäbchen sowie der Bipolarzellen wider. Es wird zwischen skotopischen (dunkeladaptierten) und photopischen (helladaptierten) Bedingungen unterschieden. Bei skotopischen Bedingungen werden hauptsächlich die Stäbchen, bei photopischen Bedingungen die Zapfen getestet. Beim Ganzfeld-Elektroretinogramm bleiben Störungen, die nur die Makula betreffen, meist verborgen, weswegen bei Verdacht auf Störung des zentralen Gesichtsfeldes das Multifokal-Elektroretinogramm (mfERG) Anwendung findet. Hierbei werden dem Patienten sich verändernde Lichtreize für bestimmte Areale der Netzhaut angeboten und die Antwortkurve für jedes Netzhautareal separat berechnet. Farbsinntest: Häufig sind Farbsehstörungen im Blau-Grün-Bereich festzustellen. Zum Usher-Syndrom gehört typischerweise ein gestörtes Blau-Gelb-Farbsehen. Bei einem Farbsinntest kommt ein Spektralapparat zum Einsatz. Mit diesem kann der Augenarzt 31 verschiedene Farben mischen und Kontraste beliebig abbilden. Der Untersuchte wird aufgefordert, die verschiedenen Farben und Formen, welche er sieht, zu benennen. Der Augenarzt kann dadurch beurteilen, ob und in welcher Art eine sogenannte Farbenblindheit vorliegt. Untersuchungen des Glaskörpers: Glaskörpertrübungen können auch vorkommen. Diese reichen von kleinen, kaum zu erkennenden pigmentieren Zellen bis zu dichten Trübungen bei der Synchisis scintillans (glitzernde Cholesterinkristalle im Glaskörper). Davon zu unterscheiden sind „normale“ wahrnehmbare Glaskörpertrübungen, die sogenannten „fliegenden Mücken“ (mouches volantes). Fundusuntersuchugen: Eine Untersuchung des Augenhintergrunds kann direkt oder indirekt stattfinden. Bei einer direkten Ophthalmoskopie wird das Auge des Betroffenen beleuchtet. Durch ein Ophthalmoskop kann der Augenarzt durch die Pupille in das Augeninnere sehen. Dabei erscheint der Augenhintergrund in mehrfacher Vergrößerung. Während der Untersuchung des Augenhintergrunds sitzt der Augenarzt direkt vor dem Untersuchten. Bei einer indirekten Ophthalmoskopie hält er mit ausgestrecktem Arm eine Lupe vor das Auge des Betroffenen und beleuchtet dieses mit einer starken Lichtquelle. Obwohl der Augenarzt bei dieser Augen-Untersuchung mit kleineren Vergrößerungen arbeitet, erhält er einen besseren Gesamtüberblick über das Augeninnere. Beim Usher-Syndrom zeigen Untersuchungen des Augenhintergrunds (Fundus) eine Atrophie des retinalen Pigmentepithels. Durch eine Ansammlung von nicht „verdaubaren“ Abbauprodukten in der Netzhaut entstehen die sogenannten Knochenkörperchen. Diese Pigmentablagerungen sind Folgeerscheinungen der Netzhautdegeneration und nicht die Ursache. Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung erkennt man eine Atrophie des Sehnervs an der wachsgelben bzw. blassen Papille. Außerdem wird eine Engstellung der retinalen Blutgefäße im Laufe der Zeit deutlich erkennbar, da die nicht mehr funktionierenden Teile nicht mehr versorgt werden müssen (Große-Wilde, 2009; Grehn, 2008). 32 5. Auseinandersetzung mit der Behinderung „Es gibt Menschen unter uns, die in Erfahrungswelten leben, die unsereins niemals betreten kann“ (John Steinbeck zit. in Trucker 1998, S.5) 5.1. Diagnose Die Diagnose Usher-Syndrom ist verständlicherweise sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Angehörigen ein Schock. Eltern eines betroffenen Kindes müssen ihm die Krankheit erklären und wissen häufig nicht, wie sie es am besten tun sollten. Oft haben sie die Tatsache, dass bei ihrem Kind zu der Hörbehinderung eine fortschreitende Sehbehinderung hinzukommt, noch nicht verarbeitet und wissen nicht, wie sie selber damit umgehen sollen. Bereits vor Jahren haben sie verarbeiten müssen, dass ihr Kind hörgeschädigt ist. Sie haben meist viel Zeit und Mühe in die Sprachentwicklung, brauchbare Hörhilfen und Schulausbildung investiert. Mit der Feststellung einer zusätzlichen fortschreitenden Sehbehinderung gilt es für sie, erneut einen Schock zu überwinden. Manche Eltern informieren ihr Kind erst Monate oder Jahre später über die Erkrankung und die daraus resultierende Behinderung. „Von den gehörlosen und schwerhörigen Menschen erfahren wir aber, dass sie es oft vorgezogen hätten, rechtzeitig von ihren Eltern über die Erkrankung informiert zu werden“ (Guest 2009). Im anfänglichen Krankheitsstadium kann diese „unsichtbare“ Doppel-Behinderung von Außenstehenden nicht sofort erkannt werden. Auch die Betroffenen selbst können oft das ganze Ausmaß ihres Handicaps nicht immer ausmachen, da es sich in der Regel über einen langen Zeitraum sehr gering verändert. Trotzdem spüren die betroffenen Kinder, dass etwas nicht stimmt, dass sie sich von anderen Kindern unterscheiden. Es erscheint äußerst sinnvoll, eine dem Alter entsprechende Aufklärung zu betreiben. Bei der ärztlichen Mitteilung einer möglichen Erblindung wird aber häufig übersehen, dass bei RP noch über einen sehr langen Zeitraum verwertbare Sehreste vorhanden bleiben. Oft fehlt aber das Vorstellungsvermögen darüber, welche Einschränkungen das festgestellte, eingeschränkte Gesichtsfeld bedeutet. Wenn Ärzte oder Berater die Eltern nicht ausreichend über die Erkrankung informieren, kann dies dazuführen, dass diese auf die praktischen und emotionalen Bedürfnisse des Kindes oder Jugendlichen inadäquat reagieren (Große-Wilde, 2009; Reichardt, 1999/2000). 33 5.2. Bewältigungsprozess Nach Mitteilung der Diagnose durchlebt der Betroffene einen oft jahrelang andauernden Prozess der Bewältigung und Behinderung – parallel dazu verschlechtert sich seine Sehfähigkeit. Mit jeder neuen Konfrontation, dass er wieder schlechter sieht, treten Gefühle und Ängste, Resignation und Trauer auf. Die Psychotherapeutin Cordula von Brandis-Stiehl, selbst an RP erkrankt, unterteilt diesen Prozess in vier Abschnitte, welcher aber durch wechselvolle Gefühlschwankungen nicht immer in der genannten Reihenfolge verläuft: Zeiten des Nicht-Annehmens: Nach Eröffnung der Diagnose beginnt meist die Zeit des Ignorierens oder des Nicht-Wahrhaben-Wollens. Oft versucht der Betroffene den Sachverhalt abzuschwächen oder gar ins Gegenteil zu ziehen, wie „Die Diagnose ist falsch, der Arzt hat sich geirrt“. Ann (age 46) „I was a student in college when I first found out about my diagnosis. The ophthalmologist took me into his office alone and said, „You have RP.“ I said, „What´s that?“ Later, he said, „You are going blind. You need to learn braille and quit the college. I want you to goto a hospital where they are doing research on RP.“ He was very blunt. I said, „What, me going blind? No, no!“ I was crying because I was really shocked. „Me, going blind? Me, quit college?“ I couldn´t believe that (Duncan, Prickett and Vernon, 1988). Wie lange der Betroffene seine Begründungen für sich aufrecht erhält, hängt von seiner Persönlichkeit ab, wie er generell mit Problemen umgeht und wie weit er sich auf die neue Situation einstellen kann. Für Usher-Syndrom-Betroffene ist die Abnahme der Sehfähigkeit besonders schmerzlich, da sie aufgrund ihrer Hörbehinderung besonders auf die Augen angewiesen sind. Die zusätzliche Einschränkung zwingt sie, sich in verschiedenen Situationen immer wieder neu zu orientieren – und die Kommunikation mit den Mitmenschen wird noch komplizierter. „Das Gefühl, das Geschehen nicht fassen zu können, kennen wir bei plötzlichen Todesfällen von uns nahestehenden Menschen; hier helfen häufig Trauerrituale, die in der Kultur verwurzelt sind. Im Falle der Sehverschlechterung hält unsere Tradition leider kein Ritual zum trauernden Abschied vom sehenden Zustand bereit“ (Brandis-Stiehl, 2001). 34 Zeiten der Rebellion: Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem sich die Sehbehinderung nicht mehr verdrängen lässt. Der Kraftaufwand, welcher betrieben wird, um unauffällig zu wirken, kann nicht mehr geleistet werden. Der Betroffene fühlt sich ohnmächtig – empfindet Wut und Zorn gegen sich selbst und andere. Diese Aggression kann sich in Schuldzuweisungen anderen gegenüber äußern und das alltägliche Zusammenleben schwer belasten. Zeiten des Rückzugs: Der Kräfteverschleiß durch die Konfrontation mit der Hörbehinderung und der Sehverschlechterung, der Verdrängung und dem Sich-Auflehnen gegen die bestehende Situation ist für die Betroffenen sehr groß. Die Kommunikation mit anderen ist schwieriger geworden und durch die erhöhte Konzentrationsarbeit auch ermüdender. Viele Betroffene resignieren und ziehen sich aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Die Angehörigen werden zu ihrem einzigen „Halt“. Dies kann die Angehörigen – obwohl sie natürlich helfen wollen – mit der Zeit überfordern und „auslaugen“. Zeiten des Suchens und Findens: "Wenn Dir irgendetwas Schmerzen bereitet, so ist es nicht das Ding an sich, das Dich schmerzt, sondern Dein Urteil darüber, und es liegt in Deiner Macht, eben dieses Urteil jetzt zu revidieren." Marc Aurel Das Suchen und Finden des neuen Selbstbildes ist ein langer Prozess, welcher geprägt ist vom Abschied von Hör- und Sehfähigkeiten, der Trauerarbeit, vielen Rückschlägen und Verunsicherungen und dem Sammeln von Erfahrungen im Umgang mit den Beeinträchtigungen. Die Beendigung des Bewältigungsprozesses ist ein abstraktes Ziel. Es wird für die Betroffenen immer wieder Situationen oder Momente geben, die in ihnen Gefühle der Trauer hervorrufen (Reichardt, 1999/2000). Art (age 44) „I do accept my vision loss, emotionally, but in some ways I miss my vision tremendously. Not the hearing… I was born deaf. I have never experienced hearing, so I don´t care about that. I could do many things as a deaf person that I can´t do now. I miss the beauty of seeing because I had a lot of visual experience in the past. When I became blind, I missed that. But I have a lot of ambition, a lot of other interests, a lot of activities 35 that keep me busy. But sometimes, I do miss my vision.“ (Duncan, Prickett and Vernon, 1988). 5.3. Auseinandersetzung mit der Hörbehinderung Selbst geringe Hörstörungen können in einer Welt des immer schneller werdenden Informationsaustausches zum Nachteil werden. Wer dem hörsprachlichen Austausch nicht mehr schnell genug folgen kann, läuft Gefahr, beruflich, familiär oder sozial isoliert zu werden (Zahnert, 2011). Die Auseinandersetzung mit der Behinderung allgemein und der doppelten Sinnesbeeinträchtigung im Besonderen ist immer ein individueller Prozess. Ein Vergleich der Lebensgeschichten von Usher-Betroffenen ist nur bedingt möglich – zu unterschiedlich sind ihre Eingangssituation (vor der Diagnose) und ihr Bewältigungsprozess (nach der Diagnose). 5.4. Doppelte Sinnesbeeinträchtigung Haben Sie einmal darüber nachgedacht, wie sich wohl eine zweifache Behinderung auf das Alltagsleben auswirkt? Welche von beiden, die Sehbehinderung oder die Schwerhörigkeit, bewirkt die größere Belastung – ist das größere Handicap? Aus der medizinischen Literatur kann man ersehen, dass die Kombination von Hör- und Sehverlust sich ernster auswirkt als ein genetischer Defekt für sich alleine. Sie wird als eine komplexe Behinderung bezeichnet (Stiefel, 1991). Den „typischen Usher-Syndrom-Fall“ gibt es nicht, denn jede Erkrankung verläuft individuell. Wichtig sind regelmäßige Untersuchungen in zwei- bis fünfjährigen Abständen – dadurch kann abgeschätzt werden, wie rasch der Sehverlust voranschreitet. „Hilfen in dieser Zeit können nur durch Menschen gegeben werden, die dem Betroffenen klar machen können: Ich bin da. Ich verlasse dich nicht. Ich helfe dir“ (Hepp, 2003). Dieses Ziel könnte in der Heil- und Integrativen Pädagogik sowie in der Medizin durch kompetentes Fachpersonal umgesetzt werden, welches einfühlsam auf den Betroffenen eingeht, um gemeinsam einen Weg zu finden, kommunikative Kompetenzen, mobile Unabhängigkeit und barrierefreien Informationszugang aufrecht zu erhalten oder auf zu bauen. Die größte Problematik liegt derzeit darin, dass das Wissen über Usher in Österreich auch unter Ärzten und den Gehörlosen selbst wenig verbreitet ist, da es nur wenige wagen, über diese Tabu-Thema offen zu sprechen. Weiters kommt hinzu, dass 36 jeder selbst darüber entscheidet, wie er mit der Erkrankung umgeht – ob er sich dem stellt oder es leugnet. Eine 36jährige Usher-Betroffene aus Amerika mit 80% Hörverlust und 30% Sehverlust schreibt: „I don´t think much about my disabilities because I have avoided my worst case scenarios and just plain sail! In orther words I just enjoy the best that life can offer. There is no point in feeling sorry for oneself, no point in trying to do things that do not gel with you and your disabilities. Do the things that you know that you can do and improve on them. That´s what I try to do by keeping myself occupied with things that keep my mind busy and focussed“ (Dainton, 2007). Nicht für alle Betroffenen steht die medizinische Diagnose an erster Stelle. Frau Dainton schreibt, sie wisse nicht, ob sie Usher-Typ 2 oder 3 habe – es interessiere sie auch nicht. Obwohl jede Erkrankung anders verläuft, lassen sich doch gewisse Gemeinsamkeiten ausmachen: Das Gefühl, ab einem gewissen Zeitpunkt im Leben anders als der Rest zu sein (oftmals mit dem Eintritt in den Kindergarten oder in die Schule). Die Erfahrung, neben dem Unvermögen zu Hören auch verminderte Sehfähigkeit zu haben und dadurch zwischen zwei Gemeinschaften zu stehen – weder zu den Gehörlosen noch zu den Blinden zu gehören. Soll ich mich damit überhaupt auseinandersetzen – soll ich mich dem stellen oder leugne ich solange es geht? Und letztlich die Suche nach anderen, neuen, alternativen Kommunikationsmöglichkeiten. So vielschichtig und komplex die Ursachen und Auswirkungen des Usher-Syndroms sein können, so bunt, kreativ, nützlich, kompliziert oder individuell sind auch die sich draus ergebenden Kommunikations- und Lebensstrategien dieser Personengruppe (Sacherer, 2011). 5.4.1 Taubblindheit Taubblindheit ist eine Behinderung die beiden Fernsinne, das Sehen und das Hören betrifft. Der Grad der Behinderung kann bei beiden Sinnen sehr verschieden sein, d.h. neben 37 vollständiger Taub- und Blindheit sind auch verschiedenste Grade von Seh- und Hörbehinderung möglich. Es gibt vier Kombinationen, die als Taubblindheit bezeichnet werden: 1. Vollständige Blindheit und vollständige Gehörlosigkeit 2. Vollständige Blindheit und hochgradige Schwerhörigkeit 3. Hochgradige Sehbehinderung und vollständige Gehörlosigkeit 4. Hochgradige Sehbehinderung und hochgradige Schwerhörigkeit (Adler und Wohlgesinger, 2011). Es handelt sich also nicht um eine homogene Gruppe, auf die der Begriff „taubblind“ verweist – manche Menschen sind völlig taub und blind, die meisten Betroffenen haben jedoch Seh- und/oder Hörreste so dass sich unterschiedliche Erscheinungsbilder ergeben. Taubblinde Menschen sind nicht fähig – wie Blinde oder Gehörlose – den gesunden zweiten Fernsinn als volle Kompensation einzusetzen. Taubblindheit ist eine Behinderung für sich – eine dritte Behinderungsart (Schneider und Schuler, 2002). Der Zeitpunkt des Eintritts der Sinnesschädigungen hat einen maßgeblichen Einfluss auf Entwicklung und Lebensperspektive. Peter Hepp (Hepp, 2003) hat ausgehend von seinen zahlreichen, langjährigen Erfahrungen mit Gehörlosen, Blinden und Taubblinden folgende Dreiteilung, entsprechend der verwendeten Kommunikationsform, vorgenommen. 1. Taubblind Geborene 2. Lautsprachlich orientierte Taubblinde 3. Gebärdensprachlich orientierte Taubblinde Taubblind Geborene sind Menschen, die von Geburt oder frühester Kindheit an wegen fehlender oder stark eingeschränkter Hör- und Sehfähigkeit keine oder nur eingeschränkte Möglichkeiten haben, über die auditive und/oder visuelle Wahrnehmung Sprache zu erwerben. Der Tastsinn ist ihr wichtigstes Kommunikationsmittel. Taubblinde Geborene können eine taktil-wahrnehmbare Sprache entwickeln – diese ist in ihrer Art ganz anders als die Lautsprache oder die Gebärdensprache. Um die Entwicklung dieser andersartigen Sprache erspüren zu können, muss man von der „Vorstellung der eigenen Sprache“ absteigen. Lautsprachlich orientierte Taubblinde sind erst nach dem Erwerb der Lautsprache ertaubte Blinde oder hochgradig Sehbehinderte. Auch hochgradig schwerhörige Blinde und 38 Sehbehinderte gehören dazu. Diese Betroffenen konnten früher hören und hatten so die Möglichkeit, eine auditiv ausgerichtete Sprache zu erwerben – die Lautsprache. Nach Ertaubung oder Minderung der Hörfähigkeit können sie zwar die Sprache der anderen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt aufnehmen – aber ihnen bleibt die Fähigkeit, sich lautsprachlich zu äußern, sodass sie verstanden werden. Diese Menschen sind oft „Meister“ im Lormen (siehe Abbildung 16), wegen der ebenfalls meist vorhandenen guten Schriftsprachkompetenz. Der Nicht-Taubblinde lormt ihnen in die Hand und der Taubblinde antwortet in Lautsprache. Gebärdensprachlich orientierte Taubblinde sind sehbehinderte oder erblindete Gehörlose oder auch hochgradig Schwerhörige. Diese hatten aber in früher Kindheit ein gutes Sehvermögen und somit die Möglichkeit eine visuelle ausgerichtete Sprache zu erwerben – die Gebärdensprache. Sie empfinden diese auch als ihre Muttersprache. Wenn ihr Sehvermögen sich verringert, bietet sich das Lormen - mehr aber die taktile Gebärdensprache als ideale Kommunikationsform für diese Betroffenen an (Hepp, 1998). Taubblindheit wurde 2004 als eine „spezifische Behinderung eigener Art“ im Europaparlament anerkannt (Angermann, 2004). 191 Länder der Vereinten Nationen unterschrieben die Konvention. Die Anerkennung der Taubblindheit als eigene Behinderungsform durch das österreichische Parlament am 21.10.2010 stützt die Legitimation gezielter heilpädagogischer Fördermöglichkeiten für diese Personengruppen und wird bei der Einschätzung des Schweregrades einer Behinderung dezidiert als Diagnose angeführt (Republik Österreich, 2013). Taubblindheit Eine offizielle Definition von und Hörsehbehinderung fehlt aber weiterhin. Trotzdem ist die Annerkennung ein Schritt dahin, dass es taubblinden Menschen leichter möglich gemacht wird, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Österreich hat sich durch die Unterzeichnung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen verpflichtet, Menschen mit Taubblindheit in der für sie am besten geeigneten Weise der Kommunikation zu unterrichten (Baumann und Latzelsberger, 2012). 6. Beeinträchtigung der Kommunikation Unter Kommunikation (lat. communicatio = Mitteilung, Unterredung) verstehen die meisten Menschen das Austauschen von Gedanken und Gefühlen unter Menschen, vor allem mit dem Mittel der „Sprache“ (Schneider und Schuler, 2002). 39 Kommunikation ist ein zentraler und essentieller Bestandteil menschlichen Zusammenlebens. Spätestens seit Paul Watzlawick ist bekannt, dass man nicht nicht kommunizieren kann (Watzlawick, Beavin und Jackson, 1974). Hörende können sich naturgemäß nicht vorstellen, dass Gehörlosigkeit nicht als Mangel oder Behinderung aufgefasst werden kann, weil sie es nicht anders kennen und weil für sie Hören ein wesentlicher Bestandteil der Kommunikation ist. Gehörlose jedoch, die nie hörend waren, vermissen per se das Hören nicht. Was ihnen fehlt, ist die Kommunikation mit Hörenden, nicht aber unter ihresgleichen (Weber-Guskar, 2008). Hörbehinderte, insbesondere Gehörlose haben große Schwierigkeiten, sich in der lautsprachlich dominierten Umwelt zurechtzufinden, da sie überwiegend von visueller Kommunikation abhängig sind. Umgekehrt wird der Hörsinn viel intensiver beansprucht und benutzt, wenn der Sehsinn fehlt. Wie verändert sich jedoch die Kommunikation bzw. wird beeinflusst, wenn beide Fernsinne fehlen oder beeinträchtigt sind (Sacherer, 2011)? 6.1. Kommunikationsformen Sprache ist der Schlüssel zu Welt. „Je größer der Schlüsselbund, desto mehr Türen können geöffnet werden, desto mehr Möglichkeiten hat man, die Welt kennen zu lernen“ (Prillwitz und Vollhaber, 1990). Wenn man diesen Gedanken auf Kommunikation allgemein erweitert, so lässt sich sagen: Je mehr Kommunikationsmittel der Mensch zu Verfügung hat, desto mehr Möglichkeiten hat er, mit anderen in Kontakt zu treten, desto umfangreicher der interpersonale Erfahrungspool, aus dem er schöpfen kann. Es stellt sich die Frage, in welcher Welt Taubblinde leben und wo endet ihre Welt? Endet sie überhaupt irgendwo, gibt es Grenzen der Wahrnehmung? Der Taubblinde kann in seiner Situation resignieren und sagen: „Hier endet meine Welt, ich weiß nicht, was sich jenseits meiner Fingerspitzen abspielt“ (Reyes, 1997) oder er kann sagen: Die Welt beginnt in meinen Hände (Sacherer, 2011). Eine taubblinde Frau drückte die Wichtigkeit der Hände in ihrem Leben in einem Gedicht aus: MY HANDS My hands are . . . My Ears, My Eyes, My Voice . . . My Heart. They express my desires, my needs They are the light that guides me through the darkness 40 They are free now No longer bound to a hearing-sighted world They are free They gently guide me With my hands I sing Sing loud enough for the deaf to hear Sing bright enough for the blind to see They are my freedom from a dark silent world They are my window to life Through them I can truly see and hear I can experience the sun against the blue sky The joy of music and laughter The softness of a gentle rain The roughness of a dog's tongue They are my key to the world My Ears, My Eyes, My voice… My Heart They are me (Stine, 1997) Am Schlüsselbund der Sprachen hat Amanda Stine die für sie passende Sprache gefunden, um sich auszudrücken und um mit ihren Mitmenschen in Kontakt zu treten. Kommunikation ist also mehr als Sprechen, und sie beginnt lange vor dem Sprechen. Es bedeutet, sich mit Mitmenschen auszutauschen – in welcher Form auch immer. Kommunikation bedeutet, die eigene Persönlichkeit sowie Wünsche und Bedürfnisse durch (Inter)Aktionen, Worte, Berührungen, Blicke und Bilder auszudrücken. Am Schlüsselbunde der Kommunikation hängen sehr viele Schlüssel, die einzeln oder gemeinsam eingesetzt das Tor zu anderen und der Welt aufschließen können. Welche Kommunikationsform Taubblinde/hochgradig Hör-Sehbehinderte verwenden, darauf gibt es keine Pauschalantwort. Die Bandbreite ihrer Ausdrucksmittel ist höchst individuell, entsprechend den eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Kein Mensch ist gleich, daher gibt es auch nicht die Taubblinde oder den Usher-Syndrom-Betroffenen. 41 Sondern eine Vielzahl an Persönlichkeiten, die alle ihre eigene Lebensgeschichte besitzen und mit der jeweiligen Abstufung ihrer Seh- und Hörbeeinträchtigung leben. Viele der in den folgenden Kapiteln vorgestellten Kommunikationsformen können und werden individuell in der Praxis miteinander kombiniert. Der Input, also die Perzeption und das Verständnis über kommunikative Inhalte können über einen anderen Kanal erfolgen, als der Output, die Mitteilung (Sacherer, 2011). 6.1.1. Lautsprache Welche Sprache ist die idealste für Gehörlose? Im September 1880 fand der Mailänder Kongress statt, welcher als weltweit prägend für die darauf folgenden Jahre der Gehörlosenbildung gilt. Spätestens seit dem Mailänder Kongress haben sich im deutschsprachigen Raum oralistische, auf Lautsprache ausgerichtete Unterrichtsmethoden durchgesetzt. Bei diesem Kongress kamen Taubstummenlehrer zusammen, um über die Methode der Bildung von Gehörlosen zu debattieren und abzustimmen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass gehörlose und hörgeschädigte Kinder nur mehr lautsprachlichen Unterricht erhalten dürfen. Daher wurde die Gebärdensprache vollkommen aus dem Unterricht gestrichen und ganze 100 Jahre lang sogar verboten. Erst am 20. Juli 2010 traf sich dieselbe Vereinigung erneut, um über eine Aufhebung der Mailänder Beschlüsse abzustimmen. Es bedarf also mehr als ein Jahrhundert, bis schließlich im Zuge des 21. Internationalen Kongresses zur Bildung und Erziehung Gehörloser (ICED) in Vancouver die so folgenreichen Bestimmungen des Mailänder Kongresses aufgehoben wurden (Österreichischer Gehörlosenbund, 2009). Lange Zeit war es also in der Schule – aber auch in den Familien üblich, dem gehörlosen Kind ausschließlich die Lautsprache als Kommunikationsmittel anzubieten. Damit wollte man die komplette Integration in die Welt der Hörenden erreichen. Doch das ist für die Entwicklung des Kindes nicht förderlich. Es erfordert eine enorme Anstrengung, ständig von den Lippen zu lesen und hindert das Kind und die Eltern auch daran, sich spontan zu äußern. Außerdem wird eine komplette Integration in die Welt der Hörenden (also nur mit Verständigung durch Lautsprache) niemals möglich sein und Utopie bleiben (Tauber und Wipplinger, 2012). 42 6.1.2. Gebärdensprache Die Gebärdensprache ist die Kommunikation, mit der sich Gehörlose untereinander verständigen. Nichthörbehinderte und Schwerhörige beherrschen sie in der Regel nicht. Gebärdensprachen sind Sprachen, die nicht auf Lauten basieren, sondern aus einem manuell-gestischen Code bestehen. Sie sind weltweit überall dort auf natürliche Weise entstanden, wo es Gehörlosengemeinschaften gab bzw. gibt. Gebärdensprachen sind also natürliche und nicht erfundene Kunst- oder Plansprachen (wie es z.B. Esperanto ist). Gebärdensprachen sind deshalb nicht weltweit gleich – es gibt nationale Varianten, die sich – wie gesprochene Dialekte – voneinander unterscheiden. Gebärden und ihre Verwendung durch den Menschen sind so alt wie die Menschen selbst. Neuesten Erforschungen zufolge gilt die Gebärdensprache als die älteste und natürlichste Sprache der Welt (Clarke, 2010). Zu den ältesten Zeugnissen zählen Beschreibungen von Gebärden aus dem Alten Testament (Kugler-Kruse, 1988). Was heute selbstverständlich klingt, war lange Zeit heftig umstritten. Gebärden und Gebärdensprachen wurden als obszön und vulgär empfunden. In der heutigen Zeit würde man annehmen, dass die Unterdrückung Gehörloser, ihrer Kultur und ihrer Sprache der fernen Vergangenheit angehört. Leider ist dies ganz und gar nicht der Fall. Zwar wurden seit den 1960er Jahren international zunehmend die Gebärdensprachen untersucht und in Unterrichtskonzepte Gehörloser integriert bzw. reintegriert, dennoch dauerte der Kampf um die Anerkennung der Gebärdensprache Jahrzehnte. Erst die Erkenntnisse aus der Linguistik-Forschung, welche den Gebärdensprachen den Status einer „echten“ Sprache zugestanden, ermöglichten den Gehörlosengemeinschaften die Anerkennung als eigenständige soziale Minderheitengruppe (Weber-Guskar, 2008). Am 9. August 2005 wurde die verfassungsrechtliche Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Damit war der Gesetzwerdungsprozess abgeschlossen. Am 6. Juli 2005 beschloss der Nationalrat eine Änderung der Österreichischen Bundesverfassung, mit der die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache als eigenständige Sprache verankert werden soll. Mit BGBl. I Nr. 81/2005 wurde diese Anerkennungsbestimmung in Art. 8 Abs. 3 B-VG am 9. August 2005 im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Art. 8 Abs. 3 lautet demnach: „(3) Die Österreichische Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt. Das Nähere bestimmen die Gesetze.“ 43 Die Bestimmung trat mit Ablauf des Monates der Kundmachung in Kraft, also mit 1. September 2005 und damit ist die Österreichische Gebärdensprache eine in Österreich eigenständig anerkannte Sprache (Krispl, 2005). Die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) sowie die Deutsche Gebärdensprache (DGS) besteht aus den Gebärden, der Non-verbalen Kommunikation und dem Ablesen des Mundbildes. Hand-, Arm- und Körperbewegungen, Körperhaltung, Mimik und Mundbild bilden eine Einheit. Gebärdensprachen werden gestisch produziert und visuell wahrgenommen. Das Auge ist dabei von essentieller Bedeutung, um Kommunikation zu gewährleisten. Wenn der Gesprächspartner den Blick von seinem Gegenüber abwendet, wird der Kommunikationsfluss unweigerlich unterbrochen. Gestische Elemente sind notwendig, um über die Hände Informationen zu übermitteln. Gebärdensprachen bedienen sich dabei sowohl manueller als auch nonmanueller Elemente. Hände und Arme zählen zu den manuellen – Mimik, Gestik und Mundbild zu den nonmanuellen Kommunikationsmitteln. Die richtige Anwendung der fünf Komponenten ist von elementarer Bedeutung, da sich Gebärden z.B. lediglich anhand einer Komponente unterschieden können. In der Gebärdensprache darf (im Regelfall) lediglich ein begrenzter Raum zur Ausführung der Gebärden verwendet werden. Dieser Bereich, der sich etwa vom Kopf bis zur Hüfte erstreckt, wird als Gebärdenraum bezeichnet. Innerhalb dessen dürfen Gebärden größer oder kleiner ausgeführt werden, je nachdem in welcher Situation man sich befindet, vergleichbar mit Flüstern oder Schreien in der Lautsprache. Die ÖGS ist syntaktisch eine vollwertige Sprache mit einer eigenen Syntax und Semantik. Sie ist zudem eine visuelle Sprache, die sich von der deutschen Schrift- und Lautsprache stark unterscheidet. Durch die Nutzung des Raumes und der Möglichkeit, Aktionen gleichzeitig auszuführen, liegt aber in Gebärden stärkere Ausdruckskraft als in lautsprachlichen Worten. Daher werden nur etwa halb so viele Gebärden wie Wörter benötigt, um den gleichen Inhalt zu transportieren. Somit sind Gebärdensprachen genauso ökonomisch und „schnell“ wie Lautsprachen. Allerdings gibt es in der Schriftsprache Wörter, für die es in der ÖGS keine Gebärden gibt und umgekehrt Gebärden, die nicht schriftlich übersetzt werden können. Um hier Abhilfe zu schaffen, bedient man sich der Gebärdenzeichen (siehe Seite 45). Die Produktion einzelner Gebärdenzeichen beansprucht doppelt soviel Zeit wie die Produktion von Wörtern. 44 Abb.15: Internationales Einhand Fingeralphabet Das Fingeralphabet ermöglicht das Buchstabieren von Wörtern, für die es z.B. keine Gebärden gibt und von Namen. Mit den Fingern zu buchstabieren ist keine Kommunikationsform, weil es sehr umständlich ist, so als ob man in einem gesprochenen Satz jeden Laut einzeln sagen würde, sondern ein Hilfsmittel, das überall dort verwendet wird, wo Wörter aus eine anderen Sprache, meist einer Lautsprache, buchstabiert werden sollen. An lautsprachlich geführten Gesprächen können Gehörlose nur mit Hilfe von Gebärdendolmetschern teilhaben. 6.1.3. Taktile Gebärdensprache Gebärdensprache ist eine visuelle Sprache – Bewegungen, Positionen und Formen von Händen und Armen, Bewegung von Kopf und Oberkörper sowie Gesichtsausdruck sind Elemente dieser Sprache. Was geschieht nun, wenn diese Elemente visuell nicht mehr erfasst werden können? Kann Sprache durch die Fernsinne nicht mehr visuell oder auditiv wahrgenommen werden, kann in taktiler Gebärdensprache kommuniziert werden. Gebärden werden dabei taktil wahrgenommen, indem der Empfänger seine Hände über die Hände der gebärdenden Person (Sender der Information) legt und die Gebärden sozusagen ertastet. Taktile Gebärdensprache wird v.a. in Kommunikation mit gehörlosen Personen verwendet, deren Sehvermögen sich im Verlaufe ihres Lebens verschlechtert hat oder die erblindet sind, die aber vor dieser visuellen Einschränkung Gebärdensprache benutzt haben (Elliker, 2010). 45 Abb. 16: Taktile Gebärdensprache „Hörgeschädigte Kinder (meist mit Usher-Syndrom geboren) erlernen, noch sehend, die Gebärdensprache der Gehörlosen. Wenn – meist erst im Erwachsenenalter – Blindheit hinzutritt, übertragen sie ihr (erstes) Verständigungssystem so weit als möglich in die taktilkinästhetische Modalität – sie verständigen sich weiterhin gebärden sprachlich, aber im Berührungskontakt“ (Arbeitskreis, 2005). Die Struktur der taktilen Gebärdensprache ist bis auf wenige Details mit der Struktur der Gebärdensprache identisch. Auf die gebärdenden Hände seines Gesprächspartners legt der Taubblinde seine eigenen Hände. So kann die Form und die Bewegung der Gebärden abgefühlt werden – dies kann auch umgekehrt erfolgen. Die fehlende Übermittlung der Mimik wird durch leichte Grammatik-Abweichungen ausgeglichen. Der übliche Gebärdenraum wird auf einen kleinen Raumausschnitt reduziert. Es ist möglich, die Gebärden mit beiden Händen oder einhändig abzufühlen (Zelle, 2008). 6.1.4. Lormen Das Lormen ist eine Kommunikationsform (Zeichensprache) für Taubblinde. Durch verschiedene Arten von Berührung in die Handinnenfläche (streichen, kreisen, punkten, umfassen) kann Kommunikation stattfinden. Lormen wurde von Dr. phil. Heinrich Landesmann (Schriftstellerpseudonym Hieronymus Lorm) aus Mähren stammend, im 19 Jahrhundert entwickelt. Landesmann litt seit seiner Jugend an einer progressiven Sehbehinderung und verlor im Alter von 16 Jahren sein Gehör. Da er um seine drohende Taubblindheit wusste, entwickelte er für sich dieses Tastalphabetsystem. Er schämte sich 46 jedoch dessen und wendete es nur geheim an. Chlumecky, ein weiterer Taubblinder und der Tochter Lorms ist es zu verdanken, dass das Lormsystem nicht in Vergessenheit geriet und sowohl unter Pädagogen, Gehörlosen und Taubblinden Verbreitung fand. (Hepp 1998) Lormen bezieht sich auf die geltenden Regeln der Rechtschreibung, wobei nicht auf die Groß- und Kleinschreibung geachtet wird. Frage- und Ausrufezeichen etc. erfolgen in der üblichen Zeichengebung der Lautsprache. Den 26 Buchstaben des Alphabets wird ein entsprechendes Tastzeichen zugeordnet. Die Tastzeichen bestehen z.B. aus: Streichen entlang der Fingerinnenseite, Berühren von Fingerspitzen, Kreisen und Trommeln im Handteller, Punkten, Umfassen von Fingern etc. Zahlen werden in der uns bekannten Form in die Handinnenfläche geschrieben. Zur Aufnahme des Lorm´schen Tastalphabets dient die Handinnenfläche des Zuhörers, welche in der Hand des Sprechers liegt oder bei längeren Gesprächen auf der Tischkante ruht (siehe Abbildung 16) (Schneider und Schuler, 2002). Die Vorteile des Lormens: Es kann relativ leicht und schnell erlernt werden (etwa für Angehörige, Betreuer oder Freunde). Ein rascher Gesprächsverlauf ist durchführbar, wenn die Benützer geübt sind. Diese Art der Kommunikation beruht auf dem Tastsinn, entspricht damit den natürlichen Bedürfnissen taubblinder/hochgradig hör-sehbehinderter Menschen und ist daher für sie geeignet. Lautsprachorientierte Menschen sind darauf ausgerichtet, Informationen seriell und nicht simultan wahrzunehmen. Lormen folgt diesen Richtlinien, da die Wörter nacheinander in die Hand des Gegenübers geschrieben werden. Darin liegt aber die erste Schwierigkeit, denn Voraussetzung für die Anwendung des Lormalphabets ist gute Schriftsprach- respektive Lautsprachkompetenz. Deshalb eignet sich diese Kommunikationsform gut für Spättaubblinde (Sacherer, 2011). Nachteile des Lormens: Gegenüber der Lautsprache und auch der Gebärdensprache (sofern Sprachkompetenzen grundsätzlich vorhanden sind), ist Lormen zeitaufwändiger, da jedes Wort einzeln nacheinander buchstabiert werden muss. Außerdem erfordert dieses Alphabet von beiden Benützern große Konzentration und ist auf Dauer sehr anstrengend. Da das Lormen Körperkontakt erfordert, ist die Kommunikation mit viel Nähe verbunden. Als schwierig werden von Betreuern insbesondere Situationen erlebt, in denen taubblinde Menschen aggressiv werden oder sich ganz zurückziehen (Schneider und Schuler, 2002). 47 Abb. 17: Das Lormalphabet Abschließend sei darauf hingewiesen, dass dieses Tastalphabet von wenigen Gehörlosen beherrscht und angewendet wird, solange sie nicht selbst von einer drohenden Taubblindheit oder hochgradigen Hör-Sehbehinderung betroffen sind oder überhaupt über die bevorstehende Verschlechterung ihrer beiden Fernsinne wissen. Es ist ein zusätzliches Kommunikationsmittel, stellt jedoch keine Idealform der Kommunikation dar. Lormen ist eine nützliche Ergänzung, welche Gebärden aber nicht ersetzt (Sacherer, 2011). 7. Spezielle Probleme von Usher-Syndrom Betroffenen im Alltag In diesem Kapitel möchte ich Alltagsituationen aufzeigen, die für Usher-Syndrom Betroffene oftmals mit großen Schwierigkeiten behaftet sind – die aber relativ einfach beseitigt werden können, wenn man folgende Regeln beachtet. Wichtig für Usher-Syndrom Betroffene ist der Raum, in dem die Kommunikation stattfindet. Er sollte gut beleuchtet sein, damit das Ablesen des Mundbildes und der Gebärden möglich ist. Sitzt der Gesprächsteilnehmer in einem Zimmer vor dem 48 Fenster (wie es oft bei Behörden der Fall ist), so wird der Betroffene durch das Gegenlicht geblendet und kann das Gesicht des anderen Teilnehmers nur abgedunkelt wahrnehmen. Die umgekehrte Position, wo der Betroffene das Fenster im Rücken hat, ist für ihn angenehmer. In hohen geschlossenen Räumen sorgt ein vom Boden und von den Wänden mehrfach reflektierter Schall für zusätzliche Beeinträchtigung. Bei einem Gruppengespräch, in dem mehrer Teilnehmer Dialoge führen, ist der Schwerhörige einer großen Belastung ausgesetzt. Er muss die augenblicklich sprechende Person orten und sich auf diese und ihrer Sprechhaltung konzentrieren. Oft geht dabei der Anfang verloren und der Betroffene gerät ins Hintertreffen. Durch schnelle Themenwechsel verliert er häufig den Anschluss an das Gespräch. Die aufzubringende Konzentration ermüdet den Betroffenen bei lang andauernden Gesprächen, so dass er sich zurückzieht vom aktuellen Gespräch. Je lauter die Umgebung und je schlechter die Lichtverhältnisse sind, desto eher lässt die Konzentration bei dem Betroffenen nach. Durch die GF-Einschränkung geht Usher-Syndrom Betroffenen zusätzlich ein großer Teil der visuellen Information verloren. Innerhalb einer Gesprächsrunde kann nur ein Teil der Gruppe visuell erfasst werden. Die unmittelbaren seitlichen Nachbarn werden nicht gesehen. Der Sprechende muss erst „gesucht“ werden, bis er sich im Blickfeld befindet. Gebärden, die einen großen Raum einnehmen, können nur noch bedingt wahrgenommen werden. Alles was außerhalb dieses Blickfensters liegt, ist somit außerhalb des Sichtbereichs für den Betroffenen. Da bei Usher-Betroffenen die visuellen Fenster unterschiedlich sind, sind die Betroffenen gerne bereit darauf hinzuweisen, wie weit sie etwas sehen. Meist lesen sie sehr viel von den Lippen ab und sind auf die Mimik angewiesen, weil diese wichtigen Informationen auch mit kleinstem Sichtfenster leicht verstanden werden. Wenn man einem Usher-Betroffenen etwas zeigen will, ist es wichtig, zuerst zu sagen, was man meint – und erst dann in die Richtung zu zeigen, wo sich das Objekt befindet. Durch das Vorwissen findet und erkennt der Betroffene die Dinge viel schneller und weiß, was der andere sagen bzw. zeigen wollte. In Einkaufzentren und Supermärkten lauern auch oft versteckte Gefahren für Betroffene. Der Einkaufswagen ist grau und der Betroffene sieht verschwommen – zusätzlich durch die Gesichtsfeldeinschränkung stößt er oft an Gegenstände an, die 49 am Boden stehen. Der Betroffene sieht sie nicht und stolpert bzw. stößt sich an Ecken und Kanten an. Deshalb schauen Usher-Betroffene zuerst zu Boden und gehen dann weiter oder gehen mit gesenktem Kopf. Dies führt wiederum dazu, dass sie andere Personen im Supermarkt oft erst spät sehen und dann nicht mehr entsprechend ausweichen können bzw. mit anderen zusammenstoßen. Besonders gefährlich ist es im Straßenverkehr. Der Betroffene kann weder den Zug noch das Auto kommen hören bzw. sehen. Bei schwerhörigen Betroffenen ist die akustische Orientierung bei Straßenlärm sehr schwer. Deshalb müssen Betroffene den Kopf ganz langsam nach links und rechts drehen und genau schauen. Dies ist vor allem bei stark befahrenen Straßen ohne Ampelregelung sehr schwierig, weil der Betroffene durch das langsame Schauen nicht adäquat abschätzen kann, ob er es auf die andere Straßenseite schafft. Sich mit Betroffenen zu unterhalten (egal ob in Lautsprache oder in Gebärdensprache) und dabei zu gehen ist für Betroffenen stressig, weil sie nicht gleichzeitig den Boden und den Gesprächspartner ansehen können. Die Gefahr hinzufallen, zu stolpern oder an anderen Menschen anzustoßen ist groß. Gefährlich wird es dann vor allem bei Treppen und Stufen. Geduldig zu sein ist für die Kommunikation mit Betroffenen sehr wichtig. Auch wenn Teilstücke verstanden werden, kann ein wichtiges Schlüssel-Wort zum gravierenden Missverständnis führen. Dies ist besonders dann wichtig, wenn es um Gefühle geht. Für Eltern ist es wichtig, dass sie zu der Beeinträchtigung des Kindes stehen und die Lehrer ihres Kindes darüber aufklären. Es ist deshalb wichtig, weil es in der Schule viele Situationen gibt, wo Kinder sich verletzen können z.B. im Turnunterricht. Die Einschränkung des Gesichtsfeldes oder auch die Gleichgewichtsstörungen können zu massiven Problemen führen. Ein Kind mit Gleichgewichtsstörungen kann z.B. nicht mit verbundenen Augen "Blinde Kuh" spielen oder es sieht die umgedrehte Bank zu spät und stolpert darüber. Ballspiele, die zugeworfen werden, sind für die betroffenen Kinder nicht spielbar. Deshalb ist es immer wichtig, Bezugspersonen des Kindes (auch Lehrmeister in der Lehre) darüber zu informieren und ihnen Mittel aufzuzeigen, worauf es bei dieser Erkrankung ankommt, wie z. B. gute Beleuchtung in den Räumlichkeiten. Wichtig ist, dass der Betroffene auch selbst angeben kann, was für ihn gut ist und was nicht. 50 Deshalb ist es auch die Aufgabe der Eltern, das Kind für die Zukunft so vorzubereiten, dass sie mit Selbstbewusstsein zu ihrer Einschränkung stehen. Für nichtbetroffene Personen ist es einfach wichtig zu wissen, wie man mit Betroffenen umgehen sollte. Der Nichtbetroffene muss nicht zwangsläufig Gebärdensprache können, aber er sollte wissen, wie Informationen am besten vermittelt werden. Es ist wichtig, dass man sich bei Gesprächen mit Betroffenen bewusst macht, dass diese – durch ihre doppelte Sinnesbeeinträchtigung relativ leicht und unabsichtlich etwas falsch verstehen können. Im folgenden Kapitel kommt nun ein Interview mit einer Usher-Syndrom-Betroffenen, damit man sich als Nicht-Betroffener besser in das Alltagleben und die Probleme von diesen Menschen hineinversetzten kann. Dazu war ein Votum der Ethikkommission der Medizinischen Universität einzuholen. Nach Eintreffen des positiven Votums konnte die Befragung durchgeführt werden. Es war geplant zwei Betroffene zu interviewen, leider hat eine Patientin aus persönlichen Gründen das ursprünglich zugesagte Interview verweigert. 8. Interview mit einer Usher-Syndrom Betroffenen Interviewpartner Frau B. und Gebärdendolmetscherin Gaugl G. G: Vielen Dank für das Interview. Wie alt sind Sie? Fr. B: 32 Jahre G: Wie ist ihr Familienstand – ledig oder verheiratet? Fr. B: Ich bin verheiratet. Mein Mann ist schwerhörig. G: Haben sie Kinder? Fr. B: Ja, einen Sohn mit 4 Monaten – und er ist hörend. G: Wie sieht ihre momentane Wohnsituation aus? Fr. B: Ich wohne mit meinem Mann – und natürlich meinem Sohn zusammen. (Biografie): G: Welche Schule haben sie besucht? 51 Fr. B: Ich verbrachte die gesamte Schulzeit im BIG in Wien Speising. Von 1987-1992 besuchte ich die Volksschule und von 1992-1996 die Hauptschule. Danach war ich bis 1999 in der Malerschule in Baden, die ich mit Abschlussprüfungszeugnis absolvierte. G: Welchen Beruf üben sie zurzeit aus? Fr. B: Seit dem Jahr 2000 arbeite ich als Vertragsbedienstete im Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport. Und seit Herbst 2012 biete ich zusätzlich kostenlose Beratungsgespräche für Usher-Betroffene in der ÖHTB-Beratungsstelle an. Aber derzeit bin ich in Karenz – daheim bei meinem Sohn. G: Sind Sie von Geburt an gehörlos? Fr. B: Ja, ich bin seit meiner Geburt gehörlos. G: Wann wurde bei ihnen die Diagnose Usher-Syndrom gestellt? Fr. B: Bereits im Kindergartenalter hatte ich immer wieder Gleichgewichtsstörungen – diese wurden aber meiner Gehörlosigkeit zugeschrieben. Im Alter von 17 wollte ich den Führerschein machen – und im Rahmen der Führerscheinuntersuchung stellte man mir die Diagnose „Tunnelblick“. Die genaue Diagnose Usher-Syndrom wurde bei mir aber erst mit 28 Jahren festgestellt. Ich war in Deutschland und nahm an einer Veranstaltung für Taubblinde teil. Es gab dort verschiedene Vorträge – auch zum Thema Usher-Syndrom. Mir wurde bewusst, dass das genau die gleiche Symptome sind, die ich habe! Meine Gehörlosigkeit und „mein Tunnelblick“ wurden zu einer Diagnose. Daheim in Österreich konfrontierte ich meinen Augenarzt mit meinen neuen Erkenntnissen. Wie sich herausstellte, wusste er schon lange, dass ich Usher-Syndrom Betroffene war – er wollte mich schonen und mir die Wahrheit verschweigen. Hätte er nicht immer über Tunnelblick, sondern über Usher-Syndrom gesprochen, hätte ich vielleicht im Internet nachgelesen. G: Welchen Typ des Usher-Syndroms haben sie? Fr. B: Bei mir wurde der Usher-Syndrom Typ I festgestellt. G: Wie viel hören und wie viel sehen sie? Fr. B: Ich habe ein Restsehvermögen von 15% - mittlerweile verwende ich teilweise auch einen Blindenstock. Und ich kann Geräusche wahrnehmen durch die CI, die ich links vor einem Jahr, und rechts vor zwei Jahren implantiert bekommen habe. G: Wie haben sie gemerkt, dass sich ihre Sehfähigkeit verschlechtert? 52 Fr. B: In der Pubertät habe ich sicher noch viel besser als jetzt gesehen – aber in den letzten Jahren habe ich eine deutliche Einschränkung meines Gesichtsfeldes wahrgenommen. G: Welche Kommunikationsformen haben sie gelernt? Fr. B: Gebärdensprache, Taktiles Gebärden und ein wenig Lormen in Deutschland – darin bin ich aber noch nicht sehr gut – ich kann Lormen in Österreich auch so gut wie gar nicht anwenden, da es keiner kann. Diese Kommunikationsform benützte ich nur in Deutschland. G: Welche Kommunikationsformen benützen sie? Fr. B: Hauptsächlich Gebärdensprache – und da sich meine Sehfähigkeit in den letzten Jahre deutlich verschlechtert hat verwende ich nun – vor allem abends oder bei schlechten Lichtverhältnissen vermehrt die taktile Gebärdensprache. Das ist aber nicht immer möglich, da nur wenige taktiles Gebärden können. Mein Mann lernt auch die taktile Gebärdensprache. G: Inwiefern haben sich ihre Kommunikationsgewohnheiten im Laufe ihres Lebens geändert? Fr. B: Durch mein eingeschränktes Gesichtsfeld, wird es für mich zunehmend schwieriger, wenn ich mit Gehörlosen oder Schwerhörigen gebärde, welche ein sehr großes Gebärdenfeld benutzen. USH Betroffene haben ein viel kleineres Blickfeld – und gebärden daher in einem viel kleinern Blickfenster – ich mache mein Gegenüber immer darauf aufmerksam – jedoch halten sich nicht alle Schwerhörigen ans kleine Gebärdenfenster – außerdem sind sie zusätzlich auch noch akustisch orientiert – was bei mir eben auch nicht der Fall ist. (Kommunikation allgemein): G: Wie zufrieden sind sie mit den Möglichkeiten, die sie zur Kommunikation haben? Fr. B: Zurzeit bin ich eigentlich ganz zufrieden mit den Möglichkeiten – es wäre natürlich gut für mich, wenn mehr Menschen die taktile Gebärdensprache beherrschen würden. G: Wie unterhalten sie sich mit Familienmitgliedern? Fr. B: Mit meinem Mann kommuniziere ich mit Gebärdensprache bzw. teilweise mit taktiler Gebärdensprache. Meine Eltern sind beide hörend – sie können kaum Gebärdensprache. Da ich bereits vor 13 Jahren zu Hause ausgezogen bin, haben sie die Gebärdensprache beinahe ganz verlernt – d.h. mit meinen Eltern kommuniziere ich über 53 Lippenlesen. Das funktioniert eigentlich ganz gut – es ist halt wichtig, dass ich mein Gegenüber gut sehe, er deutlich spricht, keinen Bart hat – das ist ganz schlecht – und wenn jemand isst oder trinkt – kann ich natürlich auch nicht von den Lippen ablesen. G: Wie unterhalten sie sich mit Arbeitskollegen – mit Vorgesetzten? Fr. B: Ich arbeite vor allem am Computer – meine Arbeitskollegen übernehmen das Telefon. Da ich schon so lange dort arbeite und die einzige Gehörlose im Büro bin, funktioniert die Arbeitsteilung mit meinen Kollegen ganz gut – und wenn wirklich mal eine wichtige Besprechung ist, organisiere ich mir einen Gebärdendolmetscher. G: Wie kommunizieren sie bei Behörden- oder Arztterminen? Fr. B: Ich organisiere mir für solche Termine einen Dolmetscher – so wie jetzt gerade für das Interview. Termine bei Behörden oder Ämtern sind ja gut planbar – da ist es für mich kein Problem, rechtzeitig – also einige Tage vorher – einen Dolmetscher zu organisieren. Akut ins Krankenhaus musste ich noch nie – aber sollte das einmal der Fall sein, könnte notfalls auch mein Mann für mich dolmetschen. G: Wie unterhalten sie sich mit gehörlosen Freunden? Fr. B: Fast ausschließlich mit GB. Nur sehr wenige meiner Freunde können die taktile GB. G: Wie mit hörenden Freunden? Fr. B: Da ich von Geburt an gehörlos und in die Gehörlosenschule gegangen bin, besteht mein gesamter Freundeskreis aus gehörlosen oder schwerhörigen Menschen. Hörende Freunde habe ich nicht. G: Wie kommunizieren sie am liebsten beim Streiten? Fr. B: Was ist das für eine Frage? Erstens mag ich nicht streiten – ich bin ein sehr friedliebender Mensch – aber natürlich kann man auch in GB streiten – man gebärdet einfach schneller mit ausdrucksstärkerer, aggressiverer Mimik. GB ist eine voll anerkannte Sprache. G: Was ist der Unterschied zwischen erblindeten Gehörlosen (zuerst gehörlos, dann blind) und hörgeschädigten Blinden? (zuerst blind, dann gehörlos) – Wie kommunizieren die beiden Gruppen? Fr. B: Ideal für die Kommunikation zwischen erblindeten Gehörlosen und hörgeschädigten Blinden wäre das Lormen, das können aber nur sehr wenige Menschen – vor allem in Österreich wird Lomren kaum verwendet. Das Problem ist, dass erblindete Gehörlose 54 meist nur Gebärdensprache oder später vielleicht taktile Gebärdensprache lernen und hörgeschädigte Blinde könne diese Form der Kommunikation nicht lernen, da sie sich ja visuell nicht orientieren können. G: Worauf sollte man im Umgang / in der Kommunikation mit Usher-Betroffenen achten? Fr. B: Wie bereits erwähnt: Wichtig ist ein kleines Gebärdenfenster, da durch das eingeschränkte GF und durch den Tunnelblick sonst viel visuelle Information in der Kommunikation verloren geht und das zu Missverständnissen führen kann. Außerdem sollten gute Lichtverhältnisse im Raum herrschen – und die Hände des Gesprächpartners sollten sich von seiner Kleidung deutlich abheben. Die Lippen sollten gut zu sehen sein, mit Bartträgern ist Kommunikation beinahe unmöglich. G: Wie viele Usher-Syndrom Betroffene gibt es in Österreich? Fr. B: Es gibt leider keine offiziellen genauen Zahlen – nur Schätzungen, die auf internationalen Erhebungen basieren. In Österreich leben ca. 1400 Taubblinde Menschen – Usher-Syndrom Betroffene in Wien kenne ich ungefähr 25. G: Gibt es spezielle Schulen für taubblinde Kinder in Österreich? Fr. B: Nein, in Österreich gibt es keine Schule speziell für taubblinde Kinder. Es gibt nur eine Klasse im BIG, in der nur taubblinde Kinder unterrichtet werden – meiner Meinung nach aber nicht sehr gut. G: Welche Kommunikationsformen sollten Menschen mit Usher-Syndrom ihrer Meinung nach in der Schule lernen? Fr. B: Gebärdensprache ist sicher sehr wichtig – aber taktile Gebärdensprache wäre für Usher-Betroffene schon auch relevant – da sich mit den Jahren das GF einschränkt und wenn man kaum noch sieht, dann ist die taktile Gebärdensprache schon sehr hilfreich. Ich habe die taktile Gebärdensprache erst in Deutschland kennengelernt – und sie kann von großem Nutzen für Usher-Betroffene sein. Da das taktile Gebärden aber häufig auch Gebärdendolmetschern nicht vertraut ist, habe ich in Zusammenarbeit mit der ÖHTBBeratungsstelle für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen einen Vortrag für Gebärdendolmetscher organisiert, bei dem ich über das Usher-Syndrom berichtet habe und zum Schluss wurde über die taktile Gebärde diskutiert. Es besteht Interesse vonseiten der Dolmetscher, sich Wissen anzueignen und die taktile Gebärde in Österreich einzuführen und anzuwenden. Lormen habe ich nur interessehalber gelernt – es wird für UsherBetroffene nicht extra empfohlen. 55 G: Was ist für sie schlimmer – taub oder blind zu sein? Was bereitet im Alltag ihrer Meinung nach größere Probleme? Fr. B: Für mich sind meine Sehprobleme sicher das größere Handicap. Ich bin gehörlos von Geburt an – das stört mich nicht – schränkt mich auch nicht ein. Aber durch mein zunehmend kleineres Gesichtsfeld bin ich schon sehr eingeschränkt – vor allem in der Kommunikation mit anderen. G: Sind bei tauben/blinden Menschen die anderen Sinne stärker ausgeprägt - und was bedeutet das für diese Menschen im täglichen Leben? Fr. B: Da ich gehörlos geboren bin, ist bei mir der visuelle Sinn sicher stärker ausgeprägt – ich finde auch, dass ich ein sehr gutes Raumgefühl habe. Daher schränkt mich im Alltag ja meine zunehmende Sehschwäche sehr stark ein – weil ich es gewohnt bin, mich vor allem visuell zu orientieren. G: Welche Wünsche haben sie zur Verbesserung der Situation von Menschen mit UsherSyndrom? Fr. B: Mein Ziel ist es, eine Selbsthilfegruppe für Usher-Betroffene in Wien zu gründen, sobald es genug Interessenten gibt. Sowohl in Wien als auch Österreich weit kenne ich wenige Betroffene. Ich bin der Meinung, dass mehr Gehörlose und Schwerhörige Personen vom Usher-Syndrom betroffen sind – doch viel zu häufig tritt die Krankheit durch das NICHT erkennen der Symptome in den Hintergrund. Seit einigen Jahren bemühe ich mich, regelmäßig Treffen mit Gleichgesinnten zu organisieren und Kontakt mit taubblinden Personen aufzunehmen. Es gab immer wieder Bestrebungen und Anläufe, eine Selbstvertretung zu organisieren. Von politischer Seite scheint jedoch kein großer Wille zu bestehen, die Bedürfnisse von taubblinden Menschen zu unterstützen Aber vielleicht war bisher die Zeit noch nicht reif, doch ich hoffe es gelingt mir nun bald. Für mich sind auch die Kontakte außerhalb Österreichs mit den Betroffenen sehr wichtig, da der Austausch mir hilft, die nächsten wichtigen Schritte zu realisieren, die es in Österreich gilt anzugehen. In Deutschland ist man schon viel weiter – dort gibt es bereits seit einigen Jahren Selbsthilfegruppen und mehrere Netzwerke, mit regelmäßigen Treffen, Vorträgen im medizinischen Bereich, zu Rechtsfragen etc. Ich finde diese Themen sehr interessant, informativ und wichtig. Es wäre gut, wenn es ähnliches in Österreich geben würde. 56 G: Was halten sie persönlich von einem generellen Usher-Syndrom-Screening bei Neugeborenen, die mit Hörschäden oder taub auf die Welt kommen? Fr. B: Das wäre sicher nicht schlecht – denn je früher die Diagnose gestellt wird, desto früher kann mit einer Therapie begonnen werden bzw. wenn mehr Fälle diagnostiziert werden, wird mehr geforscht werden. In Österreich geschieht meiner Meinung nach viel zu wenig. In Deutschland wird bereist seit 1992 an einer Therapie für Retinitis pigmentosa geforscht bzw. es werden Alternativen gesucht, wie die Vernarbungen durch die Retinitis pigmentosa therapiert werden können. G: Glauben sie persönlich, dass es für eine taubes bzw. hörbehindertes Kind besser ist, zu wissen, dass es das Usher-Syndrom hat – und deshalb auch sehbehindert / blind werden wird? Fr. B: Ja, ich bin schon der Meinung, man sollte einem betroffenen Kind die Diagnose nicht verheimlichen. So hat es die Chance, in seine Krankheit „hinein zuwachsen“ – es kann so besser lernen, mit seinem Handicap umzugehen. Für Eltern ist es wichtig, dass sie zu der Beeinträchtigung des Kindes stehen. Es ist die Aufgabe der Eltern, das Kind für die Zukunft so vorzubereiten, dass es mit Selbstbewusstsein zu seinen Einschränkungen steht. G: Was sind für sie die größten Probleme im Alltag? Fr. B: Meine Sehbehinderung schränkt mich im Alltag ein. Große Menschenmengen verwirren mich – durch meinen Tunnelblick kann ich mich nicht gut orientieren, wenn wo viele Menschen sind. Außerdem muss ich sehr auf Stufen achten – ich nehme seit einiger Zeit auch einen Blindenstock. Was mich auch stört ist, wenn Gesprächspartner, meinen kleinen Gebärdenraum nicht akzeptieren und zu groß gebärden. G: Was wünschen sie sich generell für die Zukunft? Fr. B: Ich wünsche mir – wie alle Usher- Betroffenen – dass möglichst bald eine Therapie gefunden wird, die das Fortschreiten der RP stoppt. Außerdem wünsche ich mir, dass mehr meiner Freunde die taktile Gebärdensprache lernen und es sollte spezielle Schule für Usher-Syndrom betroffene Kinder geben. Und wie bereits erwähnt - ein ganz großer Wunsch von mir ist die Gründung einer Selbsthilfegruppe für Usher-Betroffene in Österreich – ich glaube, es wäre an der Zeit. G: Vielen Dank, dass sie sich für das Interview Zeit genommen haben. Ich wünsche ihnen alles Gute für die Zukunft. Fr. B: Gerne. Ich wünsche ihnen noch viel Erfolg für ihre Arbeit. 57 9. Therapie – Forschung Es gibt bis heute noch keine geeignete Therapie zur Linderung der Symptome, die dem Usher-Syndrom-Betroffenen helfen oder die Krankheit sogar zum Stillstand bringen könnte. Bislang gibt es keine kausale Therapie für USH-Patienten. Der Hörverlust wird durch Hörgeräte und Cochlea-Implantate teilweise kompensiert, für den retinalen Phänotyp gibt es jedoch noch keine Therapiemöglichkeit. Die Hörminderung bei USH1- und USH2-Betroffenen ist ein pränataler Entwicklungsdefekt. Demnach müssen potenzielle Therapieansätze nach pränataler molekularer Diagnostik noch in utero erfolgen. Erste Ergebnisse am Tiermodell zeigen, dass eine in utero Genaddition in die Cochlea möglich ist (Bedrosian et al., 2006). Es gilt allerdings hierbei zu bedenken, dass sowohl die Probenentnahme für die Diagnostik als auch die Therapie invasive Eingriffe sind und damit ein hohes Risiko für eine Fehlgeburt darstellen. Hörgeräte „verstärken“ die eingehenden Signale in das Innenohr und eignen sich nur für USH2- und USH3-Patienten, die unter mittel- bis schwergradiger Hörminderung leiden. Aufgrund der Zunahme der Hörminderung bis zur Taubheit sollte frühzeitig ein CochleaImplantat eingesetzt werden, da es jüngeren Patienten leichter fällt, sich an ein Implantat zu gewöhnen. Bei Cochlea- und Retinaimplantaten übernehmen die eingesetzten elektronischen Implantate die Funktion der abgestorbenen Haar- bzw. Photorezeptoren. Die nach geschalteten Neurone des Innenohrs bzw. der Retina übernehmen die Prozessierung und die Weiterleitung des elektrischen Impulses zum Gehirn. Bei USH1Patienten, die taub geboren werden, hat sich die frühzeitige Applikation eines CI bewährt. Diese frühzeitige Implantation ermöglicht diesen Kindern, die sensibelste Phase des HörSprachzentrums in den ersten Lebensjahren im Gehirn am effektivsten zu nutzen. Es erlaubt ihnen ein normales Erlernen von Hören und Sprechen. Retina-Implantate sind technisch noch nicht weit genug entwickelt, um ein annähernd normales Sehen zu ermöglichen. Ein Einsatz ist derzeit nur für vollkommen erblindete Menschen sinnvoll. Derzeit bieten vor allem molekulare Strategien das größte Potenzial zur Therapie des retinalen Phänotyps von USH (Nagel-Wolfrum, 2012). Da es sich bei USH um eine monogenetisch rezessive Krankheit handelt, stellt die Genaddition eine vielversprechende Therapiemöglichkeit dar. Bei der Genaddition übernimmt eine exogen zugeführte funktionelle Kopie des mutierten Gens die nicht vorhandene Expression des mutierten Gens. Als Vektoren für die Genaddition stehen nicht-virale sowie virale Vektoren zur Verfügung. Die Genaddition kann lokal in den von 58 USH betroffenen Organen, dem Innenohr und der Retina erfolgen. Die lokale Applikation hat den Vorteil, dass nur ein geringes Volumen an Vektoren verabreicht werden muss und es besteht nur eine geringe Gefahr der systemischen Verteilung der Vektoren (Overlack et al., 2011). 10. Zusammenfassung Das Usher-Syndrom ist eine Erkrankung wie auch eine Behinderung. Die Kommunikation von Usher-Betroffenen mit anderen Menschen ist durch die Hörbehinderung erschwert, und die Sehbehinderung führt zum Verlust der Orientierung in der Umwelt. Die psychischen Auswirkungen werden in der Auseinandersetzung mit der Behinderung deutlich, die Gefühle schwanken zwischen Hoffnung und wiederkehrender Trauer. Hoffnung ist eine positive Kraft, sie ist eine wesentliche Triebfeder menschlichen Handels. Ohne Hoffnung wären Veränderungen kaum möglich. Doch Hoffnung kann aus Verzweiflung häufig zur Illusion werden. Viele Usher-Syndrom Betroffene unterziehen sich Therapien, die von Seiten der Schulmedizin nicht anerkannt sind (was nicht unbedingt ein Kriterium sein muss, hinsichtlich des Streits zwischen Schulmedizin und alternativen Heilmethoden). Wenn eine Therapie nicht den erwarteten Erfolg bringt, wird sofort die nächste Therapie mit großen Erwartungen begonnen. Das ist oft der Beginn eines Teufelskreises, bis der Betroffene für sich die Erkenntnis gewinnt, dass ihm dies alles nichts bringt und ihm sowieso keiner helfen kann (Glofke-Schulz, 1999). Was ist zu tun, um die Lebenssituation und Lebensqualität von Usher-Syndrom Betroffenen in unserer Gesellschaft zu verbessern? Gründung einer Selbsthilfegruppe in Österreich bzw. Netzwerke zur optimalen Begleitung von USH Betroffenen. Etablierung einer Usher-Ambulanz, um eine gesicherte Diagnostik mit Verlaufskontrollen und qualitative ärztliche Versorgung mit umfassender Beratung zu gewährleisten. Kinderärzte, Allgemeinmediziner, Augen- und HNO-Ärzte sollten bei Verdacht auf eine erbliche Hörstörung durch eine erweiterte Patientenanamnese zu Sehproblemen, wie Nachtblindheit etc. zur Frühdiagnose eines Usher-Syndroms beitragen. Eine frühe Diagnostik ist unerlässlich, da Untersuchungen belegen, dass 59 an hörbehinderten Kindern drei- bis viermal häufiger Augenerkrankungen festgestellt werden als an nichthörbehinderten. Neben den üblichen Schuluntersuchungen sollte in den Förderschulen für Hörgeschädigte neben der Sehschärfe auch das Gesichtsfeld gemessen werden. Sowohl in klinischer als auch in wissenschaftlicher Hinsicht ist die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen Allgemeinmedizinern, Augen- und HNOÄrzten, Humangenetikern, Audiologen, Pädagogen und anderen Fachpersonen unabdingbar (Große-Wilde, 2009; Baumann, 2012). Speziell für Menschen mit Usher-Syndrom gilt, dass rechtzeitig mit Rehabilitation und bei Bedarf mit erforderlichen psychologischen Stabilisierungshilfen begonnen werden sollte. Die Diagnose Usher-Syndrom stellt eine massive Belastung für den Patienten dar. Verunsicherung, häufige Missverständnisse, Trauer um nicht mehr durchführbare Tätigkeiten und existenzielle Ängste können zum Rückzug bis hin zu depressiven Phasen oder einer Depression führen. Bei längerfristigen Störungen kann die Inanspruchnahme psychologischer Hilfe angezeigt sein. Diese muss die Akzeptanz und Bewältigung der doppelten Sinnesbehinderung, das Erkennen unbegründeter Sorgen und Ängste sowie die Stärkung ihres Selbstwertgefühls zum Ziel haben. Richtig informierte und aufgeklärte Betroffene zeigen mehr Gelassenheit und Bereitschaft, sich von ihren Nöten und Ängsten abzuwenden und sich für konstruktive Blickrichtungen im Beruf, Alltag und in der Freizeit zu öffnen. Die sozialen und psychischen Auswirkungen einer doppelten Sinnesbehinderung wie das Usher-Syndrom mit all seinen Aspekten für den Betroffenen zu beschreiben, ist für einen Außenstehenden sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Es besteht dabei immer die Gefahr, einige Zusammenhänge zu wenig zu berücksichtigen bzw. wichtige Aspekte zu kurz oder gar nicht zu erwähnen. Mit dieser Diplomarbeit geht es mir besonders um das emotionale Begreifen und Aufzeigen der Situation von Usher-Betroffenen, an welche und wie viele Grenzen sie stoßen, sei es in der Kommunikation, in banalen Alltagssituationen und vor allem welche Anstrengung es bedeutet, diese Behinderung zu bewältigen. Kein Arzt kann eine Prognose abgeben, wie schnell oder langsam sich die Sehfähigkeit bei den Betroffenen verschlechtert. In manchen Fällen verändert sich einige Jahre überhaupt nichts – Zeit in der Betroffene Hoffnungen entwickeln, von denen sie sich nach einer plötzlichen Verschlechterung schmerzlich trennen müssen. Die Hoffnung auf eine schnell 60 fortschreitende Forschung, die möglichst rasch medizinische Therapien anbieten kann, ist bei den Betroffenen verständlicherweise sehr groß. Das Akzeptieren der Behinderung bedeutet nicht, hinzunehmen was ist, sondern zu bestätigen was ist (Berger, 1994). Es gibt leider kein Patentrezept, welcher Weg der Erfolgreichere ist. Viele Betroffene haben ihren eigenen Weg gefunden bzw. werden ihren finden. „In jedem Abschied liegt ein Neubeginn“ Hermann Hesse 61 Literaturverzeichnis Adler G, Burg G, Kunze J, Pongraz D, Schnizel A, Spranger J. (eds) 1996, Die klinischen Syndrome. 8., neu bearbeitete u. erw. edn, Urban&Schwarzenberg, Deutschland. Adler J, Wohlgesinger C. 2011, Zur Lebenslage hörsehbehinderter und taubblinder Menschen in unterschiedlichen Lebensabschnitten in der Schweiz. Zürich: Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik. Angermann W. 2004, "Taubblindheit als Behinderung eigener Art durch EuropaParlament anerkannt", Lemke-Werner G, Pittroff H.(Hg.)(2009): Taubblindheit Hörsehbehinderung. Ein Überblick. Würzburg: Ed.Bentheim. Arbeitskreis 2005, ""Kommunikation mit hörsehbehinderen und taubblinden Menschen" Empfehlungen zum Taktilen Gebärden", Das Zeichen. Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser, vol. 71, pp. 384-391. Baumann B. 12.02.2012-last update, Usher-Syndrom. Available: http://www.ushersyndrom.at/inhalt.php25.06.2013]. Baumann B, Latzelsberger B. 2012, "Die Situation in Österreich aus der Sicht einer Betroffenen und einer Fachkraft" in Das Usher-Syndrom - eine erworbene Hörsehbehinderung Grundlagen - Ursachen - Hilfen, ed. A. Wanka, 1st edn, München: Ernst Reinhardt Verlag, pp. 225-229. Bedrosian J.C, Gratton M.A, Brigande J.V, Tang W, Landau J, Bennett J. 2006, "In vivo delivery of recombinant viruses to the fetal murine cochlea: transduction characteristics and long-term effects on auditory function", Molecular Therapy, vol. 14, no. 3, pp. 328-335. Berger K. 1994, "Was ist so schlimm daran, dass Eltern auch verzweifelt sind", Hörgeschädigtenpädagogik, vol. 48, no. 3, pp. 139-148. Bolz H, Gal A. 2002, "Genetik des Usher-Syndroms", Medizinische Genetik, vol. 14, no. 1, pp. 10-14. Bolz P.D.H. 2009, "Genetik des Usher-Syndroms", Der Ophthalmologe, vol. 106, no. 6, pp. 496-504. Brandis-Stiehl C. (ed) 2001, Wenn die Sehkraft schwindet - Ein Ratgeber für sehgeschädigte Menschen und ihre Angehörigen, Stuttgart: Urachhaus. Clarke V. 2010, Unerhört: eine Entdeckungsreise durch die Welt der Gehörlosigkeit und der Gebärdensprache über und von Gehörlosen mit vielen Praxisbeispielen. 2., überarb. und erw. Auflage, Augsburg: ZIEL. Dainton L. 2007, "Usher Syndrome study group", Living with Ushers. Erfahrungsbericht vom 12. Usher Study Group Treffen in Perth, Australien. 62 Duncan E, Prickett H.T, Vernon M. 1988, Usher's Syndrome: What it Is, how to Cope, and how to Help. Springfield: Charles C. Thomas. Elliker C. 2010, Umsetzung des Mundbildes von der visuellen in die taktile Deutschschweizer Gebärdesprache: ein qualitatives linguistisches Experiment. Zürich: Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik. Faller A, Schünke M. 2012, Der Körper des Menschen: Einführung in Bau und Funktion. 15.Auflage Stuttgart: Georg Thieme Verlag. Firth H. V, Hurst J.A, Hall J.G. 2005, Oxford desk reference: clinical genetics. Oxford University Press, New York. Friedrich G, Bigenzahn W, Zorowkal P. (eds) 2007, Phoniatrie und Pädaudiologie Einführung in die medizinischen, psychologischen und linguistischen Grundlagen von Stimme, Sprache und Gehör, 4th edn, Bern: Hans Huber Verlag. Glofke-Schulz E. 1999, Die zerbrochene Kugel. Leben mit degenerativer Netzhauterkrankung. Gießen: Psychosozial-Verlag. Grehn F. 2008, Augenheilkunde. 30. Auflage Heidelberg: Springer Medizin Verlag. Groß J. 2011, , Die Sehbahn - Hochgeschwindigkeitsleitung ins Gehirn. Available: http://dasgehirn.info/wahrnehmen/sehen/die-sehbahn-hochgeschwindigkeitsleitungins-gehirn24.06.2013]. Große-Wilde R. 2009, Usher-Syndrom - Was ist das?, 6th edn, Aachen: Pro Retina Deutschland e.V. Gruber H. 2007, Ich sehe anders. Medizinische, psychologische und pädagogische Grundlagen der Blindheit und Sehbehinderung bei Kindern. Würzburg: Edition Bentheim Guest M. 2009, "Das Usher-Syndrom", Usher-Syndrom - Was ist das PRO RETINAInfoserie, no. 4. Aachen. Hepp P. 2003, "Wahrnehmung unter Einfluss des Usher-Syndroms", Hörgeschädigtenpädagogik, , no. 4, pp. 161-169. Hepp P. 1998, "Taubblindheit - Doppelte Kommunikationsbehinderung: Die Bedeutung der taktilen Gebärdensprache in Deutschland", Das Zeichen, , no. Nummer 45, pp. 384-391. Hick C, Hick A. 2009, IK Physiologie web, München: Elsevier, Urban&FischerVerlag. Kahle W, Frotscher M. 2009, Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane, 10.Auflage Stuttgart: Georg Thieme Verlag. Klinke R, Bauman R. 2010, Physiologie, 6. Auflage Stuttgart: Georg Thieme Verlag. 63 Krispl M. 09.08.2005-last update, Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache ist nun Gesetz. Available: www.oeglb.at18.06.2013]. Kugler-Kruse M. 1988, Die Entwicklung visueller Zeichensysteme: von der Geste zur Gebärdensprache. Bochum: Studienverlag Dr. Norbert Brockmeyer. Lang G.K. 2008, Augenheilkunde. Stuttgart: Georg Thieme Verlag. Müller R.J. 1993, ... ich höre-nicht alles! Hörgeschädigte Mädchen und Jungen in Regelschulen. Heidelberg: Ed. Schindele im Univ.-Verlag Winter. Nagel-Wolfrum K. 2012, "Gentherapeutische Ansätze für das Usher-Syndrom" in Das Usher-Syndrom - eine erworbene Hörsehbehinderung, ed. A. Wanka, 1st edn, München: Ernst Reinhardt Verlag, pp. 47-56. Nasemann J, Sachsenweger M, Klauß V. 2003, Duale Reihe Augenheilkunde. 2. Auflage Stuttgart: Georg Thieme Verlag Österreichischer Gehörlosenbund . Available: http://www.oeglb.at/24.06.2013]. Overlack N, Goldmann T, Wolfrum U, Nagel-Wolfrum K. 2011, "Current therapeutic strategies for human usher syndrome", Usher Syndrome: Pathogenesis, Diagnosis and Therapy, Ahuja S (ed) pp, , pp. 377-395. USA: Nova Science Publishers. Prillwitz S, Vollhaber T. 1990, Gebärdensprache in Forschung und Praxis: Vorträge Vom Internationalen Kongress, Hamburg, 23.-25. März 1990, Signum Press. PRO RETINA 2004, Retinitis Pigmentosa (RP) Was ist das? Eine Informationsschrift für und von Patienten mit tapetoretinaler Degeneration, 5th edn, Aachen: PRO RETINA Deutschland e.V. Reichardt R. 1999/2000, Soziale und psychische Aspekte des Usher-Syndroms, Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Berlin. Republik Österreich. 07.05.2013-last update, Parlamentskorrespondenz Nr. 803 vom 21.10.2010 [Homepage of Republik Österreich Parlamentsdirektion], [Online]. Available: http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2010/PK0803/19.06.2013]. Reyes D.A. 1997, "Wie einer taubblinden Person die Umgebung beschrieben wird.", Das Zeichen. Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser, vol. 41, pp. 588-591. Rohrschneider K. 2012, "Das Usher-Syndrom (Schwerpunkt visuelles System)" in Das Usher-Syndrom -eine erworbene Hörsehbehinderung, ed. A. Wanka, 1st edn, München: Ernst Reinhardt Verlag, pp. 14-26. Rohrschneider K. 2003, "Das Usher-Syndrom - eine Kombination aus Hör- und Sehbehinderung.", Hörgeschädigtenpädagogik, , no. 57, pp. 148-154. Rosenberg T, Haim M, Hauch A, Parving A. 1997, "The prevalence of Usher syndrome and other retinal dystrophy‐hearing impairment associations", Clinical Genetics, vol. 51, no. 5, pp. 314-321. 64 Sacherer E. 2011, Kommunikationstrategien von Menschen mit hochgradiger HörSehbehinderung/Taubblindheit - eine qualitatie Studie im Raum Oberösterreich. Wien: Universität Wien Sadler T.W. 2008, Medizinische Embryologie - Die normale menschliche Entwicklung und ihre Fehlbildungen. 11. Auflage, Stuttgart: Thieme Verlagsgruppe. Schiebler T.H. 2005, Anatomie: Histologie, Entwicklungsgeschichte, Makroskopische und mikroskopische Anatomie, Topographie. Berlin: Springer DE. Schmidt R.F. 2001, Physiologie kompakt. Berlin, Heidelberg, New York: Springer Verlag. Schneider C, Schuler A. 2002, Kommunikation mit taubblinden Menschen. Langau: Edition Schweizerische Zentrale für Heilpädagogik. Stiefel D.H. 1991, The Madness of Usher's: Coping with Vision and Hearing Loss (Usher Syndrome Type II). Texas: CC Magazin Business of Living Publications. Stine A. 1997, , My Hands. Available: http://deafblind.com/myhands.html17.06.2013]. Tauber J, Wipplinger M. 2012, "Politische und schulische Realitäten der Gehörlosen und Schwerhörigen in Österreich". Klagenfurt: Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Fakultät für Kulturwissenschaften. Trepel M. 2008, Neuroanatomie- Struktur und Funktion. 3.Auflage ed. München: Elsevier GmbH Urban & Fischer Verlag München Jena. Wanka A, Horsch U. (eds) 2012, Das Usher-Syndrom - eine erworbene Hörsehbehinderung Grundlagen - Ursachen - Hilfen, 1st edn, München: Ernst Reinhardt Verlag. Wartenberg T. 2006, Zur Bedeutung der Gebärdensprache in der Sprach- und Kommunikationsförderung hörbehinderter Menschen. Erfurt: Fachhochschule Erfurt Fachbereich Sozialwesen. Watzlawick P, Beavin J.H, Jackson D.D. 1974, Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. Bern: Hans Huber Verlag. Weber-Guskar J. 2008, Musik und Gebärdensprache. Wien: Universität Wien. Witkowski R, Ullrich E. 1999, Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen, 4.Auflage, Berlin, Heidelberg, New York: Springer Verlag. Wolfrum U. 2012, "Usher-Syndrom-Proteinnetzwerke" in Das Usher-Syndrom - eine erworbene Hörsehbehinderung, ed. A. Wanka, 1st edn, München: Ernst ReinhardtVerlag, pp. 57-69. Yan D, Liu X.Z. 2010, "Genetics and pathological mechanisms of Usher syndrome", Journal of human genetics, vol. 55, no. 6, pp. 327-335. 65 Zahnert T. 2011, "Differenzialdiagnose der Schwerhörigkeit", Deutsches Ärzteblatt Int, vol. 108, no. 25, pp. 432-443. Zelle U. 2008, Taktile Gebärdensprache - Was ist das?. Available: http://bundesarbeitsgemeinschaft-taubblinden.de. 66