Quantentheorie der Vielteilchensysteme

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Skript zur Vorlesung
Quantentheorie der
Vielteilchensysteme
von Volker Meden
gehalten im Sommersemester 2015
an der RWTH Aachen
10. Juli 2015
2
Inhaltsverzeichnis
1 Eine kurze Einführung
5
2 Streutheorie
2.1 Das Streuexperiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Stationäre Streuzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Die Dynamik der Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4 Berechnung der Streuamplitude . . . . . . . . . . . . . .
2.4.1 Potentialstreuung in der Bornschen Näherung . .
2.4.2 Das N -Teilchen Target . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.3 Korrekturen zur Bornschen Näherung . . . . . . .
2.5 Streuung am Zentralpotential . . . . . . . . . . . . . . .
2.5.1 Ortsdarstellung der freien Drehimpulszustände . .
2.5.2 Impulsdarstellung der freien Drehimpulszustände
2.5.3 Die Partialwellenzerlegung einer ebenen Welle . .
2.5.4 Die Partialwellenzerlegung mit Potential . . . . .
2.5.5 Streuphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 Systeme identischer Teilchen
3.1 Symmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.1 Fermionen . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.2 Bosonen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.3 Streuung identischer Teilchen . . . . . .
3.2 Zweite Quantisierung . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1 Der Fockraum . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.2 Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren
3.2.3 Basiswechsel . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.4 Observable in zweiter Quantisierung . .
3.2.5 Und die Bosonen? . . . . . . . . . . . . .
3.2.6 Zeitentwicklung der Leiteroperatoren . .
3.2.7 Quantenstatistik mit Leiteroperatoren .
3
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56
4
INHALTSVERZEICHNIS
4 Das Vielteilchenproblem
4.1 Die Born-Oppenheimer-Näherung . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Variationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.1 Das Hartree-Fock-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.2 Das Stoner-Modell für metallischen Ferromagnetismus .
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77
6 Relativistische Wellengleichungen
6.1 Die Klein-Gordon-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Die Dirac-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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82
5 Strahlung und Materie
5.1 Quantisierung des Feldes
5.2 Der Zustandsraum . . .
5.3 Der Impuls der Quanten
5.4 Die Feldgleichungen . . .
5.5 Spontane Emission . . .
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Kapitel 1
Eine kurze Einführung
In dieser Vorlesung werden wir Untergebiete der Quantenmechanik behandeln,
die die Grundlage für ein Verständnis der Physik wechselwirkender nicht-relativistischer Vielteilchensysteme bilden. Den Ausgangspunkt unserer Überlegungen
wird die Streutheorie sein. Die eindimensionale Streutheorie sollten sie bereits
ausführlich in der Vorlesung Theorie III (Quantenmechanik) kennengelernt haben. Dies sollte sowohl die sich aus der zeitunabhängigen Schrödingergleichung
ergebenden statischen Aspekte wie Ansatz ebener Wellen, Wellenpaket, Transmissions- und Reflektionsamplitude, als auch die Dynamik von Wellenpaketen bei
der Streuung (der in vielen Vorlesungen und Büchern zu kurz kommt) umfassen.
Sie werden hier viele für sie (vermutlich) neue Konzepte wie die Resolvente, die
Lippmann-Schwinger-Gleichung, das optische Theorem, die Bornsche Näherung,
den dynamischen Strukturfaktor, Streuphasen usw. kennenlernen.
In einem zweiten Kapitel werden wir zunächst Fragen der nichtrelativistischen
Vielteilchentheorie wiederholen (aus der Theorie III und IV bekannt) und dann
die Nützlichkeit der zweiten Quantisierung kennenlernen. Diese Methode vereinfacht den Umgang mit symmetrisierten (Bosonen) bzw. antisymmetrisierten (Fermionen) Vielteilchenzuständen im Fall ununterscheidbarer Teilchen. Wir werden
diskutieren, wie sich der Vielteilchenhamiltonoperator in zweiter Quantisierung
ausdrücken läßt.
In einem nächsten Schritt werden wir untersuchen, wie sich das allgemeine Vielteilchenproblem von Molekülen und Festkörpern in Teilprobleme zerlegen
läßt und Näherungsmethoden (z.B. die Hartree-Fock- oder mean-field Näherung)
kennenlernen.
Wir wollen ebenfalls Fragen untersuchen, die kanonischerweise in Bereiche der
relativistischen Physik fallen, wie die Quantisierung des Strahlungsfelds (elektromagnetische Strahlung), die Klein-Gordon-Gleichung und die Dirac-Gleichung.
Weiterer Gegenstand einer “klassischen” Vorlesung zu fortgeschrittenen Kapiteln der Quantenmechanik sollten Symmetrien sein. Es wäre wünschenswert,
diesen Aspekt auch in der Quantenwelt zumindest auf ein Niveau zu heben, wie
es ihnen aus der klassischen Mechanik bekannt ist (z.B. Zusammenhang Symme5
6
KAPITEL 1. EINE KURZE EINFÜHRUNG
trien und Erhaltungsgrößen, Noether-Theorem). Leider wird dazu die Zeit nicht
reichen. Sie sollten sich dieser Frage daher im Selbststudium nähern.
Kapitel 2
Streutheorie
Eine zentrale experimentelle Methode zur Untersuchung der Struktur eines physikalischen Systems (z.B. eines Moleküls oder Festkörpers) ist die Streuung eines
Probeteilchens an diesem. Die folgenden Abbildung zeigt schematisch einen entsprechenden Aufbau.
t
De
r
to
ek
θ
Quelle
θ
Target
Det
ek
tor
Der Strom der einlaufenden Probeteilchen wird durch Einstellungen an der Quelle sowie durch Blenden vorgegeben. Man mißt dann, die Zahl der Teilchen die pro
Zeitintervall in ein Raumwinkelelement dΩ gestreut werden. Je nach Detektortyp
wird zusätzlich die kinetische Energie der gestreuten Teilchen gemessen (energieaufgelöste Messung). Wir betrachten hier nur die nichtrelativistische Streutheorie, bei der die Teilchen eine Geschwindigkeit haben, die klein gegenüber der
Vakuumlichtgeschwindigkeit c ist.
Im Folgenden wählen wir eine Formulierung, die es sowohl erlaubt elastische
Streuung zu beschreiben, als auch Streuprozesse, bei der das Target angeregt bzw.
“abgeregt” wird, also seine Energie ändert. Es handelt sich hierbei um inelastische
Streuung. Wir beschränken uns auf die Streuung bei der die Streuteilchen aus der
Quelle auch die auslaufenden Teilchen sind (die Teilchen sind “markiert”). Damit
vernachlässigen wir zunächst1 “Austauscheffekte” wie sie z.B. bei der Elektronenstreuung auftreten können (ununterscheidbare Teilchen!).
1
Im Kapitel über ununterscheidbare Teilchen werden wir unsere Überlegungen entsprechend
ergänzen.
7
8
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
Der Hamiltonoperator für das aus dem Streuteilchen (mit Masse m) und dem
Target bestehende Gesamtsystem (abgeschlossenes System!) ist durch
H=
p~ˆ 2
+ HT0 + V = H0 + V,
2m
wobei HT0 der Hamiltonoperator (Vielteilchensystem) des ungestörten Targets ist.
Der letzte Summand V ist ein Wechselwirkungspotential zwischen Streuteilchen
und Target. Wir gehen davon aus, daß der Streustrahl so verdünnt ist, daß sich
immer nur ein Teilchen in der Apparatur befindet. Der zugrundeliegende Hilbertraum H ist der Tensorproduktraum aus dem des Streuteilchens und dem des
Targets: H = HTeilchen ⊗ HTarget .
Das ungestörte Target habe die Energieeigenzustände |µ i mit Energie µ ,
d.h. es gilt HT0 |µ i = µ |µ i. Dabei bezeichnet der (Multi-)Index µ die Quantenzahlen des Targets. Wir nehmen an, daß sich das Target vor der Streuung in
einem seiner Energieeigenzustände befindet. Weiterhin soll die Teilchen-TargetWechselwirkung der Art vom Ortsoperator ~rˆ des Teilchens abhängen, daß V (~r)
für r → ∞ schneller als r−2 abfällt, wobei das Koordinatensystem so gewählt
ist, daß das Target im Ursprung liegt. Das unabgeschirmte Coulomb-Potential
behandeln wir somit nicht mit, da der langsame Abfall zu Besonderheiten führt,
die eine gesonderte Behandlung erfordern. Das Potential V hängt natürlich auch
von den Operatoren des Targets ab. Die Produktzustände
|~p, σ, µi = |~p, σi ⊗ |µ i
mit dem Spin σ des Streuteilchens und dessen Impulseigenzuständen |~pi bilden
eine Basis.2 Diese Basiszustände sind Eigenzustände von H0
2
p~
+ µ |~p, σ, µi = p~,µ |~p, σ, µi .
H0 |~p, σ, µi =
2m
2.1
Das Streuexperiment
Ein Streu-Gedanken-Experiment läuft wie folgt ab: Der Anfangszustand ist so
präpariert, daß ein Wellenpaket (siehe Theorie III) auf das Target im Anfangszustand |µ i zuläuft. Da die Target-Teilchen-Wechselwirkung kurzreichweitig ist,
und das Wellenpaket bei der Präparation weit vom Target entfernt ist, kann die
Wechselwirkung vernachlässigt werden. Diese Situation ist folgend skizziert.
t<0
Um das Wellenpaket zu charakterisieren, setzen wir zunächst V = 0 und wählen
den Zeitnullpunkt so, daß das Streuteilchen bei t = 0 im Ursprung lokalisiert ist.
2
Für spinlose Streuteilchen entfällt der Spinindex.
2.1. DAS STREUEXPERIMENT
9
Die Präparation findet also bei betragsmäßig großen negativen Zeiten statt! Es
gilt
Z
a
(0)
ψp~,σ,µ (t = 0)
= ap~ (~p 0 ) |~p 0 , σ, µi d3 p0 ,
wobei die Funktion ap~ (~p 0 ) nur für p~ 0 ≈ p~ von Null verschieden ist. Die Entwicklung des freien Wellenpakets erhält man gemäß
a
ψp~,σ,µ (t) (0) = e−iH0 t/~ ψp~a,σ,µ (t = 0) (0)
Z
=
ap~ (~p 0 )e−ip~ 0 ,µ t/~ |~p 0 , σ, µi d3 p0 .
Im echten Streuexperiment mit V 6= 0 ist der Zustand zur Zeit t = 0 komplex,
da das Streuteilchen und das Target wechselwirken. Es gilt
a
ψp~,σ,µ (t) = e−iHt/~ ψp~a,σ,µ (t = 0) .
Da die Wechselwirkung kurzreichweitig ist gilt für t → −∞
Z
a
lim ψp~,σ,µ (t) = lim
ap~ (~p 0 )e−ip~ 0 ,µ t/~ |~p 0 , σ, µi d3 p0
t→−∞
t→−∞
und damit nach Multiplikation mit exp (iHt/~)
Z
a
ψp~,σ,µ (0) = lim
ap~ (~p 0 )e−i(p~ 0 ,µ −H)t/~ |~p 0 , σ, µi d3 p0 .
t→−∞
Um den Zeit-Grenzwert auszuführen verwenden wir die Abelsche Limesbildung.
Für |f (t)| < C für alle t und limt→±∞ f (t) = f± gilt
Z ∞
f+ = lim η
e−ηt f (t)dt
η→0
0
bzw.
Z
0
f− = lim η
η→0
eηt f (t)dt.
−∞
Damit folgt für den Zustand bei t = 0
Z
Z 0
a
ηt/~
0 −i(p~ 0 ,µ −H)t/~
0
3 0
ψp~,σ,µ (0) = lim η
e
ap~ (~p )e
|~p , σ, µi d p dt.
η→0 ~ −∞
Nach Vertauschen der Integrationsreihenfolge und Ausführen der Zeitintegration
ergit sich
Z
a
ψp~,σ,µ (0) = ap~ (~p 0 ) |~p 0 , σ, µ, +i d3 p0
(2.1)
10
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
mit
|~p 0 , σ, µ, +i = lim
η→0 p
~ 0 ,µ
iη
|~p 0 , σ, µi .
− H + iη
(2.2)
Gleichung (2.1) entnimmt man, daß der V 6= 0 Zustand zur Zeit t = 0 eine
(0)
darstellt, wobei jedoch die |~p 0 , σ, µi durch
analoge Überlagerung wie ψp~a,σ,µ (0)
die Zustände |~p 0 , σ, µ, +i zu ersetzen sind.
Für Zeiten τ 6= 0 gilt
a
ψp~,σ,µ (τ ) = e−iHτ /~ ψp~a,σ,µ (0)
Z
−iHτ /~
= e
lim
ap~ (~p 0 )e−i(p~ 0 ,µ −H)t/~ |~p 0 , σ, µi d3 p0
t→−∞
Z
=
ap~ (~p 0 )e−ip~ 0 ,µ τ /~ lim e−i(p~ 0 ,µ −H)t̃/~ |~p 0 , σ, µi d3 p0
t̃→−∞
Z
=
ap~ (~p 0 )e−ip~ 0 ,µ τ /~ |~p 0 , σ, µ, +i .
(2.3)
Man sieht damit, daß die |~p 0 , σ, µ, +i Eigenzustände zu H sind, was man mit Gl.
(2.2) auch direkt findet
(p~ 0 ,µ − H + iη) |~p 0 , σ, µ, +i = iη |~p 0 , σ, µi .
und damit für η → 0
H |~p 0 , σ, µ, +i = p~,µ |~p 0 , σ, µ, +i .
Mit dieser Einsicht, kann Gl. (2.3) auch direkt hergeleitet werden
a
ψp~,σ,µ (t) = e−iHt/~ ψp~a,σ,µ (0)
Z
−iHt/~
= e
ap~ (~p0 ) |~p0 , σ, µ, +i d3 p0
Z
=
ap~ (~p 0 )e−ip~ 0 ,µ t/~ |~p 0 , σ, µ, +i d3 p0 .
2.2
(2.4)
Stationäre Streuzustände und die LippmannSchwinger-Gleichung
Bevor wir den Ausdruck Gl. (2.4) im Limes t → ∞, also lange nach der Streuung, diskutieren, werden wir die Eigenschaften der stationären Streuzustände
|~p 0 , σ, µ, +i genauer untersuchen. Dieses geschieht mit Hilfe der Resolventen
G(z) = (z − H)−1 =
1
.
z−H
2.2. STATIONÄRE STREUZUSTÄNDE
11
Dabei ist z eine komplexe Variable. Zusätzlich werden wir die freie Resolvente
G0 (z) = (z − H0 )−1 =
1
z − H0
benötigen. Aus den Definitionen (z − H)G(z) = 1 bzw. (z − H0 )G0 (z) ergeben
sich mit H = H0 + V die zentralen Relationen
⇔
⇔
(z − H0 − V )G(z) = 1
(z − H0 )G(z) = 1 + V G(z)
G(z) = G0 (z) + G0 (z)V G(z)
(2.5)
⇔
⇔
G(z)(z − H0 − V ) = 1
G(z)(z − H0 ) = 1 + G(z)V
G(z) = G0 (z) + G(z)V G0 (z).
(2.6)
bzw.
Mit Hilfe der Relation Gl. (2.6) können wir schreiben
±iη
|~p, σ, µi
− H ± iη
= lim (±iη)G(p~,µ ± iη) |~p, σ, µi
|~p, σ, µ, ±i = lim
η→0 p
~,µ
η→0
= lim [1 + G(p~,µ ± iη)V ] (±iη)G0 (p~,µ ± iη) |~p, σ, µi
η→0
= lim [1 + G(p~,µ ± iη)V ] |~p, σ, µi ,
η→0
(2.7)
wobei wir zusätzlich Zustände mit −iη definiert haben, die wir später verwenden
werden. Kurz schreibt man meist
|~p, σ, µ, ±i = [1 + G(p~,µ ± i0)V ] |~p, σ, µi
= |~p, σ, µi + G(p~,µ ± i0)V |~p, σ, µi .
Die Streuzustände |~p, σ, µ, ±i ergeben sich damit als die Summe einer freien Welle
|~p, σ, µi und eines Zusatzterms. Mit Hilfe von Gl. (2.5) folgt ebenfalls
±iη
|~p, σ, µi
η→0 p
~,µ − H ± iη
= lim [±iηG0 (p~,µ ± iη) + G0 (p~,µ ± iη)V (±iη)G(p~,µ ± iη)] |~p, σ, µi
|~p, σ, µ, ±i = lim
η→0
= |~p, σ, µi + lim G0 (p~,µ ± iη)V (±iη)G(p~,µ ± iη) |~p, σ, µi .
η→0
Unter der Annahme, daß der Limes der Produkte gleich dem Produkt der Limites
ist, was in den uns interessierenden Fällen gilt, folgt die zentrale LippmannSchwinger-Gleichung
|~p, σ, µ, ±i = |~p, σ, µi + G0 (p~,µ ± i0)V |~p, σ, µ, ±i .
12
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
Im Kontext des Streuexperiments wollen wir nun das Verhalten der Streuzustände bei großen Abstand vom Target untersuchen. Dazu mutliplizieren wir die
Lippmann-Schwinger-Gleichung von links mit den Ortsbasiszuständen |~r, σ, µi =
|~r, σi ⊗ |µ i
1
ei~p·~r/~ δσ,σ0 δµ,µ0
(2π~)3/2
+ h~r, σ 0 , µ0 | G0 (p~,µ ± i0)V |~p, σ, µ, ±i
1
=
ei~p·~r/~ δσ,σ0 δµ,µ0
(2π~)3/2
XZ
+
h~r, σ 0 , µ0 | G0 (p~,µ ± i0) |~r 0 , σ 00 , µ00 i
h~r, σ 0 , µ0 |~p, σ, µ, ±i =
(2.8)
σ 00 ,µ00
× h~r 0 , σ 00 , µ00 | V |~p, σ, µ, ±i d3 r0 .
(2.9)
Schiebt man zusätzlich zwischen V und |~p, σ, µ, ±i eine 1 in Ortszuständen (was
das Streuteilchen angeht) ein, so wird klar, daß diese Gleichung eine Integralgleichung für die Streuzustände in Ortsdarstellung ist. Wir benötigen somit das
Matrixelement von G0 in den Ortsbasiszuständen, welches sich einfach berechnen
läßt
h~r, σ 0 , µ0 | G0 (p~,µ ± i0) |~r 0 , σ 00 , µ00 i
h
i−1
= h~r, σ 0 | ⊗ hµ0 | p~ + µ − p~ˆ 2 /(2m) − HT0 ± i0
|~r 0 , σ 00 | ⊗ |µ00 i
h
i−1
= δσ0 ,σ00 δµ0 ,µ00 h~r| p~ + µ − µ0 − p~ˆ 2 /(2m) ± i0
|~r 0 i
Z
0
0
1
ei~p ·(~r−~r )/~
d3 p0 .
= δσ0 ,σ00 δµ0 ,µ00
2
3
0
(2π~)
p~ + µ − µ0 + p~ /(2m) ± i0
Das Integral berechnen wir in Kugelkoordinaten mit ~r − ~r 0 als der Polarachse.
(0)
Mit der Definition G0 (z) = [z − p~ˆ 2 /(2m)]−1 folgt
Z ∞ Z 2π Z π ip|~r−~r 0 | cos θ/~
e
2m
(0)
0
h~r| G0 (z) |~r i =
p2 sin θdθ dϕ dp.
3
2
(2π~) 0
2mz − p
0
0
Nach Ausführen der Winkelintegrationen ergibt sich
Z ∞ ip|~r−~r 0 |/~
0
2m
1
e
− e−ip|~r−~r |/~
(0)
0
√
√
h~r| G0 (z) |~r i =
p dp
(2π~)2 i|~r − ~r 0 | 0 ( 2mz − p)( 2mz + p)
Z ∞
0
im
1
eip|~r−~r |/~ p
√
√
=
dp.
2π 2 ~2 |~r − ~r 0 | −∞ (p − 2mz)(p + 2mz)
Zur Berechnung des p-Integrals verwenden wir den Residuensatz. Der Exponentialfaktor führt in der oberen Halbebene der komplexen p-Ebene zu einer exponentiellen Dämpfung, weshalb wir die folgend dargestellte Integrationskontur
verwenden.
2.2. STATIONÄRE STREUZUSTÄNDE
13
Die Nullstellen des Nenners liegen eine in der oberen
√ unteren
√ und eine in der
Halbebene. Wir wählen die komplexe Wurzelfunktion 2mz so, daß Im 2mz ≥ 0
ist. Der Residuensatz liefert dann
√
(0)
h~r| G0 (z) |~r 0 i
0
m ei 2mz|~r−~r |/~
=−
.
2π~2 |~r − ~r 0 |
Diesen Ausdruck müssen wir für z = x±i0, mit x ∈ R, auswerten. Mit der obigen
Konvention gilt3
√
√
√
√
x>0:
x + i0 = x;
x − i0 = − x
√
√
√
√
x<0:
x + i0 = i −x;
x − i0 = i −x.
(0)
Damit ist für das Verhalten von h~r| G0 (p~,µ,µ0 ± i0) |~r 0 i, mit p~,µ,µ0 = p~ + µ − µ0 ,
bei großen |~r − ~r 0 | das ±i0 und die Frage, ob p~,µ,µ0 größer oder kleiner als Null
ist, entscheidend. Es gilt
(0)
h~r, σ 0 , µ0 | G0 (p~,µ ± i0) |~r 0 , σ 00 , µ00 i = δσ0 ,σ00 δµ0 ,µ00 h~r| G0 (p~,µ,µ0 ± i0) |~r 0 i

n √
o
exp ±i 2mp~,µ,µ0 |~
r−~
r 0 |/~


für p~,µ,µ0 > 0
m
r−~
r 0|
o
n √ |~
0 ,σ 00 δµ0 ,µ00
δ
=−
σ
0
2
r−~
r |/~
0 |~

2π~
 exp − −2mp~,µ,µ
für p~,µ,µ0 < 0
0
|~
r−~
r |
Eingesetzt in Gl. (2.9) ergibt sich
1
h~r, σ 0 , µ0 |~p, σ, µ, ±i =
ei~p·~r/~ δσ,σ0 δµ,µ0
3/2
(2π~)

n √
o
R exp ±i 2mp~,µ,µ0 |~r−~r 0 |/~


h~r 0 , σ 0 , µ0 | V |~p, σ, µ, ±i d3 r0 für p~,µ,µ0 > 0
m
|~
r−~
r 0|
n
o
√
−
.
r−~
r 0 |/~
0 |~
2π~2 
0
0
0
3 0
 R exp − −2mp~,µ,µ
0
h~
r
,
σ
,
µ
|
V
|~
p
,
σ,
µ,
±i
d
r
für
<
0
p
~,µ,µ
|~
r−~
r 0|
Nach Voraussetzung an das Wechselwirkungspotential fällt dieses als Funktion
von ~r 0 schnell ab. Liegt der Punkt ~r im Detektor also weit vom Target entfernt,
so darf man |~r − ~r 0 | entwickeln. Mit ~r = r~e gilt
|~r − ~r 0 | = r 1 − ~e · ~r 0 /r + O r02 /r2 .
(0)
Als Funktion der komplexen Variablen z hat h~r| G0 (z) |~r 0 i einen Verzweigungsschnitt längs
der positiven reellen Achse.
3
14
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
r
r−r’
r’
Wir betrachten zunächst den Fall p~,µ,µ0 = p~ 2 /(2m) + µ − µ0 < 0, d.h.
p~ /(2m) < µ0 − µ . In diesem Fall ist die dem Target zugeführte Anregungsenergie µ0 − µ größer als die kinetische Energie des einfallenden Teilchens. Nach
Energieerhaltung muß dieser Prozeß verboten sein. Die Rechnung bestätigt das.
Die Streuwelle fällt exponentiell mit r ab (nach Einsetzen der Entwicklung) und
erreicht den Detektor nicht.
p
Wir konzentrieren uns daher auf p~,µ,µ0 > 0. Mit ~kp~,µ,µ0 = 2mp~,µ,µ0 folgt
für r → ∞
2
1
ei~p·~r/~ δσ,σ0 δµ,µ0
(2π~)3/2
Z
m e±ikp~,µ,µ0 r
0
−
e∓ikp~,µ,µ0 ~e·~r h~r 0 , σ 0 , µ0 | V |~p, σ, µ, ±i d3 r0
2
2π~
r
e±ikp~,µ,µ0 r
i~
p·~
r/~
0
0
,
e
δσ,σ0 δµ,µ0 + f± (~kp~,µ,µ0 ~e, σ , µ ← p~, σ, µ)
r
hr~e, σ 0 , µ0 |~p, σ, µ, ±i =
=
1
(2π~)3/2
mit derR Streuamplitude f± (. . . ← . . .). Mit der Definition p~f = ~kp~,µ,µ0 ~e folgt
0
wegen e−i~pf ·~r h~r 0 | d3 r0 = (2π~)3/2 h~pf | für diese
f± (~pf , σ 0 , µ0 ← p~, σ, µ) = −4π 2 ~m h±~pf , σ 0 , µ0 | V |~p, σ, µ, ±i .
(2.10)
Die physikalischen Streuzustände (p~,µ,µ0 > 0) sind somit für große Abstände als
eine Überlagerung der einlaufenden ebenen Welle und einer auslaufenden Kugelwelle gegeben. Mathematisch formuliert gilt für r → ∞ und f = f+
1
ei~p·~r/~ δσ,σ0 δµ,µ0
hr~e, σ , µ |~p, σ, µ, +i =
(2π~)3/2
0
0
eikp~,µ,µ0 r
+ f (~pf , σ , µ ← p~, σ, µ)
. (2.11)
r
0
0
2.3. DIE DYNAMIK DER STREUUNG
2.3
15
Die Dynamik der Streuung, der Wirkungsquerschnitt und das optische Theorem
Wir können nun zu Gl. (2.3) zurückkehren und die Dynamik des Streuprozesses
weiter diskutieren. Für große r gilt
Z
h 0
1
0
0 a
0 −ip~ 0 ,µ t/~
h~r, σ , µ ψp~,σ,µ (t) =
a
(~
p
)e
ei~p ·~r/~ δσ,σ0 δµ,µ0
p
~
(2π~)3/2
0
eipf (~p )r/~ 3 0
0
0
0
0
d p.
+f (~pf (~p ), σ , µ ← p~ , σ, µ)
r
Da wir angenommen haben, daß ap~ (~p 0 ) scharf um p~ = p~ 0 “gepeakt” ist, können
wir das zerfließen des Wellenpakets vernachlässigen. Wir entwickeln im Integranden um den (mittleren) Einfallsimpuls p~ = m~v0 = mv0~e0 gemäß
p~ 2
p~ 0 2
+ µ ≈
+ µ + ~v0 · (~p 0 − p~) = p~,µ + ~v0 · (~p 0 − p~)
=
2m
2m
q
i)
p~ 0 ,µ
ii)
pf (~p 0 ) =
iii)
f (~pf (~p 0 ), σ 0 , µ0 ← p~ 0 , σ, µ) ≈ f (~pf (~p), σ 0 , µ0 ← p~, σ, µ).
p~ 0 2 + 2m(µ − µ0 ) ≈ pf (~p) + ~v0 · (~p 0 − p~)/vf , vf = pf (~p)/m
In iii) haben wir angenommen, daß die Streuamplitude schwach veränderlich ist,
was nur in der Abwesenheit von Resonanzen gilt (vereinfacht die Rechnung). Die
Rechnung läßt sich aber auf den Fall erweitern, in dem diese Annahme nicht mehr
zutrifft.
Wir betrachten zunächst den Term mit der einlaufenden ebenen Welle. Einsetzen von i) liefert
Z
(0)
1
0
0
0 a
i(~
p·~
r−p~,µ t)/~
ap~ (~p 0 )ei(~p −~p)·(~r−~v0 t)/~ d3 p0 δσ,σ0 δµ,µ0
h~r, σ , µ ψp~,σ,µ (t)
=e
3/2
(2π~)
i(~
p·~
r−p~,µ t)/~
=e
ϕ0 (~r − ~v0 t)δσ,σ0 δµ,µ0 .
Das freie Wellenpaket ei~p·~r/~ ϕ0 (~r), welches zur Zeit t = 0 im Targetbereich war,
läuft somit mit der (mittleren) Einlaufgeschwindigkeit ~v0 nach rechts. Nach Vor
(0)
R
aussetzung gilt (0) ψp~a,σ,µ (t) ψp~a,σ,µ (t)
= 1, da |ϕ0 (~r)|2 d3 r = 1. Für den Streuterm ergibt sich bei großen r
streu
ei[pf (~p)r−p~,µ t]/~
h~r, σ 0 , µ0 ψp~a,σ,µ (t)
=
f (~pf (~p), σ 0 , µ0 ← p~, σ, µ)
r Z
1
0
×
ap~ (~p 0 )ei(~p −~p)·(v0 r/vf −v0 t)~e0 /~ d3 p0
3/2
(2π~)
i[pf (~
e p)r−p~,µ t]/~
=
f (~pf (~p), σ 0 , µ0 ← p~, σ, µ)
r
v0
×ϕ0
[r − vf t]~e0 .
vf
16
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
Zusammengenommen folgt in großen Abständen vom Target
a
−ip~,µ t/~
ei~p·~r/~ ϕ0 (~r − ~v0 t)δσ,σ0 δµ,µ0
h~r, σ , µ ψp~,σ,µ (t) = e
0
0
eipf (~p)r/~
+
f (~pf (~p), σ 0 , µ0 ← p~, σ, µ)ϕ0
r
v0
[r − vf t]~e0
vf
.
Die Situation ist folgend skizziert.
~f(...)
e
11111
00000
00000
11111
00000
11111
e0
freies Wellenpaket
Im elastischen Kanal mit µ = µ0 (und σ = σ 0 ) sind das freie Wellenpaket
und die Streuwelle jeweils im Abstand r = v0 t vom Target. Die Amplitude der
Kugelwelle nimmt wie 1/r ab und hängt über die Streuamplitude f vom Streuwinkel ab. In den inelastischen Kanälen mit µ 6= µ0 ist die Streuwelle für µ0 < µ
weiter entfernt
pvon und für µ0 > µ näher am Target als das freie Wellenpaket
da r = vf t = v02 + 2(µ − µ0 )/mt.
Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Streuteilchen den Übergang σ, µ →
0
σ , µ0 gemacht bzw. induziert hat und in einem durch ~e charakterisierten Raumwinkelelement dΩ nachgewiesen wird, ist
Z
∞
streu 2
r2 h~r, σ 0 , µ0 ψp~a,σ,µ (t)
dr dΩ
0
2
Z ∞ v0
2
0
0
dr
[r
−
v
t]~
e
= |f (mvf ~e, σ , µ ← mv0~e0 , σ, µ)| dΩ
ϕ
f
0
0
vf
0
Z ∞
vf
2
=
|f (mvf ~e, σ 0 , µ0 ← mv0~e0 , σ, µ)| dΩ
|ϕ0 (u~e0 )|2 du,
(2.12)
v0
−∞
wσ0 ,µ0 ←σ,µ (dΩ(~e)) =
wobei wir die untere Integrationsgrenze auf −∞ gesetzt haben, was bei großen t
nur einen kleinen Fehler bedingt.
Dieser Ausdruck kann nun mit dem Konzept des differentiellen Wirkungsquerschnitts in Verbindung gebracht werden. Wir nehmen an, daß das Streuexperiment so ausgeführt wird, daß die Schwerpunkte der einlaufenden Wellenpakete über eine Querschnittsfläche F homogen verteilt sind, wenn das Experiment
N 1-mal ausgeführt wird.
2.3. DIE DYNAMIK DER STREUUNG
17
Target
ρ
e0
Die Fläche F sei sehr viel größer als die effektive Querschnittsfläche des Targets,
die durch die Reichweite der Wechselwirkung zum Quadrat abgeschätzt werden
kann. Wir nehmen an, daß mit Hilfe einer geeigneten Meßapparatur der Endzustand µ0 des Targets gemessen werden kann. Dann definiert man
N dσ
dΩ,
N µ0 ←µ (dΩ) =
σ 0 ←σ
F dΩ µ00 ←µ
σ ←σ
wobei N µ0 ←µ (dΩ) die Zahl der Teilchen mit Spin σ 0 ist, die im Raumwinkelbereich
σ 0 ←σ
dΩ gezählt werden, wenn das Target im Experiment µ0 anzeigt. Mit Gl. (2.12)
folgt gemäß der Skizze
N µ0 ←µ (dΩ) =
σ 0 ←σ
N
X
vf
i=1
≈
v0
0
0
2
Z
∞
|ϕ0 (u~e0 + ρ~i )|2 du
|f (mvf ~e, σ , µ ← mv0~e0 , σ, µ)| dΩ
N vf
2
|f (mvf ~e, σ 0 , µ0 ← mv0~e0 , σ, µ)| dΩ
F v0
−∞
∞
Z Z
|F
|ϕ0 (u~e0 + ρ~)|2 dudF .
−∞
{z
}
Für den differentiellen Wirkungsquerschnitt erhalten wir somit
dσ
vf
2
=
|f (mvf ~e, σ 0 , µ0 ← mv0~e0 , σ, µ)| .
dΩ µ00 ←µ
v0
=1
(2.13)
σ ←σ
Wir sehen, daß der differentiellen Wirkungsquerschnitt im Wesentlichen durch
die Streuamplitude gegeben ist. Den totalen Streuquerschnitt erhält man per
definitionem durch Integration über die Winkel und Summation über µ0 und σ 0
X Z dσ σtot (~p, σ, µ) =
dΩ
µ0 ←µ
dΩ
0
0
0
µ ,σ
σ ←σ
X Z vf
2
=
|f (mvf ~e, σ 0 , µ0 ← mv0~e0 , σ, µ)| dΩ.
v
0
µ0 ,σ 0
18
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
Diesen Ausdruck können wir mit Hilfe des optischen Theorems, welches wir
jetzt diskutieren werden, weiter vereinfachen.
aLetzteres
ergibt sich aus der Wahr
a
scheinlichkeitserhaltung, d.h. aus ψp~,σ,µ (t) ψp~,σ,µ (t) = 1, die für alle t, also auch
t → ∞, gilt. Wir betrachten
Z
a
a
X a
1 = ψp~,σ,µ (t) ψp~,σ,µ (t) =
ψp~,σ,µ (t) |~r, σ 0 , µ0 i h~r, σ 0 , µ0 ψp~a,σ,µ (t) d3 r
σ 0 ,µ0
XZ 2
=
δσ,σ0 δµ,µ0 |ϕ0 (~r − ~v0 t)|2 + |f (~pf (~p), σ 0 , µ0 ← p~, σ, µ)|
σ 0 ,µ0
1
× 2
r
×ϕ∗0
2
−ipf (~
p)r/~
ϕ0 v0 [r − vf t]~e0 + ei~p·~r/~ ϕ0 (~r − ~v0 t) e
vf
r
∗
0
0
([r − v0 t]~e0 ) f (~pf (~p), σ , µ ← p~, σ, µ)δσ,σ0 δµ,µ0
+ c.c. d3 r,
wobei das Gleichheitszeichen in der zweiten Zeile im Limes großer t gilt. Das Integral im ersten Summanden ergibt aufgrund der Normierung von ϕ0 eine 1. Diese
hebt sich mit der 1 auf der linken Seite weg. Im zweiten Summanden schreiben wir
das Integral in Kugelkoordinaten, substituieren wie in Gl. (2.12) und erweitern im
r-Integral wie dort die Integrationsgrenze nach −∞ (was bei großen t nur einen
kleinen Fehler bedingt). Die Interferenzterme (Summanden drei und vier) behandeln
geschrieben tritt in ihnen das Integral
R π wir wie folgt. In Polarkoordinaten
(∗)
exp(±ipr
cos
θ/~)
sin(θ)ϕ
(~
r
(θ)
−
~
v
t)
0 dθ auf. Da bei großen t Aufgrund von
0
0
(∗)
ϕ0 (~r − ~v0 t) nur große r beitragen (Wellenpaket ist weit vom Traget entfernt!),
liefert das θ-Integral signifikante Beiträge nur in Vorwärtsrichtung θ ≈ π/2. Alle
anderen Beiträge heben sich aufgrung der bei großen r schnellen Oszillationen
von exp(±ipr cos θ/~) (als Funktion von θ) gegenseitig weg. Wir können daher
(∗)
(∗)
im Integral ϕ0 (~r(θ) − ~v0 t) → ϕ0 ([r − v0 t]~e0 ) ersetzen. Das θ-Integral läßt sich
dann ausführen. Zusammen mit dem Exponentialfaktor exp [∓ipf (~p)r/~] ergibt
sich unter Ausnutzung von µ = µ0 , d.h. pf (~p) = p,
e
∓ipr/~
Z
π
e
±ipr cos θ/~
sin(θ) dθ = e
∓ipr/~
Z
1
−1
0
e±ipru/~ du = ±
~
1 − e∓i2pr/~ .
ipr
Nutzen wir nun erneut aus, daß im r-Integral nur große r beitragen, so brauchen
wir nur den ersten Summanden
R ∞ ±~/(ipr)2 zu berücksichtigen (schnelle Oszillationen!). Nach Division von −∞ |ϕ0 (u~e0 )| du – was jetzt in den verbleibenden
Summanden explizit auftritt – folgt so
X Z vf
2π ∗
2
0 =
|f (~pf , σ 0 , µ0 ← p~, σ, µ)| dΩ +
f (~p, σ, µ ← p~, σ, µ)
v
ik
0
0
0
σ ,µ
−
2π
f (~p, σ, µ ← p~, σ, µ).
ik
2.3. DIE DYNAMIK DER STREUUNG
19
Umgeschrieben ergibt sich das optische Theorem
X Z vf
4π
2
|f (~pf , σ 0 , µ0 ← p~, σ, µ)| dΩ =
Imf (~p, σ, µ ← p~, σ, µ).
v
k
0
0
0
σ ,µ
Der totale Wirkungsquerschnitt läßt sich mit Hilfe des optischen Theorems
zu
σtot (~p, σ, µ) =
4π
Imf (~p, σ, µ ← p~, σ, µ)
p/~
umschreiben. Wir erinnern daran, daß sich die Streuamplitude nach Gl. (2.10)
als Matrixelement des Wechselwirkungspotentials schreiben läßt. Dies schließt
die formale Beschreibung des Streuexperiments ab. Nachträglich kann man sich
davon überzeugen, daß man das Ergebnis für den Wirkungsquerschnitt auch im
Rahmen einer zeitunabhängigen (stationären) Beschreibung erhalten kann, in
dem man in h~r, σ 0 , µ0 |~p, σ, µ, +i die radiale Stromdichte durch die einlaufende
Stromdichte teilt.4
In vielen Büchern zur Streutheorie spielt die sogenannte S-Matrix
h~p 0 , σ 0 , µ0 | S |~p, σ, µi = h~p 0 , σ 0 , µ0 , − |~p, σ, µ, +i
(2.14)
eine zentrale Rolle. Aus Zeitgründen wollen wir diese hier nicht genauer diskutieren. Wir wollen aber kurz den Zusammenhang zur Streuamplitude ansprechen.
Mit Hilfe der Definitionsgleichung (2.7) für |~p, σ, µ, ±i = |p, ±i, der Eigenvektoreigenschaft von |p, +i bezüglich H (siehe Gl. (2.3)) und der wichtigen Relation
1/(x ± i0) = P1/x ∓ iπδ(x) folgt
hp0 , − |p, +i = hp0 |p, +i + hp0 | V [p0 − H + i0]−1 |p, +i
1
= hp0 |pi + hp0 | [p − H0 + i0]−1 V |p, +i +
hp0 | V |p, +i
0
p − p + i0
1
1
= hp0 |pi +
−
hp0 | V |p, +i
p − p0 + i0 p − p0 − i0
und damit
hp0 | S |pi = hp0 |pi − 2πiδ(p − p0 ) hp0 | V |p, +i .
(2.15)
Der zweite Summand enthält, wie angekündigt, die Streuamplitude. Für weitere
Überlegungen zur Streumatrix verweisen wir auf die Literatur.
4
Vergleiche dazu auch die Beziehung der stationären Beschreibung der Streuung und der
dynamischen für die eindimensionale Streutheorie in der Theorie III Vorlesung.
20
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
2.4
Berechnung der Streuamplitude
Nachdem wir den formalen Rahmen der Streutheorie entwickelt haben verbleibt
die Aufgabe der praktischen Berechnung der Streuamplitude Gl. (2.10), d.h. von
hp0 | V |p, +i. Dies ist möglich, wenn wir einen Ausdruck für die Streuzustände
|p, +i herleiten. Für diesen Schritt kann man die Lippmann-Schwinger-Gleichung
|p, +i = |pi + G0 (p + i0)V |p, +i .
verwenden. Ein einfacher Fall ergibt sich, wenn die Wechselwirkung V “klein”
ist. In diesem Fall läßt sich die Bornsche-Näherung nutzen, in der man im Ausdruck für die Streuamplitude Gl. (2.10), den Streuzustand |p, +i durch den freien
Zustand |pi ersetzt
f B (~pf , σ 0 , µ0 ← p~, σ, µ) = −4π 2 ~m h~pf , σ 0 , µ0 | V |~p, σ, µi .
2.4.1
(2.16)
Potentialstreuung in der Bornschen Näherung
Wir betrachten zunächst das Beispiel eines strukturlosen Targets mit spinunabhängigem V̂ = V (~rˆ). Unter diesen Annahmen fallen die Quantenzahlen σ und
µ aus der Betrachtung heraus. Die Streuung ist inhärent elastisch mit |~pf | = |~p|.
Die Streuamplitude ergibt sich dann in Borscher-Näherung zu (~p 0 = p~f )
f B (~p 0 ← p~) = −4π 2 ~m h~p 0 | V̂ |~pi
Z
m
0
ei(~p−~p )·~r/~ V (~r) d3 r
= −
2
2π~
m
Ṽ (~q),
= −
2π~2
mit dem Impulsübertrag (Richtung!) ~q = (~p 0 − p~)/~. Somit ist bei Potentialstreuung in Bornscher-Näherung die Streuamplitude proportional zur FourierTransformierten des Potentials.
Für ein zentralsymmetrisches Potential lassen sich die Winkelintegrationen
ausführen
Z ∞ Z 2π Z π
m
0
ei|~p−~p |r cos θ/~ V (r)r2 sin θ dθ dϕ dr
f (~p ← p~) = −
2
2π~ 0
0
0
Z
2m ∞
= − 2
V (r)r sin(qr) dr.
~q 0
B
0
Der Impulsübertrag q ist durch |~p| und den Streuwinkel festgelegt ~q = |~p − p~ 0 | =
2|~p| sin(θ/2), wie man der folgenden Skizze entnimmt.
2.4. BERECHNUNG DER STREUAMPLITUDE
21
p’
e
θ
e0
p
Als Anwendungsbeispiel betrachten wir die Streuung am Yukawa-Potential
V (r) = g 2 e−r/r0 /r, welches eine wichtige Rolle bei der Wechselwirkung zwischen
Nukleonen spielt. Die Entfernung r0 ist ein Maß für die Reichweite der Kernkräfte
r0 ≈ 10−15 m. Für die Streuamplitude in Bornscher-Näherung ergibt sich für solch
ein Potential
Z
2mg 2 ∞ −r/r0
B
0
e
sin(qr) dr
f (~p ← p~) = − 2
~q 0
Z ∞
2mg 2
= − 2 Im
e−(1/r0 −iq)r dr
~q
0
1
+ iq
2mg 2
= − 2 Im r02
~q
1
+ q2
r0
= −
2mg 2
2
~2
1
r0
1
+
.
[2p sin(θ/2)/~]2
Für 2pr0 /~ 1, d.h. bei kleinen Energien, wird die Streuamplitude unabhängig
vom Winkel θ.
Im Limes r0 → ∞ geht das Yukawa-Potential in das Coulomb-Potential
über, wobei g durch die Elementarladung e zu ersezten ist. Auch wenn wir Aufgrund der Annahme zum räumlichen Abfallverhalten des Potentials die CoulombWechselwirkung bisher ausgeschlossen haben, wollen wir diesen Grenzwert jetzt
bilden. Mit der kinetischen Energie E = p2 /(2m) des Streuteilchens gilt
f B (~p 0 ← p~) = −
1
e2
.
2
4E sin (θ/2)
Die Streuamplitude ist dann für alle Energien winkelabhängig. Es ist bemerkenswert, daß dieses Ergebnis trotz der obigen Reichweitenproblematik und der
Reduktion auf die Bornsche-Näherung mit dem exakten Ausdruck übereinstimmt.
2.4.2
Das N -Teilchen Target
Als weiteres Anwendungsbeispiel betrachten wir die Streuung an einem Target
mit N -Teilchen (die jetzt auch inelastisch sein kann). Die Targetteilchen haben
22
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
ˆi . Das Wechselwirkungspotential mit
~ˆ i und Spinoperatoren ~σ
die Ortsoperatoren R
dem Streuteilchen sei von der Form
V̂ =
N
X
ˆ
ˆ
ˆ
ˆ
~
V (~r − Ri ) αi + βi~σ · ~σi .
i=1
Zur Bestimmung der Streuamplitude in Borscher Näherung benötigen wir somit
das Matrixelement
0
0
0
h~p , σ , µ | V̂ |~p, σ, µi =
N Z
X
ˆ
ˆ
ˆ
ˆ
~
h~p , σ , µ |~ri h~r| V (~r − Ri ) αi + βi~σ · ~σi |~p, σ, µi d3 r
0
0
0
i=1
= hµ0 |
N
X
i=1
1
(2π~)3
Z
−i~
q ·~
r
e
ˆ
0 ˆ
ˆ
~
V (~r − Ri ) αi δσ,σ0 + βi hσ | ~σ |σi · ~σi |µ i d3 r
N
X
1
~ˆ i
0 ˆ
−i~
q ·R
ˆi |µ i .
0 + βi hσ | ~
0|
α
δ
σ
|σi
·
~
σ
Ṽ
(~
q
)
h
e
=
i
σ,σ
µ
(2π~)3
i=1
Dabei haben wir im letzten Schritt im Integral für jedes i eine Verschiebung des
Ursprungs vorgenommen.5
Für eine spinunabhängige Wechselwirkung mit αi 6= 0 und βi = 0 folgt dann
N
X
m
~ˆ
0
f (~p , σ , µ ← p~, σ, µ) = −
Ṽ
(~
q
)
h
|
αi e−i~q·Ri |µ i δσ,σ0
µ
2
2π~
|i=1 {z
}
B
0
0
0
=âq~
m
Ṽ (~q)N Fµ0 ,µ (~q)δσ,σ0
= −
2π~2
mit den Formfaktoren Fµ0 ,µ (~q).
Bis jetzt sind wir immer davon ausgegangen, daß das Target vor der Streuung in einem Eigenzustand |µ i ist und der Endzustand µ0 des Targets mit Hilfe einer geeigneten Meßapparatur gemessen werden kann. Wir gehen nun einen
Schritt weiter und nehmen an, daß das Target vor der Streuung ein Festkörper
im thermischen Gleichgewicht ist. Die Anfangszustände |µ i haben dann eine
Wahrscheinlichkeit, die durch den Boltzmannfaktor Wµ = e−βµ /ZT , mit der Tar0
getzustandssumme ZT = Tr e−βHT und der inversen Temperatur β = 1/(kB T ).
Weiterhin gehen wir davon aus, daß im Streuexperiment nur Eigenschaften des
Streuteilchens gemessen werden, d.h. der Endzustand des Targets nicht festgestellt wird. Wir definieren dann über die Zahl Nσ0 ←σ (∆Ω, ∆E) der Streuteilchen
die im Raumwinkelbereich ∆Ω und im Energiebereich ∆E detektiert werden den
5
EDas geht auch mit Operatoren, wie man sofort sieht, wenn man eine Eins in Ortszuständen
~
Ri einschiebt.
2.4. BERECHNUNG DER STREUAMPLITUDE
23
doppelt differentiellen Wirkungsquerschnitt
2 Z
∂ σ
N
dΩdE.
Nσ0 ←σ (∆Ω, ∆E) =
F ∆Ω,∆E ∂Ω∂E σ0 ←σ
Mittelung über die Anfangszutände und Summation über die Endzustände liefert
dann ausgehend vom Resultat Gl. (2.13) für den zustandsselektiven differentiellen
Wirkungsquerchnitt
2 2
X e−βµ p0
∂ σ
p~
2
0
0
0
=
|f (~p , σ , µ ← p~, σ, µ)| δ E −
+ µ − µ0
.
∂Ω∂E σ0 ←σ µ,µ0 ZT p
2m
In Bornscher-Näherung erhält man dann für das N -Teilchen Targetmodell
B
2 X e−βµ
∂ 2σ
p0 () m 2 =
|hµ0 | âq~ |µ i|2 δ (~ω − µ + µ0 ) .
Ṽ
(q)
2
∂Ω∂ σ0 ←σ
p
2π~
ZT
µ,µ0
|
{z
}
=Sa,a (~
q ,ω)
Dabei haben wir die Energiedifferenz des Streuteilchens = ~ω = E − p~ 2 /(2m),
sowie den dynamischen Strukturfaktor Sa,a (~q, ω) eingeführt. Der doppelt differentielle Wirkungsquerschnitt ist somit als Produkt des Wirkungsquerschnitts
für ein Targetteilchen (im Wesentlichen die Fouriertransformierte Ṽ (~q)) und einer das ungestörte Target charakterisierenden Funktion Sa,a (~q, ω) gegeben. In
Bornscher-Näherung kann somit im Streuexperiment direkt die Korrelationsfunktion Sa,a (~q, ω) des Festkörpers gemessen werden.
Das es sich bei Sa,a (~q, ω) um eine Korrelationsfunktion des Festkörpers
R ∞ (Targets) handelt, werden wir folgend herleiten. Dazu verwenden wir δ(x) = −∞ eixt/~ dt/(2π~)
und schreiben
Z ∞
1 X −βµ
1
eiωt
e
hµ | â†q~ |µ0 i hµ0 | âq~ |µ i e−i(µ −µ0 )t/~ dt.
Sa,a (~q, ω) =
2π~ −∞
ZT µ,µ0
Wir gehen nun zu Operatoren im Heisenbergbild über (Target alleine!)
T
T
hµ0 | eiµ0 t/~ âq~ e−iµ t/~ |µ i = hµ0 | eiH0 t/~ âq~ e−iH0 t/~ |µ i
= hµ0 | âq~(t) |µ i .
Eingesetzt liefert das
1
Sa,a (~q, ω) =
2π~
Z
∞
−∞
eiωt
h
i
1
T
Tr e−βH0 â†q~(0)âq~(t) .
Z
|T
{z
}
=ha†q~ (0)âq~ (t)i
D
E
a†q~(0)âq~(t)
Also ist Sa,a (~q, ω) die Fouriertransformierte der Korrelationsfunktion
P
~ˆ i
−i~
q ·R
mit âq~ = N
. Diese Funktion enthält wichtige Informationen über den
i=1 αi e
Ort der das Target bildenden Konstituenten.
24
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
2.4.3
Korrekturen zur Bornschen Näherung
Bis auf den Vorfaktor −4π 2 ~m ist die Streuamplitude durch das Matrixelement
h~p 0 , σ 0 , µ0 | V |~p, σ, µ, +i gegeben. Dieses nennt man auch t-Matrixelement auf der
Energieschale, da p~ 0 ,µ0 = p~,µ ist
t(~p 0 , σ 0 , µ0 ← p~, σ, µ) = h~p 0 , σ 0 , µ0 | V |~p, σ, µ, +i
= h~p 0 , σ 0 , µ0 | [V + V G(p~,µ + i0)] V |~p, σ, µi
= h~p 0 , σ 0 , µ0 | T (p~,µ + i0) |~p, σ, µi ,
(2.17)
wobei der T -Operator für beliebige komplexe z mit Imz 6= 0 gemäß
T (z) = V + V G(z)V
definiert ist. Einsetzen von G = G0 + G0 V G liefert die Lippmann-SchwingerGleichung für T
T (z) = V + V G0 (z)T (z).
Die Bornsche-Näherung für t besteht darin, in der Gleichung für T nur den
ersten Summanden mitzunehmen. Eine Iteration der die Lippmann-SchwingerGleichung für T liefert die Bornsche-Reihe
T (z) = V + V G0 (z)V + V G0 (z)V G0 (z)V + . . . .
Als zweite Bornsche-Näherung bezeichnet man den zweiten Term
f (2) (p0 ← p) = −4π 2 ~m hp0 | V G0 (p~,µ + i0)V |pi .
Die Bornsche-Reihe ist eine Potenzreihe in V G0 (z) = V (z − H0 )−1 . Intuitiv kann
man erwarten, daß diese Reihe konvergiert, wenn V klein genug bzw. die Energie z
groß genug ist. Wir wollen diese Frage hier aus Zeitgründen nicht weiter vertiefen.
2.5
Streuung am Zentralpotential
Wir wollen abschließend das Problem der Streuung am Zentralpotential genauer
diskutieren. Dazu benötigen wir Resultate zu den Eigenfunktionen (zu H) im
Zentralpotential aus der Theorie III Vorlesung.6 In einem Zentralpotential, für
das der Hamiltonoperator mit den Komponenten des Drehimpulses vertauscht,
kann man die Eigenfunktionen als |E, l, mi schreiben, wobei
#
"
p~ˆ 2
+ V (|~rˆ|) |E, l, mi = E |E, l, mi .
2m
6
In gewisser Weise vervollständigt dieses Kapitel die Überlegungen zum Zentralpotential der
Theorie III, in der es üblich ist nur die gebundenen Zustände im Detail zu untersuchen.
2.5. STREUUNG AM ZENTRALPOTENTIAL
25
In Ortsdarstellung gilt
h~r |E, l, mi = Rl,E (r)Yl,m (θ, ϕ)
mit den Kugelflächenfunktionen Yl,m (θ, ϕ). Die Gleichung für den Radialanteil
der Wellenfunktion Rl,E (r) lautet (siehe Theorie III)
~ 2 1 d2
~2 l(l + 1)
−
r+
+ V (r) Rl,E (r) = E Rl,E (r).
2m r dr2
2mr2
Mit der Definition
ul,E (r) = rRl,E (r)
folgt
~2 d2
l
+ Veff (r) ul,E (r) = E ul,E (r),
−
2m dr2
wobei
~2 l(l + 1)
2mr2
d.h. ul,E (r) erfüllt eine eindimensionale Schrödingergleichung auf dem halbunendlichen Intervall r ≥ 0. Für Potentiale, die für r → ∞ hinreichend schnell
verschwinden ist die Lösung dieser Gleichung für E > 0 (Streuzustände!) bei
großen r durch
l
Veff
(r) = V (r) +
r → ∞ : ul,E (r) = Al,E eikr + Bl,E e−ikr
√
l
(r) reell ist, kann eine
gegeben, wobei k = 2mE/~ und Al,E , Bl,E ∈ C . Da Veff
asymptotische Lösung bei großen r als
h
i
1
π
Rl,E (r) → cl,E sin kr − l + δl (k)
(2.18)
r
2
mit reellem cl,E geschrieben werden. Die auftretenden δl (k) ∈ R bezeichnet man
als die Streuphasen. Der Term −πl/2 wird dabei im Hinblick auf die Lösung bei
V = 0 abgespalten. Für den Fall eines attraktiven kugelförmigen Potentials ist
ul=0,E (r) (s-Wellenstreuung) in der folgenden Abbildung dargestellt.
26
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
2.5.1
Ortsdarstellung der freien Drehimpulszustände
Im Hinblick auf die uns interessierende Situation eines endlichen Zentralpotentials
werden wir folgend den V = 0 Fall kurz diskutieren. Für l = 0 wird mit V = 0
l=0
auch Veff
= 0. Die Schrödingergleichung für die Radialfunktion ist dann
−
~2 d2 (0)
(0)
u
(r) = E ul=0,E (r)
2m dr2 l=0,E
mit der Lösung7
(0)
ul=0,E (r) = cl=0,k sin (kr)
⇒
(0)
Rl=0,E (r) = cl=0,k
sin (kr)
.
r
Führen wir für beliebiges l die Variable ρ = kr ein, so lautet die Differentialglei√
√ (0)
(0)
chung für χ(ρ) = ul,E (ρ)/ ρ = ρRl,E (ρ)
1 0
(l + 1/2)2
00
χ (ρ) + χ (ρ) + 1 −
χ(ρ) = 0.
ρ
ρ2
Das ist die Besselsche Differentialgleichung zum Index l + 1/2. Die beiden linearunabhängigen Lösungen sind die Besselfunktionen Jl+1/2 (ρ) und J−l−1/2 (ρ) mit
halbzahligem Index. Die beiden linearunabhängigen Lösungen für die Radialfunktion Rl,E (ρ) = Rl (ρ) bezeichnet man als sphärische Besselfunktionen jl
r
π
Jl+1/2 (ρ)
jl (ρ) =
2ρ
bzw. sphärische Neumannfunktionen nl
r
π
l+1
nl (ρ) = (−1)
J−l−1/2 (ρ).
2ρ
Nur die sphärischen Besselfunktionen erfüllen die Randbedingung. Die sphärischen Neumannfunktionen haben keine physikalische Bedeutung für das freie
Teilchen. Das asymptotische Verhalten von jl (ρ) für große und kleine ρ ist durch8
ρ→0:
ρ→∞:
ρl
,
(2l + 1)!!
sin ρ − π2 l
jl (ρ) →
.
ρ
jl (ρ) →
Die letzte dieser beiden Beziehungen erklärt die Abseparation von πl/2 in Gl.
(2.18), da so für V = 0 die Streuphasen δl (k) verschwinden; diese enthalten somit
7
8
(0)
Die Cosinuslösung erfüllt die Randbedingung ul,E (r = 0) = 0 nicht.
Es gilt (2l + 1)!! = (2l + 1) · (2l − 1) · . . . · 3 · 1.
2.5. STREUUNG AM ZENTRALPOTENTIAL
27
Information über das Zentralpotential. Damit die Drehimpulszustände |l, m, Ei(0)
orthonormiert sind, d.h. (0)hE 0 , l0 , m0 |E, l, mi(0) = δl,l0 δm,m0 δ(E − E 0 ) gilt, muß
noch ein Normierungsfaktor hinzugenommen werden, den wir weiter unten herleiten werden. Es gilt dann
r
l
2km
i
jl (kr) Yl,m (θ, ϕ).
(2.19)
h~r |E, l, mi(0) =
~
π
2.5.2
Impulsdarstellung der freien Drehimpulszustände
Für das nun Folgende, ist es nützlich die freien Drehimpulszustände |E, l, mi(0)
in der Impuldarstellung zu kennen. Der Drehimpulsoperator hat in der Orts- und
der Impulsdarstellung die gleiche Form
∂
~
∂
~
ˆ
ˆ
~
~
~r ×
h~r |ψi , h~p| l |ψi =
p~ ×
h~p |ψi .
h~r| l |ψi =
i
∂~r
i
∂~p
Schreibt man also die Impulskoordinaten in Kugelkoordinaten p, θp , ϕp so folgt,
daß
h~p |E, l, mi = gl,E (p)Yl,m (θp , ϕp ).
Die stationäre Schrödingergleichung für das freie Teilchen lautet
p~ˆ 2
|E, l, mi(0) = E |E, l, mi(0)
2m
und damit in Impulsdarstellung
2
p~
− E h~p |E, l, mi(0) = 0.
2m
Somit verschwindet h~p |E, l, mi(0) für p~ 2 /(2m) 6= E und wir können schreiben
(0)
h~p |E, l, mi(0) = gl (p)δ(E − p~ )Yl,m (θp , ϕp ).
(2.20)
Damit folgt
0
0
0
(0)
Z
hE , l , m |E, l, mi = (0)hE 0 , l0 , m0 |~pi h~p |E, l, mi(0) d3 p
Z ∞Z
∗
(0)
(0)
(p)δ(E 0 − p~ )Yl∗0 ,m0 (θp , ϕp )gl (p)δ(E − p~ )Yl,m (θp , ϕp ) dΩp dp
=
p2 gl0
0
Z ∞ ∗
(0)
(0)
= δl,l0 δm,m0
p2 gl
(p)gl (p)δ(E 0 − p~ )δ(E − p~ )dp
0
Z ∞ ∗
m
(0)
(0)
0
= δl,l0 δm,m0 δ(E − E )
p2 gl
(p)gl (p) δ(p − p(E))
p
0
(0)
28
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
√
mit p(E) = 2mE/~. Damit die Orthonormalität der |E, l, mi(0) gegeben ist,
muß das Integral unabhängig von l Eins ergeben. Dies ist sicherlich dann der
(0)
Fall, wenn gl (p) = g(p) = (mp)−1/2 gilt. In der Tat ist dies der “Radialanteil”
der Impulsdarstellung der |E, l, mi(0) .
(0)
Aus der Impulsdarstellung können wir eine Integraldarstellung der Rl (r) ∼
jl (kr) entwickeln. Aus9
(0)
(0)
h~r ~2 k 2 /(2m), l, m = 0
= Rl (kr)Yl,0 (θ, ϕ)
r
2l + 1
(0)
Pl (cos θ),
= Rl (kr)
4π
wobei Pl die Legendrepolynome bezeichnet, folgt für θ = 0, also Orte ~r auf der
~e3 -Achse mit Pl (1) = 1,
(0)
=
hr~e3 ~2 k 2 /(2m), l, m = 0
r
2l + 1 (0)
Rl (kr).
4π
Eine Berechnung der linke Seite durch Einschieben von Impulszuständen liefert
Z
2 2
(0)
(0) 3
hr~e3 ~ k /(2m), l, m = 0
= hr~e3 |~pi h~p ~2 k 2 /(2m), l, m = 0
dp
2
Z ∞Z
p
1
~2 k 2
2 irp cos θp /~
=
pe
g(p)δ
−
Yl,0 (θp , ϕp ) dΩp dp
(2π~)3/2 0
2m
2m
r
2
Z
p
2l + 1 ∞ 2
~2 k 2
1
pδ
g(~k)
−
dp
=
(2π~)3/2
4π
2m
2m
0
Z π
× 2π
eirk cos θp Pl (cos θp ) sin θp dθp
0
r
Z 1
1
2l + 1 2π
eikru Pl (u)du
=
(2π~)3/2
4π g ∗ (~k) −1
und damit für die Radialfunktion
(0)
Rl (kr)
1
4π l
=
i
3/2
∗
(2π~) g (~k)
1
2il
Z
1
e
ikru
Pl (u)du .
(2.21)
−1
Der Ausdruck in der eckigen Klammer ist eine Integraldarstellung der sphärischen
Besselfunktion jl (kr). Damit haben wir den Normierungsfaktor aus Gl. (2.19)
hergeleitet.
9
Achtung, m hat in diesem Ausdruck zwei verschiedene Bedeutungen, was aber evident sein
sollte!
2.5. STREUUNG AM ZENTRALPOTENTIAL
2.5.3
29
Die Partialwellenzerlegung einer ebenen Welle
Mit Hilfe der Überlegungen zu den Drehimpulszuständen können wir eine wichtige
mathematische Relation
ßber die Zerlegung einer ebenen Welle angeben. Sei p~ =
~k~e3 so gilt (mit kE = 2mE/~)
Z ∞
∞ X
l
X
h~r |~k~e3 i =
h~r |E, l, mi(0) (0)hE, l, m |~k~e3 i dE
l=0 m=−l
=
0
Z
∞ X
l
X
l=0 m=−l
∞
(0)
∗
Rl (kE r)Yl.m (θ, ϕ)Yl,m
(0, ϕp )g ∗ (~kE )δ
0
~2 k 2
dE
E−
2m
∞
1 X (0)
= g (~k)
R (kr)(2l + 1)Pl (cos θ).
4π l=0 l
q
∗
Dabei haben wir die Relation Yl,m (0, ϕp ) = δm,0 2l+1
verwendet. Setzen wir nun
4π
Gl. (2.21) ein, so folgt
∗
ikr cos θ
e
=
∞
X
(2l + 1)il jl (kr)Pl (cos θ).
l=0
Das Ergebnis kann nicht von der Wahl des Koordinatensystems abhängen, so daß
allgemein
e
i~k·~
r
∞
X
=
(2l + 1)il jl (kr)Pl (cos θ~k,~r )
l=0
mit dem Winkel θ~k,~r den die Vektoren ~k und ~r bilden, also cos θ~k,~r = ~k · ~r/(kr).
Dies ist die Partialwellenzerlegung einer ebenen Welle.
2.5.4
Die Partialwellenzerlegung mit Potential
Nach diesen Vorüberlegungen zu den freien (V = 0) Drehimpulszuständen betrachten wir die Radialfunktionen Rl,E (r) zum Potential V (r) und deren asymptotisches Verhalten für große r. Wie wir gleich sehen werden, ist dabei die Umformung
il −i(kr−πl/2)
e
− e2iδl ei(kr−πl/2)
2i
l
= i sin(kr − πl/2) + eiδl sin δl eikr
il eiδl sin(kr − πl/2 + δl ) = −
nützlich. Wir können Überlagerungen von Radialfunktionen bilden, die Streurandbedingungen erfüllen. Die Funktionen
r→∞:
Rl,k (r) →
1
4π l iδl (k) 1
ie
sin[kr − πl/2 + δl (k)]
3/2
∗
(2π~) g (~k)
kr
30
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
sind Eigenfunktionen der Schrödingergleichung zur Energie E = ~2 k 2 /(2m), wenn
sie mit der Kugelflächenfunktion Yl,m (θ, ϕ) multipliziert werden. Überlagert man
Lösungen zu verschiedenen l-Werten, bei festem k, so erhält man wieder eine
Lösung der Schrödingergleichung. In Analogie zur Zerlegung der ebenen Welle in
~e3 -Richtung nach freien Radialfunktionen bildet man ϕ-unabhängige Linearkombinationen
∞ ∞
X
X
1
1
2l + 1
∗
Pl (cos θ) →
il sin(kr − πl/2)
g (~k)
Rl,k (r)
3/2
4π
(2π~)
kr
l=0
l=0
eikr
+eiδl (k) sin δl (k)
(2l + 1)Pl (cos θ)
kr
"
#
∞
ikr
X
e
1
1
(2l + 1) sin δl (k)eiδl (k) Pl (cos θ)
eikr cos θ +
.
=
(2π~)3/2
k l=0
r
Der zweite Summand ist die Partialwellenzerlegung der gestreuten Welle. Der
Vergleich mit Gl. (2.11) zeigt, daß für ~e0 = ~e3 die Streuamplitude ϕ-unabhängig
und durch
∞
1X
fk (θ) =
(2l + 1) sin δl (k)eiδl (k) Pl (cos θ)
k l=0
=
∞
X
(2l + 1)fl (k)Pl (cos θ)
(2.22)
l=0
gegeben ist. Dabei haben wir die partielle Streuamplitude
fl (k) = sin δl (k)eiδl (k) /k
eingeführt. Diese ist durch die Streuphasen δl (k) festgelegt. Das Absolutbetragsquadrat von fk (θ) liefert den differentiellen Wirkungsquerschnitt
∞
dσ
1 X
= 2
(2l + 1)(2l0 + 1) sin δl (k) sin δl0 (k)ei[δl (k)−δl0 (k)] Pl (cos θ)Pl0 (cos θ).
dΩ
k l,l0 =0
Den totalen Wirkungsquerschnitt erhält man mit Hilfe der Orthogonalitätsrelationen für die Legendrepolynome
Z 1
2δl,l0
Pl (x)Pl0 (x)dx =
2l + 1
−1
zu
Z
σtot (k) =
|fk (θ)|2 sin θ dθ dϕ
∞
4π X
=
(2l + 1) sin2 δl (k).
k 2 l=0
2.5. STREUUNG AM ZENTRALPOTENTIAL
31
Während also im differentiellen Wirkungsquerschnitt Interferenzbeiträge zwischen den Drehimpulskomponenten auftreten (Doppelsumme), läßt sich der totale
Wirkungsquerschnitt als Summe der Partialquerschnitte
σl (k) =
4π
4π
(2l + 1) sin2 δl (k) ≤ 2 (2l + 1)
2
k
k
schreiben. Durch Bilden des Imaginärteils kann man sich von der Gültigkeit des
optischen Theorems für Potentialstreuung vergewissern
∞
4π
4π X
Imfk (θ = 0) = 2
(2l + 1) sin2 δl2 (k) = σtot (k).
k
k l=0
Die partiellen Streuamplituden fl (k) lassen sich durch die Streuzustände
iη
|E, l, mi(0)
η→0 E − H + iη
|E, l, m, +i = lim
ausdrücken. Um dies zu zeigen, schieben wir im Ausdruck Gl. (2.17) für t(~p 0 ← p~)
freie Drehimpulszustände ein. Mit p~ = p2 /(2m) = p0 2 /(2m) = ~2 k 2 /(2m) gilt
XXZ ∞Z ∞
(0)
0
t(~p ← p~) =
h~p 0 |E 0 , l0 , m0 i (0)hE 0 , l0 , m0 | T (p~ + i0) |E, l, mi(0)
l,m l0 ,m0
0
0
×(0)hE, l, m |~pi dE 0 dE
X 1
∗
=
Yl,m
(~e)(0)hE, l, m| T (E + i0) |E, l, mi(0) Yl,m (~e3 )
mp
l,m
=
∞
X
(2l + 1)
l=0
1 (0)
hE, l, 0| V |E, l, 0, +i Pl (cos θ).
4πm~k
(0)
(0)
Dabei haben wir die explizite Formh vonih~p |E,
Gl. (2.20) mit gl (p) =
h l, mi
i
ˆ
ˆ
g(p) = (mp)−1/2 , die Drehinvarianz ~l, H = ~l, H0 , die
hE 0 , l0 , m0 | T (p~ + i0) |E, l, mi(0) ∼ δl,l0 δm,m0
(0)
impliziert und
r
Yl,m (~e3 ) = δm,0
2l + 1
Pl (1),
4π
r
∗
Yl,0
(~e) =
2l + 1
Pl (cos θ)
4π
verwendet. Mit f = −4π 2 ~mt folgt durch Koeffizientenvergleich
kfl (k) = eiδl (k) sin δl (k) = −π (0)hE, l, 0| V |E, l, 0, +i
= −π (0)hE, l, 0| T (E + i0) |E, l, 0i(0) .
32
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
Auch die S-Matrix in der Drehimpulsdarstellung kann durch die Streuphasen
ausgedrückt werden. Ausgehend von der Definitionsgleichung (2.14) gilt
Z Z
(0)
(0)
0 0
0 (0)
(0)
hE, l, m| S |E , l , m i =
hE, l, m| p~i h~p| S |~p 0 i h~p 0 |E 0 , l0 , m0 i d3 p d3 p0
Z Z
iη
(0)
=
hE, l, m| p~i h~p| lim
η→0 p
~ − H + iη
0
iη
(0)
× lim
|~p 0 i h~p 0 |E 0 , l0 , m0 i d3 p d3 p0 .
0
0
η →0 p
~ 0 − H + iη
Wegen h~p |E, l, mi(0) ∼ δ(E − p~ ) kann man p~ durch E – und analog für die
gestrichenen Größen – ersetzen. Die Impulsintegrationen liefern dann Zerlegungen
der Eins und es folgt
hE, l, m| S |E 0 , l0 , m0 i
(0)
(0)
= hE, l, m, −| S |E 0 , l0 , m0 , +i .
Mit einer Rechnung, die analog zu der ist, die uns auf Gl. (2.15) geführt hat, folgt
(0)
(0)
hE, l, m| S |E 0 , l0 , m0 i = δ(E − E 0 )δl,l0 δm,m0 1 − 2πi(0)hE, l, m| V |E, l, m, +i
= δ(E − E 0 )δl,l0 δm,m0 e2iδl (k) .
Dabei haben wir erneut die Rotationsinvarianz genutzt. Diese impliziert, daß
(0)
hE, l, m| V |E, l0 , m0 , +i ∼ δl.l0 δm,m0 sowie die Unabhängigkeit der Matrixelemente (0)hE, l, m| S |E, l, mi(0) von m folgt. Letzteres haben sie in einer Übungsaufgabe
gezeigt.
Die exakte Bestimmung der Streuphasen δl (k) ist nur in Ausnahmefällen
möglich. Zur genäherten Bestimmung kann man wieder von der Lippmann-Schwinger-Gleichung ausgehen
|E, l, m, +i = |E, l, mi(0) + G0 (E + i0)V |E, l, m, +i .
und diese iterieren. In Bornscher-Näherung gilt
Z
2m ∞ 2 2
B
r jl (kr)V (r) dr,
fl (k) = − 2
~ 0
wobei wir |E, l, m, +i durch |E, l, mi(0) ersetzt und Gl. (2.19) verwendet haben.
Bei kurzreichweitigen Wechselwirkungen und festem k wird flB (k) bei großen l
eine gute Näherung darstellen, da das Streuteilchen aufgrund der Drehimpulsbarriere das Potential “kaum mehr sieht”.
2.5.5
Streuphasen
Die Streuphasen spielen somit eine zentrale Rolle für die Streuung am Zentralpotential. Zum Beispiel legen sie den Streuquerschnitt vollständig fest. Wir wollen
2.5. STREUUNG AM ZENTRALPOTENTIAL
33
hier einige eigenschaften der Streuphasen zusammenstellen – aus Zeitgründen
ohne ein detaillierte Diskussion.
Für niederenergetische Streuteilchen (kleine k) “verschwinden” die δl (k) für
große l sehr schnell
k→0:
δl (k) → nl π − al k 2l+1
mit der Streulänge al – die nur für l = 0, also s-Wellenstreuung, die Dimension
einer Länge hat. Der Begriff “verschwinden” ist hier modulo π zu verstehen. Man
kann diese Willkür beseitigen, in dem man nl so festlegt, daß limk→∞ δl (k) = 0
gilt. In der folgenden Abbildung sind die Phasenverschiebungen und resultierenden partiellen Wirkungsquerschnitte für das Potential, was man als “weichen”,
anziehende Kugel bezeichnen kann dargestellt.
Da in die Streuamplituden fk (θ) Gl. (2.22) die sin δl (k) eingehen, tragen für
kleine k nur wenige Terme der Summe bei. Die Funktion fk (θ) zweier Variable
wird in diesem Limes somit durch wenige Streuphasen δl (k) parameterisiert.
Geht δ0 (k) durch ein Vielfaches von π, d.h. wird σ0 = 0 in einem Bereich in
dem alle höheren δl (k) noch sehr klein sind, so wird das Target “durchsichtig”.
Dies ist z.B. beim Ramsauer-Effekt der Streuung von Elektronen an Gasen der
Fall und lieferte historich einen Hinweis darauf, daß die Streuung von Elektronen
i.A. nicht klassisch beschrieben werden kann.
Der Wert nl im k → 0 Verhalten gibt die Zahl der gebundenen Zustände im
entsprechenden Drehimpulskanal an, was man als Levinson-Theorem bezeichnet.
34
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
Ein interessantes Phänomen ist das Auftreten von Resonanzen in den Partialwellenquerschnitten σl : In einem scharfen Energiebereich des einfallenden Teilchens wird σl sehr groß, wenn δl schnell durch π/2 mod π anwächst. In der
folgende Abbildung sind neben diesen Resonanzen weitere Typen dargestellt.
Bei niedrigen Energien können bei anziehenden Potentialen für l ≥ 1 Resonanzen auftreten, die eine sehr anschauliche Bedeutung haben. Die Resonanz tritt
bei einer Energie auf, die einem “fast gebundenen” Zustand entspricht, wie in
folgender Skizze angedeutet.
l
Veff(r)
εR
r
Würde man das wirkliche durchgezogene gezeichnete Potential durch das gestrichelte ersetzen, so würde das Potential einen gebundenen Zustand bei der Energie
R haben. Präpariert man ein Teilchen in diesem Zustand für das wirkliche Poten-
2.5. STREUUNG AM ZENTRALPOTENTIAL
35
tial, so wird das Teilchen das Potential durch Tunneln verlassen (z.B. wie beim
α-Zerfall). Beim Streuprozeß wird das streuende Teilchen umgekehrt zeitweise im
Potential gefangen, was zu einem großen Streuquerschnitt führt. Macht man das
Potential immer tiefer, so wird R kleiner und der fast gebundene Zustand wird zu
einem gebundenen. Die folgende Abbildung zeigt diesen Prozeß für die l = 3 Phasenverschiebungen und die zugehörigen σ3 für eine Reihe weicher Kugelpotentiale
mit zunehmender Tiefe des Potentials.
Auf die interessanten Eigenschaften von δl (k) als Funktion der komplexen
Variablen k werden wir hier aus Zeitgründen nicht eingehen.
36
KAPITEL 2. STREUTHEORIE
Kapitel 3
Systeme identischer Teilchen
3.1
Symmetrien
Der Hamiltonian H eines Systems von N identischen (ununterscheidbaren), über
eine Paarwechselwirkung Vi,j (die funktionale Form hängt dabei nicht vom betrachteten Paar i, j ab) wechselwirkender Teilchen der Masse m in einem äußeren
Potential V ist durch
!
N
X
X
p~ˆi 2
H =
+ V (~rˆi ) +
Vi,j (~rˆi − ~rˆj )
2m
i=1
i>j
=
N
X
i=1
h(i) +
X
V (i, j) = H0 + V
(3.1)
i>j
gegeben. Dabei bezeichnen p~ˆi und ~rˆi den Impuls- bzw. Ortsoperator des i-ten Teilchens.1 Für verschwindende Wechselwirkung Vi,j = 0 sind die Produktzustände
der normierten Eigenzustände |ε, νi(i) zu h(i) Vielteilcheneigenzustände zu H
|ε1 , ν1 ; ε2 , ν2 ; . . . ; εN , νN i = |ε1 , ν1 i(1) ⊗ |ε2 , ν2 i(2) ⊗ . . . ⊗ |εN , νN i(N ) .
(3.2)
P
Die Energie des Zustandes ergibt sich zu l εl wobei h(i) |ε, νi(i) = ε |ε, νi(i) gilt
und ν die zusätzlichen Quantenzahlen bezeichnet.
Da die durch Gl. (3.1) beschriebenen Teilchen ununterscheidbar sind, hat
der Produktzustand im Allgemeinen nicht das für Fermionen bzw. Bosonen zu
fordernde Symmetrieverhalten unter Teilchenvertauschung (bzw. “Zustandsvertauschung”; siehe unten). Um diesen Aspekt genauer zu beleuchten definieren wir
unitäre Permutationsoperatoren Pα , mit α = 1, 2, . . . , N !, die die N ! möglichen
Permutationen der Zustände der N Teilchen generieren und sich als Produkte von
1
Wir werden in den Fällen, in denen die Gefahr der Verwechslung besteht, Operatoren mit
einem “Hut” versehen.
37
38
KAPITEL 3. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
Paarvertauschungsoperatoren Pi,j schreiben lassen. Je nachdem, ob in Pα eine gerade oder ungerade Anzahl von Paarvertauschungen vorkommt, bezeichnet man
die Permutation als gerade oder ungerade. Alle erlaubten Vielteilchenzustände
von Bosonen sind gerade unter jeder beliebigen Paarvertauschung, während sie
für Fermionen ungerade sind. Ausgehend von den Pα definieren wir den Symmetrisierungsoperator
N!
1 X
Pα
S=
N ! α=1
(3.3)
und den Antisymmetrisierungsoperator
N!
1 X
A=
(−1)pα Pα ,
N ! α=1
(3.4)
wobei (−1)pα = 1 für Pα gerade und (−1)pα = −1 für Pα ungerade. Man überzeugt sich leicht davon, daß S und A selbstadjungierte Operatoren sind, da die
inverse Permutation Pα−1 = Pα† die gleiche Symmetrie (gerade/ungerade) wie Pα
hat. Es gilt
N!
N!
1 X
1 X
Pα S =
Pα Pα0 =
Pα00 = S = SPα
N ! α0 =1
N ! α00 =1
(3.5)
und
N!
N!
X
1 X
pα 1
p α0
Pα A =
Pα (−1) Pα0 = (−1)
(−1)pα00 Pα00 = (−1)pα A = APα (. 3.6)
N ! α0 =1
N ! α00 =1
Durch Summation über α ergibt sich aus Gl. (3.5)
S2 = S
(3.7)
und nach Multiplikation mit (−1)pα und Summation über α folgt aus Gl. (3.6)
A2 = A .
(3.8)
S und A sind Projektionsoperatoren. Weiterhin ergibt sich aus Gl. (3.5)
N!
N!
1 X
1 X
AS =
(−1)pα Pα S =
(−1)pα S = 0 = SA ,
N ! α=1
N ! α=1
(3.9)
da es sowohl N !/2 gerade wie ungerade Permutationen gibt. S und A sind somit
orthogonal zueinander.
3.1. SYMMETRIEN
3.1.1
39
Fermionen
Mit Hilfe von A läßt sich nun aus dem Produktzustand Gl. (3.2) ein für Fermionen
zulässiger total antisymmetrischer Zustand erzeugen. Man nutzt dabei aus, daß
für jede beliebige Paarvertauschung Pi,j , Pi,j A = −A gilt. Mit einer noch zu
bestimmenden Normierungskonstanten Ca folgt
|k1 , k2 , . . . , kN ia = Ca A |k1 , k2 , . . . , kN i

|k1 i(1) |k1 i(2)

Ca
|k2 i(1) |k2 i(2)
det 
=

...
...
N!
|kN i(1) |kN i(2)

. . . |k1 i(N )
. . . |k2 i(N ) 
 , (3.10)
...
... 
. . . |kN i(N )
wobei kl für {εl , νl } steht und |kl i(i) den Zustand des i-ten Teilchens bezeichnet.
Man nennt die Determinante in Gl. (3.10) auch Slaterdeterminante. Für den
resultierenden Zustand gilt wie zu fordern |k1 , k2 , . . . , kN ia = − |k2 , k1 , . . . , kN ia
und analog für jede andere Paarvertauschung. Aufgrund der Antisymmetrie unter
Paarvertauschung kann keiner der Einteilchenzustände |kl i doppelt vorkommen
(Pauliprinzip). Die Normierungskonstante ergibt sich aus
1 = a hk1 , k2 , . . . , kN | k1 , k2 , . . . , kN ia
= |Ca |2 hk1 , k2 , . . . , kN | A† A |k1 , k2 , . . . , kN i
= |Ca |2 hk1 , k2 , . . . , kN | A2 |k1 , k2 , . . . , kN i
= |Ca |2 hk1 , k2 , . . . , kN | A |k1 , k2 , . . . , kN i
|Ca |2
,
=
N!
√
zu Ca = N !.
Auf dem Unterraum Ha des N -Teilchen Hilbertraums H, der nur die total
antisymmetrischen Zustände enthält, gilt die Vollständigkeitsrelation2
X
1
|k1 , k2 , . . . , kN ia a hk1 , k2 , . . . , kN | = 1a .
N ! k ,k ,...,k
1
2
(3.11)
N
Da über die k1 , k2 , . . . , kN unabhängig voneinander summiert wird, tritt jeder
Zustand N ! mal auf und wir müssen durch N ! teilen. Alternativ kann man die
antisymmetrisierten Produktzustände auch durch so genannte Besetzungszahlen
ausdrücken. Die Vielteilchenzustände sind eindeutig dadurch festgelegt, daß man
die Häufigkeit angibt mit der jede Quantenzahl vorkommt. Für Fermionen kann
dies Häufigkeit nur 1 oder 0 sein. Bringen wir die möglichen k in eine beliebige, aber feste Reihenfolge, und bezeichnen mit nr die Häufigkeit, mit der die
2
Wir gehen hier davon aus, daß die Quantenzahlen diskret sind. Wir werden weiter unten
auch den Fall kontinuierlicher Quantenzahlen betrachten.
40
KAPITEL 3. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
r-te Quantenzahl gemäß dieser Reihen vorkommt, so können wir total antisymmetrische Zustände in der Form |{nr }i = |n0 , n1 , . . . , nm , . . .i angeben. Für die
Vollständigkeitsrelation ergibt sich in diesen
X
|{nr }i h{nr }| = 1a ,
(3.12)
{nr };
P
r
nr =N
wobei das Symbol
X
{nr };
P
r
nr =N
für
X
X
...
n0 =0,1 n1 =0,1
unter der Nebenbedingung
3.1.2
P
r
X
...
nm =0,1
nr = N steht.
Bosonen
Für Bosonen erhält man aus dem Produktzustand Gl. (3.2) einen total symmetrischen Zustand aus Hs durch Anwenden von S
|k1 , k2 , . . . , kN is = Cs S |k1 , k2 , . . . , kN i ,
(3.13)
da Pi,j S = S. Dabei tritt bei Bosonen keine Beschränkung der Besetzungszahlen
auf. Der Normierungsfaktor ergibt sich zu
√
Cs =
N!
∞
Y
!−1/2
nr !
,
r=0
mit 0! = 1, wobei nr wieder die Häufigkeit des Auftretens der r-ten Quantenzahl
bezüglich einer festen Ordnung bezeichnet. Der Unterschied zum Resultat für
Fermionen kommt dadurch zustande, daß Einteilchenzustände im Fall der Bosonen mehrfach besetzt sein dürfen. In den Besetzungszahlen nr ergibt sich die
Vollständigkeitsrelation auf Hs zu
X
|{nr }i h{nr }| = 1s ,
(3.14)
{nr };
P
r
nr =N
wobei die Summen für die einzelnen nr jetzt von 0 bis N laufen.
Der Grundzustand eines Systems von N wechselwirkungsfreien Bosonen ergibt
sich indem man den niedrigsten Einteilchenzustand N -fach besetzt (hat bereits
die korrekte Symmetrie). Für Fermionen besetzt man dagegen die N niedrigsten
3.1. SYMMETRIEN
41
Niveaus mit je einem Teilchen und antisymmetrisiert (bildet die Slaterdeterminante). Das höchste besetzte Niveau bezeichnet man als das Ferminiveau, die
zugehörige Einteilchenenergie als die Fermienergie. Es ist wichtig festzustellen,
daß die Antisymmetrisierung (Symmetrisierung) nur dann physikalische Konsequenzen (z.B. in quantenmechanischen Erwartungswerten) hat, wenn die Wellenfunktionen der betrachteten Teilchen räumlich überlappen. Sind also Teilchen
hinreichend (hängt vom Problem ab!) weit voneinander entfernt, so kann man auf
die Antisymmetrisierung (Symmetrisierung) verzichten. Die Symmetrieforderung
führt dazu, daß die Frage, welches Teilchen sich in welchem Einteilchenzustand
innerhalb des Vielteilchenzustandes befindet nicht sinnvoll ist! Nur auf die Frage, ob sich ein Teilchen in einem bestimmten Einteilchenzustand befindet (für
Fermionen) bzw. wieviele Teilchen sich in diesem befinden (für Bosonen) gibt es
einen Antwort.
3.1.3
Streuung identischer Teilchen
Wir wollen hier unsere Überlegungen aus dem Kapitel zur Streutheorie durch
die Symmetrieeffekte bei der Streuung zweier identischer Teilchen ergänzen. Neben den Konsequenzen der Symmetrisierung bzw. Antisymmetrisierung die sie
schon in der Theorie III Vorlesung kennengelernt haben (Symmetrie von Spinund Bahnanteilen der Wellenfunktion, Spin-Sigulett- und Spin-Triplettzustände,
Coulomb- und Austauschintegrale) liefert dies eine weitere Illustration der Symmetrie.
Wir betrachten die Streuung zweier ununterscheidbarer Teilchen und separie~ = ~r1 + ~r2 und Relativkoordinaten ~r = ~r1 − ~r2 . Damit
ren in Schwerpunkt- R
~
ist R symmetrisch in ~r1 und ~r2 und ~r antisymmetrisch bei Vertauschung. Die
Gesamtwellenfunktion teilen wir in Spin- und Bahnanteile
~ ~
Ψσ1 ,σ2 (~r1 , ~r2 ) = eiP ·R/~ ψ(~r)χσ1 ,σ2 ,
mit dem Gesamtimpuls P~ , auf. Für unterscheidbare Teilchen hat die Streulösung
die asymptotische Form
~
ψ(~r) ∼ eik·~r + fk (θ)
~r → ∞ :
eikr
.
r
Wir konzentrieren uns nun zunächst auf den Fall zweier Spin-0 Bosonen. In
diesem Fall ist χ = 1 und wegen der geforderten Symmetrie von Ψ muß ψ(~r) =
ψ(−~r). Wir müssen also die Streulösung symmetrisieren. Die Transformation ~r →
−~r übersetzt sich in Polarkoordinaten in θ → π − θ, r → r. Wir erhalten damit
als symmetrisierte Wellenfunktion
~r → ∞ :
h
i~k·~
r
ψ(~r) ∼ e
−i~k·~
r
+e
i
eikr
+ [fk (θ) + fk (π − θ)]
.
r
42
KAPITEL 3. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
Für den differentiellen Wirkungsquerschnitt (Absolutquadrat der Streuamplitude) folgt
dσ
= |fk (θ) + fk (π − θ)|2
dΩ
= |fk (θ)|2 + |fk (π − θ)|2 + 2Re [fk∗ (θ)fk (π − θ)] .
Siehe dazu auch die folgende Skizze.
Die ersten beiden Summanden bilden die klassischen Terme, während der Interferenzterm rein quantenmechanischer Natur ist und aus der Teilchenstatistik folgt.
Im Fall θ = π/2 verdoppelt sich aufgrund des Intereferenzterms für Bosonen der
Wikungsquerschnitt gegenüber dem klassischen Resultat. Für ein zentralsymmetrisches Potential V (r) gehen wir in die Partialwellendarstellung über
∞
X
fk (θ) =
(2l + 1)fl (k)Pl (cos θ)
l=0
und erhalten wegen Pl (cos θ) = (−1)l Pl (cos[π − θ])
X
fk (θ) + fk (π − θ) = 2
(2l + 1)fl (k)Pl (cos θ).
l gerade
Es tragen also nur gerade Drehimpulse l bei.
Für Spin-1/2 Fermionen sind bei der Streuung zwei Fälle möglich.
√ Der Spinanteil der Wellenfunktion kann ein Singulett-Zustand (|↑↓i − |↓↑i) / 2 sein und
ist antisymmetrisch. Entsprechend ist der Bahnteil symmetrisch und wir finden eine Situation analog zum Spin-0 Boson. Ist der Spinanteil
dagegen einer
√
der Spintripplett-Zustände |↑↑i, |↓↓i oder (|↑↓i + |↓↑i) / 2 muß die Bahnwellenfunktion antisymmetrisch sein. Die Streuamplitude muß also gemäß fk (θ) →
3.1. SYMMETRIEN
43
fk (θ) − fk (π − θ) ersetzt werden. In einer Zerlegung nach Partialwellen (Zentralpotential!) tragen nur ungerade l bei. Der Wirkungsquenschnitt ist
dσ = |fk (θ) − fk (π − θ)|2
dΩ t
= |fk (θ)|2 + |fk (π − θ)|2 − 2Re [fk∗ (θ)fk (π − θ)]
und verschwindet bei θ = π/2. Im Fall eines statistischen Ensembles für einen
unpolarisierten Strahl ergibt sich das gewichtete Mittel
3 dσ dσ
1 dσ +
=
dΩ
4 dΩ s 4 dΩ t
= |fk (θ)|2 + |fk (π − θ)|2 − Re [fk∗ (θ)fk (π − θ)] .
In kalten Atomgasen spielt der Unterschied der Streuung von Bosonen und
Fermionen eine zentrale Rolle. Kalte Bosonengase streuen primär im s-Wellenkanal
und haben eine starke Wechselwirkung. Bei polarisierten Fermionen treten dagegen nur ungerade Drehimpulskomponenten auf. Die führende Streuung ist daher
p-Wellenstreuung, die sehr viel schwächer ist.
In dem oberen Kurvensatz der folgenden Abbildung sind experimentelle Daten
zur Winkelabhängigkeit der Streuung von C12 Atomen an Kohlenstoff (ununterscheidbar!) im Vergleich zu zwei Rechnungen gezeigt. Die Energie der einfallenden
Teilchen hat den angegebenen Wert. Es ergibt sich eine Übereinstimmung mit der
Rechnung (“Mott scattering”), die die Ununterscheidbarkeit der Teilchen berücksichtigt. Die klar sichtbaren Oszillationen folgen aus der Ununterscheidbarkeit.
Bei höheren Einfallenergien (untere beiden Kurbensätze) wird die innere Struktur der Kohlenstoffatome “sichtbar” und die obigen Überlegungen sind so nicht
mehr anwendbar.
44
3.2
KAPITEL 3. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
Zweite Quantisierung
Wir wollen nun eine aus der quantenmechanischen Vielteilchentheorie nicht mehr
wegzudenkende Methode vorstellen das “Symmetriepostulat” elegant in die For-
3.2. ZWEITE QUANTISIERUNG
45
mulierungen einzubauen — die zweite Quantisierung.3 Dabei beginnen wir mit
einer ausführlichen Darstellung für den Fall der Fermionen und werden die relevanten Ergebnisse für die Bosonen ohne detaillierte Herleitung weiter unten
angeben.
3.2.1
Der Fockraum
Für eine fest vorgegebene Zahl von Fermionen N findet die physikalische Be(N )
schreibung im Raum Ha statt. Wir führen nun einen neuen Hilbertraum — den
(N )
Fockraum F — ein, der sich als direkte Summe aller Ha , mit N = 0, 1, 2, . . .
ergibt
F = H(0) ⊕ H(1) ⊕ Ha(2) ⊕ Ha(3) ⊕ . . . ⊕ Ha(N ) ⊕ . . . .
(3.15)
Der Raum H(0) besteht dabei aus einem Zustand |vaci = |0i, den man als den Vakuumzustand bezeichnet. Der Fockraum enthält die antisymmetrischen Zustände
mit beliebiger Teilchenzahl. Das Skalarprodukt in F ergibt sich auf natürliche
Weise aus den Skalarprodukten auf den Unterräumen zu fester Teilchenzahl, wenn
wir zusätzlich
0=
a
0
k1 , k2 , . . . , kN1 | k10 , k20 , . . . , kN
2
a
(3.16)
für N1 6= N2 definieren. Bilden die |ki ein vollständiges Orthonormalsystem auf
H(1) , so ergibt sich für jedes |φi ∈ F die Zerlegung
|φi = |0i h0| φi +
Z
X
+
Z
X
k1
|k1 i hk1 | φi +
Z
X
|k1 , k2 ia a hk1 , k2 | φi + . . .
k1 <k2
|k1 , k2 , . . . , kN ia a hk1 , k2 , . . . , kN | φi + . . . .
(3.17)
k1 <k2 <...<kN
Dabei haben wir unsere Notation auf den Fall verallgemeinert, daß die mit k
bezeichneten Quantenzahlen sowohl diskret, wie auch kontinuierlich sein können
(siehe die Theorie III Vorlesung). Da k im allgemeinen für mehrere Quantenzahlen
steht (also keine reelle Zahl ist), müssen wir genauer spezifizieren, was wir mit
k1 < k2 meinen. Dazu legen wir wieder eine (beliebige) feste Reihenfolge der
Einteilchenquantenzahlen k fest. k1 < k2 heißt dann, daß k1 in dieser Reihenfolge
links von k2 steht.
3
Der Name hat historische Gründe, auf die wir hier nicht weiter eingehen werden.
46
KAPITEL 3. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
3.2.2
Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren
Wir definieren in einem nächsten Schritt Operatoren c†k die vom Raum Ha
(N +1)
Raum Ha
führen
(N )
zum
|ki = c†k |0i
|k, k1 ia = c†k |k1 i
|k, k1 , k2 ia
...
...
|k, k1 , k2 , . . . , kN ia
...
=
=
=
=
=
c†k |k1 , k2 ia
...
...
c†k |k1 , k2 , . . . , kN ia
...
(3.18)
und angewandt auf einen total antisymmetrischen Zustand einen ebensolchen ergeben. Der Erzeugungsoperator c†k erzeugt somit einen antisymmetrischen N + 1Teilchenzustand der durch die einfach besetzten Einteilchenzustände mit Quantenzahlen k1 , k2 , . . . , kN und den besetzten Einteilchenzustand mit k charakterisiert ist. Die Existenz von c†k werden wir konstruktiv beweisen:
c†k = c†k 1F
Z
Z
X
X
†
= ck |0i h0| +
|k1 i hk1 | +
|k1 , k2 ia a hk1 , k2 | + . . .
k1
k1 <k2
Z
X
|k1 , k2 , . . . , kN ia a hk1 , k2 , . . . , kN | + . . .
+
k1 <k2 <...<kN
Z
Z
X
X
= |ki h0| +
|k, k1 i hk1 | +
|k, k1 , k2 ia a hk1 , k2 | + . . .
k1
k1 <k2
Z
X
+
|k, k1 , k2 , . . . , kN ia a hk1 , k2 , . . . , kN | + . . . .
k1 <k2 <...<kN
Aus der Antisymmetrie der Zustände folgt
c†k0 c†k |k1 , k2 , . . . , kN ia = |k 0 , k, k1 , k2 , . . . , kN ia
= − |k, k 0 , k1 , k2 , . . . , kN ia
= −c†k c†k0 |k1 , k2 , . . . , kN ia
und damit, da |k1 , k2 , . . . , kN ia beliebig ist,
n
o
c†k , c†k0 = c†k c†k0 + c†k0 c†k = 0 ,
(3.19)
d.h. der Antikommutator {. . . , . . .} zweier “Erzeuger” verschwindet. Speziell gilt
2
c†k = 0, was das Pauliprinzip zum Ausdruck bringt.
3.2. ZWEITE QUANTISIERUNG
47
Aus der expliziten Konstruktion von c†k sieht man, daß der zu c†k adjungierte
†
(N )
(N −1)
führt. Also “vernichtet” ck ein
Operator ck = c†k , von Ha nach Ha
Teilchen und heißt Vernichtungsoperator. Wir wollen nun berechnen, wie ck auf
einen Zustand |k1 , k2 , . . . , kN ia wirkt. Dazu nehmen wir o.B.d.A. an, daß k1 <
k2 < . . . < kN gemäß der oben beschriebenen Ordnung gilt:
Z
∞ X
X
ck |k1 , k2 , . . . , kN ia =
0
k10 <k20 <...<kN
0
0
|k10 , k20 , . . . , kN
0 ia
N 0 =0
0
×a hk10 , k20 , . . . , kN
0 | ck
=
Z
X
D
a
a
0
k10 <k20 <...<kN
−1
=
Z
X
a
0
k10 <k20 <...<kN
−1
|k1 , k2 , . . . , kN ia
E∗ 0
0
0
0
k1 , k2 , . . . , kN c†k k10 , k20 , . . . , kN
k
,
k
,
.
.
.
,
k
−1
1 2
N −1 a
0
k1 , k2 , . . . , kN | k, k10 , k20 , . . . , kN
−1
∗ 0 0
0
k1 , k2 , . . . , kN
.
−1
a
a
Damit das auftretende Skalarprodukt nicht verschwindet müssen im rechten und
linken Zustand dieselben Einteilchenzustände vorkommen. Deshalb muß k mit
einem der ki übereinstimmen und die kj0 mit den anderen ki . Da sowohl die ki0 wie
auch die ki der “Größe” nach sortiert sind stellt sich nur noch das Problem, wo
sich k relativ zu den ki einordnet. Gilt k < k10 , so müssen wir keine Vertauschung
vornehmen um k an die “richtige Stelle” zu bringen. Gilt k10 < k < k20 , so müssen
wir eine Vertauschung vornehmen, was ein Minuszeichen produziert. Gilt k20 <
k < k30 , so ergeben sich zwei Minuszeichen. Diese Systematik läßt sich beliebig
fortführen. Wir erhalten somit
ck |k1 , k2 , . . . , kN ia = δ(k, k1 ) |k2 , . . . , kN ia − δ(k, k2 ) |k1 , k3 , . . . , kN ia
+δ(k, k3 ) |k1 , k2 , k4 . . . , kN ia ∓ . . . .
(3.20)
Dabei bezeichnet δ(k, ki ) je nach der in k auftretenden Quantenzahl ein Kroneckerδ oder eine δ-Funktion. Mit Hilfe dieser Relation können wir den Antikommutator
zwischen ck und c†k0 berechnen. Dazu betrachten wir
ck c†k0 |k1 , k2 , . . . , kN ia = ck |k 0 , k1 , k2 , . . . , kN ia
= δ(k, k 0 ) |k1 , k2 , . . . , kN ia − δ(k, k1 ) |k 0 , k2 , . . . , kN ia
+δ(k, k2 ) |k 0 , k1 , k3 , . . . , kN ia ∓ . . .
und
c†k0 ck |k1 , k2 , . . . , kN ia = c†k0 [δ(k, k1 ) |k2 , . . . , kN ia − δ(k, k2 ) |k1 , k3 , . . . , kN ia
+δ(k, k3 ) |k1 , k2 , k4 . . . , kN ia ∓ . . .]
= δ(k, k1 ) |k 0 , k2 , . . . , kN ia − δ(k, k2 ) |k 0 , k1 , k3 , . . . , kN ia
+δ(k, k3 ) |k 0 , k1 , k2 , k4 . . . , kN ia ∓ . . . .
48
KAPITEL 3. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
Summieren dieser beiden Gleichungen liefert
ck c†k0 + c†k0 ck |k1 , k2 , . . . , kN ia = δ(k, k 0 ) |k1 , k2 , . . . , kN ia
und damit die Antivertauschungsrelation
n
o
†
ck , ck0 = ck c†k0 + c†k0 ck = δ(k, k 0 )
(3.21)
Zusammen mit Gl. (3.19) und der sich aus dieser Gleichung ergebenden Beziehung
{ck , ck0 } = 0 sind somit alle Antikommutatorrelationen der Erzeugungs- und
Vernichtungsoperatoren bestimmt.
Die Basiszustände |k1 , k2 , . . . , kN ia lassen sich durch wiederholtes Anwenden
der Erzeugungsoperatoren aus dem Vakuumzustand generieren
!
N
Y
(3.22)
|k1 , k2 , . . . , kN ia = c†k1 c†k2 . . . c†kN |0i =
c†ki |0i .
i=1
Auf der rechten Seite dieser Gleichung wird die Frage beantwortet ob ein Zustand
besetzt ist. Die für ununterscheidbare Teilchen unphysikalische Frage welches
Elektron in einem spezifischen Zustand ist tritt jedoch nicht auf.
3.2.3
Basiswechsel
Die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren haben wir bezüglich einer festen
Basis {|ki} des Einteilchenproblems definiert. Wir hätten natürlich auch von
jeder anderen Basis {|ϕi} mit
Z
Z
X
X
ak,ϕ |ki
(3.23)
|ki hk | ϕi =
|ϕi =
k
k
(†)
starten können. Um zu zeigen, wie man von den ck zu den zu {|ϕi} gehörigen
(†)
cϕ übergeht, betrachten wir zunächst einen speziellen Fall, nämlich
Z
Z
X
X
†
|ki hk | ϕi =
hk | ϕi c†k |0i .
cϕ |0i = |ϕi =
k
k
Es ist daher plausibel anzunehmen, daß
Z
Z
X
X
†
†
cϕ =
hk | ϕi ck , cϕ =
hϕ | ki ck .
k
(3.24)
k
Um diese Relationen zu beweisen, betrachten wir das Matrixelement
Z
X
hϕ | ki ck k1 , k2 , . . . , kN
a ϕ1 , ϕ2 , . . . , ϕN −1 cϕ −
k
= a hϕ, ϕ1 , ϕ2 , . . . , ϕN −1 | k1 , k2 , . . . , kN ia
− [hϕ | k1 i a hϕ1 , ϕ2 , . . . , ϕN −1 | k2 , k3 , . . . , kN ia
− hϕ | k2 i a hϕ1 , ϕ2 , . . . , ϕN −1 | k1 , k3 , . . . , kN ia
± . . .] .
a
3.2. ZWEITE QUANTISIERUNG
49
Das Skalarprodukt a hϕ, ϕ1 , ϕ2 , . . . , ϕN −1 | k1 , k2 , . . . , kN ia kann durch eine Determinante ausgedrückt werden (siehe Gl. (3.10)). Entwickelt man diese nach der
ersten Zeile, so ergibt sich exakt der Ausdruck in [. . .], so daß das Matrixelement
verschwindet. Damit sind die Relationen Gl. (3.24) bewiesen.
Sehr oft treten die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren bezüglich der
Einteilchenbasis aus Orts- und Spineigenzuständen {|~r, σi} auf. Diese bezeichnet
man für den Fall von Kontinuumsmodellen (wir werden später auch Modelle betrachten, die so vereinfacht sind, daß die Fermionen auf diskreten “Gitterplätzen”
(†)
lokalisiert sind) auch als Feldoperatoren und schreibt ψσ (~r). Für sie gelten die
Antivertauschungsrelationen4
n
o
ψ̂σ (~r), ψ̂σ† 0 (~r 0 ) = δσ,σ0 δ(~r − ~r 0 )
n
o
0
ψ̂σ (~r), ψ̂σ0 (~r ) = 0
n
o
ψ̂σ† (~r), ψ̂σ† 0 (~r 0 ) = 0 .
(3.25)
3.2.4
Observable in zweiter Quantisierung
Wir wollen nun Observable des Systems von N identischen Fermionen (definiert
(N )
auf Ha ) auf den Fockraum erweitern und durch die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren ausdrücken. Dazu ist es wichtig festzustellen, daß jede solche
(N )
Observable O (definiert auf Ha ) aufgrund der Ununterscheidbarkeit der Teilchen symmetrisch unter Vertauschung eines beliebigen Paares von Teilchennummern ist. Damit folgt [O, A] = 0. Somit ergibt sich für jeden beliebigen Zustand
(N )
|φi aus Ha
Z
1 X
O |k1 , k2 , . . . , kN ia a hk1 , k2 , . . . , kN | φi
O |φi =
N ! k1 ,k2 ,...,kN
√
Z
N! X
=
OA |k1 , k2 , . . . , kN i a hk1 , k2 , . . . , kN | φi
N!
k1 ,k2 ,...,kN
Z
1 X
= √
AO |k1 , k2 , . . . , kN i a hk1 , k2 , . . . , kN | φi ,(3.26)
N ! k1 ,k2 ,...,kN
so daß es reicht die Wirkung von O auf den Produktzustand |k1 , k2 , . . . , kN i zu
kennen.
Beginnen
wir die Diskussion mit dem Fall, daß O ein Einteilchenoperator
P
O = i o(i) ist, wobei o(i) nur auf die “Koordinaten” des i-ten Teilchens wirkt.
Es gilt dann
Z
X
o(i) |ki(i) =
|k 0 i(i) hk 0 | o |ki ,
k0
4
Um die Feldoperatoren von den Wellenfunktionen zu unterscheiden versehen wir sie manchmal mit einem Hut.
50
KAPITEL 3. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
mit o = o(1). Letzteres gilt, da alle o(i) identische Form haben. Zusätzlich haben
wir im Matrixelement hk 0 | o |ki an den Zuständen den Teilchenindes i weggelassen, da er keine Rolle mehr spielt. Wenden wir das gerade gelernte auf den
Produktzustand an, so ergibt sich
O |k1 , k2 , . . . , kN i =
=
N
X
o(i) |k1 , k2 , . . . , kN i
i=1
Z
N X
X
i=1
hk| o |ki i |k1 , k2 , . . . , ki−1 , k, ki+1 , . . . kN i .
k
Eingesetzt in Gl. (3.26) folgt
Z
1 X
AO |k1 , k2 , . . . , kN i a hk1 , k2 , . . . , kN | φi
O |φi = √
N ! k1 ,k2 ,...,kN
Z
Z
N X
X
1 X
hk| o |ki i A |k1 , . . . , ki−1 , k, ki+1 , . . . kN i a hk1 , . . . , kN | φi
=√
N ! k1 ,...,kN i=1 k
Z
Z
N X
X
1 X
=
hk| o |ki i |k1 , . . . , ki−1 , k, ki+1 , . . . kN ia a hk1 , . . . , kN | φi
N ! k1 ,...,kN i=1 k
Z
Z
N
X
1 XX
1
=
hk| o |ki i
(−1)i c†k |k1 , . . . , ki−1 , ki+1 , . . . kN ia
N i=1 k,ki
(N − 1)! k1 ,...,ki−1 ,ki+1 ,...,kN
× a hk1 , . . . , ki−1 , ki+1 , . . . , kN | (−1)i cki |φi
(N −1)
woraus sich unter Ausnutzen der Vollständigkeitsrelation in Ha
i = 1, 2, . . . , N
Z
X
O |φi =
hk| o |k 0 i c†k ck0 |φi
für jedes feste
k,k0
also
O=
Z
X
k,k0
hk| o |k 0 i c†k ck0
für die Wirkung von O auf dem Fockraum F ergibt.
Betrachten wir dazu einige wichtige Beispiele:
a) Kinetische Energie (Kontinuum, periodische Randbedingungen):
(N )
Es gilt auf Ha
T =
N ˆ 2
X
p~i
i=1
2m
(3.27)
3.2. ZWEITE QUANTISIERUNG
51
und damit auf F
T =
X X p~ 2
c†p,σ cp,σ
2m
σ
p
da h~p 0 , σ 0 | p~ˆ |~p 00 , σ 00 i = δσ0 ,σ00 p~ 0 δp~ 0 ,~p 00 , wenn |~p, σi die Einteilchenzustände
in der Impuls-Spin-Darstellung bezeichnet.
b) Teilchendichte:
Aus
ρ(~r) =
N
X
δ(~r − ~rˆi )
i=1
(N )
auf Ha
ergibt sich
ρ(~r) =
X
ψ̂σ† (~r)ψ̂σ (~r)
σ
auf F, da h~r 0 , σ 0 | δ(~r − ~rˆ) |~r 00 , σ 00 i = δσ0 ,σ00 δ(~r 0 − ~r00 )δ(~r − ~r 0 ) in der OrtsSpin-Darstellung.
P
c) Einteilchenanteil des Hamiltonian H0 = i h(i):
(N )
Für diesen gilt auf Ha
!
N
X
p~ˆi 2
H0 =
+ V (~rˆi ) .
2m
i=1
~ ~r 0 δ(~r 0 − ~r 00 ), so folgt auf
Nutzen wir aus, daß h~r 0 , σ 0 | p~ˆ |~r 00 , σ 00 i = −i~δσ0 ,σ00 ∇
F
XZ
~2 ~ 2
†
H0 =
d~r ψ̂σ (~r) −
∇ + V (~r) ψ̂σ (~r) .
2m
σ
Eleganter schreibt man H0 in der Basis {|ki} von Eigenzuständen zu h (die
k seien diskret) als
X †
X
H0 =
ε k ck ck =
εk n k ,
k
k
mit dem Besetzungszahloperator nk = c†k ck . Gemäß der Definition der
Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren gilt nk |k1 , . . . , kN ia = |k1 , . . . , kN ia
falls der Einteilchenzustand mit Quantenzahl k (einfach) besetzt ist und
nk |k1 , . . . , kN ia = 0 sonst, was den Namen des Operators rechtfertigt.
52
KAPITEL 3. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
Betrachten wir in einem nächsten Schritt Paarwechselwirkungen der Form
N
1X
V =
V (i, j)
2 i,j=1
i6=j
(N )
auf Ha . Ein wichtiges Beispiel im Fall von Teilchen mit Ladung Q ist die Coulombwechselwirkung
Vcoul
N
1X
Q2
.
=
2 i,j=1 ~rˆ − ~rˆ i
j
i6=j
In einer Übungsaufgabe werden sie zeigen, daß
1 X
V =
vk ,k ,k ,k c† c† ck ck
2 k ,k ,k ,k 1 2 3 4 k1 k2 4 3
1
2
3
4
mit vk1 ,k2 ,k3 ,k4 = hk1 , k2 | V (1, 2) |k3 , k4 i auf F gilt. In der Orts-Spin-Darstellung
ergibt sich
Z
Z
1
Q2 X
ψ̂ † (~r1 )ψ̂σ† 2 (~r2 )ψ̂σ2 (~r2 )ψ̂σ1 (~r1 ) .
d~r1
d~r2
Vcoul =
2 σ ,σ
|~r1 − ~r2 | σ1
1
2
Geschrieben in der Basis von Eigenzuständen {|ki} zu h (die k seien diskret)
ergibt sich H = H0 + V zu
X †
1 X
ε k ck ck +
H=
vk1 ,k2 ,k3 ,k4 c†k1 c†k2 ck4 ck3 .
2 k ,k ,k ,k
k
1
3.2.5
2
3
4
Und die Bosonen?
Nachdem wir den Fall der Fermionen ausführlich diskutiert haben, wollen wir
nun die wichtigsten Resultate der zweiten Quantisierung für Bosonen zusammenstellen, wobei wir speziell auf die Unterschiede zwischen der Konstruktion für
Fermionen und Bosonen eingehen werden. Analog zum Fockraum definieren wir
den Raum
B = H(0) ⊕ H(1) ⊕ Hs(2) ⊕ Hs(3) ⊕ . . . ⊕ Hs(N ) ⊕ . . . .
(N )
Das Skalarprodukt auf den Hs läßt sich wie für Fermionen auf B erweitern.
Verwenden wir Gl. (3.14), so ergibt sich für die Vollständigkeitsrelation auf B
(geschrieben in total symmetrischen Besetzungszahlzuständen)
∞ X
∞
X
n0 =1 n1 =1
...
∞
X
nm =1
. . . |n0 , n1 , . . . , nm , . . .i hn0 , n1 , . . . , nm , . . .| = 1 .
3.2. ZWEITE QUANTISIERUNG
53
P
Die Nebenbedingung
r nr = N aus Gl.
P (3.14) entfällt auf B. Die Zustände
|n0 , n1 , . . . , nj , . . .i mit Teilchenzahl N = r nr können gemäß
1/2
1
|n0 , n1 , . . . , nm , . . .i =
N ! n0 ! n1 ! . . . nm ! . . .
X
×
Pα | k0 , . . . , k0 , k1 , . . . , k1 , . . . , km , . . . , km , . . .i
| {z } | {z }
| {z }
α
n0 -mal
n1 -mal
nm -mal
geschrieben werden. Dabei bezeichnet k0 die erste “Quantenzahl”, k1 die zweite,
usw. in der von uns vorgegebenen Ordnung. Wegen des komplizierten Normierungsfaktors der Besetzungszahlzustände müssen solche Faktoren auch bei der
Definition von Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren berücksichtigt werden
— was sie bereits von den Auf- und Absteigeoperatoren des harmonischen Oszillators kennen. Im Gegensatz zu unser bisherigen Notation unterscheiden wir
im Folgenden nicht mehr zwischen der Quantenzahl k und der Position dieser
Quantenzahl bezüglich unserer festen Ordnung, d.h. wir identifizieren k mit der
Position (also von nun an k = 0, 1, 2, . . .). Wir betrachten einen Operator bk , der
die Besetzungszahl des k-ten Niveaus um eins erniedrigt
bk |n0 , n1 , . . . , nk , . . .i = c(nk ) |n0 , n1 , . . . , nk − 1, . . .i .
Wir wählen die Normierungskonstante c(nk ) so, daß der Operator n̂k = b†k bk bei
Anwenden auf |n0 , n1 , . . . , nk , . . .i die Besetzungszahl liefert, d.h.
n̂k |n0 , n1 , . . . , nk , . . .i = nk |n0 , n1 , . . . , nk , . . .i .
Damit ergibt sich
|c(nk )|2 = hn0 , n1 , . . . , nk , . . .| b†k bk |n0 , n1 , . . . , nk , . . .i = nk ,
√
also c(nk ) = nk . Ist das k-te Niveau in |n0 , n1 , . . . , nk , . . .i unbesetzt, gilt also nk = 0, so folgt automatisch bk |n0 , n1 , . . . , nk , . . .i = 0 (siehe harmonischer
Oszillator). Unter Ausnutzen der Vollständigkeitsrelation auf B zeigt man damit
leicht, daß für den zu bk adjungierten Operator
b†k |n0 , n1 , . . . , nk , . . .i =
√
nk + 1 |n0 , n1 , . . . , nk + 1, . . .i
gilt (siehe harmonischer Oszillator). Die total symmterischen Besetzungszahlzustände lassen sich gemäß
|n0 , n1 , . . . , nk , . . .i =
1
n0 ! n1 ! . . . nm ! . . .
1/2 Y
∞ nk
b†k
|0i
k=1
54
KAPITEL 3. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
aus dem Vakuumzustand erzeugen. Für die Kommutatorrelationen erhält man
wie im Fall des harmonischen Oszillators
h
i
bk , b†k0 = δ(k, k 0 )
[b , b 0 ] = 0
h k ki
b†k , b†k0 = 0 .
Für eine Basiswechsel der zugrundeliegenden Einteilchenbasis gelten dieselben
Regeln wie für Fermionen. Gleiches gilt für das Erweitern von Observablen auf B
und Ausdrücken durch b und b† .5
3.2.6
Zeitentwicklung der Leiteroperatoren
In diesem Abschnitt betrachten wir Fermionen und Bosonen gleichzeitig, da die
hier hergeleiteten Resultate zu den Leiteroperatoren im Heisenbergbild identische
Form haben. Um eine effiziente Notation zu haben schreiben wir für den Kommutator [. . . , . . .]− und für den Antikommutator [. . . , . . .]+ . Die Leiteroperatoren
bezeichnen wir in beiden Fällen mit a†i bzw. aj und es gilt
[ai , a†j ]± = δi,j
für Fermionen bzw. Bosonen.
Will man Leiteroperatoren im Heisenbergbild berechnen benötigt man den
(†)
Kommutator (für beide Fälle!) von ai mit H. Um diese zu berechnen verwenden
wir
[C, AB]− = CAB − ABC
= CAB ± ACB ∓ ACB − ABC
= [C, A]± B ∓ A[C, B]± .
Sei nun der Vielteilchenhamiltonoperator
X
1 X
H=
hi,j a†i aj +
vi,j,k,l a†i a†j al ak = H0 + V
2 i,j,k,l
i,j
gegeben. Dann gilt
[am , H0 ]− =
X
=
X
=
X
hi,j [am , a†i aj ]−
i,j
hi,j δm,i aj
i,j
hm,j aj
j
5
Bei der Herleitung muß man wieder Faktoren nk berücksichtigen, die sich am Ende aber
wegheben.
3.2. ZWEITE QUANTISIERUNG
55
und
1 X
vi,j,k,l [am , a†i a†j ]− al ak
2 i,j,k,l
1 X
†
†
=
vi,j,k,l δm,i aj ∓ δm,j ai al ak
2 i,j,k,l
1X
=
(vm,j,k,l ∓ vj,m,k,l ) a†j al ak .
2 j,k,l
[am , V ]− =
Verwendet man jetzt noch vi,j,k,l = ∓vj,i,k,l (Antisymmetrie [Fermionen] bzw.
Symmetrie [Bosonen] der Matrixelemente bei Vertauschen der vorderen oder hinteren beiden Indizes), so folgt
X
X
[am , H]− =
hm,j aj +
vm,j,k,l a†j al ak .
j
j,k,l
Im wechselwirkungsfreien Fall v = 0 ergibt sich
X
[am , H]− =
hm,j aj .
j
Nehmen wir nun an, daß wir die Einteilchenbasis gewählt haben, die h diagonalisiert, in der also
X †
H=
i ai ai ,
i
so gilt
[am , H]− = m am .
Damit lautet die Bewegungsgleichung für den Vernichter im Heisenbergbild, der
als6
aj (t) = eiHt/~ aj e−iHt/~
definiert ist,
i~
d
aj (t) = eiHt/~ [aj , H]− e−iHt/~ = j aj (t),
dt
aj (t = 0) = aj
mit der Lösung
aj (t) = e−ij t/~ aj .
6
Wir setzten wie allgeim üblich ~ = 1 und führen das ~ falls nötig später über Dimensionsbetrachtungen wieder ein.
56
KAPITEL 3. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
Ist v 6= 0, so erhält man für aj (t) die nichtlineare Operatorgleichung
i~
X
d
aj (t) = j aj (t) +
vj,i,k,l a†i (t)al (t)ak (t)
dt
i,k,l
die das zentrale Problem der quantenmechanischen Vielteilchentheorie illustriert
und uns folgend beschäftigen wird. Für Elektronen in einem äußeren Potential
V (~r) gilt speziell
d
i~ ψ̂σ (~r, t) =
dt
3.2.7
X Z ψ̂ † 0 (~r 0 , t)ψ̂σ0 (~r 0 , t)
1 ~2
2
σ
−
ψ̂σ (~r, t) d3 r.
∇ + V (~r) ψ̂σ (~r, t) + e
0|
2m
|~
r
−
~
r
σ0
Quantenstatistik mit Leiteroperatoren
Wie sie in der Theorie IV Vorlesung gelernt haben, ist der statistische Operator
ρ des kanonischen Ensembles durch
ρ=
1 −βH
e
,
Z
Z = Tre−βH
mit inverser Temperatur β = 1/(kB T ) gegeben.7 Die Spur Tr läuft dabei über eine
Basis von Vielteilchenzuständen mit fester Teilchenzahl N . Diese Einschränkung
wird im großkanonischen Ensemble mit der Dichtematrix
ρ=
1 −β(H−µN̂ )
e
,
Z
Z = Tre−β(H−µN̂ )
aufgehoben, wobei N̂ den Teilchenzahloperator bezeichnet und µ das chemische
Potential ist. Die Spur läuft jetzt über den ganzen Fockraum F bzw. den Raum
B.
Für Systeme wechselwirkungsfreier Fermionen und Bosonen lassen sich die
Erwartungswerte der Besetzungzahlen der Eigenzustände von h leicht berechnen.
Es gilt
X
X †
H0 − µN̂ =
(j − µ)a†j aj =
˜j aj aj
j
j
und damit
D
7
a†i aj
E
0
h
i
1
Tr a†i aj e−β(H−µN̂ )
Z0
h
i
1
=
Tr a†i e−β(H−µN̂ ) eβ(H−µN̂ ) aj e−β(H−µN̂ ) .
Z0
=
Wie üblich setzen wir die Boltzmannkonstante kB = 1. Wie ~ kann auch diese wenn nötig
durch Dimensionsbetrachtungen später wieder eingeführt werden.
3.2. ZWEITE QUANTISIERUNG
57
Mit Schritten die völlig analog zur Bestimmung von aj (t) im Heisenbergbild sind,
kann man zeigen, daß8
eβ(H−µN̂ ) aj e−β(H−µN̂ ) = e−β˜j aj .
Setzt man dieses Ergebnis ein, verwendet die zyklische Invarianz der Spur und
die Vertauschungsrelation, so folgt
D
E
h
i
1
a†i aj
= e−β˜j Tr aj a†i e−β(H−µN̂ )
Z0
0
h
i
1
= e−β˜j Tr δi,j ∓ a†i aj e−β(H−µN̂ )
Z0
D
E
= e−β˜j δi,j ∓ a†i aj
0
und damit das ihnen bekannte Ergebnis
E
D
a†i aj = δi,j hni i0 =
0
1
eβ(i −µ) ± 1
δi,j .
Das obere Vorzeichen gilt für Fermionen, das untere für Bosonen.
8
Hierbei ist it/~ mit β und H mit H − µN̂ zu identifizieren. Im ersten Fall spricht man auch
von der Imaginärzeit.
58
KAPITEL 3. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
Kapitel 4
Das Vielteilchenproblem für
Moleküle und Festkörper
Das Problem der quantenmechanischen Beschreibung von Molekülen und Festkörpern ist durch den Hamiltonoperator des Gesamtsystems gegeben, der aus den
kinetischen Energien aller Elektronen und Kerne1 sowie der Coulombwechselwirkung aller Teilchen
H = Te + Tk + Vee (x̂) + Vkk (X̂) + Vek (x̂, X̂).
Dabei beschreibt x̂ alle Ortsoperatoren der N Elektronen x̂ = (~xˆ1 , ~xˆ2 , . . . , ~xˆN )
~ˆ 1 , X
~ˆ 2 , . . . , X
~ˆ M ). Produktortszustände der
und X̂ analog die der M Kerne X̂ = (X
Elektronen und Kerne schreiben wir daher als |xi bzw. |Xi.
4.1
Die Born-Oppenheimer-Näherung
Im Rahmen der adiabatischen oder Born-Oppenheimer-Näherung nutzt man aus,
daß die Kerne sehr viel schwerer sind als die Elektronen und vernachlässigt in nullter Näherung die kinetische Energie der Kerne H = H∞ +Tk . Die so als unendlich
schwer angenommenen Kerne sind daher an bestimmten Orten festgehalten. In
der Betrachtung von H∞ sind die Kernkoordinaten X daher von außen gegebene
Parameter und die Eigenzustände haben die Form
|ψn (X)i = |Xi ⊗ |φn (X)i
mit dem elektronischen Zustand |φn (X)i, der natürlich von den festen Kernpositionen abhängt.2 Die Idee hinter der Näherung kann alternativ wie folgt beschrieben werden. Auf der Zeitskala, auf der die Kerne eine Dynamik zeigen sind die
1
Diese können bei den uns interessierenden Energien als ein Teilchen angesehen werden. Das
zusätzliche Problem der Protonen und Neutronen muss also nicht diskutiert werden.
2
Ihnen sollte klar sein, daß die Diracschreibweise |ψn (X)i nur sinnvoll ist, da X =
~
~ 2, . . . , X
~ M ) Parameter (!!) sind.
(X1 , X
59
60
KAPITEL 4. DAS VIELTEILCHENPROBLEM
Elektronen extrem schnell und reagieren nahezu instantan auf die neuen Kernpositionen.
Die zeitunabhängige Schrödingergleichung zur Bestimmung der |φn (X)i ist
durch
H∞ |ψn (X)i =
h
i
Te + Vee (x̂) + Vkk (X̂) + Vek (x̂, X̂) |Xi ⊗ |φn (X)i
= [Te + Vee (x̂) + Vkk (X) + Vek (x̂, X)] |Xi ⊗ |φn (X)i
= En (X) |ψn (X)i .
Damit ist |ψn (X)i Eigenzustand zu H∞ wenn
[Te + Vee (x̂) + Vkk (X) + Vek (x̂, X)] |φn (X)i = En (X) |φn (X)i .
gilt. Dies ist eine Schrödingergleichung nur für die Elektronen. Schreiben wir H∞
explizit so ergibt sich
H∞ (X) = Te −
N X
M
X
i=1 j=1
1 X Zj Zj 0 e2
1X
e2
Z e2
j
+
,
+
ˆ
~ j 2 i6=i0 ~xˆi − ~xˆi0 2 i6=i0 X
~j − X
~ j 0 ~xi − X
wobei der letzte Term proportional zum Einsoperator der Elektronen ist und bei
der Bestimmung der |φn (X)i weggelassen werden kann (wenn Energien betrachtet
werden muß er natürlich wieder hinzugenommen werden). Die Kerne liefern somit
in dieser Näherung ein statisches äußeres Potential für die Elektronen. Die ersten
beiden Summanden sind Einteilchenoperatoren (der Elektronen) der dritte ist
eine Zweiteilchenwechselwirkung. Betrachtet man die Eigenenergien En (X) als
Funktion der X, d.h. variiert man die Kernpositionen, so bezeichnet man sie
als adiabatische Potential(hyper)fläche. Die Gleichgewichtslage der Kerne erhält
man in der adiabatischen Näherung durch die Bestimmung des Minimums von
E0 (X).
Zur Lösung des vollen Problems mit H = H∞ + Tk entwickelt man jetzt nach
Born und Huang die exakten Eigenzustände |ψE i in der Ortsdarstellung nach den
|φn (X)i
hX |ψE i =
X
ϕn,E (X) |φn (X)i .
n
Da hX| nur auf den Kernteil des Hilbertraums wirkt, ergibt sich ein Zustand im
Elektronenteil des Hilbertraums (aus dem ja auch die |φn (X)i sind). Setzt man
diesen Ansatz in die stationäre Schrödingergleichung in Kernortsdarstellung ein,
4.1. DIE BORN-OPPENHEIMER-NÄHERUNG
61
so ergibt sich
⇒
⇒
⇒
⇒
hX| H∞ + Tk |ψE i = E hX| ψE i
" M
#
X ~2 ∂ 2
−
+ H∞ (X) hX| ψE i = E hX| ψE i
~2
2M
j
∂
X
j
j=1
#
" M
X
X ~2 ∂ 2
+ H∞ (X)
ϕn,E (X) |φn (X)i = E hX| ψE i
(4.1)
−
~2
2Mj ∂ X
j
n
j=1
" M
#
X
X ~2
∂2
−
hφm (X)|
ϕ (X) |φn (X)i + [Em (X) − E] ϕm,E (X) = 0
~ 2 n,E
2M
j
∂
X
j
n
j=1
" M
#
X ~2 ∂ 2
X
−
Cm,n (X)ϕn,E (X)
(4.2)
+ Em (X) − E ϕm,E (X) =
~2
2Mj ∂ X
j=1
j
n
mit
"
#
M
E ∂
D
E
X
~2 D
~j ·
~2 ,
φm (X) ∂φn (X)/∂ X
Cm,n (X) =
+ φm (X) ∂ 2 φn (X)/∂ X
j
~j
2M
j
∂
X
j=1
wobei wir die Produktregel verwendet haben. Betrachtet man nun die Cn,m als
kleine Störung (Faktor 1/Mj ) so wird klar, daß die Entwicklungskoeffizienten
(Kernwellenfunktionen) durch die adiabatischen Potentialflächen En (X) bestimmt
sind. Entwickelt man dann z.B. E0 (X) bis zu zweiter Ordnung um die Gleichgewichtslage mit minimalem E0 (X) und setzt die Cn,m , gleich Null (nullte Ordnung
der adiabatischen Näherung), so ergibt sich für m = 0 aus Gl. (4.2) die Schrödingergleichung des harmonischen Oszillators. Die ϕ0,E (X) sind daher
P Oszillatorwellenfunktionen und die Energien sind durch E = E0 (Xmin ) + ν (nν + 1/2)~ων
gegeben. Aus Zeitgründen werden wir diese Überlegungen nicht vertiefen.
Wir halten fest, daß wir in nullter adiabatischer Näherung (Cn,m = 0) zwei
getrennte Vielteilchenprobleme zu lösen haben. Das der Elektronen mit festen
Kernpositionen
H∞ (X) |φn (X)i = En (X) |φn (X)i
und das der Kerndynamik (Gitter- oder Molekülschwingungen)
h
i
Tk + En (X̂) |ϕn,ν i = En,ν |ϕn,ν i .
Die Kopplungsterme Cn,m führen zur Elektron-Phonon-Kopplung, die z.B. entscheident für das auftreten konventioneller Supraleitung (BCS-Supraleitung) ist.
Selbst die beiden Probleme in nullter Ordnung können im Allgemeinen nicht exakt gelöst werden. Beim Problem der Kerndynamik geht man praktisch immer so
62
KAPITEL 4. DAS VIELTEILCHENPROBLEM
vor, daß man zunächst die harmonische Näherung vornimmt und dann anharmonische Effekte im Rahmen von Störungstheorie behandelt. Beim elektronischen
Problem, welches wir im folgenden weiter untersuchen werden, verwendet man
häufig Variationsmethoden oder Vielteilchenstörungstheorie. Im nächsten Kapitel
werden wir erstere betrachten.
4.2
Variationsverfahren für das Vielelektronenproblem
Viele Phänomene der Festkörperphysik und Quantenchemie (Moleküle) lassen
sich im Rahmen eines Einteilchenbildes hinreichend genau beschreiben. Man geht
dabei wie folgt vor. Man löst das Problem eines Elektrons in einem effektiven statischen Potential, welches sich durch die Kernpotentiale und die effektive Wirkung
der anderen Elektronen ergibt. Dabei ist noch zu klären, wie sich solch ein effektives Potential konsistent konstruieren läßt. Nehmen wir aber zunächst an, daß wir
dieses Potential kennen würden. Der Vielelektronenzustand wird dann so gebildet,
daß die sich ergebenden Einteilchenzustände gemäß des Pauliprinzips aufgefüllt
werden (siehe der Fall verschwindender Coulombwechselwirkung). Ein traditionelles Verfahren, die Einteilchenzustände und zeitgleich das effektive Potential
zu bestimmen ist das selbstkonsistente Hartree- oder Hartree-Fock-Verfahren,
welches wir weiter unten diskutieren werden. Ein besserer Zugang ist jedoch
durch die Dichtefunktionaltheorie (DFT) gegeben, die sehr erfolgreich bei der
Bestimmung von Grundzustandseigenschaften von Molekülen und Festkörpern
eingesetzt wird. Walter Kohn hat 1998 für die Entwicklung dieser den Nobelpreis für Chemie erhalten. In der parktischen Anwendung wird dabei häufig die
sogenannte lokale Dichte-Näherung (LDA) gemacht, die auf der Grundidee der
Thomas-Fermi-Näherung beruht. Die DFT ist Gegenstand einer eigenständigen
Vorlesung, so daß wir sie hier nicht weiter diskutieren werden.
4.2.1
Das Hartree-Fock-Verfahren
In der Hartree-Fock-Näherung wird der Grundzustand (!!) des elektronischen Hamiltonoperators der Form
H=
N
X
i=1
h(i) +
1X
V (i, j)
2 i6=j
durch eine (!!) Slaterdeterminante genähert und die im Grundzustand besetzten
Einteilchenzustände |ϕ1 i , |ϕ2 i , . . . , |ϕN i werden so bestimmt (variiert), daß man
den kleinst möglichen Energieerwartungswert unter der Bedingung hϕi |ϕj i = δi,j
4.2. VARIATIONSVERFAHREN
63
erhält. Die Slaterdeterminante ist durch

|ϕ1 i(1) |ϕ1 i(2)
E
 |ϕ2 i(1) |ϕ2 i(2)
1
(HF)
=√
det 
φ0
 ...
...
N!
|ϕN i(1) |ϕN i(2)

. . . |ϕ1 i(N )
. . . |ϕ2 i(N ) 

...
... 
. . . |ϕN i(N )
gegeben. Der zu minimierende Erwartungswert von H ergibt sich zu
D
E
(HF)
(HF) E0HF = φ0 H φ0
=
N
X
i=1
N
1X
(hϕi , ϕj | V |ϕi , ϕj i − hϕi , ϕj | V |ϕj , ϕi i) .(4.3)
hϕi | h |ϕi i +
2 i,j=1
Dabei haben wir das Ergebnis einer Übungsaufgabe genutzt. Sei V nun die Coulombwechselwirkung. In diesem Fall liefert der erste Term der Doppelsumme
Z Z
N
1X
ρHF (~r)ρHF (~r 0 ) 3 3 0
e2
d rd r ,
hϕi , ϕj | V |ϕi , ϕj i =
2 i,j=1
2
|~r − ~r 0 |
wobei
ρHF (~r) =
N
X
|ϕi (~r)|2
i=1
die Dichte der Hartree-Fock Lösung ist. Dieser Term liefert also die klassische
elektrostatische Energie der Ladungsverteilung. Der unphysikalische Term der
Selbstwechselwirkung jedes Elektrons wird eine entsprechenden Term in der zweiten Doppelsumme kompensiert. Diese bezeichnet man als den Austauschterm. Er
hat die Form
Z Z X
N
N
ϕ∗i (~r)ϕi (~r 0 )ϕ∗j (~r 0 )ϕj (~r) 3 3 0
e2
1X
hϕi , ϕj | V |ϕj , ϕi i = −
δσi ,σj
d rd r
−
2 i,j=1
2
|~r − ~r 0 |
i,j=1
und stammt von der Antisymmetrisierung. Er hat keine klassische Interpretation.
Der Erwartungswert Gl. (4.3) ist ein Funktional der Einteilchenwellenfunktionen ϕi (~r). Zur Bestimmung dieser ϕi (~r) variiert man nun ϕi → ϕi + δϕi , so daß
δE0HF = 0 gilt, der Erwartungswert also extremal wird. Die Nebenbedingung der
Orthonormalität der Wellenfunktionen koppelt man mit Lagrangeparametern i
an. Dies liefert die Hartree-Fock-Gleichungen
Z
~2
∆ + VH (~r) ϕi (~r) + VA (~r, ~r 0 )ϕi (~r 0 )d3 r0 = i ϕi (~r),
−
2m
64
KAPITEL 4. DAS VIELTEILCHENPROBLEM
mit dem Hartree-Potential
VH (~r) =
N Z
X
2
|ϕi (~r 0 )|
j=1
e2
d3 r 0
|~r − ~r 0 |
und dem Austauschpotential
0
VA (~r, ~r ) = −
N Z
X
ϕj (~r)ϕ∗j (~r 0 )
j=1
e2
d3 r 0 .
|~r − ~r 0 |
Letzteres ist ein nichtlokales Potential! Man kann die Hartree-Fock-Gleichungen
in der Form
hHF |ϕi i = εi |ϕi i
schreiben, wobei dann der effektive Einteilchenoperator hHF selbst wieder von
den zu bestimmenden |ϕj i abhängt. Man hat somit ein System von nichtlinearen
Gleichungen zu lösen. Man geht
o im Allgemeinen iterativ vor. Aus einer
n dabei
(0)
berechnet man hHF
geratenen nullten Näherung |ϕi i
0 . Mit diesem Einteiln
o
chenoperator löst man die Hartree-Fock-Gleichungen und bestimmt so |ϕi i(1) .
HF
Damit n
kann man
o und
o h1 bestimmen, löst wieder die Hartree-Fock-Gleichungen
n
(n)
(2)
und
. So kann man immer weiter verfahren, bis sich |ϕi i
erhält |ϕi i
n
o
|ϕi i(n+1) nicht mehr signifikant unterscheiden (vorgegebene Schranke). Häufig
(in der Praxis) konvergiert dieses Selbstkonsistenzverfahren sehr schnell.
Man kann den Hartree-Fock-Gleichungen die grundliegende Idee des HartreeFock-Verfahrens, welches wir aus dem Variationsprinzip hergeleitet haben, ansehen. Die N − 1 Elektronen ergeben ein selbstkonsistent bestimmtes Potential
(selbstkonsitentes Feld) für das eine im effektiven Einteilchenproblem betrachtete.
Die Idee ist somit analog zu der Weißschen Molekularfeldtheorie des Ferromagnetismus (siehe z.B. die Vorlesung Theorie IV). Man bezeichnet das Hartree-FockVerfahren daher auch häufig als Molekularfeldtheorie (mean-field theory). Wir
betonen, daß die Lagrangeparameter i im Gegensatz zu wechselwirkungsfreien
Teilchen nicht die direkte Bedeutung von Einteilchenenergien haben. So ergibt
sich E0HF z.B. nicht (!!) als Summe der i zu den im Grundzustand besetzten |ϕi i.3
Man kann auch keine Anregungsenergien dadurch bestimmen, daß man weitere
i einer Energiesumme hnizufügt. Analog spielen die Einteilchenwellenfunktionen
|ϕi i, die die Hartree-Fock-Gleichungen lösen, nicht die gleiche Rolle wie wechselwirkungsfreie Einteilchenwellenfunktionen. Analoge Einschränkungen gelten für
andere effektive Einteilchen-Theorien wie z.B. die DFT.
3
E0HF ist durch E0HF =
PN
i=1 i
−
PN
i,j=1 (vi,j,i,j
− vi,j,j,i )/2 gegeben.
4.2. VARIATIONSVERFAHREN
65
Ein alternativer Zugang zur Hartree-Fock-Näherung ergibt sich durch die Betrachtung der Heisenbergschen Bewegungsgleichung für die Auf- und Absteigeoperatoren der zweiten Quantisierung, wobei wir gleich allgemeine Einteilchenbasen (Quantenzahlindizes i, j, k, l) und Zweiteilchenwechselwirkungen (Matrixelement vi,j,k,l ) betrachten. Es gilt
X
X
i~ċi = [ci , H] =
hi,j cj +
vi,j,k,l c†j cl ck .
j
j,k,l
Diese Gleichung nähern wir nun als linear an
X
i~ċi ≈
heff
i,j cj .
j
Um heff
i,j zu bestimmen bildet man für die beiden rechten Seiten den Antikommutator mit c†m und fordert, daß der Erwartungswert der beiden resultierenden
Ausdrücke gleich ist. Das liefert
D E
X
(v
−
v
)
c†j cl .
heff
=
h
+
i,j,m,l
i,j,l,m
i,m
i,m
j,l
D E
In der Hartree-Fock-Basis ist c†j cl = δj,l für j ≤ N bzw. 0 für j > N und man
erhält heff = hHF .
4.2.2
Das Stoner-Modell für metallischen Ferromagnetismus
Als Anwendung der Hartree-Fock-Näherung wollen wir nun ein Modell betrachten, dessen Behandlung elementare Einsichten zum Ferromagnetismus in metallischen Systemen (keine lokalisierten Spins!) gibt. Solchen Ferromagnetismus findet
man in (Übergangs-)Metallen (z.B. in Eisen und Nickel) in denen die (schmalen)
Leitungsbänder von räumlich stark lokalisierten d- und f -Orbitalen gebildet werden. Die Wechselwirkung zwischen zwei Teilchen in solchen Orbitalen ist stärker
als in diejenige für zwei Teilchen in delokalisierten s- und p-Orbitalen. Mit dieser
physikalischen Einsicht formulieren wir ein vereinfachtes Modell des elektronischen Vielteilchenproblems welches wir dann in der Hartree-Fock-Näherung behandeln werden. Aufgrund der Komplexität des elektronischen Vielteilchenproblems (selbst nach Born-Oppenheimer-Näherung), ist die Konstruktion effektiver
Modelle, die den zu behandelnde physikalischen Effekt (hoffentlich) noch enthalten, ein Standardvorgehen in der Festkörperphysik. Wir betrachten hier ein Modell mit einer rein lokalen Wechselwirkung U zwischen den (relevanten, da an der
Fermi-Energie) d- oder f -Elektronen (im Gegensatz zur räumlich nicht lokalisierten Coulomb-Wechselwirkung). Die im Ortsraum punktförmige Wechselwirkung
66
KAPITEL 4. DAS VIELTEILCHENPROBLEM
wird im Impulsraum zu einer Konstanten. Der Hamiltonoperator hat dann in
zweiter Quantisierung die Form
X †
U X †
H=
c~k+~q,σ c~†k0 −~q,σ0 c~k0 ,σ0 c~k,σ ,
~k c~k,σ c~k,σ +
2V 0
0
~k,~k ,~
q ,σ,σ
~k,σ
mit dem Volumen V . Gemäß der oben dargestellten Vorgehensweise ergibt sich
HF
= ~k δ~k,~k0 δσ,σ0 + U δ~k,~k0 δσ,σ0 nσ̄ = ξ~k,σ
h~HF
δ~k,~k0 δσ,σ0 ,
k,σ;~k0 ,σ 0
wobei σ̄ die zu σ antiparallel Spinrichtung indiziert und
E
1 XD †
c~k,σ c~k,σ
nσ =
V
~k
die spinaufgelöste Teilchendichte ist. Wir haben dabei angenommen, daß diese
Dichte davon abhängen kann, welche Spinrichtung vorliegt und somit die oben
HF
implizit definierte Hartree-Fock-Dispersion ξ~k,σ
im Gegensatz zu ~k selbst von der
Spinrichtung abhängen kann. Im Hamiltonoperator selbst sind natürlich beide
Spinrichtungen gleichberechtigt da eine Spinsymmetrie vorliegt. Sollte sich also
herausstellen, daß n↑ 6= n↓ , so wird diese Spinsymmetrie spontan (!!) gebrochen.
In diesem Fall, würde ein ferromagnetischer Grundzustand (bei Temperatur T =
0) mit mehr up- als down-Spin Elektronen (oderDandersherum)
vorliegen.
E
†
Wir müssen nun noch den Erwartungswert c~k,σ c~k,σ und damit die Dichte selbstkonsitent bestimmen. Dies geschieht, in dem wir ihn mit dem (effektiv
wechselwirkungsfreien) Hartree-Fock-Hamiltonoperator berechnen. Dies gibt die
Selbstkonsitenzbedingung
E
1 X HF 1 XD †
HF
c~k,σ c~k,σ
=
f ξ~k,σ ,
nσ =
V
V
HF
~k
~k
mit der Fermifunktion f (x) = [exp (β[x − µ]) + 1]−1 . Bei T = 0 ergibt sich im
thermodynamischen Limes und in 3 Dimensionen
Z 1
~2 k 2
1 3
HF
HF
n↑ =
θ F −
− U n↓
d3 k = 2 kF↑
,
3
(2π)
2m
6π
wobei kF↑ durch
2
~2 kF↑
− U nHF
↓ = F ,
2m
festgelegt wird. Analoge Gleichungen ergeben sich für nHF
und kF↓ . Die beiden
↓
Gleichungen für F können als
2/3
~2
(6π)2/3 nHF
+ U nHF
↑
↓ = F ,
2m
2/3
~2
(6π)2/3 nHF
+ U nHF
↓
↑ = F
2m
(4.4)
4.2. VARIATIONSVERFAHREN
67
geschrieben werden. Führt man nun den Magnetisierungsgrad
ζ=
HF
nHF
↑ − n↓
nHF
die totale Dichte
HF
nHF = nHF
↑ − n↓
und den Parameter
2mU (nHF )1/3
γ=
(3π 2 )2/3 ~2
ein, so ergibt sich durch Subtrahieren der beiden Gleichungen (4.4)
HF
2mU
−2/3
HF
(6π)
n
−
n
↑
↓
~2
2/3
γζ = (1 + ζ) − (1 − ζ)2/3 .
nHF
↑
⇒
2/3
− nHF
↓
2/3
=
Diese Gleichung hat drei Typen von Lösungen. Für γ < 4/3 gibt es nur die
triviale ζ = 0 Lösung. Die Spinsymmetrie wird somit nicht spontan gebrochen
und das System ist nicht ferromagnetisch. Für 4/3 < γ < 22/3 gibt es neben
der nicht-magnetischen Lösung eine magnetische mit 0 < ζ < 1. Um zu bestimmen, welche Lösung angenommen wird, muß man zusätzlich die Energie für
beide Fälle bestimmen (worauf wir hier verzichten). Es stellt sich heraus, daß die
magnetische Lösung die niedrigere Energie hat und die Spinsymmetrie spontan
gebrochen wird. Es liegt daher (itineranter) Ferromagnetismus vor wenn bei gegebener Gesamtdichte n die (lokale) Wechselwirkung U hinreichend groß ist. Es
handelt sich hier um ein Beispiel für so genanntes emergentes Verhalten, in dem
ein (wechselwirkendes) Vielteilchensystem Eigenschaften aufweist (hier Magnetismus), die die einzelnen Bestandteile nicht haben. Das Aufdrehen von U induziert
einen Phasenübergang. Für γ > 22/3 ist die magnetische Lösung vollständig Spinpolarisiert, d.h. ζ = 1. Die Situation ist folgend skizziert.
Man kann das Auftreten spontaner Spinpolarisierung im Stoner Modell grob
wie folgt verstehen. Da die Zweiteilchenwechselwirkung rein lokal ist, können
68
KAPITEL 4. DAS VIELTEILCHENPROBLEM
aufgrund des Pauliprinzips nur up- und down-Spins miteinander wechselwirken
(Elektronen gleichen Spins im gleichen Orbital sind nie am gleichen Ort). Liegt
also ein spinpolarisierten Grundzustand vor, so verkleinert sich die potentielle Energie. Allerdings müssen bei fest gegebener Dichte Einteilchenniveaus mit
höherer kinetischer Energie besetzt werden. Die spontane Symmetriebrechung
tritt daher durch das Wechselspiel dieser Energien bei der Energieminimierung
auf.
Das Stoner Modell dient zu allererst dazu, daß Phänomen des (itineranten)
Ferromagntismus in Metallen ohne lokalisierte Spins qualitativ zu verstehen. Um
ein quantitatives Verständnis des Ferromagnetismus in diversen nicht zu stark
korrelierten Metallen zu gewinnen, verwendet man heutzutage die bereits angesprochene Dichtefunktionaltheorie (DFT).
Als ein weiteres Beispiel von beeindruckendem emergenten Verhalten welches
sich im Rahmen der Hartree-Fock-Näherung in einem effektiven Modell verstehen
läßt, werden sie in einer Übungsaufgabe das reduzierte BCS (Bardeen-CooperSchriefer) Modell der (konventionellen) Supraleitung untersuchen.
Kapitel 5
Wechselwirkung von Strahlung
und Materie
In ihrer Quantenmechanik-Vorlesung werden sie (wahrscheinlich) das Problem
des Wasserstoffatoms in einem äußeren Strahlungsfeld diskutiert haben. Dabei
wurde das Feld klassisch behandelt. Im Rahmen der zeitabhängigen Störungstheorie wurden Ausdrücke für die induzierte Emission (Fermis Goldene Regel)
hergeleitet. Das bekannte Phänomen der spontanen Emission kann jedoch auf
diese Weise nicht beschrieben werden. Hierfür muß das elektromagnetische Feld
quantenmechanisch behandelt werden.1 Diese Quantisierung des Strahlungsfelds
ist der wesentliche Punkt dieses Kapitels.
5.1
Quantisierung des Feldes
Wir betrachten einen Kubus der Kantenlänge L mit Volumen V = L3 und fordern
periodische Randbedingungen in alle drei Richtungen. Für das Vektorpotential
bedeutet das
~ r, t) = A(~
~ r + L~ei , t),
A(~
i = 1, 2, 3.
Wir vermeiden durch diese Vorgehensweise eine Formulierung mit kontinuierlich
vielen Variablen. Das Vektorpotential läßt sich dann in einer Fourierreihe entwickeln
X ~
2π
~ r, t) = √1
eik·~r~c~k (t), ~k =
~n,
A(~
L
V ~
Zk
1
~
~ r, t)d3 r.
e−ik·~r A(~
~c~k (t) = √
V V
1
ni ∈ Z
Verwechseln sie dieses nicht damit, daß natürlich immer der Ort im Feld durch den Ortsoperator ersetzt werden muß.
69
70
KAPITEL 5. STRAHLUNG UND MATERIE
~ reell sein soll folgt
Da A
~c~k∗ (t) = ~c−~k (t).
(5.1)
Um die Vorgehensweise so einfach wie möglich zu gestalten wählen wir folgend
~ ·A
~ = 0 = ϕ. Die Maxwellgleichungen mit äußeren
die Coulombeichung mit ∇
Quellen ~j = 0, ρ = 0 lauten dann
1 ∂2
~ = 0.
−∆ A
c2 ∂t2
Im Fourierraum liefert das
~c¨~k (t) + ωk2~c~k (t) = 0,
~k · ~c~ (t) = 0,
k
ωk = ck,
~ ·A
~ = 0 folgt. Die komplexen Fourierkoeffiziwobei die mittlere Identität aus ∇
enten erfüllen somit Oszillatorgleichungen.
Wir drücken nun die elektromagnetische Energie des Strahlungsfeldes durch
die Fourierkoeffizienten aus. Dazu benötigen wir das Integral
Z
X
~ r, t) · A(~
~ r, t)d3 r =
~c−~k (t) · ~c~k (t).
A(~
V
~k
Mit Gl. (5.1) folgt
Z
~ 2 (~r, t)d3 r =
A
V
X
~c~k∗ (t) · ~c~k (t).
~k
R 2
~ +B
~ 2 ]d3 r/(8π) gegeben, was mit E
~ = −∂ A/∂t/c
~
Die Energie ist durch E = [E
~ =∇
~ ×A
~ zu2
und B
1 X˙∗ ˙
2 ∗
~
c
·
~
c
+
ω
~
c
·
~
c
E =
~
~
~
~
k k
k
k
k
8πc2
~k
1 X ~∗ ~
b~k · b~k ,
=
8πc2
~k
mit
d
i + ωk ~c~k ,
dt
∗
∗
= −i~c˙~k + ωk~c~k = −i~c˙−~k + ωk~c−~k
~b~ = i~c˙~ + ωk~c~ =
k
k
k
~b~∗
k
2
Wir verwenden (~k × ~c~k ) · (~k × ~c~k∗ ) = k 2~c~k · ~c~k∗ , da ~k · ~c~k = 0.
5.1. QUANTISIERUNG DES FELDES
71
wird. Die Umkehrung dieser Beziehungen lautet
2ωk~c~k = ~b~k + ~b∗−~k ,
2i~c˙~k = ~b~k − ~b∗−~k .
Aus
˙
i~b~k = −~c¨~k + iωk~c˙~k ,
ωk~b~ = iωk~c˙~ + ω 2~c~
k
k
k k
folgt die Bewegungsgleichung der ~b~k
˙
i~b~k = ωk~b~k .
(5.2)
Es gilt ~k · ~b~k = 0. Wir führen ein Orthonormalsystem
~e1 (~k), ~e2 (~k), ~e3 (~k) = ~k/k
(5.3)
ein, in dem ~b~k durch zwei skalare Größen b~k,µ , µ = 1, 2 ausgedrückt werden kann
~b~ = b~ ~e1 (~k) + b~ ~e2 (~k).
k
k,1
k,2
Alternativ kann man zirkulare Komponenten einführen
~b~ = b~ ~e+ (~k) + b~ ~e− (~k),
k
k,+
k,−
(5.4)
mit den (orthonormalen) Basisvektoren3
1 ~e± (~k) = √ ~e1 (~k) ± i~e2 (~k) .
2
Der Index µ gibt die Polarisation der Strahlung an.
Die Feldenergie ergibt sich so zu
1 X ∗
E=
b~k,µ b~k,µ ,
8πc2
~k,µ
wobei µ für den Index der beiden Basen Gln. (5.3) oder (5.4) stehen kann. Wir
führen für die komplexen b~k,µ jeweils zwei reelle Größen q~k,µ , p~k,µ gemäß
b~
√ k,µ = ωk q~k,µ + ip~k,µ
4πc2
ein. Damit ergibt sich für die Energie
1 X 2
2
= H({q~k,µ }, {p~k,µ })
E=
p~k,µ + ωk2 q~k,µ
2
~k,µ
3
Nach Hinzunahme von ~e3 (~k).
72
KAPITEL 5. STRAHLUNG UND MATERIE
was eine Hamiltonfunktion definiert. In der Tat ergibt sich die Bewegungsgleichung (5.2) in diesen Variablen zu
∂H
= {q~k,µ , H},
∂p~k,µ
∂H
= −ωk2 q~k,µ = −
= {p~k,µ , H},
∂q~k,µ
q̇~k,µ = p~k,µ =
ṗ~k,µ
mit den Poissonklammern {. . . , . . .}. Dies sind die klassischen Bewegungsgleichungen für ein System ungekoppelter harmonischer Oszillatoren.
Bei der Quantisierung geht man also wie üblich vor und ersetzt die Variablen
durch Operatoren und die Poissonklammern durch Kommutatoren. Das liefert
die Heisenbergschen Vertauschungsregeln
[q̂~k,µ , p̂~k0 ,µ0 ] = i~δ~k,~k0 δµ,µ0 ,
[q̂~k,µ , q̂~k0 ,µ0 ] = 0 = [p̂~k,µ , p̂~k0 ,µ0 ].
Für die Operatoren
â~k,µ = (8πc2 ~ωk )−1/2 b̂~k,µ = (2~ωk )−1/2 ω~k q~k,µ + ip~k,µ
folgen dann die Bosevertauschungsregeln
h
i
h
i
†
â~k,µ , â~k0 ,µ0 = δ~k,~k0 δµ,µ0 ,
â~k,µ , â~k0 ,µ0 = 0.
Durch diese Schritte wird das Vektorpotential ein Operator
s
~ˆ r) =
A(~
X
~k
2πc2 ~ ˆ
ˆ† ei~k·~r ,
~a~k + ~a
−~k
V ωk
ˆ~ = P â~ ~eµ (~k). Für das elektrische Feld folgt
mit ~a
µ k,µ
k
X
~ˆ r) =
E(~
i
r
~k
2π~ωk ˆ
~
†
ˆ
~a~k − ~a−~k eik·~r
V
und für das Magnetfeld
s
~ˆ r) =
B(~
X
~k
i
2π 2 ~ ~ ˆ
ˆ† ei~k·~r .
k × ~a~k + ~a
−~k
ωk V
Wir lassen nachfolgend die Hüte auf den Operatoren weg.
5.2. DER ZUSTANDSRAUM
5.2
73
Der Zustandsraum
Wir müssen nun noch den Zustandsraum aufbauen. Eine Möglichkeit dazu bieten
die Eigenzustände des Hamiltonoperators
H=
X
~k,µ
1
†
~ωk a~k,µ a~k,µ +
,
2
d.h. die Eigenzustände des Besetzungszahloperators n~k,µ = a~†k,µ a~k,µ . Analog zum
harmonischen Oszialltor oder von nichtrelativistischen Bosonen erhält man Zustände
−1/2 n~k,µ
E Y
†
n~k,µ !
a~k,µ
|0i ,
{n~k,µ } =
a~k,µ |0i = 0.
~k,µ
Der Zustand |0i ist also der Produktvakuumzustand. Diese Zustände bilden eine
(†)
orthornormierte Basis. Die a~k,µ sind die Ab- und Aufsteigeoperatoren. Es gilt
E X
E
E
1 ~ωk n~k,µ +
H {n~k,µ } =
{n~k,µ } = E({n~k,µ }) {n~k,µ } ,
2
~k,µ
also speziell
H |0i =
X1
~k,µ
2
~ωk |0i = ∞.
Hier zeigt sich ein generelles Problem für Systeme mit unendlich vielen Freiheitsgraden: Divergenzen! Im vorliegenden Fall, können wir diese durch eine Renormierung des Energienullpunkts loswerden.4 Wir definieren also besserer
H=
X
~ωk a~†k,µ a~k,µ .
~k,µ
5.3
Der Impuls der Quanten
Um zu klären, wie der Wellenvektor ~k mit dem Impuls der Quanten zusammenhängt, betrachten wir zunächst den klassischen Gesamtimpuls des Strah4
Allgemeinere Überlegungen dazu werden im Rahmen der Quantenfeldtheorie angestellt.
74
KAPITEL 5. STRAHLUNG UND MATERIE
lungsfeldes
P~ =
=
=
=
=
1
4πc
Z ~ ×B
~ d3 r
E
V
i X˙
~k × ~c~
−
~
c
×
~
k
−k
4πc2
~k
i X~ ˙
k
−
~
c
·
~
c
~k
−~k
4πc2
~k
i X ~ 1 ~
∗
∗
~
~
~
k
b ~ − b~k · b~k + b−~k
−
4πc2
4ωk −k
~k
i X ~ 1 ~ ∗ ~ k
b · b~
8πc2
ωk ~k k
~k
i X 1~ ∗ ~
kb b~ .
=
8πc2
ωk ~k,µ k,µ
~k,µ
Der Übergang zu den Operatoren â~k,µ liefert5
ˆ X ~ †
~kâ~k,µ â~k,µ ,
P~ =
~k,µ
also
E X
E
ˆ
P~ {n~k,µ } =
~~kn~k,µ {n~k,µ } .
~k,µ
Die Erhöhung von n~k,µ um 1 erhöht somit den Gesamtimpuls um ~~k. Damit
besitzen die Quanten ders Sorte ~k, µ den Impuls ~~k.
Die Beziehung zwischen der Energie und dem Impuls der Quanten lautet
p~ = ~~k,
E = ~ωk = ~ck ⇒
E2
− p~ 2 = 0.
c2
Für ein klassisches Teilchen des Masse m gilt in der Relativitätstheorie E 2 /c2 −
p~ 2 = m2 c2 . Also haben die hier eingeführten Quanten die Masse m = 0. Ihre
(†)
Geschwindigkeit ist pc2 /E = c, d.h. die Lichtgeschwindigkeit. Der Operator a~k,µ
vernichtet (erzeugt) somit ein Photon mit Impuls ~~k und Energie ~ck. Aufgrund
der obigen Vertauschungsrelationen sind Photonen Bosonen.
Ähnlich wie den Gesamtimpuls kann man auch den Gesamtdrehimpuls ausgehend vom klassischen Ausdruck behandeln. Eine längliche Rechnung zeigt, daß
5
Kurzzeitig wieder mit Hüten auf den Operatoren.
5.4. DIE FELDGLEICHUNGEN
75
~ˆ ~k/k, d.h. der Drehimpulskomponente in Ausbreitungsa~†k,µ |0i Eigenzustand zu L·
richtung ist. Dabei steht hier µ explizit nur (!!) für den Index der zirkularen Basis
Gl. (5.4). Die Eigenwerte sind ~µ, d.h. ±~. Man nennt diesen Eigenwert die Helizität. Diese Größe tritt an die Stelle des Spins eines Teilchens als Drehimpuls im
Ruhesystem, das es für Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit nicht gibt. Trotz dieser
Besonderheit spricht man davon, daß das Photon den Spin 1 hat.6
5.4
Die Feldgleichungen
Im Kapitel über zweite Quantisierung hatten wir gesehen, daß Leiteroperatoren im Heisenbergbild die klassischen Feldgleichungen erfüllen. Um das analoge
Resultat für das Strahlungsfeld zu zeigen, definieren wir
a~k,µ (t) = eiHt/~ a~k,µ e−iHt/~ .
Die Bewegungsgleichung
h
i
i~ȧ~k,µ = a~k,µ , H = ωk a~k,µ
liefert wie für wechselwirkungsfreie Bosonen
a~k,µ (t) = e−iωk t a~k,µ .
Für den Operator des Vektorpotentials folgt dann
s
X 2πc2 ~ †
i(~k·~
r−ωk t)
−i~k·~
r+iωk t)
~
~a~k e
+ ~a−~k e
.
A(~r, t) =
V ωk
(5.5)
~k
~ r, t) = −∂ A/∂t/c
~
~ r, t) = ∇
~ ×A
~ erfüllen damit die
Die Operatoren E(~
und B(~
freien Maxwellgleichungen
~ ·E
~ = 0,
∇
~ ·B
~ = 0,
∇
~
~ ×E
~ = − 1 ∂B
∇
c ∂t
~
~ ×B
~ = 1 ∂E .
∇
c ∂t
Im Gegensatz zum klassischen Fall verschwinden aber die Kommutatoren [Ai (~r, t), Aj (~r, t)]
nicht überall. Mit der Definition
ai (~k) = ~ei · ~a~k
6
Beachten sie, daß es den Eigenwert 0 nicht gibt!!
76
KAPITEL 5. STRAHLUNG UND MATERIE
benötigen wir
2
i
h
X
~ei · ~eµ (~k) ~eµ0 (~k 0 ) · ~ej a~k,µ , a~†k0 ,µ0
h
i
ai (~k), a†j (~k 0 ) =
µ,µ0 =1
2 X
= δ~k,~k0
~ei · ~eµ (~k) ~eµ (~k) · ~ej
µ=1
( 3
)
kk
X
i j
~ei · ~eµ (~k) ~eµ (~k) · ~ej − 2 .
= δ~k,~k0
k
µ=1
Im letzten Schritt haben wir ~e3 (~k) = ~k/k eingeführt. Die Orthogonalität der
Transformationsmatrix mit Matrixelementen ~ei · ~eµ (~k) liefert für den Term mit
der Summe ein Kroneckerdelta und damit
h
i
ki kj
ai (~k), a†j (~k 0 ) = δi,j − 2 .
k
Mit Hilfe dieser Beziehung können nun ausgehend von Gl. (5.5) Kommutatoren für die Operatoren des elektrischen und des magnetischen Feldes berechnet
werden. Man erhält z.B.
h
i
2
∂
1
∂
∂
Ei (~r, t), Ej (~0, 0) = 4πi~c 2 2 δi,j −
D(~r, t),
c ∂t
∂xi ∂xj
mit
1
D(~r, t) =
(2π)3
Z
~
eik·~r
sin (ωk t) 3
d k.
k
Dieses Integral kann ausgeführt werden zu
D(~r, t) =
1
[δ(r − ct) − δ(r + ct)] .
4πr
Die Kommutatoren verschwinden somit außer die Punkte liegen lichtartig zueinander, d.h. ~r, t muß auf dem Lichtkegel vom Ursprung ~0, 0 liegen. Die gleichzeitigen Kommutatoren von Ei und Ej verschwinden für beliebiges ~r, nicht jedoch
die gleichzeitigen Kommutatoren von Ei und Bj .
E
Die Erwartungswerte der Ei und Bj in den Besetzungszahlzuständen {n~k,µ }
verschwinden da die Operatoren linear in den Erzeugern und Vernichtern sind.
Die Schwankungen der Felder haben jedoch einen nichtverschwindenden Wert.
Aus
X √
~ ~0
~ 2 (~r) = − 2π
E
~ ωk ωk0 ~a~k − ~a†−~k ~a~k0 − ~a†−~k0 ei(k+k )·~r
V
0
~k,~k
5.5. SPONTANE EMISSION
folgt
D
77
D
E
E
2π X
~2 ~ωk {n~k,µ } ~a~k · ~a~†k + ~a~†k · ~a~k {n~k,µ }
{n~k,µ } E
(~r) {n~k,µ } =
V
~k
4π X
=
~ωk n~k,µ + 1/2 .
V
~k,µ
Selbst im Vakuumzustand ist die Schwankung damit unendlich. Diese Nullpunktsschwankungen können nicht wegrenormiert werden. Sie führen zu meßbaren Effekten, z.B. bei der Änderung der Geometrie des Hohlraums. Dies ist der CasimirEffekt. Auch beim Lambshift im Wasserstoffatom spielen diese Schwankunegn
eine wesentliche Rolle.
5.5
Spontane Emission
Abschließend wollen wir untersuchen, ob die obigen Überlegungen wirklich zur
sponaten Emission führen. In der Theorie III Vorlesung werden sie den Störopera~ ~rˆ, t) betrachtet haben, um die induzierte Emission zu beschreiben.
tor7 (e/mc)p~ˆ·A(
Wir ersetzen das klassische Vektorpotential (an der Stelle des Ortsoperators!),
~ˆ ~rˆ). Die Störung ist also
durch den Operator A(
e ˆ X
p~ ·
V̂ =
mc
~k
s
2πc2 ~ ˆ i~k·~rˆ ˆ† −i~k·~rˆ
~a~k e + ~a~k e
.
ωk V
Der Hilbertraum, auf dem V̂ wirkt ist der Produktraum Hel ⊗ Helmag . Der Anfangszustand sei
E
|φi i = . . . n~k,µ . . . ⊗ |ϕi i ,
wobei |ϕi i das Atom im angeregten Anfangszustand (initial) beschreibt. Bei der
Emission erhöht sich die Zahl der Photonen im Endzustand. Die obige Störung
erhöht in führender Ordnung Störungstheorie die Photonenzahl um eins, d.h. wir
betrachten Endzustände
E
|φf i = . . . n~k,µ + 1 . . . ⊗ |ϕf i .
Das liefert
e
hφf | V̂ |φi i =
mc
7
s
q
2πc2 ~
~ ˆ
hϕf | p~ˆe−ik·~r |ϕi i · ~e∗µ (~k) n~k,µ + 1.
ωk V
Operatoren bekommen wieder Hüte!
78
KAPITEL 5. STRAHLUNG UND MATERIE
p
Der Bosefaktor n~k,µ + 1 ist auch dann von Null verschieden, wenn im Anfangszustand keine Photonen vorhanden sind, also |φi i = |0i ⊗ |ϕi i. Das endliche
Matrixelement liefert die sponaten Emission.
Zur Berechnung der Übergangswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit verwenden
wir Fermis Goldene Regel (siehe die Theorie III Vorlesung) und summieren über
alle möglichen Impulse und Polarisationen der Photonen
sp
Rf←i
sp
2
Pf←i
2π X =
=
hφf | V̂ |φi i δ(Eiat − Efat − ~ωk ).
t
~
~k,µ
In der Dipolnäherung (siehe Theorie III) liefert das
sp
Rf←i
=
2
2π e 2 2πc2 ~ X 1 hϕf | p~ˆ |ϕi i · ~eµ∗ (~k) δ(Eiat − Efat − ~ck).
~ mc
V
ωk
~k,µ
Im thermodynamischen Limes folgt (in Kugelkoordinaten)
2
e 2 c2 Z
X 1 sp
2
∗ ~ Rf←i =
k
~ fi · ~eµ (k) δ(Eiat − Efat − ~ck) dkdΩ,
m
mc 2π
ω
k
µ
mit m
~ fi = hϕf | p~ˆ |ϕi i. Die Winkelintegration liefert
Z Z X
2 2 2
∗ ~ ∗ ~ ∗ ~ ~ fi · ~e2 (k) dΩ
~ fi · ~e1 (k) + m
~ fi · ~eµ (k) dΩ =
m
m
µ
=
2
4π |m
~ fi |2 .
3
Die k-Integration kann jetzt mit Hilfe der δ-Funktion ausgeführt werden und man
erhält
2 2
e
ωfi 8π
sp
Rf←i =
|m
~ fi |2 ,
mc 2πc~ 3
wobei ~ωfi = Eiat − Efat . Ersetzt man nun die Matrixelemente von p~ˆ durch die des
ˆ
Dipoloperators d~ = −e~rˆ (siehe Theorie III), so folgt
sp
Rf←i
4 ωfi3
=
3 ~c3
2
~ dfi .
sp −1
Daraus ergibt sich die Lebensdauer τ = (Rf←i
) aufgrund der spontanen Emis−8
sion des Wasserstoffatoms τ ≈ 10 s.
Kapitel 6
Relativistische Wellengleichungen
6.1
Die Klein-Gordon-Gleichung
Wir wollen zunächst einfache Überlegungen anstellen, wie man eine relativistische
Verallgemeinerung der Quantenmechanik erreichen könnte. Die Tatsache, daß
Ort und Zeit in der nichtrelativistischen Quantenmechanik völlig unterschiedlich
behandelt werden (z.B. Existenz eines Ortsoperators aber keines “Zeitoperators”)
deutet bereits darauf hin, daß Probleme auftreten werden.
Die (zeitabhängige) Schrödingergleichung für ein freies spinloses Teilchen lautet in der Impulsdarstellung
i~
∂
h~p |ψ(t)i = p h~p |ψ(t)i
∂t
(6.1)
mit p = p2 /(2m) und der (Ruhe-)Masse m. Minimal sollte beim Übergang zu
2
einer
p relativistischen Theorie p /(2m) durch den relativistischen Ausdruck p =
c p2 + m2 c2 ersetzt werden. Tut man dieses, so ergibt sich in der Ortsdarstellung
Z
∂
∂
i~ h~r |ψ(t)i =
h~r |~pi i~ h~p |ψ(t)i d3 p
∂t
∂t
Z Z
p
=
h~r |~pi c p2 + m2 c2 h~p |~r 0 i h~r 0 |ψ(t)i d3 pd3 r0
Z
=
K(~r − ~r 0 ) h~r 0 |ψ(t)i d3 r0 ,
(6.2)
mit dem Kern
1
K(~r − ~r ) =
(2π~)3
0
Z
ei(~r−~r
0 )·~
p
p
/~c p2 + m2 c2 d3 p.
Dieser ist nichtlokal, so daß die resultierende “Schrödingergleichung” nichtlokal
wäre.
79
80
KAPITEL 6. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN
Die Reichweite der Nichtlokalität wird durch den Kern K(~r − ~r 0 ) festgelegt.
p Im Integranden tritt neben der Exponentialfunktion die “Energiehyperbel”
c p2 + m2 c2 auf. Der Bereich, in dem diese sich (als Funktion von cp) nichtlinear verhält ist durch c∆p ∼ mc2 gegeben. Für |~r − ~r 0 |∆p/~ 1 variiert die
Exponentialfunktion sehr viel schneller als die Energiehyperbel und K(~r − ~r 0 )
wird vernachlässigbar klein. Die charakteristische Länge rc der Nichtlokalität ist
daher durch rc ∆p/~ = 1 und damit durch die Comptonwellenlänge
rc =
~
mc
gegeben. Diese hat eine anschauliche Bedeutung. Versucht man ein Teilchen in
einem Raumbereich mit linearer Ausdehnung rc zu lokalisieren, so ist damit durch
die Heisenbergsche Unschärferelation ein Impuls der Größe pc ∼ ~/rc verbunden.
Das führt auf die nichtrelativistische kinetische Energie p2c /(2m) ∼ ~2 /(2mrc2 ) ∼
mc2 , die von der Größenordnung der Ruheenergie des Teilchens ist.
Wir wollen nun versuchsweise mit Hilfe der nichtlokalen Gleichung (6.2) ein
Anfangswertproblem lösen, in dem das Teilchen in einem Raumbereich (um den
Ursprung) mit r rc lokalisiert ist. Man würde dann bereits bei infinitesimal
kleiner Zeit eine nichtverschwindende Wahrscheinlichkeit finden1 das Teilchen im
Abstand r ∼ rc vom Ursprung zu finden. Dieses widerspricht dem relativistischen
Kausalitätsprinzip. Es stellt sich die Frage, ob man dieses Problem umgehen
kann. Wir betrachten dazu den Integranden des Kerns K(~r − ~r 0 ). Was den Kern
nichtlokal macht ist die Wurzel der “Energiehyperbel”. Würde stattdessen das
Quadart dieser im Integranden von K(~r − ~r 0 ) auftreten, würde der Kern aus
der Summe einer Deltafunktion und der zweiten Ableitung einer Deltafunktion
(partielle Integration!) bestehen, wäre also lokal. Wir differenzieren daher in Gl.
(6.1) ein zweitesmal nach der Zeit
(i~)2
∂
∂2
h~p |ψ(t)i = p i~ h~p |ψ(t)i = 2p h~p |ψ(t)i
2
∂t
∂t
2 2
= c (p + m2 c2 ) h~p |ψ(t)i .
Transformation in die Ortsdarstellung liefert
mc 2 1 ∂2
−∆+
ψ(~r, t) = 0
c2 ∂t2
~
mit ψ(~r, t) = h~r |ψ(t)i. Dies ist die Klein-Gordon-Gleichung. Mit der Abkürzung
∂2
= c12 ∂t
2 − ∆ gilt
mc 2 +
ψ(~r, t) = 0.
~
1
2
Jedenfalls dann, wenn |h~r |ψ(t)i| wie bei der Schrödingergleichung etwas mit der Wahrscheinlichkeitsdichte zu tun hat.
6.1. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG
81
Da lorentzinvariant ist, ergibt sich eine lorentzinvariante Gleichung für das
skalare Feld ψ(~r, t).
Es stellt sich die Frage, ob man |ψ|2 als Wahrscheinlichkeitsamplitude interpretieren kann. Dazu konstruieren wir einen Strom, für den ein Erhaltungssatz
gilt (siehe Herleitung der Kontinuitätsgleichung und Einführung des Wahrscheinlichkeiststroms in der Theorie III Vorlesung). Wir folgden den Schritten die sie
aus der Theorie III Vorlesung kennen. Dazu multiplizieren wir die Klein-GordonGleichung von links mit ψ ∗ und subtrahieren die komplex konjugierte Gleichung
mc 2 mc 2 ∗
ψ−ψ +
ψ∗ = 0
ψ +
~
~
oder umgeformt
i
∂
∂ψ ∗
i~
~ h ∗~
∗
∗ ∂ψ
~
~
−ψ
ψ ∇ψ − ψ ∇ψ = 0.
ψ
+∇·
∂t 2mc2
∂t
∂t
2im
~ der bekannte Ausdruck für die WahrIm zweiten Summand steht hinter dem ∇·
scheinlichkeitsstromdichte. Um eine
Kontinuitätsgleichung zu erhalten, ist man
∂ψ ∗
i~
∗ ∂ψ
somit versucht, 2mc2 ψ ∂t − ψ ∂t als die Wahrscheinlichkeitsdichte ρ zu interpretieren. Dies ist aber nicht möglich, da dieser Ausdruck nicht notwendig positiv
ist. So wäre z.B. für jede reelle Wellenfunktion ρ = 0. Diese Beobachtung hängt
damit zusammen, daß wir die Zahl der Freiheitsgrade effektiv verdoppelt haben,
um eine lokale Gleichung zu erhalten. Neben der Lösung
(+)
ψp~
∼ ei(~p·~r−p t)/~
mit positiver Energie p > 0 ist jetzt auch
(−)
ψp~
∼ e−i(~p·~r−p t)/~
mit negativer Energie eine Lösung. Diese Schwierigkeit wird durch die Einführung
des Konzepts des Antiteilchens beseitigt. Besonders anschaulich wird das Problem
beim sogenannten Kleinschen Paradoxon. Dabei betrachtet man die Streuung an
der Potentialstufe mit Höhe V . Für den Fall, daß V > p + mc2 ergibt die Lösung
der Klein-Gordon-Gleichung (mit Potential) einen Reflektionskoeffizeinten der
größer als 1 ist. Die Größe ρ kann als Ladungsdichte interpretiert werden. Diese
nimmt im Bereich der Potentialstufe x > 0 negative Werte an, falls ρ für x < 0
positiv ist. Weiterhin ist der Strom für x > 0 negativ. Diese Beobachtung muß wie
folgt interpretiert werden: Bei der Reflektion an der Barriere werden Antiteilchen
erzeugt (und zusätzlich auch Teilchen). Diese haben die umgekehrte Ladung und
der Halbraum x > 0 ist für sie anziehend. Die Antiteilchen laufen nach rechts.
Dieser relativistische Effekt der Teilchen-Antiteilchen-Erzeugung ist nicht überraschend, da es in der relativistischen Mechanik keinen Erhaltungssatz für die
82
KAPITEL 6. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN
Masse gibt! Es gibt nur die Gesamtenergieerhaltung (inklusive Ruheenergie). Daher muß die Teilchenzahl nicht mehr erhalten sein. Als unmittelbare Konsequenz
ergibt sich, dass jede relativistische Theorie für ein Teilchen, eine Theorie mit
unendliche vielen Freiheitsgraden sein muß. Eine solche Theorie wird den Charakter einer Feldtheorie annehmen! In letzter Konsequenz müssen wir daher den
Versuch eine relativistische Verallgemeinerung der Schrödingergleichung aufgeben und die Klein-Gordon-Gleichung im Sinne der zweiten Quantisierung als eine
Gleichung für einen Feldoperator ψ̂(~r, t) interpretieren. Diesen werden wir wie im
nichtrelativistischen Fall nach ebenen Wellen entwickeln. Als Lösung der KleinGordon-Gleichung braucht die Energie bei gegebenem Impuls nur
p die Gleichung
2
2 2
2 2
= c (p + m c ) zu erfüllen, d.h. sie kann die zwei Werte ±c p2 + m2 c2 annehmen. Die allgemeine Lösung der freien Klein-Gordon-Gleichung ist durch
Z
3
1
1
i(~
p·~
r−p t)/~
∗ −i(~
p·~
r−p t)/~
a
e
+
b
e
ψ(~r, t) =
d p,
p
~
p
~
(2π~)3/2
2wp
p
mit wp = p2 + m2 c2 , gegeben. Beim Übergang zur zweiten Quantisierung ersetzen wir die ap~ im ersten Term durch die Vernichtungsoperatoren âp~ der Teilchen.
Das Problem mit dem “falschen” Vorzeichen der Energie im zweiten Summanden lösen wir dadurch, daß wir die bp∗~ durch Erzeugungsoperatoren b̂p†~ ersetzen. So
werden alle Operatoren âp~ und b̂p~ mit der richtigen Zeitabhängigkeit multipliziert.
Wir haben so zwei Teilchensorten eingeführt, die gemeinsam und völlig gleichberechtigt vorkommen. Dies sind die Teilchen-Antiteilchen-Paare. Beide Teilchen
haben die gleiche Masse.
Da wir Spin-0 Teilchen beschreiben wollen (siehe oben), erwarten wir, dass die
Erzeuger und Vernichter Kommutatorvertauschungsregeln erfüllen. Da die durch
â und b̂ beschriebenen Freiheitsgrade unabhägig sind, sollten speziell die â und b̂
vertauschen. Wie im Kapitel über die Quantisierung des Strahlungsfeldes können
wir ausgehend vom Vakuumzustand |0i mit
âp~ |0i = 0 = b̂p~ |0i
durch Anwenden der Erzeuger den Zustandsraum aufbauen.
Aus Zeitgründen wollen wir damit die Diskussion der Klein-Gordon-Gleichung
beenden.
6.2
Die Dirac-Gleichung
Obwohl wir im letzten Kapitel bereits gesehen haben, daß die Idee einer relativistischen Verallgemeinerung im Sinne einer Theorie für ein Teilchen nicht
durchführbar ist, soll die Dirac-Gleichung kurz auf historischem Weg eingeführt
werden. Um die Schwierigkeit einer nicht positiven “Wahrscheinlichkeitsdichte”
6.2. DIE DIRAC-GLEICHUNG
83
bei der Klein-Gordon-Gleichung zu vermeiden suchte Dirac nach einer lorentzinvarianten Gleichung für eine mehrkomponentige “Wellenfunktion”, die linear in den Ableitungen ist, wobei die einzelnen Komponenten die Klein-GordonGleichung erfüllen sollen. Mit ψ = (ψ1 , ψ2 , . . . , ψN )T , vier N × N -Matrizen γ µ ,
µ = 1, 2, 3, 4, und dem Skalar B lautet der Ansatz
(i~γ µ ∂µ − B) ψ = 0.
Dabei ist δ1 = ∂/∂t/c und die δµ , µ = 1, 2, 3 sind die räumlichen Ableitungen. Es
wird die Einsteinsche Summationskonvention benutzt (wie üblich in der Relativitätstheorie). Multiplikation dieser Gleichung von links mit (i~γ ν ∂ν + B) liefert
−~2 γ µ γ ν ∂µ ∂ν − B 2 ψ = 0.
Da ∂µ ∂ν = ∂ν ∂µ kann man γ µ γ ν durch (γ µ γ ν + γ ν γ µ )/2 ersetzen. Das liefert
2 !
B
1 µ ν
{γ , γ }∂µ ∂ν −
ψ = 0.
2
~
Damit ist die Klein-Gordon-Gleichung für jede Komponenten erfüllt, falls
{γ µ , γ ν } = 2g µ,ν ,
B = mc,
(6.3)
wobei g der metrische Tensor ist: g 1,1 = −1, g α,α = 1 für α = 1, 2, 3, alle anderen
Elemente sind Null.2 Die kleinste Dimension N für die man Matrizen finden
kann, die die Antivertauschungsrelation Gl. (6.3) erfüllen ist 4. Ein Satz solcher
Matrizen (kontravariant!) ist
0 12
0
σα
0
α
γw =
, γw =
,
12 0
−σα 0
mit der 2 × 2-Einheitsmatrix 12 und den Paulimatrizen σα , α = 1, 2, 3. Der
Index w weißt darauf hin, dass es sich um die sogenannte Weyl-Darstellung dieser
Matrizen handelt. Weitere Matrizensätze, die Gl. (6.3) erfüllen lassen sich dadurch
konstruieren, daß man γ µ = Rγwµ R−1 mit einer nichtsingulären 4×4-Matrix bildet.
Dies bedeutet, dass man die Komponenten von ψ transformiert.
Die Dirac-Gleichung lautet dann
(i~γ µ ∂µ − mc) ψ = 0.
Bei ψ handelt es sich um einen Viererspinor, der unter Lorentztransformationen
bestimmte Eigenschaften hat. Das führt unter anderem dazu, dass die DiracGleichung in jedem Inertialsystem dieselbe Form hat, sie ist Lorentz-kovariant.
Um ihre Struktur und Eigenschaften besser zu verstehen, hätten wir uns mit
2
Wir verwenden die übliche kovariant und kontravariant Notation.
84
KAPITEL 6. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN
Symmetrien und der Darstellungstheorie von Gruppen beschäftigen müssen (siehe die Einleitung). Da wir dieses aus Zeitgründen nicht leisten konnten, wollen
wir an dieser Stelle auch die Diskussion der Dirac-Gleichung beenden. Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass die Dirac-Gleichung im Kontext der
“nichtrelativistischen” Festkörperphysik in den letzten Jahren eine zunehmende
Bedeutung hat, da mit ihr die elektronischen Eigenschaften von Graphene beschrieben werden können. Die vier Komponenten des Spinors beschreiben dabei
jeweils Spin-rauf und -runter Elektronen der sogenannten K- und K 0 -Punkte des
k-Raums.
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