Elektromagnetische Felder in der Umgebung eines Schwarzschild

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Elektromagnetische Felder in der Umgebung eines
Schwarzschild-Loches
DISSERTATION
zur
Erlangung des Grades eines
Doktors der Naturwissenschaften
der Fakultät für Physik und Astronomie
der Ruhr-Universität Bochum
von
Pál Géza Molnár
aus Winterthur (Schweiz)
Bochum (2001)
Dissertation eingereicht am:
30.04.2001
Tag der Disputation :
02.07.2001
Referent:
Prof. Dr. K. Elsässer
Korreferent:
Prof. Dr. R. Schlickeiser
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
3
I
7
Elektrostatik
2 Die 2. Greensche Identität
9
3 Die Maxwellschen Gleichungen
15
4 Elektrostatisches Potential einer Testladungsverteilung
22
5 Drei Beispiele
31
5.1
Punkttestladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
5.2
Ein Randwertproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
5.3
Geladene Hohlkugel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
6 Qualitatives Verhalten der Felder (1. Teil)
35
6.1
Multipolentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
6.2
Asymptotische Felder für r0 → 2m . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
7 Die Kraft auf eine Ladungsverteilung
1
40
2
II
INHALTSVERZEICHNIS
Magnetostatik
49
8 Newman-Penrose-Koordinaten
51
9 Die Maxwellschen Gleichungen
55
10 Lösungen der Maxwellschen Gleichungen
59
10.1 Entkopplung und Separation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
10.2 Die analytischen Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
11 Qualitatives Verhalten der Felder (2. Teil)
69
12 Das Goldreich-Julian-Modell
73
A Differentialgeometrie auf Mannigfaltigkeiten
80
A.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
A.2 Geometrische Objekte auf Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 85
A.3 Kalkül auf Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
A.3.1 k-Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
A.3.2 Die äußere Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
A.3.3 Die ∗-Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
A.3.4 Das Kodifferential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
A.4 Der Stokessche Integralsatz
Literaturverzeichnis
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
105
Kapitel 1
Einleitung
Die enormen Energieausbrüche von aktiven galaktischen Kernen und Doppelsternsystemen gehören zu den interessantesten Bereichen moderner Astrophysik. Um ihren Mechanismus verstehen zu können, braucht es eine gute Kenntnis der elektrischen und magnetischen Felder, wie sie z. B. in den Magnetosphären von Neutronensternen und Schwarzen
Löchern auftreten. In einigen wenigen Fällen existieren analytische Lösungen sowohl
für die Schwarzschild- wie auch für die Kerr-Metrik. Die meisten modernen Arbeiten
benutzen diese Lösungen, um komplizierte Systeme am Rechner simulieren zu können.
Trotzdem ist es wünschenswert, wie ich denke, die bereits gefundenen Speziallösungen
zu verallgemeinern und so möglichst viele Konfigurationen abdecken zu können. Lange
Zeit verlief die Suche nach stationären analytischen Lösungen sowohl elektrischer als auch
magnetischer Felder parallel.
Im Jahre 1968 bewies Israel das folgende Theorem [1]: Die Reissner-Nordström-Lösung
ist die einzige statische, asymptotisch flache, elektrische Vakuumlösung der Einsteinschen
Feldgleichungen, deren Flächen g00 = const. geschlossen und einfach zusammenhängend
sind und deren Ereignishorizont g00 = 0 regulär ist. Ein Jahr vorher war ihm der analoge Beweis für die Schwarzschild-Lösung gelungen [2]. Unabhängig voneinander leiteten
Hanni und Ruffini [3, 4] und Cohen und Wald [5] das elektrostatische Feld einer Punkttestladung, die sich im Schwarzschild-Raum in Ruhe befindet, her. Während diese Lösung
eine für Multipolfelder ist, gelang Linet [6] eine algebraische Form der Lösung. Wie die
Autoren die Ladung langsam ins Loch hinabsenkten, fanden sie, daß zwar das elektri3
4
KAPITEL 1. EINLEITUNG
sche Feld der Ladung regulär bleibt, daß aber gleichzeitig alle Multipolmomente bis auf
den Monopol verschwinden, sobald die Ladung den Horizont erreicht. Da schloßen sie
mit Israels Theorem, daß auf diese Weise ein geladenes Schwarzes Loch, ein sogenanntes
Reissner-Nordström-Loch, entsteht. Als dann in den frühen Siebzigern die Eindeutigkeitssätze über Schwarze Löcher bewiesen wurden (insbesondere die Theoreme von Carter [7], Hawking [8] und Robinson [9]), wurde schnell klar, daß ein isoliertes Schwarzes
Loch nur dann ein elektromagnetisches Feld besitzt, wenn es eine Ladung trägt.
Das dazu nahe verwandte Problem eines Magnetfeldes außerhalb eines kompakten magnetischen Sterns mit Oberflächenstrom betrachteten für Dipolfelder Ginzburg und Ozernoi [10], und für Multipolfelder Anderson und Cohen [11]. Petterson [12] präsentierte eine
Rechnung für das quasistatische, axialsymmetrische Magnetfeld in einem SchwarzschildHintergrund. Seine Lösung gilt sowohl innerhalb als auch außerhalb des Radius, an dem
sich die Quelle befindet. Alle Autoren fanden, daß das Magnetfeld für einen Beobachter
verschwindet, wenn sich die Quelle dem Horizont nähert. Dies ist in Übereinstimmung
mit einem Theorem von Price [13], das sagt, daß während des Prozesses eines Gravitationskollapses alle elektromagnetischen Multipolmomente der kollabierenden Materie
verschwinden müssen bis auf das elektrische Monopolmoment. Doch leider werden die
elektrischen und magnetischen Felder sehr groß, wenn die Quellen sehr nah am Horizont
sind. Möglicherweise manifestiert sich in dieser Tatsache aber nur der Zusammenbruch der
quasistatischen Betrachtung, und sie ist deshalb kein wirklicher Effekt. Eine zeitabhängige Untersuchung durch de la Cruz, Chase und Israel [14] unterstützt diese Möglichkeit.
Ihr numerisches Resultat ist, daß das Magnetfeld während des Kollapses außerhalb der
Sphäre zu Null wird. Als Wald [15] sowohl einen elektrostatischen, als auch einen magnetostatischen Multipol von fester Stärke in das Zentrum einer massiven, nicht rotierenden,
sphärischen Schale plazierte und das zugehörige elektromagnetische Feld berechnete, fand
er dasselbe Verhalten der Lösung. Wie sich die Schale ihrem eigenen SchwarzschildRadius näherte, verschwanden alle elektrostatischen und magnetostatischen Multipolmomente außer das Monopolmoment, und das elektromagnetische Feld blieb auf der Schale
endlich.
Es vergeht kein Tag, an dem nicht Arbeiten zur Elektrodynamik in der Umgebung massiver Objekte erscheinen. Beim Studium der Literatur kann man schnell die Übersicht
5
verlieren. Deshalb möchte ich stellvertretend für viele Arbeiten diejenige von Ghosh [16]
zitieren. Man findet in ihr viele Verweise auf andere Arbeiten. Ein lohnender Einstieg
in einige Gebiete der Theoretischen Astrophysik bieten die Living Reviews, die man über
das Internet erreichen kann [17].
Meine Arbeit habe ich in die zwei Teile Elektrostatik und Magnetostatik aufgeteilt. Ich
beginne in Teil I mathematisch mit der Verallgemeinerung der 2. Greenschen Identität
auf (pseudo-) Riemannsche Mannigfaltigkeiten. Wie die wohl bekannte 2. Greensche
Identität es gestattet, Randwertprobleme in der üblichen Elektrostatik zu lösen, erlaubt
meine Verallgemeinerung, elektrostatische Randwertprobleme in der Umgebung eines
Schwarzschild-Loches zu lösen.
Danach zeige ich, wie man die Maxwellschen Gleichungen im Rahmen des Differentialformenkalküls formulieren kann. Dies wird es uns ermöglichen, die 2. Greensche Identität
elegant anzuwenden. In Kapitel 4 leite ich die Greensche Funktion einer Punkttestladungsverteilung her. Damit werden wir dann in der Lage sein, Randwertprobleme betrachten
zu können. Einige Beispiele demonstriere ich in Kapitel 5 und in Kapitel 6 führe ich
eine Multipolentwicklung durch. Mit ihr zeige ich, daß für einen weit von den Quellen
entfernten Beobachter alle Multipolmomente einer elektrostatischen Ladungsverteilung
verschwinden bis auf den Monopolterm, wenn sich die Ladung dem Horizont langsam
nähert. Bis anhin konnte man das nur für eine Punktladung zeigen. Außerdem zeige ich,
was ein Beobachter auf dem Horizont von den elektrischen Feldern wahrnimmt.
Um eine Ladungsverteilung über einem Schwarzen Loch in Ruhe halten zu können, ist
eine Kraft nötig. In Kapitel 7 berechne ich diese Kraft mit der Methode der Greenschen
Funktionen. Es ergibt sich dabei eine abstoßende Selbstkraft der Ladung und, daß ihre
analytische Form für alle statischen, punktartigen Testladungen dieselbe ist. Sie hängt
nur von der Gesamtladung ab.
Im zweiten Teil widme ich mich den stationären Magnetfeldern. Um ihre analytische
Form erhalten zu können, brauchen wir die sogenannten Newman-Penrose-Koordinaten.
In diesen Koordinaten leite ich die stationäre Lösung der elektromagnetischen Felder im
Schwarzschild-Hintergrund her. Wir untersuchen dann das Verhalten der Felder, wenn die
Quellen auf den Horizont abgesenkt werden. Es wird sich zeigen, daß von allen elektroma-
6
KAPITEL 1. EINLEITUNG
gnetischen Multipolmomenten nur der Monopolterm übrigbleibt. Als Abschluß betrachte
ich in Kapitel 12 die elektrischen und magnetischen Felder eines rotierenden, magnetischen Sterns. Mit meinen Lösungen wiederhole ich die nichtrelativistische Rechnung von
Goldreich und Julian [18] und bestimme das Verhältnis von elektrischer zu gravitativer
Beschleunigung einer Punktladung auf der Oberfläche des Sterns.
Die mathematischen Hilfsmittel der Differentialgeometrie auf Mannigfaltigkeiten, die wir
vor allem in Teil I brauchen, erörtere ich so ausführlich wie nötig, dabei so einfach wie
möglich im Anhang. Ich stütze mich dabei auf die Bücher von Bröcker und Jänich [19] und
Straumann [20]. Scheck [21] bietet in seinem Mechanikbuch eine gut lesbare Einführung
in das Gebiet.
Teil I
Elektrostatik
7
Kapitel 2
Die 2. Greensche Identität
In der üblichen Elektrodynamik lernt man im Kapitel Elektrostatik, wie man mit Hilfe der
sogenannten Greenschen Identitäten elektrostatische Probleme mit Randbedingungen in
den Griff bekommt. Diese Identitäten sind Integralidentitäten zwischen zwei beliebigen
skalaren Feldern ϕ und ψ. Die Herleitung erfolgt durch eine einfache Anwendung des
Gaußschen Integralsatzes im dreidimensionalen Euklidischen Raum [22, Kap. 1.8].
Wir wollen elektrostatische Felder von Ladungsverteilungen untersuchen, die sich in der
Umgebung eines Schwarzschild-Loches befinden. Ein Schwarzschild-Loch besitzt eine
Raumzeit-Geometrie, die komplizierter ist als die eines Euklidischen Raumes. Mathematisch gesprochen handelt es sich um eine pseudo-Riemannsche Mannigfaltigkeit. Die
Definition findet man im Anhang auf Seite 94. Um unser Problem lösen zu können,
müssen wir also zuerst die wohlbekannten Greenschen Identitäten verallgemeinern.
In verschiedenen Lehrbüchern findet man Rechnungen zu diesem Thema. Loomis und
Sternberg [23] und H. Flanders [24] geben eine Herleitung für Funktionen auf dem ndimensionalen Euklidischen Raum. W. Thirring präsentiert eine Version [25], die leider
für unsere Zwecke nicht angepaßt ist. Am weitesten gehen H. Holmann und H. Rummler [26]. In §21 ihres Buches zeigen sie das Resultat für Riemannsche Mannigfaltigkeiten.
Doch, wie oben erwähnt, brauchen wir eine Verallgemeinerung für pseudo-Riemannsche
Mannigfaltigkeiten. In diesem Kapitel zeige ich, wie man dies mit einfachen mathematischen Mitteln, die ich im Anhang darlege, bewerkstelligen kann. Mein Ergebnis gilt
sowohl für Riemannsche wie für pseudo-Riemannsche Mannigfaltigkeiten.
9
10
KAPITEL 2. DIE 2. GREENSCHE IDENTITÄT
Sei (M, g) eine n-dimensionale, orientierte, (pseudo-) Riemannsche Mannigfaltigkeit, D
V
ein Bereich von M mit glattem Rand und D̄ kompakt. Für die beiden Formen α ∈ p (M )
V
und β ∈ q (M ) gibt die anti-Leibniz-Regel (siehe (A.49) auf Seite 98)
d(α ∧ β) = dα ∧ β + (−1)p α ∧ dβ .
Seien u, v ∈
V
p (M )
(2.1)
jetzt zwei p-Formen. Dann bekommen wir mit (2.1)
d(u ∧ ∗ dv) = du ∧ ∗ dv + (−1)p u ∧ d ∗ dv .
(2.2)
Der Operator ∗ ist der sogenannte Hodgesche Sternoperator. Er führt eine p-Form in eine
V
V
(n − p)-Form über. Man nennt ∗ω ∈ n−p (M ) auch das Hodge-duale von ω ∈ p (M ).
Der Abschnitt A.3.3 des Anhangs auf Seite 98 erklärt in groben Zügen, wie man diesen
Operator einführen kann. Mit der Gleichung (A.58) definiert man die Wirkung von ∗ auf
eine p-Form komponentenweise. Wenden wir nun auf (2.2) den Stokesschen Integralsatz
(A.68) an, so folgt unmittelbar
Z
Z
Z
Z
p
u ∧ d ∗ dv .
u ∧ ∗ dv = d(u ∧ ∗ dv) = du ∧ ∗ dv + (−1)
D
∂D
D
(2.3)
D
Beim nächsten Schritt ist es wichtig, daß die Beziehung du ∧ ∗ dv = dv ∧ ∗ du gilt. Denn
du und dv sind (p + 1)-Formen und deshalb erfüllen sie die Gleichung (A.61) des Anhangs
über das Skalarprodukt. Wenn wir (2.3) noch einmal hinschreiben, aber diesesmal mit
vertauschten u und v, und dann von (2.3) subtrahieren, ergibt sich
Z
Z
p
(u ∧ ∗ dv − v ∧ ∗ du) = (−1)
(u ∧ d ∗ dv − v ∧ d ∗ du) .
(2.4)
D
∂D
Die rechte Seite von (2.4) formen wir nun so um, daß das sogenannte Kodifferential δ
V
erscheint. Für jede Form ω ∈ k (M ) gilt (siehe (A.59) auf Seite 100)
∗ ∗ ω = (−1)k(n−k) sgn(g) ω ,
(2.5)
was uns sofort die nützliche Beziehung
(−1)k(k−n) sgn(g) ∗ ∗ ω = ω
(2.6)
liefert. Wir setzen ω = d ∗ dv und k = n − p und erreichen
d ∗ dv = (−1)(n−p)(n−p−n) sgn(g) ∗ ∗ d ∗ dv
= (−1)p(p−n) sgn(g) ∗ ∗ d ∗ dv .
(2.7)
11
Jetzt sind wir soweit, das Kodifferential δ :
V
q (M )
→
V
q−1 (M )
einzuführen. Die Defini-
tion (A.62) befindet sich im Anhang auf Seite 101 und lautet
δ := sgn(g) (−1)nq+n ∗ d ∗ .
(2.8)
∗d∗ = (−1)−nq−n sgn(g) δ ,
(2.9)
Wir lösen (2.8) nach ∗d∗ auf,
und setzen (2.9) in (2.7) ein. So bekommen wir für d ∗ dv (und in analoger Weise für
d ∗ du) (q = p + 1)
d ∗ dv = (−1)p ∗ δdv ,
d ∗ du = (−1)p ∗ δdu .
(2.10)
Wir haben hierzu folgende Beziehung gebraucht:
2 −pn
(−1)p(p−n) (−1)−nq−n = (−1)p
2 −2pn−2n
(−1)−n(p+1)−n = (−1)p
2
= (−1)p = (−1)p .
Mit diesem Zwischenergebnis (2.10) läßt sich (2.4) umformen zu
Z
Z
(u ∧ ∗ dv − v ∧ ∗ du) = (u ∧ ∗ δdv − v ∧ ∗ δdu) .
(2.11)
D
∂D
Wir erinnern noch einmal an die Tatsache, daß für zwei p-Formen α, β
α ∧ ∗β = β ∧ ∗α
gilt, und verwenden das in (2.11), um als ein erstes Resultat
Z
Z
(u ∧ ∗ dv − v ∧ ∗ du) = (δdv ∧ ∗ u − δdu ∧ ∗ v)
(2.12)
D
∂D
zu erhalten.
Als nächstes betrachten wir die Kombination
δu ∧ ∗ v ∈
V
n−1 (M )
.
Benützen wir wieder die anti-Leibniz-Regel (A.49) und den Stokesschen Integralsatz (A.68),
so folgt
Z
∂D
δu ∧ ∗ v =
Z
D
p−1
dδu ∧ ∗ v + (−1)
Z
D
δu ∧ d ∗ v .
(2.13)
12
KAPITEL 2. DIE 2. GREENSCHE IDENTITÄT
Genau wie oben schreiben wir (2.13) noch einmal hin, aber mit vertauschten u und v,
und subtrahieren die neue Gleichung von (2.13):
Z
Z
(δu ∧ ∗ v − δv ∧ ∗ u) = (dδu ∧ ∗ v − dδv ∧ ∗ u)
D
∂D
p−1
+ (−1)
Z
(2.14)
(δu ∧ d ∗ v − δv ∧ d ∗ u) .
D
Im zweiten Term auf der rechten Seite von (2.14) können wir u und v vertauschen. Dies
sieht man mit Hilfe der Definition des Kodifferentials (2.8) so:
δu ∧ d ∗ v = sgn(g) (−1)np+n ∗ d ∗ u ∧ d ∗ v
= sgn(g) (−1)np+n ∗ d ∗ v ∧ d ∗ u = δv ∧ d ∗ u .
(2.15)
Wir setzen (2.15) in (2.14) ein und sehen sofort, daß sich der zweite Term auf der rechten
Seite von (2.14) weghebt, und so bleibt
Z
Z
(δv ∧ ∗ u − δu ∧ ∗ v) = (dδv ∧ ∗ u − dδu ∧ ∗ v) .
∂D
(2.16)
D
Als letzten Schritt addieren wir (2.12) und (2.16) und bekommen so die 2. Greensche
Identität für p-Formen auf einer (pseudo-) Riemannschen Mannigfaltigkeit
Z
Z
(δv ∧ ∗ u − δu ∧ ∗ v + u ∧ ∗ dv − v ∧ ∗ du) = (v ∧ ∗ u − u ∧ ∗ v) ,
(2.17)
D
∂D
wobei := d ◦ δ + δ ◦ d der sogenannte Laplace-Beltrami-Operator ist.
Am Ende dieses Kapitels möchte ich zeigen, wie sich die klassische Vektoranalysis in
(2.17) wiederfindet. Sei M jetzt der n-dimensionale Euklidische Vektorraum und g die
zugehörige Euklidische Metrik. (M, g) stellt damit einen der einfachsten Spezialfälle einer
V
Riemannschen Mannigfaltigkeit dar. Für die Nullformen u ≡ ϕ ∈ 0 (M ) und v ≡ ψ ∈
V
0 (M ) wird (2.17) mit Hilfe von (2.9) und δu = δv = 0 zu
Z " X
n
∂ψ
ci ∧ · · · ∧ dxn
ϕ
(−1)i−1 i dx1 ∧ · · · ∧ dx
∂x
i=1
∂D
#
n
X
∂ϕ
ci ∧ · · · ∧ dxn
−ψ
(−1)i−1 i dx1 ∧ · · · ∧ dx
∂x
i=1
Z
= (ϕ 4ψ − ψ 4ϕ) dx1 ∧ · · · ∧ dxn . (2.18)
D
13
ci bedeutet, daß jeweils im i-ten Summand das i-te Differential dxi wegDas Symbol dx
P
2
zulassen ist. 4 = ni=1 (∂x∂ i )2 ist der übliche Laplace-Operator. Die Ausdrücke mit der
Summe erhält man ohne großen Aufwand so: Zuerst bildet man aus der 0-Form ψ die
1-Form dψ mit (A.48):
n
X
∂ψ i
dψ =
dx .
∂xi
i=1
Für ∗dψ müssen wir ∗dxi bilden. Die Formel (A.60) sagt uns, daß ∗dxi das Dachprodukt
ci kennzeichnen. Das Vorzeichen (−1)i−1
der anderen dxj ist ohne dxi selbst, was wir mit dx
entsteht durch die Permutation der εijkl . Um (2.18) in die klassische Vektoranalysis
übersetzen zu können, betrachten wir folgende Objekte [27]:
1) das vektorielle Streckenelement
ds = (dx1 , . . . , dxn ) ,
2) das vektorielle Flächenelement
dS = (dS 1 , . . . , dS n ) ,
ci ∧ · · · ∧ dxn ,
dS i := (−1)i−1 dx1 ∧ · · · ∧ dx
3) das Volumenelement
dV = dx1 ∧ · · · ∧ dxn .
Die Operation grad erhält man, wenn man die Differentiale der Funktion ϕ, ψ : D → R
bildet,
dϕ = grad ϕ · ds ,
dψ = grad ψ · ds .
Mit diesen Elementen wird aus (2.18)
Z
Z
(ϕ grad ψ − ψ grad ϕ) · dS = (ϕ 4ψ − ψ 4ϕ) dV .
(2.19)
D
∂D
In Abschnitt A.4 des Anhangs auf Seite 103 erzähle ich, daß ∂D eine (n−1)-dimensionale,
orientierte Untermannigfaltigkeit von M ist. Für unseren Spezialfall bedeutet dies, daß
∂D eine Hyperfläche des Rn ist, deren Orientierung durch das Einheitsnormalenfeld n :
∂D → Rn gegeben ist [27, §20]. Weiter gilt für jedes stetige Vektorfeld f = (f1 , . . . , fn ) :
D → Rn und jede kompakte Teilmenge K ⊂ ∂D [27, §20. Satz 3]
Z
Z
f (x) · dS(x) =
< f (x), n(x) > dS(x) .
K
K
14
KAPITEL 2. DIE 2. GREENSCHE IDENTITÄT
Hier in unserem Fall ist f = ϕ grad ψ − ψ grad ϕ. Wenn wir dies noch in der Gleichung
(2.19) berücksichtigen, so erhalten wir die 2. Greensche Identität, wie man sie üblicherweise in den Lehrbüchern findet, [22, Kap. 1.8] oder [27, §15. Satz 4]:
Z
Z ∂ϕ
∂ψ
−ψ
dS = (ϕ 4ψ − ψ 4ϕ) dV .
ϕ
∂n
∂n
∂D
D
(2.20)
Kapitel 3
Die Maxwellschen Gleichungen
Nachdem wir gesehen haben, wie sich die 2. Greensche Identität mit p-Formen schreiben
läßt, müssen wir auch die Maxwellschen Gleichungen mit Differentialformen formulieren,
denn nur dann können wir die Randwertprobleme elegant lösen. Da die differentialgeometrische Schreibweise auch nicht mehr jung ist, gibt es verschiedene Lehrbücher [20,
25,28,29], die sie erläutern. Aber bis auf Thirring [25] und Straumann [20] nutzt niemand
die grosse Kraft des sogenannten äußeren Kalküls. Leider ist der Formalismus auch in der
heutigen Theoretischen Physik noch nicht weit verbreitet. Deshalb führe ich diejenigen
Einzelheiten in diesem Kapitel vor, die wir brauchen werden. Ich beginne dabei mit der
Tensorschreibweise.
In der Absicht, die Maxwellschen Gleichungen in eine lorentzinvariante Form zu bringen, fasst man die Ladungsverteilung % und die Stromdichte j zu einem Vierervektor j µ
zusammen, und die elektromagnetischen Felder E und B werden zu Komponenten eines
antisymmetrischen Tensorfeldes 2. Stufe F µν . Die Maxwellschen Gleichungen lauten dann
mit c = 1 und ηµν = diag(1, −1, −1, −1) [22]:
F µν, ν = −4πj µ ,
(3.1)
Fµν, λ + Fνλ, µ + Fλµ, ν = 0 ,
(3.2)
15
16
KAPITEL 3. DIE MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN
wobei

1
2
3

0 −E −E −E


 1

3
2
E
0
−B
B 
µν

(F ) = 
 2
3
1
E
B
0
−B 


3
2
1
E −B
B
0
(3.3)
j µ = (%, j) .
(3.4)
und
Aus der Gleichung (3.1) folgt automatisch die Stromerhaltung
j µ, µ = 0 ,
(3.5)
da F µν antisymmetrisch ist. Gleichung (3.2) stellt die Integrabilitätsbedingung für die
lokale Existenz eines elektromagnetischen Potentials Aµ dar mit
Fµν = Aν, µ − Aµ, ν .
(3.6)
Bei Anwesenheit eines Gravitationsfeldes müssen wir die Krümmung der Raumzeit mitberücksichtigen. Zudem fordern wir, daß sich F µν und j µ (a) wie Tensorfelder transformieren und (b) in einem lokalen Inertialsystem auf (3.3) bzw. (3.4) reduzieren. Man
erfüllt diese Forderungen, indem man die gewöhnliche Differentiation durch die sogenannte
kovariante Ableitung ersetzt. Symbolisch ersetzt man das Komma in den Differentialgleichungen durch ein Semikolon. Die Einzelheiten zur kovarianten Ableitung erklären die
Lehrbücher, von denen ich [20, 28–30] nennen möchte. Die Maxwellschen Gleichungen in
einem Gravitationsfeld sehen dann so aus:
F µν; ν = −4πj µ ,
(3.7)
Fµν ; λ + Fνλ ; µ + Fλµ ; ν = 0 ,
(3.8)
Fµν = gµα gνβ F αβ .
(3.9)
mit
17
Da F µν und Fµν antisymmetrisch sind, lassen sich (3.7) und (3.8) etwas umformen. In
den Standardlehrbüchern wird dies vorgeführt, und man kommt zu den Ausdrücken
√
1
√
∂ν
−g F µν = −4πj µ ,
−g
(3.10)
Fµν , λ + Fνλ , µ + Fλµ , ν = 0 .
(3.11)
Aus (3.7) oder (3.10) leitet man die Kontinuitätsgleichung
j µ; µ = 0
(3.12)
oder
∂µ
√
−g j µ = 0
(3.13)
her. Genau wie im gravitationsfreien Fall folgt auch hier die lokale Existenz eines elektromagnetischen Potentials Aµ aus der Integrabilitätsbedingung (3.11).
Wir werden die Maxwellschen Gleichungen jetzt mit Differentialformen schreiben. Dazu
fassen wir den antisymmetrischen Tensor Fµν als Komponenten einer 2-Form F in der
beliebig gewählten Basis {dxµ } auf und schreiben
F = 21 Fµν dxµ ∧ dxν .
(3.14)
Mit Hilfe von (A.50) aus dem Anhang bilden wir die totale Ableitung und bekommen
dF = 21 Fµν , λ dxλ ∧ dxµ ∧ dxν .
(3.15)
Wir teilen die Summe in drei Terme auf und permutieren die Indizes. Das dürfen wir, da
ja über alle Indizes summiert wird.
dF =
1
6
Fµν , λ dxλ ∧ dxµ ∧ dxν
+ Fνλ , µ dxµ ∧ dxν ∧ dxλ
+Fλµ , ν dxν ∧ dxλ ∧ dxµ
.
In den beiden letzten Termen erstellen wir die Reihenfolge (λ, µ, ν). Wir beachten dabei
die Antisymmetrie dxµ ∧ dxν = − dxν ∧ dxµ :
dF =
1
6
(Fµν , λ + Fνλ , µ + Fλµ , ν ) dxλ ∧ dxµ ∧ dxν .
18
KAPITEL 3. DIE MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN
Der Vergleich mit (3.11) zeigt, daß die homogenen Maxwellschen Gleichungen wie folgt
geschrieben werden können:
dF = 0 .
(3.16)
Mit der Stromdichte jµ definiert man die Stromform J als
J = jµ dxµ .
(3.17)
Die Formel (A.64) aus dem Anhang liefert uns die Koordinatendarstellung von δF :
√
1
(δF )µ = − √
−g F µν , ν .
−g
Ein Vergleich mit (3.10) führt uns zur Form der inhomogenen Maxwellschen Gleichungen:
δF = 4πJ .
(3.18)
Da δ ◦ δ = 0 (Gleichung (A.63)) gilt, erhalten wir mit (3.18) die Kontinuitätsgleichung
δJ = 0 .
(3.19)
Die integrale Form hiervon lautet mit dem Stokesschen Integralsatz (A.68)
Z
∗J = 0 .
Für Flächen konstanter Zeit zeigt Thirring [25], daß
Z
∗J = Q
(3.20)
gelten muß. Q erweist sich als Gesamtladung. Gleichung (3.16) impliziert mit dem Lemma
von Poincaré (Lemma A.2 auf Seite 98) die (lokale) Existenz eines Potentials A = Aµ dxµ
mit
F = dA .
Wie man leicht einsieht, ist
F = dA = Aµ , ν dxν ∧ dxµ
= 21 Aµ , ν dxν ∧ dxµ + 12 Aµ , ν dxν ∧ dxµ
= 12 Aµ , ν dxν ∧ dxµ + 12 Aν , µ dxµ ∧ dxν
= 12 (Aν , µ − Aµ , ν ) dxµ ∧ dxν ,
(3.21)
19
oder
Fµν = Aν , µ − Aµ , ν .
Die Darstellung (3.21) ist nicht eindeutig. Wie in der gewöhnlichen Elektrodynamik
ändert sich die Feldstärkeform F nicht, wenn wir die folgenden Eichtransformationen
ausführen:
à = A + dΛ .
(3.22)
Λ ist dabei eine skalare Funktion oder Nullform. Nun kann man z. B. erreichen, daß A
δA = 0
(3.23)
erfüllt. Unter (3.22) ändert sich nämlich die verallgemeinerte Divergenz von A gemäß
δ Ã = δA + δdΛ ,
und deshalb kann (3.23) erfüllt werden. Da die Koordinatendarstellung von (3.23)
√
1
−gAµ , µ = 0
δA = Aµ; µ = √
−g
ist, möchte ich (3.23) Lorentzsche Eichbedingung nennen. Die Lorentzeichung bleibt erhalten, wenn bei Umeichungen (3.22) die Eichfunktion Λ durch δdΛ = 0 eingeschränkt
wird. Grundsätzlich ist dann δA = 0.
Setzen wir (3.21) in die inhomogenen Maxwellschen Gleichungen (3.18) ein, so werden die
Feldgleichungen für das Potential A zu
δdA = 4πJ .
(3.24)
Im folgenden wollen wir in der Lorentzeichung arbeiten. Wir dürfen dann zu (3.24) einen
Term dδA dazuaddieren und kommen zum Ausdruck
A = 4πJ .
(3.25)
= d ◦ δ + δ ◦ d ist wieder der Laplace-Beltrami-Operator aus Kapitel 2.
Wir wollen nun die 2. Greensche Identität (2.17) verwenden, um Lösungen der Maxwellschen Gleichungen (3.25) zu produzieren. Dazu definieren wir uns zwei neue 1-Formen
V
G, δD ∈ 1 (M ), für die gelten soll
G = 4πδD .
(3.26)
20
KAPITEL 3. DIE MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN
G soll Greenform und δD Diracform heißen, und die Komponentenfunktionen von δD
sollen Deltafunktionen auf M sein. Setzen wir u = A und v = G, so liefert uns (2.17) den
Ausdruck
Z
(δG ∧ ∗ A − δA ∧ ∗ G + A ∧ ∗ dG − G ∧ ∗ dA)
∂D
=
Z
(G ∧ ∗ A − A ∧ ∗ G) . (3.27)
D
Wenn die Hyperfläche ∂D ins Unendliche rückt und die Randwerte schnell genug abfallen,
verschwindet das Oberflächenintegral und (3.27) wird zu
Z
Z
δD ∧ ∗ A = J ∧ ∗ G .
D
(3.28)
D
Dieses Ergebnis gilt für jedes Koordinatensystem. Wir wählen speziell eine (lokale) orthonormale Basis von 1-Formen {θµ }, so daß

g = gµν θµ ⊗ θν
mit gµν
1
0
0
0





0 −1 0
0
.

=

0 0 −1 0 


0 0
0 −1
(3.29)
In dieser Basis lauten unsere 1-Formen
A = A0 θ 0 + A1 θ 1 + A 2 θ 2 + A3 θ 3 ,
G = G0 θ 0 + G1 θ 1 + G2 θ 2 + G3 θ 3 ,
Z
0
0
1
2
3
δD = δ(x − x )(θ + θ + θ + θ ) mit
∗ δD = 1 .
∂D
Für (3.28) brauchen wir ∗ A und ∗ G, d. h. wir müssen ∗ θµ bilden. Die Regel dazu gibt
uns die Formel (A.60) auf Seite 101 aus dem Anhang. So ist z. B.
1
εj1 j2 j3 j4 g 0j1 θj2 ∧ θj3 ∧ θj4
3!
1
= ε0ijk θi ∧ θj ∧ θk
6
∗ θ0 =
= θ1 ∧ θ2 ∧ θ3 .
Analog berechnet man
∗θ1 = − θ0 ∧ θ2 ∧ θ3 ,
∗θ2 = θ0 ∧ θ1 ∧ θ3 ,
∗θ3 = − θ0 ∧ θ1 ∧ θ2 .
21
Mit diesem Hilfsresultat wird (3.28) in der speziellen Basis {θµ } zu
A0 (x) + A1 (x) + A2 (x) + A2 (x)
Z h
i
=
j0 (x0 )G0 (x, x0 ) + j1 (x0 )G1 (x, x0 ) + j2 (x0 )G2 (x, x0 ) + j3 (x0 )G3 (x, x0 )
D
× θ0 (x0 )θ1 (x0 )θ2 (x0 )θ3 (x0 ) . (3.30)
Wir bekommen also keine Lösung für jedes Aµ (x) einzeln, sondern nur für eine Kombination der Aµ . Nur für den Fall, daß die Funktionen Aµ in (3.25) bzw. Gµ in (3.26)
entkoppeln, wie das im Minkowski-Raum der Fall ist, können wir schreiben:
Z
Aµ (x) = jµ (x0 )Gµ (x, x0 )θ0 (x0 )θ1 (x0 )θ2 (x0 )θ3 (x0 ) .
(3.31)
D
Es sollte nicht erstaunen, daß die Aµ gekoppelt sind. Sobald der Raum nicht mehr die
Struktur eines Minkowski-Raumes hat, sorgen die Komponenten der Metrik gµν für die
Kopplung der Feldkomponenten. Im nächsten Kapitel beschränken wir uns auf elektrostatische Probleme und wir werden sehen, wie sich Randwertprobleme lösen lassen.
Kapitel 4
Elektrostatisches Potential einer
Testladungsverteilung
Jetzt wollen wir die elektrostatischen Felder bestimmen, die eine beliebige, statische Ladungsverteilung in der Nähe eines Schwarzschild-Loches erzeugt. Wir müssen dazu die
Maxwellschen Gleichungen
A = 4πJ
(3.25)
lösen. Wie wir im letzten Kapitel gesehen haben, genügt es, die Gleichung
G = 4πδD
(3.26)
zu betrachten. G und J zusammen ergeben, in die 2. Greensche Identität (2.17) eingesetzt,
die allgemeine Lösung A(x). Wir werden sogar, um den allgemeinsten Fall zu lösen,
Randwerte mitberücksichtigen.
Die Schwarzschild-Lösung ist diejenige Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen, die das
Gravitationsfeld außerhalb einer sphärisch symmetrischen Massenverteilung beschreibt.
Der Name der Lösung geht auf den deutschen Astronomen Karl Schwarzschild zurück,
der sie nur 2 Monate, nachdem Einstein seine Feldgleichungen publiziert hatte, fand. Wir
werden die üblichen Schwarzschild-Koordinaten benützen, in denen sich die Metrik in der
Form
2
ds =
2m
1−
r
2m
dt − 1 −
r
2
22
−1
dr2 − r2 dϑ2 + sin2 ϑ dϕ2
(4.1)
23
schreibt. Die Konstante m ist eine vereinfachte Schreibweise für
m=
GM
.
c2
G ist Newtons Gravitationskonstante und c ist die Lichtgeschwindigkeit. Ich setze beide
Größen gleich Eins. In den Lehrbüchern [20, 28–30] wird gezeigt, daß die Konstante M c2
gleich der totalen Energie des Systems ist. Wir dürfen M deshalb als Gesamtmasse der
sphärisch symmetrischen Massenverteilung auffassen. Wichtig zu sagen ist, daß (4.1)
asymptotisch flach ist. Im Limes r → ∞ geht (4.1) in die Minkowski-Metrik über, wobei
die räumlichen Koordinaten in Kugelkoordinaten ausgedrückt sind. Wir können also für
unsere elektrostatische Lösung erwarten, daß sie für r → ∞ zur üblichen Lösung im
dreidimensionalen Euklidischen Raum wird [22].
Wir setzen die Einsformen A und J in Schwarzschild-Koordinaten an:
A = At dt + Ar dr + Aϑ dϑ + Aϕ dϕ ,
(4.2)
J = Jt dt + Jr dr + Jϑ dϑ + Jϕ dϕ ,
und rechnen damit (3.25) aus. Nach einer etwas längeren Rechnung bekommt man:
1
1
2m 1 2
∂ϑ [ sin ϑ At,ϑ ]
∂
r
A
+
At,tt − 2
− 1−
r
t,r
2
r
r
1 − 2m/r
r sin ϑ
2m
1
− Ar,t ∂r 1 −
− 2 2 At,ϕϕ = 4πjt , (4.3a)
r
r sin ϑ
1
1
2m
2
Ar,tt − ∂r 2 ∂r r 1 −
Ar
1 − 2m/r
r
r
1
1
1
− 2
∂ϑ [sin ϑAr,ϑ ] − 2 2 Ar,ϕϕ + At,t ∂r
r sin ϑ
1 − 2m/r
r sin ϑ
2
2
+ 3
∂ϑ [sin ϑAϑ ] + 3 2 Aϕ,ϕ = 4πjr , (4.3b)
r sin ϑ
r sin ϑ
1
Aϑ,tt − ∂r
1 − 2m/r
2m
1
1
1
1−
Aϑ,r − 2 ∂ϑ
∂ϑ [sin ϑAϑ ] − 2 2 Aϑ,ϕϕ
r
r
sin ϑ
r sin ϑ
2
2m
2 cos ϑ
−
1−
Ar,ϑ + 2 3 Aϕ,ϕ = 4πjϑ , (4.3c)
r
r
r sin ϑ
1
Aϕ,tt − ∂r
1 − 2m/r
2m
sin ϑ
1
1−
Aϕ,r − 2 ∂ϑ
Aϕ,ϑ
r
r
sin ϑ
1
2
2m
− 2 2 Aϕ,ϕϕ −
1−
Ar,ϕ = 4πjϕ . (4.3d)
r
r
r sin ϑ
24
KAPITEL 4. POTENTIAL EINER TESTLADUNGSVERTEILUNG
Da die Ladungsverteilung eine statische Konfiguration sein soll, dürfen wir natürlich die
Funktionen Aµ unabhängig von der Zeit wählen. Ein Blick auf die Gleichungen (4.3a–
4.3d) belehrt uns, daß in diesem Fall das elektrostatische Potential At von den anderen
Ai (i = r, ϑ, ϕ) entkoppelt. Darüberhinaus wollen wir auch keine Ströme zulassen, was
natürlich bedeutet, daß die räumlichen Komponenten der Stromform J gleich Null zu
setzen sind, ji = 0 (i = r, ϑ, ϕ). So dürfen wir, ohne zu zögern, Ai = 0 setzen. Es bleibt
uns als einzige nichttriviale Gleichung (µ = t)
2m
1−
r
1 2
1
1
∂
r
A
+ 2
∂ϑ [ sin ϑ At,ϑ ] + 2 2 At,ϕϕ = −4πjt .
r
t,r
2
r
r sin ϑ
r sin ϑ
(4.4)
An dieser Stelle ersetzen wir jetzt A durch die Greenform G und J durch die Diracform
R
δD . Es ist dann G = Gt dt und δD = δt dt. δD soll die Normierung ∗ δD = 1 erfüllen,
was uns zu
1 − 2m
δt = 2 r δ(r − r0 ) δ(ϑ − ϑ0 ) δ(ϕ − ϕ0 )
r sin ϑ
(4.5)
führt. Die Normierung folgt, wenn wir in (3.20) die Einheitsladung einsetzen.
Wir lösen zuerst die homogene Gleichung von (4.4). Machen wir den Separationsansatz
Gt (x, x0 ) =
X
Rl (r, r0 )Ylm (ϑ, ϕ) ,
x = (r, ϑ, ϕ) ,
(4.6)
l,m
erhalten wir die folgende Gleichung für Rl (r, r0 )
2m
1−
r
d 2 dRl
r
− l(l + 1)Rl (r, r0 ) = 0 .
dr
dr
(4.7)
Nun haben unabhängig voneinander Israel [1] und Anderson und Cohen [11] die Lösungen
der Gleichung (4.7) gefunden. Sie transformierten auf eine neue Radialkoordinate u =
q
r
− 1, führten eine neue Funktion Ul (u) = 1+u
Rl (u) ein und formten (4.7) um zu
m
1−u
1−u
2
Ul00 (u)
−
2u Ul0 (u)
+ l(l + 1) −
1
Ul (u) = 0 .
1 − u2
(4.8)
Die Lösungen von (4.8) sind die zugeordneten Legendrefunktionen 1. und 2. Art, Pl1 (u)
und Q1l (u) [31]. Für den weiteren Gang der Handlung wählen wir den Weg von Cohen
und Wald [5]. Sie berechneten die beiden linear unabhängigen Lösungen der Gleichung
25
(4.7) zu
gl (r) =



1 ,
für l = 0 (Definition) ,
2l l! (l − 1)! ml
dPl r


(r − 2m)
− 1 , für l 6= 0 ,

(2l)!
dr m
(2l + 1)!
dQl r
fl (r) = − l
(r
−
2m)
−
1
,
2 (l + 1)! l! ml+1
dr m
(4.9a)
(4.9b)
wobei Pl und Ql die zwei Arten der Legendrefunktionen sind [31]. Danach notierten sie
drei Eigenschaften der gl (r) und fl (r), die für die folgende Analyse wichtig sein werden:
(I) Für l = 0 ist g0 (r) = 1 (nach Definition) und f0 (r) = 1/r.
(II) Im Limes r → ∞ ist der führende Term von gl (r) gleich rl für alle l, während der
führende Term von fl (r) gleich 1/rl+1 ist.
(III) Am Horizont, d. h. für den Fall r → 2m, bleibt fl (r) endlich konstant, aber dfl /dr
steigt an wie ln(1 − 2m r−1 ) für alle l 6= 0. Da im wesentlichen gl (r) = (r − 2m) ×
(Polynom in r) gilt, folgt im Limes r → 2m gl (r) → 0 wie (r − 2m) für alle l 6= 0.
Jetzt haben wir alles beisammen, um die homogene Lösung von (4.4) hinzuschreiben:

P


0

 [Alm gl (r) + Blm fl (r)] Ylm (ϑ, ϕ) , für r > r ,
(4.10)
Gt (x, x0 ) = l,m
P

0


 [Clm gl (r) + Dlm fl (r)] Ylm (ϑ, ϕ) , für r < r .
l,m
Die Konstanten Alm , Blm , Clm und Dlm werden wir mit Hilfe der Randbedingungen bestimmen. Damit die Felder bei r = 2m und für r → ∞ regulär sind, muß für r > r0
Alm = 0 und für r < r0 Dlm = 0 sein (siehe Eigenschaft (II) und (III)). Dann verschwindet Gt bei r = 2m und für r → ∞. Wir wollen ein Dirichlet-Problem mit Randflächen
lösen. Da die Schwarzschild-Koordinaten, mit denen wir arbeiten, sphärische Koordinaten sind, bietet es sich an, die Randflächen als konzentrische Sphären bei r = a und r = b
zu wählen, auf denen Gt (x, x0 ) für x verschwinden soll. Das Verschwinden von Gt (x, x0 )
impliziert
Clm gl (a) + Dlm fl (a) = 0, für r = a ,
(4.11a)
Alm gl (b) + Blm fl (b) = 0, für r = b .
(4.11b)
26
KAPITEL 4. POTENTIAL EINER TESTLADUNGSVERTEILUNG
Mit dlm := −Clm /fl (a) = Dlm /gl (a) und blm := −Alm /fl (b) = Blm /gl (b) wird Gleichung
(4.10) zu
Gt (x, x0 ) =

P



 blm [gl (b)fl (r) − fl (b)gl (r)] Ylm (ϑ, ϕ) ,
für r > r0 ,
l,m
(4.12)
P

0


 dlm [gl (a)fl (r) − fl (a)gl (r)] Ylm (ϑ, ϕ) , für r < r .
l,m
Selbstverständlich fordern wir auch die Stetigkeit von Gt bei r = r0 , was uns zu
blm [gl (b)fl (r0 ) − fl (b)gl (r0 )] = dlm [gl (a)fl (r0 ) − fl (a)gl (r0 )]
(4.13)
führt. Der Übersicht halber definieren wir eine neue Konstante
alm :=
gl (a)fl
blm
dlm
=
,
0
0
− fl (a)gl (r )
gl (b)fl (r ) − fl (b)gl (r0 )
(r0 )
die es uns gestattet, (4.10) in der Form
X
Gt (x, x0 ) =
alm Rl (r, r0 )Ylm (ϑ, ϕ)
(4.14)
l,m
zu schreiben mit


[gl (a)fl (r0 ) − fl (a)gl (r0 )][gl (b)fl (r) − fl (b)gl (r)] , für r > r0 ,
0
Rl (r, r ) =

[gl (b)fl (r0 ) − fl (b)gl (r0 )][gl (a)fl (r) − fl (a)gl (r)] , für r < r0 .
(4.15)
Wir setzen (4.14), (4.15) und (4.5) in (4.4) ein, multiplizieren beide Seiten mit r2 und
gelangen so zu
X
2m d
2 dRl
0
r
− l(l + 1)Rl (r, r ) Ylm (ϑ, ϕ)
alm 1 −
r
dr
dr
l,m
4π
2m
=−
1−
δ(r − r0 )δ(ϑ − ϑ0 )δ(ϕ − ϕ0 ) . (4.16)
sin ϑ
r
Um alm zu bestimmen, multiplizieren wir (4.16) mit sinϑ Yl∗0 m0 (ϑ, ϕ) und integrieren über
ϑ und ϕ. Die Orthogonalitätsrelation der Kugelflächenfunktionen Ylm (ϑ, ϕ) bringt die
P
Summe l,m zum Verschwinden und es bleibt
d
l(l + 1)
0
∗
0
0
2 dRl
alm
r
−
(4.17)
2m Rl = −4π δ(r − r ) Ylm (ϑ , ϕ ) .
dr
dr
1− r
Eine letzte Integration über ein infinitesimales Interval bei r0 ergibt
0 0 ∗
0
0
0 2 dRl (r > r ) 0 2 dRl (r < r ) −4π Ylm (ϑ , ϕ ) = alm r
0 −r
0
dr
dr
r=r
r=r
df
l 0
02
0
0 dgl 0
= alm r [gl (a)fl (b) − gl (b)fl (a)] gl (r ) (r ) − fl (r ) (r )
dr
dr
2
= alm r0 [gl (a)fl (b) − gl (b)fl (a)] W (gl , fl , r0 ) .
(4.18)
27
W (gl , fl , r0 ) heißt Wronski-Determinante von gl und fl bei r0 . Darunter hat man die
Determinante
u1
...
un 0
u1
...
u0n W (r) = .
.. .
.
. (n−1)
(n−1) u1
. . . un (4.19)
von n linear unabhängigen Lösungen u1 (r), . . . , un (r) einer linearen Differentialgleichung
der Form u(n) + an−1 (r)u(n−1) + · · · + a0 (r)u = b(r) zu verstehen [32]. Für W (r) besteht
die Beziehung
Z r
W (r) = W (r0 ) exp −
an−1 (s) ds .
(4.20)
r0
In unserem Fall ist an−1 = a1 (r) =
2
r
und deshalb
W (gl , fl , r) = W (gl , fl , r0 )
r02
.
r2
(4.21)
Wir folgern also sofort die interessante Beziehung
r 2 W (gl , fl , r) = const .
(4.22)
Die noch unbekannte Konstante ermitteln wir, indem wir W (gl , fl , r) für große r ausdrücken. Das gelingt uns mit Hilfe der Eigenschaft (II), die die führenden Terme von gl
und fl nennt. Damit ergibt Gleichung (4.22) für alle r
1
1
2
2
l
l−1
r W (gl , fl , r) = r −r (l + 1) l+2 − l+1 l r
r
r
= −(2l + 1) .
(4.23)
Indem wir (4.23) in (4.18) einsetzen und nach alm auflösen, berechnen wir alm zu
alm =
4π
1
Y ∗ (ϑ0 , ϕ0 ) .
2l + 1 gl (a)fl (b) − gl (b)fl (a) lm
(4.24)
Jetzt sind wir fertig und können sagen, die Lösung von (4.4) lautet
X Y ∗ (ϑ0 , ϕ0 )Ylm (ϑ, ϕ)
lm
h
i
gl (a)fl (b)
(2l
+
1)
1
−
l,m
fl (a)gl (b)
gl (a)
fl (b)
× gl (r< ) −
fl (r< )
fl (r> ) −
gl (r> ) ,
fl (a)
gl (b)
Gt (x, x0 ) = 4π
wobei r< (r> ) der kleinere (größere) Wert von r und r0 ist.
(4.25)
28
KAPITEL 4. POTENTIAL EINER TESTLADUNGSVERTEILUNG
Wir sagten zu Beginn dieses Kapitels, daß jede Lösung unserer Erwartung nach für große
r, d. h. weit weg von der Gravitationsquelle, in die wohlbekannte Lösung der gewöhnlichen
Elektrostatik übergehen soll, weil die Raumzeit-Geometrie asymptotisch flach ist. Daß
diese Erwartung uns nicht getrogen hat, sehen wir sofort, wenn wir in (4.25) die gl und
fl durch ihre führenden Terme ersetzen (Eigenschaft (II)) und das Ergebnis
l
X Y ∗ (ϑ0 , ϕ0 )Ylm (ϑ, ϕ) r>
a2l+1
1
lm
0
l
i r< − l+1
h
Gt (x, x ) = 4π
− 2l+1
l+1
a 2l+1
b
r<
r>
l,m (2l + 1) 1 − b
mit Formel (3.125) aus Jacksons Elektrodynamik [22] vergleichen. Es besteht vollkommene Übereinstimmung.
Die allgemeine Lösung für At (x) zu finden, ist jetzt nicht mehr schwierig. Sie folgt
unmittelbar aus (3.27). Wir haben alles, was wir brauchen. Unter dem Randintegral
bleibt nur ein Term übrig, da δG = δA = 0 (Lorentz-Eichung) und Gt (x, x0 ) ja auf der
Fläche ∂D verschwindet (Dirichlet-Problem). In den Integranden auf der rechten Seite
von (3.27) setzen wir (3.25) und (3.26) ein und kommen so zu unserer Lösung für das
elektrostatische Potential in der Schwarzschild-Geometrie
Z
r0 2 sin ϑ0 0 0 0
At (x) = jt (x0 ) Gt (x, x0 )
dr dϑ dϕ
1 − 2m
r0
D
Z
∂Gt (x, x0 ) 0 2
1
−
At (x0 )
r sin ϑ0 dϑ0 dϕ0 .
4π
∂r0
(4.26)
∂D
Wir vernachlässigen die Integration über t, da aufgrund der statischen Ladungsverteilung
keine der Funktionen in (4.26) von der Zeit abhängt.
Um für eine vorgegebene Ladungsverteilung das Feld berechnen zu können, müssen wir
wissen, wie jt (x) für die entsprechende Ladungsverteilung aussieht. Es läßt sich ein
Ausdruck finden, der für jede beliebige Ladungsverteilung das zugehörige jt (x) bestimmt.
Wir greifen für die Herleitung auf Gleichung (3.19) zurück. Mit der Definition (A.62) für
δ sieht man, daß wir die Kontinuitätsgleichung auch so
d∗J =0
schreiben dürfen.
(4.27)
Wir integrieren (4.27) und benutzen den Stokesschen Integralsatz
(A.68), so daß wir
Z
∗J = Q
(4.28)
29
bekommen. Wir kennen diesen Ausdruck schon von (3.20). Die Integrationskonstante Q
ist selbstverständlich die Gesamtladung des Systems. (4.28) in Koordinaten ausgedrückt
lautet
Z
jt (x)
D
r 2 sin ϑ
dr dϑ dϕ = Q .
1 − 2m
r
(4.29)
Unsere Lösung (4.25) ist eine unendliche Reihe von orthogonalen Polynomen. Doch es
existiert auch eine algebraische Lösung. 1976 präsentierte Linet solch eine Lösung für
eine Punktladung bei (r0 , ϑ0 , ϕ0 ) mit r0 > 2m [6]. Er bekam seine Lösung, indem er ein
früheres Ergebnis von Copson [33] modifizierte. Copson hatte zwar 1928 die Maxwellschen
Gleichungen für eine Punktladung im Schwarzschild-Feld gelöst, aber dabei nicht an die
Asymptotik gedacht, so daß seine Lösung asymptotisch den falschen Wert lieferte. Dies
war Linet aufgefallen und er behob den Fehler durch Addition einer Konstanten. Linets
Lösung ist
ALt (x) = −
−
em
r0 r
e
(r − m)(r0 − m) − m2 λ(ϑ, ϕ)
(4.30)
r0 r [(r − m)2 + (r0 − m)2 − m2 − 2(r − m)(r0 − m)λ(ϑ, ϕ) + m2 λ2 (ϑ, ϕ)]1/2
mit
λ(ϑ, ϕ) = cos ϑ cos ϑ0 + sin ϑ sin ϑ0 cos(ϕ − ϕ0 ) .
(4.31)
Für uns ist es kein Problem, diese Lösung zu verallgemeinern. Anlehnend an (4.26)
bekommen wir
ALt (x)
=
Z
D
GLt (x, x0 ) = −
−
jt (x0 ) GLt (x, x0 )
r0 2 sin ϑ0 0 0 0
dr dϑ dϕ ,
1 − 2m
r0
(4.32)
m
r0 r
1
(r − m)(r0 − m) − m2 λ(ϑ, ϕ)
, (4.33)
r0 r [(r − m)2 + (r0 − m)2 − m2 − 2(r − m)(r0 − m)λ(ϑ, ϕ) + m2 λ2 (ϑ, ϕ)]1/2
λ(ϑ, ϕ) = cos ϑ cos ϑ0 + sin ϑ sin ϑ0 cos(ϕ − ϕ0 ) .
(4.34)
Linet hat keine Randflächen bei r = a und r = b betrachtet, was für unsere Lösung (4.25)
gleichbedeutend ist mit a → 2m, b → ∞. Möchte man Randwerte mitberücksichtigen,
muß man zu (4.33) eine Lösung der homogenen Gleichung addieren, die vollständig durch
die Wahl der Randbedingungen bestimmt ist. Ein Verfahren, das man aus der üblichen
30
KAPITEL 4. POTENTIAL EINER TESTLADUNGSVERTEILUNG
Elektrostatik kennt. So haben wir also mit der 2. Greenschen Identität die Elektrostatik
in der Schwarzschild-Raumzeit erschöpfend gelöst. Die Lösung liegt sowohl in Form einer
unendlichen Reihe orthogonaler Polynome vor als auch in algebraischer Form. Und im
Grenzübergang großer r ergeben sich die altbekannten Gleichungen der gewöhnlichen
Elektrostatik [22].
Kapitel 5
Drei Beispiele
Wir betrachten nun ein paar Beispiele, die mit unserer Methode natürlich leicht zu beherrschen sind. Wir fangen mit dem Einfachsten an.
5.1
Punkttestladung
Eine Punkttestladung der Ladung Q befinde sich am Ort r0 = R > 2m, ϑ0 = θ, ϕ0 = φ.
Es sollen keine Randwerte vorgegeben sein, d. h. a → 2m und b → ∞. Die Ladungsdichte
jt lesen wir von der Beziehung (4.29) ab:
jt (x0 ) = Q
1 − 2m/r
δ(r0 − R) δ(ϑ0 − θ) δ(ϕ0 − φ) .
2
r sin ϑ
(5.1)
Die Greensfunktion Gt wird unter Zuhilfenahme der Eigenschaften (II) und (III) zu
Gt (x, x0 ) =
X 4π
∗
gl (r< )fl (r> )Ylm
(ϑ0 , ϕ0 )Ylm (ϑ, ϕ) .
2l
+
1
l,m
(5.2)
(5.1) und (5.2) setzen wir in (4.26) ein, beachten dabei, daß At (x0 ) = 0 ist auf ∂D, und
bekommen
At (r, ϑ, ϕ) = Q
X 4π
∗
gl (r< )fl (r> )Ylm
(θ, φ)Ylm (ϑ, ϕ) .
2l + 1
l,m
(5.3)
r< bzw. r> sind wieder der kleinere bzw. größere Wert von r und R. Es ist fast überflüssig zu sagen, daß beim Grenzübergang R , r → ∞ das altbekannte Potential einer
31
32
KAPITEL 5. DREI BEISPIELE
Punktladung herauskommt. Setzen wir θ gleich Null, ergibt sich aus (5.3) die von Cohen und Wald [5] hergeleitete Lösung. Diese und Linets Lösung (4.30) sind nach meinen
Literaturrecherchen die bis anhin einzigen, analytisch formulierten Lösungen.
5.2
Ein Randwertproblem
Als ein Beispiel mit Randwert wollen wir einen konzentrischen Ladungsring mit Gesamtladung Q betrachten. Der Ring befinde sich bei r0 = R > 2m, ϑ0 =
π
2
innerhalb einer
Sphäre vom Radius b > R mit dem auf ihrer Oberfläche vorgegebenen Potential V (ϑ0 , ϕ0 ).
Für das Oberflächenintegral in (4.26) brauchen wir die Ableitung von Gt am Ort der
Sphäre r0 = b. Mit dem Grenzübergang a → 2m in (4.25) ist die Ableitung gleich
X Y ∗ (ϑ0 , ϕ0 )Ylm (ϑ, ϕ)
∂Gt dfl (r0 ) fl (b) dgl (r0 ) lm
= 4π
gl (r)
−
.
0 0 ∂r0 r0 =b
(2l
+
1)
dr
g
dr
0 =b
0 =b
l (b)
r
r
l,m
(5.4)
Folglich beträgt das Potential innerhalb einer Sphäre bei r = b, gemäß (4.26),
X Z
0
0
∗
0
0
0
0
0
Φ(x) = −
V (ϑ , ϕ )Ylm (ϑ , ϕ ) sin ϑ dϑ dϕ
l,m
2
b gl (r)
×
2l + 1
dfl (r0 ) fl (b) dgl (r0 ) −
Ylm (ϑ, ϕ) .
dr0 r0 =b gl (b) dr0 r0 =b
(5.5)
Die Ladungsdichte des Ringes lesen wir wieder von (4.29) ab:
jt (x0 ) =
Q 1 − 2m/r0
δ(r0 − R) δ(ϑ0 − π2 ) .
2π r0 2 sin ϑ0
(5.6)
Da unser Problem axial symmetrisch ist, setzen wir den Index m = 0. Man soll diesen
Index nicht mit dem m der Metrik (4.1) verwechseln. Doch es sollte durch die Schreibweise
klar sein, was jeweils gemeint ist. So wird (4.26) mit (4.25) und a → 2m zu
∞
X
f2n (b)
n (2n)!
At (x) = Q
(−1) 2n
g (r ) f2n (r> ) −
g2n (r> ) P2n (cos ϑ)+Φ(x) . (5.7)
2 2n <
2
(n!)
g
(b)
2n
n=0
Wir haben dabei von der Beziehung


(2n)!

(−1)n
2n
2 (n!)2
Pl (0) =


0
Gebrauch gemacht [31].
für l = 2n,
(5.8)
für l = 2n + 1,
5.3. GELADENE HOHLKUGEL
5.3
33
Geladene Hohlkugel
Um ein Schwarzschild-Loch befinde sich eine geladene Hohlkugel der Gesamtladung Q
mit innerem Radius R1 und äußerem Radius R2 . Wir wollen das Potential in den drei
Bereichen r < R1 , R1 6 r 6 R2 und r > R2 berechnen. Zuerst suchen wir einen Ausdruck
für jt (x0 ). Gemäß (4.29) ist
jt (x0 ) =
i
Q
1 − 2m/r h
0
0
Θ(r
−
R
)
−
Θ(r
−
R
)
,
1
2
2π 2 (R2 − R1 ) r 2 sin ϑ
(5.9)
wobei Θ die Heavyside-Funktion bezeichnet. Um es einfach zu halten, verzichten wir auf
Randwerte (a → 2m, b → ∞). Die sphärische Symmetrie des Problems bringt die Summe
dank l = m = 0 zum Verschwinden. Mit Eigenschaft (I) erhalten wir von (4.26)
Q
At (r) =
R2 − R1
Z∞ h
i1
Θ(r0 − R1 ) − Θ(r0 − R2 )
dr0 .
r>
(5.10)
0
Das Integrationsgebiet [2m, ∞) besteht aus den drei Bereichen I = [2m, R1 ], II = [R1 , R2 ]
und III = [R2 , ∞) mit r0 ∈ [R1 , R2 ]. Für die Lösung At (x) müssen wir also das Integral
für jeden Bereich extra auswerten.
• Bereich I:
Es gilt grundsätzlich r 6 r0 , deshalb r> = r0 . Damit folgern wir aus (5.10)
AIt (r)
Q
=
R2 − R1
ZR2
R1
R2
1 0
Q
0 dr =
ln |r | ,
r0
R2 − R1
R1
also
AIt (r) =
Q
R2
ln
= const.
R2 − R1
R1
(5.11)
Innerhalb der Hohlkugel gibt es kein Feld, was auch zu erwarten war.
• Bereich II:
Die Variable r befindet sich jetzt im Intervall [R1 , R2 ]. Beim Integrieren soll man r
als fest betrachten, so daß die Integrationsvariable r0 ∈ [R1 , R2 ] einmal R1 6 r0 6 r
erfüllt, und ein andermal r 6 r0 6 R2 . Wir sind deshalb gezwungen, das Integral in
zwei Terme aufzuteilen. Aus (5.10) folgt
AII
t (r)
Q
=
R2 − R1
ZR2
R1
1
Q
dr0 =
r>
R2 − R1
Zr
R1
1 0
Q
dr +
r
R2 − R1
ZR2
r
1 0
dr
r0
34
KAPITEL 5. DREI BEISPIELE
und somit
AII
t (r)
Q
=
R2 − R1
r − R1
R2
+ ln
r
r
.
(5.12)
• Bereich III:
Hier gilt grundsätzlich r > r0 oder r> = r, so daß (5.10)
AIII
t (r) =
Q
r
(5.13)
ergibt, die alte Coulombsche Lösung.
Auf dieselbe Weise könnte man auch eine geladene Scheibe betrachten. Aus Symmetriegründen wäre nur m = 0 und man müßte die zugeordneten Legendrefunktionen integrieren, was ein kleiner Aufwand wäre, aber dank [31] nicht unmöglich. Wir haben Linets
Lösung (4.33) bewußt nicht verwendet, da die Integration bis auf den Fall der Punktladung stets erheblich aufwendig, manchmal unmöglich ist. Man kann sich noch viele
verschiedene Aufgaben ausdenken und sie alle in der oben gezeigten Art lösen. Aber wir
wollen es hier gut sein lassen.
Kapitel 6
Qualitatives Verhalten der Felder
(1. Teil)
Wir kehren jetzt wieder zur Theorie zurück, indem wir fragen, wie sich elektrostatische
Felder in der näheren Umgebung eines Schwarzschild-Loches verhalten. Zuerst führen
wir in Abschnitt 6.1 eine Multipolentwicklung durch, und zwar nach dem Vorbild der
gewöhnlichen Elektrostatik. Diese Entwicklung benutzen wir dann in Abschnitt 6.2, um
zu erfahren, was ein Beobachter in den folgenden zwei Situationen wahrnimmt:
1) Der Beobachter befindet sich auf dem Horizont.
2) Die Ladung nähert sich allmählich dem Horizont.
Es versteht sich von selbst, daß diese Ergebnisse über den Rahmen der gewöhnlichen
Elektrostatik hinausgehen.
6.1
Multipolentwicklung
Wir nehmen an, eine Ladungsverteilung jt sei innerhalb einer Sphäre vom Radius R > 2m
um den Ursprung lokalisiert und die Ladungen seien im Raum zwischen r = 2m und
R. Außerhalb der Sphäre sollen keine Ladungen vorhanden sein. Da wir nur an den
Momenten außerhalb der Ladungsverteilung interessiert sind, gilt r< = r0 und r> = r. Bei
35
36 KAPITEL 6. QUALITATIVES VERHALTEN DER FELDER (1. TEIL)
unserer Betrachtung können wir auf Randwerte verzichten. Wir führen deshalb a → 2m,
b → ∞ in (4.25) aus, berücksichtigen in (4.26), daß das Potential auf der Randfläche ∂D
verschwindet, und finden so die folgende Multipolentwicklung für das Potential At
X 1
∗
At = 4π
fl (r) qlm
Ylm (ϑ, ϕ) ,
(6.1)
2l
+
1
l,m
wobei die Multipolmomente qlm definiert sind durch
Z
r0 2 sin ϑ0 0 0 0
dr dϑ dϕ .
qlm = gl (r0 ) Ylm (ϑ0 , ϕ0 ) jt (r0 , ϑ0 , ϕ0 )
1 − 2m
0
r
(6.2)
Wir werden nur die Momente mit m > 0 angeben, da die Momente mit m < 0 über die
Kugelflächenfunktionen durch
∗
ql−m = (−1)m qlm
(6.3)
miteinander verknüpft sind. Für l = 0 und l = 1 liefert (6.2)
Q
q00 = √ ,
4π
r
3
q11 = −
(px + ipy ) ,
8π
r
3
pz ,
q10 =
4π
(6.4)
(6.5)
wobei
p=
Z
g1 (r)
r 2 sin ϑ
dr dϑ dϕ
x jt (x)
r
1 − 2m
r
(6.6)
das elektrische Dipolmoment ist mit x = (x, y, z) und x = r sin ϑ cos ϕ, y = r sin ϑ sin ϕ,
z = r cos ϑ. Für l = 2 haben wir
q22
q21
q20
r
1
15
=
(Q11 + 2i Q12 − Q22 ) ,
12 2π
r
1 15
(Q13 + i Q23 ) ,
=−
3 8π
r
1
5
Q33 .
=
2 4π
Qij bezeichnet den spurlosen Quadrupoltensor
Z
g2 (r)
r 2 sin ϑ
2
Qij =
(3x
x
−
δ
r
)
j
(x)
dr dϑ dϕ .
i
j
ij
t
r2
1 − 2m
r
(6.7)
(6.8)
Mit den Gleichungen (6.4), (6.5) und (6.7) beginnt die Entwicklung (6.1) von At (x) in
rechtwinkligen Koordinaten mit
At (x) =
Q f1 (r)
1 f2 (r) X
+
p·x+
Qij xi xj + . . .
r
r
2 r 2 i,j
(6.9)
6.2. ASYMPTOTISCHE FELDER FÜR R0 → 2M
37
Die Komponenten des elektrischen Feldes können für einen gegebenen Multipol sehr einfach in sphärischen Koordinaten ausgedrückt werden. Wir wählen dazu die orthonormale
Basis {θµ } eines lokalen Bezugssystems. Für die Schwarzschild-Metrik (4.1) sind die {θµ }
gleich
θ0 =
r
1−
2m
dt ,
r
1
θ1 = q
dr ,
1−
θ2 = r dϑ ,
θ3 = r sinϑ dϕ ,
(6.10)
2m
r
mit
g = ηµν θµ ⊗ θν .
In dieser Basis berechnen sich die Komponenten des Feldtensors F = dA mit A = At dt
zu
1
F = −At,r θ0 ∧ θ1 − At,ϑ q
1−
2m
r
F01 ≡ E r ,
1 0
1
θ ∧ θ2 − At,ϕ q
r
1−
F02 ≡ E ϑ ,
2m
r
1
θ0 ∧ θ3 ,
r sin ϑ
F03 ≡ E ϕ .
(6.11)
(6.12)
Für feste l, m hat das elektrische Feld die sphärischen Komponenten
4π ∗
q
2l + 1 lm
4π ∗
Eϑ = −
q
2l + 1 lm
Er = −
dfl (r)
Ylm (ϑ, ϕ) ,
dr
f (r)
∂
ql
Ylm (ϑ, ϕ) ,
r 1 − 2m ∂ϑ
(6.13)
r
Eϕ = −
4π ∗
fl (r)
im
qlm q
Ylm (ϑ, ϕ) .
2l + 1
sin ϑ
r 1 − 2m
r
Für einen Dipol p entlang der z-Achse reduzieren sich die Felder (6.13) auf die Form
E r = −p
6.2
df1 (r)
cos ϑ ,
dr
f1 (r)
Eϑ = p q
sin ϑ ,
r 1 − 2m
r
Eϕ = 0 .
(6.14)
Asymptotische Felder für r0 → 2m
In Kapitel 4 habe ich erklärt, daß die Schwarzschild-Lösung die Raumzeit außerhalb einer sphärisch symmetrischen Massenverteilung beschreibt. Die zugehörige Metrik ist die
Schwarzschild-Metrik (4.1). Eine weitere, schon lange bekannte Lösung ist die ReissnerNordström-Lösung. Diese beschreibt die Raumzeit außerhalb einer sphärisch symmetrischen Massenverteilung, die zusätzlich eine Ladung Q trägt. Man könnte auch sagen,
38 KAPITEL 6. QUALITATIVES VERHALTEN DER FELDER (1. TEIL)
daß sie die Lösung des Einstein-Maxwell-Systems für eine Punktladung ist. Die ReissnerNordström-Metrik lautet
−1
2m Q2
2m Q2
2
2
dr2 − r2 dϑ2 + sin2 ϑ dϕ2 .
ds = 1 −
+ 2 dt − 1 −
+ 2
r
r
r
r
(6.15)
Für Q = 0 reduziert sie sich auf (4.1). Zudem besitzt das Reissner-Nordström-Loch ein
radiales elektrisches Feld der Größe
Ftr =
Q
.
r2
(6.16)
Cohen und Wald [5] untersuchten das Feld einer Punkttestladung in der Nähe eines
Schwarzschild-Loches. Sie fanden dabei heraus, daß man aus dem Schwarzschild-Loch ein
Reissner-Nordström-Loch produziert, wenn man die Punktladung langsam auf das Loch
herabsenkt. Gilt das auch für eine beliebige Ladungsverteilung? Mit unseren Formeln ist
das nicht schwierig zu beantworten.
Doch betrachten wir zuerst den Fall, wo sich der Beobachter zwischen Ladung und Horizont befindet, d. h. bei 2m 6 r < r0 . Es gilt r< = r und r> = r0 . Setzen wir die
Gleichungen (4.25) und (4.26) (mit a → 2m, b → ∞) in (6.11) ein, werden die Feldkomponenten in der Orthonormalbasis (6.10) zu
X 1 dgl (r)
Ylm (ϑ, ϕ) µlm ,
F01 = −4π
2l + 1 dr
l,m
4π
F02 = − q
r 1−
F03 = −
1
∂Ylm (ϑ, ϕ)
gl (r)
µlm ,
2l + 1
∂ϑ
X
2m
r
l,m
4π
q
r sin ϑ 1 −
2m
r
X
l,m
(6.17)
1
∂Ylm (ϑ, ϕ)
gl (r)
µlm ,
2l + 1
∂ϕ
mit
r0 2 sin ϑ0 0 0 0
dr dϑ dϕ .
(6.18)
1 − 2m
r0
Für r nahe bei 2m sehen wir unmittelbar mit der Eigenschaft (III) für die gl , daß F01
µlm =
Z
∗
jt (r0 , ϑ0 , ϕ0 ) fl (r0 ) Ylm
(ϑ0 , ϕ0 )
endlich bleibt und F02 ∼ F03 ∼ O[(1 −
2m 1/2
) ].
r
Ein stationärer Beobachter, der sich in
unmittelbarer Nähe des Horizonts befindet, d. h. bei r0 > r ≈ 2m, sieht also in erster
Linie ein radiales elektrisches Feld. Man soll sich am Term (r0 2 sin ϑ0 )/(1 −
2m
)
r0
in (6.18)
nicht stören, da er durch einen entsprechenden Term von jt (siehe (4.29)) aufgehoben
wird. Man darf also schreiben
0
0
0
jt (r , ϑ , ϕ ) =
2m
1− 0
r
J(r0 , ϑ0 , ϕ0 ) .
6.2. ASYMPTOTISCHE FELDER FÜR R0 → 2M
39
Demnach bleiben die Feldkomponenten F0i (i = 1, 2, 3) auf dem Horizont r = 2m endlich, wenn wir den Grenzübergang r0 → 2m ausführen, d. h. wenn wir den Träger von
J(r0 , ϑ0 , ϕ0 ) auf die Kugelschale r0 = 2m zusammenschrumpfen lassen. Eigenschaft (III)
der fl garantiert das.
Nun zum Fall r > r0 . Die hierfür verantwortlichen Gleichungen sind (6.13) und (6.2).
Genau wie vorhin bereitet der Term (r0 2 sin ϑ0 )/(1 −
2m
)
r0
in (6.2) keine Probleme, da ein
entsprechender Term in jt auftritt, der ihn zum Verschwinden bringt. Eigenschaft (III)
sagt uns, daß für alle l 6= 0 beim Grenzübergang r0 → 2m gl (r0 ) → 0 läuft. Daraus
schließen wir, daß für r0 → 2m alle Multipolmomente qlm (6.2) verschwinden außer der
√
Monopol. Da q00 = Q/ 4π und f0 (r) = r−1 , folgt das Resultat, daß für alle r > 2m
Er =
Q
r2
und E ϑ = E ϕ = 0
(6.19)
für r0 → 2m ist. Der Beobachter sieht also nur noch ein radiales Feld E r = Q/r 2 , sobald
die Ladung den Horizont erreicht. Ich halte noch einmal ausdrücklich fest: Obwohl die
Ladungsverteilung zu Beginn keine Symmetrie besaß, nähert sich das elektrostatische
Feld dem sphärisch symmetrischen Reissner-Nordström-Wert E r = Q/r 2 für r0 → 2m
an. An dieser Stelle kommt ein wichtiges Theorem von Israel [1] ins Spiel, das er 1968
bewies: Die Reissner-Nordström-Lösung ist die einzige statische, asymptotisch flache,
elektrische Vakuumlösung der Einsteinschen Feldgleichungen, deren Flächen g00 = const.
geschlossen und einfach zusammenhängend sind und deren Horizont g00 = 0 regulär ist.
Deshalb müssen wir schließen, daß beim langsamen Absenken der Ladung auf den Horizont
(r0 → 2m) aus dem Schwarzschild-Loch ein Reissner-Nordström-Loch geworden ist. Und
das gilt unabhängig von der Ausgangskonfiguration der Ladungsverteilung.
Kapitel 7
Die Kraft auf eine Ladungsverteilung
In den bisherigen Kapiteln gingen wir immer davon aus, daß die Ladungen in Ruhe
gehalten werden. Aber ohne äußere Krafteinwirkung ist diese Situation physikalisch undenkbar. Deshalb mag man sich fragen, welche Kraft ein Beobachter in einem frei fallenden Bezugssystem mißt, um eine Ladungsverteilung am Ort (r0 , ϑ0 , ϕ0 ) außerhalb eines Schwarzschild-Loches in Ruhe zu halten. Verschiedene Autoren [34–37] untersuchten
das Problem, indem sie annahmen, daß das Gravitationsfeld schwach wäre. Sie arbeiteten also in führender Ordnung der kleinen Größe m/r. Smith und Will [38] präsentierten eine exakte Rechnung für ein geladenes Testteilchen, das sich stationär in der
Nähe eines Schwarzschild-Loches befand.
Einen Schritt weiter gingen Zel’nikov und
Frolov [39]. Sie ersetzten das Schwarzschild-Loch durch ein geladenes Schwarzes Loch
(Reissner-Nordström-Loch) und betrachteten den Einfluß des Gravitationsfeldes auf die
Selbstenergie eines geladenen Teilchens. Dabei kamen sie zum Schluß, daß der Wert der
Teilchenmasse im Gravitationsfeld eine Verschiebung erfährt. Weiter erkannten sie, daß
der absolute Wert der Massenverschiebung mit dem Wert der Massenverschiebung eines
gleichförmig beschleunigten Elektrons übereinstimmt [40].
Smith und Will [38] erhielten als Ergebnis, daß die Kraft zwei Terme enthält. Der erste
Term ist genau das Negative des Gravitationsfeldes, das das Loch auf das Testteilchen
ausübt. Klassisch entspricht dieser Term der Kraft, die das Teilchen nach Newton spüren
würde. Der zweite Term aber war neu. Er ist die durch die Gravitation induzierte
Selbstkraft des Teilchens. Die Selbstkraft ist repulsiv (d. h. vom Loch weggerichtet) und
40
41
hat die Größe (in Schwarzschild-Koordinaten)
Fself =
me2
.
r3
(7.1)
Da ja das Loch selbst ungeladen ist und Fself für m → 0 verschwindet, müssen wir
annehmen, daß der Effekt durch die Krümmung der Raumzeit verursacht wird. Das
Gravitationsfeld modifiziert offensichtlich die elektrostatische Selbstwechselwirkung des
geladenen Teilchens derart, daß das Teilchen eine endliche Selbstkraft erfährt.
Auf den ersten Blick erscheint es eigenartig, daß ein Gravitationsfeld solch eine Selbstkraft
induzieren kann. Denn das Äquivalenzprinzip versichert uns, daß für einen frei fallenden
Beobachter in der Umgebung des Testteilchens dieselben Maxwellschen Gleichungen gelten wie in der flachen Raumzeit, wo es bekanntlich keine Selbstkraft gibt. Aber dieses
Paradoxon löst sich schnell auf, wenn man realisiert, daß das Äquivalenzprinzip nicht sagt,
dieselben Differentialgleichungen hätten lokal dieselben Lösungen wie im flachen Raum.
In der Tat hätte man für ein Potential, das lokal gleich aussieht wie dasjenige im flachen Raum, nicht das korrekte asymptotische Verhalten im räumlich Unendlichen, da die
Krümmung der Raumzeit das langreichweitige Verhalten beeinflußt. Diejenige Lösung,
die sich im Unendlichen richtig verhält, ist lokal nicht dieselbe Lösung des flachen Raumes,
obwohl sie die Maxwellschen Gleichungen des flachen Raumes lokal immer noch erfüllt.
Das unterschiedliche lokale Verhalten gibt Anlaß für die Selbstkraft. Es ist diese langreichweitige Natur des Elektromagnetismus, die uns zwingt, Randbedingungen auch weit
außerhalb der lokalen Rechtsprechung“ des Äquivalenzprinzips aufzustellen.
”
Für unsere Rechnung mit der Testladungsverteilung wählen wir denjenigen Weg, den
Smith und Will in ihrem Artikel [38] globale Methode“ nannten. Bewegen wir die Ladung
”
langsam eine Strecke δx0 auf das Loch zu, dann wird dabei, im frei fallenden System, etwas
Arbeit δW verrichtet. Sie ist gegeben durch
δW = −F ext · δx0 .
(7.2)
Größen, die zum frei fallenden System gehören, versehe ich mit einer waagrechten Linie.
Ein weit entfernter Beobachter mißt eine Energie δE, die aufgrund der Gravitationsrotverschiebung gleich
δE =
p
g00 (r0 ) δW
(7.3)
42
KAPITEL 7. DIE KRAFT AUF EINE LADUNGSVERTEILUNG
ist. Aber die Energieerhaltung erzwingt, daß diese Energie mit der asymptotisch gemessenen Massenänderung −δM des Systems übereinstimmt. In einem frei fallenden
Bezugssystem können die Koordinaten immer lokal flach gewählt werden. Mit anderen
Worten:
g αβ = η αβ ,
∂γ g αβ = 0 .
(7.4)
Die Transformation zwischen beliebigen Koordinaten und den lokal flachen bewerkstelligt
man mit
gµν = η αβ Λα µ Λβ ν .
(7.5)
δxα = Λα β δxβ .
(7.6)
Damit haben wir
So bekommen wir für die äußere Kraft auf die Testverteilung in einem lokalen Bezugssystem
1
µ
Fext
=p
g00 (r0 )
δM
.
ν
ν δx0
Λµ
(7.7)
Carter [41] berechnete 1979 die Massenänderung δM von zwei sich nahe beieinander
befindenden, nicht rotierenden Schwarzen Löchern:
Z
Z
√
√
1
1
κ
0
3
δM =
δA −
δ G 0 −g d x +
Gµν hµν −g d3 x .
8π
8π
16π
(7.8)
A bezeichnet die Oberfläche des Schwarzen Loches und κ die Oberflächengravitation.
Gµν ist der Einsteintensor und hµν stellt die Differenz in der Metrik zwischen den beiden
Konfigurationen dar. Die Integrale sind jeweils über das Äußere des Schwarzen Loches
auszuführen. Für unseren Fall können wir δA = 0 setzen und den Term mit hµν ignorieren.
So haben wir mit Einsteins Feldgleichungen
Z
√
δM = −δ T 0 0 −g d3 x .
(7.9)
Der Energie-Impuls-Tensor T µν hat aber einen mechanischen und einen elektromagnetischen Beitrag. Deshalb spalten wir das obige Energie“integral in zwei Terme auf:
”
Z
√
− T 0 0 −g d3 x ≡ Umech + Uem .
(7.10)
Mit (7.9) und (7.10) wird Gleichung (7.7) zu
δ(Umech + Uem )
.
Λµ ν δxν0
g00 (r0 )
µ
Fext
=p
1
(7.11)
43
Wir ermitteln zuerst den mechanischen Beitrag. Dazu müssen wir uns für ein Teilchenmodell entscheiden. Das wohl einfachste Modell ist das eines idealen Fluids,
T µν = (%0 + p) uµ uν − p g µν .
(7.12)
p ist dabei der Druck, %0 die Dichte und uµ das Geschwindigkeitsfeld mit
gµν uµ uν = 1 .
(7.13)
Da die Teilchendichte %0
Z
√
%0 u0 −g d3 x = m0
(7.14)
erfüllt mit m0 als totaler Masse der Ladungsverteilung, bekommen wir (im Laborsystem)
%0 =
1 m0 3
√
δ (x − x0 ) .
u0 −g
(7.15)
In unserem System ist p = 0, so daß
T µν =
1 m0 dxµ dxν 3
√
δ (x − x0 )
u0 −g dτ dτ
(7.16)
gilt. xµ (τ ) bezeichnet die Weltlinie der Ladungsdichte und τ die Eigenzeit. In manifest
kovarianter Form lautet (7.16)
Z
m0
dxµ dxν 4
µν
T =√
δ (x − x0 (τ ))dτ ,
−g
dτ dτ
dτ =
1
dx0 .
0
u
(7.17)
Im lokalen System ist uµ = (1, 0, 0, 0). Mit (7.6) findet man
dτ =
√
g00 dt .
Wählen wir τ = 0 zur Zeit t = 0, haben wir
1
µ
x (τ ) = √ τ, x0 , y0 , z0 .
g00
(7.18)
(7.19)
Damit findet sich jetzt der mechanische Beitrag zur Energie mit (7.17) und (7.19) leicht
als
Umech = −m0
p
g00 (r0 ) .
Um den elektromagnetischen Anteil zu berechnen, notieren wir zuerst
1
1 µν σλ
µν
µ
λν
Tem =
F λ F + g F Fσλ .
4π
4
(7.20)
(7.21)
44
KAPITEL 7. DIE KRAFT AUF EINE LADUNGSVERTEILUNG
So folgt
Tem 0 0 = −
1 00 ij
g g ∂i A0 ∂j A0 ,
8π
(7.22)
und also
Uem
1
=
8π
Z
√
g 00 g ij ∂i A0 ∂j A0 −g d3 x .
Über eine partielle Integration erhält man
Z
√
1
Uem = −
d3 xA0 ∂i ( −g g 00 g ij ∂j A0 )
8π
Z
√
1
d2 Si −g g 00 g ij A0 ∂j A0
+
8π r→∞
Z
√
1
−
d2 Si −g g 00 g ij A0 ∂j A0 .
8π r=2m
(7.23)
(7.24)
Beide Oberflächenintegrale verschwinden, da zum einen A0 bei großen Distanzen wie 1/r
abfällt und zum anderen A0 auf dem Horizont gleich Null ist. Übrig bleibt der erste Term,
der wegen (3.18) gleich
Uem
1
=−
2
Z
√
j 0 A0 −g d3 x
(7.25)
ist. Um über das bisher Bekannte hinausgehen zu können, ersetzen wir A0 mit Hilfe
unserer Greensfunktion GLt (x, x0 ) (Gleichung (4.33))
Uem
1
=−
2
Z
Z
p
p
3
j (x) −g(x) d x j 0 (x0 ) −g(x0 ) d3 x0 GLt (x, x0 ) .
0
(7.26)
GLt (x, x0 ) entspricht im obigen Integral dem Energieintegral einer Punkttestladung bei
p
R
x = x0 . Wir erhellen dies, wenn wir j 0 (x0 ) = d3 x00 −g(x00 ) δ 0 (x0 − x00 )j 0 (x00 ) setzen.
√
Denn es ist −g δ 0 = δ 3 (x0 − x00 ), wie wir mit (4.5) sehen können. Dann wird Gleichung
(7.26) zu
Uem =
Z
Z
p
p
3
δ
j (x) −g(x) d x j 0 (x00 ) −g(x00 ) d3 x00 Uem
0
(7.27)
mit
δ
Uem
1
=−
2
Z
d3 x0
p
−g(x0 ) δ 0 (x0 − x00 ) GLt (x, x0 ) .
(7.28)
Leider hat GLt (x, x0 ) eine Singularität bei x = x0 . Um dieses divergente Verhalten abzutrennen, entwickeln wir GLt (x, x0 ) um x = x0 herum. Dann setzen wir |x − x0 | = ε
und führen nach der Integration den Limes ε → 0 aus. Anschaulich gesprochen haben
wir dem Punkt einen endlichen Radius ε gegeben. Für die Integration erweist es sich als
45
nützlich, GLt (x, x0 ) in sogenannten isotropen Koordinaten
%=
1
2
r − m + (r2 − 2mr)1/2 ,
x = % sin ϑ cos ϕ,
(7.29)
y = % sin ϑ sin ϕ,
z = % cos ϑ,
zu schreiben. Dann ist
m
r =% 1+
2%
1/2
(7.30)
und die Schwarzschild-Metrik (4.1) hat die fast-Euklidische“ Form
”
g = h2 (|x|) dt2 − f 2 (|x|) dx2
(7.31)
mit
1 − m/2%
,
h(%) =
1 + m/2%
f (%) =
m
1+
2%
2
.
(7.32)
Nach einer kleinen Rechnung erhalten wir für GLt (x, x0 ) (4.33)
GLt (x, x0 ) = −
1
%0 (1
+
m/2%0 )2 %(1
+ m/2%)2

m2
(x0 x + y 0 y + z 0 z) + %̃02
2%02
%2 − 2(x0 x + y 0 y + z 0 z) + %02
× m + %0
%2 −
+%̃0
2
0
0
!1/2
0
02
% − 2(x x + y y + z z) + %
m2
0
0
0
02
%2 − 2%
02 (x x + y y + z z) + %̃
!1/2 
 , (7.33)
wobei %̃ = m2 /4%. Im Spezialfall x0 = (0, 0, b) reduziert sich obige Gleichung auf Gleichung
(39) von [38]. Nur nebenbei möchte ich anmerken, daß man (7.33) benutzen kann, um
Randwertprobleme mit nichtsphärischen Randwerten zu lösen. Die Entwicklung um x =
x0 herum liefert
GLt (x, x0 )
1
1 − m/2%0
=−
|x − x0 | (1 + m/2%0 )3
−%0 + m(1 − m/4%0 )
0
0
0 2
× 1 + 03
x (x − x ) + O(x − x )
% (1 + m/2%0 )(1 − m/2%0 )
m
1
1 1 − m/2%0 0
0
0 2
− 02
1 − 02
x (x − x ) + O(x − x ) . (7.34)
% (1 + m/2%0 )4
% 1 + m/2%0
46
KAPITEL 7. DIE KRAFT AUF EINE LADUNGSVERTEILUNG
In Gleichung (7.28) ist
p
−g(x0 ) δ 0 = δ 3 (x0 − x00 ). Genau wie für GLt (x, x0 ) bilden wir
einen Ball um den Punkt x0 . Da x00 und x beide in einer Umgebung von x0 sind, können
wir im Ausdruck von δ 0 x = x00 setzen und
p
1
−g(x0 ) δ 0 =
lim δ(|x − x0 | − ε)
2
ε→0
4πε
(7.35)
substituieren. Mit der Entwicklung (7.34) ergibt das Integral (7.28)
δ
Uem
=
1 1 − m/2%0
m
1
+
.
2ε (1 + m/2%0 )3 2%02 (1 + m/2%0 )4
(7.36)
Jetzt haben wir das Ergebnis für Uem (7.27), das für jede Ladungsverteilung gültig ist.
Immer wenn wir punktartige Verteilungen auswählen, also z. B. Punktladungen oder einen
Ladungsring wie in Abschnitt 5.1 bzw. 5.2, besitzt j 0 die Form
√
−g j 0 = Q δ 3 (x − x0 )
(7.37)
mit Q als Gesamtladung. Dann bekommen wir mit (7.20) und (7.27)
Umech + Uem = −m0
1 − m/2%0 Q2 1 − m/2%0
mQ2
1
+
+
.
2
3
1 + m/2%0
2ε (1 + m/2%0 )
2%0 (1 + m/2%0 )4
(7.38)
Die Divergenz im zweiten Term auf der rechten Seite absorbieren wir, indem wir die Masse
m0 auf M renormieren. Wir müssen dazu nur den Radius des Balles in Koordinaten des
lokalen Bezugssystems ausdrücken. Mit xµ = Λµ ν xν wird
ε = ε(1 + m/2%0 )2 .
(7.39)
Dann lautet unser Ergebnis
Umech + Uem = M
1 − m/2%0 mQ2
1
+
2
1 + m/2%0
2%0 (1 + m/2%0 )4
(7.40)
mit
Q2
.
ε→0 2ε
M = −m0 + lim
(7.41)
Mit (7.11) folgt dann
ī
Fext
=
M m xi0
1
1
m Q2 xi0
1
−
.
3
4
3
%0 (1 + m/2%0 ) 1 − m/2%0
%0 (1 + m/2%0 )6
(7.42)
Für x0 = (0, 0, b) stimmt (7.42) mit Gleichung (75) in [38] überein. In den gebräuchlicheren Schwarzschild-Koordinaten lautet (7.42)
ī
Fext
=
Mm
r02
2m
1−
r0
−1/2
m Q2
− 3
r0
!


sin ϑ0 cos ϕ0




 sin ϑ0 sin ϕ0  .


cos ϑ0
(7.43)
47
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß (7.42) bzw. (7.43) nur für punktartige
Verteilungen gelten und unter der Annahme eines idealen Fluidmodells für Umech . Demgegenüber hängt die repulsive Selbstkraft nicht vom gewählten mechanischen Modell,
sondern nur von der vorgegebenen Ladungsverteilung ab. Also ist die elektrostatische
Selbstkraft für eine punktartige Testverteilung, d. h. der zweite Term auf der rechten
Seite von (7.42) oder (7.43), immer (in einem frei fallenden Bezugssystem) gleich
r
Fext
=−
m Q2
.
r03
(7.44)
r
Fext
ist die Radialkomponente der Selbstkraft, ausgedrückt durch die radiale Schwarzschild-
Koordinate einer punktartigen Testverteilung. Die Kraft ist radial gerichtet wegen der
sphärischen Symmetrie der Raumzeit und sie hängt nur von der Gesamtladung Q ab.
Teil II
Magnetostatik
49
Kapitel 8
Newman-Penrose-Koordinaten
Mit den Gleichungen (4.3a–4.3d) in Kapitel 4 haben wir gelernt, daß das elektrostatische
Potential At sehr wohl von den anderen Ai entkoppelt, wenn die Funktionen unabhängig
von der Zeit sind; aber die Ai untereinander bleiben gekoppelt. Man kommt bestenfalls
noch einen Schritt vorwärts, wenn man zusätzlich Rotationssymmetrie fordert. Dann
entkoppelt auch Aϕ von Ar und Aϑ . Möchte man z. B. die magnetischen Felder eines
Kreisstromes berechnen, ist dies sicher der richtige Weg. Weil At = Ar = Aϑ = 0
sind, kann man sogar die Methode der Greensfunktion verwenden. Also man bestimmt
sich ein Gϕ , verwendet die 2. Greensche Identität (2.17) und gelangt dann zu einem der
Gleichung (4.26) analogen Ausdruck. Für einen Kreisstrom bei r = a und ϑ = π/2 hat
Petterson [12] die Lösung Aϕ schon gefunden. Und das ist auch das Äußerste, was man
erreichen kann, denn die Ar und Aϑ bleiben gekoppelt. Mit den Gleichungen (4.3a–4.3d)
ist es offensichtlich nicht möglich, noch mehr Information zu erhalten.
Wie häufig in der Physik kommt man erst dann voran, wenn man geeignete Koordinaten
findet. Nun, das ist auch hier nicht anders. 1972 gelang es Teukolsky, in einer bemerkenswerten Arbeit zu zeigen, daß sich die Maxwellschen Gleichungen in den sogenannten
Newman-Penrose-Koordinaten entkoppeln lassen. Er konnte sogar noch mehr zeigen. Indem er die Kerr-Metrik als Hintergrundmetrik ansetzte, betrachtete er Störungen dieser
Metrik durch Felder von masselosen Teilchen mit den Spins s = 0, ±1/2, ±1, ±2. Man
kann auch sagen, er störte die Kerr-Metrik nacheinander mit masselosen skalaren Teilchen,
mit Neutrinos, mit elektromagnetischen Wellen und mit Gravitationswellen. Das Außeror51
52
KAPITEL 8. NEWMAN-PENROSE-KOORDINATEN
dentliche an Teukolskys Arbeit besteht nun darin, daß die Differentialgleichungen, die sich
aus der linearen Störungstheorie ergeben, für alle Spintypen durch eine einzige Gleichung
beschrieben werden können. Teukolsky nannte diese Gleichung master equation“. Doch
”
wie gesagt sind dazu die Newman-Penrose-Koordinaten notwendig. Teukolsky schaffte
es übrigens auch noch, seine Ergebnisse zweimal zu veröffentlichen; zuerst 1972 [42] und
dann ausführlicher 1973 [43].
Doch was sind Newman-Penrose-Koordinaten? Man sollte eigentlich genauer vom NewmanPenrose-Formalismus sprechen. Dieser Formalismus ist ein Tetraden-Formalismus mit
einer speziellen Wahl der Basisvektoren. Man wählt sich eine Tetrade von Nullvektoren
l, n, m, m∗ , wobei l und n ein Paar reeller Nullvektoren sind und m und m∗ ein Paar
von komplex konjugierten Nullvektoren. Das Neue am Formalismus war, als er 1962 von
Newman und Penrose vorgeschlagen wurde [44], die Wahl einer Nullbasis. Das zugrundeliegende Motiv für Penrose war sein starker Glaube daran, daß das essentielle Element
einer Raumzeit ihre Lichtkegelstruktur ist, die es ermöglicht, eine Spinorbasis einzuführen.
So schaffte er es, die Spinoranalysis in die Allgemeine Relativität einzuführen.
Wir verlangen, daß die Nullvektoren die Orthogonalitätsbeziehungen
l · m = l · m∗ = n · m = n · m∗ = 0
(8.1)
l · l = n · n = m · m = m∗ · m∗ = 0
(8.2)
und die Nulleigenschaft
erfüllen. Des weiteren kann man von den Basisvektoren die Normierungsbedingung
l · n = 1 und m · m∗ = −1
verlangen. Dann hat die fundamentale Matrix ηab die Form


0 1 0
0




1 0 0
0
ab
.
ηab = η = 


0 0 0 −1


0 0 −1 0
(8.3)
(8.4)
Man soll ηab nicht mit dem Minkowskischen ηµν (3.29) verwechseln. Ich mache das durch
die Indizes deutlich.
53
Man kann für jede Metrik die entsprechenden Nullvektoren angeben. Für die SchwarzschildMetrik (4.1) lauten die kontravarianten Vektoren
1 2
r , +∆, 0, 0 ,
∆
1
a
t
r
ϑ
ϕ
n = (n , n , n , n ) = 2 r2 , −∆, 0, 0 ,
2r
i
1
a
t
r
ϑ
ϕ
0, 0, 1,
m = (m , m , m , m ) = √
.
sin ϑ
2r
la = (lt , lr , lϑ , lϕ ) =
Die entsprechenden kovarianten Vektoren sind
r2
la = 1, − , 0, 0 ,
∆
1
na = 2 ∆, r2 , 0, 0 ,
2r
1
ma = √
0, 0, −r2 , −ir2 sin ϑ .
2r
(8.5)
(8.6)
Die Größe ∆ ist eine Abkürzung für ∆ = r2 − 2mr. Die Gleichungen (8.5) und (8.6)
habe ich aus Chandrasekhars wunderbarem Buch [45] abgeschrieben. Jeder, der sich für
Schwarze Löcher interessiert, sollte dieses Buch gelesen haben. Mit den kontravarianten
Vektoren (8.5) bastelt man sich jetzt Basisvektoren der Form
r2
∂t + ∂r ,
∆
1
∆
e1 = ni ∂i = ∂t + 2 ∂r ,
2
2r
1
i
e2 = mi ∂i = √ ∂ϑ + √
∂ϕ = (e3 )∗ ,
2r
2r sin ϑ
1
i
e3 = (mi )∗ ∂i = √ ∂ϑ − √
∂ϕ = (e2 )∗ .
2r
2r sin ϑ
e0 = li ∂i =
(8.7)
Die zu (8.7) duale Basis von 1-Formen findet man mit (8.6). Sie lautet
∆
1
dt + dr ,
2
2r
2
2
r
θ1 = li dxi = dt − dr ,
∆
ir sin ϑ
r
2
∗
i
θ = −(mi ) dx = √ dϑ − √
dϕ = (θ3 )∗ ,
2
2
ir
sin
ϑ
r
θ3 = −mi dxi = √ dϑ + √
dϕ = (θ2 )∗ .
2
2
θ0 = ni dxi =
(8.8)
Die Dualität der Basen (8.7) und (8.8) drückt sich mathematisch durch
θa (eb ) = δ a b
(8.9)
54
KAPITEL 8. NEWMAN-PENROSE-KOORDINATEN
aus. Man verifiziert (8.9) leicht durch Nachrechnen. Wichtiger ist, daß (8.7) bzw. (8.8)
die Schwarzschild-Raumzeit beschreiben. Auch dies sieht man mit Nachrechnen unter
Verwendung von (8.4) und (8.8) ein:
g = ηab θa ⊗ θb
=
∆ 2 r2 2
dt − dr − r2 (dϑ2 + sin2 ϑ dϕ2 ) .
r2
∆
(8.10)
Dies stimmt mit (4.1) überein. Wir sehen also, daß die NP-Koordinaten wohl definiert
sind. Wir lösen noch (8.8) nach den dxµ auf,
r2 0 1 1
θ + θ ,
∆
2
∆
dr = θ0 − 2 θ1 ,
√ 2r
2 2
dϑ =
θ + θ3 ,
2r√
2i
dϕ =
θ2 − θ3 ,
2r sin ϑ
dt =
da wir diese Beziehungen brauchen werden.
(8.11)
Kapitel 9
Die Maxwellschen Gleichungen
Wir werden jetzt die Maxwellschen Gleichungen in den NP-Koordinaten formulieren. Teukolsky zeigte in seiner Arbeit [43], daß man am vorteilhaftesten mit dem Feldstärketensor
Fµν rechnet. Das Vektorpotential Aµ kann uns leider nichts nützen und so auch nicht die
2. Greensche Identität (2.17). Aber wir bekommen einen anderen Vorteil: In (8.8) sieht
man, daß θ2 und θ3 zueinander konjugiert komplex sind. Diese Tatsache gestattet es uns,
die 6 unbekannten Funktionen Fµν auf 3 zu reduzieren. Newman und Penrose [44] nannten diese neuen Funktionen φ0 , φ1 und φ2 . Alle Autoren nach ihnen übernahmen diese
Bezeichnung und so werden wir es auch halten. Wir werden aber nicht mit demselben Tetradenformalismus rechnen, d. h. wir werden die sogenannten Richtungsableitungen und
die Ricci-Rotationskoeffizienten, auch Spinkoeffizienten genannt, nicht verwenden. Dazu müßten wir zuerst diesen sogenannten NP-Formalismus kennenlernen und am Schluß
würde sich das Ganze doch nicht lohnen, da wir unsere Gleichungen auch mit unserem
Differentialkalkül erhalten können. Aber ich wiederhole noch einmal, wer Spinanalysis in
der Allgemeinen Relativität betreiben möchte, der kommt um den NP-Formalismus nicht
herum. Nichtsdestoweniger war es dieser Formalismus, mit dessen Hilfe Teukolsky seine großartige Entdeckung gelang. Für eine ausführliche Einführung empfehle ich wieder
Chandrasekhars Buch [45].
Wir schreiben jetzt die Fµν auf die neuen φ0 , φ1 , φ2 um. Zuerst berechnen wir dxµ ∧ dxν
55
56
KAPITEL 9. DIE MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN
mit (8.11):
1
1
dt ∧ dr = − θ0 ∧ θ1 + θ1 ∧ θ0 ,
2
√
√2
2 1
2r 0
2
0
3
θ ∧θ +θ ∧θ +
θ ∧ θ2 + θ1 ∧ θ3 ,
dt ∧ dϑ =
2∆
4r √
√
2 ir
2i
dt ∧ dϕ =
θ0 ∧ θ2 − θ0 ∧ θ3 +
θ1 ∧ θ2 − θ1 ∧ θ3 ,
2∆
√ sin ϑ
√ 4r sin ϑ
2 0
2∆ 1
dr ∧ dϑ =
θ ∧ θ2 + θ0 ∧ θ3 −
θ ∧ θ2 + θ1 ∧ θ3 ,
3
2r√
4r √
2 i∆
2i
θ0 ∧ θ2 − θ0 ∧ θ3 + 3
θ1 ∧ θ3 − θ1 ∧ θ2 ,
dr ∧ dϕ =
2r sin ϑ
4r sin ϑ
2i
dϑ ∧ dϕ = 2
θ3 ∧ θ2 − θ2 ∧ θ3 .
4r sin ϑ
Nun setzen wir zusammen:
1
Fµν dxµ ∧ dxν
2 1
1
1
=
− Ftr + Frt θ0 ∧ θ1 − θ1 ∧ θ0
2
4
4
3
1
i
i
2
2
3
+
F
−
F
θ
∧
θ
−
θ
∧
θ
ϑϕ
ϕϑ
2 4r2 sin ϑ
4r2 sin ϑ
!
√
√
√
√
1
2r
2 ir
2
2i
+
Ftϑ +
Ftϕ +
Frϑ +
Frϕ θ0 ∧ θ2 − θ2 ∧ θ0
2
2∆
2∆ sin ϑ
2r
2r sin ϑ
!
√
√
√
√
3
1
2
2i
2∆
2 i∆
1
1
3
+
Fϑt −
Fϕt −
F
+
F
θ
∧
θ
−
θ
∧
θ
ϑr
ϕr
2
4r
4r sin ϑ
4r3
4r3 sin ϑ
F =
+ c. c.
≡
1
Gµν θµ ∧ θν .
2
(9.1)
c. c. ist die Abkürzung für konjugiert komplex“. Die neuen Funktionen sind:
”
1
1
i
i
φ1 = − Ftr + Frt + 2
Fϑϕ − 2
Fϕϑ ,
4
4
4r sin ϑ
4r sin ϑ
1
φ1 = Fµν (lµ nν + (mµ )∗ mν ) ,
2
√
√
√
√
2
2i
2∆
2 i∆
φ2 =
Fϑt −
Fϕt −
Fϑr + 3
Fϕr ,
3
4r
4r sin ϑ
4r
4r sin ϑ
(9.2)
φ2 = Fµν (mµ )∗ nν ,
√
√
√
√
2r
2 ir
2
2i
φ0 =
Ftϑ +
Ftϕ +
Frϑ +
Frϕ ,
2∆
2∆ sin ϑ
2r
2r sin ϑ
(9.3)
φ0 = Fµν lµ mν .
(9.4)
57
Wir haben die φ’s fußgängerisch“ bestimmt, aber die eingerahmten Formeln gelten all”
gemein. Newman und Penrose [44] haben sie zuerst hergeleitet. Wir müssen noch Fµν
durch die φ’s ausdrücken. Mit (8.8) wird (9.1) zu
1 0
φ1 θ ∧ θ1 − θ1 ∧ θ0 + θ3 ∧ θ2 − θ2 ∧ θ3
2
1 + φ0 θ0 ∧ θ2 − θ2 ∧ θ0
2
1 + φ2 θ3 ∧ θ1 − θ1 ∧ θ3 + c. c.
2
1 =
φ1 n[µ lν] + m[µ m∗ν] + φ2 l[µ mν] + φ0 m∗[µ nν] dxµ ∧ dxν + c. c.
2
F =
(9.5)
Also
Fµν = φ1 n[µ lν] + m[µ m∗ν] + φ2 l[µ mν] + φ0 m∗[µ nν] + c. c.
(9.6)
Die eckigen Klammern bei den griechischen Indizes bezeichnen die Antisymmetrisierung
in den Indizes. Ein Vergleich mit Petterson [46] und Teukolsky [43] zeigt, daß (9.6) bis
auf einen Faktor 2 übereinstimmt. Doch sogar Pettersons und Teukolskys Ergebnisse
unterscheiden sich um einen Faktor 4. Also bleibe ich bei meiner Version.
Um die Maxwellschen Gleichungen in den φ’s auszudrücken, benützen wir (3.18). Wir
beginnen mit (9.5) und setzen F als
F = (φ1 + φ∗1 ) θ0 ∧ θ1 + φ0 θ0 ∧ θ2 + φ∗0 θ0 ∧ θ3 + φ2 θ3 ∧ θ1 + φ∗2 θ2 ∧ θ1 + (φ1 − φ∗1 ) θ3 ∧ θ2
an. Für den nächsten Schritt brauchen wir ∗ (θµ ∧ θν ). Mit (A.60) und (8.4) finden wir
∗ θ0 ∧ θ1 = θ3 ∧ θ2 ,
∗ θ0 ∧ θ3 = θ3 ∧ θ0 ,
∗ θ3 ∧ θ2 = θ0 ∧ θ1 ,
∗ θ2 ∧ θ1 = θ1 ∧ θ2 ,
∗ θ0 ∧ θ2 = θ0 ∧ θ2 ,
∗ θ3 ∧ θ1 = θ3 ∧ θ1 .
Mit der Definition (A.62) des Kodifferentials berechnet man zuerst (3.18) δF = 4πJ.
Danach erinnern wir uns daran, daß ja auch noch die homogene Maxwellsche Gleichung
(3.16) dF = 0 zu erfüllen ist. Mit (3.16) gilt natürlich auch
∗dF = 0 .
δF und ∗dF sind beides 1-Formen. Also dürfen wir sicher bilden
δF + ∗dF = 4πJ .
(9.7)
58
KAPITEL 9. DIE MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN
Die einzelnen Zwischenschritte sind nicht schwierig zu rechnen. Da aber leider die Ausdrücke länglich sind, möchte ich darauf verzichten, die Zwischenergebnisse aufzuschreiben,
und stattdessen nur das Endergebnis von (9.7) notieren:
i
r2
1
1
∂ϑ (sin ϑ φ0 ) − √
φ0,ϕ − φ1,t − 2 ∂r (r2 φ1 ) = 2πj0 ,
∆
r
2 r sin ϑ
2 r sin ϑ
1
i
1
∆
−√
∂ϑ (sin ϑ φ2 ) − √
φ2,ϕ + φ1,t − 4 ∂r (r2 φ1 ) = 2πj1 ,
2
2r
2 r sin ϑ
2 r sin ϑ
√
√
1
1
∆
2
i 2
φ0,t −
∂r
φ0 −
φ1,ϑ −
φ1,ϕ = 2πj2 ,
2
2r
r
2r
2r sin ϑ
√
√
r2
1
2
i 2
− φ2,t − ∂r (rφ2 ) +
φ1,ϑ −
φ1,ϕ = 2πj3 .
∆
r
2r
2r sin ϑ
√
(9.8)
(9.9)
(9.10)
(9.11)
Uns bleibt jetzt noch zu zeigen, wie sich die ja durch die jµ ausdrücken lassen. Mit unseren
Basisformen (8.11) geht es sehr schnell:
J = ja θa = jµ dxµ
2
r
1
∆
0
=
jt + jr θ +
jt − 2 jr θ 1
∆
2
2r
!
!
√
√
√
√
2
i 2
2
i
2
jϑ +
jϕ θ 2 +
jϑ −
jϕ θ 3 .
+
2r
2r sin ϑ
2r
2r sin ϑ
Also:
r2
1
∆
j0 =
jt + jr , j1 = jt − 2 jr ,
∆ √
2 √ 2r
√
√
2
i 2
2
i 2
j2 =
jϑ +
jϕ , j3 =
jϑ −
jϕ .
2r
2r sin ϑ
2r
2r sin ϑ
Kapitel 10
Lösungen der Maxwellschen
Gleichungen
In diesem Kapitel erzähle ich, wie man die Gleichungen (9.8)–(9.11) entkoppeln und anschließend für den stationären Fall lösen kann. Die Entkoppelung schaffte schon Teukolsky [43]. Darüberhinaus lassen sich die Differentialgleichungen separieren und die winkelabhängigen Gleichungen sind für den stationären Fall schon früh durch Goldberg et
al. [47] 1967 gelöst worden. Aber erstaunlicherweise versuchte niemand bisher, die Radialgleichung analytisch zu lösen. Jeder Autor scheint stillschweigend davon auszugehen,
daß man sie analytisch nicht lösen kann, und versucht es deshalb auch gar nicht. Auch
die jüngsten Arbeiten, die ich zu diesem Thema fand, beide von Hughes [48] und [49],
führen zwar interessante Manipulationen der Radialgleichung vor, trotzdem war ihm nicht
aufgefallen, daß man sie analytisch lösen kann. Ich fand nun für den stationären Fall sehr
wohl die Lösungen der Radialgleichung. Es sind die Legendrepolynome 1. und 2. Art,
bzw. die uns schon wohl bekannten gl (r) und fl (r) aus Kapitel 4.
Für die Entkopplung und die Separation folgen wir dem Weg Chandrasekhars, wie er
ihn zu Beginn in Kapitel 8 seines Buches [45] beschreibt. Zuerst setzen wir für den
t-abhängigen und den ϕ-abhängigen Teil der Lösung
ei(ωt+mϕ)
(10.1)
an. m ist ein Element der Menge Z, was aus der Symmetrie bei ϕ = 0 und ϕ = π
59
60 KAPITEL 10. LÖSUNGEN DER MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN
folgt. Es ist die Separationskonstante der Azimutalgleichung und damit eine der beiden
Konstanten der Kugelflächenfunktionen. ω soll die übliche Kreisfrequenz sein. Um die
Schreibweise zu ökonomisieren, führt Chandrasekhar Operatoren
Dn = ∂r +
iK
r−M
+ 2n
,
∆
∆
Ln = ∂ϑ + Q + n cot ϑ ,
Dn† = ∂r −
L†n
iK
r−M
+ 2n
,
∆
∆
(10.2)
= ∂ϑ − Q + n cot ϑ ,
und Funktionen
K = r2 ω ,
Q=
m
,
sin ϑ
∆ = r2 − 2M r ,
(10.3)
ein. M ist die Masse der Gravitationsquelle (c = G = 1). Während Dn und Dn† reine
Radialoperatoren sind, sind Ln und L†n reine Winkeloperatoren. Die Differentialoperatoren genügen einer Anzahl einfacher Identitäten, die wir in der nachfolgenden Analyse
brauchen werden. Chandrasekhar trägt sie in Form von Lemmata zusammen.
Lemma 10.1
Ln (ϑ) = −L†n (π − ϑ) ,
sin ϑ Ln+1 = Ln sin ϑ ,
Dn† = Dn∗ ,
sin ϑ L†n+1 = L†n sin ϑ ,
(10.4)
†
= Dn† ∆ .
∆ Dn+1
∆ Dn+1 = Dn ∆ ,
Lemma 10.2
D+
p
p
L=L D+
,
r
r
(10.5)
wobei D entweder Dn oder Dn† 0 und L entweder Ln oder L†n0 sein kann und p eine Konstante
ist (gewöhnlich eine positive oder negative ganze Zahl).
Die Maxwellschen Gleichungen (9.8)–(9.11) in der homogenen Version schreiben sich mit
den Operatoren als
1
√ L1 φ0
2r
1
√ L†1 φ2
2r
1
√ L†0 φ1
2r
1
√ L0 φ1
2r
2
φ1 ,
= D0 +
r
∆
2
†
φ1 ,
= − 2 D0 +
2r
r
∆
1
†
φ0 ,
= − 2 D1 −
2r
r
1
φ2 .
= D0 +
r
(10.6)
10.1. ENTKOPPLUNG UND SEPARATION
61
Diese Gleichungen nehmen eine einfachere und symmetrischere Form an, wenn sie mit
neuen Funktionen
Φ0 ≡ φ0 ,
Φ1 ≡
√
2 r φ1
und Φ2 ≡ 2 r2 φ2 .
(10.7)
geschrieben werden. Wir finden
L1 Φ0
L†1 Φ2
L†0 Φ1
L0 Φ1
10.1
1
= D0 +
Φ1 ,
r
1
†
= −∆ D0 +
Φ1 ,
r
1
†
= −∆ D1 −
Φ0 ,
r
1
= D0 −
Φ2 .
r
(10.8)
(10.9)
(10.10)
(10.11)
Entkopplung und Separation
Es ist sofort ersichtlich, daß die Kommutativität der Operatoren D0 + 1/r und L†0 (siehe
Lemma 10.2) es uns gestattet, Φ1 von den Gleichungen (10.8) und (10.10) zu eliminieren
und eine entkoppelte Gleichung für Φ0 zu erhalten. Es folgt
1
1
†
†
L0 L1 + ∆ D1 +
D1 −
Φ0 = 0 .
r
r
(10.12)
Analog eliminieren wir mit der Kommutativität der Operatoren L0 und ∆(D0 + 1/r) Φ1
aus den Gleichungen (10.11) und (10.9) und erhalten eine entkoppelte Gleichung für Φ2 .
Also
1
1
†
†
L0 L1 + ∆ D0 +
D0 −
Φ2 = 0 .
r
r
(10.13)
Die Gleichungen (10.12) und (10.13) lassen sich vereinfachen mit den Identitäten
1
1
2iK
†
D1 −
= ∆D1 D1† −
,
∆ D1 +
r
r
r
(10.14)
1
1
2iK
†
†
∆ D0 +
D0 −
= ∆D0 D0 +
.
r
r
r
Dann ergibt sich
h
i
∆D1 D1† + L†0 L1 − 2iωr Φ0 = 0 ,
h
i
†
†
∆D0 D0 + L0 L1 + 2iωr Φ2 = 0 .
(10.15)
(10.16)
62 KAPITEL 10. LÖSUNGEN DER MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN
Die Gleichungen (10.15) und (10.16) sind leicht zu separieren. Mit der Substitution
Φ0 = R+1 (r)S+1 (ϑ) und Φ2 = R−1 (r)S−1 (ϑ)
(10.17)
bekommen wir folgende zwei Paare von Gleichungen
∆D1 D1† − 2iωr R+1 =λ R+1 ,
L†0 L1 S+1 = − λ S+1 ,
(10.18)
(10.19)
und
∆D0† D0 + 2iωr R−1 =λ R−1 ,
L0 L†1 S−1 = − λ S−1 ,
(10.20)
(10.21)
wo λ eine Separationskonstante ist. Wir bemerken, daß wir die Separationskonstanten,
die sich von (10.15) und (10.16) ergeben, nicht getrennt haben. Der Grund ist folgender:
Der charakteristische Parameterwert λ wird durch die Forderung bestimmt, daß S+1 in
(10.19) bei ϑ = 0 und ϑ = π regulär ist. Andererseits ist der Operator, der auf S−1 auf
der linken Seite von (10.21) wirkt, derselbe wie derjenige Operator, der in (10.19) auf S+1
wirkt, wenn wir ϑ durch π − ϑ ersetzen. Also folgt daraus, daß eine Lösung S+1 (ϑ, λ) von
(10.19), die zum Eigenwert λ gehört, eine Lösung der Gleichung (10.21) liefert, die zum
selben Wert λ gehört, wenn wir ϑ durch π − ϑ ersetzen. Die Gleichungen (10.19) und
(10.21) bestimmen dieselbe Menge von Eigenwerten λ.
Mit Lemma 10.1 können wir (10.18) umformen zu
∆D0 D0† − 2iωr ∆ R+1 = λ ∆ R+1 .
(10.22)
Ein Vergleich mit (10.20) zeigt, daß R−1 und ∆ R+1 komplex konjugierte Gleichungen
erfüllen, genau wie S+1 und S−1 dieselben Gleichungen erfüllen, wenn wir ϑ durch π − ϑ
ersetzen. In Formeln
(∆ R+1 )∗ = R−1 ,
S−1 (ϑ) = S+1 (π − ϑ) .
(10.23)
10.2. DIE ANALYTISCHEN LÖSUNGEN
10.2
63
Die analytischen Lösungen
Wir beginnen mit (10.19). Die Operatoren L†0 und L1 lesen wir von (10.2) ab:
L†0 = ∂ϑ −
m
,
sin ϑ
L1 = ∂ϑ +
cos ϑ
m
+
.
sin ϑ sin ϑ
Nach Einsetzen in (10.19) und einer kleinen Umformung ergibt sich
1
dS+1
m2 + 1 + 2m cos ϑ
∂ϑ sin ϑ
+ λ−
S+1 = 0 .
sin ϑ
dϑ
sin2 ϑ
(10.24)
Die Lösungen dieser Gleichung sind ein Spezialfall der spingewichteten Kugelflächenfunktionen s Ylm = s Slm (ϑ)eimϕ , die Goldberg et al. [47] 1967 gefunden haben. In unserem Fall
beträgt der Spin ±1 und für Gleichung (10.24) ist er gleich 1. Eine lesbare ausführliche
Diskussion der s Ylm führt Hughes [48] im Anhang seines Artikels. Daraus habe ich auch
meine Lösung für S+1 geholt (und selbstverständlich auch überprüft). Sie lautet
m m
S+1 (ϑ) = ∂ϑ −
P (ϑ) ,
sin ϑ l
λ = l(l + 1) .
(10.25)
Die Plm (ϑ) sind die zugeordneten Legendrepolynome. Um die Lösung S−1 in (10.21)
zu erhalten, kann man entweder (10.23) verwenden, oder man bedient sich wieder bei
Hughes [48] und bekommt
m m
S−1 (ϑ) = ∂ϑ +
P (ϑ) ,
sin ϑ l
λ = l(l + 1) .
(10.26)
Jetzt kommen wir zum neuen Teil in meiner Arbeit. Es ist mir gelungen, die Radialgleichung für den stationären Fall ω = 0 zu lösen. Wir betrachten dazu (10.20). Mit den
Operatoren D0† und D0 , die wir von (10.2) ablesen,
D0† = D0 = ∂r ,
(10.27)
und ω = 0 wird Gleichung (10.20) zu
∆
d 2 R−1
− l(l + 1)R−1 = 0 .
dr2
(10.28)
Um die Lösung herleiten zu können, ersetzen wir die Koordinate r durch eine neue Koordinate
η=
r
− 1.
M
(10.29)
64 KAPITEL 10. LÖSUNGEN DER MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN
Es folgt
∆ = M 2 η2 − 1 ,
d2
1 d2
=
,
dr2
M 2 dη 2
und also
1 − η2
d 2 R−1
+ l(l + 1)R−1 = 0 .
dη 2
(10.30)
Nach Magnus und Oberhettinger [31] lautet die Lösung
3/2
(R−1 )l (r) = 1 − η 2 Cl−1 (η)
∆ 3/2 r
= − 2 Cl−1
−1 .
M
M
(10.31)
Die Cnα (x) heißen Gegenbauer-Polynome. Des weiteren findet man in [31] die Beziehung
3/2
Cl−1 (η) =
d 1/2
C (η) ,
dη l
1/2
Cl (η) = Pl (η) .
Die Pl (η) sind die bekannten Legendre-Polynome. Also können wir schreiben
∆ dPl r
(R−1 )l (r) = −
−1 .
M dr M
(10.32)
Mit (10.23) finden wir auch schnell die Lösung von (10.18) als
1 dPl r
(R+1 )l (r) = −
−1 .
(10.33)
M dr M
d
d
Mit den dr
Pl Mr − 1 sind die dr
Ql Mr − 1 natürlich auch Lösungen von (10.18) und
(10.20) (ω = 0), wobei die Ql (x) die Legendre-Polynome 2. Art sind. Die allgemeinen
stationären Lösungen Φ0 = R+1 S+1 eimϕ und Φ2 = R−1 S−1 eimϕ lauten demnach
X √ dPl (η)
dQl (η) m Φ0 (x) =
2 αl
+ βl
∂ϑ −
Ylm (ϑ, ϕ) ,
dr
dr
sin ϑ
l,m
X√ dPl (η)
dQl (η) m Φ2 (x) = −
2 αl ∆
+ βl ∆
∂ϑ +
Ylm (ϑ, ϕ) .
dr
dr
sin
ϑ
l,m
Der Faktor
√
(10.34)
(10.35)
2 dient nur der späteren Bequemlichkeit. αl und βl sind komplexe Konstan-
ten. Man soll sich nicht darüber wundern, daß Φ0 und Φ2 dieselben Konstanten haben.
Der Grund ist folgender: Man kann sich eine Gleichung herleiten, die Φ0 und Φ2 miteinander verknüpft. So eine Gleichung erhält man, indem man Φ1 in den Gleichungen
(10.8) und (10.11) mit Hilfe des Lemma 10.2 auf Seite 60 eliminiert. Also, wenn wir die
Operatoren L0 auf Gleichung (10.8) und (D0 + 1/r) auf Gleichung (10.11) anwenden und
beide Gleichungen addieren, erhalten wir
1
1
L0 L1 Φ0 = D0 +
D0 −
Φ2 .
r
r
(10.36)
10.2. DIE ANALYTISCHEN LÖSUNGEN
65
Eine Vereinfachung ergibt
L0 L1 Φ0 = D0 D0 Φ2 .
(10.37)
m cos ϑ
m
∂ϑ +
+
Φ0 = ∂r2 Φ2 .
∂ϑ +
sin ϑ
sin ϑ sin ϑ
(10.38)
Ausgeschrieben lautet (10.37)
Wenn man in (10.35) die Lösung von Φ2 mit den komplexen Konstanten γl und δl ansetzt
und dann (10.34) und (10.35) in (10.38) einsetzt, bekommt man
αl
dPl (η)
dQl (η)
dPl (η)
dQl (η)
+ βl
= γl
+ δl
.
dr
dr
dr
dr
(10.39)
So ergibt sich
αl = γl ,
βl = δl .
(10.40)
Jetzt bestimmen wir Φ1 . Dazu betrachten wir zuerst (10.8). Mit (10.2) finden wir
cos ϑ
m
1
∂ϑ +
+
Φ0 − ∂r +
Φ1 = 0 .
(10.41)
sin ϑ sin ϑ
r
Da
1
∂r +
r
Φ1 =
1
∂r (rΦ1 )
r
(10.42)
gilt, bekommen wir
cos ϑ
m
∂r (rΦ1 ) = r ∂ϑ +
+
sin ϑ sin ϑ
Φ0 .
(10.43)
Für die nächsten Schritte genügt es, βl = 0 zu setzen. Für βl 6= 0 sind die Umformungen
zwar dieselben, aber man muß mehr schreiben. Außerdem lassen wir auch das Summenzeichen weg, da die Rechnung für jeden Summanden einzeln gelten muß. Wir setzen also
an:
Φ0 =
√
2 αl
dPl (η) m ∂ϑ −
Ylm (ϑ, ϕ) .
dr
sin ϑ
(10.44)
Wenn wir berücksichtigen, daß
1
∂Ylm
m2
∂ϑ sin ϑ
−
Ylm = −l(l + 1)Ylm
sin ϑ
∂ϑ
sin2 ϑ
gilt, folgt nach Einsetzen von (10.44) in (10.43)
√
dPl (η)
l(l + 1) Ylm (ϑ, ϕ) .
∂r (rΦ1 ) = − 2 αl r
dr
(10.45)
66 KAPITEL 10. LÖSUNGEN DER MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN
Eine Integration nach r (partiell auf der rechten Seite von (10.45)) ergibt
√
rΦ1 = − 2 αl r Pl (η) l(l + 1) Ylm
Z
√
+ 2 αl
Pl (η) l(l + 1) dr Ylm + f (ϑ, ϕ) .
(10.46)
Die Funktion f (ϑ, ϕ) ist als Integrationskonstante unabhängig von r. Mit der Beziehung
[31]
d
dPl
∆
= l(l + 1) Pl
dr
dr
läßt sich das Integral in (10.46) ausführen und man erhält
√
∆ dPl (η)
f (ϑ, ϕ)
Φ1 = 2 αl −l(l + 1) Pl (η) +
Ylm +
.
r dr
r
(10.47)
(10.48)
Um f (ϑ, ϕ) bestimmen zu können, vergleichen wir (10.48) mit (10.10). Drückt man die
Operatoren mit (10.2) aus, lautet (10.10)
m r−M
1
∂ϑ −
Φ1 = −∆ ∂r + 2
−
Φ0
sin ϑ
∆
r
∆
= −∂r (∆ Φ0 ) + Φ0 .
r
(10.49)
Wir setzen Φ0 (10.34) ein und benützen (10.47):
√
m ∆ dPl (η) m ∂ϑ −
Φ1 = 2 αl −l(l + 1) Pl (η) +
∂ϑ −
Ylm .
(10.50)
sin ϑ
r dr
sin ϑ
Für den Vergleich wenden wir ∂ϑ − sinmϑ auf Φ1 (10.48) an:
√
m ∆ dPl (η) m ∂ϑ −
Φ1 = 2 αl −l(l + 1) Pl (η) +
∂ϑ −
Ylm
sin ϑ
r dr
sin ϑ
1
m +
∂ϑ −
f (ϑ, ϕ) .
(10.51)
r
sin ϑ
Der Vergleich mit (10.50) zeigt
∂ϑ −
m f (ϑ, ϕ) = 0 .
sin ϑ
(10.52)
Der Term −m/ sin ϑ war entstanden, weil wir als ϕ-abhängige Funktion eimϕ gewählt hatten und darauf den Operator (i/ sin ϑ)∂ϕ anwandten. Wenn wir also (10.52) umschreiben
zu
i
∂ϑ +
∂ϕ f (ϑ, ϕ) = 0 ,
sin ϑ
10.2. DIE ANALYTISCHEN LÖSUNGEN
67
können wir durch Separation eine Lösung für f (ϑ, ϕ) finden:
f (ϑ, ϕ) ∼
ϑ
tan
2
m
eimϕ .
Diese Lösung ist aber insbesondere für ϑ = π nicht regulär. Deshalb wählen wir
√
f (ϑ, ϕ) ≡ −
2
Q = const.
2
(10.53)
Ich habe Q mit Bedacht gewählt, da sich später herausstellen wird, daß die Konstante in
der Tat die Gesamtladung sein muß. Für βl 6= 0 führen wir dieselben Umformungen aus
und so können wir zusammenfassend mit (10.7) die allgemeine Lösung φ1 hinschreiben:
X 1
Q
+
[αl Al (x) + βl Bl (x)] ,
2
2r2
r
l,m
dPl (η)
Al (x) = −l(l + 1) r Pl (η) + ∆
Ylm (ϑ, ϕ) ,
dr
dQl (η)
Bl (x) = −l(l + 1) r Ql (η) + ∆
Ylm (ϑ, ϕ) .
dr
φ1 = −
(10.54)
Gegen Ende dieses Kapitels bestimmen wir die Komponenten des elektromagnetischen
Feldstärketensors (9.6). Mit den Tetradenkomponenten (8.5) und (8.6) ergibt (9.6)
Ftr = − (φ1 + φ∗1 ) ,
r
∆
(φ0 + φ∗0 ) ,
Ftϑ = − √ (φ2 + φ∗2 ) + √
2
2 2r
ir sin ϑ
i∆ sin ϑ
Ftϕ = − √
(φ2 − φ∗2 ) − √
(φ0 − φ∗0 ) ,
2
2 2r
1
∆
F rϑ = √
(φ2 + φ∗2 ) + √
(φ0 + φ∗0 ) ,
3
2r
2 2r
i
i∆
F rϕ = √
(φ2 − φ∗2 ) − √
(φ0 − φ∗0 ) ,
3
2 r sin ϑ
2 2 r sin ϑ
i
(φ1 − φ∗1 ) .
F ϑϕ = − 2
r sin ϑ
(10.55)
Ich habe bewußt für die elektrischen Felder kovariante Komponenten und für die magnetischen Felder kontravariante Komponenten gewählt. Dies wird sich im nächsten Kapitel
68 KAPITEL 10. LÖSUNGEN DER MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN
als nützlich erweisen. Mit (10.7), (10.34), (10.35) und (10.54) erhalten wir
Q X 1
dPl (η)
Ftr = 2 +
∆
− l(l + 1) r Pl (η) 2 < {αl Ylm }
r
r2
dr
l,m
X 1 dQl (η)
+
∆
− l(l + 1) r Ql (η) 2 < {βl Ylm } ,
2
r
dr
l,m
X
2∆
dPl (η)
dQl (η)
Ftϑ =
< [αl ∂ϑ Ylm ] +
< [βl ∂ϑ Ylm ] ,
r l,m
dr
dr
2∆ X
dPl (η)
dQl (η)
Ftϕ = −
m
= [αl Ylm ] + m
= [βl Ylm ] ,
r l,m
dr
dr
2∆ X
m dPl (η)
m dQl (η)
rϑ
F =− 3
< [αl Ylm ] +
< [βl Ylm ] ,
r l,m sin ϑ dr
sin ϑ dr
2∆ X dPl (η)
dQl (η)
rϕ
F = 3
= [αl ∂ϑ Ylm ] +
= [βl ∂ϑ Ylm ] ,
r sin ϑ l,m
dr
dr
(
X 1 dPl (η)
2
ϑϕ
∆
− l(l + 1) r Pl (η) = {αl Ylm }
F = 2
r sin ϑ l,m r2
dr
)
X 1 dQl (η)
+
∆
− l(l + 1) r Ql (η) = {βl Ylm } .
r2
dr
l,m
(10.56)
Die Bezeichnungen <{x} und ={x} stehen jeweils für den Realteil bzw. den Imaginärteil
von x.
Kapitel 11
Qualitatives Verhalten der Felder
(2. Teil)
Im Anschluß an die Lösungen (10.56) wollen wir noch einmal das Verhalten der Felder in
der Nähe eines Schwarzschild-Loches untersuchen. Für die elektrischen Felder wird sich in
Bezug auf Kapitel 6 nichts Neues ergeben. Aber wir können jetzt auch die Magnetfelder
in unsere Untersuchung einbeziehen. Um uns die Betrachtung so einfach wie möglich zu
machen, verändern wir die Ausdrücke in (10.56) derart, daß wir die elektrischen Felder
direkt mit den Feldern (6.13) bzw. (6.17) von Teil I vergleichen können. Das wird uns
dann auch sofort das Verhalten der Magnetfelder liefern.
Zuerst erinnern wir uns daran, daß nach [31] (siehe auch (10.47))
d
dPl (η)
l(l + 1) Pl (η) =
∆
,
dr
dr
d
dQl (η)
l(l + 1) Ql (η) =
∆
dr
dr
(11.1)
gilt. Zudem können wir nach (4.9a) und (4.9b)
gl (r) ∼
∆ dPl (η)
,
r dr
fl (r) ∼
∆ dQl (η)
r dr
(11.2)
schreiben. Die konstanten Vorfaktoren sind für unsere Betrachtung nicht wichtig. Wir
setzen nun die Gleichungen (4.9a), (4.9b), (11.1) und (11.2) nacheinander in (10.56) ein
69
70 KAPITEL 11. QUALITATIVES VERHALTEN DER FELDER (2. TEIL)
und kommen zu den Ausdrücken
X dgl (r)
Q l
dfl (r)
Ftr = 2 δ0 + 2
< [αl Ylm ] +
< [βl Ylm ] ,
r
dr
dr
l,m
X
{gl (r) < [αl ∂ϑ Ylm ] + fl (r) < [βl ∂ϑ Ylm ]} ,
Ftϑ = 2
l,m
Ftϕ = −2
X
m {gl (r) = [αl Ylm ] + fl (r) = [βl Ylm ]} ,
l,m
F
rϑ
F rϕ
F ϑϕ
X
2
=− 2
m {gl (r) < [αl Ylm ] + fl (r) < [βl Ylm ]} ,
r sin ϑ l,m
X
2
{gl (r) = [αl ∂ϑ Ylm ] + fl (r) = [βl ∂ϑ Ylm ]} ,
= 2
r sin ϑ l,m
X dgl (r)
2
dfl (r)
= 2
= [αl Ylm ] +
= [βl Ylm ] .
r sin ϑ l,m
dr
dr
(11.3)
Da die Feldgrößen in (6.13) und (6.17) in der orthonormalen Basis {θµ } eines lokalen
Bezugssystems (6.10) berechnet sind, übersetzen wir (11.3) auch in diese Basis. Mit der
Metrik (4.1) und den Basis-1-Formen (6.10) gilt
F = Ftr dt ∧ dr + Ftϑ dt ∧ dϑ + Ftϕ dt ∧ dϕ + grr gϑϑ F rϑ dr ∧ dϑ
+ grr gϕϕ F rϕ dr ∧ dϕ + gϑϑ gϕϕ F ϑϕ dϑ ∧ dϕ
1
1
1
1
(11.4)
p
p
Ftϑ θ0 ∧ θ2 +
Ftϕ θ0 ∧ θ3
r 1 − 2M/r
r sin ϑ 1 − 2M/r
r sin ϑ
r
F rϑ θ1 ∧ θ2 + p
F rϕ θ1 ∧ θ3 + r2 sin ϑ F ϑϕ θ2 ∧ θ3 ,
+p
1 − 2M/r
1 − 2M/r
= Ftr θ0 ∧ θ1 +
F01 ≡ E r ,
F02 ≡ E ϑ ,
F03 ≡ E ϕ ,
F12 ≡ −B ϕ ,
F13 ≡ B ϑ ,
F23 ≡ −B r . (11.5)
Für feste l, m lauten die sphärischen Komponenten der Felder
Q l dgl (r)
dfl (r)
δ0 +
2 < [αl Ylm ] +
2 < [βl Ylm ] ,
2
r
dr
dr
gl (r)
fl (r)
2 < [αl ∂ϑ Ylm ] + p
2 < [βl ∂ϑ Ylm ] ,
Eϑ = p
r 1 − 2m/r
r 1 − 2M/r
gl (r)
m
fl (r)
m
2 = [αl Ylm ] − p
2 = [βl Ylm ] ,
Eϕ = − p
r 1 − 2M/r sin ϑ
r 1 − 2M/r sin ϑ
Er =
dgl (r)
dfl (r)
B =−
2 = [αl Ylm ] −
2 = [βl Ylm ] ,
dr
dr
gl (r)
fl (r)
Bϑ = p
2 = [αl ∂ϑ Ylm ] + p
2 = [βl ∂ϑ Ylm ] ,
r 1 − 2M/r
r 1 − 2M/r
gl (r)
m
fl (r)
m
2 < [αl Ylm ] + p
2 < [βl Ylm ] .
Bϕ = p
r 1 − 2M/r sin ϑ
r 1 − 2M/r sin ϑ
r
(11.6)
71
Ich sagte es noch nicht, aber spätestens an dieser Stelle muß ich erwähnen, daß die Summation bei l = 1 beginnt, wie man an E r sieht. Denn Q/r2 ist ja der Monopolterm l = 0.
Für die Randbedingungen der Felder teilen wir den Raum wieder in zwei Hälften auf,
nämlich in die Bereiche r > r0 und r < r0 . r0 soll der Ort der Ladungen bzw. Ströme sein.
Damit die Felder regulär sind, müssen die Konstanten αl im Bereich r > r0 , bzw. βl im
Bereich r < r0 gleich Null sein. Ein direkter Vergleich von (11.6) mit (6.13) bzw. (6.17)
gibt uns die genauen Ausdrücke für αl und βl . Die Funktionen qlm , µlm und Ylm in (6.13)
und (6.17) sind übrigens komplex. Um die physikalischen Werte von (6.13) und (6.17)
zu bekommen, müssen wir die Realteile der Formeln nehmen. Wir führen die Rechnung
beispielhaft an E ϑ vor. Für E r und E ϕ verläuft sie analog. Zuerst der Bereich r < r0 : Es
ist βl = 0 und (11.6) gibt
gl (r)
∗
[αl ∂ϑ Ylm + αl∗ ∂ϑ Ylm
].
Eϑ = p
r 1 − 2m/r
(11.7)
Andererseits ergibt der Realteil von F02 in (6.17) für feste l, m
gl (r)
2π
∗
F02 = − p
[µlm ∂ϑ Ylm + µ∗lm ∂ϑ Ylm
].
r 1 − 2m/r 2l + 1
(11.8)
Der direkte Vergleich von (11.7) mit (11.8) liefert
αl = −
2π
µlm .
2l + 1
(11.9)
Ebenso verfahren wir im Bereich r > r0 : Hier ist αl = 0 und (11.6)
gl (r)
∗
Eϑ = p
[βl ∂ϑ Ylm + βl∗ ∂ϑ Ylm
].
r 1 − 2m/r
(11.10)
Demgegenüber gilt mit (6.13)
2π
fl (r)
∗
∗
[qlm
∂ϑ Ylm + qlm ∂ϑ Ylm
].
Eϑ = − p
r 1 − 2m/r 2l + 1
(11.11)
Und so schließen wir
βl = −
2π ∗
q .
2l + 1 lm
(11.12)
Wir sahen in Abschnitt 6.2, daß ein Beobachter, der sich auf dem Horizont befindet,
also bei r0 > r ≈ 2M , in erster Linie ein radiales elektrisches Feld sieht. Auch wenn der
Träger der Ladungsverteilung sich dem Horizont nähert, bleiben die Feldkomponenten bei
r0 → 2M endlich. Mit (11.9) und (11.6) sehen wir jetzt sofort, daß das eben geschilderte,
72 KAPITEL 11. QUALITATIVES VERHALTEN DER FELDER (2. TEIL)
asymptotische Verhalten auch für die Magnetfelder gilt. Der Beobachter sieht auf dem
Horizont stehend nur ein radiales Feld.
Für den Fall r > r0 benützen wir (11.12) und (11.6). Der Beobachter sieht von außen, daß
nur einzig der Monopolterm Q/r2 erhalten bleibt und alle höheren Multipolterme verschwinden, wenn der Träger der Ladungsverteilung sich dem Horizont nähert (r0 → 2M ).
Nun haben aber die Magnetfelder in (11.6) keinen Monopolterm, da die Summation bei
l = 1 beginnt. Also verschwinden die Magnetfelder beim Grenzübergang r0 → 2M . Wenn
sich demnach eine stationäre Stromverteilung langsam dem Horizont eines SchwarzschildLoches nähert, verschwinden alle magnetischen Felder, sobald die Verteilung den Horizont
erreicht, und das Loch erfährt lediglich einen Massenzuwachs. Wir sehen hier also keine
Typänderung des Loches wie in Abschnitt 6.2. Damit stimmen unsere Rechnungen mit
den Vermutungen von Ginzburg und Ozernoi [10], Anderson und Cohen [11] und Petterson [12], und mit dem Theorem von Price [13] überein. Jenes Theorem hatte ich in der
Einleitung genannt.
Kapitel 12
Das Goldreich-Julian-Modell
Die schnelle Rotation eines magnetisierten Neutronensterns induziert elektrische Felder,
die so stark sind, daß das Gebiet um den Stern kein Vakuum sein kann. Das wurde zum
ersten Mal von Goldreich und Julian 1969 erklärt [18]. Wer es vorzieht, den Sachverhalt
in Lehrbüchern nachzuschlagen, den verweise ich auf Shapiro und Teukolsky [50] oder auf
Straumann [20]. In der Fachliteratur findet man immer wieder Arbeiten, die die Rechnungen von [18] mit Hilfe der Allgemeinen Relativität zu verallgemeinern suchen. Leider
fand ich keine korrekte Lösung für den radialen Teil der induzierten elektrischen Quadrupolfelder. Häufig begnügen sich die Autoren damit, daß ihre Lösungen im Limes r → ∞,
also weit weg vom Neutronenstern, mit [18] übereinstimmen [51,52]. Meiner Ansicht nach
genügt das aber nicht. Man hat sich immer zu vergewissern, daß die Lösungen stets die
Maxwellschen Gleichungen erfüllen. Mit den Lösungen des letzten Kapitels können wir
diese Forderung erfüllen und wir wollen sehen, ob sich numerisch ein großer Unterschied
zum Wert von [18] ergibt. Der Term g00 = 1 − 2m/r der Schwarzschild-Metrik (4.1) befindet sich im Wertebereich von 0 auf dem Horizont eines Schwarzen Loches bis 1 im asymptotisch Unendlichen. Für einen Neutronenstern (z. B. den Krebs-Pulsar, M = 1.4 M ,
R = 12 km) beträgt g00 ' 0.66 (m = GM/c2 ), also nur noch etwa 66%. Die allgemein
relativistischen Effekte sind also nicht zu vernachlässigen.
Wir betrachten den einfachen Fall eines magnetischen Dipolfeldes, dessen magnetisches
Dipolmoment µ parallel zur Winkelgeschwindigkeit Ω sein soll. Der Stern sei von Vakuum
umgeben. Für den Dipol ist l = 1, m = 0 und wir setzen für unsere Komponenten (siehe
73
74
KAPITEL 12. DAS GOLDREICH-JULIAN-MODELL
(11.6))
−F23 = B r = −µ
df1 (r)
cos ϑ ,
dr
f1 (r)
F13 = B ϑ = µ p
sin ϑ
r 1 − 2m/r
(12.1)
an. Das magnetische Dipolmoment in z-Richtung µ bestimmt beim Einsetzen in (11.6)
die βl . Man lernt von Jackson [22], daß
Fµν F µν = 2B 2
(12.2)
gilt, wenn B die Stärke von B ist. Das Skalarprodukt von F ist gemäß (A.61)
1
Fµν F µν η = B 2 η .
2
(12.3)
F = F13 θ1 ∧ θ3 + F23 θ2 ∧ θ3 ,
(12.4)
F ∧ ∗F =
In unserem Fall ist
wo die {θµ } das lokale Bezugssystem (6.10) bezeichnen. Die Gleichung (A.60) liefert uns
∗(θ2 ∧ θ3 ) = θ0 ∧ θ1 ,
∗(θ1 ∧ θ3 ) = θ2 ∧ θ0
(12.5)
und deshalb ist
F ∧ ∗F = (F13 )2 + (F23 )2 η .
(12.6)
An den Polen des Sterns (ϑ = 0, r = R) gilt also
B 2 = µ2
df1 (r)
dr
2 .
(12.7)
r=R
Mit (11.4) und (11.5) werden die Felder (12.1) zu
F rϕ = µ
f1 (r)
,
r2
F ϑϕ = µ
1 df1 (r) cos ϑ
.
r2 dr sin ϑ
(12.8)
Die Maxwellschen Gleichungen (3.16) und (3.18) lauten in ihrer integralen Form [25]
Z
Z
Z
F = 0,
∗F = −4π ∗J .
(12.9)
∂D
∂D
D
Unter der Annahme, daß keine Oberflächenströme fließen, sind, wie in der üblichen Elektrodynamik, die Normal- und die Tangentialkomponente des Magnetfeldes an der Oberfläche des Sterns bei r = R stetig. Direkt unterhalb der Oberfläche ist also
f1 (R)
1 df1 (r) cos ϑ
rϕ
ϑϕ
Fi = µ
, Fi = µ 2
.
2
R
R
dr r=R sin ϑ
(12.10)
75
Der Index i bezeichnet Felder im Innenbereich des Sterns.
Thorne et al. zeigen in ihrem Buch [53], wie sich das Faradaysche Induktionsgesetz für
bewegte Leiter in einem Gravitationsfeld schreibt. Ihre Formel (3.49) lautet
Z
I r
1
d
2m
1−
E + v ∧ B · ds = −
B · dA .
r
c
dt
(12.11)
S(t)
∂S(t)
Bis jetzt hatten wir c immer gleich Eins gesetzt. Aber für die numerische Auswertung in
diesem Kapitel nehme ich c wieder mit. Bei Thorne et al. [53] gilt die Gleichung allgemein
in der Kerr-Metrik, aber für uns genügt die Schwarzschild-Metrik. Die elektromagnetischen Felder E und B gehören zum lokalen Bezugssystem (6.10), wie sie ein Beobachter
in diesem System messen würde. v ist die Geschwindigkeit des Leiters gemessen im lokalen System. S(t) bezeichnet das bewegte Flächenstück und ∂S(t) seinen Rand. Wir
definieren uns ein E 0
E0 ≡ E +
1
v∧B
c
(12.12)
und sagen, daß E 0 das elektrische Feld im momentanen Ruhesystem ist. Wenn wir in
dem Ruhesystem einen Strom nach dem Ohmschen Gesetz definieren, J = σE 0 , und wie
üblich annehmen, daß die Leitfähigkeit im Innern des Neutronensterns extrem hoch ist,
folgt
E+
1
v ∧ B = 0.
c
(12.13)
In kovarianter Form lautet (12.13)
F αβ uβ = 0 .
(12.14)
So finden wir nach Herauf- und Herunterziehen der Indizes mit gµν
Frt = −Frϕ
uϕ
,
ut
Fϑt = −Fϑϕ
uϕ
.
ut
(12.15)
Mit xµ = (ct, 0, 0, ϕ) ist die Vierergeschwindigkeit uµ gleich
uµ =
dxµ
1
=p
(c, 0, 0, Ω) ,
dτ
1 − 2m/r
Ω=
dϕ
.
dt
Die elektrischen Felder direkt unter der Oberfläche sind mit (12.15)
1
f1 (R)
1
2
i
2 df1 (r) i
sin ϑ , Fϑt = − µ Ω R
sin ϑ cos ϑ .
Frt = − µ Ω
c
1 − 2m/R
c
dr r=R
(12.16)
(12.17)
76
KAPITEL 12. DAS GOLDREICH-JULIAN-MODELL
Man kann mit (12.9) auch zeigen, daß die Tangentialkomponente des elektrischen Feldes
Fϑt an der Oberfläche r = R stetig ist, und deshalb finden wir mit (12.17)
1
a
2 df1 (r) Fϑt = − µ Ω R
sin ϑ cos ϑ .
c
dr r=R
(12.18)
a soll die Felder im Außenraum bezeichnen. sin ϑ cos ϑ lautet mit Hilfe des LegendrePolynoms P2 (cos ϑ) [31]
1
sin ϑ cos ϑ = − ∂ϑ [P2 (cos ϑ)] .
3
Also gilt für (12.18) auch
a
Ftϑ
1
2 df1 (r) = ∂ϑ − µ Ω R
P2 (cos ϑ) .
3c
dr r=R
(12.19)
(12.19) wird uns jetzt als Randbedingung für unsere Lösung dienen. Im Außenraum ist
Vakuum und deshalb müssen wir Gleichung (4.4) mit jt = 0 lösen. Unser Problem ist
axialsymmetrisch (m = 0) und (12.19) zeigt uns, daß die Lösung nur einen Quadrupolbeitrag l = 2 haben kann. Die Lösung At für den Außenraum kennen wir natürlich schon.
Mit Gleichung (6.1) können wir ansetzen:
At (r, ϑ) = A2 f2 (r) P2 (cos ϑ) .
(12.20)
A2 ist eine Konstante, die wir mit der Randbedingung (12.19) bestimmen können. Die
Gleichung (6.11) sagt uns, daß
Fϑt = At,ϑ = A2 f2 (r)
dP2 (cos ϑ)
dϑ
gilt. Ein Vergleich mit der Randbedingung (12.19) liefert uns
1µ
R2 df1 (r) A2 =
Ω
.
3 c f2 (R) dr r=R
(12.21)
(12.22)
Damit haben wir die gesuchte Lösung
1µ
R2 df1 (r) At (r, ϑ) =
Ω
f2 (r) P2 (cos ϑ) .
3 c f2 (R) dr r=R
(12.23)
Mit (6.11) und (6.12) bekommen wir die elektrischen Felder im lokalen Bezugssystem
(6.10)
1µ
R2 df1 (r) df2 (r)
=−
Ω
P2 (cos ϑ) ,
3 c f2 (R) dr r=R dr
µ
R2 df1 (r) f (r)
ϑ
p 2
Ea = Ω
sin ϑ cos ϑ .
c f2 (R) dr r=R r 1 − 2m/r
Ear
(12.24)
(12.25)
77
Da die Normalkomponente des elektrischen Feldes an der Oberfläche des Sterns nicht
stetig ist, resultiert eine Oberflächenladungsdichte σ. Um das einzusehen, benutzen wir die
integrale Form der inhomogenen Maxwellschen Gleichungen (12.9). Mit (A.60) bekommen
wir zuerst
∗J = jt ∗ (dt) = j t r2 sin ϑ dr ∧ dϑ ∧ dϕ .
(12.26)
Die 2-Form F besteht aus den Komponenten F01 , F02 , F13 und F23 . Wenn wir ∗F bilR
den und berücksichtigen, daß für ∂D ∗F gemäß dem Stokesschen Integralsatz (A.68) nur
kompakte D̄ beitragen, sehen wir, daß einzig der Term mit
∗(θ0 ∧ θ1 ) = −θ2 ∧ θ3
übrigbleibt. (12.9) wird dann zu
Z
Z
2
F01 r sin ϑ dϑ dϕ = 4π σ r2 sin ϑ dϑ dϕ ,
(12.27)
∂D
wobei σ die Oberflächenladungsdichte σ =
R
jt dr ist. dS = r2 sin ϑ dϑ dϕ ist das Ober-
flächenelement, dessen Einheitsnormalenfeld n im Außenraum parallel und im Innenraum
antiparallel zum radialen Einheitsvektor er des Schwarzschild-Koordinatensystems steht.
Es gilt somit für σ
σ=
1
4π
a
i F01
|r=R − F01
,
r=R
oder mit (12.24) und (12.17) ausgeschrieben
1
1µ
R2 df1 (r) df2 (r) σ=
−
Ω
P2 (cos ϑ)
4π
3 c f2 (R) dr r=R dr r=R
f1 (R)
1
2
sin ϑ .
− µΩ
c
1 − 2m/R
(12.28)
(12.29)
Thorne et al. [53] zeigen in ihrem Buch, daß man die Formeln der Elektrodynamik in der
Allgemeinen Relativität praktisch in derselben Form schreiben kann, wie man sie in der
klassischen Elektrodynamik kennenlernt [22]. Wir hatten davon in (12.13)
Ei +
1
v∧B =0
c
Gebrauch gemacht. Daraus folgt aber, daß im Innern des Sterns
1
E i · B = − (v ∧ B) · B = 0
c
(12.30)
78
KAPITEL 12. DAS GOLDREICH-JULIAN-MODELL
ist. Im Außenraum ist jedoch E a · B a 6= 0. Diese Größe gibt ein Maß für die Kraft, die ein
geladenes Teilchen in die Richtung des Magnetfeldes spürt. Wir suchen die Komponente
des elektrischen Feldes, die parallel zum Magnetfeld ist:
Ea · Ba .
Ek = |B a | (12.31)
Wir bilden zuerst
F ∧ F = −2 E a · B a η = −2 (E r B r + E ϑ B ϑ ) η .
(12.32)
Mit (12.3) und (12.6) ist
2 |B a | = (Bar )2 + Baϑ .
(12.33)
Wir interessieren uns für die Kraft, die ein Teilchen am Nordpol spürt (ϑ = 0, r = R). Es
ist dann
1 µ2
R2
E r Br + E ϑBϑ =
Ω
3 c
f2 (R)
df1 (r)
dr
und
2 r=R
df2 (r) dr r=R
df1 (r) .
|B a | = µ
dr r=R So bekommen wir
(12.34)
(12.35)
1 µ
R2 df1 (r) df2 (r) Ek = Ω
.
3 c f2 (R) dr r=R dr r=R (12.36)
Das geladene Teilchen spürt zum einen die Gravitationskraft, zum anderen die Beschleunigung durch Ek . Die Gravitationskraft kennen wir schon. Sie ist mit (7.43) und ϑ0 = 0
r
|Fext
|
m0 m c2
=
R2
2m
1−
R
−1/2
,
m=
GM
.
c2
(12.37)
m0 soll die Masse des Teilchens sein. Die elektrostatische Selbstkraft Fself vernachlässigen
wir, da sie durch das Quadrupolfeld des Sterns in ihrer Stärke weit übertroffen wird. Die
Kraft durch das elektrische Feld ist [22, 53]
Fµ =
q µν
F uν .
c
(12.38)
Mit ut = c/(1 − 2m/R) und E r = −Frt bekommen wir
Felr = q E r
r
1−
2m
.
R
(12.39)
79
r
Wir bemerken, daß E r (r = R, ϑ = 0) = Ek gilt. Das Verhältnis von |Fext
| und |Felr | lautet
q Ek 2
2m
|Felr |
=
R 1−
.
(12.40)
r
|Fext
|
m0 GM
R
Als Beispiel wählen wir den Krebs-Pulsar:
B(Pol) = 1012 G ,
P = Periode =
q = 3 · 1.602 × 10−10 esE ,
2π
= 33 × 10−3 s ,
Ω
M = 1.4 M ,
m0 = mp = 1.67 × 10−24 g ,
M = 1.989 × 1033 g ,
R = 12 × 105 cm .
Das magnetische Dipolmoment am Pol gewinnt man mit (12.7) und die Funktionen fl ,
bzw. deren Ableitungen mit (4.9b) und [31]. So ergibt sich numerisch ein Verhältnis von
|Felr |
= 9.69 × 109 .
r
|Fext
|
(12.41)
Der Wert der nichtrelativistischen Rechnung von Goldreich und Julian [18] ist 1.697×1010
und ist damit um einen Faktor 1.75 größer als mein Wert.
Anhang A
Differentialgeometrie auf
Mannigfaltigkeiten
A.1
Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Bevor wir definieren, was eine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist, wollen wir die dazu
nötigen Begriffe am Beispiel des n-dimensionalen Euklidischen Raumes Rn einführen.
Dieser Raum ist ein topologischer Raum.
Definition A.1 Ein topologischer Raum ist eine Menge S zusammen mit einer Familie
O von Teilmengen, die offene Mengen genannt werden, so daß
(i) ∅ ∈ O und S ∈ O;
(ii) U1 , U2 ∈ O ⇒ U1 ∩ U2 ∈ O;
(iii) Die Vereinigung einer Familie von offenen Mengen ist offen.
Zu je zwei verschiedenen Punkten des Rn kann man immer Umgebungen angeben, die
sich nicht überlappen. Einen Raum mit dieser Eigenschaft nennt man Hausdorffsch.
Eine Familie B von offenen Mengen heißt Basis, wenn jede offene Teilmenge von S als
Vereinigung von Elementen aus B dargestellt werden kann. Man kann sogar für jeden
Punkt p ∈ Rn eine abzählbare Menge von Umgebungen {Ui } von p angeben, so daß es
80
A.1. DIFFERENZIERBARE MANNIGFALTIGKEITEN
81
für jede Umgebung U von p ein i gibt, für welches die Umgebung Ui ganz in U enthalten
ist. Aus diesen {Ui } kann man auch eine Basis im obigen Sinne machen. Der Rn hat also
sicher eine abzählbare Basis. Dies alles faßt man zusammen, indem man sagt: Der Rn ist
ein topologischer, Hausdorffscher Raum mit abzählbarer Basis.
Wir wissen aber auch, daß der Rn als Träger für glatte Funktionen dienen kann,
f : U ⊂ Rn → R ,
(A.1)
die offene Teilmengen U des Rn auf die reellen Zahlen abbilden. Glatt oder C ∞ heißt die
Funktion f dann, wenn alle gemischten, partiellen Ableitungen von f an jedem Punkt
u ∈ U existieren und stetig sind. Als Beispiel betrachten wir die Funktion f i , die jedem
Element p ∈ Rn seine i-te Koordinate pi zuordnet, wie in Abb. A.1 dargestellt,
f i : Rn → R : p = (p1 , . . . , pi , . . . , pn ) 7→ pi ,
i = 1, 2, . . . , n .
(A.2)
n
R
p
j
p = f (p)
j
p = f i(p)
i
Abbildung A.1: Die Koordinatenfunktion
Diese Funktionen f i (p) = pi nennt man die natürlichen Koordinatenfunktionen von Rn .
Bevor wir zum Ziel dieses Abschnitts kommen, führen wir einen überaus wichtigen Begriff
ein:
Definition A.2 Seien S und T zwei topologische Räume. Die Abbildung φ : S → T ist
ein Homöomorphismus, wenn φ bijektiv ist und φ und φ−1 stetig sind.
82
ANHANG A. DIFFERENTIALGEOMETRIE
Die Begriffe, mit denen wir den Rn charakterisiert haben, nimmt man nun als Forderungen
in die Definition einer Mannigfaltigkeit auf. Eine Mannigfaltigkeit ist ein topologischer
Raum, der lokal wie der Rn mit der üblichen Topologie aussieht.
Definition A.3 Eine n-dimensionale topologische Mannigfaltigkeit M ist ein topologischer Hausdorff-Raum mit abzählbarer Basis, der lokal homöomorph zum Rn ist. Das
heißt, daß es zu jedem Punkt p ∈ M eine offene Umgebung U von p und einen Homöomorphismus
φ : U → U0
(A.3)
gibt, der U auf eine offene Menge U 0 ⊂ Rn abbildet.
In der obigen Definition heißt φ eine Karte von M und U das zugehörige Kartengebiet.
Abb. A.2 zeigt den Homöomorphismus φ . Schaltet man nun die Koordinatenfunktionen
(A.2) hinter die Abbildung (A.3), so erhält man für jeden Punkt p ∈ U ⊂ M eine
Koordinatendarstellung im Rn ,
xi = f i ◦ φ bzw. φ(p) = (x1 (p), . . . , xn (p)) ∈ Rn .
(A.4)
M
U
Rn
φ
U’
Abbildung A.2: Die Kartenabbildung
Wir betrachten nun auf M zwei Kartengebiete Uα und Uβ , die sich teilweise überlappen.
φα und φβ seien die zugehörigen Karten:
A.1. DIFFERENZIERBARE MANNIGFALTIGKEITEN
83
φα : Uα ⊂ M → φα (Uα ) ⊂ Rn ,
(A.5)
φβ : Uβ ⊂ M → φβ (Uβ ) ⊂ Rn .
Dann überlappen auch deren Bilder φα (Uα ) bzw. φβ (Uβ ) teilweise auf Rn , und die Abbil−1
n
dungen φαβ ≡ φβ ◦ φ−1
α und φβα ≡ φα ◦ φβ bilden offene Teilmengen des R aufeinander
ab. Sie heißen Kartenwechsel oder Koordinatentransformationen. Wenn die Abbildungen
φαβ und φβα glatt sind, so sagt man, daß die beiden Karten oder Koordinatensysteme
(φα , Uα ) und (φβ , Uβ ) glatt überlappen (vgl. Abb. A.3).
M
Uα
Uβ
φβ
φα
n
R
φαβ
n
R
φβα
φα (Uα)
φβ (Uβ )
Abbildung A.3: Koordinatenwechsel
Wir überdecken nun M mit offenen Teilmengen {Uα |α ∈ I}, so daß jeder Punkt p ∈ M
in mindestens einem Uα liegt, und zusätzlich verlangen wir, daß je zwei Karten glatt
überlappen. Dies führt uns zur folgenden
Definition A.4 Eine Menge von Karten {φα |α ∈ I} mit Gebieten Uα heißt Atlas von
S
M , wenn
Uα = M .
α∈I
84
ANHANG A. DIFFERENTIALGEOMETRIE
Definition A.5 Ein Atlas einer Mannigfaltigkeit heißt differenzierbar , wenn alle seine
Kartenwechsel differenzierbar sind.
Dabei wollen wir unter einer differenzierbaren Abbildung zwischen offenen Teilmengen des
Rn eine C ∞ -Abbildung verstehen. Weil für Kartenwechsel offenbar gilt:
φαα = 1 ,
φβγ ◦ φαβ = φαγ ,
also φ−1
αβ = φβα ,
sind auch die Inversen der Kartenwechsel differenzierbar, oder die Kartenwechsel sind
Diffeomorphismen.
Was hat man damit gewonnen? Verfügt man über einen solchen Atlas, so kann man
geometrische Objekte, die auf M definiert sind, z.B. differenzieren. Das tut man, indem
man sie auf die Karten des Atlas herunterprojiziert und ihre dort erscheinenden Bilder (die
jetzt in Räumen Rn liegen) nach den Regeln der Analysis differenziert. Da die Karten des
Atlas untereinander diffeomorph zusammenhängen, kann man diese Prozedur über ganz
M erstrecken. In diesem Sinne definiert ein Atlas eine differenzierbare Struktur auf der
Mannigfaltigkeit M . Durch seine Vorgabe wird es möglich, auf M einen mathematisch
konsistenten Kalkül einzuführen.
Es bleibt da noch eine technische Schwierigkeit, die man aber leicht auflösen kann. Mit
der oben gegebenen Definition kann es vorkommen, daß zwei formal verschiedene Atlanten
denselben Kalkül auf M liefern. Dies vermeidet man so: Sei A ein differenzierbarer Atlas
auf der Mannigfaltigkeit M . Der Atlas D = D(A) enthalte genau all jene Karten, für
die jeder Kartenwechsel mit einer Karte aus A differenzierbar ist. Der Atlas D ist dann
ebenfalls differenzierbar, denn lokal kann man einen Kartenwechsel φβγ in D als Zusammensetzung φβγ = φαγ ◦ φβα von Kartenwechseln mit einer Karte φα ∈ A schreiben, und
Differenzierbarkeit ist eine lokale Eigenschaft. Der Atlas D ist unter den differenzierbaren Atlanten offenbar maximal, nicht durch Hinzunahme weiterer Karten zu vergrößern,
und ist der größte differenzierbare Atlas, der A enthält. Man spricht dann von einem
vollständigen (auch: maximalen) Atlas.
Definition A.6 Eine differenzierbare Struktur auf einer topologischen Mannigfaltigkeit
ist ein maximaler differenzierbarer Atlas. Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist eine
topologische Mannigfaltigkeit zusammen mit einer differenzierbaren Struktur.
A.2. GEOMETRISCHE OBJEKTE AUF MANNIGFALTIGKEITEN
85
Beispiele:
(a) M = Rn . Der Atlas hat eine einzige Karte: 1 : Rn → Rn .
(b) Die n-Sphäre S n = {x ∈ Rn+1 : |x| = 1}.
(c) Der Torus T m = S 1 × S 1 × · · · × S 1 (m-mal), die Oberfläche eines Tennisringes.
A.2
Geometrische Objekte auf Mannigfaltigkeiten
Als nächstes wollen wir allerlei geometrische Objekte, die auf glatten Mannigfaltigkeiten definiert sind, einführen und einordnen. Beispiele dafür gibt es viele: etwa Funktionen wie die Lagrange- und Hamiltonfunktionen, Kurven auf Mannigfaltigkeiten wie
die Lösungskurven von Bewegungsgleichungen, Vektorfelder wie das Geschwindigkeitsfeld
einer Strömung, Formen von der Art des Volumenelements, und andere mehr.
Wir beginnen mit dem ziemlich allgemeinen Begriff einer Abbildung einer glatten Mannigfaltigkeit M mit Atlas A auf eine andere solche,
F : (M, A) → (N, B) .
(A.6)
F bildet den Punkt p, der in einer offenen Umgebung U von M liegt, auf den Punkt F (p)
in N ab, der natürlich im Bildbereich F (U ) von U liegt. Die Dimensionen von M und N
seien m bzw. n.
(φ, U ) sei eine Karte aus dem Atlas A und (ψ, V ) eine Karte für N derart, daß F (U ) in
V enthalten ist. Dann ist die Zusammensetzung
ψ ◦ F ◦ φ−1 : φ(U ) ⊂ Rm → ψ(V ) ⊂ Rn
(A.7)
eine Abbildung zwischen den Euklidischen Räumen Rm und Rn . Die Abbildung F , (A.6),
soll glatt oder differenzierbar heißen, wenn die Abbildung (A.7) diese Eigenschaft hat für
jeden Punkt p ∈ U ⊂ M , jede Karte (φ, U ) ∈ A und jede Karte (ψ, V ) ∈ B, wenn das
Bild F (U ) in V enthalten ist.
Eine glatte Funktion auf einer Mannigfaltigkei M ist eine Abbildung von M auf die reellen
Zahlen,
f : M → R : p ∈ M 7→ f (p) ∈ R ,
(A.8)
86
ANHANG A. DIFFERENTIALGEOMETRIE
die im oben erläuterten Sinne differenzierbar ist. Die Gesamtheit aller glatten Funktionen
auf M bezeichnet man mit F(M ).
Eine glatte Kurve auf einer beliebigen Mannigfaltigkeit N ist eine glatte Abbildung, die
von einem offenen Intervall I ⊂ R auf N führt,
γ : I ⊂ R → N : τ ∈ I 7→ γ(τ ) ∈ N .
(A.9)
Ist (ψ, V ) Karte auf N , so gilt für den Teil der Kurve, der in V liegt, daß ψ ◦ γ eine glatte
Kurve im Rn ist (vgl. (A.7) mit φ = 1). Vermittels des vollständigen Atlas, mit dem N
ausgestattet ist, kann man die Kurve als Ganzes von Karte zu Karte verfolgen.
Speziell sei γ eine Kurve auf dem Rn und p0 = γ(τ0 ) ∈ Rn , τ0 ∈ I. Bildet man die
Ableitung
γ̇(τ ) =
dγ(τ )
,
dτ
so ist
γ̇(τ0 ) =
n
X
γ̇ i (τ0 ) ei =: vp0
i=1
der Tangentialvektor an die Kurve im Punkt p0 . Weiter sei y ein fester, aber beliebiger
Punkt des Rn . Wir betrachten die Menge Ty Rn aller Tangentialvektoren (an alle möglichen
glatten Kurven, die durch y gehen) am Punkte y, vgl. Abb. A.4. Diese bilden einen
Vektorraum, denn man kann sie addieren und mit reellen Zahlen multiplizieren.
y
Abbildung A.4: Tangentialvektoren
A.2. GEOMETRISCHE OBJEKTE AUF MANNIGFALTIGKEITEN
Betrachtet man nun die glatte Funktion f (x) auf dem Rn , sowie einen Vektor v =
87
P
v i ei
aus Ty Rn , so kann man die Ableitung von f (x) im Punkt y und in der Richtung des
Tangentialvektors v bilden. Sie ist bekanntlich durch
n
X
i ∂f v(f ) :=
v
∂xi i=1
(A.10)
x=y
gegeben. Diese Richtungsableitung ordnet jeder Funktion f (x) ∈ F(Rn ) eine durch (A.10)
gegebene reelle Zahl zu,
v : F(Rn ) → R : f 7→ v(f ) ,
(A.11)
und hat die folgenden Eigenschaften:
Sind f (x) und g(x) zwei Funktionen auf dem Rn , a und b zwei reelle Zahlen, so gilt die
(V1) R-Linearität, d. h.
v (af + b g) = a v (f ) + b v (g) ,
(A.12)
v (f · g) = v (f ) g (y) + f (y) v (g) .
(A.13)
(V2) Leibnizregel , d. h.
Für eine beliebige, abstrakt definierte Mannigfaltigkeit verwendet man genau diese Eigenschaften zur
Definition A.7 Ein Tangentialvektor v an M im Punkt p ∈ M ist eine reellwertige
Funktion
v : F(M ) → R
(A.14)
mit den Eigenschaften (V1) und (V2), d. h.
v(af + bg) = a v(f ) + b v(g) ;
(V1)
v(f g) = v(f ) g(p) + f (p) v(g) ,
(V2)
wobei f, g ∈ F(M ) und a, b ∈ R.
Der Raum Tp M aller Tangentialvektoren in p ∈ M heißt Tangentialraum. Er ist ein
Vektorraum über R, wenn man Addition von Vektoren und ihre Multiplikation mit reellen
88
ANHANG A. DIFFERENTIALGEOMETRIE
Zahlen wie üblich definiert,
(v1 + v2 )(f ) = v1 (f ) + v2 (f ) ,
(A.15)
(av)(f ) = av(f ) ,
für alle Funktionen f auf M und alle reellen Zahlen a. Dieser Vektorraum hat dieselbe
Dimension wie die Mannigfaltigkeit M .
Partielle Ableitungen einer Funktion g ∈ F(M ) kann man auf M i. allg. nicht bilden,
wohl aber für das Bild von g in lokalen Karten. Sei also (φ, U ) eine Karte, p ∈ U ein
Punkt von M und g eine Funktion auf M . Dann ist die Ableitung von g ◦ φ−1 nach der
natürlichen Koordinatenfunktion f i , (A.2), am Bildpunkt φ(p) im Rn wohldefiniert,
∂g ∂(g ◦ φ−1 )
∂i (g) ≡
:=
(φ(p)) .
(A.16)
∂xi p
∂f i
p
Die Funktionen
∂
∂i ≡
∂xi
p
∂g
: F(M ) → R : g 7→
,
i ∂x
p
p
i = 1, 2, . . . , n
(A.17)
besitzen die Eigenschaften (V1) und (V2) und sind daher Tangentialvektoren an M im
Punkt p ∈ U ⊂ M .
Weiter kann man zeigen, daß die Vektoren
∂1 |p , ∂2 |p , . . . , ∂n |p
eine Basis des Tangentialraums Tp M bilden und daß jeder Vektor v ∈ Tp M die Kartendarstellung
v=
n
X
v(xi ) ∂i |p
(A.18)
i=1
besitzt, wo xi die in (A.4) definierten Koordinaten sind.
Zu allen Punkten p, q, r, . . . der glatten Mannigfaltigkeit gibt es eigene Tangentialräume
Tp M, Tq M, Tr M, . . . , die zwar dieselbe Dimension haben, aber alle voneinander verschieden sind. Die Vereinigung aller Tangentialräume
T M :=
[
p∈M
Tp M
(A.19)
A.2. GEOMETRISCHE OBJEKTE AUF MANNIGFALTIGKEITEN
89
ist selbst eine glatte Mannigfaltigkeit. Diese Mannigfaltigkeit T M nennt man das Tangentialbündel . Wenn M die Dimension dim M = n hat, so hat das Tangentialbündel die
Dimension
dim T M = 2n .
Denn ein Punkt aus T M wird durch zwei Angaben
(p, v) mit p ∈ M
und v ∈ Tp M
festgelegt, d. h. durch den Punkt p ∈ Tp M und durch den Vektor v in diesem Vektorraum.
Bis jetzt haben wir alle möglichen Tangentialvektoren v ∈ Tp M an die Mannigfaltigkeit M in einem festen Punkt p ∈ M betrachtet. Beim Begriff des Vektorfeldes geht es
um etwas anderes: nämlich eine Vorschrift, wie jedem Punkt p von M ein einziger ausgewählter Tangentialvektor Vp aus dem Tangentialraum Tp M zugeordnet werden soll. Ist
beispielsweise die stationäre Strömung einer Flüssigkeit in einem Gefäß vorgegeben, so ist
die Strömungsgeschwindigkeit in jedem Punkt innerhalb des Gefäßes eindeutig festgelegt.
Gleichzeitig liegt sie im Tangentialraum, der zu diesem Punkt gehört. Das Strömungsfeld
wählt in jedem Punkt einen speziellen Vektor aus dem zugehörigen Tangentialraum aus.
Definition A.8 (VF1) Ein Vektorfeld V auf der glatten Mannigfaltigkeit M ist eine
Funktion, die jedem Punkt p von M einen Tangentialvektor Vp aus Tp M zuordnet,
V : M → T M : p ∈ M 7→ Vp ∈ Tp M .
(A.20)
Gemäß (A.14) wirken Tangentialvektoren auf glatte Funktionen auf M und liefern deren
verallgemeinerte Richtungsableitungen. Ein Vektorfeld wirkt ebenso auf glatte Funktionen,
V : F(M ) → F(M )
wenn man vereinbart, in jedem Punkt p ∈ M den Repräsentanten Vp des Vektorfeldes V
auf die Funktion anzuwenden,
(Vf )(p) := Vp (f ) ;
f ∈ F(M ) .
(A.21)
Hiermit kann man definieren, wann V glatt heißen soll:
(VF2) Das Vektorfeld V heißt glatt oder differenzierbar, wenn Vf für alle glatten Funktionen auf M glatt ist.
90
ANHANG A. DIFFERENTIALGEOMETRIE
Das Vektorfeld V führt von M nach T M , indem es jedem p ∈ M das Element (p, Vp ) in
T M zuordnet.
In Koordinaten, d. h. in einer Karte (φ, U ) kann man Koordinatenvektorfelder, oder kurz
Basisfelder , zur lokalen Darstellung eines Vektorfeldes verwenden. Für jeden Punkt p der
offenen Umgebung U ⊂ M ist ∂i |p durch (A.16) und (A.17) definiert. Das Basisfeld ∂i ist
damit durch die Zuordnung
∂i : U → T U : p ∈ U 7→ ∂i |p
(A.22)
auf U als Vektorfeld definiert. Da die Funktionen g ◦ φ−1 , die in (A.16) auftreten, differenzierbar sind, ist klar, daß ∂i ein glattes Vektorfeld auf U ist. Bezeichnet φ(p) =
(x1 (p), . . . , xn (p)) die Kartenabbildung, so hat jedes glatte Vektorfeld V die lokale Darstellung (auf U )
V =
n
X
(V xi )∂i .
(A.23)
i=1
Schließlich kann man diese lokalen Darstellungen auf den Kartenbereichen U, V, . . . eines
vollständigen Atlas A zusammenfügen und erhält eine auf die ganze Mannigfaltigkeit M
ausgedehnte Darstellung des Vektorfeldes V . Die Basisfelder auf zwei verschiedenen, sich
überschneidenden Umgebungen U und V der Karten (φ, U ) und (ψ, V ) hängen dabei
folgendermaßen zusammen. Geht man zu (A.16) zurück, so ist nach der Kettenregel
n
∂(g ◦ φ−1 ) X ∂(g ◦ ψ −1 ) ∂(ψ k ◦ φ−1 )
=
·
.
∂f i
∂f k
∂f i
k=1
Bezeichnen wir die Ableitungen (A.16) mit
∂iφ bzw.
p
∂iψ , indem wir zusätzlich die lokale
p
Kartenabbildung φ bzw. ψ angeben, so gilt demnach im Überlappgebiet von U und V
n
X
∂(ψ k ◦ φ−1 )
∂iφ (g) =
∂kψ (g)
.
i
∂f
p
p
k=1
(A.24)
Die Matrix, die hier auf der rechten Seite erscheint, ist die Jacobimatrix Jψ◦φ−1 der Übergangsabbildung ψ ◦ φ−1 . Auf diese Weise lassen sich die Basisfelder ∂iφ auf U , ∂kψ auf V
usw. miteinander verknüpfen, die Darstellung (A.23) gilt in diesem Sinne auf ganz M .
Die Menge aller glatten Vektorfelder X auf M wird mit X (M ) bezeichnet.
Gemäß (A.14) ordnet ein Tangentialvektor v aus Tp M einer glatten Funktion f eine reelle
Zahl zu. Für ein Vektorfeld gilt diese Aussage für jeden Punkt p der Mannigfaltigkeit,
A.2. GEOMETRISCHE OBJEKTE AUF MANNIGFALTIGKEITEN
91
wie in (A.21) angegeben. Betrachtet man diese Gleichung als Funktion von p, so sieht
man, daß durch die Wirkung des Feldes V auf die Funktion f wieder eine glatte Funktion
auf M entsteht,
V ∈ X (M ) : f ∈ F(M ) → V f ∈ F(M )
(A.25)
: f (p) 7→ Vp (f ) .
Diese Zuordnung von Funktionen aus F(M ) hat die Eigenschaften (V1) und (V2).
Als letzten Begriff führen wir den der Form ein. Es sei γ(τ ) eine glatte Kurve auf der
Mannigfaltigkeit M ,
γ = {γ 1 , . . . , γ n } : I ⊂ R → M ,
die bei τ0 = 0 durch den Punkt p = γ(0) gehen möge. Es werde außerdem eine glatte
Funktion f auf M betrachtet. Die Richtungsableitung dieser Funktion im Punkt p, und
zwar in Richtung des Tangentialvektors vp = γ̇(0) an die Kurve genommen, ist dann
d
f (γ(τ ))
.
dfp (vp ) =
dτ
τ =0
(A.26)
Dies ist ein Beispiel für eine differenzierbare Abbildung des Tangentialraumes Tp M im
Punkt p auf die reellen Zahlen, denn
dfp : Tp M → R
ordnet jedem vp die reelle Zahl df (γ(τ ))/dτ τ =0 zu. Diese Abbildung ist linear. Klarer-
weise bilden die linearen Abbildungen von Tp M in die reellen Zahlen den zu Tp M dualen
Vektorraum. Diesen notiert man als Tp∗M und bezeichnet ihn als Kotangentialraum an M
im Punkt p. Die disjunkte Vereinigung aller Kotangentialräume über alle Punkte p aus
M,
[
Tp∗M =: T ∗M
(A.27)
p∈M
wird (in Analogie zum Tangentialbündel T M ) das Kotangentialbündel genannt. Die Elemente aus Tp∗M seien mit ωp bezeichnet. Im Beispiel (A.26) kann man natürlich den
Fußpunkt p entlang der Kurve γ(τ ) wandern lassen, oder, falls eine ganze Schar von
solchen Kurven existiert, die M überdeckt, den Punkt p über ganz M wandern lassen.
Dann entsteht so etwas wie ein Feld“ von Richtungsableitungen auf ganz M , das linear
”
und differenzierbar ist. Ein solches geometrisches Objekt, das gewissermaßen dual zum
92
ANHANG A. DIFFERENTIALGEOMETRIE
früher definierten Vektorfeld ist, nennt man Differentialform vom Grad 1 oder auch kurz
Einsform.
Definition A.9 (DF1) Eine Einsform ist eine Zuordnung,
ω : M → T ∗M : p 7→ ωp ∈ Tp∗M ,
(A.28)
die jedem Punkt p ∈ M ein Element ωp im Kotangentialraum Tp∗M zuordnet. ωp ist dabei
eine lineare Abbildung des Tangentialraumes Tp M auf die reellen Zahlen, d. h. ωp (vp ) ist
eine reelle Zahl.
Da ω an jedem Punkt p auf Tangentialvektoren vp wirkt, kann man diese Einsform auf
glatte Vektorfelder X wirken lassen: Das Ergebnis ω(X) ist dann die reelle Funktion,
deren Wert im Punkt p durch ωp (Xp ) gegeben ist.
Definition A.10 (DF2) Die Form ω heißt glatt, wenn die Funktion ω(X) für jedes Vektorfeld X ∈ X (M ) glatt ist.
Die Menge aller glatten Einsformen wird oft mit X ∗ (M ) bezeichnet, womit darauf hingewiesen wird, daß sie die Menge der zu den Vektorfeldern dualen Objekte ist.
Das Differential einer glatten Funktion auf M
df : T M → R ,
(A.29)
das so definiert ist, daß (df )(X) = X(f ) ist, ist ein Beispiel für eine glatte Differentialform
vom Grad 1 auf M . Als spezielle Beispiele für glatte Funktionen auf M haben wir die
Kartenabbildungen (A.4)
φ(p) = {x1 (p), . . . , xn (p)}
betrachtet. Wir betrachten das Differential (A.29) dieser Funktionen xi auf der Umgebung
U ⊂ M , für die die Karte gilt
dxi : T U → R .
Sei v = (v(x1 ), . . . , v(xn )) ein Tangentialvektor aus dem Tangentialraum Tp M in einem
Punkt p von U . Läßt man die Einsform dxi auf v wirken, so ist der entstehende reelle
Zahlenwert die Komponente v(xi ) des Tangentialvektors,
dxi (v) = v(xi ) .
A.2. GEOMETRISCHE OBJEKTE AUF MANNIGFALTIGKEITEN
93
Das sieht man ein, wenn man sich die Kartendarstellung (A.18) von v in Erinnerung ruft
und die Wirkung von dxi auf den Basisvektor ∂j|p , (A.17), ausrechnet. Es ist nämlich
∂ ∂xi i
i
dx (∂j|p ) =
(x ) =
= δji .
j
j
∂x p
∂x p
Mit diesem Ergebnis macht man sich leicht klar, daß die aus den Koordinaten erhaltenen
Einsformen dxi in jedem Punkt p aus U eine Basis des Kotangentialraumes Tp∗M bilden.
Die Basis { dxi |p } von Tp∗M ist Dualbasis zur Basis {∂i |p } von Tp M .
Man nennt diese Einsformen dxi , . . . , dxn daher Basisdifferentialformen vom Grad 1 auf
U . Das bedeutet, daß man jede glatte Einsform durch
ω=
n
X
ω(∂i )dxi
(A.30)
i=1
darstellen kann. Dabei ist ω(∂i ) in jedem Punkt p diejenige reelle Zahl, die bei der
Wirkung der Einsform ω auf das Basisfeld ∂i entsteht, vgl. (DF1) und (DF2). Die Darstellung (A.30) gilt auf der Kartenumgebung U . Da man die ganze Mannigfaltigkeit M
mit Karten eines vollständigen Atlas überdecken kann, die diffeomorph aneinandergesetzt werden, kann man aus (A.30) eine globale, auf ganz M gültige Darstellung von ω
gewinnen, d. h. man globalisiert“ den lokalen Ausdruck (A.30) durch Anstückeln der
”
Karten (φ, U ), (ψ, V ), . . . Ein Beispiel für diese Darstellung ist das totale Differential einer glatten Funktion g auf M . Für solche Funktionen gilt dg(∂i ) = ∂g/∂xi und somit
P
dg = ni=1 (∂g/∂xi )dxi auf U ⊂ M .
Definition A.11 Ein Tensor tp ist eine multilineare Abbildung von r Kopien von Tp∗M
und s Kopien von Tp M in die reellen Zahlen,
tp : Tp∗M × · · · × Tp∗M × Tp M × · · · × Tp M → R .
|
{z
} |
{z
}
r-mal
(A.31)
s-mal
Die Menge aller tp bezeichnen wir mit Tp (M )rs . Ein Tensorfeld vom Typ
r
s
ordnet jedem
Punkt p ∈ M einen Tensor tp ∈ Tp (M )rs zu. Die Menge aller glatten Tensorfelder vom
Typ rs bezeichnet man mit Tsr (M ).
In einer Umgebung U mit den Koordinaten (x1 , . . . , xn ) kann man das Tensorfeld t darstellen als
j1
js
r
t = tij11...i
...js (∂i1 ⊗ · · · ⊗ ∂ir ) ⊗ (dx ⊗ · · · ⊗ dx ) .
(A.32)
94
ANHANG A. DIFFERENTIALGEOMETRIE
1
n
r
Die tji11...i
...js sind die Komponenten von t bezüglich der Koordinaten (x , . . . , x ). Bei einer
Koordinatentransformation auf (x̄1 , . . . , x̄n ) transformieren sich die Komponenten von t
entsprechend
r
t̄ij11...i
...js =
∂ x̄i1
∂ x̄ir ∂xl1
∂xls k1 ...kr
·
·
·
·
·
·
t
.
∂xk1
∂xkr ∂ x̄j1
∂ x̄js l1 ...ls
(A.33)
Ein Tensorfeld ist von der Klasse C r , wenn alle seine Komponenten von der Klasse C r
sind. Wir werden nur C ∞ Tensorfelder betrachten. Die glatten Vektorfelder X (M ) und
die glatten Einsformen X ∗ (M ) sind Spezialfälle von Tsr (M ), man kann schreiben
X (M ) ≡ T01 (M ) ,
X ∗ (M ) ≡ T10 (M ) .
Die Metrik ist ein spezielles Tensorfeld.
Definition A.12 Eine pseudo-Riemannsche Metrik auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit M ist ein Tensorfeld g ∈ T20 (M ) mit den Eigenschaften
(i) g(X, Y ) = g(Y, X) für alle X, Y ∈ X (M );
(ii) für jeden Punkt p ∈ M ist gp eine nicht ausgeartete Bilinearform auf Tp M . D. h. ,
daß gp (X, Y ) = 0 ist für alle X ∈ Tp M dann und nur dann, wenn Y = 0 ist.
g ist eine Riemannsche Metrik , wenn gp bei jedem Punkt p positiv definit ist. Eine
Riemannsche Mannigfaltigkeit ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit M zusammen mit
einer Metrik g.
Als Abbildung gelesen, und in Analogie zu (A.20) und (A.28) haben wir
g ∈ T20 (M ) : M → T ∗M × T ∗M : p 7→ gp , wo
(A.34)
gp : Tp M × Tp M → R : (v, w) 7→ gp (v, w) .
Lokal kann man die Metrik auf Basisfelder anwenden und erhält damit den sogenannten
metrischen Tensor
gp (∂i , ∂k ) =: gik (p) .
(A.35)
Mit der Zerlegung (A.23) von Vektorfeldern nach Basisfeldern ist dann
gp (v, w) =
n
X
i,k=1
v i gik (p) wk ,
(A.36)
A.3. KALKÜL AUF MANNIGFALTIGKEITEN
95
wo v i , wk die Komponenten von vp bzw. wp in einer lokalen Darstellung von Tp M sind.
Dasselbe noch einmal anders ausgedrückt: Ist (dxi , i = 1, . . . , dim M ) eine Basis von
Einsformen auf einer offenen Untermenge von M , so können wir schreiben
g = gik dxi ⊗ dxk
(A.37)
oder
ds2 = gik dxi dxk ,
A.3
A.3.1
[ dxi dxk :=
1
(dxi ⊗ dxk + dxk ⊗ dxi )] .
2
(A.38)
Kalkül auf Mannigfaltigkeiten
k-Formen
Für zwei Einsformen läßt sich ein Produkt definieren, daß bilinear und schiefsymmetrisch
ist. Dieses Produkt nennt man das äußere Produkt. Es ist wie folgt definiert: Das äußere
Produkt zweier Basiseinsformen dxi und dxk wird mit dxi ∧ dxk bezeichnet und ist durch
seine Wirkung auf zwei beliebige Tangentialvektoren aus Tp M definiert (das Symbol ∧
heißt Dachprodukt),
(dxi ∧ dxk )(s, t) = si tk − sk ti .
(A.39)
Da man jede Einsform als Linearkombination der Basisformen darstellen kann, ist das
äußere Produkt der Einsformen ω und θ in jedem Punkt p einer Mannigfaltigkeit M
durch


ωp (v) ωp (w)

(ω ∧ θ)p (v, w) = ωp (v) θp (w) − ωp (w) θp (v) = det 
θp (v) θp (w)
(A.40)
gegeben. Dabei sind v und w Elemente aus Tp M . Die glatten Einsformen ω und θ ordnen
jedem Punkt p ∈ M die Elemente ωp bzw. θp aus Tp∗M zu. Das äußere Produkt ω ∧ θ ist
punktweise und somit auf ganz M definiert.
Ebenso wie die speziellen Einsformen dxi als Basis für alle Einsformen dienen können,
kann man jede Zweiform ω als Linearkombination der Basis-Zweiformen dxi ∧ dxk mit
i < k darstellen,
ω=
n
X
i<k=1
ωik dxi ∧ dxk .
(A.41)
96
ANHANG A. DIFFERENTIALGEOMETRIE
(Die Beschränkung i < k berücksichtigt, daß dxk ∧ dxi = −dxi ∧ dxk ist.)
Die Koeffizienten sind dabei durch die Wirkung von ω auf die entsprechenden Basisvektorfelder gegeben,
ωik = ω(∂i , ∂k ) .
(A.42)
Dieses äußere Produkt kann man auf drei, vier usw. Einsformen erweitern. So ist das
k-fache äußere Produkt als
(ω1 ∧ ω2 ∧ · · · ∧ ωk )(v (1) , v (2) , . . . , v (k) ) = det(ωi (v (j) ))
(A.43)
definiert. Es ist in seinen k Argumenten linear und total antisymmetrisch. Basis-k-Formen
sind die Produkte
dxi1 ∧ dxi2 ∧ · · · ∧ dxik
Davon gibt es
n
k
mit i1 < i2 < . . . < ik .
(A.44)
Stück. Insbesondere, wenn k = 1 oder k = n ist, so gibt es genau eine
solche k-Form. Ist k > n, so müssen in (A.44) mindestens zwei Einsformen gleich sein.
Wegen der Antisymmetrie der Form (A.44) ist sie dann aber gleich Null. Der höchste
Grad, den eine äußere Form über der n -dimensionalen Mannigfaltigkeit M haben kann,
ist k = n. Bemerkenswert ist, daß die Form (A.44) für k = n proportional zum orientierten
Volumenelement eines n-dimensionalen Vektorraumes ist.
Das äußere Produkt ist eine Verallgemeinerung des Vektorproduktes im R3 . In einem gewissen Sinne ist es sogar einfacher als dieses, denn in Mehrfachprodukten wie (A.43) oder
(A.44) gibt es keine Probleme der Setzung von Klammern. Das Produkt ist assoziativ.
Definition A.13 Eine k-Form ist eine Zuordnung
ω : M → (T ∗M )k : p 7→ ωp ,
(A.45)
die jedem Punkt p ∈ M ein Element aus (Tp∗M )k , dem k-fachen direkten Produkt des
Kotangentialraums, zuordnet. ωp ist dabei eine multilineare schiefsymmetrische Abbildung (in allen k-Argumenten linear) von (Tp M )k auf die reellen Zahlen, d. h. ωp wirkt
auf k-Vektorfelder
ωp (X1 , . . . , Xk ) ∈ R ,
und ist in allen k Argumenten schiefsymmetrisch.
(A.46)
A.3. KALKÜL AUF MANNIGFALTIGKEITEN
97
Man kann auch sagen, k-Formen sind total antisymmetrische Tensorfelder vom Typ
0
k
.
Die k-Form ω heißt glatt, wenn die Funktion ω(X1 , . . . , Xk ) für alle glatten Vektorfelder
V
Xi ∈ X (M ) differenzierbar ist. Die Menge aller k-Formen bezeichnet man mit k (Tp M )
V
V
V
oder k (M ). Offensichtlich ist k (M ) ⊂ Tk0 (M ). Insbesondere gilt 0 (M ) = R,
V
∗
1
n
1 (M ) = Tp M . Wenn (x , . . . , x ) ein lokales Koordinatensystem in U ⊂ M ist, dann
V
läßt sich jede glatte k-Form ω ∈ k (M ) in der Form
ω =
X
ωi1 ...ik dxi1 ∧ dxi2 ∧ · · · ∧ dxik
i1 <...<ik
=
1 X
ωi ...i dxi1 ∧ · · · ∧ dxik
k! i ,...,i 1 k
1
(A.47)
k
auf U darstellen.
A.3.2
Die äußere Ableitung
Man kann Funktionen auf M als Formen vom Grad Null auffassen. Wie wir gesehen
haben, macht die gewöhnliche totale Ableitung aus einer Funktion eine Einsform. In
lokaler Darstellung war nämlich
n
X
∂g i
dg =
dx ,
∂xi
i=1
(A.48)
dabei sind die ∂g/∂xi die partiellen Ableitungen, d. h. die Wirkung der Einsform dg auf
die Basisfelder ∂i , während die dxi die Basiseinsformen sind.
Die äußere Ableitung verallgemeinert diesen Schritt auf glatte Formen beliebigen Grades.
Satz A.1 Es gibt genau einen Operator
d:
V
k (M )
→
V
k+1 (M )
mit den Eigenschaften
(i) d ist das Differential von f für jedes f ∈ F(M ), d. h.
(df )(X) = X(f ) für alle f ∈ F(M ) , X ∈ X (M ) ,
98
ANHANG A. DIFFERENTIALGEOMETRIE
(ii) für zwei Differentialformen ω ∈
V
k (M )
und η ∈
V
l (M )
gilt die anti-Leibniz-Regel“
”
d(ω ∧ η) = dω ∧ η + (−1)k ω ∧ dη ,
(A.49)
(iii) d ◦ d = 0 ,
(iv) ω ∈
V
k (M )
werde wie in (A.47) dargestellt. Die Wirkung der äußeren Ableitung
ist dann
dω =
X
dωi1 ...ik (x1 , . . . , xn ) ∧ dxi1 ∧ · · · ∧ dxik ;
(A.50)
i1 <...<ik
dabei ist dωi1 ...ik das totale Differential und wird wie in (A.48) durch Basiseinsformen ausgedrückt.
Definition A.14 Eine Differentialform ω heißt geschlossen, falls dω = 0 ist. Eine Differentialform ω heißt exakt, falls eine Form η existiert, so daß ω = dη gilt.
Da d ◦ d = 0 ist, ist jede exakte Form ω = dη geschlossen: dω = d(dη) = 0 . Das
Umgekehrte gilt nur lokal:
Lemma A.2 (Poincaré) Wenn eine Koordinatenumgebung U einer Mannigfaltigkeit M
auf einen Punkt p0 ∈ M zusammenziehbar ist, dann ist jede geschlossene k-Form auf U
auch exakt.
A.3.3
Die ∗-Operation
Wir beginnen mit dem Begriff der Orientierung. Ein Atlas A einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit M heißt orientiert, wenn für jedes Paar von Karten (φ, U ) und (ψ, V ) in A
die Determinante der Jacobi-Matrix für die Koordinatentransformation φ◦ψ −1 positiv ist.
Es gibt Mannigfaltigkeiten (z. B. das Möbius-Band), die keinen orientierten Atlas haben.
Eine Mannigfaltigkeit ist orientierbar , wenn sie einen orientierten Atlas hat. Zwei Atlanten A1 und A2 haben dieselbe Orientierung, falls A1 ∪ A2 auch ein orientierter Atlas ist.
Dies ist eine Äquivalenzrelation. Eine Äquivalenzklasse von orientierten Atlanten nennt
man eine Orientierung der Mannigfaltigkeit M . Eine orientierbare Mannigfaltigkeit zusammen mit einer gewählten Orientierung heißt orientierte Mannigfaltigkeit. Eine Karte
A.3. KALKÜL AUF MANNIGFALTIGKEITEN
99
(φ, U ) von M wird positiv (negativ) genannt, wenn für jede Karte (ψ, V ), die zu einem
orientierten Atlas gehört, der die Orientierung von M definiert, die Jacobische ψ ◦ φ−1
positiv (negativ) ist. Mit diesen Begriffen beweist man den überaus wichtigen
Satz A.3 Sei M eine n-dimensionale, parakompakte, orientierbare Mannigfaltigkeit. Dann
existiert auf M eine n-Form der Klasse C ∞ , die nirgends auf M verschwindet.
Eine n-Form auf M , die nirgends verschwindet, heißt Volumenelement von M . Wir
betrachten nun eine pseudo-Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g). Seien gij die Komponenten von g relativ zum Koordinatensystem (x1 , . . . , xn ). Wir setzen
|g| = |det(gij )| .
(A.51)
Seien ḡij die Komponenten von g in den neuen Koordinaten (y 1 , . . . , y n ) und sei |ḡ| der
absolute Wert der entsprechenden Determinante. Mit dem Transformationsgesetz
ḡij =
∂xk ∂xl
gkl
∂y i ∂y j
folgt
k 2
∂x
|ḡ| = det
|g| .
∂y i
Wir wollen nun annehmen, daß M orientiert ist und daß beide Koordinatensysteme positiv
sind. Wir haben dann
det (∂xk /∂y i ) > 0
und
p
p
|ḡ| = |g| det(∂xk /∂y i ) .
(A.52)
Betrachten wir andererseits eine n-Form ω mit
ω = a(x) dx1 ∧ · · · ∧ dxn = b(y) dy 1 ∧ · · · ∧ dy n ,
dann ergibt sich
a = b det (∂y i /∂xj ) .
(A.53)
Also ist eine n-Form auf M für ein positives Koordinatensystem definiert durch
η :=
p
|g| dx1 ∧ dx2 ∧ · · · ∧ dxn .
(A.54)
100
ANHANG A. DIFFERENTIALGEOMETRIE
Wegen (A.52) und (A.53) ist diese Definition koordinatenunabhängig. Außerdem ist η ein
Volumenelement.
Sei jetzt (M, g) eine n-dimensionale, orientierte, pseudo-Riemannsche Mannigfaltigkeit
V
und sei η ∈ n (M ) das g entsprechende Volumenelement (A.54). Wir werden nun η
V
V
verwenden, um jeder Form ω ∈ p (M ) eine andere Form ∗ω ∈ n−p (M ) zuzuordnen. In
dem lokalen Koordinatensystem (x1 , . . . , xn ) hat ω die Form
ω=
1
ωi ...i dxi1 ∧ · · · ∧ dxip .
p! 1 p
(A.55)
(ωi1 ...ip ist total antisymmetrisch.) Ebenso dürfen wir schreiben
η=
1
ηi1 ...in dxi1 ∧ · · · ∧ dxin .
n!
(A.56)
Mit (A.54) haben wir
ηi1 ...in =
p
|g| εi1 ...in ,
(A.57)
wobei
εi1 ...in



+1 wenn i1 . . . in gerade Permutationen sind von (1, . . . , n),


=
−1 wenn i1 . . . in ungerade Permutationen sind von (1, . . . , n),



 0 sonst.
Jetzt definieren wir
(∗ω)ip+1 ...in :=
1
ηi ...i ω i1 ...ip ,
p! 1 n
(A.58)
wobei
ω i1 ...ip = g i1 j1 · · · g ip jp ωj1 ...jp .
Die Definition (A.58) ist offensichtlich koordinatenunabhängig. Die Zuordnung ∗ heißt
Hodgescher Sternoperator . Man sagt, ∗ω sei das Hodge-duale von ω. Die Zuordnung
V
V
ω 7→ ∗ω definiert einen Isomorphismus p (M ) → n−p (M ). Folgende Tatsachen sind
noch nützlich:
1) Das Hodge-duale einer 0-Form und einer n-Form sind
(∗1)i1 ...in = η ,
(∗η) = sgn(g) .
2)
∗(∗ω) = (−1)p(n−p) sgn(g) ω .
(A.59)
A.3. KALKÜL AUF MANNIGFALTIGKEITEN
101
3) Die kontravarianten Komponenten von η sind gegeben durch
1
η i1 ...in = sgn(g) p εi1 ...in .
|g|
4) Seien θ1 , . . . , θn orientierte Basen von Einsformen auf einer offenen Umgebung U ⊂
M . Das Volumenelement η wird dann dargestellt durch
η=
p
|g| θ1 ∧ · · · ∧ θn ,
wobei |g| = | det g(ei , ek )| und die {ei } die dualen Basen der {θi } sind.
5) Mit der Notation von 4) gilt
p
|g|
ip
i1
∗(θ ∧ · · · ∧ θ ) =
εj1 ...jn g j1 i1 · · · g jp ip θjp+1 ∧ · · · ∧ θjn .
(n − p)!
6) Seien α, β ∈
V
p (M ).
Dann gilt
α ∧ ∗β = β ∧ ∗α = (α, β)η ,
wobei (α, β) =
A.3.4
(A.60)
(A.61)
V
1
αi1 ...ip β i1 ...ip das auf p (M ) induzierte Skalarprodukt ist.
p!
Das Kodifferential
Das Kodifferential δ :
V
p (M )
→
V
p−1 (M )
ist definiert durch
δ := sgn(g) (−1)np+n ∗ d ∗ .
(A.62)
Da d ◦ d = 0 ist, haben wir auch
δ◦δ =0.
(A.63)
Mit (A.59) sehen wir, daß die Gleichung δω = 0 äquivalent der Gleichung d ∗ ω = 0 ist.
Nach Poincarés Lemma existiert also lokal eine Form φ, so daß ∗ω = dφ gilt. Daraus folgt
ω = ± ∗ dφ = δψ, wobei ψ = ± ∗ φ. δω = 0 impliziert also lokal die Existenz einer Form
ψ mit ω = δψ.
Für eine Form ω ∈
V
p (M )
ist δω in lokalen Koordinaten
(δω)i1 ...ip−1 = |g|−1/2 (|g|1/2 ω ki1 ...ip−1 ), k .
(A.64)
102
ANHANG A. DIFFERENTIALGEOMETRIE
A.4
Der Stokessche Integralsatz
In diesem Abschnitt zeigen wir, wie man n-Formen auf n-dimensionalen Mannigfaltigkeiten integriert.
Sei M eine orientierte, n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Wir betrachten
V
zuerst den Fall einer n-Form ω ∈ n (M ), deren Träger in einem Kartengebiet U enthalten
ist. Für
ω = f dx1 ∧ · · · ∧ dxn ,
f ∈ F(U ) ,
setzt man
Z
ω :=
M
Z
f (x1 , . . . , xn ) dx1 · · · dxn ,
(A.65)
U
wobei die rechte Seite ein gewöhnliches n-faches Lebesguesches (Riemannsches) Integral
ist. Diese Definition ist sinnvoll, da man zeigen kann, daß das Integral (A.65) unabhängig
von der Wahl des Koordinatensystems ist.
Der Fall einer beliebigen n-Form ω ∈
V
n (M ),
deren kompakter Träger nicht in einer
Kartenumgebung U enthalten ist, wird mit Hilfe einer Teilung der Eins auf den vorherigen
Fall zurückgeführt. Sei (Ui , gi )i∈I ein C ∞ -Atlas von M , so daß (Ui )i∈I eine lokal-endliche
Überdeckung ist. D. h. , für jedes x ∈ M existiert eine Umgebung U ∈ M , so daß U ∩ Ui
nur für eine endliche Anzahl von i ∈ I nicht leer ist. Mit der Definition von M , die wir in
Abschnitt A.1 auf Seite 84 gegeben haben, kann man zeigen, daß M eine lokal-endliche
Überdeckung hat und daß für jede solche Überdeckung eine zugeordnete Teilung der Eins
existiert. Für Beweise verweise ich auf die Abschnitte II. 14,15 von [54].
EineTeilung der Eins ist eine Familie von differenzierbaren Funktionen (hi )i∈I auf M mit
den folgenden Eigenschaften:
(i) hi (x) > 0, ∀ x ∈ M ;
(ii) hi hat kompakten Träger und supp hi ⊆ Ui ;
(iii)
P
hi (x) = 1, ∀ x ∈ M .
i∈I
Da die Überdeckung lokal-endlich ist und supp hi ⊆ Ui , trägt nur eine endliche Anzahl
von Termen zur Summe in (iii) bei. Und da außerdem der Träger von ω kompakt ist
A.4. DER STOKESSCHE INTEGRALSATZ
103
und (Ui )i∈I eine lokal-endliche Überdeckung ist, ist die Zahl der Ui mit Ui ∩ supp hi 6= ∅
endlich. Für hi ω 6= 0 haben wir supp hi ω ⊂ Ui . Mit Hilfe von (iii) können wir deshalb
schreiben
ω=
X
hi ω .
i∈I
ω ist also eine endliche Summe von n-Formen, die jede für sich ihren Träger in einem
Kartengebiet Ui hat. Somit definieren wir analog zum ersten Fall
Z
XZ
ω :=
hi ω .
(A.66)
i∈M M
M
Selbstverständlich kann man zeigen, daß (A.66) unabhängig von der Teilung der Eins
ist und daß die Definition sinnvoll ist. Das Integral (A.66) ist zudem linear. Für zwei
n-Formen ω1 , ω2 mit kompaktem Träger gilt
Z
Z
Z
(a1 ω1 + a2 ω2 ) = a1 ω1 + a2 ω2 ,
M
M
a1 , a2 ∈ R ,
ω1 , ω2 ∈
V
n (M )
.
M
Ändert man die Orientierung O von M , so ändert sich das Vorzeichen des Integrals
Z
Z
ω=−
ω.
(M,−O)
(M,O)
Dies entspricht dem Vertauschen der Grenzen beim üblichen Integrieren.
Wir kommen jetzt zum Höhepunkt der Integrationstheorie auf differenzierbaren Mannigfaltigkeiten, dem allgemeinen Stokesschen Integralsatz. Er enthält als Spezialfälle den
Gaußschen Integralsatz sowie den klassischen Stokesschen Integralsatz für Flächen im R3 .
Es sei D ein Bereich (d. h. eine offene zusammenhängende Teilmenge) einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit der Dimension n. Man sagt, der Bereich D habe einen glatten
Rand, falls für jeden Punkt p ∈ ∂D (Randpunkte von D) eine offene Umgebung U von p
in M und ein lokales Koordinatensystem (x1 , . . . , xn ) auf U existiert, so daß (siehe Abb.
A.5)
U ∩ D̄ = {q ∈ U |xn (q) > xn (p)} .
(A.67)
Die Mathematikbücher zeigen nun (siehe z. B. Abschnitt V. 5 von [54]), daß ∂D eine
(n − 1)-dimensionale abgeschlossene Untermannigfaltigkeit von M ist. Ist ferner M orientierbar, so ist auch ∂D orientierbar. Dabei zeigt sich folgendes: Ist (x1 , . . . , xn ) ein
104
ANHANG A. DIFFERENTIALGEOMETRIE
xn
U
p
M
φ
D
1
n−1
x,...,x
φ(U)
Abbildung A.5: Bereich mit glattem Rand
positives Koordinatensystem, welches (A.67) erfüllt, so können wir auf ∂D eine Orientierung so wählen, daß (x1 , . . . , xn−1 ) ein positives Koordinatensystem von ∂D ist. Eine
solche Orientierung auf ∂D nennt man die induzierte Orientierung auf ∂D.
Für ein kompaktes D̄ und ω ∈
V
n (M )
definiert man
Z
Z
ω = χD ω ,
D
M
wobei χD die charakteristische Funktion von D̄ ist. Nun haben wir alles beisammen für
den
Satz A.4 (Stokesscher Integralsatz) Sei M eine n-dimensionale, orientierte, differenzierbare Mannigfaltigkeit (mit abzählbarer Basis), D ein Bereich von M mit glattem
V
Rand und D̄ kompakt. Dann gilt für jede Form ω ∈ n−1 (M )
Z
D
dω =
Z
ω.
∂D
In (A.68) ist auf ∂D die induzierte Orientierung gewählt.
(A.68)
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Danksagung
Die vorliegende Arbeit entstand am Lehrstuhl für Theoretische Physik I der Fakultät für
Physik und Astronomie der Ruhr–Universität Bochum.
An erster Stelle möchte ich Herrn Prof. Dr. K. Elsässer für die Wissenschaftliche Betreuung
sowie für das stete Interesse und viele Anregungen in zahllosen Diskussionen danken.
Darüber hinaus gilt mein Dank Herrn Dr. Michael Schwacke für hilfreiche Gespräche
und Hinweise, vor allem bei den köstlichen Weinsitzungen. Für ihre Hilfsbereitschaft
danke ich weiterhin Frau Bettina Stöcker, den Herren Dipl. Phys. Thorsten M. Wellie
und Dipl. Phys. Evgueni Kot sowie allen Mitarbeitern des Lehrstuhls.
Einen großen Dank auch an Frau Buhr, die neben der seelischen Unterstützung immer
wieder für das leibliche Wohl gesorgt und mit beidem zu der guten Laune auf der siebten
Etage kräftig beigetragen hat. Zusätzlich war sie in allen organisatorischen Fragen immer
die richtige Ansprechpartnerin.
Besonderer Dank gilt meiner Familie für fortwährende Unterstützung.
Lebenslauf
Persönliche Daten
Name:
Pál Géza Molnár
Geburtsdatum:
18.01.1969
Geburtsort:
Winterthur (Schweiz)
Staatsangehörigkeit:
Schweiz
Familienstand:
ledig
Schulbildung
1976–1982
Grundschule in Winterthur (Schweiz)
1982–1988
Gymnasium Rychenberg in Winterthur (Schweiz)
Studium
WS 1989/90 – WS 1995/96 Studium der Physik an der Universität Zürich
WS 1990/91
1. Diplom–Vorprüfung
WS 1992/93
2. Diplom–Vorprüfung
Oktober 1995
Diplom
Berufliche Tätigkeit
seit Oktober 1996
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für
Theoretische Physik I
Bochum, den 30.04.2001
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