HIV Heutiger Wissens 04 d

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HIV/Aids
Heutiger Wissensstand
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Was ist Aids?
Die HIV-Infektion
Wie schwächt HIV das Immunsystem?
Wie verläuft eine HIV-Infektion?
Übertragung
Wie wird HIV nicht übertragen?
Wie kann HIV übertragen werden?
Informationen zur Epidemie
Schutz: Safer Sex und Safer Use
Wie kann man sich vor HIV schützen?
Schutz vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten
Der HIV-Test
Test negativ – alles bestens?
Test positiv – was tun?
Welche medizinischen Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
HIV/Aids und die Gesellschaft
Die Gesellschaft und die Betroffenen
Was tut Not?
Beratung und Unterstützung
Die verschiedenen Organisationen und ihre Aufgaben
Bestelladresse für weiteres Infomaterial
Test- und Beratungsstellen
Adressen der regionalen Aids-Hilfen
Index
Impressum
Herausgeber
Editorial Board: Bundesamt für Gesundheit,
Aids-Hilfe Schweiz
Redaktion der Neuauflage 2002, 2004
Lukas Meyer, Oliver Eschler, Aids-Hilfe Schweiz
Postfach 1118
8031 Zürich
Fachlektor
Dr. med. M. Flepp
Grafische Gestaltung
Gerber Typo & Grafik, Bern
Druck
Koelblin-Fortuna-Druck GmbH & Co. KG
D-76532 Baden-Baden
Auflage 2004
30 000 deutsch, 5000 italienisch
Text mit freundlicher Genehmigung auf der Grundlage
von «HIV/Aids – Heutiger Wissensstand»,
© 2001 Deutsche Aids-Hilfe e.V.
© dieser Ausgabe: die Herausgeber
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Was ist Aids?
Das Wort «Aids» steht für die englische Bezeichnung «Acquired Immunodeficiency Syndrome», zu
deutsch «Erworbenes Immunschwächesyndrom».
Bei einer Immunschwäche ist die Abwehrfähigkeit
des Körpers gegenüber Krankheitserregern vermindert. Eine fortgeschrittene Immunschwäche kann zu
verschiedenen schweren Erkrankungen und zum Tod
führen. Das gleichzeitige Auftreten verschiedener
Krankheitserscheinungen wird in der Medizin als
«Syndrom» bezeichnet.
Aids ist die Spätfolge einer Infektion mit dem HI-Virus («Human Immunodeficiency Virus», kurz: HIV =
«Menschliches Immunschwäche-Virus»). Deshalb
spricht man von einem «erworbenen» Immunschwächesyndrom.
Die Wissenschaft teilt den Verlauf einer HIV-Infektion
in verschiedene Stadien ein. Mit Aids wird jenes Stadium bezeichnet, bei dem das Immunsystem stark
beeinträchtigt ist und sich bestimmte, schwer wiegende und zum Teil lebensbedrohliche Infektionskrankheiten und Tumore entwickeln.
Eine Infektion mit HIV ist nicht heilbar. Aber dank
verbesserter medizinischer Therapien bestehen gute
Chancen, dass sich eine bereits erworbene Immunschwäche zurückbildet oder dass sich – bei rechtzeitigem Therapiebeginn – ihr Auftreten viele Jahre hinauszögern lässt. Bei vielen Menschen mit HIV hat
der medizinische Fortschritt zu einer deutlich höheren Lebenserwartung geführt (vgl. S. 39 ff.).
Eine HIV-Infektion ist aber nach wie vor eine lebensbedrohende Krankheit.
Woher kommt das HI-Virus?
Bei bestimmten, in Afrika heimischen Affenarten
gibt es ein ganz ähnliches Virus wie HIV, das SIV (Simian Immunodeficiency Virus). Mit grösster Wahrscheinlichkeit entstand das HI-Virus durch Mutation
(spontane Genveränderung) aus diesem «Affenvirus». Der Übergang auf den Menschen dürfte in den
1930er Jahren erfolgt sein; seither verbreitet sich
das Virus. Aber erst als in den frühen Achtzigerjahren
in Amerika vorher sehr seltene, ungewöhnliche
Krankheitsbilder gehäuft beobachtet werden mussten, wurde das «neue» Syndrom erkannt.
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1983/84 wurde dann das Virus HIV-1 entdeckt; wenig
später gelang der erste Nachweis von HIV-2. Beide
Virustypen und ihre Untergruppen (Subtypen) weisen spezielle Merkmale auf und kommen je nach
Kontinent unterschiedlich häufig vor.
Für alle bestehen aber die gleichen Schutzmöglichkeiten (vgl. S. 19 ff.).
Wie wird HIV übertragen?
Das HI-Virus kann auf folgenden Wegen von Mensch
zu Mensch übertragen werden (vgl. dazu S. 13 ff.):
ungeschützter Geschlechtsverkehr
Spritzen-/Nadeltausch bei intravenösem
Drogenkonsum
von der Mutter auf das Kind während der
Schwangerschaft, bei der Geburt und durch das
Stillen
Nachweis einer HIV-Infektion
Eine Infektion mit HIV wird in der Regel durch den
HIV-Antikörper-Test festgestellt; es gibt aber auch
weitere Testverfahren, die entweder die virale Erbinformation oder Hüllenproteine des Virus nachweisen (vgl. S. 31 ff.).
HIV als «Bedrohung»
«Aids» führt immer wieder auch zu unbegründeten
Ängsten, zu Diskriminierung und Ausgrenzung. Deshalb gilt es zu informieren, Vorurteile abzubauen sowie Zuwendung und Hilfsbereitschaft zu fördern.
Hierzu will diese Broschüre beitragen. Sie beantwortet wichtige Fragen und nennt Adressen für eine persönliche Beratung.
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Die HIV-Infektion
Wie schwächt HIV das Immunsystem?
Das Immunsystem hat die Aufgabe, in den Körper eingedrungene Krankheitserreger – Bakterien, Pilze, Parasiten und Viren – unschädlich zu machen. HIV
schwächt das Immunsystem, indem es die Helferzellen des Immunsystems (auch CD4-Zellen genannt) befällt und sich in ihnen vermehrt. Sie haben u. a. die
wichtige Funktion, andere Zellen des Immunsystems
bei der Abwehr von Krankheitserregern zu steuern.
Das HIV benutzt diese Helferzellen als Wirtszellen.
Wenn HIV in die Blutbahn gelangt, kommt es zu einer
Abwehrreaktion. Die dabei gebildeten Antikörper gegen HIV können aber nicht in die infizierten Wirtszellen
eindringen. Deshalb werden die dort vorhandenen Viren nicht unschädlich gemacht.
Eine geringe Anzahl der befallenen Helferzellen wird direkt durch das Virus zerstört. Weitere Mechanismen
können zu eingeschränkten und fehlgesteuerten Abwehrreaktionen führen und so die Zahl der Helferzellen
stark verringern.
Je weniger Helferzellen vorhanden sind, desto weniger kann das Immunsystem den Körper vor Krankheiten schützen. Bei fortgeschrittener Abwehrschwäche
kann es zu «opportunistischen Infektionen» oder zum
Wachstum verschiedener Krebsarten kommen.
Als opportunistische Infektionen werden Krankheiten
bezeichnet, die von Erregern verursacht werden, die
bei intaktem Immunsystem keinen Schaden anrichten.
Diese Erreger können aber die Schwäche des Immunsystems ausnutzen, um sich ungehindert zu vermehren. Ein typisches Beispiel dafür ist die Toxoplasmose:
Der Erreger (Toxoplasma gondii) wird häufig schon im
Kindes- und Jugendalter vor allem über Katzenkot erworben. Die Hälfte der Schweizer Bevölkerung ist infiziert und trägt den Erreger ein Leben lang in sich. Normalerweise verläuft die Infektion ohne Beschwerden
und ohne schädliche Wirkung. Zur Krankheit kann sie
aber bei Personen mit geschwächtem Immunsystem
führen. Bei ihnen kann eine Toxoplasmose «ausbrechen», indem sich im Gehirn Abszesse (abgekapselte
Eiteransammlungen) bilden. Lähmungen und/oder epileptische Krämpfe sind die Folgen.
Menschen mit HIV brauchen aber nicht vor jedem
Schnupfen Angst zu haben. Auch ein geschwächtes
Immunsystem kann noch gut mit vielen der weit verbreiteten Krankheitserreger fertig werden.
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Wie verläuft eine HIV-Infektion?
HIV-Infektionen verlaufen von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Krankheiten können, müssen aber nicht
auftreten. Und zwischen einzelnen Erkrankungen liegen oft lange Zeiten ohne körperliche Beschwerden.
Selbst eine voll entwickelte Immunschwäche kann bis
zum Auftreten schwerster Erkrankungen zunächst ohne Krankheitszeichen (= Symptome) verlaufen.
Wie stark sich das HI-Virus vermehrt und dadurch das
Immunsystem schädigt, kann durch Messung der «Viruslast», des so genannten Viral Load, überprüft werden (= Zahl der Viren pro Milliliter Blut): Je höher die Viruslast, desto schneller wird das Immunsystem zerstört.
Die Zahl der Helferzellen, gemessen pro Mikroliter Blut
(der so genannte CD4-Wert), gibt Auskunft über den
Zustand des Immunsystems: Je weniger Helferzellen,
desto ausgeprägter ist die Immunschwäche.
Die ersten Wochen
Kurz nach der Ansteckung mit HIV vermehrt sich das
Virus vorübergehend sehr stark. Bei einer nicht bekannten Zahl von Menschen treten in den ersten Wochen der Infektion grippeähnliche Krankheitszeichen
auf, die nach ein bis zwei Wochen wieder abklingen
(«Primärinfekt»). Viele bemerken diese Symptome
kaum.
Bei allen Infizierten kommt es zu einer Abwehrreaktion,
bei der Antikörper gegen HIV gebildet werden. Diese
können in der Regel nach zwölf Wochen zuverlässig
nachgewiesen werden.
Symptomfreie Phase
Die HIV-Infektion verläuft nach dieser Anfangsphase
zunächst unauffällig, d.h., es treten keine Symptome
auf. Diese Phase kann einige Monate oder viele Jahre
andauern. Das Virus vermehrt sich jedoch weiter und
schädigt dadurch das Immunsystem.
Phase mit allgemeinen Symptomen
Irgendwann können Symptome auftreten. Diese sind
meist allgemeiner Art, z.B. lang andauernde Lymphknotenschwellungen an mehreren Stellen (unter den
Achseln, in der Leistengegend), starker Nachtschweiss und lang anhaltende Durchfälle.
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Die Krankheitszeichen, die im Verlauf der HIV-Infektion auftreten können, sind im Einzelnen betrachtet unspezifisch, d.h., sie kommen auch bei
vielen anderen Krankheiten vor. Ob eine Immunschwäche vorliegt oder nicht, können deshalb
nur Ärztinnen und Ärzte feststellen.
Schwerer Immundefekt
Treten bei einer schweren, durch HIV verursachten
Immunschwäche bestimmte Krankheiten auf, spricht
man von Aids. Diese Krankheiten werden deshalb
als «Aids definierend» bezeichnet. Dazu zählen z.B.
die Pneumocystis-carinii-Pneumonie (PcP, eine Form
von Lungenentzündung), die Toxoplasmose-Erkrankung des Gehirns (vgl. S. 7) oder infektiöse Erkrankungen anderer Organe, z.B. der Befall der Speiseröhre mit dem Hefepilz Candida albicans. Auch Vireninfektionen, z.B. mit Herpes simplex oder Herpes
zoster, können zu schweren Erkrankungen führen.
Die häufigsten Tumorerkrankungen im Zusammenhang mit Aids sind durch Viren (mit-)bedingte Krebsarten, z.B. das Kaposi-Sarkom (ein Hautkrebs), Gebärmutterhalskrebs sowie maligne Lymphome (bösartige Tumore des Immunsystems).
HIV kann Zellen des zentralen und peripheren Nervensystems schädigen. Im Verlauf der HIV-Infektion
können daher auch Hirnleistungsstörungen und/oder
Nervenentzündungen auftreten.
Inzwischen gibt es verschiedene Medikamente, die
– zum Teil mit grossem Erfolg – gegen HIV und gegen opportunistische Infektionen eingesetzt werden.
Mehr dazu auf den Seiten 39 ff. dieser Broschüre.
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Übertragung
Wie wird HIV nicht übertragen?
Das HI-Virus gehört zu den schwer übertragbaren
Krankheitserregern. Das Virus ist sehr empfindlich
und ausserhalb des menschlichen Körpers unter Alltagsbedingungen nicht lebensfähig. Die üblichen
Hygienemassnahmen im Haushalt und im Krankenhaus reichen aus, um es unschädlich zu machen.
HIV wurde zwar auch in Urin, Kot, Speichel,
Schweiss und Tränenflüssigkeit nachgewiesen, jedoch nur in sehr geringer Menge, die für eine Ansteckung nicht ausreicht. Weltweit ist kein einziger
Fall bekannt, bei dem eine Infektion über diese Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen erfolgt wäre.
Deshalb besteht keine Ansteckungsgefahr bei
Händedruck, Umarmen, Streicheln
Anhusten oder Anniesen
Benutzen derselben Teller, Gläser und Bestecke
Benutzen von Toiletten, Bädern oder Saunen
Zusammenarbeiten und -wohnen mit Menschen
mit HIV/Aids
Betreuen und Pflegen von Menschen mit
HIV/Aids.
Viele Studien überprüften Haushalte, in denen HIVpositive und HIV-negative Menschen zusammenleben; trotz der engen Kontakte im Alltag wurde noch
nie eine Infektion festgestellt. Bei den üblichen Kontakten im Alltag besteht keine Gefahr, dass ein HIVpositiver Elternteil sein Kind oder dass ein HIV-positives Kind seine Spielkameradinnen und -kameraden
infiziert.
Auch beim Küssen wird das HI-Virus nicht übertragen; weltweit ist kein einziger Fall einer solchen Infektion belegt.
Oft lösen Nadelstichverletzungen an gebrauchten
Fixerutensilien grosse Besorgnis in Bezug auf eine
HIV-Infektion aus, insbesondere wenn sie Kindern
widerfahren. Weltweit ist bis zum heutigen Tag aber
kein einziger Fall einer HIV-Infektion auf diesem Weg
dokumentiert. Deshalb wird in aller Regel auch keine
HIV-Postexpositions-Prophylaxe empfohlen (vgl. S. 22).
Trotzdem sollte bei einer Nadelstichverletzung
schnell eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden,
da das Risiko besteht, sich auf diesem Weg mit dem
Hepatitis-B- oder dem Hepatitis-C-Virus zu infizieren.*
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Für Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, gilt: Was vor Hepatitis B schützt, schützt auch
vor HIV und damit vor Aids, denn HIV ist wesentlich schwerer übertragbar als das Hepatitis-B-Virus. Über die Schutzmassnahmen, die in diesem
speziellen Arbeitsumfeld nötig sind, informiert Sie
Ihr Arbeitgeber.
* Hepatitis B bzw. Hepatitis C sind Leberentzündungen, die durch
Virusinfektionen verursacht werden (vgl. auch S. 28).
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Wie kann HIV übertragen werden?
Unzählige Studien zu den bis heute festgestellten
HIV-Infektionen zeigen eindeutig, in welchen Situationen ein HIV-Infektionsrisiko besteht. Schwerer
fällt es hingegen, die Gründe für die Beobachtungen
anzugeben: Viele Fragen zum genauen Vorgang der
Übertragung sind bis jetzt nicht geklärt.
Sexuelle Übertragung
Am häufigsten wird HIV beim Sex ohne Kondom
übertragen.
Im Jahr 2003 wurden 757 Menschen in der Schweiz
neu HIV-positiv getestet, 309 Frauen und 448 Männer. Fast 80% der Frauen hatten sich über heterosexuellen Geschlechtsverkehr infiziert; bei den Männern waren es über 40%, die sich so infiziert hatten.
Weitere 35% der Männer hatten sich über ungeschützten Verkehr mit Männern infiziert. Kurz: 78%
dieser Infektionen oder 589 Fälle sind auf ungeschützten Geschlechtsverkehr zurückzuführen.*
Ungeschützter Analverkehr ist in Bezug auf eine HIV-Infektion die risikoreichste Praktik – für beide
Personen.
Ungeschützter Vaginalverkehr gilt als zweitrisikoreichste Praxis. Anders als häufig angenommen
haben HIV-negative Männer mit einer HIV-positiven
Partnerin nur ein unwesentlich geringeres Ansteckungsrisiko als umgekehrt HIV-negative Frauen
mit HIV-positiven Partnern.
Bei ungeschütztem eindringendem Verkehr – anal
oder vaginal – besteht auch ohne Samenerguss ein
reales Übertragungsrisiko. Schon der enge Kontakt
von Genitalschleimhäuten kann für eine Übertragung
ausreichen.
Oralverkehr: «Einander mit dem Mund verwöhnen», «Lecken», «Blasen» oder «Lutschen» birgt ein
Risiko, wenn Sperma oder Menstruationsblut in den
Mund der Partnerin bzw. des Partners gelangt.
Oralverkehr ohne Samenerguss bzw. ausserhalb der
Menstruation gilt als sicher, solange keine andere
sexuell übertragbare Krankheit vorliegt.
* Stand der Meldungen 30. 4. 2004: Bei den Männern sind
5,7 Prozent der Meldungen und bei den Frauen 7,2 Prozent aufgrund
der Angaben nicht klassifizierbar.
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Das Risiko, sich in diesen Situationen mit HIV zu infizieren bzw. andere mit HIV anzustecken, ist u.U.
deutlich höher, wenn eine der beteiligten Personen
zusätzlich an einer anderen sexuell übertragbaren
Krankheit leidet (vgl. S. 25 ff.).
Das Infektionsrisiko steigt mit der Anzahl ungeschützter Kontakte. Allerdings kann schon ein einziger ungeschützter Kontakt zu einer Ansteckung mit
HIV führen.
Je höher die Menge HIV-Virenkopien pro Milliliter
Blutplasma ist, d.h. je höher die Viruslast der infizierten Person, desto höher ist das Risiko, dass HIV bei
ungeschütztem Geschlechtsverkehr übertragen werden kann.
Übertragung beim Drogenkonsum
Menschen, die sich Drogen spritzen («fixen»), haben
ein sehr hohes HIV-Infektionsrisiko, wenn sie ein bereits von einer anderen Person benutztes Spritzbesteck verwenden. Dann kann nämlich infiziertes Blut
– über kleine Blutreste im Spritzbesteck – direkt in
die Blutbahn eindringen. Ein Infektionsrisiko besteht
auch, wenn die Droge mit gebrauchtem Spritzbesteck aufgeteilt oder wenn gebrauchtes Zubehör
(Löffel, Filter, Tupfer) wiederverwendet wird. Ausserdem kann man sich dabei sehr leicht mit Hepatitis B
oder Hepatitis C infizieren.
Gut 17% der 2003 bei Männern in der Schweiz neu
diagnostizierten HIV-Infektionen waren auf unsafen
Drogenkonsum zurückzuführen und mehr als 13%
jener bei Frauen. Anders: Gut 15% der 2003 neu diagnostizierten HIV-Infektionen oder 118 Fälle waren
auf risikoreichen Drogenkonsum zurückzuführen.
Mutter-Kind-Übertragung
Kinder von HIV-positiven Frauen können während
der Schwangerschaft, während der Geburt und auch
beim Stillen angesteckt werden. Die Übertragungsrate hängt dabei wesentlich vom Gesundheitszustand
der Mutter ab sowie von vorbeugenden Massnahmen. Ohne spezielle medizinische Massnahmen betrug das Übertragungsrisiko in der Schweiz fast
25%, d.h., jedes vierte Kind einer HIV-positiven Mutter wurde während der Schwangerschaft bzw. bei
der Geburt angesteckt. Unter optimalen Bedingungen sinkt die Übertragungsrate praktisch auf Null
(<1%): Zu diesen gehören die gezielte Einnahme von
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Medikamenten gegen HIV (vgl. S. 39 ff.) während
der Schwangerschaft, die Entbindung durch Kaiserschnitt vor Einsetzen der Wehen und der Verzicht auf
das Stillen; allenfalls auch eine sechswöchige Behandlung des Babys mit Medikamenten gegen HIV.
Bei korrekt durchgeführter Therapie der Mutter gegen HIV und rechtzeitiger Kaiserschnittentbindung
werden heute in der Schweiz keine HIV-Übertragungen auf das Neugeborene mehr festgestellt. Für
schwangere Frauen ist es deshalb empfehlenswert,
sich auf HIV zu testen, damit eine allfällige HIV-Übertragung auf ihr Kind verhindert werden kann.
In Ländern ohne diese medizinischen Möglichkeiten
ist die Mutter-Kind-Übertragung nach wie vor ein
sehr häufiger Weg, wie sich HIV verbreitet.
Blut und Blutprodukte
Um zu verhindern, dass bei Bluttransfusionen HIV
übertragen wird, werden in der Schweiz seit Mitte
der 80er Jahre alle Blutspenden auf HIV-Antikörper
untersucht. Seit 2001 kommt zudem ein Testverfahren zum Einsatz, das direkt nach Bestandteilen des
Erregers sucht. Ein minimales Restrisiko (ca. 1 zu
600 000) bleibt wegen der «diagnostischen Lücke»
dennoch bestehen: Dies ist der Zeitraum, der zwischen der eventuellen Infektion des Spenders bzw.
der Spenderin und der Bildung zuverlässig nachweisbarer Antikörper bzw. dem Vorliegen einer für den
Test notwendigen Anzahl Virenkopien liegt (vgl. S. 31).
Auf eine lebensrettende Bluttransfusion sollte deshalb aber niemand verzichten. Bei geplanten Operationen kann auch eine Eigenblutspende sinnvoll sein.
Menschen mit Hämophilie (Bluter)* sind heute nicht
mehr durch das für sie lebenswichtige Blutplasmakonzentrat HIV-gefährdet. Durch bestimmte Herstellungsverfahren und durch Tests wird weitestgehend
sichergestellt, dass derartige Blutprodukte kein HIV
enthalten.
* Bluter leiden an einer erblichen Störung der Blutgerinnung; d.h.,
ihrem Blut fehlt ein Bestandteil, der bei inneren und äusseren Verletzungen die Blutung stoppt. Bluter sind deshalb lebenslang auf bestimmte Blutprodukte angewiesen. Die Bluterkrankheit betrifft in aller
Regel nur Männer; Frauen können Trägerinnen der Krankheit sein und
sie weitervererben, ohne selber an der Krankheit zu leiden.
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Informationen zur Epidemie
Menschen, die mit HIV/Aids leben
Weltweit lebten Ende 2003 ca. 40 Millionen Menschen mit HIV/Aids, 37,2 Millionen davon Erwachsene und 2,7 Millionen Kinder unter 15 Jahren. Etwa ein Drittel der HIV-Infizierten sind junge Erwachsene zwischen 15 und 24 Jahren. Von den
erwachsenen Personen waren 17,6 Millionen
Frauen und 19,6 Millionen Männer.
Von den HIV-Infizierten lebten
Anteil HIV-Infizierter
an der Gesamtbevölkerung dieses
Gebietes (15–49 Jahre)
in Afrika südlich der Sahara
26,6 Millionen
8,0%
in der Karibik
470 000
2,5%
in Osteuropa und Zentralasien
1,5 Millionen
0,7%
in Süd- und Südostasien
6,4 Millionen
0,6%
in Lateinamerika
1,6 Millionen
0,6%
in Nordamerika
995 000
0,6%
in der Schweiz
19 000
0,5%
in Nordafrika und im Mittleren Osten
600 000
0,3%
in Westeuropa
600 000
0,3%
Neuinfektionen mit HIV
5 Millionen Menschen infizierten sich weltweit im
Jahr 2003 neu mit dem HI-Virus, d.h. mehr als 13 500
täglich oder knapp 10 jede Minute. Davon waren
4,3 Millionen Erwachsene und 700 000 Kinder unter
15 Jahren. Von den erwachsenen Personen waren
2 Millionen Frauen und 2,3 Millionen Männer.
In der Schweiz wurden 1991 am meisten Menschen
neu positiv auf HIV getestet, nämlich 2144 (oder fast
6 täglich).* Bis ins Jahr 2000 war dann die Zahl neu
diagnostizierter HIV-Infektionen rückläufig, was als
Effekt der Prävention gewertet wird. Sie betrug im
Jahr 2000 noch 585. Im Jahr 2001 lag die Zahl positiver HIV-Testresultate aber wieder höher, nämlich bei
633 (oder fast 2 täglich), was einer Zunahme von
8,2% entspricht. Nach einem weiteren Anstieg um
rund 25% im Jahr 2002 stabilisierte sich die Zahl der
positiven Tests im Jahr 2003 wieder bei 757.
Die Ursache für diesen Anstieg ist nicht klar; möglicherweise spielt eine gewisse Präventionsmüdigkeit
eine Rolle.
* Das Jahr, in dem die Diagnose gestellt wird bzw. der Test positiv
ausfällt, braucht sich allerdings nicht mit dem Jahr der Infektion zu
decken.
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Die neu diagnostizierten Infektionen 2003 in der
Schweiz verteilten sich auf folgende Infektionswege:
Männer
Frauen
Geschlechtsverkehr mit Frauen
42,1%
Geschlechtsverkehr mit Männern
35,1%
Drogen spritzen
17,1%
Nicht klassifiziert
5,7%
Geschlechtsverkehr mit Männern
79,2%
Drogen spritzen
13,6%
Nicht klassifiziert
7,2%
In Europa und den USA breitete sich HIV am Anfang
der Epidemie vor allem bei homo- und bisexuellen
Männern aus sowie bei Drogengebrauchenden und
bei Blutern. In der Schweiz hat der Weg der heterosexuellen Ansteckung seit 1990 den grössten Anteil an
den neu diagnostizierten Fällen; seit 1997 liegt er über
50%.
In Afrika südlich der Sahara ist seit Beginn der Epidemie der Weg der heterosexuellen Übertragung mit Abstand der häufigste; daneben spielt aber auch die Mutter-Kind-Übertragung eine grosse Rolle; in Osteuropa,
vor allem in Russland, verbreitet sich HIV heute sehr
stark unter Drogengebrauchenden.
Todesursache: Aids
HIV/Aids ist die häufigste Todesursache der 15- bis
59-Jährigen weltweit. Insgesamt sind bisher mehr als
20 Millionen Menschen an der HIV-Infektion verstorben, allein 3 Millionen im Jahr 2003.
In der Schweiz sterben dank verbesserter Behandlungsmöglichkeiten immer weniger Menschen an
Aids. Waren 1994 noch 686 Todesfälle zu beklagen,
so sank die Zahl seither stetig und betrug 2001 noch
113 Personen. Insgesamt sind in der Schweiz bis Ende
2003 5415 Menschen an HIV/Aids verstorben.*
Weitere epidemiologische Angaben unter
www.unaids.org.
* Alle Zahlen zur weltweiten Epidemie aus: «Aids epidemic update»,
UNAIDS, Dezember 2003, und «The World Health Report 2004»,
WHO; für die Schweiz aus «Bulletin Nr. 23/04», Bundesamt für
Gesundheit, 31.Mai 2004.
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Schutz: Safer Sex und Safer Use
Wie kann man sich vor HIV schützen?
Um sich und andere zu schützen, ist es wichtig, sich
zu informieren, auf die Risiken zu achten und entsprechend zu handeln.
Safer Sex
Bei eindringendem Verkehr Präservative (oder ein
Femidom*) verwenden
Kein Sperma in den Mund, kein Sperma
schlucken (kein Höhepunkt im Mund der Partnerin
bzw. des Partners)
Kein Menstruationsblut in den Mund, kein Menstruationsblut schlucken (kein Oralverkehr während
der Periode)
Sex zwischen Frau und Mann
Beim sexuellen Abenteuer, beim «One-Night-Stand» –
auch und gerade im Urlaub – ist es ratsam, immer Safer Sex zu praktizieren, d.h., bei eindringendem Verkehr (vaginal oder anal) Kondome zu benutzen und
beim Oralverkehr kein Sperma oder Menstruationsblut
in den Mund aufzunehmen.
Safer Sex ist aber auch wichtig am Anfang einer neuen
Beziehung. In dieser Situation können beide nach drei
Monaten Safer Sex einen HIV-Test durchführen. Wenn
dieser für beide negativ ausfällt und beide sich absolut
treu sind, kann nachher auf Safer Sex verzichtet werden.
Wichtig aber: Wenn es doch einmal zu einem Seitensprung kommen sollte: unbedingt nur Safer Sex. Und:
Ein früherer Test sagt nichts darüber aus, ob seither eine
Infektion stattgefunden hat oder nicht (vgl. S. 31 ff.).
Wenn nicht klar ist, ob der Partner bzw. die Partnerin
treu ist oder sich bei anderen Kontakten wirklich an die
Safer-Sex-Regeln hält, empfiehlt es sich, auf Safer Sex
auch in der Beziehung zu bestehen.
Besondere Vorsicht ist wichtig, wenn eine der beteiligten Personen Drogen spritzt (Safer Use, siehe unten).
Männer, die Sex mit Männern haben
Männer, die Sex mit Männern haben, schützen sich
ebenfalls durch Safer Sex. Sie verwenden beim Analverkehr Kondome und achten beim Oralverkehr darauf,
dass kein Sperma in den Mund gelangt.
In sexuell sehr aktiven Schwulenszenen mit häufig
wechselnden Sexualpartnern ist HIV viel weiter verbreitet als in der heterosexuellen Durchschnittsbevölkerung. Ungeschützte Sexualkontakte bergen hier entsprechend ein hohes Risiko.
* Das Femidom ist ein Kondom für die Frau; es ist bei der Aids-Hilfe
Schweiz, in Condomerien oder Apotheken erhältlich.
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Frauen, die Sex mit Frauen haben
Das Ansteckungsrisiko ist beim Sex zwischen Frauen sehr gering. Aber auch hier gilt: keine orale Befriedigung während der Menstruation oder dann geschützt mit einem «Dental Dam» – einem Latextuch,
das auf die Scheide gelegt wird*. Ein Übertragungsrisiko besteht auch beim Reiben der Genitalien aneinander, insbesondere während der Menstruation,
oder beim Austausch von Sexspielzeug.
Wichtige HIV-Übertragungswege bei lesbischen oder
bisexuellen Frauen sind ungeschützter Sex mit Männern und riskanter Drogenkonsum. Hier schützen Safer Sex bzw. Safer Use.
Frauen und Männer, die Drogen konsumieren:
Safer Use und Safer Sex
Immer nur eigenes Spritzbesteck und Zubehör
(Löffel, Filter, Watte, Wasser) verwenden – und zwar
nur bei sich selbst.
Auch Sniff-Utensilien nicht teilen (wegen Hepatitis C).
Drogenkonsumierende und ihre Partner bzw. Partnerinnen infizieren sich nicht nur beim Tausch von
Spritz- oder Sniffutensilien! Ebenso wichtig ist, an
den Schutz beim Sex zu denken (Safer Sex).
Übertragung von der Mutter auf das Kind:
Medizinische Massnahmen
Weiss eine schwangere Frau, dass sie eine HIV-Infektion hat, dann kann eine Übertragung auf ihr Kind
mit geeigneten medizinischen Massnahmen wirkungsvoll vermieden werden (vgl. S. 14 ff.). Besteht
Unsicherheit über frühere HIV-Infektionsrisiken, ist
ein HIV-Test (vgl. S. 31 ff.) empfehlenswert.
Dental Dams sind bei der Aids-Hilfe Schweiz oder in den Condomerien
der Deutschschweiz erhältlich.
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Ursachen für Risikoverhalten
In den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass
Menschen sich aus den verschiedensten Gründen
nicht schützen oder nicht schützen können. Das gilt
zum Beispiel für jene, die aus sozialen, kulturellen
und ökonomischen Gründen benachteiligt sind: Wer
arm ist und über wenig Bildung verfügt, wer gesellschaftlich diskriminiert wird und für sich keine Zukunft sieht und wer kein Selbstbewusstsein und
Selbstwertgefühl entwickeln konnte, ist meist nicht
in der Lage, sich angemessen zu informieren, auf
seine Gesundheit zu achten und sich in Risikosituationen zu schützen.
Eine wichtige Rolle spielt auch das Verhältnis zwischen Mann und Frau in der Gesellschaft: Je stärker
Frauen von Männern abhängig sind – emotional
und/oder wirtschaftlich –, desto schwerer fällt es ihnen, ihre gesundheitlichen Interessen durchzusetzen
und beim Sex auf den Gebrauch von Kondomen zu
bestehen. Viele Männer wiederum lehnen es als unmännlich ab, sich um ihre eigene Gesundheit zu
kümmern und Kondome zu benutzen – womit sie
nicht nur sich selbst, sondern eben auch Frauen gefährden.
Wenn das Kondom gerissen ist
oder vergessen ging
Der eindringende Partner kann in einem solchen Fall
seinen Penis waschen und zu urinieren versuchen,
um Reste von Körperflüssigkeiten des Partners/der
Partnerin ab- und auszuspülen. Bisher ist nicht geklärt, ob für die aufnehmende Person eine Darmoder Scheidenspülung sinnvoll oder im Gegenteil gefährlich ist.
Ist beim Oralverkehr Sperma oder Menstruationsblut
in den Mund gelangt: ausspucken und den Mund mit
lauwarmem Wasser mehrmals spülen.
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Mit diesen Sofortmassnahmen nach Pannen kann eine Übertragung grundsätzlich nicht verhindert werden; man erhofft sich jedoch eine Reduktion des Infektionsrisikos.
Steht nach Risikosituationen (ungeschützter eindringender Verkehr, Oralverkehr mit Samenerguss oder
während der Periode) fest, dass eine der beteiligten
Personen HIV-positiv ist oder dies sehr wahrscheinlich ist, ist möglicherweise auch eine Post-Expositions-Prophylaxe* – kurz HIV-PEP – sinnvoll. Das ist
eine mehrwöchige Therapie der HIV-negativen Person mit Medikamenten, die gegen HIV gerichtet
sind. Die HIV-PEP kann wahrscheinlich einen Teil der
möglichen HIV-Infektionen verhindern, ist aber keine
garantiert wirksame Massnahme.
Eine HIV-PEP ist auch nach Nadelstichverletzungen
im Krankenhaus angezeigt.
Der mögliche Nutzen einer HIV-PEP hängt wesentlich davon ab, wie schnell sie nach einer Risikosituation begonnen wird. Je schneller, desto besser –
mehr als 72 Stunden nach der Risikosituation wird
sie nicht mehr als sinnvoll erachtet.
Bei einer HIV-PEP treten unter Umständen auch bedeutsame Nebenwirkungen auf; Spätfolgen sind jedoch eher nicht zu erwarten.
Die Post-Expositions-Prophylaxe ist also kein «Kondom für danach», sondern eine Behandlungsmöglichkeit für Ausnahmesituationen. Ob eine HIV-PEP
eingesetzt werden sollte, lässt sich nur mit einem erfahrenen Arzt bzw. einer erfahrenen Ärztin, z.B. bei
einem der HIV-Behandlungszentren oder beim Notfalldienst eines grösseren Krankenhauses, klären!
Gibt es eine Impfung gegen HIV?
Impfstoffe kann man auf zwei Weisen einsetzen:
als Schutzimpfung, die eine Ansteckung/Erkrankung verhindert
zumindest theoretisch – als therapeutische Impfung für bereits infizierte Menschen, die das Immunsystem bei der Bekämpfung des Virus unterstützt.
* post = nach, Exposition = hier: Kontakt mit HIV, Prophylaxe = Infektionsvermeidung]
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Auch gegen HIV werden gegenwärtig solche Impfstoffe erforscht. Sie zu entwickeln, ist jedoch
schwierig, weil das HI-Virus sich ständig verändert.
Zwar gibt es bereits Impfstoffe in der Entwicklungsund Erprobungsphase, doch wird es bestenfalls noch
Jahre dauern, bis erste Produkte in grösserem Umfang eingesetzt werden können. Wie wirkungsvoll
sie sein werden, ist noch völlig ungewiss. Vorbeugen
ist deshalb nach wie vor das einzige Mittel gegen eine HIV-Infektion.
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Schutz vor anderen sexuell übertragbaren
Krankheiten
Neben dem HI-Virus, welches Aids verursacht, gibt
es eine ganze Reihe anderer Krankheitserreger, die
beim Sex übertragen werden können (Viren, Bakterien, Einzeller, Pilze). Einige dieser Infektionen – z.B.
Hepatitis B, Tripper (Gonorrhö) oder Herpes – kommen häufiger vor als eine Infektion mit HIV; und teilweise sind auch sie nicht harmlos.
Unerkannte und unbehandelte sexuell übertragbare Krankheiten können schwer wiegende Folgen
haben: Sie reichen von starkem Juckreiz und Ausfluss über Leberschäden zu Unfruchtbarkeit oder bestimmten Krebsformen.
Sexuell übertragbare Krankheiten sind Wegbereiter für weitere Infektionen. In den oberflächlichen
Infektionsherden an den Geschlechtsorganen, im
Mund oder am Anus, die sie (meist) verursachen, finden sich spezielle Zellen, die für zusätzliche Erreger
sehr viel empfindlicher sind als normale Haut oder
Schleimhaut. Sexuell übertragbare Krankheiten erhöhen damit das Risiko einer HIV-Infektion.
Trotz Safer Sex (vgl. S. 19 ff.) kommen Infektionen
mit Erregern sexuell übertragbaren Krankheiten vor.
Sich infiziert zu haben, ist keine Schande – die Infektionen zu erkennen, aber wichtig. Die meisten der
genannten Krankheiten lassen sich gut behandeln
oder heilen, wenn sie rechtzeitig erkannt werden.
Es ist deshalb wichtig, einen Arzt bzw. eine Ärztin aufzusuchen, wenn folgende Beschwerden
auftreten:
Männer
- Ausfluss aus der Harnröhre in unterschiedlicher
Menge und Farbe
- Brennen beim Wasserlösen, Juckreiz im Bereich
der Harnröhre
- Schmerzen und Schwellungen im Bereich der Hoden
- Geschwüre, Bläschen, Wucherungen, Rötungen
und Juckreiz am Penis oder an den Hoden
- hochroter Gaumen und Rachen
- dumpfer Schmerz im Enddarm
- Ausfluss aus dem Enddarm
- Wucherungen, Bläschen am Anus
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Frauen
- ungewöhnlicher, häufig übel riechender Ausfluss
aus der Scheide
- Juckreiz, Bläschen, Geschwüre, Wucherungen an
den Schamlippen oder in der Scheide
- Schmerzen oder Brennen beim Wasserlösen
- Schmerzen oder Brennen beim Geschlechtsverkehr
- hochroter Gaumen und Rachen
- Zwischenblutungen
- Entzündungen im Genitalbereich
- diffuse Schmerzen im Unterleib
- unregelmässige Menstruation
- Beschwerden beim Stuhlgang
- dumpfer Schmerz im Enddarm
- Ausfluss aus dem Enddarm
- Wucherungen, Bläschen am Anus
Diese Beschwerden können Anzeichen einer sexuell
übertragbaren Krankheit sein; andere Ursachen sind
aber auch möglich. Deshalb ist eine ärztliche Abklärung nötig.
Wenn der Arzt oder die Ärztin eine sexuell übertragbare Krankheit feststellt, ist es wichtig, die Partnerin
oder den Partner darüber zu informieren. Nur dies ermöglicht ihr oder ihm, sich ebenfalls untersuchen
und gegebenenfalls behandeln zu lassen. Werden
nicht beide behandelt, kommt es immer wieder zu
Rückinfektionen. Bei einer erkannten sexuell übertragbaren Krankheit ist es wichtig, dass sexuelle
Kontakte bis zum Abschluss der Behandlung nur
noch mit Präservativen erfolgen.
Wenn möglich sollten auch allfällige Gelegenheitspartnerinnen und -partner informiert werden, um
weitere Infektionen zu vermeiden.
Safer Sex (vgl. S. 19 f.) bietet zuverlässigen Schutz
vor einer Infektion mit HIV. Safer Sex senkt auch das
Risiko deutlich, sich mit einer anderen sexuell übertragbaren Krankheit zu infizieren. Keiner der genannten
Erreger kann ein intaktes Präservativ durchdringen.
Allerdings deckt ein Präservativ nicht alle Stellen ab,
über die eine Infektion mit sexuell übertragbaren
Krankeiten erfolgen kann.
Und die meisten Erreger sexuell übertragbarer
Krankheiten übertragen sich leichter als HIV. Sie können auch bei ungeschütztem Oralverkehr übertragen
werden – auch ausserhalb der Menstruation bzw. ohne Samenerguss.
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Vor den weiteren sexuell übertragbaren Krankheiten
(ausser HIV) bieten bei Oralverkehr nur Dental Dams
bzw. Präservative Schutz.
Für Menschen mit gelegentlich oder häufig wechselnden Partnerinnen bzw. Partnern ist die vorbeugende Impfung gegen Hepatitis B angezeigt, eventuell die Kombinationsimpfung gegen Hepatitis A
und Hepatitis B.
Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die
Hepatitis-B-Impfung, in der Regel aber nicht für die
Kombinationsimpfung.
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Die wichtigsten sexuell übertragbaren Krankheiten (neben
einer HIV-Infektion)
Hepatitis B
Eine Virus-Infektion, die häufig zu einer
Leberentzündung führt. Schlimmste mögliche Folgen: Leberzirrhose (Lebervernarbung), Leberzellkrebs – Tod.
Sehr oft anfänglich unbemerkt (symptomlos).
Eine Impfung gegen HBV ist vorhanden; Therapie der Infektion mit
beschränkten Erfolgschancen.
Herpes
Eine Virus-Infektion, die zu wiederholten
Episoden mit juckenden und brennenden
Bläschen vor allem an den Geschlechtsorganen und im Lippenbereich führen kann.
Schlimmste mögliche Folge: Übertragung
des Virus bei der Geburt auf das Neugeborene mit schwerer, teilweise lebensbedrohlicher Erkrankung.
Nicht heilbar, aber die Symptome lassen sich lindern und der Schweregrad
und die Dauer der akuten Phasen lassen sich vermindern.
Tripper (Gonorrhö)
Eine bakterielle Infektion, die vor allem zu
einer mit Ausfluss und Schmerzen einhergehenden Entzündung der Harnröhre
führen kann. Schlimmste mögliche Folgen: lebensbedrohliche Entzündung der
Bauchhöhle (Frauen), Unfruchtbarkeit
(Männer und Frauen), Erblindung (Neugeborene).
Zuweilen vor allem bei Frauen über längere Zeit unbemerkt (symptomlos).
Heilbar
Chlamydien
Eine bakterielle Infektion, die ähnliche
Symptome wie der Tripper/die Gonorrhö
bewirken kann. Schlimmste mögliche Folge: Unfruchtbarkeit.
Sehr oft nur milde Krankheitserscheinungen, die z.T. spontan vorbeigehen – ohne
dass deswegen die Infektion ausgeheilt
ist (=> bleibt übertragbar und kann Spätfolgen haben).
Heilbar
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Syphilis
Eine bakterielle Infektion, die anfänglich
zu Geschwürbildungen und nach deren
Verschwinden zu Ausschlägen am Oberkörper und an Händen und Füssen führt.
Schlimmste mögliche Spätfolge: Schäden
an Hauptschlagadern und am Nervensystem – Tod.
Die anfänglichen Entzündungen/Geschwüre können schmerzlos sein und
spontan abklingen – ohne dass deswegen
die Infektion ausgeheilt ist (=> bleibt
übertragbar und führt zu Spätfolgen).
Rechtzeitig erkannt, ist Syphilis heilbar.
Pilzerkrankungen
Äussern sich oft durch Juckreiz, Schmerzen und Ausfluss.
Heilbar
Trichomonaden
Eine Infektion mit Einzellern, die sich in
Juckreiz, Brennen beim Wasserlösen und
süsslich übel riechendem Ausfluss äussern kann.
Oft unbemerkt (symptomlos).
Heilbar
Feigwarzen an den Durch Viren (Humanes Papilloma-Virus)
Geschlechtsorganen verursachte Warzen vor allem an
und am Anus
Geschlechtsorganen und am After.
Schlimmste mögliche Folgen: Krebs des
Gebärmutterhalses (Frauen) oder Enddarm- bzw. Analkrebs (Frauen und Männer). Die Feigwarzen im Innern der Vagina
oder im After sind zuweilen nur bei einer
gezielten ärztlichen Untersuchung zu erkennen.
Behandelbar
Filzläuse
Krätzmilben
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Filzläuse nisten sich vor allem in den
Schamhaaren ein, Krätzmilben bohren
sich in die oberste Hautschicht (ganzer
Körper).
Folge: Juckreiz (vor allem nachts), Hautflecken, kleine Blutungen.
Heilbar
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Der HIV-Test
Nach einer Ansteckung mit dem HI-Virus beginnt der
Körper, eine Abwehr gegen den Eindringling aufzubauen; er bildet spezifische Antikörper. Die heute
üblichen Testverfahren suchen nach diesen HIV-Antikörpern im Blut. Werden keine HIV-Antikörper gefunden, lautet das Testergebnis «negativ»; werden Antikörper nachgewiesen, ist das Testergebnis «positiv». HIV-Antikörper-Suchtests können also eine HIVInfektion ausschliessen (negativ) bzw. nachweisen
(positiv).
HIV-Antikörpertests können allerdings jeweils erst
drei Monate nach einer Risikosituation zuverlässig
ausschliessen, dass eine HIV-Infektion stattgefunden hat; so lange kann es nämlich dauern, bis der
Körper nach einer Infektion genug Antikörper gebildet hat, dass der Test sie nachweisen kann. Ein HIVTest vor Ablauf dieser Zeit bietet keine Gewissheit,
dass in der Risikosituation keine HIV-Übertragung erfolgt ist.
Mit den heute üblichen Antikörpertests können Antikörper gegen alle Virustypen (HIV-1 und HIV-2 sowie
ihre Untertypen) nachgewiesen werden. Das Resultat des Tests liegt in der Regel nach ein bis drei Tagen vor.
HIV-Antikörpertests weisen also nicht das Virus
selbst nach. Der Nachweis von HIV selbst – von Hülleneiweiss bzw. von Erbmaterial – gelingt im p24-Antigen- oder im PCR-Test. Diese Verfahren erlauben
es oft, etwas schneller als mit den Antikörper-Suchtests allein eine Infektion mit HIV zu entdecken.
Deshalb werden heute in den Laboratorien in der
Regel Kombinationstests, die sowohl nach Antikörpern als auch nach p24-Antigen suchen, für die Abklärungen verwendet. Der PCR-Test wird zudem eingesetzt, um Blutspenden zu kontrollieren.
Beide Verfahren – sowohl der p24-Antigen-Test als
auch der PCR-Test – eignen sich jedoch nicht, um eine Infektion auszuschliessen. Das heisst, auch Kombinationstests können erst drei Monate nach der Risikosituation die Sicherheit geben, dass keine Infektion erfolgt ist.
Sowohl HIV-Antikörpertests wie auch Kombinationstests sind hochpräzis. Zeigt dieser Ersttest an,
spricht man dennoch erst von einem «reaktiven» Ergebnis. Dieses «reaktive» Ergebnis muss auf jeden
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Fall durch einen Bestätigungstest anhand einer neuen Blutprobe überprüft werden. Denn falsch reaktive
Erstergebnisse können durchaus vorkommen (z.B.
Verunreinigungen der Testmaschinen).
Erst wenn der Bestätigungstest ebenfalls positiv ist,
darf das Ergebnis «positiver Befund» mitgeteilt werden.
Positive Ergebnisse aller HIV-Tests sagen nichts darüber aus, ob und wann jemand an Aids erkranken
wird. Die oft gehörte Bezeichnung «Aids-Test» trifft
deshalb auf keines der Verfahren zu.
Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für den
HIV-Antikörper- bzw. Kombinationstest und, wenn
medizinisch angezeigt, auch für weitere Tests. Soll
der Ersttest allerdings ohne Angabe des Namens,
d.h. anonym, durchgeführt werden, muss man ihn
selber bezahlen (Kosten: ca. 50 bis 80 Franken).
Wegen der Tragweite eines allfälligen positiven Resultats muss mit dem HIV-Test verantwortungsvoll
umgegangen werden. Wichtig:
Niemand darf ohne sein oder ihr ausdrückliches
Einverständnis in Kenntnis der wichtigen Fakten («informed consent») getestet werden. Zwangstests
oder stillschweigend durchgeführte Tests (z.B. bei
Untersuchungen im Krankenhaus, im Rahmen der
Schwangerschaftsvorsorge, bei Stellenbewerbungen
usw.) sind rechtlich unzulässig und können als Verletzung des Persönlichkeitsrechts und unter Umständen als Körperverletzung geahndet werden.
Vor dem Test sollte ein umfassendes Beratungsgespräch stattfinden (vgl. unten), denn nur dieses
stellt sicher, dass die Testperson die wichtigen
Fakten kennt.
Anonym (ohne Angabe des Namens) wird der
Test bei den Test- und Beratungsstellen verschiedener Universitätsspitäler, einigen weiteren Kliniken
und einzelnen Labors durchgeführt.
Die Mitteilung eines allfälligen positiven Testergebnisses muss mit einem ausführlichen Beratungsgespräch verbunden sein.
Die Aids-Hilfe Schweiz (AHS) oder eine der regionalen Aids-Hilfen (Adressen siehe Seite 52) können
darüber Auskunft geben, wo der Test sachgemäss
durchgeführt wird.
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Die Testberatung
Es gibt viele Gründe, weshalb sich Menschen testen
lassen: Gewissheit schaffen angesichts einer befürchteten Ansteckung, Wunsch nach ungeschütztem Sex in der Partnerschaft, Kinderwunsch, die Abklärung von Symptomen (hinter denen eine unerkannte opportunistische Infektion stehen könnte),
Abschluss bestimmter Versicherungen usw. Auch in
der Schwangerschaft kann ein HIV-Test sinnvoll sein,
um gegebenenfalls eine Therapie gegen HIV bei der
Mutter einzuleiten und das Risiko einer Übertragung
von der Mutter auf das Kind zu reduzieren. Die Entscheidung, ob ein Test durchgeführt wird, liegt bei
der Frau. Die informierte Schwangere wird dabei
nebst ihrem eigenen Interesse auch die Interessen
des Ungeborenen berücksichtigen.
Wer sich fragt: «Test: ja oder nein?», sollte sich beraten lassen. Beratung wird z.B. von den regionalen
Aids-Hilfen, den Test- und Beratungsstellen der Universitätskliniken und anderen Institutionen sowie
von erfahrenen Ärzten und Ärztinnen angeboten.
In der Beratung sollten folgende Fragen geklärt werden:
Hat tatsächlich ein Ansteckungsrisiko bestanden? (Was sind mögliche Übertragungswege und
was ausreichende Schutzmassnahmen?)
Was leistet der Test? Wie sicher ist er?
Was sind rechtliche Folgen eines allfällig positiven Resultats (insbesondere in Bezug auf Versicherungen) und wie kann ihnen bestmöglich vorgebeugt
werden?
Belastet mich die Ungewissheit mehr als ein
möglicherweise positives Testergebnis? Welche Unterstützung würde ich mir wünschen und welche
wäre für mich verfügbar?
Welche medizinischen Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Menschen mit HIV/Aids?
Genaueres bietet die Broschüre «Informationen zum
HIV-Test» (Bestelladresse siehe S. 50).
Unabhängig davon, ob der Test gemacht wurde
oder nicht, und unabhängig vom Testergebnis
gilt: Man kann sich vor einer HIV-Infektion schützen.
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Test negativ – alles bestens?
Fällt ein HIV-Test negativ aus, dann bedeutet dies,
dass keine Antikörper gegen HIV gefunden wurden.
Es liegt also keine HIV-Infektion vor.
Zuverlässig ist das Resultat allerdings nur, wenn der
Test erst drei Monate nach einer möglichen Übertragung durchgeführt wurde. Oder anders: Ein negatives Testresultat sagt nichts aus über eine allfällige
Infektion innerhalb der drei Monate, die vor dem Test
liegen. Ist es in dieser Zeit wieder zu einer Risikosituation gekommen, besteht keine Gewissheit.
Vor allem aber bedeutet ein negatives Resultat nach
einer Risikosituation nicht, dass jemand immun oder
besonders widerstandsfähig gegen HIV wäre – sondern nur, dass er oder sie Glück hatte. Das Einhalten
der Safer-Sex- und Safer-Use-Regeln bleibt wichtig.
Der HIV-Test ist keine Schutzmassnahme gegen
eine spätere HIV-Infektion!
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Test positiv – was tun?
Das Bild der HIV-Infektion hat sich in den letzten Jahren ständig verändert. Der medizinische Fortschritt
ermöglicht es vielen Menschen mit einer HIV-Infektion, weitaus länger zu leben als früher – zumindest
in den reicheren Ländern. Aber nach wie vor erleben
viele das positive Testergebnis als tiefen Einschnitt
in ihr Leben. Ängste kommen auf: vor Krankheit,
Schmerzen und einem möglicherweise frühen Tod,
vor den Reaktionen von Freunden und Angehörigen
sowie des gesellschaftlichen Umfelds. Nicht genug
aber, dass die eigenen Sorgen und Probleme bewältigt sein wollen; viele Menschen mit HIV müssen
sich auch noch mit denen des sozialen Umfelds, mit
Unverständnis und Ablehnung auseinandersetzen.
Oft ist es aus eigener Kraft nicht möglich, das positive Testresultat zu verarbeiten. Das ist verständlich.
Die bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst
kann sehr schmerzhaft sein. Mit Menschen des Vertrauens über Angst, Verzweiflung und Trauer zu sprechen, ist hilfreich. Die regionalen Aids-Hilfen machen
zudem verschiedene Angebote zur Unterstützung
bei der Bewältigung des Testergebnisses, z.B. Beratung und Selbsthilfegruppen (Adressen auf S. 52 f.).
Es gibt kein Mittel, das die HIV-Infektion rückgängig
machen könnte oder worunter sie gänzlich ausheilen
würde. Aber es gibt immer mehr Medikamente, die
den Verlauf der HIV-Infektion günstig beeinflussen
(siehe S. 39 ff.).
Es gibt auch keine allgemein gültigen Rezepte für
Verhaltensweisen, die ein möglichst langes Leben
mit dem Virus garantieren könnten. Dagegen zeigen
viele Menschen mit einer HIV-Infektion tagtäglich,
dass auch mit HIV ein gutes und erfülltes Leben
möglich ist. Die HIV-Infektion ist also kein Grund, zu
resignieren und auf Zukunftsplanung zu verzichten.
Jeder Mensch mit HIV geht anders mit der Infektion
um, und für jeden und jede bedeutet Lebensqualität
etwas anderes. Hier gilt es, einen eigenen Weg zu
finden.
Viele der bekannten Empfehlungen für eine gesunde
Lebensführung gelten selbstverständlich auch bei einer HIV-Infektion. Eine gute, ausgewogene Ernährung kann z.B. viel dazu beitragen, den Körper und
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das Immunsystem zu stabilisieren. Erkenntnisse der
Ernährungswissenschaft zeigen, dass es schon in
der Frühphase der HIV-Infektion wichtig ist, ausgewogen zu essen und einem Gewichtsverlust vorzubeugen.
Sexualität ist ein wichtiger Teil des Lebens. In der
ersten Zeit nach dem positiven Testergebnis haben
viele HIV-infizierte Männer und Frauen aber Schwierigkeiten damit, zum Beispiel wegen der Sorge, andere anstecken zu können.
Es gibt keinen objektiven Grund, weshalb HIV-positive Menschen auf Sexualität verzichten sollten. Lustvolle Sexualität ist auch bei Einhaltung der Safer-SexRegeln möglich – und damit sind Partner und Partnerinnen optimal vor einer Übertragung geschützt.
Umfassende Information zum Thema Sexualität für
Menschen mit HIV/Aids und ihre Partner und Partnerinnen bietet die Broschüre «Beziehung & Sexualität», herausgegeben von der Aids-Hilfe Schweiz,
der Aids Info Docu Schweiz und dem Bundesamt für
Gesundheit (Bestelladresse siehe Seite 50). Regionale Aids-Hilfen und Sexualberatungsstellen bieten
zudem persönliche Unterstützung.
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Welche medizinischen
Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Bisher gibt es kein Medikament, das eine HIV-Infektion heilen könnte – und es zeichnet sich auch nicht
ab, dass in den nächsten Jahren hier mit einem
Durchbruch zu rechnen wäre. Dennoch macht die Medizin Fortschritte. Inzwischen steht eine ganze Reihe
von Medikamenten zur Verfügung, welche die Vermehrung von HIV hemmen.
Zudem ist es heute möglich, den meisten opportunistischen Infektionen (vgl. S. 7) vorzubeugen oder sie
zumindest erfolgreich zu behandeln – wenn sie rechtzeitig erkannt werden. Oft bleiben solche Infektionen
allerdings unerkannt, weil sie selten geworden sind
und viele Ärztinnen und Ärzte die Symptome nicht
richtig einordnen können. Zur Abklärung von Krankheitszeichen kann deshalb ein HIV-Test sinnvoll sein.
Medikamente gegen die Vermehrung von HIV
(antiretrovirale Therapie = ART)
Derzeit werden Medikamente aus vier Medikamentengruppen oder Wirkstoffklassen gegen HIV eingesetzt; sie setzen an verschiedenen Stellen der Virusvermehrung an:
NRTI (nukleosidanaloge bzw. nukleotidanaloge
Reverse-Transkriptase-Inhibitoren) schleusen sich als
falsche Bausteine in die menschliche Zelle ein. Auf
diese Weise verhindern sie, dass die HIV-Erbinformation durch das viruseigene Enzym «Reverse Transkriptase» (RT) umgeschrieben (transkribiert) wird, damit
sie zur menschlichen Erbinformation passt: von einsträngiger RNS zu doppelsträngiger DNS*.
NNRTI (nichtnukleosidale Reverse-TranskriptaseInhibitoren) dagegen blockieren direkt die Reverse
Transkriptase.
PI (Protease-Inhibitoren) hemmen das viruseigene Enzym «Protease», eine Eiweiss-Schere, welche
Vorstufen viraler Eiweisse in funktionstüchtige Einheiten zerschneidet. Damit wird die Produktion neuer HIViren in den menschlichen Zellen vermindert.
Entry-Inhibitoren verhindern, dass HIV an die
Zielzelle andocken bzw. nach dem Andocken mit dieser verschmelzen kann.
* RNS/DNS: Abk. für Ribonukleinsäure bzw. Desoxyribonukleinsäure;
Träger der Erbinformation
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Bei der heute aktuellen Therapie gegen HIV werden
mehrere Wirkstoffe dieser Wirkstoffklassen gleichzeitig eingesetzt, um den bestmöglichen Erfolg zu erzielen. Deshalb spricht man von einer Kombinationstherapie gegen HIV.
Eine weitere Wirkstoffklasse ist in Entwicklung:
Integrase-Inhibitoren sollen das HIV-eigene Enzym «Integrase» hemmen, das die umgeschriebene
Virus-DNS in die menschliche DNS einbaut.
Die meisten der heute verfügbaren Medikamente gegen HIV sind in der Schweiz zugelassen. Andere sind
über internationale Apotheken oder entsprechende
Zugangsprogramme der Hersteller erhältlich. Ärzte
und Ärztinnen von HIV-Behandlungszentren oder
-Schwerpunktpraxen können hierüber informieren.
Therapieerfolg
Virushemmende Medikamente bewirken, dass die
Zahl der freien Viren im Blut (Viruslast) ab- und die der
Helferzellen zunimmt: Dies sind Zeichen für eine geringere Virusvermehrung und eine verbesserte Immunfunktion. Die Medikamente verlängern damit in der Regel die symptomfreie Zeit oder lindern Symptome.
Die Medikamente gegen HIV können aber auch eine
ganze Reihe unerwünschter Wirkungen haben. Und
welche Langzeitfolgen die Medikamente haben, ist
zurzeit noch nicht ausreichend abzusehen. Zudem verlangt eine Kombinationstherapie gegen HIV eine rigorose Einnahmedisziplin – und dies auf unabsehbare
Dauer. Denn eine Kombinationstherapie gegen HIV
muss voraussichtlich lebenslang durchgeführt werden.
Ziel einer optimalen Therapie ist es deshalb, den Zustand des Immunsystems zu verbessern und langfristig zu stabilisieren, und zwar so, dass möglichst wenig
Nebenwirkungen auftreten und die Behandlung weitgehend in den Alltag integriert werden kann.
Die Einhaltung der Therapievorschriften allein reicht
dazu nicht aus. Wichtig sind auch ein gutes Arzt-Patient-Verhältnis, die Bereitschaft der Patienten bzw.
Patientinnen, sich zu informieren und an der Behandlung mitzuwirken, sowie die Unterstützung durch das
soziale Umfeld.
Eine Kombinationstherapie gegen HIV – zur rechten Zeit begonnen, individuell zugeschnitten und
richtig durchgeführt – kann die Lebenserwartung
deutlich erhöhen.
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Eine Behandlung ist empfohlen, wenn
die Zahl der Helferzellen und die Viruslast bestimmte Grenzwerte erreichen oder sich rasch
zum Schlechteren verändern.
Krankheiten auftreten, die mit der HIV-Infektion bzw. der Immunschwäche im Zusammenhang stehen (z.B. opportunistische Infektionen).
Menschen mit einer HIV-Infektion, die erwägen, eine
Kombinationstherapie gegen HIV zu beginnen, oder
mehr zur Therapie wissen möchten, sollten sich umfassend informieren und beraten lassen. Sie finden
u.a. weitere Informationen in der Broschüre «Bereit
für die Therapie?», herausgegeben von der Aids-Hilfe
Schweiz, der Aids Info Docu Schweiz und dem Bundesamt für Gesundheit (Bestelladresse siehe S. 50;
Online lesbar unter http://www.aids.ch, «Für HIV-Positive».)
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HIV/Aids und die Gesellschaft
Die Gesellschaft und die Betroffenen
Aids berührt Themen wie Sexualität, Prostitution, Homosexualität, Sex ausserhalb fester Beziehungen, Gebrauch illegaler Drogen, Sterben und Tod. Themen
und Verhaltensweisen, die gerne verdrängt werden,
weil sie unbequem sind, moralisch verwerflich erscheinen oder bedrohlich wirken.
In gleicher Weise werden häufig auch Menschen mit
HIV und Aids wahrgenommen: als bedrohlich oder
verwerflich. Manchmal sogar von Angehörigen, Freunden und Freundinnen sowie Bekannten. Es kommt
vor, dass Eltern ihre erkrankten Kinder im Stich lassen,
dass Angehörige der Krankheit nach aussen hin einen
weniger «anrüchigen» Namen geben, dass sie alles
fern zu halten oder zu verdrängen versuchen, was irgendwie mit der Lebensweise des oder der Erkrankten zu tun hat.
Für Angehörige ist es verständlicherweise schwierig,
sich mit der Krankheit Aids und – wie es häufig geschieht – zugleich mit der Homosexualität des Sohnes, homosexuellen Kontakten des Lebenspartners,
mit einem untreuen Lebensstil oder mit dem Drogengebrauch eines Familienmitglieds auseinander setzen
zu müssen.
Für verschiedene soziale Gruppen unserer Gesellschaft stellen sich zusätzliche Fragen und Probleme.
Homosexuelle
Für Homosexuelle hat sich gesellschaftlich einiges
zum Besseren verändert. Viele Schwule und Lesben
nutzen die neue Offenheit, indem sie ihr Leben nach
eigenen Bedürfnissen gestalten und sich selbstbewusst in der Öffentlichkeit bewegen.
Aus ihrer Mitte kommt zugleich der Einsatz für soziale
und rechtliche Verbesserungen, denn immer noch
bleibt viel zu tun: Homosexualität ist nämlich für viele
Menschen noch lange nichts «Normales», und das
bekommen homosexuelle Männer und Frauen auch
oft zu spüren – bis hin zu körperlicher Gewalt. Junge
Schwule werden zu wenig darin unterstützt, ihre sexuelle Identität zu finden. Das macht es schwer,
Selbstwertgefühl zu entwickeln und auf sich selbst zu
achten. Aber nur wer sich schätzt, schützt sich.
Drogenkonsumierende
Wer illegale Drogen nimmt, ist nicht zwangsläufig
süchtig. Nicht jedes Ausprobieren führt in die Abhängigkeit. Wer aber abhängig ist, kann sich sehr schnell
in einem Teufelskreis wiederfinden: Drogenhunger
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oder Entzugserscheinungen, Beschaffungskriminalität
und -prostitution, polizeiliche Verfolgung, Haftstrafen,
Therapieversuche, Rückfälle. Das Leben in der Drogenszene bedeutet ausserdem Abhängigkeit vom
Drogenschwarzmarkt mit seinen Schwankungen in
Angebot und Qualität des Stoffs.
Wer Drogen spritzt, muss dies oft unter unhygienischen Bedingungen tun, was ernste gesundheitliche
Schäden verursachen kann. Beschaffungsprostituierte
und -stricher haben häufig Geschlechtskrankheiten,
denn so mancher Freier zahlt mehr für Sex ohne Kondom. Und immer wieder kommt es zu Überdosierungen: nach einem Entzug, wegen der unterschiedlichen Reinheit des Stoffes, weil die Drogen gestreckt
sind oder weil mehrere verschiedene Drogen gleichzeitig genommen werden.
Häufig wird angenommen, es gebe nur die Alternativen «Ausstieg durch Therapie» oder «Tod durch die
Droge». Tatsache ist, dass viele Drogenkonsumierende ihren Drogengebrauch im Lauf der Zeit von selbst
oder mit ambulanter Hilfe aufgeben. Auch die Behandlung mit Ersatzstoffen (Substitution) eröffnet vielen den Weg aus der Illegalität zurück in die Gesellschaft.
Menschen in Haftanstalten
Im Freiheitsentzug hat sich die Situation drogenkonsumierender Menschen in verschiedenen Anstalten etwas entspannt. Spritzen- und Kondomabgabe sind
kein Tabu mehr. Dennoch werden angemessene Vorbeugemassnahmen durch die besondere Situation im
Freiheitsentzug erschwert. Angst und Misstrauen
kennzeichnen die Gefängnisatmosphäre und erschweren die dringend nötige Information und Beratung.
Die Verantwortlichen haben das Problem erkannt und
stellen inzwischen Präservative oft auch gratis zur Verfügung. Einige Vollzugsanstalten sind ausserdem dazu
übergegangen, sauberes Injektionsmaterial zur Verfügung zu stellen, um Übertragungen u.a. des HI-Virus
durch die Weitergabe infizierter Spritzen zu verhindern. Ein juristisches Gutachten des Bundesamtes für
Justiz unterstützt dieses Vorgehen: Spritzenabgabe im
Gefängnis ist legal. Die flächendeckende Abgabe in allen Untersuchungs- und Vollzugsanstalten muss deshalb auch umgesetzt werden.
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Migranten und Migrantinnen
Besonders schlecht sieht es für HIV-Infizierte aus,
die aus Entwicklungsländern oder aus Regionen wie
Zentral- und Osteuropa kommen und kein gesichertes Aufenthaltsrecht haben. Oft wird ihre Infektion
erst hier festgestellt, wenn sich bereits erste Symptome zeigen. Viele sind keiner der Landessprachen
mächtig, mit dem hiesigen Gesundheits- und Sozialsystem nicht vertraut und haben belastende Erfahrungen wie Krieg, Folter und Hunger im Gepäck. Von
den Beratungsstellen und Aids-Hilfen bekommen sie
Unterstützung, doch geht das Problem weit über HIV
und Aids hinaus. Wo der Aufenthalt in der Schweiz
nicht gesichert und die Zukunft ungewiss ist, wo die
materiellen Lebensverhältnisse prekär sind und ein
Netz von Verwandten oder Freunden fehlt, ist die
Gesundheit und somit das Thema HIV/Aids von
nachgeordneter Bedeutung. Hinzu kommt, dass
nach dem Asylgesetz die freie Arztwahl für Asylsuchende eingeschränkt ist.
Allgemeinbevölkerung
Die Zahl der infizierten Frauen und Männer, die aus
keiner der bisher genannten Gruppen kommen,
steigt. Anders als etwa Homosexuelle oder Drogenkonsumierende aber eint sie weder das Bewusstsein, einer Minderheit anzugehören, noch die damit
verbundene Erfahrung, diskriminiert zu werden. Als
vereinzelte Infizierte in der so genannten Normalbevölkerung sehen sie sich mit ihren Problemen oft allein gelassen. Angst vor Ausgrenzung macht es ihnen schwer, «offen positiv» zu leben. Manche verschweigen die Infektion, um Kinder und Familie vor
Diskriminierung zu schützen.
In vielen Regionen der Schweiz gibt es Treffpunkte
für HIV-Positive; hier können infizierte Menschen aus
der Normalbevölkerung anderen in der gleichen Situation begegnen und sich mit ihnen austauschen.
Die Aids-Hilfen der Region kennen die Adressen (siehe S. 52 f.).
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Was tut Not?
Gesundheit und Krankheit haben nicht nur mit
dem Körper, sondern auch mit der Seele und Mitmenschlichem zu tun. Eine Rolle spielen Ernährung, Wohnung, Arbeit und das Teilhaben am gesellschaftlichen und kulturellen Leben.
Wenn Menschen Angst haben müssen, abgelehnt
oder bestraft zu werden, weil sie homosexuell
sind oder Drogen gebrauchen, wenn sie befürchten müssen, aufgrund ihrer HIV-Infektion gemieden oder abgesondert zu werden, fällt es ihnen
schwer, Selbstwertgefühl zu entwickeln. Wer sich
hingegen akzeptiert weiss und eine Zukunft für
sich sieht, wird sich und seinem Leben einen
höheren Wert beimessen. Dem wird es auch
leichter fallen, sich selbst und das Leben anderer
zu schützen. Nötig ist deshalb ein gesellschaftliches Klima ohne Angst und Zwang, das viele verschiedene Lebensstile zulässt.
Drogenpolitik
HIV-Infektionen beim Drogenkonsum können
durch Safer Use (vgl. S. 20) verhindert werden.
Drogenkonsumierende können aber nur dann saubere Spritzbestecke benutzen, wenn sie diese ohne Schwierigkeiten bekommen. Deshalb bleiben
sämtliche Massnahmen im Bereich der Schadenminderung sehr wichtig. Der Bezug von Spritzutensilien in der Schweiz muss möglichst flächendeckend gewährleistet sein; die Substitution, z.B.
mit Methadon, ist für alle zugänglich zu machen,
die sie wünschen; daneben sollten die Modellprogramme zur Abgabe von Originalstoff (kontrollierte Heroinabgabe) ausgeweitet werden.
Alle diese Angebote tragen zum Erhalt der Gesundheit von Drogenkonsumierenden bei und fördern ihre soziale Integration. Sie sind einzubetten
in ein Beratungs- und Betreuungsnetz, das drogenkonsumierende Menschen akzeptiert und auf
dieser Basis medizinische und soziale Hilfe sicherstellt.
Die Integration des Themas Sexualität ins Beratungssetting der Suchthilfe muss weiter gefördert
werden.
Strafvollzug
Auch im Strafvollzug ist die Abgabe von sterilen
Spritzbestecken und von Kondomen dringend geboten. Die in einigen Haftanstalten etablierte Praxis zur Spritzenabgabe weist den richtigen Weg.
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Inhaftierte mit HIV/Aids brauchen ein umfassendes
Beratungs- und Betreuungsangebot. Daher sollte die
Zusammenarbeit zwischen Präventionsfachleuten
und den Anstalten intensiviert und ausgebaut werden. Die Qualität der medizinischen Versorgung, wozu auch die Substitutionsbehandlung (siehe oben)
gehört, darf «drinnen» nicht geringer sein als «draussen», und kranken Inhaftierten muss es möglich
sein, Ärzte bzw. Ärztinnen ihres Vertrauens ausserhalb der Anstalt aufzusuchen. Für Insassen und Insassinnen, die HIV-positiv sind, sollte die Möglichkeit
der Haftverschonung (Aussetzung der Strafe zur Bewährung oder Erlass der Reststrafe) in Erwägung gezogen werden.
Der HIV-Antikörpertest darf nur mit dem Einverständnis der Inhaftierten und unter Wahrung der
ärztlichen Schweigepflicht durchgeführt werden.
Die Weigerung, sich einem Test zu unterziehen,
darf nicht mit Nachteilen verknüpft sein.
Migrationspolitik
Für Migranten und Migrantinnen mit HIV und Aids
sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die qualifiziertes Helfen ermöglichen. Hierzu gehört ein Netz
geeigneter Ansprechpartner und -partnerinnen. Der
Zugang zu Leistungen des Gesundheitssystems darf
nicht am aufenthaltsrechtlichen Status festgemacht
werden.
Menschen mit HIV und Aids haben gleiche Rechte wie HIV-negative auf Ausbildung, Arbeit, Wohnung, materielle Sicherheit, Kinder, angemessene medizinische Versorgung oder auf gelebte Sexualität.
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Beratung und Unterstützung
Die Organisationen und ihre Aufgaben
Bundesamt
für Gesundheit / BAG
Das Bundesamt ist auf nationaler Ebene
für die Aidspolitik, die HIV-Prävention und
den Kampf gegen die Folgen von Aids zuständig. www.bag.admin.ch/aids und
www.stopaids.ch
Aids-Hilfe Schweiz AHS
Der Verein ist die Dachorganisation der regionalen Aids-Hilfen und anderer Organisationen in der Schweiz. Er und seine Mitglieder engagieren sich in der HIV-Prävention, für eine gute Lebensqualität von Betroffenen und für die Solidarität.
www.aids.ch
Regionale Aids-Hilfen
Die regionalen Aids-Hilfen sind zuständig
für die konkrete Umsetzung der HIVPrävention und den Kampf gegen die Folgen von Aids in der jeweiligen Region. Sie
bieten Beratung und Betreuung (Adressen siehe S. 52 f.).
Test- und
Alle Universitätsspitäler und einige andere
Spitäler führen HIV-Teststellen, wo man
sich beraten und gegebenenfalls anonym
testen lassen kann. Auch einige private
Labors führen den HIV-Test anonym durch
(Adressen siehe S. 51).
Beratungsstellen
Wissenschaftliche Institute
Verschiedene Institute in den Bereichen
der Sozial- und Präventivmedizin und der
Medizin beschäftigen sich schwerpunktmässig mit dem Thema HIV und Aids.
Selbsthilfegruppen
In zahlreichen begleiteten oder unbegleiteten Selbsthilfegruppen steht die gegenseitige Unterstützung und der Austausch
unter HIV-Infizierten im Vordergrund.
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Aids-Hospize
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Es gibt speziell auf die Pflege von aidskranken Menschen ausgerichtete Häuser,
wo infizierte Menschen in einem familiären Rahmen (medizinisch) betreut werden. Immer öfter stabilisiert sich der Gesundheitszustand von Patienten und Patientinnen durch Therapien derart, dass sie
nach einem befristeten Aufenthalt wieder
nach Hause gehen können.
Daneben gibt es viele öffentliche und private Institutionen, die sich direkt oder indirekt
mit HIV und Aids auseinander setzen, z. B.
die privaten Spitex-Vereine, die HIV-infizierte Menschen zu Hause betreuen.
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Bestelladresse für weiteres
Informationsmaterial
Aids-Hilfe Schweiz
044 447 11 13
Fax 044 447 11 14
[email protected]
www.shop.aids.ch
Nationale Organisationen
Aids-Hilfe Schweiz
044 447 11 11
Fax 044 447 11 12
[email protected]
www.aids.ch/
Briefe:
Postfach 1118
8031 Zürich
Pakete:
Konradstrasse 20
8005 Zürich
Bundesamt für Gesundheit
Direktion Öffentliche Gesundheit
Sektion Aids
3003 Bern
031 323 88 11
Fax 031 322 87 99
[email protected]
www.bag.admin.ch/aids/d/index.htm
Stop-Aids-Kampagne
[email protected]
www.stopaids.ch
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Test- und Beratungsstellen
Basel-Stadt
Kantonsspital
HIV-Sprechstunde
061 265 24 31
Lugano
Ospedale Civico
Ambulatorio di malattie infettive
091 811 60 21
Bern/Berne
Inselspital
HIV-Sprechstunde
031 632 25 25
Solothurn
Bürgerspital Solothurn
HIV-Sprechstunde
032 627 33 26
Chur
Kantonsspital
Sekretariat Dr. Felix Fleisch
Infektiologie
081 256 63 39
St.Gallen
Kantonsspital
HIV-Sprechstunde
071 494 10 28
Genève
Hôpital Cantonal
Information
et consultation Sida
022 372 96 17 et
022 372 95 25
Lausanne
CHUV
Consultation Sida
021 314 10 22
51
Thurgau
Fachstelle Aids
und Sexualpädagogik TG
052 722 30 33
Zürich
Universitätsspital
HIV-Sprechstunde
01 255 23 06
Weitere Spitaladressen sind
bei den kantonalen Aids-Hilfen
erhältlich.
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Adressen der regionalen Aids-Hilfen
Aids-Hilfe Aargau
Entfelderstrasse 17
5000 Aarau
062 824 44 50
[email protected]
www.safersex.ch
Aids-Hilfe Graubünden
Lürlibadstrasse 15
7000 Chur
081 252 49 00
[email protected]
www.aidshilfe-gr.ch
Aids-Hilfe beider Basel
Clarastrasse 4
4058 Basel
061 692 21 22
[email protected]
www.ahbb.ch
Groupe Sida Jura
Route de Porrentruy 6
2800 Delémont
032 423 23 43
[email protected]
www.gsj.ch
Aids-Hilfe Bern/Berne
Monbijoustr. 32
3011 Bern
Postfach 5020, 3001 Bern
031 390 36 36
[email protected]
www.aidshilfe-bern.ch
Fa6 Fachstelle für
Sexualfragen und
HIV-Prävention,
Liechtenstein
Im Malarsch 4
Postfach 13
FL-9494 Schaan
00423 232 05 20
[email protected]
www.fa6.li
Empreinte (Fribourg)
de la Fondation Le Tremplin
Bd. Pérolles 57
1700 Fribourg
026 424 24 84
[email protected]
www.tremplin.ch
Groupe Sida Genève
17, rue Pierre-Fatio
1204 Genève
022 700 15 00
[email protected]
www.groupesida.ch
Dialogai (Genève)
Association homosexuelle
11–13, Rue de la Navigation
Case postale, 1211 Genève 21
022 906 40 40
[email protected]
www.dialogai.ch
52
Aids-Hilfe Luzern
Wesemlinrain 20
6006 Luzern
Postfach 6183, 6000 Luzern 6
041 410 69 60
[email protected]
www.aidsluzern.net
Groupe Sida Neuchâtel
Grand-Rue 18
2034 Peseux
032 737 73 37
[email protected]
www.info-sida.ch
Fachstelle für Aidsfragen
Schwyz
Gotthardstrasse 31
6410 Goldau
041 859 17 27
[email protected]
www.spd.ch
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Fachstelle für Aidsund Sexualfragen
St. Gallen/Appenzell
Tellstrasse 4
9000 St. Gallen
Postfach 8, 9001 St. Gallen
071 223 68 08
[email protected]
www.hivnet.ch/ahsga/
Aids-Hilfe
Thurgau/Schaffhausen
Rathausbogen 15
8200 Schaffhausen
052 625 93 38
[email protected]
www.aidshilfe.ch
Fachstelle Aids
und Sexualpädagogik TG
Zeughausstrasse 16
Postfach 28
8500 Frauenfeld
052 722 30 33
[email protected]
www.aidshilfe.ch
Aiuto Aids Ticino
Via Bagutti 2
Casella postale 4034
6904 Lugano
091 923 17 17
[email protected]
Antenne Sida
du Valais Romand
14, rue des Condémines
1950 Sion
027 322 87 57
[email protected]
www.antenne.sida.vsnet.ch
Aids-Hilfe Oberwallis
Spittelgasse 2
Postfach 30
3930 Visp
027 946 46 68
[email protected]
www.aidsvs.ch
53
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Seite 53
Point fixe (Vaud)
14, rue Louis-Curtat
1005 Lausanne
021 320 40 60
[email protected]
www.pointfixesida.ch
Aids-Infostelle Winterthur
Technikumstrasse 84
Postfach 1251
8401 Winterthur
052 212 81 41
[email protected]
www.aidsinfo.ch
Aids-Hilfe Zug
Zeughausgasse 9
6300 Zug
041 710 48 65
[email protected]
www.zug.ch/aidshilfe
Zürcher Aids-Hilfe
Birmensdorferstrasse 169
8003 Zürich
Postfach 8018, 8036 Zürich
01 455 59 00
[email protected]
www.zah.ch
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Index
Aids
5 Hämophilie
15
Aids-Hilfen
48 Haftverschonung
47
Aids-Hospize
49 Hautrisse
10
Aidspolitik
48 Helferzellen
7, 8, 40 f.
Analsex
13, 19 Hepatitis
10 f., 25, 27, 28
Angst
6,43 Herpes
25, 28
Ansteckung
13 ff. HIV (HI-Virus)
5
Antikörpertest
6, 31 HIV-Antikörpertest
31 ff.
Ausländische
homosexuell 13 f., 17, 19 f., 43
Wohnbevölkerung
45, 47 Immunsystem
5, 7 ff.
Ausschaffung
45 Impfung
22 f., 27
Behandlung
39 ff. Infektionsrisiko
13 ff.
Beratungsgespräch 6, 32, 48 Kaiserschnitt
14 f.
Beratungsstellen
52 f. Kind
10
Besteck, Geschirr
10 Kindergarten
10
Beziehung
19, 32 Kinderwunsch
14, 20
bisexuell
20 Kondom
13, 19, 21,
Blut
15
26 f., 44, 46 f.
Bluter
15, 17 Kot
10
Dental Dam
20, 27 Krankheiten, sexuell
Diagnostische Lücke
15 übertragbare
14, 25 ff.
Diskriminierung
6, 43 ff. Krankheitszeichen
5, 7, 8 f.
5, 7, 9, 25, 28 f.
Drogengebrauch
14, 20, Krebs
43 f., 46 Küssen
10
Epidemie
16 f. Latenzzeit
8
Feigwarzen
29 Lungenentzündung
9
Femidom
19 Lymphknoten
8
Ferien
19 Mann 13 f., 17, 19 ff., 25, 43
Frau
13, 14, 17, 19, 20, 26 Medikamente
39 ff.
Freiheitsentzug
44, 46 Menstruationsblut 13, 19, 21
Geburt
14, 20 Methadon
44, 46
Gefängnis
44, 46 Migration
45, 47
Gewichtsverlust
37 Mutter-Kind-Übertragung
6,
Gonorrhö
25, 28
10, 14 f., 17, 20
Nadelstichverletzung
10
Nebenwirkungen
22, 40
One-Night-Stand
19, 26
Oralsex
13, 19 f., 26 f.
Opportunistische
Krankheit
7, 39
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Partnerschaft
19, 32
PEP
10, 22
Persönlichkeitsrecht
32
Pilzerkrankung
9, 29
Post-Expositions-Prophylaxe
10, 22
Präservativ
13, 19, 21,
26 f., 44, 46 f.
Prävention
14 f., 19 ff.
Primärinfekt
8
Recht
32, 33, 43 f., 46 f.
Reisen
19
Risiko
10 f., 13 ff., 26 f.
Safer Sex
19, 26
Safer Use
20
Samenflüssigkeit
13, 19, 21
Schule
10
Schwangerschaft
6, 14 f.,
17, 20
Schweiss
8, 10
schwul
13 f., 17, 19 f., 43
Selbsthilfe
48
Sex
6, 13 f., 17, 19 f.,
25 ff., 37, 47
Sexuell übertragbare
Krankheiten
14, 25 ff.
SIV
5
Speichel
10
Sperma
13, 19, 21
Spielzeug
10, 20
Spital
11, 15
Spritzbesteck
6, 10, 17,
20, 44, 46 f.
Sterben
5, 17, 36 f., 40 f.
Symptome
5, 7, 8 f., 40
Syndrom
5
Syphilis (Lues)
29
55
12:48 Uhr
Seite 55
Test
6, 31 ff.
Test, anonymer
32, 48
Teststellen
51
Testverfahren
31 ff.
Therapie
39 ff.
Tod
5, 17, 36 f., 40 f.
Toxoplasmose
7
Tränen
10
Treue
19
Tripper (Gonorrhö)
25, 28
Tumore
5, 7, 9, 28 f.
Übertragung, sexuelle
13 f.
Übertragungswege
6, 10 f.,
13 ff.
Umfeld, soziales
6, 36,
40, 43 ff.
Urin
10
Vaginalverkehr
6, 13, 19
Verlauf
8 f., 36 f., 40 f.
Verletzungen
10
Virentypen
6
Viruslast (Viral Load)
8, 14,
40 f.
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