122 arznei-telegramm 12/92 PAROXETIN (SEROXAT, TAGONIS) – THERAPIEKOSTEN IM VERGLEICH Kosten in DM pro OP pro Monat Paroxetin SEROXAT/TAGONIS 50 Kps SKBeecham/Janssen zu 20 mg 229,00 137,40 Fluoxetin FLUCTIN Lilly 50 Kps zu 20 mg 223,79 134,27 Amitriptylin AMITRIPTYLIN NEURAX 25 Neurax 100 Drg zu 25 mg 21,20 12,72 SAROTEN 25 mg Tropon 100 Drg zu 25 mg 33,00 19,80 APONAL 50 Boehringer Mannh. 50 Tbl zu 50 mg 57,10 34,26 SINQUAN 50 Pfizer 50 Tbl zu 50 mg 41,35 24,81 TOFRANIL 50 mg Ciba-Geigy 50 Drg zu 50 mg 48,45 29,07 Doxepin Imipramin Die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Fluoxetin (FLUCTIN, Preiserhöhungen seit Anfang dieses Jahres um 15%!) und Paroxetin (SEROXAT, TAGONIS) sind mit fast identischen Monatskosten von 134,27 DM bzw. 137,40 DM für je 20 mg/Tag die teuersten Antidepressiva. Trizyklische Antidepressiva kosten bei einer Tagesdosis von jeweils 50 mg im Monat weniger als 35 DM. Für Paroxetin muß 10fach mehr als für AMITRIPTYLIN NEURAX 25 (12,72 DM/Monat) bezahlt werden bzw. fast 7fach mehr als für das AmitriptylinPräparat SAROTEN 25 (19,80 DM). Die neuen Serotonin-Wiederaufnahmehemmer übertreffen die Monatskosten der Doxepin-Präparate SINQUAN 50 (24,81 DM) und APONAL 50 (34,26 DM) sowie des Imipramin-haltigen TOFRANIL 50 (29,07 DM) um das 4- bis über 5fache. Einen ausführlichen Kostenvergleich finden Sie in unserem neuen Arzneimittelkursbuch 92/93, Seite 1269-1275. doch liegt die Schwankungsbreite zwischen 3 und 65 Stunden.7 Paroxetin wird bereits während der ersten Leberpassage (First-pass-Effekt) zur Hälfte zu unwirksamen Abbauprodukten verstoffwechselt. Durch Sättigung dieses Effektes steigt die Bioverfügbarkeit nach mehrfacher Einnahme. Multiple-Dose-Studien bei Patienten mit Niereninsuffizienz scheinen nicht veröffentlicht zu sein. KLINIK: Paroxetin ist zur Behandlung „depressiver Erkrankungen” zugelassen. Von elf Studien, in denen Paroxetin mit Plazebo verglichen wurde, belegen sieben die Überlegenheit gegen Plazebo.4 Die Wirkung entspricht in Ansprechzeit und Intensität im wesentlichen der von trizyklischen Antidepressiva. In einer Studie wirkt Paroxetin besser als Imipramin (TOFRANIL).4 Da Paroxetin sich in der chemischen Struktur deutlich von anderen 5-HT-Wiederaufnahmehemmern unterscheidet, wird postuliert, daß zwischen diesen Verbindungen signifikante klinische Unterschiede bestehen.5 Vergleichsstudien mit Fluoxetin oder Fluvoxamin fehlen jedoch. UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: SmithKline Beecham bewirbt Paroxetin in einem Werbe-„Steckbrief”6 mit einem Minus an Störeffekten: „Als Nebenwirkungen wurden Übelkeit, Kopfschmerz und Schläfrigkeit beobachtet.” Nach Auswertung weltweiter Studien werden am häufigsten berichtet: Übelkeit (27%), Schläfrigkeit (21%), Kopf- schmerzen (19%), Mundtrockenheit (18%), Asthenie (15%), Schlaflosigkeit (14%), Verstopfung (13%), Durchfall (11%), Tremor (10%), Nervosität (8%) und Appetitlosigkeit (4%).5 Krampfanfall, Priapismus, orthostatische Hypotonie, Sehstörungen und Transaminasenanstieg kommen vor. Insbesondere bei Behandlungsbeginn wird über das „serotoninerge Syndrom” mit Agitation, Schlafstörungen, getriebener Unruhe, Angst und psychotischen Reaktionen berichtet. Absetzen kann zu Verwirrtheit, emotionaler Starre, beinträchtigtem Realitätsempfinden und Schwindel führen.8 Laut SEROXAT-Werbung soll das Mittel nicht „die psychomotorische Leistungsfähigkeit” (Reaktionszeit, Konzentration, Fahrtauglichkeit) beeinträchtigen, während wir im Kleingedruckten des Werbekartons den Hinweis finden: „Dieses Arzneimittel kann auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Reaktionsvermögen soweit verändern, daß die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigt wird ...”.6 Ein Apotheker aus Westerburg kommentiert die Botschaft: „Beides auf einer Seite grenzt ja wohl schon an Unverschämtheit!” DOSIS UND KOSTEN: Geworben wird mit einer Dosierung 1 x täglich morgens 1 Tablette (20 mg). Im Kleingedruckten werden Dosissteigerungen in 10-mgSchritten bis auf maximal 50 mg eingeräumt. Die bereits für die 20-mg-Dosis erheblichen Kosten von monatlich 137,40 DM (siehe Kasten) steigen dann bis auf 340 DM. FAZIT: Der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Paroxetin (SEROXAT, TAGONIS) wirkt etwa gleich gut antidepressiv wie bewährte trizyklische Antidepressiva. Vergleiche mit den Serotonin-Wiederaufnahmehemmern Fluoxetin (FLUCTIN) und Fluvoxamin (FEVARIN) fehlen. Es mangelt an Kriterien, für welche Patienten die bis zu zehnfach teurere Neuerung den Trizyklika vorzuziehen ist. Von Person zu Person bis um den Faktor 20 abweichende pharmakokinetische Eigenschaften wie Halbwertszeit und Dauer bis zum Erreichen maximaler Plasmaspiegel sowie fehlende Beziehungen zwischen Plasmaspiegeln und erwünschten sowie unerwünschten Wirkungen erschweren die Behandlung. 1 2 3 4 5 6 7 8 TAGONIS-Werbekarte, SEROXAT-Werbung: Ärzte Ztg. vom 23. Sept. 1992 Schreiben der Janssen GmbH vom 17. Sept. 1992 DECHANT, K. L., S. P. CLISSOLD: Drugs 41 (1991), 225 Drug Ther. Bull. 29 (1991), 46 BOYER, W. F., J. P. FEIGHNER: Clin. Psychiatr. 53, Suppl. 2, (1992), 3 SEROXAT-Steckbrief, Werbekarte der SmithKline Beecham Pharma 193/709/92 KASTRUP, E. K. (ed.): „Drugs, Facts and Comparisons”, Lippincott, St. Louis (USA), May 1992, S. 857 Newsletter of Westmidlands Centre for Adv. Drug React. Rep. July 1992, 2 Übersicht BEHANDLUNG DER OTITIS MEDIA Die Mittelohrentzündung ist eine der häufigsten Diagnosen in der kinderärztlichen Sprechstunde. Im Alter bis zu 3 Jahren erkranken über zwei Drittel aller Kinder mindestens einmal an Otitis media, ein Drittel hat mindestens 3 Krankheitsepisoden.1,2 Mit fortschreitendem Schädelwachstum verbessern sich die anatomischen Gegebenheiten im Bereich der Ohrtrompete. Mit zunehmendem Alter heilen daher oft auch chronische Mittelohrentzündungen ab.