Mannigfaltigkeiten und Homotopietheorie

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Prof. J. Ebert, Dr. U. Pennig
WS 2013/2014, WWU Münster
MANNIGFALTIGKEITEN UND HOMOTOPIETHEORIE
SEMINAR
Zwei kompakte orientierte Mannigfaltigkeiten M0 und M1 heißen bordant, wenn es eine
kompakte Mannigfaltigkeit W gibt mit ∂W = M1 t (−M1 ). Die Menge aller Bordismusklassen orientierter n-Mannigfaltigkeiten ist eine abelsche Gruppe Ωn . Durch ProduktbilL
dung wird n>0 Ωn zu einem Ring. Ein Glanzpunkt der algebraschen Topologie ist die
Berechnung dieses Ringes durch René Thom. Wir werden im Seminar eine vereinfachte
Version sehen:
Satz 0.1. (Thom) Der rationale Bordismusring Ω∗ ⊗ Q ist der Polynomring in den
Erzeugern CP2n , n > 1.
Der Beweis geht in drei großen Schritten. Erstens wird das Problem durch die sogenannte
“Pontrjagin-Thom-Konstruktion” in ein Problem der Homotopietheorie übersetzt: Man
zeigt, dass Ωn isomorph zu den Homotopiegruppen eines gewissen Thomraumes ist. Um
zu zeigen, dass die Mannigfaltigkeiten CP2n im Bordismusring algebraisch unabhängig
sind, werden wir die charakteristischen Klassen kennenlernen, welche genau die nötigen
Bordismusinvarianten liefern. Im dritten Schritt werden wir mehr Homotopietheorie kennenlernen, um die Dimensionen von Ω∗ ⊗ Q zu berechnen.
Vorläufiges Vortragsprogramm
Geometrische Aspekte der Bordismustheorie
16.10.: Die Bordismenrelation (N.N.).
Bordismus ist eine Äquivalenzrelation auf glatten kompakten geschlossenen n-dim. Mannigfaltigkeiten. Bezüglich disjunkter Vereinigung bilden die Bordanzklassen Nn eine abelsche Gruppe. Durch das kartesiche Produkt wird eine multiplikative Struktur induziert,
die N∗ sogar zu einem Ring macht. Die Gruppe N∗ bildet die Koeffizienten einer verallgemeinerten Homologietheorie X 7→ N∗ (X), zu der auch eine verallgemeinerte Kohomologietheorie N ∗ (X) gehört. In diesem Vortrag soll N∗ (X) definiert und die oben genannten
Eigenschaften bewiesen werden. Außerdem soll der orientierte Bordismus Ω∗ (X) definiert
werden; die Beweise der Eigenschaften sind gleich.
Literatur: [BTD70, II.1, II.2]
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23.10.: Transversalität und Vektorbündel (N.N.).
Wir benötigen einige Grundlagen aus der Differentialtopologie, die hier diskutiert werden sollen: Transversalität ist eine hinreichende Bedingung dafür, dass das Urbild einer
Untermannigfaltigkeit unter einer glatten Abbildung wieder eine Untermannigfaltigkeit
liefert [BTD70, I.2.3]. Der Transversalitätssatz von Thom [BTD70, I.2.5] sagt aus, dass
diese Eigenschaft generisch ist, d.h. die glatte Abbildung lässt sich durch beliebig kleine
Störungen in eine transversale Abbildung überführen. Neben dieser Aussage werden wir
auch Vektorbündel benötigen. Deren Klassifikation [BTD70, I.3.3] erfordert die Betrachtung der Grassmann-Mannigfaltigkeiten und des universellen Bündels [BTD70, I.3.2].
Das Normalenbündel einer Untermannigfaltigkeit steht im Zusammenhang mit dem Tubenumgebungssatz, dessen Beweis ebenfalls skizziert werden soll.
Literatur: [BTD70, I.2, I.3]
30.10.: Pontrjagin-Thom-Konstruktion (N.N.).
Die Verbindung von Differentialtopologie und Homotopietheorie wird durch eine der elegantesten und nützlichsten Konstruktionen der Topologie gegeben: die Pontrjagin-ThomKonstruktion. Diese identifiziert Bordismusgruppen mit den Homotopiegruppen eines gewissen Thom-Raumes. Das Hauptergebnis ist [BTD70, III.5.8]. Die Konstruktion ist am
durchsichtigsten, wenn sie in voller Allgemeinheit gegeben wird, wofür ein erweiterterter Bordismusbegriff [BTD70, III.2] eingeführt wird, dessen Äquivalenzklassen sich mit
Homotopieklassen bijektiv identifizieren lassen [BTD70, III.2.3] [BTD70, III.3.1]. Die Erweiterung auf allgemeinere Basisräume [BTD70, III.4] werden wir als gegeben hinnehmen.
Der Beweis des Hauptsatzes [BTD70, III.5.8] sollte allerdings skizziert werden.
Literatur: [BTD70, III]. Alternativ: [tD08, 21.2] oder [Sto68, ch. II]
6.11.: Schnitttheorie und Signatur (N.N.).
Hier geht es noch einmal um die Poincaré-Dualität. Der Vortragende hat einige Freiheit bei der Auswahl des Stoffes. Auf jeden Fall sollte die Signatur behandelt werden
[tD08, 18.7] (insbesondere 18.7.3 und 18.7.7, welche für den späteren Beweis des Signatursatzes zentral sind). Für die Bordismusinvarianz der Signatur ist Poincaré-Dualität für
berandete Mannigfaltigkeiten nötig. Wenn noch Zeit ist, kann auf eine geometrische Interpretation der Poincaré-Dualität eingegangen werden: Ist M eine glatte kompakte n-dim.
Mannigfaltigkeit, dann ist das Cup-Produkt von Klassen in H ∗ (M ), die durch PoincaréDuale von sich transversal schneidenden Untermannigfaltigkeiten N und K repräsentiert
werden, Poincaré-dual zum Schnitt N ∩ K [Bre93, VI.11.9]. Dies wirft natürlich die Frage
auf, welche Klassen durch Untermannigfaltigkeiten repräsentierbar sind. Die ausführliche
Analyse von Thom hierzu zeigt, dass dies nicht immer der Fall ist. Dennoch entstehen zum
Beispiel alle Klassen in H n−1 (M n ) und H n−2 (M n ) auf diese Weise [Bre93, VI.11.16]. Die
Beweise für diese beiden Theoreme sollen in diesem Vortrag besprochen werden, ebenso
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sollte noch einmal an die Definition von Thom-Klassen erinnert werden. Außerdem soll
der Zusammenhang zwischen der Poincaré-Dualität und dem Thom-Isomorphismus diskutiert werden, und dann möglicherweise die Eulerzahl als Auwertung der Eulerklasse
auf der Fundamentalklasse identifiziert werden.
Literatur: [tD08, 18.7 bis 18.9], [Bre93, VI.11, 12]
Charakteristische Klassen
13.11.: Charakteristische Klassen (N.N.).
In diesem Vortrag sollen die charakteristischen Klassen von Vektorbündeln definiert und
ihre grundlegenden Eigenschaften gezeigt werden. Es gibt eine umfangreiche Literatur
über charakteristische Klassen, insbesondere [MS74] und [Hir62] sind Klassiker. Der in
diesem Vortrag gewählte Zugang ist jedoch wesentlich einfacher. Definition [Ebe, 3.1.7],
wesentliche Eigenschaften [Ebe, 3.1.8 und 3.2.4]. Das Spaltungsprinzip [Ebe, 3.1.14] reduziert den Beweis von Beziehungen zwischen charakteristischen Klassen auf Rechnungen
mit Geradenbündeln. Es erlaubt auch, zu zeigen, dass die Klassen durch drei Eigenschaften eindeutig bestimmt sind. Für die reellen projektiven Räume RPn lässt sich eine
Familie charakteristischer Klassen (die Stiefel-Whitney-Klassen) vollständig berechnen
[MS74, Theorem 4.5], wie wir ebenfalls in diesem Vortrag sehen werden. Wichtiger für
das Seminar ist jedoch der komplexe Fall, der sich ebenfalls in [MS74] findet, aber auch,
etwas komprimierter, in [Ebe, 3.2.6, 3.2.7]
Literatur: [Sto68, III], [Ebe, 3.1,3.2,3.3]
20.11.: Kohomologie klassifizierender Räume (N.N.).
Charakteristische Klassen sind Elemente in Kohomologie, die in natürlicher Weise Vektorbündeln zugeordnet werden können und im Kohomologiering des Basisraumes leben. Natürlichkeit bezieht sich auf ihre Kompatibilität mit Pullbacks [Ebe, 3.1.1]. Die
Menge aller solcher Klassen bildet einen Ring, der aufgrund des Yoneda-Lemmas mit
dem Kohomologiering des entsprechenden klassifizierenden Raums identifiziert werden
kann [Ebe, 3.1.2]. Daher ist dieser Vortrag der Berechnung solcher Kohomologieringe
wie H ∗ (BU (n); Z) und H ∗ (BO(n); Z/2Z) gewidmet. Die Berechnung nutzt die GysinSequenz und ist zum Beispiel in [Ebe, 3.3.4] aufgeschrieben.
Literatur: [Sto68, Seite 69], [Ebe, 3.1,3.2,3.3]
27.11.: Charakteristische Zahlen und multiplikative Sequenzen (N.N.).
Charakteristische Klassen lassen sich als Elemente des Kohomologierings natürlich auf
Homologieklassen auswerten, was auf den Begriff der charakteristischen Zahlen führt,
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den wir in diesem Vortrag kennenlernen werden. Zunächst soll ein fundamentaler Zusammenhang zwischen der Fundamentalklasse einer Mannigfaltigkeit, der Thom-PontrjaginKonstruktion und dem Hurewicz-Homomorphismus erklärt werden. Hieraus folgt die Bordismusinvarianz der charakteristischen Zahlen. Literatur: [Ebe] und, mit einiger eigener
Übersetzungsarbeit, [Sto68, ch, III]. Im zweiten Teil des Vortrages soll es über multiplikative Folgen gehen. Wieder enthält [Ebe, 3.4] alles, wenn auch sehr knapp (und alles,
was dort steht, soll behandelt werden). Die klassischen Quellen sind [Hir62] und [MS74].
Literatur: [MS74, 16]
Homotopietheorie
04.12: Homotopietheorie: das kleine Einmaleins (N.N.).
Der Satz von Whitehead charakterisiert Homotopieäquivalenzen von CW-Komplexen
durch Homotopiegruppen. Schwache Homotopieäquivalenzen. Schleifenraum und Einhängungen. Faserungen, Beispiele (Wege-Schleifenfaserung, Faserbündel). Lange exakte Homotopiefolge einer Faserung. Ersetzung einer beliebigen Abbildung durch eine Faserung.
Homotopiefasern.
Literatur: Jedes Buch über Homotopietheorie
11.12.: Homologie versus Homotopie: Satz von Hurewicz (N.N.).
Der Satz von Hurewicz: ist X wegzusammenhängend, πi (X) = 0 für i < n, dann ist der
Hurewicz-Homomorphismus πi (X) → Hi (X; Z) ein Isomorphismus für i 6 n (ist n = 1,
muss man die Aussage, wegen der Fundamentalgruppe, etwas abändern). Der Beweis
basiert auf der Methode, mit der πn (S n ) = Z gezeigt wird, und einem Argument mit
azyklischen Modellen.
Literatur: [Bre93, VII.9, VII.10]
18.12.: Homotopietheorie: Eilenberg-Mac-Lane-Räume (N.N.).
Eilenberg-Mac-Lane-Räume sind grundlegende Bausteine der Homotopietheorie. Man
nennt einen CW-Komplex X einen K(G, n), falls πn (X) = G und πj (X) = 0, j 6= n (der
Fall n = 1 ist aus der Gruppentheorie bekannt). Solche Komplexe existieren und sind
bis auf Homotopieäquivalenz eindeutig. Beispiele: S 1 , Tori, CP ∞ , Linsenräume. Zentral
ist der Zusammenhang mit der Kohomologie: [X, K(G; n)] = H n (X; G) für jeden CWKomplex X
Literatur: [Bre93, VII.12 und Referenzen darin]
8.1.: Rationale Homotopietheorie (N.N.).
Sphären und Eilenberg-Mac-Lane-Räume sind in gewissem Sinne zueinander “dual”: Homologie der Sphären und Homotopie der Eilenberg-Mac-Lane-Räume sind einfach, Homologie der EML-Räume ist schwer, und Homotopie der Sphären unlösbar. Mit rationalen
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Koeffizienten sind beide Berechnungen nicht kompliziert, und das ermöglicht die Berechnung rationaler Homotopiegruppen allgemeinerer Räume und insbesondere des rationalen
Bordismusringes. Der traditionelle Zugang zu diesen Berechnungen nutzt Spektralsequenzen; aber hier besprechen wir einen Beweis von Kreck und Klaus [KK04], der elementar
ist (also nur den Inhalt der vorigen drei Vorträge benutzt). Hierzu benötigen wir zwei lange exakte Sequenzen: die Gysin-Sequenz für Faserungen mit rationaler Homologiesphäre
als Faser und die Wang-Sequenz für Faserungen über Sphären. Ihre Konstruktion wird in
diesem Vortrag zumindest skizziert werden. Aus der rationalen Kohomologie von K(Z, n)
ergeben sich dann die rationalen Homotopiegruppen von Sphären [KK04, 1.3, S.622] und
der rationale Satz von Hurewicz [KK04, 1.1, S.623].
Literatur: [KK04]
15.1.: Thom-Spektrum und Eilenberg Mac-Lane Spektrum (N.N.).
Die Aussage des Satzes von Thom lässt sich homotopietheoretisch in einen allgemeineren Kontext stellen: Thom-Räume bilden ein Spektrum [BTD70, IV.1.1], das Theorem von Thom besagt nun, dass die Homologietheorie N∗ (X) durch dieses Spektrum
repräsentiert wird. Dual hierzu lässt sich jetzt eine Kohomologietheorie [BTD70, IV.1.4]
N ∗ (X), genannt Kobordismus, definieren. In diesem Vortrag soll gezeigt werden, wie die
Eigenschaften einer (Ko-)Homologietheorie aus der Definition über das Spektrum folgen
[BTD70, IV.3.4]. Auch das Spektrum gewöhnlicher Kohomologie, welches aus EilenbergMacLane-Räumen zusammengesetzt ist, soll in diesem Vortrag besprochen werden.
Literatur: [BTD70, IV.1 bis IV.3]
Highlights
22.01.: Der rationale orientierte Kobordismusring und Hirzebruch’s Signatursatz (N.N.).
In diesem Vortrag werden wir unser Wissen über charakteristische Zahlen mit dem über
rationale Homotopiegruppen und der Pontrjagin-Thom-Konstruktion kombinieren, um
den rationalen orientierten Kobordismusring vollständig zu verstehen [MS74, 18.9]. Hierzu sollte zunächst noch einmal an die Definition des orientierten Kobordismusrings erinnert werden [MS74, 17]. Danach ist der Beweis eine Zusammenfassung der bisherigen
Resultate. Des weiteren wird der Signatursatz bewiesen.
Literatur: [MS74, 17 und 18] und [Ebe, 4.2 und 4.3]
29.01.: Milnors exotische Sphären (N.N.).
Ein spektakuläres Ereignis in der Mathematik war Milnors Entdeckung, dass Mannigfaltigkeiten existieren, welche homöomorph, aber nicht diffeomorph zu S 7 sind. Der Beweis
beruht auf dem Signatursatz.
Literatur: [Bre93, VI.18], [Mil56], [Kos93], [Kre10]
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Literatur
[BTD70] T. Bröcker and T. Tom Dieck, Kobordismentheorie, Springer-Verlag, 1970.
[Qui71] Daniel Quillen, Elementary proofs of some results of cobordism theory using Steenrod operations,
Advances in Math. 7 (1971), 29–56 (1971).
[Sto68] Robert E. Stong, Notes on cobordism theory, Mathematical notes, Princeton University Press,
Princeton, N.J., 1968.
[Ebe] Johannes Ebert, A lecture course on cobordism theory.
http://wwwmath.unimuenster.de/u/jeber 02/frueherelehre/lehre1112/Vorlesung/bordism-skript.pdf.
[KK04] Stephan Klaus and Matthias Kreck, A quick proof of the rational Hurewicz theorem and a
computation of the rational homotopy groups of spheres, Math. Proc. Cambridge Philos. Soc.
136 (2004), no. 3, 617–623.
[Bre93] Glen E. Bredon, Topology and geometry, Graduate Texts in Mathematics, vol. 139, SpringerVerlag, New York, 1993.
[MS74] John W. Milnor and James D. Stasheff, Characteristic classes, Princeton University Press,
Princeton, N. J., 1974. Annals of Mathematics Studies, No. 76.
[Kre10] Matthias Kreck, Differential algebraic topology, Graduate Studies in Mathematics, vol. 110,
American Mathematical Society, Providence, RI, 2010. From stratifolds to exotic spheres.
[Mil56] John Milnor, On manifolds homeomorphic to the 7-sphere, Ann. of Math. (2) 64 (1956).
[Kos93] Antoni A. Kosinski, Differential manifolds, Pure and Applied Mathematics, vol. 138, Academic
Press Inc., Boston, MA, 1993.
[Hir62] F. Hirzebruch, Neue topologische Methoden in der algebraischen Geometrie, Zweite ergänzte
Auflage. Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete, N.F., Heft 9, Springer-Verlag,
Berlin, 1962.
[tD08] Tammo tom Dieck, Algebraic topology, EMS Textbooks in Mathematics, European Mathematical Society (EMS), Zürich, 2008.
[Hus94] Dale Husemoller, Fibre bundles, Third, Graduate Texts in Mathematics, vol. 20, SpringerVerlag, New York, 1994.
Kontakt:
Johannes Ebert, Raum 506, [email protected]
Ulrich Pennig, Raum 513, [email protected]
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