Zusammenfassung Vorbemerkung Das Studium der Sternentstehung gehört sicherlich zu den aufregendsten Disziplinen in der Astrophysik, spiegeln sich doch hier sowohl eine Reihe von verschiedensten physikalischen Fachbereichen als auch durchaus philosophische Bezüge zur menschlichen Existenz und Vergänglichkeit wieder. Wahrscheinlich hat diese Sparte auch vom technologischen Fortschritt in den letzten Jahren am meisten profitiert – und der größte Durchbruch steht möglicherweise erst noch bevor. Was wäre der Mensch ohne die Sterne? Hätte sich Leben auf der Erde ohne den für sie wichtigsten Stern, die Sonne, überhaupt entwickeln können? Ja, gäbe es gar eine Erde? Das sind Fragen, die an der unmittelbaren Existenz des Menschen rütteln. Nicht umsonst spielten in der langen Geschichte der Menschheit – bis heute – die Gestirne eine wichtige kulturelle Rolle. Und die größte Bedeutung hatte von je her zweifellos die Sonne als die Quelle aller lebensspendender Energie. Heute hat sich jedoch die aufgeklärte Mehrheit von der mystifizierenden Vorstellung einer schicksalslenkenden Gottheit emanzipiert und sieht alle Gestirne in ihrer Gesamtheit als eine Klasse von physikalischen Objekten an, deren Geheimnisse zu entlocken es sich lohnt. Viele mögen an dieser Stelle einwenden, daß eine objektive und logische Betrachtungsweise von kosmischen Körpern den Blick auf die Schönheit der Natur verstelle und das Romantisieren angesichts der vermeintlich kalten und emotionslosen wissenschaftlichen Herangehensweise sich geradezu verbiete. Dem ist mitnichten so. Es vergeht sicherlich keine sternenklare Nacht, an dem ich nicht vor Verzückung angesichts dieses kosmischen Schauspiels bewundernd in den weiten Himmel und die Tiefe des Alls blicke. Wer selbst einmal miterlebt hat, wie sehr einen die vielseitige Fülle des Nachthimmels an einem dunklen Ort in den Bann ziehen kann, wird verstehen, daß kein noch so objektivistischer Mensch sich dieser Gewaltigkeit zu entziehen vermag. Es scheint eher, daß mit der wachsenden Kenntnis über den physikalischen Hintergrund der vielfältigen und scheinbar unzusammenhängenden Erscheinungen erst wahrhaftig das großartige Ausmaß des Kosmos gewürdigt werden kann. Der Astronom besetzt im großen Ensemble der Naturwissenschaftler da sicherlich eine Sonderrolle. Schließlich ist er, von äußerst geringen Ausnahmen abgesehen, nicht wie die meisten anderen Naturwissenschaftler in der Lage, mit systematischen Experimenten das Verhalten der Natur auszuloten. Vielmehr ist er auf das angewiesen, was sie ihm an Beobachtungsmöglichkeiten bietet. Ja, er ist ihr geradezu ausgeliefert, so daß es einer gehörigen Portion Kreativität, Intuition und Einfallsreichtum bedarf, um der Natur in dem einen oder anderen Falle ein Schnippchen zu schlagen und sie sich ihm wieder ein Stückchen mehr offenbart. Schließlich ergeben sich mit zunehmendem Wissensreichtum immer neue Fragen und Rätsel, die ein an der Oberfläche kratzendes und sich mit den offensichtlichen Phänomenen zufriedenstellendes Individuum niemals erahnen könnte. Eines dieser Geheimnisse lautet: Gäbe es die Sterne ohne die Sterne? 3 Z USAMMENFASSUNG Diese scheinbar widersinnige Frage gehört heute sicher zu den meist gestellten im Bereich der gesamten Astronomie. Sie erweitert nicht nur den im vorigen Absatz geknüpften Gedanken, sondern thematisiert ein zentrales Problem im Bereich der Sternentstehung. Die moderne Forschung hat nämlich ergeben, daß Gas alleine, und dort im wesentlichen Wasserstoff und Helium, nicht ausreicht, um Sterne zu bilden. Ein zwar vergleichsweiser geringer, jedoch unabdingbarer Anteil an schwereren Elementen wie Kohlenstoff (Graphit) und Silikaten, die gemeinsam mit dem interstellaren Gas das interstellare Medium (ISM) bilden, scheinen von äußerster Wichtigkeit zu sein. Gas alleine könnte zwar in bestimmten Konstellationen unter seiner Eigengravitation zu warmen Klumpen kollabieren. Diese würden jedoch nach den heutigen Erkenntnissen durch den inneren Strahlungsdruck wieder auseinander getrieben werden, bevor sich ein Stern bilden kann. Das ISM kann dagegen helfen, große Beträge der thermischen Energie für Prozesse wie das Schmelzen von auf Stäuben haftendem Eis oder die Dissoziation von Wasserstoffmolekülen zu -atomen zu verwenden, ohne daß der gravitative Kollaps behindert wird. Doch hier beginnt das Problem erst, denn zu Beginn bestand das Universum lediglich aus Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium. Die höheren Elemente wurden erst im Laufe der Zeit durch die Fusionsprozesse im Innern der Sterne produziert und am Ende ihrer Entwicklung entweder in Form sog. planetarischer Nebel oder Supernovae in den interstellaren Raum freigesetzt. Wie also konnten sich die ersten Sterne überhaupt bilden? Man steht hier also vor dem sprichwörtlichen HenneEi-Paradoxon. Ohne Staub gibt es keine Sterne, und ohne die Sterne keinen Staub. Und ein weiterer Aspekt im Rahmen des Entstehens und Vergehens von Sternen wird hier deutlich: Der endlose Zyklus von Geburt und Tod von Sternen ist von herausragender Bedeutung für diesen Zyklus selbst. Dieses uralte Konzept der Reinkarnation ist dafür verantwortlich, daß auch heute ständig und immer wieder neue Sterne entstehen. Klassifikation Einige dieser aktiven Sternentstehungsregionen sind die Forschungsobjekte dieser vorliegenden Arbeit, die sich mit der Herleitung von physikalischen Eigenschaften von Protosternen unterschiedlichster Art befaßt. Da es im allgemeinen aufgrund der im Vergleich zur menschlichen Lebensspanne sehr großen Zeitskalen in der Astronomie unmöglich ist, den Werdegang eines einzelnen Objekts in seiner Gänze zu erfassen, macht man sich die ebenfalls unbegreifliche Größe des Universums zunutze und untersucht möglichst viele Objekte in den unterschiedlichsten Stadien. Dabei wird versucht, Bezüge zwischen ihnen herzustellen indem beispielsweise ähnliche physikalische Eigenschaften als Anhaltspunkte dienen, um so eine logische Kette von Entwicklungsstadien herzuleiten. Vielfach werden Kriterien, meist basierend auf theoretischen Überlegungen, eingeführt, die eine Klassifikation ermöglichen. Die im Bereich der Sternentstehung wohl wichtigste, sicherlich aber bekannteste Klassifikation wurde im Jahre 1987 von Charles J. Lada eingeführt (Lada 1987). Basierend auf einer Studie von 17 Objekten, ordnete er sie aufgrund ihres abgestrahlten Energiespektrums. Der Farbexzess, verursacht durch die Reemission der Strahlung des zentralen Sterns in der zirkumstellaren Hülle aus Staub als Überbleibsel des protostellaren Kollapses, führt zu einer Verschiebung des Strahlungsmaximums zu großen Wellenlängen. Da diese Hülle mit zunehmendem Alter des jungen Sterns durch den stellaren Wind abgetragen wird, vermindert sich in gleichem Maße der Farbexzeß und das Strahlungsspektrum flacht im infraroten Bereich ab. Somit kann die Steigung des Spektrums als Maß für das Alter eines Sterns herangezogen werden, was sich in der Gleichung α 4 d log λ Fλ d log λ Deutsche Fassung widerspiegelt. Der Spektralindex α ordnet die jungen Sterne (YSO, young stellar object) in drei Klassen gemäß ihrer Entwicklungsstufe. Spektralindex α 0 0 α -2 -2 α Klasse I II III In der Klasse I sind die Sterne zusammengefaßt, die sich noch deutlich in der Vor–Hauptreihen– Entwicklung befinden und in einer dichten Staubhülle eingebettet sind. In den meisten Fällen sind sie im optischen Spektralbereich nicht beobachtbar, zeichnen sich jedoch durch eine hohe Infrarotleuchtkraft aus. Im Fall von massereichen Sternen hat sich bereits ein fusionierender Kern gebildet. YSOs der Klasse II beinhalten schon entwickeltere Sterne, meist T Tauri Sterne. Diese sind unter Umständen bereits im optischen Spektralbereich nachzuweisen und zeichnen sich durch eine Akkretionsscheibe aus Staub aus. Die polaren Zonen sind jedoch weitgehend staubfrei. Zur Klasse III zählen praktisch alle Sterne der Hauptreihe, bei denen kein Frabexzeß nachzuweisen ist. Leider ist diese Klassifikation anfällig für interstellare Extinktion, die in isolierten Bereichen sehr groß werden und möglicherweise einen zirkumstellaren Farbexzess vortäuschen kann. Daher führten Chini & Wargau (1998) eine Nahinfrarotklassifikation ein, die auf Zwei–Farben-Diagrammen beruht, und nahezu frei von Extinktionsverfälschungen ist. Das empirisch bestimmte Kriterium für Objekte der Klasse I lautet danach wie folgt: K K L M 0 26 J K 0 25 0 37 J K 0 80 Das Studium von Klasse I Sternen ist ein Teilaspekt dieser Arbeit. Dabei wird hier ein besonderes Augenmerk auf massereiche Sterne gelegt, die sich in einigen Vorgängen signifikant von der Entstehung von massearmen Sternen unterscheidet. Es wurde hierfür der Begriff der bimodalen Sternentstehung geprägt. Zum einen scheint gesichert, daß sich massearme und massereiche Sternentstehung in deutlich verschiedenen Bereichen abspielt. Während massereiche Sterne bevorzugt in isolierten Gruppen in den Spiralarmen der Galaxie gebildet werden, scheint sich die Entstehung von massearmen Sternen relativ gleichmäßig über die galaktische Scheibe verteilt in dichten Dunkelwolken abzuspielen. Es wird gar darüber spekuliert, ob massearme Sternentstehung der massereichen vorangeht, ihr sozusagen den Weg bereitet. Ein entscheidender Unterschied besteht auch in der Vor-Hauptreihen-Entwicklung, was darin begründet ist, daß massereiche Vor-Hauptreihensterne noch während der Kollapsphase die Kernfusion einleiten können. Das wiederum kann zu besonderen Phänomenen wie Kokonsternen (Chini & Krügel 1985) oder ultra-kompakten H II–Regionen führen. Ein sehr auffälliger Hinweis auf massereiche Sternentstehung sind die großen, ausgedehnten Emissionsnebel, die durch die ionisierende Strahlung der heißen Sterne zum Leuchten angeregt werden. Gebiete massearmer Sternentstehung sind dagegen meist weniger auffällig, da sie sich in dichten Dunkelwolken abspielt, aus der das Sternlicht nur stark abgeschwächt herausdringen kann. Die meist einzigen Leuchtfeuer dieser Regionen sind die sog. Herbig–Haro–Objekte, Schockfronten, die durch die Wechselwirkung von protostellaren Jets mit dem dichten umgebenden Medium gebildet werden. Besonders aufregend ist die Suche nach den echten Protosternen, jenen Objekten, die sich noch in der Phase des gravitativen Kollapses befinden und noch nicht in der Lage sind, die Kernfusion als Energiequelle zu starten. Während der Beschäftigung mit dieser Objektklasse zeigte sich rasch, daß die bislang etablierte Klassifikation nicht ausreichte, und wahre Protosterne durch sie nicht beschrieben werden. Daher unterscheidet man heute meist sehr scharf zwischen echten Protosternen und 5 Z USAMMENFASSUNG den Vor–Hauptreihensternen oder YSOs. Das Strahlungsmaximum der typischerweise 20–30 K kalten Kondensationen liegt bei noch viel größeren Wellenlängen, nämlich im Submillimeterbereich von einigen hundert Mikrometern. Und hier wurden auch die ersten echten Protosterne entdeckt (Chini et al. 1993). Im gleichen Jahr veröffentlichten André, Ward–Thompson & Barsony (1993) eine Erweiterung des Klassifikationsschemas um die Klasse 0. Sie ermöglicht den Nachweis von Protosternen aufgrund einer a priori leicht zu erhaltenden Eigenschaft, der Leuchtkraft. Das Kriterium an sich besteht darin, daß höchstens die Hälfte der gesamten protostellaren Materie im Kern konzentriert ist. Da astronomische Massen jedoch nur schwer bestimmbar sind, wurde mit vergleichsweise einfachen und plausiblen theoretischen Überlegungen ein Leuchtkraftäquivalent hergeleitet. Lbol 200 Lsmm Neben der bolometrischen Leuchtkraft wurde eine neue Submillimeterleuchtkraft Lsmm definiert, welche jene Leuchtkraft darstellt, die von Wellenlängen größer als 350 m abgestrahlt wird. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, daß die bolometrische Leuchtkraft kaum zu bestimmen ist, da nur selten Daten 12 m existieren. In der vorliegenden Arbeit wurde daher eine Ferninfrarotleuchtkraft LFIR eingeführt, die die bolometrische Leuchtkraft ersetzt. Sie orientiert sich an der Verfügbarkeit von Infrarotdaten, meist gegeben durch Messungen der Infrarotsatelliten IRAS und ISO, so daß LFIR diejenige Leuchtkraft ist, die im Wellenlängenbereich 12 m emittiert wird. Die Abweichung von der bolometrischen Leuchtkraft hat sich jedoch als gering erwiesen und wird auf typischerweise 10%, höchstens jedoch 20% geschätzt. Herbig–Haro–Energiequellen Die Herbig–Haro–Energiequellen stellen eine Komponente eines größeren Gesamtphänomens dar. Die Namensgebung geht dabei auf die Entdeckung von nebulösen Objekten Anfang der 50er Jahre durch George H. Herbig und Guillermo Haro zurück. Nach anfänglichem Rätselraten über die Natur dieser seitdem Herbig–Haro–Objekte genannten Erscheinungen, kristallisierte sich im Laufe der Jahrzehnte heraus, daß es sich hierbei um Schockfronten protostellarer Jets (Herbig–Haro–Jets) handelt, die ihren Ausgangspunkt in sehr jungen stellaren Objekten haben. Diese Herbig–Haro–Energiequellen stoßen durch einen heute noch unverstandenen Prozeß Materie mit zum Teil einigen hundert km/s in Form von bipolaren Jets aus, die beim Übergang in das dichtere interstellare Medium mit diesem durch Schocks wechselwirkt. Der Kollimationsgrad der Jets scheint mit zunehmendem Alter der treibenden Quellen abzunehmen und sie können bei YSOs der verschiedensten Evolutionsstufe, von echten Protosternen bis zu T Tauri Sternen, beobachtet werden. Daher ist das Studium der Herbig–Haro– Energiequellen hervorragend dazu geeignet, eine große Klasse von Stadien der frühen Sternentwicklung zu untersuchen. Zufällige Entdeckungen von noch jüngeren protostellaren Kondensationen in der Nähe von bereits bekannten YSOs im Zusammenhang mit Durchmusterungen von Dunkelwolken im (Sub)Millimeterbereich (Chini et al. 1993) führen zu der Erkenntnis, daß die wahrscheinlich erfolgversprechendste Methode zur Entdeckung von Protosternen eben nicht das blinde Durchsuchen von beliebigen Molekülwolken zu sein scheint. Da Sternentstehung vorzugsweise in Gruppen abläuft, sollte günstigerweise in bereits bekannten Sternentstehungsgebieten gesucht werden. Dieser Argumentation folgend, wurden im Rahmen dieser Arbeit die erfolgversprechendsten Sternentstehungsregionen aus der Liste von Chini 6 Deutsche Fassung et al. (1993) zur Bestimmung von physikalischen Eigenschaften näher untersucht. Hierzu wurden Beobachtungen mit den zur Zeit besten (Sub)Millimeterteleskopen und den jeweiligen Bolometern durchgeführt. Im Einzelnen waren dies: SCUBA am JCMT auf dem Mauna Kea auf Hawaii, MAMBO II am IRAM 30 m MRT auf dem Pico Veleta, Spanien, und das neue 19–Kanal–Bolometer am HHT auf dem Mount Graham, Arizona. Infrarotdaten, die für die Bestimmung der physikalischen Parameter ebenfalls nötig sind, wurden den Messungen der beiden Infrarotsatelliten IRAS und ISO entnommen. Die Grundlage der Bestimmung physikalischer Parameter aus den gemessenen Flußdichten der untersuchten Quellen ist die Erstellung spektraler Energieverteilungen (SEDs, spectral energy distributions) und das Anfitten einer modifizierten Planckfunktion, die die Reemission aus dem dichten zirkumstellaren Medium berücksichtigt. Der Strahlungsfluß eines solchen grauen Körpers kann mathematisch durch Sν Ω Bν Tdust 1 exp τ Ω 3 2hν c 1 exp exp hν kT ν νc β 1 beschrieben werden, wobei Ω den von Strahlungsquelle ausfüllenden Raumwinkel, Bν Tdust die von der Temperatur bestimmte Planckfunktion, τ die optische Tiefe und β die durch die Staubemission beitragende Frequenzabhängigkeit im Rayleigh–Jeans–Teil der modifizierten Planckfunktion sind. Daraus lassen sich die weiteren Größen wie Leuchtkraft und Massen bestimmen, wobei letztere durch Mgas Sν D2 κν Bν Tdust abgeschätzt werden kann. Mgas bezeichnet hierbei die Gesamtmasse des in den Aperturen erfaßten interstellaren Mediums. Die untersuchten Objekte mit den aus den Karten extrahierten Flußdichten sind in Tab. 4.2 aufgelistet und die daraus abgeleiteten physikalischen Eigenschaften befinden sich in Tab. 4.4. Die ermittelten Temperaturen reichen von 13 bis 51 K, wobei der Mittelwert etwa bei 20 K liegt. Die Massen streuen dagegen viel stärker. Die kleinste liegt bei 0.03 M , die größte dagegen bei 203 M . Aufgrund der ermittelten Verhältnisse von Ferninfrarot- zu Submillimeterleuchtkraft müssen 7 der 17 untersuchten Objekte als Protosterne der Klasse 0 bezeichnet werden. 5 weitere Quellen scheinen sich gerade an der Grenze zwischen Klasse 0 und I zu befinden. Im folgenden werden exemplarisch einige der untersuchten Regionen zusammengefaßt. L 1157 IRS Bei dem Objekt L 1157 IRS handelt sich um einen Protostern der Klasse 0 mit einer Leuchtkraft von etwa 11 L , der auch als IRAS 20486+6751 bekannt ist. Diese bereits vielfach untersuchte Quelle kann aufgrund ihrer Morphologie als der Stereotyp eines Protosterns bezeichnet werden, da die signifikanten Merkmale einer zirkumstellaren Hülle mit einem senkrecht dazu verlaufenden bipolaren Ausfluß eindrucksvoll realisiert sind. Besonders gut ist der südliche, auf den Beobachter zugewandte Teil zu erkennen, der auch einen besonders großen Reichtum an verschiedensten Molekülen aufweist. Auffällig ist, daß der Ausfluß bei 450 m nicht detektiert wurde. Detaillierte Untersuchungen haben dabei ergeben, daß hierfür höchstwahrscheinlich das hohe Detektionslimit verantwortlich ist. Physikalische Effekte, wie beispielsweise ein ungewöhnlich hoher Beitrag 7 Z USAMMENFASSUNG von Linienemission zum Kontinuumsfluß bei den höheren Wellenlängen konnte dagegen ausgeschlossen werden. Die aktuellen Messungen lassen jedoch im vorliegenden Fall die Vermutung zu, daß dieser Ausfluß durch interne Schocks geheizt wird. HH 108 IRAS & MMS Die nachfolgenden Abbildungen der Region um HH 108 IRAS & MMS zeigen neben den beiden Quellen eine Brücke, die möglicherweise Restmaterial der kollabierenden Wolke beinhaltet, aus der die kompakten Objekte entstanden sind. HH 108 IRAS ist eine IRAS-Quelle und höchstwahrscheinlich die treibende Quelle des Jets, der die Herbig–Haro–Objekte HH 108 und HH 109 produziert. Die physikalischen Eigenschaften dieses Protosterns sind mit einer Staubtemperatur von 18 K und einer Gesamtmasse von 4.5 M bei einer Ferninfrarotleuchtkraft von höchstens 8 L schon sehr beachtlich. Die ermittelten Größen für HH 108 MMS scheinen dafür zu sprechen, daß diese Quelle das möglicherweise bislang kälteste und jüngste protostellare Objekt ist, welches je entdeckt wurde. Die Temperatur von 13 K und die Masse von 3.6 M bei lediglich 1 L alleine sind schon sehr aussagekräftig. Das Leuchtkraftverhältnis von 11 bestätigt nur noch das außergewöhnlich junge Alter dieses Objekts. Wahrscheinlich handelt es sich bei HH 108 MMS nicht einmal um einen Protostern mit einem quasi-stabilen Kern, sondern um ein kollabierendes Wolkenfragment. 8 Deutsche Fassung HH 7–11 Die Region um die Herbig–Haro–Objekte HH 7–11 im bekannten Sternentstehungsgebiet NGC 1333 ist ein gutes Beispiel für die Bildung von Sternen in Gruppen oder Assoziationen. Sofort ins Auge springen die in den nachfolgenden (Sub)Millimeterkarten bezeichneten YSOs MMS 1 bis 3, die wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind. MMS 1, identisch mit dem stellaren Objekt der Klasse I SVS 13, treibt wahrscheinlich den nach Südost gerichteten HH 7–11–Ausfluß an. MMS 2 scheint der Ausgangspunkt eines weiteren stark kollimierten bipolaren Jets zu sein. Vergleicht man die weiteren Emissionen mit anderen Untersuchungen, so finden sich 4 mögliche weitere detektierte Quellen. MMS 4 und 5 koinzidieren mit bekannten T Tauri Sternen. Eine besondere neue Entdeckung verkörpern MMS 7 und 8. Diese Emissionen scheinen keinen stellaren Ursprung zu haben. Am ehesten passen die Positionen der Herbig–Haro–Objekte HH 7 und 8, so daß hier möglicherweise zum ersten mal Herbig–Haro–Objekte selbst im Bereich der (Sub)Millimeterwellenlängen entdeckt wurden. Eine kürzliche veröffentlichte theoretische Arbeit scheint diese These zu stützen (Mouri & Taniguchi 2000). Die Quintessenz dieser Studie lautet, daß Staubkörner durch Schocks in ihrer Mehrzahl nicht verdampfen, sondern etwa 70 – 80% von ihnen die Wechselwirkung mit den Jets überstehen können. Das steht im krassen Widerspruch zu der bislang allgemein angenommenen Vorstellung. Daher ist es möglich, daß der durch den Jet komprimierte Staub durchaus im (Sub)Millimeterbereich nachweisbar sein könnte. Bei genauerer Betrachtung sind HH 7–11 MMS 7 & 8 keine Einzelfälle, obwohl sie die in diesem Sample wohl deutlichsten Beispiele sind. Von dieser Entdeckung angespornt, wurden weitere vielversprechende Sternentstehungsgebiete nach Submillimeteremissionen von Herbig–Haro–Objekten bei 870 m untersucht. Dabei wurde das wohl bislang eindeutigste Beispiel hierfür bei HH 6, ebenfalls im NGC 1333-Komplex gefunden. Weitere Beobachtungen bei 1.2 mm sind bereits beantragt. M 17 Neben den in der überwiegenden Mehrzahl massearmen Protosterne, widmete sich ein weiterer großer Teil der Promotion der Entstehung von massereichen Sternen. Ein hervorragendes Gebiet zur Untersuchung dieses Phänomens stellt der helle Emissionsnebel M 17 (Omeganebel, NGC 6618) dar. Da die YSOs hier in ihrer Entwicklung bereits weiter fortgeschritten sind und die niedrige Auflösung bei hohen Wellenlängen das Studium der mit der 1.6 kpc entfernten H II–Region assoziierten kompakten Quellen erschwert, wurde vorwiegend im Infraroten (1.25 bis 20 m) beobachtet. Die besondere Natur der ultra-kompakten H II–Region M 17-UC1 machte Radiountersuchungen mit dem VLA bei 1.3 cm 9 Z USAMMENFASSUNG erforderlich. Ein wesentlicher Teil der Studie um M 17 beinhaltete die Anfertigung und Analyse zweier Mittelinfrarotkarten (10.5 und 20.0 m), die jeweils aus einem Mosaik von 133 Einzelaufnahmen zusammengesetzt wurde (siehe nachfolgende Abbildungen). Weiterhin wurden 15 Objekte mit erhöhter Integrationszeit gesondert untersucht, 7 weitere konnten aus den vorhandenen Karten extrahiert werden, darunter 4 wahrscheinlich bislang unentdeckte Infrarotquellen. Ihre Positionen sind in den beiden Karten durch Kreuze markiert. Das etwa 4 5 lange und ca. 230 K warme Emissionsband ist sehr wahrscheinlich ein Resultat einer von dem O4V-Stern CEN 1 ausgehenden Ionisationsfront, die sich von Nordost nach Südwest in die dichte Molekülwolke hineinschiebt. Dabei verdichtet sie das bereits vergleichsweise dichte interstellare Medium noch weiter und sorgt so für gravitative Instabilitäten, die letztlich zur Bildung neuer Sterne führen. M 17 stellt damit ein hervorragendes Beispiel für das Szenario der sequentiellen Sternentstehung dar. Ausgehend von den sich weit im Nordosten der H II–Region befindlichen OB-Assoziationen, wo das restliche interstellare Medium bereits weitgehend vom Strahlungsdruck und stellaren Wind fortgeweht wurde, bahnt sich eine Ionisationsfront ihren Weg immer weiter in den Südwesten, wobei ständig das Entstehen neuer Sterne induziert wird. Unter den gesondert erfaßten Objekten befinden sich solch interessante Phänomene wie Kokonsterne, zirkumstellare Scheiben um massereiche YSOs, ultra-kompakte H II–Regionen sowie möglicherweise eine von der Theorie im Rahmen der Entstehung von Doppelsternen vorhergesagte Staubspirale. Das in diesem Gebiet wohl am ausführlichsten untersuchte Objekt ist M 17-UC1, in der vorliegenden Studie als IRS 5N bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine ultra-kompakte H II–Region mit einem Zentralstern des Typs B0–0.5. Der ca. 5 entfernte jüngere Begleiter IRS 5S wahrscheinlich ähnlicher Kategorie wurde erst im Laufe dieser Kampagne identifiziert und durch mehrere eigene Beobachtungen bestätigt. Unter Zuhilfenahme hochaufgelöster Nahinfrarotaufnahmen hat sich gezeigt, daß M 17-UC1 bislang in diesen Wellenlängen mit dieser neuen südlicheren Quelle verwechselt wurde. M 17-UC1 ist nämlich im Nahinfraroten kaum nachweisbar, während IRS 5S überaus hell erscheint. Genau das Gegenteil zeigt sich bei 1.3 cm. Die Strahlung der Ionisationsregion macht sich bei dieser Wellenlänge extrem bemerkbar, wobei IRS 5S bislang nicht detektiert wurde. Theoretische Modelle lassen mutmaßen, daß IRS 5S das Anfangsstadium einer sich bildenden ultra-kompakten H II–Region 10 Deutsche Fassung sein könnte. In jedem Falle ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, hier einen jungen massereichen Doppelstern gefunden zu haben. Blick in die Zukunft Der Grundstein für die zukünftigen Forschungsschwerpunkte ist bereits gelegt; sie gliedern sich im wesentlichen in 3 Teile. Zunächst soll die systematische Suche nach Protosternen in bekannten Sternentstehungsgebieten fortgesetzt und die Bestimmung physikalischer Eigenschaften von Protosternen auf eine größere Basis gestellt werden. Dabei ist von besonderem Interesse, ob sich Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Parametern und protostellaren Phänomenen ergeben. Es wäre beispielsweise zu vermuten, daß eine Korrelation zwischen Ausflußaktivität und dem Energieausstoß der treibenden Quellen besteht. Weiterhin wird der Detektierbarkeit von Herbig–Haro–Objekten im (Sub)Millimeterbereich nachgegangen werden. Ist die gefundene Emission in verdichtetem Staub begründet? Inwiefern spielt Linienemission von angeregten Molekülen eine Rolle? Wie häufig ist das Phänomen und welche äußeren Einflüsse könnten hierbei eine Rolle spielen? Nachfolgebeobachtungen sind bereits beantragt, so daß mit ersten brauchbaren Ergebnissen in Form von tendenziellen Aussagen möglicherweise bereits Ende dieses Jahres zu rechnen ist. Im Zuge der Beschäftigung mit der Klassifikation von Protosternen hat sich erwiesen, daß das Klasse 0–Kriterium zwar einleuchtend, aber leider in der Praxis wenig sinnvoll ist. Insbesondere die Ableitung der bolometrischen Leuchtkraft ist schwierig und in den meisten Fällen sogar unmöglich. Die im Rahmen dieser Arbeit ersatzweise eingeführte Ferninfrarotleuchtkraft mag zwar praktikabel sein, schränkt die Vergleichbarkeit verschiedener Protosternkandidaten jedoch ein. Daher soll nun versucht werden, ein neues, sicheres und leicht zu verifizierendes Kriterium aufzustellen, daß sich in Anlehnung an den von Lada eingeführten Spektralindex auf den Vergleich von Messungen im Mittelinfrarot- und Millimeterbereich stützt. Zusätzlich sollen etwaige VLA–Detektionen eine Rolle spielen. Der Anfang ist auch hier schon durch vergleichende Beobachtungen in OMC 2 und 3 (Orion Molecular Cloud) mit TIMMI 2 bei 10.5 m und dem IRAM 30 m MRT bei 1.3 mm gemacht. Weitere Beobachtungsanträge sind bereits eingereicht. Abschließend sei erwähnt, daß der Forschung der Sternentstehung der große Durchbruch wahrscheinlich noch bevorsteht. Das sich in der Planungsphase befindliche ALMA (Atacama Large Millimetre Array), welches auf dem Hochplateau Chajnantor in den Chilenischen Anden errichtet werden wird, wird alle bisherigen (Sub)Millimeterteleskope aufgrund seiner räumlichen Auflösung und Detektionsempfindlichkeit in den Schatten stellen. Ähnlich wie das VLA im Radiobereich, sollen 64 Teleskope mit einem Antennendurchmesser von je 12 m aufgestellt werden. Dann wird man endlich in der Lage sein, die offenbar häufig auftretende Multiplizität von Protosternen direkt nachzuweisen. Mit dem Projekt APEX (Atacama Pathfinder Experiment), welches in Zusammenarbeit des Astronomischen Instituts der Ruhr–Universität Bochum und dem Max–Planck–Institut für Radioastronomie durchgeführt wird, soll bereits ein wichtiger Grundstein gelegt werden. Das Ziel hierbei ist, daß schon im Laufe des kommenden Jahres ein erstes Submillimeterteleskop am gleichen Ort errichtet werden wird. Dieses Teleskop alleine wird dann das einzige seiner Art in der gesamten südlichen Hemisphäre und nur vergleichbar mit dem JCMT auf Hawaii sein. 11