Springer-Lehrbuch Experimentalphysik 6 Elektrizität, Magnetismus Physik Denken Bearbeitet von Martin Erdmann, Günter Flügge 1st Edition. 2012. Taschenbuch. viii, 138 S. Paperback ISBN 978 3 642 17295 3 Format (B x L): 15,5 x 23,5 cm Gewicht: 237 g Weitere Fachgebiete > Physik, Astronomie > Physik Allgemein > Experimentalphysik Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte. Kapitel 2 Elektrostatik im Vakuum In diesem Kapitel führen wir die wichtigen Grundbegriffe für das Verständnis elektrischer Phänomene bei ruhenden Ladungen ein. Wir zeigen zunächst die Coulomb-Kraft, die zwischen zwei punktförmigen elektrischen Ladungen wirkt. Anschließend stellen wir das elektrische Feld und seine Feldstärke vor. Wir werden das elektrische Potential sowie die Spannung einführen und dann über die sogenannte Poisson-Gleichung in der Lage sein, Felder beliebiger Ladungsverteilungen zu berechnen. Unter Hinzunahme des elektrischen Flusses werden wir schließlich eine erste Formulierung für eine der Maxwell-Gleichungen präsentieren. 2.1 Ladung Die elektrische Ladung ist eine Eigenschaft von Teilchen wie z. B. Elektronen und Protonen. Diese beiden Teilchen tragen jeweils eine Elementarladung Qe mit dem Wert Qe D 1;602 176 565.35/ 1019 C ; (2.1) wobei C die Einheit „Coulomb“ bezeichnet ( [7], siehe auch Abschn. 2.3: MillikanExperiment). Elektrische Ladungen können „positiv“ oder „negativ“ sein, dementsprechend bezeichnen wir sie mit „C“ oder „“. Die Ladung ist für ein Elektron Q.e/ D Qe ; für ein Proton Q.p/ D CQe : Genaue Untersuchungen zeigen, dass das Proton aus Quarks besteht, die drittelzahlige Ladungen 1=3 Qe , C2=3 Qe tragen. Quarks sind immer durch starke Kräfte mit anderen Quarks oder Antiquarks verbunden und können nicht als freie Teilchen wie Elektronen oder Protonen im Raum existieren. M. Erdmann, G. Flügge, Experimentalphysik 6, Springer-Lehrbuch, DOI 10.1007/978-3-642-17296-0_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012 3 4 2 Elektrostatik im Vakuum Die Ladung von freien Teilchen, egal ob sie elementar sind oder aus Quarks bestehen, ist immer ein ganzzahliges Vielfaches der kleinsten Ladungseinheit, der Elementarladung Qe . 2.1.1 Ladungseinheit Coulomb Um nur eine minimale Anzahl physikalischer Grundgrößen zu definieren, wird die Einheit Coulomb der Elementarladung auf den Transport von Ladungen und die dadurch verursachten Kräfte zurückgeführt. Erst im Abschn. 5.7.1 werden wir in der Lage sein, diese Definition im Detail zu verstehen. Das Konzept ist dabei das Folgende: Die Einheit des Stroms I ist Ampère A. Die Ladungsmenge Q, die pro Sekunde durch die Querschnittsfläche eines Leiters in Stromrichtung bei 1 A Strom transportiert wird, ist 1C D 1As : (2.2) Die Stromstärke 1 A ist die Stromstärke, die zwischen zwei geraden, unendlich langen und im Abstand von 1 m angeordneten Leitern im Vakuum eine Kraft von 2 107 N pro Meter Leiterlänge verursacht. 2.2 Coulomb-Kraft In unserer Umwelt sind Objekte typischerweise elektrisch neutral, die Ladungen gleichen sich gegenseitig aus. Atome sind nach außen elektrisch neutral, da sich die positiven Ladungen der Protonen im Kern und die negativen Ladungen der Elektronen in der Atomhülle ausgleichen. Wenn wir elektrische Ladungen voneinander trennen, treten Kräfte auf: • Anziehungskräfte zwischen entgegengesetzt geladenen Objekten .C; /, • Abstoßungskräfte zwischen gleich geladenen Objekten .C; C/, .; /. 2:2 Coulomb-Kraft Experiment: Coulomb-Kraft Wir nehmen zwei baugleiche, metallbeschichtete Kugeln mit Radius R 2 cm und montieren die eine Kugel auf einem Schlitten. Die zweite Kugel verbinden wir mit einem Kraftmesser, der auf der elektrischen Widerstandsänderung eines sogenannten Dehnungsmessstreifens basiert. Durch Reibung mit einem geeigneten Tuch produzieren wir elektrische Ladungen auf einem Plastikstab und streifen die Ladungen an einer der Kugeln ab. Dann verteilen wir die Ladungen durch eine kurze Berührung der beiden Kugeln. Anschließend messen wir die Abstandsabhängigkeit r der Kraft F . F r/cm F - F o / mN Coulomb-Kraft 10 1 7 8 9 10 20 r / cm In der logarithmischen Auftragung vergleichen wir die Messpunkte mit der Geraden lg F D 2 lg r C const: Im Fernbereich ist die Messung mit einer 1=r 2-Abhängigkeit kompatibel. Im Nahbereich erkennen wir Abweichungen durch die räumliche Ausdehnung der geladenen Kugeln. Die Eichgröße Fı der Kraftmessung wurde so justiert, dass die Kraft für große Entfernungen verschwindet: F .r D 1/ D 0. 5 6 2 Elektrostatik im Vakuum Genauere quantitative Untersuchungen ergeben: Die Kraft FE zwischen zwei punktförmigen Ladungen Q1 und Q2 • wirkt entlang der Verbindungsachse zwischen Q1 und Q2 : eEr , • ist proportional zur Größe (Menge) der Ladungen: Q1 , Q2 , • und ist proportional zum inversen Abstandsquadrat 1=r 2 , wie wir in dem obigen Experiment gesehen haben. Die 1=r 2 -Abhängigkeit lässt sich geometrisch interpretieren. Die Quellstärke der Ladung Q1 , die wir im Abstand r pro Einheitsfläche messen, nimmt mit der Kugeloberfläche 4 r 2 ab, ist also proportional zu 1=r 2 . Die Kraft ist damit Q1 Q2 eEr : (2.3) FE D f r2 Der Proportionalitätsfaktor f kann experimentell bestimmt werden: Zwischen zwei Ladungen von Q1 D Q2 D 104 C im Abstand von 1 m wird eine Kraft von F D 89;875 N gemessen, aus der der Wert von f bestimmt werden kann. Um Grundgleichungen wie die Maxwell-Gleichungen möglichst einfach formulieren zu können, führt man folgende Konvention ein: f 1 ; 4 ı (2.4) wobei ı die Dielektrizitätskonstante bezeichnet. Wir werden im Rahmen der elektromagnetischen Wellen im folgenden Lernmodul sehen, dass ı mit der Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum und der sogenannten magnetischen Permeabilitätskonstanten ı über ı ı D c 2 verknüpft ist. Nach den Definitionen unseres Einheitensystems ist die Lichtgeschwindigkeit c festgelegt und im Abschn. 5.7.1 wird ı bei der Definition der Stromstärkeneinheit A auf ı D 4 107 V s=.A m/ festgelegt. Konsistent berechnen wir daher aus ı D 1=.ı c 2 /: As ı D 8;854 187 817: : : 1012 (2.5) Vm Die Coulomb-Kraft zwischen zwei punktförmigen Ladungen lautet damit: FE D Q1 Q2 1 eEr 4 ı r2 (2.6) 2:2 Coulomb-Kraft 7 Experiment: Elektroskop Wir erzeugen mit einem Tuch Reibungselektrizität an einem Plastikstab und streifen die Ladungen an einem Becher-Elektroskop ab. Dieses Elektroskop besteht aus einem Metallbecher, an dessen Boden eine Metallstange montiert ist. An ihr ist ein beweglicher Metallzeiger angebracht, der leitend mit der Stange verbunden ist. Der Schwerpunkt des Zeigers liegt unterhalb seines Drehpunkts. Wenn Stange und Zeiger elektrische Ladungen mit gleichem Vorzeichen tragen, stoßen sie sich gegenseitig ab. Es kommt zu einem Ausschlag des Zeigers, der durch die Gravitationskraft auf den Zeiger beschränkt wird. 2.2.1 Coulomb-Kraft einer Ladungsverteilung Häufig untersuchen wir die Wirkung von mehreren Ladungen, die über ein Volumen V verteilt sind. Für eine solche Ladungsverteilung definieren wir die Ladungsdichte durch die Ladungsmenge Q, die sich im Volumen V am durch den Ortsvektor rE bezeichneten Punkt befindet: .Er / D Q V Die Gesamtladung erhalten wir durch Integration über das Volumen: Z Q D .Er / dV (2.7) (2.8) Die Kraft auf eine Probeladung q außerhalb des Volumens ist davon abhängig, welchen Abstand die Probeladung von den Ladungen im Volumen hat: E D FE .R/ q 4 ı Z RE rE .Er / dV jRE rEj3 (2.9) 8 2 Elektrostatik im Vakuum Legen wir den Ursprung des Koordinatensystems in den Bereich der LadungsverteiE die groß im Vergleich lung (siehe Abbildung), so ergibt sich bei Entfernungen jRj, E zur Ausdehnung R jEr j der Ladungsverteilung sind (jRj jEr j), die Coulomb-Kraft (2.6) mit Q D dV als gute Näherung. 2.3 Feld Eine elektrische Ladung Q erzeugt ein elektrisches Feld. Um die Existenz des Felds nachzuweisen, verwenden wir eine Probeladung q und messen die Kraft, die das Feld der Ladung Q auf unsere Probeladung ausübt. In diesem Sinn definieren wir die elektrische Feldstärke EE durch ihre Kraft pro Probeladung q: FE EE D q (2.10) 2.3.1 Elektrisches Feld einer Punktladung Die elektrische Feldstärke einer punktförmigen Ladung Q steht mit der CoulombKraft (2.6) in folgender Beziehung E r / D 1 FE E.E q 1 Q D eEr 4 ı r 2 (2.11) (2.12) 2:3 Feld 9 Zur Visualisierung des elektrischen Felds zeichnet man Feldlinien, deren Richtungen nach Konvention von einer positiven Ladung weg zeigen, bzw. zu einer negativen Ladung hin zeigen. Die Dichte der gezeichneten Feldlinien ist dabei ein Maß für die elektrische Feldstärke. Die Feldlinien schneiden sich nicht. Aufgabe 2.1: Elektrisches Feld Zwei positive elektrische Punktladungen sitzen an folgenden Positionen im Koordinatensystem: 0 1. Ladung Qe bei 1 1 2. Ladung Qe bei 0 Gesucht sind der Betrag und die Richtung des elektrischen Felds EE in den Punkten 1 0;5 a) P1 bei b) P2 bei (2 Punkte) 1 0;5 Lösung zu Aufgabe 2.1: Elektrisches Feld 10 2 Elektrostatik im Vakuum 2.3.2 Elektrisches Feld einer unendlich ausgedehnten Leiterplatte Bislang haben wir das elektrische Feld von punktförmigen Ladungen untersucht (2.12). Im Folgenden berechnen wir das elektrische Feld einer ebenen Ladungsverteilung. Die Dichte der Ladungen dQ, die sich auf einer Plattenfläche der Größe dA befinden, bezeichnen wir als Flächenladungsdichte D dQ : dA (2.13) Die Leiterplatte soll homogen geladen sein, d. h. D const: Die Ladung dQ D dA übt auf die Probeladung q im Abstand bE folgende Coulomb-Kraft (2.6) aus: d FE D bE q dA 3 4 ı b (2.14) Die Kraftkomponente parallel zur Leiterplatte ist dFk D jd FE j sin ˛ : (2.15) Aufgrund der Symmetrie heben sich die zur Platte parallelen Kraftkomponenten gegenseitig auf: Fk D 0 (2.16) Die Komponente der Kraft senkrecht zur Plattenoberfläche ist dF? D jd FE j cos ˛ : (2.17) Mit Gleichung (2.14) und dem Flächenelement dA D r dr d' eines Kreisrings auf der Platte ist die Gesamtkraft aller Ladungen der Platte auf die Probeladung q: Z F? D jd FE j cos ˛ (2.18) q D 4 ı Z1 Z2 cos ˛ rD0 'D0 1 r dr d' b2 (2.19) 2:3 Feld 11 R 2 Das Integral über den Azimutalwinkel können wir sofort ausführen 'D0 d' D 2. Die Integration über r kann auf eine Integration über den Winkel ˛ zurückgeführt werden. Mit Hilfe des Zusammenhangs r=a D tan ˛ ist dr d tan ˛ 1 Da Da : d˛ d˛ cos2 ˛ (2.20) Mit zusätzlich a D cos ˛ b (2.21) vereinfacht sich der verbleibende Integrand von Gleichung (2.19) zu: cos ˛ 1 cos2 ˛ 1 d˛ r dr D cos ˛ a tan ˛ a 2 2 b a cos2 ˛ D sin ˛ d˛ D d cos ˛ (2.22) (2.23) (2.24) Die Integrationsgrenze für den minimalen Abstand zwischen der Platte und der Probeladung ist cos.˛ D 0/ und für einen unendlich weit entfernten Punkt cos.˛ D =2/. Damit ergibt sich als Gesamtkraft der Platte auf die Probeladung: q F? D 2 4 ı cos. 2/ Z .d cos ˛/ (2.25) cos.0/ q D ..0 1// 2 ı q D 2 ı (2.26) (2.27) Die Kraft ist konstant und unabhängig vom Abstand a der Probeladung q von der Platte. Das elektrische Feld E D F=q (2.10) ist dementsprechend ebenfalls konstant: (2.28) ED 2 ı Bei einem Kondensator verwendet man zwei entgegengesetzt gleich geladene Platten, so dass die Kraft auf die zwischen die Platten positionierte Probeladung doppelt so groß ist: ED (2.29) ı 12 2 Elektrostatik im Vakuum Experiment: Millikan-Versuch zur Bestimmung der Elementarladung Eine wichtige Anwendung des elektrischen Felds ist der Versuch von R.A. Millikan zum Nachweis und zur Messung der elektrischen Elementarladung. Öltröpfchen werden mit einem Zerstäuber z. B. positiv aufgeladen und in einen Kondensator gebracht. Beim ausgeschalteten elektrischen Feld fallen die Tröpfchen durch die Gewichtskraft FEG D Öl .4=3/ r 3 gE mit der Geschwindigkeit vE.t/ nach unten, wobei sie durch den Auftrieb FEA D Luft .4=3/ r 3 gE und die Stokesche Reibung FER D 6 r vE gebremst werden. Hier bezeichnen r den Tröpfchenradius, i die Dichten von Öl und Luft, die Viskosität der Luft und gE die Erdbeschleunigung. Die Gesamtkraft FE auf ein Öltröpfchen beträgt: FE D FEG C FEA C FER 4 D .Öl Luft / r 3 gE 6 r vE1 3 Da FER mit der Geschwindigkeit anwächst, stellt sich nach kurzer Zeit ein Kräftegleichgewicht und damit eine konstante Geschwindigkeit vE1 ein, d. h. FE D 0. Damit können wir zunächst den Radius des Öltröpfchens bestimmen: r v1 r D3 2 .Öl Luft / g Durch Einschalten des elektrischen Felds kommt die Kraft FEE D q EE hinzu FE D FEG C FEA C FER0 C FEE und es stellt sich eine neue konstante Geschwindigkeit vE2 und damit wieder FE D 0 ein. Da FEG und FEA unverändert bleiben, entspricht die Kraft durch das elektrische Feld der Differenz der Reibungskräfte: FEE D FER FER0 2:3 Feld Durch Einsetzen erhalten wir für die elektrische Ladung des Öltröpfchens: q D .v1 v2 / 6 r E Man kann also durch Messung der beiden Geschwindigkeiten die Ladung der Öltröpfchen bestimmen. Der Versuch zeigt, dass nur Vielfache der Elementarladung (2.1) auftreten. 2.3.3 Influenz Bringt man ein leitendes Material in ein elektrisches Feld, so werden frei bewegliche Ladungsträger durch die Kraft FE D q EE verschoben und erzeugen ein Gegenfeld. Diese Ladungsverschiebung heißt Influenz. Experiment: Ladungstrennung Wir bringen zwei aneinanderliegende Metallplatten in das elektrische Feld eines Plattenkondensators. Durch Influenz sammeln sich an den äußeren Flächen die Ladungen Q und Q. Trennen wir nun die Platten, so bleiben die Ladungen auf den Leitern erhalten, auch wenn wir diese aus dem Feld entfernen. Die Ladungen können wir mit einem Elektroskop nachweisen. 13 14 2 Elektrostatik im Vakuum 2.4 Potential Wir bewegen eine Probeladung q im elektrischen Feld einer ortsfesten Ladung Q von r1 nach r2 > r1 . Die Coulomb-Kraft ist wie die Gravitationskraft eine Zentralkraft und konservativ. In der Abbildung ist aus der Kugelflächensymmetrie des elektrischen Felds der im Zentrum sitzenden Ladung ersichtlich, dass die Arbeit für das Verschieben der Probeladung unabhängig vom exakten Verlauf des Wegs ist. 1. Haben beide Ladungen q und Q das gleiche Ladungsvorzeichen so leistet das System Arbeit und verliert dabei potentielle Energie. 2. Bei entgegengesetzten Ladungsvorzeichen von q und Q müssen wir Arbeit am System leisten. Das System gewinnt dabei potentielle Energie. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf den zweiten Fall und berechnen ihn ähnlich wie die Verschiebung eines massebehafteten Probekörpers von einer erdnahen zu einer erdfernen Position, die wir im Rahmen der Gravitation im Lehrund Lernmodul 2 vorgestellt haben. Beide Kräfte haben die Abstandsabhängigkeit 1=r 2 und in diesem Fall ein negatives Vorzeichen für anziehende Kräfte, was bei der Coulomb-Kraft in den Ladungsvorzeichen enthalten ist. Beim Verschieben einer positiven Probeladung q D jqj im Feld der negativen Ladung Q D jQj vom Abstand r1 nach r2 > r1 leisten wir Arbeit an der Probeladung, die wir laut Vorzeichenkonvention negativ zählen: Zr2 W D r1 Zr2 D r1 FE d rE (2.30) 1 Qq dr 4 ı r 2 (2.31) Zr2 jQj jqj 1 D dr 4 ı r2 r1 jQj jqj 1 1 >0 D 4 ı r1 r2 (2.32) (2.33) 2:4 Potential 15 Wie bei der Gravitation definieren wir nun das elektrostatische Potential ˚ über die potentielle Energieänderung Epot . Als Referenzwert setzen wir nach der üblichen Konvention bei unendlichem Abstand Epot .r D 1/ D 0. Entfernen wir die positive Probeladung q von der negativen Ladung Q vom Abstand r zum Abstand r ! 1, so leisten wir nach (2.33) die Arbeit: jQj jqj W D 4 ı D 1 1 r 1 jQj jqj 4 ı r (2.34) (2.35) Gleichzeitig erhöhen wir die potentielle Energie der positiven Probeladung q von jQj Epot .r/ D jqj 4 ı r „ ƒ‚ … (2.36) ˚ auf den der Konvention entsprechenden Wert von Epot .1/ D 0 : (2.37) Als Differenz der potentiellen Energien ergibt sich konsistent der positive Wert Epot D Epot .1/ Epot .r/ D jQj jqj : 4 ı r (2.38) (2.39) Den ersten Term auf der rechten Seite von Gleichung (2.36) bezeichnen wir als das elektrostatische Potential der negativen Ladung Q: ˚ D jQj 1 4 ı r (2.40) 16 2 Elektrostatik im Vakuum Mathematischer Einschub: Gradient Der Gradient bezeichnet eine Vorschrift für die Richtungsableitungen einer Funktion ˚, deren Ergebnis ein Vektor ist. Für kartesische Koordinaten gilt: 0 @˚ 1 @x B C grad ˚ D @ @˚ @y A (2.41) @˚ @z Für Kugelkoordinaten ist: 0 B grad ˚ D B @ @˚ @r 1 @˚ r @ 1 @˚ r sin @' 1 C C A (2.42) Mit dem Gradienten in Kugelkoordinaten erhalten wir den bereits aus der Gravitation bekannten Zusammenhang zwischen der Kraft und dem Potential: jQj grad ˚ D 4 ı @ 1 @r r eEr (2.43) D jQj 1 eEr 4 ı r 2 (2.44) D FE jqj (2.45) Das Minuszeichen im letzten Schritt ist durch die anfangs vereinbarten verschiedenen Ladungsvorzeichen von q und Q begründet. Mit dieser Gleichung und der Definition (2.10) der elektrischen Feldstärke EE formulieren wir einen Zusammenhang zwischen dem elektrischen Feld und dem Potential: grad ˚ D EE (2.46) Umgekehrt ergibt sich in allgemeiner Form das elektrostatische Potential aus der elektrischen Feldstärke anhand des Integrals: Z ˚.r/ D EE d rE (2.47) 2:4 Potential 17 Konkret berechnen wir z. B. für r2 ! 1 wegen ˚.1/ D 0: Zr2 ˚.r2 / ˚.r1 / D EE d rE (2.48) r1 Z1 ˚.r1 / D EE d rE (2.49) r1 In der folgenden Grafik sind die Zusammenhänge zwischen Potential und Feld zusammengefasst. 2.4.1 Potential einer Ladungsverteilung Das elektrostatische Potential einer kontinuierlichen Ladungsverteilung berechnen wir mit den Gleichungen (2.9) und (2.49): Z1 E E F .R/ E E D dR ˚.R/ q (2.50) R Z1 Z RE rE ˇ3 .Er / dV d RE ˇ ˇ ˇE Eˇ R V ˇR r 2 3 Z Z1 E 1 R rE 6 7 D 4 ˇ ˇ3 d RE 5 .Er / dV ˇ ˇE 4 ı Eˇ V R ˇR r 1 D 4 ı (2.51) (2.52) Die Integrale können vertauscht werden, da dV .Er / sich auf die Ladungsverteilung bezieht und d RE den Abstand zum Beobachtungspunkt bezeichnet. Für den eindimensionalen Fall ist das innenliegende Integral durch Substitution von z R r und dz D dR einfach zu lösen: Z1 R Z1 Rr jR r j 3 dR D z 1 dz z2 (2.53) 18 2 Elektrostatik im Vakuum D 1 z (2.54) D 1 Rr (2.55) Den allgemeinen Lösungsansatz für das Potential in drei Dimensionen geben wir hier an: Z 1 .Er / E ˇ ˇ dV ˚.R/ D (2.56) ˇE ˇ 4 ı R r E ˇ ˇ V Beispiel: Potential einer diskreten Ladungsverteilung Um das Potential und das elektrische Feld von N diskreten Ladungen zu berechnen, die im Raum verteilt sind, ersetzen wir in Gleichung (2.56) die Integration über das Volumen durch die Summe über alle Ladungen Qi : E D ˚.R/ N 1 X Qi 4 ı E Ei j i D1 jR r i (2.57) i Für eine negative Punktladung Q D jQj erhalten wir damit in der Näherung E wie in (2.40) jEr j jRj E D ˚.R/ 1 jQj ˇ ˇ : 4ı ˇˇRE ˇˇ (2.58) Anordnungen von mehreren Ladungen werden Multipole genannt. Die einfache Überlagerung (Superposition) der einzelnen Potentiale ist deswegen möglich, weil alle Terme in (2.57) nur linear vorkommen. 2:5 Dipolmoment 19 Beispiel: Multipole Beispiele für Multipole sind der • Dipol: 2 entgegengesetzte Ladungen im Abstand d • Quadrupol: 2 positive und 2 negative Ladungen Es gibt außerdem den Sextupol, den Oktupol und so weiter. Der sogenannte Monopol trägt nur 1 Ladung. 2.5 Dipolmoment Zwei gleich große elektrische Ladungen mit unterschiedlichem Ladungsvorzeichen befinden sich im Abstand d voneinander. Diese Anordnung bezeichnen wir als Dipol. E Nach Gleichung (2.57) lautet das Potential ˚ des Dipols am Ort R: 0 1 1 Q Q E D @ A ˚.R/ 4 ı jRE dE j jRE C dE j 2 (2.59) 2 Unser Ziel ist, aus dem Potential das elektrische Feld des Dipols zu berechnen. Für genügend große Entfernungen (R d ) können wir das Potential in einer Taylorentwicklung um den Abstand der beiden Ladungen d D 0 nähern. 2 !1=2 d f .d / D Rx2 C Rz ˙ (2.60) D q E 2 d 2 2 jRE ˙ d2 j Rx C .Rz ˙ 2 / 1 f .0/ D 1 R 1 !3=2 1 1 d 2 d 2 ˙ 2 Rz ˙ f .d / D Rx C Rz ˙ 2 2 2 2 ! 2 3=2 1 d d D Rz ˙ R2 ˙ Rz d C 2 2 2 0 (2.61) (2.62) (2.63) 20 2 Elektrostatik im Vakuum f 0 .0/ D 1 Rz 2 R3 (2.64) In dieser Näherung ist der Abstandsterm unter Verwendung von Rz D R cos : Rz Rz 1 1 1 1 C d d (2.65) E E R 2R3 R 2R3 jRE d2 j jRE C d2 j Rz d D (2.66) R3 R d cos D (2.67) R3 cos (2.68) Dd R2 Das Dipolpotential lautet damit: E D ˚.R/ 1 cos Qd 4 ı „ƒ‚… R2 (2.69) p Wir definieren das elektrische Dipolmoment pE durch pE D Q dE : (2.70) Dabei ist dE der Vektor, welcher von der negativen zur positiven Ladung zeigt . Als Dipolpotential erhalten wir mit dem Betrag des Dipolmoments p D jpj: E E D ˚.R/ 1 p cos : 4 ı R2 (2.71) Das elektrische Feld EE des Dipols berechnen wir nach Gleichung (2.46) durch den Gradienten des Potentials: grad ˚ D EE Das Potential liegt bereits in Kugelkoordinaten r; ; ' vor. Mit dem Gradienten (2.42) ergeben sich die folgenden Komponenten für das elektrische Dipolfeld. Für die radiale Komponente erhalten wir aus Er D @˚=@R: Er D 2 p cos 4 ı R3 (2.72) Für die polare Komponente erhalten wir mit E D .1=R/ @˚=@: E D 1 p sin 4 ı R3 (2.73) 2:6 Spannung 21 Die azimutale Ableitung E' D 1=.R sin / @˚=@' liefert keinen Beitrag, da das Potential keine explizite Abhängigkeit von ' besitzt: E' D 0 (2.74) Die letzte Gleichung impliziert die Rotationssymmetrie des elektrischen Felds um die Achse des Dipols. Für die anderen Koordinatenrichtungen denken wir uns das orthogonale Dreibein der Kugelkoordinaten an die jeweilige Raumrichtung angeheftet: Bei der Beobachtung des Felds in der Richtung der Dipolachse ist D 0 und damit sin D 0 und cos D 1. Hier ist die radiale Komponente des Felds Er maximal, während das Feld E in der Richtung des Polarwinkelvektors eE Null ist. Beobachten wir das Feld aus einer zur Dipolachse senkrechten Richtung, ist D 90ı und damit sin D 1 und cos D 0. Hier ist die radiale Komponente des Felds Er D 0, während das Feld E in der Richtung des Polarwinkelvektors eE maximal ist: Das elektrische Feld steht parallel zur Dipolachse. Die eingezeichnete positive Probeladung würde also entlang der Feldlinie nach unten wandern. 2.6 Spannung Die Potentialdifferenz zwischen zwei Punkten rE1 , rE2 heißt elektrische Spannung U: (2.75) U D ˚.Er2 / ˚.Er1 / 22 2 Elektrostatik im Vakuum Die Einheit der elektrischen Spannung U ist Volt V, wobei sich der Zusammenhang mit bekannten Einheiten aus der Definitionsgleichung für das elektrische Potential (2.47) ergibt: Nm (2.76) As Anstelle des Potentials können wir auch das elektrische Feld zur Bestimmung der Spannung verwenden. Nach Gleichung (2.48) erhalten wir die Spannung über E das Wegintegral im elektrischen Feld E: Z U D EE d sE (2.77) 1V D 1 2.6.1 Statische Anwendung Experiment: Potentialdifferenz Durch Reibungselektrizität bringen wir Ladungen Q auf eine der Kondensatorplatten und messen die Spannung U zwischen den Platten mit einem Voltmeter. Je mehr Ladungen wir aufbringen, desto größer ist die gemessene Spannung. Beim Aufbringen der Ladungen auf die Kondensatorplatten entsteht ein elektrisches Feld im Kondensator, das wir für endlich große Plattengrößen A nach den Gleichungen (2.13) und (2.29) näherungsweise durch ı Q A ı ED (2.78) (2.79) beschreiben können. Die Feldstärke E ist also proportional zur aufgebrachten Ladung Q: E /Q jEj (2.80) 2:6 Spannung 23 Die gemessene Spannung U zwischen den beiden Leiterplatten beträgt nach Integration von Gleichung (2.77) über den Abstand d der Kondensatorplatten: Zd U D EE d rE (2.81) 0 DEd (2.82) Gleichungen (2.80) und (2.82) implizieren, dass die Spannung zwischen den Kondensatorplatten proportional zur Ladung Q im Kondensator ist: U /Q (2.83) Umgekehrt können wir den Kondensator auch mit Hilfe einer Gleichspannungsquelle laden. Je höher wir die Spannung U wählen, desto mehr Ladungsträger Q sammeln sich auf den Kondensatorplatten. 2.6.2 Dynamische Anwendung Die Bedeutung einer Potentialdifferenz können wir auch bei der Bewegung von geladenen Teilchen im folgenden Beispiel verstehen. Wird eine negative Probeladung q D jqj im Feld der positiven Ladung Q vom Abstand r2 > r1 nach r1 bewegt, so verliert die Probeladung q potentielle Energie. Wir haben diese Energie bereits in (2.33) berechnet und den Zusammenhang mit dem Potential hergestellt (2.40): jQj jqj 1 1 (2.84) Epot D 4 ı r2 r1 D q .˚.r2 / ˚.r1 // (2.85) D qU (2.86) Da die Gesamtenergie E des Systems aus beiden Ladungen eine Erhaltungsgröße ist, gewinnt vom Bezugssystem der Ladung Q aus gesehen die anfangs ruhende Probeladung q die kinetische Energie: E.r2 / D E.r1 / (2.87) Ekin .r2 / C Epot .r2 / D Ekin .r1 / C Epot .r1 / (2.88) Ekin .r1 / Ekin .r2 / D Epot .r2 / Epot .r1 / „ ƒ‚ … (2.89) D0 Ekin .r1 / D Epot (2.90) 24 2 Elektrostatik im Vakuum Mit Gleichung (2.86) erhalten wir Ekin D q U : (2.91) Dieser Zusammenhang zwischen Energie, Ladung und Spannung motiviert eine Energieeinheit für Teilchen, das sogenannte Elektronenvolt eV [7]: 1 eV D 1;602 176 565.35/ 1019 J (2.92) Aufgabe 2.2: Elektronenbeschleunigung Ein Elektron wird im elektrischen Feld EE zweier Leiterplatten auf die Endgeschwindigkeit v beschleunigt. Gegeben: • Zwischen den beiden Leiterplatten ist eine Spannung von U D 1 V angelegt. • Elektronenmasse m D 1030 kg, • Elektronenladung q D 1;6 1019 C, • Lichtgeschwindigkeit c D 3 108 ms . Gesucht: ˇ D v=c des Elektrons bei der positiv geladenen Elektrode (Anode). (1 Punkt) Lösung zu Aufgabe 2.2: Elektronenbeschleunigung 2:6 Spannung 25 2.6.3 Erzeugung hoher Spannungen Bringt man Ladungen auf die Innenseite eines Metallbechers auf, so werden diese auf die Außenseite des Bechers verschoben, da sie sich abstoßen. Damit lässt sich der Becher sehr hoch aufladen. Grenzen hierfür werden aber durch die Isolation der Komponenten gegeben. Experiment: Band-Generator Beim Van-De-Graaff-Generator rotiert ein Band aus isoliertem Material über zwei Achsen. Auf der einen Seite wird es mit positiven Ladungen besprüht, die auf der anderen Seite auf einer Metall-Hohlkugel gesammelt werden. Bringen wir ein Metallstück an einem isolierten Griff in die Nähe der Kugel, kommt es zu sichtbaren Überschlägen. Alternativ stecken wir vor dem Laden ein Büschel aus Papierfäden an die Kugel: Beim Laden richten sich die Fäden durch ihre elektrische Abstoßung auf. Bei diesem Versuch müssen die Sicherheitsvorschriften unbedingt eingehalten werden. Mit Band-Generatoren können elektrische Spannungen von über 1 MV (Megavolt) erzeugt werden. Sie werden z. B. zur Beschleunigung von Teilchen verwendet. Der Innenbereich der Kugel bleibt feldfrei .EE D 0/. Damit wird ein Schutzraum vor hohen Spannungen ermöglicht, der sogenannte Faraday-Käfig. Er schützt vor elektrischen Feldern, beispielsweise bei Blitzschlägen. Im nächsten Abschnitt werden wir diese Eigenschaft von Leitern weiter untersuchen. 26 2 Elektrostatik im Vakuum 2.7 Fluss Der elektrische Fluss beschreibt, wie ein elektrisches Feld EE eine Oberfläche A durchdringt: Z D EE d AE (2.93) A Stellen wir uns die Feldlinien vor, die die Oberfläche A durchdringen, so gibt der elektrische Fluss ein Maß für die Zahl der Feldlinien durch A. Das Skalarprodukt in dieser Definitionsgleichung sorgt dafür, dass nur die elektrische Feldkomponente parallel zum Normalenvektor d AE der Oberfläche gewertet wird. Das Integral erstreckt sich über die gesamte betrachtete Oberfläche. Beispiel: Fluss einer Punktladung durch eine Kugeloberfläche Die Kugeloberfläche habe den Radius R. Das Oberflächenelement der Kugel ist dA D R2 sin d d'. Einsetzen des elektrischen Felds der Punktladung nach Gleichung (2.12) in (2.93) ergibt den Fluss: Z2 Z D 'D0 D0 1 Q R2 d' sin d 4 ı R2 1 D Q 4 ı Z2 Z d' 0 1 D Q 4 4 ı Q D ı (2.94) sin d (2.95) 0 (2.96) (2.97) 2:7 Fluss 27 Mathematischer Einschub: Geschlossene Integrale Integrale über geschlossene Kurven oder Flächen werden üblicherweise durch das Symbol I dargestellt. Dasselbe Resultat wie für die Punktladung erhalten wir für eine Ladungsverteilung, die sich vollständig innerhalb einer solchen Kugel mit Radius R befindet. Mit der R Gesamtladung Q D dV erhalten wir für den elektrischen Fluss durch die Oberfläche der Kugel: I (2.98) D EE d AE A D 1 ı D Q ı Z dV (2.99) (2.100) Es lässt sich zeigen, dass dieser Zusammenhang allgemein für beliebige geschlossene Oberflächen A gilt. Dies ist der sogenannte Gauß’sche Satz der Elektrostatik: I A Q EE d AE D ı (2.101) Der elektrische Fluss durch eine geschlossene Oberflächen A ist proportional zu der von A eingeschlossenen Gesamtladung Q. Im Folgenden werden wir den Gauß’schen Satz (2.101) in differentielle Form umschreiben und damit eine erste Formulierung der Maxwell-Gleichung (1.7) erhalten. 28 2 Elektrostatik im Vakuum Mathematischer Einschub: Divergenz Die Divergenz eines Vektorfelds bezeichnet eine Ableitungsvorschrift, die die Richtungsableitungen in einer skalaren Größe zusammenfasst: 0 B div EE D @ D @ @x @ @y @ @z 1 0 1 Ex C B C A @ Ey A Ez @Ex @Ey @Ez C C @x @y @z (2.102) (2.103) Für das elektrische Feld ist div EE ein Maß für die Quellstärke des elektrischen Felds. Mathematischer Einschub: Gauß’scher Satz der Mathematik Nach dem Gauß’schen Satz der Mathematik gilt für eine geschlossene Oberfläche: I Z E E (2.104) E d A D div EE dV A V Dabei bezeichnet V das von der Fläche A eingeschlossene Volumen. Um den Fluss der Ladungsverteilung mit der Dichte zu erhalten, setzen wir (2.99) auf der linken Seite der Definitionsgleichung (2.93) ein und ersetzen die rechte Seite nach dem Gauß’schen Satz (2.104): I D EE d AE (2.105) Z dV D ı Z div EE dV (2.106) Vergleichen wir die Integranden dieser Gleichung, erhalten wir: div EE D ı (2.107) Diese Gleichung ist die differentielle Form des Gauß’schen Satzes der Elektrostatik und entspricht der Maxwell-Gleichung (1.7) im Vakuum. Ihre Bedeutung ist: Die elektrischen Ladungen sind die Quellen ( > 0) beziehungsweise Senken ( < 0) des elektrischen Felds. 2:8 Poisson-Gleichung 29 Beispiel: Eigenschaften von Leitern Mit dem Gauß’schen Satz können wir folgende Schlussfolgerungen über die Eigenschaften von Leitern im elektrostatischen Gleichgewicht ziehen: Im elektrostatischen Gleichgewicht ruhen alle Ladungen. Im Inneren des Leiters kann es kein elektrisches Feld EE geben, sonst würden die Ladungen eine Kraft FE D q EE erfahren und sich bewegen. Für EE D 0 implizieren die Gleichungen (2.101) bzw. (2.107), dass sich im Inneren des Leiters keine Ladungen befinden. Auf der Oberfläche des Leiters kann es keine Tangentialkomponente des elektrischen Felds geben, sonst würden sich die Ladungen auch hier bewegen. Als Konsequenz sitzen alle Ladungen auf der Oberfläche des Leiters und das elektrische Feld steht senkrecht zur Leiteroberfläche. 2.8 Poisson-Gleichung Mit Hilfe der Maxwell-Gleichung (2.107) können wir folgenden Zusammenhang zwischen der elektrischen Ladung und dem Potential ˚ formulieren. Das elektrische Feld EE erhalten wir nach (2.46) durch Bildung des Gradienten: grad ˚ D EE Bilden wir die Divergenz auf beiden Seiten dieser Gleichung, können wir die rechte Seite durch die Maxwell-Gleichung (2.107) ersetzen: div grad ˚ D div EE D ı (2.108) (2.109) Mathematischer Einschub: Laplace-Operator Die Kombination aus Divergenz und Gradient wird im Laplace-Operator zusammengefasst: 4 D div grad D (2.110) @2 @2 @2 C 2C 2 2 @x @y @z (2.111) Mit ihm erhalten wir die sogenannte Poisson-Gleichung: 4˚ D ı (2.112) 30 2 Elektrostatik im Vakuum Ihre Bedeutung besteht darin, dass wir aus einer bekannten Ladungsverteilung das Potential und anschließend die elektrische Feldstärke berechnen können. Den zugehörigen Lösungsweg hatten wir bereits in Gleichung (2.56) kennengelernt: Z .Er / E D 1 ˇ dV ˇ (2.113) ˚.R/ ˇ 4 ı E rE ˇˇ R ˇ V 2.8.1 Laplace-Gleichung Im Folgenden werden wir das Potential und das elektrische Feld zwischen zwei geladenen Platten (Kondensator) untersuchen. Zwischen den Platten befinde sich keine Ladung, d. h. D 0. Damit vereinfacht sich die Poisson-Gleichung (2.112) zu 4˚ D0: (2.114) Dieser Spezialfall der Poisson-Gleichung wird auch Laplace-Gleichung genannt. 2:8 Poisson-Gleichung Beispiel: Laplace-Gleichung Die Koordinate x bezeichne den Abstand zur ersten Kondensatorplatte. Der 1-dimensionale Laplace-Operator lautet in kartesischen Koordinaten d 2˚ D0: dx 2 (2.115) Durch zweifache Integration erhalten wir ˚.x/ D g x C h : (2.116) Für die Potentiale auf den Leiterplatten heißt das: ˚1 D ˚.x D 0/ D h (2.117) ˚2 D ˚.x D d / D g d C h (2.118) Somit ist die Spannung U D ˚1 ˚2 D g d : (2.119) Das Potential im Kondensator sinkt mit steigendem Abstand von der Platte: ˚.x/ D U x C ˚1 d (2.120) Das elektrische Feld ist dementsprechend konstant: U EE D grad ˚ D eEx d (2.121) 31 32 2 Elektrostatik im Vakuum E D const: und senkrecht zur PlatDas Feld im Kondensator ist also homogen jEj tenoberfläche gerichtet. Es lässt sich aus der angelegten Spannung U und dem Plattenabstand d direkt bestimmen (vergleiche (2.82)). 2.8.2 Kondensatorkapazität Die Konstanz des elektrischen Felds zwischen zwei Leiterplatten hatten wir bei der Berechnung der Kraft auf eine Probeladung kennengelernt und die Feldstärke auf die Flächenladungsdichte D Q=A in den Platten zurückgeführt. Für einen Kondensator mit zwei endlich großen Leiterplatten der Fläche A und ihrer jeweiligen Ladung Q können wir näherungsweise schreiben (2.79): E Q A ı (2.122) Mit den Gleichungen für die elektrische Feldstärke (2.121) und (2.122) erhalten wir einen linearen Zusammenhang zwischen der Ladung Q, die auf den Kondensatorplatten gespeichert ist, und der Spannung, die an den Platten anliegt: Q U D d A ı A ı U QD d „ƒ‚… (2.123) (2.124) C Je größer die Spannung ist, die an den Leiterplatten anliegt, desto mehr Ladung befindet sich im Kondensator: QDCU (2.125) Die Proportionalitätskonstante C heißt Kapazität. Die Einheit der Kapazität C ist Farad F C (2.126) 1F D 1 V Beispiel: Kapazitäten von Kondensatoren Typische Größenordnungen von Kapazitäten in der Elektronik sind: 1 pF D 1012 F 1 F D 106 F 2:8 Poisson-Gleichung Für den Plattenkondensator beträgt die Kapazität: C D A ı d (2.127) Sie enthält die geometrischen Kenngrößen des Kondensators. Je größer die Plattenfläche A ist, bzw. je kleiner der Abstand d der beiden Platten, desto mehr Ladung Q lässt sich bei konstanter angelegter Spannung im Kondensator speichern. Aufgabe 2.3: Kapazität eines Plattenkondensators Berechnen Sie die Kapazität C eines Plattenkondensators mit den obigen Abmessungen mit Hilfe des Gauß’schen Satzes unter der Annahme, dass die Fläche A so groß ist, dass das Feld als homogen und senkrecht auf den Platten angenommen werden kann. (3 Punkte) Lösung zu Aufgabe 2.3: Kapazität eines Plattenkondensators 33 34 2 Elektrostatik im Vakuum 2.9 Feldenergie Beim Aufladen eines Kondensators müssen wir Arbeit leisten, um die Abstoßung der Ladungen zu überwinden (2.35): d W D F dr D ˚ dq (2.128) (2.129) Mit der infinitesimalen Ladungsmenge dq, der Potentialdifferenz ˚ und mit Q D C U D C ˚ (2.75, 2.125) ist dW D q dq : C (2.130) Die Energiezunahme auf der Leiterplatte erhalten wir durch Integration: 1 W D C ZQ q dq (2.131) 0 1 Q2 D 2C (2.132) Mit Q D C U (2.125) ist die Gesamtenergie im Kondensator: W D 1 C U2 2 (2.133) Im Plattenkondensator gilt mit den Gleichungen (2.127) und (2.121): 1 ı 2 1 D ı 2 W D A 2 U d (2.134) d A E2 „ƒ‚… (2.135) DV Die Energiedichte ! des elektrischen Felds beträgt demnach: W V 1 D ı E 2 2 !D (2.136) (2.137) Diese Energiedichte gilt nicht nur für Plattenkondensatoren, sondern allgemein für elektrische Felder im Vakuum.