Dr. Simon G. Chiossi Ergänzung Elementare Topologie “UM BLUMEN, SCHMUCK, RETTUNGSRINGE, BILLARDKUGELN, SCHLÜSSELANHÄNGER UND DEN GANZEN REST. . . ” Definition. Seien (X, x0 ), (Y, y0 ) zwei punktierte Räume. Wir betrachten X ≈ X × {y0 } und Y ≈ {x0 } × Y als Unterräume des Produktes X × Y . Die Einpunktvereinigung der beiden Räume (X, x0 ), (Y, y0 ) ist die disjunkte Vereinigung, wobei nur x0 und y0 identifiziert werden ` X Y X ∨ Y := , x0 ∼ y0 und heißt die Wedge-Summe von (X, x0 ), (Y, y0 ). Einige Beispiele & Anwendungen dieser Konstruktion: • Die ‘Acht’ S 1 ∨ S 1 (siehe Übungsblatt 11) läßt sich verallgemeinern: n _ i=1 1 S1 = S . . ∨ S }1 | ∨ .{z n heißt Bouquet von n Kreisen, oder n-blättrige Rose. Wn n=4 ist Homotopie-äquivalent zu R2 \ {x1 , . . . , xn }, wobei jedes Blatt S 1 einen entfernten xi umfängt. i=1 S 1 • Die “hawaiische Ohrringe” sind die VereiniS gung X = n∈N∗ Cn der euklidischen Kreisen um (1/n, 0) mit Halbmesser 1/n o n 2 Cn = (x, y) ∈ R2 x − n1 + y 2 = n12 , für n = 1, 2, 3, . . . Der Raum X ist homöomorph zur Einpunkt-Kompaktifizierung der Vereinigung abzählbar-vieler offene Intervalle, und damit kompakt. Außerdem ist X auch wegzusammenhängend. Obwohl X einer abzählbaren Wedge-Summe von Kreisen _ S 1 sehr ähnlich aus- i∈N sieht, sind die zwei Räume nicht homöomorph. Das Unterschied zwischen den Topologien kann in folgenden Bemerkungen aufgespürt werden: 1 Dr. Simon G. Chiossi Ergänzung T - in den Ohrringen enthält jede offene Umgebung von (0, 0) = Cn alle – abgesehen von endlichen vielen – Kreisen; in der ∞-blättriger Rose schneidet jede Umgebung des angesehenen Verklebungspunktes W∞ 1 P alle Blätter durch. - die unendliche Wedge-Summe S ist nicht kompakt: das Komplement von P besteht aus offenen Intervalle; fügt man dazu eine kleine offene Umgebung von P bei, so erhalte man eine offene Überdeckung ohne endliche Teilüberdeckungen. • Identifiziere alle am Äquator liegende Punkte einer Sphäre S n . Daraus ergibt sich das Bouquet von 2 Sphären S n ∨ S n : zwei Kopien der Sphäre sind an dem Punkt verklebt, welcher aus dem zusammengeschlagenen Äquator auftritt. • Betrachte den aus S 2 erzeugten Raum X durch Verkleben von den Endpunkte eines Wegs A ⊂ R3 an zwei Punkte der Sphäre (z.B. Nord- und Südpol). Sei B ein auf S 2 liegenden Weg zwischen den Endpunkten von A. Da A und B kontrahiert werden können, sind beide X/A und X/B Homotopie-äquivalent zu X. Aber X/A ist der Quotient S 2 /S 0 (die Sphäre mit zwei identifizierten Punkten), und X/B ist S 1 ∨ S 2 . Folglich ist S 2 /S 0 ' S 1 ∨ S 2 , was nicht sofort offensichtlich ist. • Sei X die Vereinigung einer Torusfläche mit n Längenscheiben. Wähle einen Breitenkreis in T 2 , welcher jede Längenscheibe in einem Punkt trifft. Die Kontraktion jeder Scheibe zu diesem Punkt definiert einen Homotopie-äquivalenten Raum Y , welcher aus n berührenden S 2 besteht Der Raum Z in Figur, eine Halskette mit n Perlen, kann zu Y unter Kontraktion des Fadens deformiert werden: in der Tat ist diese Kontraktion eine HomotopieÄquivalenz. Zuletzt ziehe man die Hälften der Perlenäquatoren zusammen und beWnvorderen 1 2 komme man W = S ∨ i=1 S . • Die im Bild dargestellte immergierte Klein’sche Flasche K ⊂ R3 ist Homotopie-äquivalent zu S 1 ∨ S1 ∨ S2. 2 Dr. Simon G. Chiossi Ergänzung • Noch ein Beispiel, das relevant in der Knotentheorie ist, ist folgendes. Sei X der euklidische dreidimensionale Raum ohne den Einheitskreis in R2 . Dann ist X = R3 \ S 2 Homotopie-äquivalent zur Wedge-Summe Y = S 2 ∨ S 1 . Mithilfe des Seifert–Van Kampen Satzes berechnet man in jeden Fall die Fundamentalgruppe: • π1 (S 1 ∨ S 1 ) = G{{a, b}; ∅} = Z ∗ Z W Q • π1 ( ni=1 S 1 ) = G{{a1 , a2 , a3 , . . .}; ∅} = ∞ Z • π1 (hawaiische Ohrringe) ist sehr kompliziert, und man braucht weitere theoretische Waffen, um beschrieben werden zu können. Das wesentliche Problem liegt darin, dass dieser Raum nicht semi-lokal einfach zusammenhängend ist: der Punkt u = (0, 0) besitzt eine Umgebung U derart, dass der Morphismus π1 (U, u) −→ π1 (X, u) nicht trivial ist. • π1 (S n ∨ S n ) = {1}, ∀n > 1 • π1 (Rettungsring) = π1 (Billardkugeln) = π1 (Halskette) = π1 (Schlüsselanhänger mit Tropfen) =Z • π1 (Klein’sche Flasche) = π1 (S 1 ∨ S 1 ∨ S 2 ) Um ein echtes Fläsche-Modell von K zu erhalten, entferne die offene Scheibe, welcher der Randkreis der Selbstdurchdringung ist. Der erhaltene Raum Y hat Fundamentalgruppe π1 (Y ) = {{a, b, c}; {aba−1 b−1 cb±1 c}} = π1 (R3 \ Z), wobei Z den rechts dargestellten Knoten ist. Nachfragen: MZG 08A02 (Campus Lahnberge) – [email protected] Blätter auf http://calvino.polito.it/˜chiossi/teaching.html 3