Öffentlich rechtlicher Vertrag - Lehrstuhl für Öffentliches Recht

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Wintersemester 2014/15
AG Allgemeines Verwaltungsrecht
Emma Harms
Öffentlich rechtlicher Vertrag (§§ 54 ff. VwVfG/§§ 121 ff. LVwG)
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Öffentlich rechtliche Verträge
Völkerrechtliche Verträge
Verfassungsrechtliche Verträge
Verwaltungsabkommen
Staatskirchenverträge
Verwaltungsrechtliche Verträge
 Definition: Verträge, die eine Behörde zur Begründung, Änderung oder
Aufhebung eines Rechtsverhältnisses mit einem Bürger oder
einer Behörde eines anderen Rechtsträgers auf dem Gebiet des
öffentlichen Rechts schließt.
 oft nur als öffentlich rechtlicher Vertrag bezeichnet
 Merkmale
 Vertrag: übereinstimmende Willenserklärungen zweier Rechtssubjekte
- von der Behörde abgegebene Willenserklärung ist kein VA
- ihr geht auf Seiten der Behörde die Entscheidung zum Vertragsschluss als
Handlungsform voraus (= schlichthoheitliches Handeln).
- ausgelegt nach dem BGB (§ 129 LVwG)
 auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts: nur Verwaltungsrecht
- Verwaltung kann auch privatrechtlich arbeiten
 Abgrenzung z.T. schwierig: Öffentlich rechtlicher Vertrag, wenn sich
der Vertrag auf einen Sachverhalt bezieht der sich nach Maßgabe
öffentlich-rechtlicher Vorschriften beurteilt.
 BVerwG: (S) Grundsatz der Einheitlichkeit: es muss auf den
Gesamtcharakter des Vertrages abgestellt werden
(S) Schwerpunkts- bzw. Geprägetheorie: es muss weiterhin
geschaut werden, wo der Schwerpunkt der vertraglichen
Regelung liegt und welcher Teil der vertraglichen Regelung
den Vertrag prägt
a.A.: (S) Trennungstheorie: öffentlich rechtliche und privatrechtliche
Teile möglich
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 Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses:
- Rechtsverhältnis i.S.v. § 121 LVwG ist die sich aus einem konkreten
Sachverhalt ergebende rechtliche Beziehung eines Rechtssubjekts zu
einem anderen Rechtssubjekt oder einer Sache.
 Vertragsarten
 Subordinationsrechtlicher Vertrag (§ 121 S. 2 LVwG)
- Sachverhalte, bei denen auch ein VA erlassen hätte werden können
- Mögliche Konstellationen: verwaltungsaktvorbereitende und -ersetzende
Verträge; Kombination aus VA und ö-r Vertrag gleichzeitig
- Nach h.M. müssen sie nicht verwaltungsaktbezogen sein: ÜberUnterordnungsverhältnis ist entscheidend
(P) abstraktes oder konkretes Subordinationsverhältnis?
1. Ansicht: abstrakte Betrachtungsweise  alle Staat-Bürger-Verhältnisse
2. Ansicht: konkrete Betrachtungsweise  es muss im konkret
bestehenden RV ein Subordinationsverhältnis gegeben sein
 Koordinationsrechtliche Verträge
- Gleichgeordnete Verträge
 Vergleichsverträge (§ 122 LVwG)
- § 122 nur auf § 121 S. 2 anwendbar: Subordinationsrechtliche
Vergleichsverträge
- Koordinationsrechtliche Vergleichsverträge richten sich nach § 121 S.1,
124, 125, 126 I LVwG
- Prozessvergleiche richten sich nach § 106 VwGO
Voraussetzungen des § 122:
1. Ungewissheit über tatsächliche oder rechtliche Umstände
2. Beseitigung der Ungewissheit ist nicht oder nur unter erheblichen
Schwierigkeiten möglich („bei verständiger Würdigung“/“nach
pflichtgemäßem Ermessen“)
3. Nachgeben beider Parteien
 Austauschverträge (§ 123 LVwG)
- § 123 nur auf § 121 S. 2 anwendbar: Subordinationsrechtliche
Austauschverträge
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- Koordinationsrechtliche Vergleichsverträge richten sich nach § 121 S.1,
124, 125, 126 I LVwG
- nicht nur synallagmatische Verträge
 (S) hinkende Austauschverträge: nur der Vertragspartner der Behörde
verpflichtet sich zu einer Leistung, um von der Behörde eine
außervertraglich versprochene oder stillschweigend vorausgesetzte
Leistung zu erhalten
Voraussetzungen des § 123 Abs. I:
1. Gegenleistung des Bürgers zu einem vertraglich vereinbarten Zweck
2. Gegenleistung muss der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen
3. Angemessenheit der Gegenleistung des Bürgers
- Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht erforderlich
- dürfen bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht außer Verhältnis stehen
4. Sachlicher Zusammenhang zwischen behördlicher Leistung und
Gegenleistung: (S) Kopplungsverbot
 bei striktem Leistungsanspruch des Bürgers: Abs. II
- auch anwendbar, wenn einzelne Voraussetzungen des Anspruches nicht
vorliegen
 dient dazu, den Bürger vor Leistungsverpflichtungen zu schützen, die
die Behörde nicht durch eine Nebenbestimmung hätte regeln dürfen
 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen
I. Zulässigkeit der Vertragsform
- 1. Frage: Ist der ö-r Vertrag der Behörde als Handlungsform statt des VAs
o.ä. (handlungsformersetzender ö-r Vertrag) versagt?
 z.B. Beurteilung mancher Prüfungsleistungen (§ 2 III Nr. 2 VwVfG),
Bauleitplanung (§ 1 III S. 2, VIII BauGB), Steuer- und
Abgabenangelegenheiten (h.M.)
 vor allem, wenn zwingend andere Handlungsformen festgeschrieben sind
(z.B. Beamtenernennung/-entlassung)
 bei Verstoß: § 126 I i.V.m. § 121 S. 1 LVwG, 134 BGB
- 2. Frage: Darf sich die Behörde im ö-r Vertrag verpflichten einen
bestimmten VA zu erlassen (verwaltungsaktvorbereitender ö-r
Vertrag)? - Eingriffsbefugnis
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II. Formelle Rechtmäßigkeit
1. Zuständigkeit
- Spezialnorm aus jeweiligen Fachgebiet
2. Schriftform (§ 124 LVwG)
 § 129 LVwG verweist auf §§ 126 ff. BGB
3. Zustimmung (§ 125 LVwG)
III. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Eingriffsbefugnis (RGL)
2. Verstoß gegen Rechtsvorschriften (weit zu verstehen)
3. Verstoß gegen allgemeine Rechtsgrundsätze des Verfassungs- und
Verwaltungsrechts
 Kann der Bürger durch den vorliegenden Vertragsschluss wirksam auf die
Beachtung der Rechtsvorschriften/Grundsätze verzichten und der Behörde damit
einen weiteren Handlungsspielraum überlassen?
 Faustformel: grds. (+) bei Bürger schützenden Normen/Grundsätzen
IV. Rechtsfolgen der Rechtswidrigkeit
Grundsatz: Wie beim VA und anders als bei Gesetzen führt die Rechtswidrigkeit
eines ö-r Vertrages nicht grundsätzlich zur Nichtigkeit/Unwirksamkeit.
 Nichtigkeitsgründe in § 126 LVwG
Prüfungsreihenfolge: Abs. II  Abs. I
1. Unwirksamkeit wegen fehlender Zustimmung (§ 125)
2. Spezielle Nichtigkeitsgründe (§ 126 II)
- nur anwendbar für subordinationsrechtliche Verträge (§ 121 S. 2)
 Nr. 1: verweist auf Nichtigkeitsgründe des § 113 LVwG
 Nr. 2: verhindert, dass Parteien durch bewusstes/gewolltes
Zusammenarbeiten zwingende Vorschriften umgehen (Kollusion)
 Nr. 3: verhindert die Missachtung der Voraussetzungen eines
Vergleichsvertrages
 Nr. 4: verhindert die Missachtung der Voraussetzungen eines
Austauschvertrages
- nur unzulässige Gegenleistung genannt
- h.M.: jedweder Verstoß führt zur Nichtigkeit
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3. Allgemeine Nichtigkeitsgründe (§ 126 I)
- anwendbar auf subordinations- und koordinationsrechtliche Verträge
- häufige Anwendungsfälle:
 Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit eines Vertragspartners (§ 105
BGB)
 Verletzung von Formvorschriften (ohne Heilungsmöglichkeit) (§ 125
BGB)
 Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 BGB)
 Anfechtung (§§ 119 ff, 142 BGB)
(P) § 134 BGB- Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot- anwendbar?
- bei uneingeschränkter Anwendung: regelmäßige Nichtigkeit rechtswidriger ö-r Verträge
 Untergraben von § 126 II LVwG
- Differenzierung des BVerwG: qualifizierte (besonders schwerwiegende)
und schlichte (folgenlose) Rechtswidrigkeit
4. Unwirksamkeit (§ 126 III)
- Spezialität Schleswig-Holsteins: Unwirksamkeit muss von den Parteien
schriftlich geltend gemacht werden  Monatsfrist
5. Verstoß gegen EU Recht
- nur zwingende Vorschriften des EU-Rechts
 Beispiel: Art. 108 III AEUV Notifizierungspflicht
Subventionsverträgen (str.)
1. Ansicht: Nichtigkeit
2. Ansicht: schwebende Unwirksamkeit des Vertrages
 bei Genehmigung der Kommission: ex nunc wirksam
bei
 Folgen der Nichtigkeit/Unwirksamkeit
- Verpflichtungen aus nichtigen ö-r Vertrag unwirksam
- VA, der aufgrund eines nichtigen ö-r Vertrages erlassen wurde, nicht
nichtig sondern nur anfechtbar
- Leistungen, die aufgrund eines nichtigen ö-r Vertrages erbracht wurden,
nach ö-r Erstattungsanspruch zurück zu erstatten
 gleiches gilt, wenn der ö-r Vertrag unwirksam geworden ist
- Bei Kündigung (§ 127 LVwG) erlischt der Vertrag mit ex nunc Wirkung
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- Bei Rücktritt (BGB-Vorschriften) wird der ö-r Vertrag nicht unwirksam,
sondern wandelt sich in ein schuldrechtliches Abwicklungsverhältnis um
(§ 346 BGB)
 Rückabwicklunganspruch der Behörde darf nicht durch VA
durchgesetzt werden; allgemeine Leistungsklage
- Eine Anpassung (§ 127 LVwG) erfolgt durch vertragliche Vereinbarung.
 § 313 BGB- Wegfall der Geschäftsgrundlage- nicht über § 129 LVwG
anwendbar
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