ADHS - DVJJ Regionalgruppe Nordrhein

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GAP
ADHS und Straffälligkeit junger
Menschen
PD Dr. med. Kathrin Sevecke
Klinik und Poliklinik für
Psychiatrie und Psychotherapie des
Kindes- und Jugendalters
der Universität zu Köln
www.uni-koeln.de/med-fak/kjp
GAP
ADHS: Geschichtliche Entwicklung
1847:
Heinrich Hoffmann
beschreibt Symptome in
„Der Struwwelpeter“
1902:
George Still
beschreibt ADHS
Symptome
1955:
Markteinführung
Methylphenidat
1960:
minimale cerebrale
Dysfunktion (MCD)
1980:
DSM III - ADHS
mit oder ohne
Hyperaktivität
GAP
Diagnosekriterien nach ICD-10
Aufmerksamkeitsstörung
+
Hyperaktivität
+
Impulsivität
situationsübergreifend
+
Störung des Sozialverhaltens
F 90.0 Einfache
Aufmerksamkeitsund Hyperaktivitätsstörung
F 90.1 Hyperkinetische Störung
des Sozialverhaltens
GAP
Pärvalenz -1ca. 3-6 % der Kinder im schulpflichtigen Alter
• Jungen: ca. 9%
•
Mädchen: ca. 3%
ADHS Subtypen
•
•
•
Mischtypus (50–75%)
vorwiegend unaufmerksamer Typus (20-30%)
vorwiegend hyperaktiver/impulsiver Typus (<15%)
Jungen-Mädchen-Relation: 2:1 bis 10:1
GAP
Pärvalenz -2-
• Persistenz der charakteristischen Symptome im
Erwachsenenalter
• ca. 60% weisen auch im Erwachsenenalter weiterhin
Einschränkungen auf
• Prävalenzrate bei Erwachsenen von 2-4%
• Männer-Frauen-Relation: 2:1 bis 4:1
• Ähnliche Prävalenzen in verschiedenen Kulturen
Weiss & Weiss, J Clin Psychiatriy 2004; 65 (Suppl.3):27-37
GAP
ADHS
… ist nicht wie Masern oder Mumps
(kategorial)
… sondern wie Bluthochdruck oder
Übergewicht (dimensional)
Man kann mehr oder weniger davon haben!
Die Grenzen sind fließend
GAP
Prävalenz von ADHS in forensischen
Populationen
Autor
N
Population/Land
Prävalenz ADHS
(%)
Hollander & Turner (1985)
185
Inhaftierte/USA
19
Milin et al. (1991)
111
Inhaftierte/CAN
19
Haapasalo & Hamalainen
(1996)
89
Inhaftierte/SF
50
Timmons-Mitchell et al.
(1997)
50
Inhaftierte/USA
72
Ulzen & Hamilton (1998)
49
Inhaftierte/CAN
27
Doreleijers et al. (2000)
108
Begutachtungsfälle/NL
14
Pliszka et al. (2000)
50
Inhaftierte/USA
18
Vermeiren et al. (2000)
72
Begutachtungsfälle/B
19
Rösler et al. (2004)
129
Inhaftierte/D
22
GAP
ADHS-Prävalenz: GAP-Studie
Mädchen / Jungen
JVA
ADHS jetzt
40% / 24%
p = .02
Subskala: Hyperaktivität jetzt
57% / 40%
p= .02
Subskala: Impulsivität jetzt
36% / 23%
p = .05
ADHS früher
51% / 34%
p = .01
GAP
Personality Disorders: GAP-Study
Boys
Girls
Antisocial PD
85%***
48%
Borderline PD
8%
26%**
Paranoid PD
7%*
-
Narcissistic PD
13%*
3%
71%***
37%
1 PD
GAP
ADHS und Komorbiditäten
ADHS
allein
Oppositionelles
Trotzverhalten
31%
TicStörung
11%
ADHS
14%
Störungen des
Sozialverhaltens
40%
38%
Angststörungen
affektive Störungen
GAP
Die häufigsten komorbiden Leiden bei Personen
mit ADHS in verschiedenen Lebensaltern
Kindesalter
Prävalenz Erwachsenenalter
(%)
Prävalenz
(%)
Störungen des
Sozialverhaltens
50
Antisoziale
Persönlichkeitsstörungen
25
Lernstörungen
50
Emotional instabile
Persönlichkeitsstörung
20
Angststörungen
25
Drogenmissbrauch,
Alkoholismus
60
Affektive Störungen
35
Affektive Störungen
35
Tic, Tourette Syndrom
5
Angststörungen
25
Neurologische
Entwicklungsstörungen
20
GAP
Einfluss psychischer Störungen auf die
Entwicklung von Delinquenz
Umschrieb.
Entw.störung
Schulversagen
Angststörungen
Intelligenzminderung
Depressive
Störungen
Aggression
Delinquenz
neuropsychol.
Auffälligkeiten
Alkohol-/
Drogenabh.
Persönlichk.störungen
Schizophrenie
Stör. d. Sozialverhaltens
ADHS
GAP
ADHS berührt zahlreiche Lebensbereiche:
• Probleme in Schule/ Beruf
– 42% Klasse mind. einmal wiederholt (USA)
– 5 Fehltage/Jahr mehr als der Durchschnitt bei Arbeitnehmern
(USA)
• Familiäre Probleme
– Vermehrte Erziehungsprobleme der Eltern von ADHS-Kindern
– Mütter häufiger depressiv, Partnerschaftsprobleme
• Soziale Probleme
– Mangelnde soziale Fähigkeiten / soziale Isolation
– Schwieriges Verhältnis zu Geschwistern und Kameraden
⇒  Vermindertes
Selbstwertgefühl
Schulleistungsprobleme nicht behandelter
ADHS-Patienten
% der Schüler/Studenten mit ADHS
GAP
Milwaukee Young Adult Outcome Study
70
60
50
40
30
20
10
0
Mindestens
Mindestens
1
x
vom Unterricht
1 x Schuljahr
ausgeschlossen
wiederholt
Schulverweis
kein HighSchool
Abschluss
erreicht
*
Barkley, J Clin Psychiatry 2002; 63
GAP
ADHS: Heterogene Ätiologie
Neuroanatomisch/
neurochemisch
Genetische
Ursachen
ADHS
Hirnorganische
Schädigungen
Umweltfaktoren
GAP
Ätiologische Faktoren
Genetik/
Erblichkeit
Motorische Unruhe
Persönlichkeits
-störungen
Aufmerksamkeit
Biologische
Einflussfaktoren
(prä & perinatal)
Impulsivität
Umwelteinflüsse (Risiko- & Schutzfaktoren)
Alter
Kindheit
Jugendalter
GAP
Pathophysiologie
• Bis heute kein eindeutiges neuronales
pathophysiologisches Korrelat der ADHS bekannt
• Strukturelle Veränderungen in fronto-striatalen
Regionen dokumentiert
• Dysregulation der inhibitorischen Aktivität im frontalen
Kortex (vorwiegend noradrenerg) und in striatalen
Regionen (vorwiegend dopaminerg).
GAP
Morphologische Auffälligkeiten
• Gehirn kleiner (~4%): Frontallappen rechts (~8%)
• Basalganglien kleiner (~6%)
• Cerebellum kleiner (~12%); vor allem Posterior-inferiorer
Vermis (~5%)
• Fehlende Asymmetrie
GAP
• ADHS
Genetische Aspekte
genetisch heterogene Erkrankung
• ADHS und SSV besitzen eine gemeinsame genetische
Basis (Thapar et al. 2001)
Unterschiedliche Ausprägungsvarianten der gleichen
Grundstörung ??
*
GAP
Neuropsychologische Modelle
Kognitiv
- Exekutive Funktionen (Pennington & Ozonoff)
- Inhibitionskontrolle (Barkley)
- Arbeitsgedächtnis (Denney & Rapport)
Motivational
- Abneigung geg. Belohnungsaufschub (Sonuga-Barke)
- Dauer der Verstärkerwirksamkeit (Sagvolden)
GAP Veränderung der ADHS-Symptomatik mit
der Altersentwicklung
Kinder
Erwachsene
•
•
•
•
•
•
•
motorisch hyperaktiv
aggressiv
schnell frustriert
impulsiv
leicht ablenkbar
unaufmerksam
verschiebt und verlagert
Aufgaben
• leicht gelangweilt
• ungeduldig
• rastlos
GAP
• Persistenz
Verlauf - Erwachsenenalter
frühes Erwachsenenalter
• Ausgeprägte Kernsymptomatik (ca. 30%)
• Funktionelle Beeinträchtigung durch einzelne Kernsymptome (5070%)
• Häufig funktionelle Beeinträchtigung von
• Schulischer und beruflicher Entwicklung
• Sozialen Beziehungen zu Familie und Gleichaltrigen
• Selbstwert und Persönlichkeitsentwicklung
• Delinquenz & Dissoziale Persönlichkeitsstörung (15-30%)
• Unfallrisiko & Substanzabusus
• Späteres SA-Risiko durch Stimulantientherapie normalisiert
GAP
Externalisierende Störungen im Lebenslauf
ADHS
Störung mit Oppositionellem Trotzverhalten
Störung des Sozialverhaltens
Antisoziale PS
Frühe Kindheit
Kindheit
Jugendalter
Erwachsenenalter
GAP
Hyperaktiv-impulsive Symptomatik
Risiko für Sozialisationsstörungen im Kindesalter
Delinquente Entwicklung
GAP
Komorbidität von ADHS und PS
- Prävalenzen - differieren stark
- ADHS und BPS: 25 - 37% (Anckarsäter 2006)
- ADHS und ASPS: 30 – 50%
- Symptomatik ähnlich (Davids & Gastpar, 2005)
- pathophysiologische und neurokognitive Überlappungen
- Inhibitionsdefizit, Hypersensitivität (Herpertz 2001)
GAP
JVA: Antisoziale PS
37%
63%
Früher hyperaktiv
Früher nicht hyperaktiv
Conclusion
GAP
• CD and ADHD were both associated with psychopathy
• but influence of CD much stronger than ADHD
• greater independent effect of ADHD in girls (total score, F3,
F4)
• Small independent effect of ADHD for boys (only for F4)
• negative interaction of ADHDxCD only in females
Sex-specific pathways to elevations in
psychopathic traits
GAP
Anzahl ADHS/
Kontrollgruppe
Followup
Ergebnis ADHS/ Kontrollgruppe
Manuzza et
al. (1989)
103/100 (Ø Alter
18 Jahre)
• Festnahme wegen irgendeines
Deliktes: 39 vs. 20%
• Eines schweren Deliktes: 25 vs. 7%
• Verurteilung: 28 vs. 11%
Weiss et al.
(1985)
61/41 (Ø Alter 25 15 Jahre
Jahre)
• Vor Gericht: 18 vs. 5%
Barkley et al. 147/47 (Ø Alter
(2004)
21 Jahre)
„Lifetime“
• Festnahme wegen eines schweren
Deliktes: 27 vs. 11%
Satterfield et
al. (2007)
30 Jahre
• Festnahme wegen irgendeines
Deliktes: 44 vs. 15%
• Eines schweren Deliktes: 39 vs. 13%
• Gefängnisstrafe: 26 vs. 8%
179/75 (Ø Alter
38 Jahre)
GAP
§§ 20 / 21
• UK: Körperverletzung, Diebstähle, Vandalismus
•Berufung zurückgewiesen, da ADHS die Steuerungsfähigkeit nicht
mindert (10 Monate Haft, 1999)
• USA, Colorado: Mord
• Verteidigung plädierte auf Schuldunfähigkeit bei MCD. Gericht erkannt
an. Keine Verurteilung (1992)
•USA, Illinois: Mord
• ADHD plus Alkohol, Cannabis, narzisstische PS. Verurteilung (1994)
• USA: 13-Jähriger wegen Kokain-Handelns zu längerer Haftstrafe verurteilt.
• Argumentation: Wegen ADHD bestehe größere Gefährlichkeit und
damit schlechtere Prognose.
• Deutschland:
• Aktuell keinem der vier juristischen Eingangskriterien zugeordnet
*
GAP
Conclusio: ADHS
• Risikofaktor für soziale Entwicklung & komorbiden Störungen
• Risiko für psychosoziale Fehlentwicklung mit delinquentem
Verhalten durch erhöhte Raten von Komorbiditäten,
insbesondere SSV und ASPS
• Prävalenz:
• Kinder: 3-6%
•
Erwachsene: 2-4%
•
Forensik: 14-72%
*
GAP
Therapiekonzepte
• Wirksame Therapien bei ADHS
–
–
–
–
Verhaltenstherapie
Pharmakotherapie
Pädagogische Therapieansätze
Psychosoziale Therapie
• Empirisch nicht belegt:
– Diäten und Nahrungsergänzungsmittel
– Ergotherapie, Krankengymnastik u.ä.
*
DGKJPP u.a. (Hrsg.): Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-,
Kindes- und Jugendalter, 2003
GAP
Danke
…für die Aufmerksamkeit!
[email protected]
Zugehörige Unterlagen
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