Prof. E. Frey Dr. Felix Höfling Lehrstuhl für Statistische Physik Biologische Physik & Weiche Materie Arnold-Sommerfeld-Zentrum für Theoretische Physik Fakultät für Physik WiSe 2008/09 11. Februar 2009, 1200 – 1500 Uhr T4: Statistische Mechanik (Prof. E. Frey) Klausur Name: Matrikelnummer: Studiengang/Abschluß: Fachsemester: Jede Aufgabe ist auf getrennten Blättern zu lösen. Bitte versehen Sie jedes Blatt mir Ihrem Namen. Eine Sammlung mit mathematischen Formeln befindet sich auf der letzten Seite. Aufgabe 1 2 3 4 5 6 Summe Punkte Viel Erfolg! Aufgabe 1 Verständnisfragen (40 Punkte) Die folgenden Fragen sind kurz, stichpunktartig und ohne ausführliche Rechnungen zu beantworten. a) Nennen Sie zwei Formulierungen des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik. (4 P.) b) Was versteht man unter extensiven und intensiven Variablen? Geben Sie jeweils zwei Beispiele an. (4 P.) c) Geben Sie das totale Differential der Enthalpie H einer molekularen Substanz an. (2 P.) d) Skizzieren Sie die freie Energie als Funktion der Temperatur. Was läßt sich über die Steigung am Temperaturnullpunkt sagen? (3 P.) e) In welchem Sinne sind das mikrokanonische und das kanonische Ensemble äquivalent? (2 P.) f) Was versteht man unter einer Maxwell-Relation? Geben Sie ein Beispiel. (2 P.) g) Zwei Systeme A, B befinden sich in einem isolierten Gefäß und sind durch eine Wand getrennt, die teilchenundurchlässig, aber energiedurchlässig ist. Formulieren sie die Bedingungen an das thermodynamische Gleichgewicht, falls die Wand i) fest oder ii) beweglich ist. (4 P.) h) Was besagt das Äquipartitionsprinzip? (2 P.) i) Wie verhalten sich die typischen Teilchenzahlfluktuationen in Abhängigkeit der mittleren Teilchenzahl im großkanonischen Ensemble? (2 P.) k) Im Stern-Gerlach-Versuch wird an Silberatomen (Spin 1/2) die z-Komponente des Spins gemesssen. Geben Sie den statistischen Dichteoperator für das erhaltene Gemisch an. (3 P.) l) Wie bestimmt die thermische Wellenlänge die Übergangstemperatur der Bose-Einstein-Kondensation? (2 P.) m) Skizzieren Sie das Druck-Temperatur-Diagramm realer Flüssigkeiten und identifizieren Sie besondere Punkte. (4 P.) n) Skizzieren Sie die spezifische Wärme für ein Ensemble aus identischen, unabhängigen quantenmechanischen Oszillatoren als Funktion der Temperatur. Geben Sie das qualitative Verhalten bei tiefen und hohen Temperaturen sowie die charakteristische Energieskala an. (4 P.) o) Geben Sie die Dispersionsrelation für freie, nichtwechselwirkende Elektronen an. Welches charakteristische Verhalten zeigt der Elektronenbeitrag zur Wärmekapazität bei tiefen Temperaturen? (2 P.) Aufgabe 2 Van-der-Waals-Fluid (30 Punkte) Die von van der Waals gefundene empirische Zustandsgleichung realer Gase lautet P = P (v, T ) = kB T a − . v − b v2 Dabei bezeichnen v = V /N das Volumen pro Teilchen, P den Druck, T die Temperatur, und a, b sind positive Konstanten. a) Bestimmen Sie aus der Zustandsgleichung die freie Energie pro Teilchen f (T, v). Berücksichtigen Sie, daß reale Gase bei unendlicher Verdünnung (v → ∞) durch das ideale Gas beschrieben werden, fid (T, v) = −kB T log λ−3 v mit der thermischen Wellenlänge λ. (12 Punkte) b) Ermitteln Sie den thermischen Ausdehnungskoeffizienten α = v −1 (∂v/∂T )P sowie die isotherme Kompressibilität κT = v −1 (∂v/∂P )T . (12 Punkte) c) Berechnen Sie die Spinodale, d.h. die Grenzkurve P = Ps (v), an der das Fluid mechanisch instabil wird, (∂P/∂v)T = 0. Bestimmen Sie den kritischen Punkt (vc , Tc , Pc ). (6 Punkte) Aufgabe 3 Magnonen im Antiferromagneten (20 Punkte) Ein Spingitter liegt im antiferromagnetische Zustand vor, wenn es sich in zwei Untergitter A und B zerlegen läßt, in denen die Spins jeweils nach oben bzw. unten zeigen. In solch einem Antiferromagneten sind die niederenergetischen Anregungen bosonische Quasiteilchen, genannt Magnonen. Ignoriert man Wechselwirkungen untereinander, so erhält man eine Beschreibung durch den effektiven Hamiltonoperator X H= ~ωk nks , nks = 0, 1, 2, . . . , s ∈ {A, B}, ks wobei nks die Besetzungszahlen für Spinwellenanregungen der Untergitter sind und die Wellenvektoren k auf die erste Brillouinzone beschränkt sind. Die Dispersionsrelation kann für kleine Wellenzahlen genähert werden durch k = |k|, I > 0, a > 0; ~ωk = Iak + O k 2 , ωk PSfrag replacements hierbei bezeichnen a eine Gitterkonstante und I die charakteristische Energieskala. Da Magnonen Quasiteilchen sind, ist die Teilchenzahl nicht erhalten, d.h. das chemische Potential verschwindet identisch, µ ≡ 0. −π π /2 0 π /2 π a) Begründen Sie, daß bei tiefen Temperaturen nur die Anregunka gen in der Nähe von k = 0 für die thermischen Eigenschaften Dispersionsrelation antiferromagnetischer Maeine Rolle spielen. (5 Punkte) gnonen entlang eines Schnitts durch die Bril- louinzone. b) Berechnen Sie den führenden Beitrag der antiferromagnetischen Magnonen zur mittleren Energie und zur spezifischen Wärme bei tiefen Temperaturen. c) Zu welchem Problem bilden die antiferromagnetischen Magnonen das Analogon? (13 Punkte) (2 Punkte) Hinweis: Die Integration über die Brillouinzone kann näherungsweise auf den gesamten R3 ausgedehnt werden und läßt sich dann auf eine Konstante D3 reduzieren, wobei Z ∞ ην dη = Γ(ν + 1) ζ(ν + 1). Dν = η e −1 0 Aufgabe 4 Biopolymer (35 Punkte) Viele Biopolymere haben eine modulare Struktur, bei der jedes Modul (Kettenglied) zwischen zwei energetisch verschiedenen Zuständen (gefaltet und gestreckt) mit unterschiedlichen Längen `0 und `1 hin und her wechseln kann. Die Energien der Zustände seien mit ε0 bzw. ε1 bezeichnet; der gefaltete Zustand hat die niedrigere Energie, ε0 < ε1 . Betrachten Sie ein Polymer aus N solchen modularen Einheiten, die auf einer Geraden angeordnet sind. Das Polymer werde durch eine konstante Kraft f an den Enden gespannt. a) Begründen Sie, daß sich die Zustandssumme im Ensemble Zf = Sp e−βHf , wobei F F Illustration zum Zwei-Zustands-Modell eines modularen Biopolymers wie Titin; aus M. Rief u. a., Phys. Rev. Lett. 81, 4764 (1998). Für Titin sind `0 = 4 nm and `1 = 32 nm. konstanter Kraft schreiben läßt als Hf ({ni }) = H0 + 2δε N X ni . i=1 Dabei sei der Zustand des i-ten Moduls durch ni = 0 (gefaltet) oder ni = 1 (gestreckt) beschrieben; (6 Punkte) außerdem sei H0 := (ε0 − f `0 )N und δε := 12 [(ε1 − ε0 ) − f (`1 − `0 )]. Hinweis: Das Ensemble konstanter Kraft ist analog zum isobaren Ensemble für Gase, wobei f ↔ −p. b) Berechnen Sie die Zustandssumme Zf und die freie Enthalpie G(T, N, f ) des Polymers. (12 Punkte) Zur Kontrolle: G(T, N, f ) = H0 + N δε − N kB T log (2 cosh(δε/kB T )). c) Bestimmen Sie die Entropie und die Wärmekapazität bei konstanter Kraft. (12 Punkte) d) Leiten Sie die Kraft-Ausdehnungs-Relation ab, d.h. berechnen Sie die mittlere Länge L(f ) = −(∂G/∂f )T,N des Kettenmoleküls. Wieviele Module sind im Mittel gestreckt? Interpretieren Sie das Ergebnis. (5 Punkte) Aufgabe 5 Fluktuationen und lineare Antwort (15 Punkte) Leiten Sie für die Varianz der Energie E eines Gases mit Temperatur T folgenden Zusammenhang zur spezifischen Wärme CV bei konstantem Volumen her, δE 2 = kB T 2 CV . Aufgabe 6 Tonks-Gas mit 2 Teilchen (20 Punkte) Zwei klassische harte Kugeln mit Durchmesser a können sich entlang einer Geraden zwischen zwei harten Wänden im Abstand L bewegen. Die Hamilton-Funktion für die Teilchen 1 und 2 lautet 2 X p2i + V (x1 − x2 ) 2m i=1 H= a mit dem Wechselwirkungspotential ( ∞ für |x1 − x2 | 6 a, V (x1 − x2 ) = 0 sonst. L Bestimmen Sie für dieses System die Entropie und den Druck im kanonischen Ensemble. Gesamtpunktzahl: 160 Punkte Formelsammlung Reihenentwicklungen: ∞ X xk exp(x) = , k! ∞ X xk log(1 − x) = − , k k=0 ∞ X k 1 = x , 1−x k=1 k=0 ! ∞ X n k (1 + x) = x k n k=0 Hyperbelfunktionen: cosh(x) = ex + e−x , 2 tanh0 (x) = sinh(x) = 1 , cosh(x)2 sinh(x) ex − e−x , tanh(x) = , 2 cosh(x) 1 1 [1 − tanh(x)] = 2x 2 e +1 Kombinatorik: ! n n! = , (n − k)! k! k Z Γ(n + 1) = ∞ √ dx xn e−x = n! ' nn e−n 2πn 0 Gaußintegrale: Z ∞ −∞ 2 dx e−x /a = √ Z ∞ πa, 2 dx x2n e−x /a = an+1/2 Γ(n + 1/2) −∞ Die angegebenen Formeln sind als Memo gedacht, ohne zusätzliche Angabe etwaiger Gültigkeitsbereiche etc.