Video Gestaltungs- und Produktionsgrundlagen VIDEO GESTALTUNGS- UND PRODUKTIONSGRUNDLAGEN Ulrich Herburger © 2005 Ulrich Herburger Alle Rechte vorbehalten. Fachliche Beratung: Paul Sedlacek, Gunther Rothfuss, Robert Lang, Wolfgang Reutz Über den Autor Gestaltung: Birgit Hofer; Scribbles: UlrichHerburger, Prof.(FH), MA, Lehramtsprüfungen für Deutsch und Geschichte, Daniel Flax; Lektorat: Albert Ruetz; unterrichtet seit 1996 an der Fachhochschule Vorarlberg Videogrundlagen und Druck: Vigl Druck, Dornbirn; Buchbin- betreut angewandte und experimentelle Videoprojekte. dearbeiten: Konzett, Bludenz Von 1981 bis 2001 arbeitete er als Radio- und Fernsehredakteur für das ORF Entstanden im Rahmen einer Master- Landesstudio Vorarlberg, war im Aktuellen Dienst stellvertretender Chefredak- These an der Donau-Universität Krems teur, Ressortleiter Kultur und Leiter der Fernsehredaktion. Er gestaltete zahlreiche als Lehrmittel für die Fachhochschule Beiträge für regionale und österreichweite ORF Programme und 3 Sat. Er ist Autor Vorarlberg. Betreuer: Gerald Trimmel und Gestalter von ORF- und freien Dokumentationen. INHALTSVERZEICHNIS 4 1. 1.1 1.2. Einleitung Problemstellung: Generalisten und Spezialisten Zielsetzung 7 7 9 2. Videoelemente 15 3. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5. 3.6. Konzeption (preproduction) Briefing Recherche Normative Ebene, Ziele Strategische Festlegungen, Exposé, Ideenskizze Von der Einstellung zur Sequenz Operative Ebene 21 21 22 26 32 37 43 4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5. 4.6. Produktion Das Produktionsteam Sprache als Metapher für Videoeinheiten Frame Mise en Scéne Kameraeinstellung Schnittfreundliche Einstellungen 51 51 53 53 54 54 90 5. 5.1. 5.2. Licht und Schatten Licht Schatten 97 97 107 6. 6.1. 6.2. 6.3. 6.4. 6.5. Montage und Postproduktion Shotlist Papierschnitt Digitalisierung Kuleschow Effekt Schnitt – Begriffsklärung 117 117 120 120 121 122 6.6. 6.7. 6.8. 6.9. Harter Schnitt, Blende, Schwarzkader Montagearten Compositing Text im Bild 126 128 128 129 7. 7.1. 7.2. Ton Bild, Geräusch, Musik und Text Sprache 133 133 136 8. Resümee 143 9. Literaturverzeichnis 145 10. Abbildungsverzeichnis 149 11. Literaturtipps und Links 151 12. Anhang: Konzeption Dokumentation „René reist nach Finnland“ 155 5 1. Einleitung | Problemstellung 1. EINLEITUNG „Als Anfänger sagte ich, man brauche nicht mehr als vier Stunden – und zwar wenn man nicht begabt ist –, um zu lernen, wie man einen Film inszeniert. Ich bin immer noch dieser Meinung. Vier Stunden reichen, um zu lernen, was notwendig ist: Die Wahl der Objektive, die kleine Grammatik der Blickrichtungen, die Kameraführung, die Schärfentiefe.“1 Dieses Statement stammt von Claude Chabrol, einem der bedeutendsten französischen Regisseure, Filmtheoretiker und Vertreter des Nouvelle Vague, der neuen Kinowelle, die in Frankreich als Antithese zum etablierten Kino der 1950er Jahre begründet wurde. Heute sind wir ebenfalls mitten in einer neuen Welle, einer neuen Video-Welle. Das Zitat steht – provokativ gemeint – als Präambel dieser Masterthese. Das Genie mag es in vier Stunden schaffen, das Nicht-Genie braucht wesentlich mehr Zeit und die gründliche Befassung mit den Grundlagen der Videogestaltung und Videoproduktion, um in seinem Bemühen erfolgreich zu sein. Warum also dann das Zitat? – Es soll Mut machen, zur Tat zu schreiten. Video ist das wichtigste Bewegtbild-Medium der Gegenwart und technisch und gestalterisch in stetiger Entwicklung, also selbst ständig in Bewegung. Wer fasziniert ist von den Bewegtbildern und diese selbst gestalten will, sollte es tun. Das Tun soll aber in einen gezielten Lernprozess eingebettet und von permanenter kritischer Reflexion begleitet sein, nur das bringt uns weiter. 1.1. Problemstellung: Generalisten und Spezialisten Die Videowelt ist von zwei gegenläufigen Entwicklungen gekennzeichnet. Im Amateurbereich und im semiprofessionellen Bereich haben die Digitalisierung und der Preissturz bei Vide1 6 Chabrol, Claude und Guérif, Francois: Wie man einen Film macht. Berlin 2004, S. 48 7 1. Einleitung | Problemstellung 1. Einleitung | Zielsetzung okameras und Computern dafür gesorgt, dass Video in einer akzeptablen technischen Qualität allgemein verfügbar und auch finanziell leistbar wurde. Im High-End-Bereich hingegen gibt es eine hochgradige Spezialisierung mit höchsten Ansprüchen an Know How und Qualität, die nur mit Hilfe von teuren Geräten und Studioeinrichtungen erreicht werden können. Die technische Komplexität ist gegenüber der vordigitalen Zeit heute geringer. Die inhaltliche, gestalterische ist hingegen größer, weil es deutlich mehr Möglichkeiten gibt. Produktionsmittel zu einer „Verrohung der Gestaltungsmittel“ geführt hätten, die Qualität von Fernsehbeiträgen werde nicht besser, sondern schlechter. Video erfordere nun einmal einen hohen Spezialisierungsgrad: Produktion, Redaktion, Script, Regie, Kamera, Licht, Schnitt etc. Dem kann ich so nicht beipflichten. Spezialisierung alleine ist noch keine Qualitätsgarantie. Auch der Vertrieb von Videos hat sich gravierend verändert. Durch die Verbesserung der Bandbreiten wird Video immer häufiger übers Internet verfügbar gemacht. Video wird in Präsentationen eingebunden. Mit der Verbreitung der Menü geführten DVD wird das umständliche Suchen auf Videobändern überflüssig. Die neuen Vertriebskanäle ermöglichen neue Anwendungen, wie zum Beispiel Instruktionsvideos, Videos in ELearning-Modulen, Unterhaltungs- und Musikvideos, interaktive Videoapplikationen in Ausstellungen etc. Neue Ausbildungsmöglichkeiten im Medienbereich, wie sie zum Beispiel auch an der Fachhochschule Vorarlberg mit dem Studiengang InterMedia geschaffen wurden, greifen diesen oben geschilderten Trend auf. Das heißt aber nicht, dass sie die Vorreiter für Personal-Einsparungsargumente der Medienunternehmen sind. In diesen Ausbildungsstätten werden VideoGrundlagen praxisbezogen und auf einer theoretischen Basis vermittelt, die es den Universalisten ermöglichen, einfache Aufgabenstellungen selbst zu realisieren. Die Spezialisten sollen auf der Grundausbildung ihr Expertentum weiter ausbauen können. Diejeinigen, die in anderen Medienbereichen ihre Profession suchen, sollen sich zumindest eine fundierte Mitsprachekompetenz erwerben können. Diese Entwicklung, die sich zu Beginn der 1990er Jahre angekündigt hatte und ab Mitte der 1990er Jahre galoppierend verlief, führte allerdings nicht dazu, dass parallel zur technischen Qualitätsverbesserung auch die gestalterische Qualität gestiegen wäre. Im Gegenteil. Die Zahl der Videoproduzenten hat sich zwar vervielfacht. Gestalterisch gesehen sind aber viele Arbeiten laienhaft geblieben. Es fehlt bis heute an Know-How. Der Produktions- und Gestaltungsprozess beruht häufig auf Versuch und Irrtum. Verrohung der Gestaltungsmittel? Kolleginnen und Kollegen aus der Fernsehbranche argumentieren häufig damit, dass die heute einfacher als früher verfügbaren 8 1.2. Zielsetzung Ich möchte diese Ausbildungsziele mit einem Vergleich der Videowirtschaft mit der Medizin untermauern. Rückgrat unseres medizinischen Systems ist die Zusammenarbeit zwischen Allgemeinmedizinern und Spezialisten. Den weit überwiegenden Teil medizinischer Behandlungen erledigen die Allgemeinmediziner, also die Praktischen Ärztinnen und Ärzte. Diese wissen aber genau, und das gehört zu ihrer Kernkompetenz, wann es zweckmäßig ist, die Patientinnen und Patienten zum Facharzt zu überweisen. Denn die Praktiker haben während der Turnuszeit im Krankenhaus von Fachärzten gelernt. Die Allgemeinme- 9 1. Einleitung | Zielsetzung Generalisten Experten Überblick Qualitätsbewusstsein Demokratisierung des Mediums 10 1. Einleitung | Zielsetzung diziner haben also in verschiedenen Fachgebieten der Medizin zumindest Überblickswissen. Das ist Voraussetzung dafür, dass sie die eigenen Grenzen erkennen können und die Überweisung zur Fachmedizin ausstellen. Sie wissen um das Potential der Fachmedizin. nur einige Beispiele zu nennen. Auch wenn im semiprofessionellen Bereich die Anforderungen nicht so hoch sind, ist es doch sinnvoll und zeitsparend, wenn die Anweder die Grundlagen der Videogestaltung beherrschen und nicht nur auf Versuch und Irrtum bauen. Dualität: Generalisten und Experten Diese Arbeit will Grundlagen für das Arbeiten mit dem Medium Video vermitteln, von der ersten Idee bis zur fertigen Videoarbeit. Die Distribution von Video wird hier nicht weiter erörtert. Dazu braucht es fundiertes medientechnisches Grundwissen, was den Rahmen des Video Gestaltungsgrundlagen-Unterrichts überschreitet. Hier muss eine systemische Grenzziehung vorgenommen werden. Eine ähnliche Dualität hat sich in der Medienwirtschaft entwickelt. Es braucht Generalisten, die Anwendungen selbst entwickeln, gestalten und produzieren können, die aber auch genau wissen, wann sie Expertinnen und Experten, z.B. für die Programmierung oder für die Produktion einer speziellen Video-applikation einbinden müssen. Es geht einerseits darum, das eigene Vermögen richtig einschätzen zu lernen und zu wissen, wo die Grenzen sind. Andererseits geht es um die Kenntnis der Möglichkeiten, die außerhalb des eigenen Wirkungskreises liegen. Diese Arbeit will beitragen, Studierenden mit einem generalistischen Anspruch an das Medium Video einen Überblick über die Gestaltungs- und Produktionsgrundlagen zu gegeben und einige wichtige Aspekte zu beleuchten. Dadurch wird ein Beitrag zur Hebung des Qualitätsbewußtseins geleistet und auch dazu ermutigt, selbst die Kamera in die Hand zu nehmen und zu experimentieren, auch die Nachbearbeitung selbst anzugehen. Die Zeiten sind vorbei, in denen einige wenige Videogestalterinnen und -gestalter ihr Herrschaftswissen über den Produktionsablauf hüteten. Heute geht es darum, möglichst viele Interessierte zu qualifizieren. Nur dadurch wird man der Demokratisierung des Mediums gerecht. Video soll also nicht nur speziell ausgebildeten Kameraleuten und Cuttern vorbehalten bleiben. Durch die allgemeine Verfügbarkeit greift Video über das Medium Fernsehen, das Kino und die Wirtschaft hinaus in die Freizeit, in den Bildungsbereich und in die Sozialarbeit, um Grundlagen Formatierung Wir leben in einer Zeit, in der die Fernsehprogramme immer stärker formatiert sind, das heißt, dass Themen und Beiträge vordefinierten TV-Sujets zu folgen haben. Der Maßstab für den Erfolg der Formatprogramme ist die Zuseherquote. Dies führt dazu, dass die Fernsehprogramme zum Verwechseln ähnlich geworden sind. Und viele wichtige Themen werden gar nicht mehr behandelt. Dazu gehört z.B. auch die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Randgruppen, die nicht mehrheitsfähig ist und keine hohen Zuseherquoten erzielt. Dennoch kann man diesen wichtigen Themen gerecht werden, indem man selbst die Kamera in die Hand nimmt und dokumentiert. Die theoretische Erörterung der Video-Grundlagen wird deshalb von einer praktischen Arbeit begleitet. In der Dokumentation „René reist nach Finnland“ wird mit einfachsten Mitteln gearbeitet, eine „Rucksackproduktion“, in der nur mit Hilfe der Kamera und des Computers ein Thema dokumentiert wird, von dem der Autor glaubt, dass es gesellschaftlich relevant ist. Es „René reist nach Finnland“ 11 1. Einleitung | Zielsetzung geht um die Integration von Menschen mit Behinderungen im akademischen Umfeld. Dabei wurden auch erste Erfahrungen mit dem neuen Videformat HDV gemacht, das eine deutliche technische Qualitätsverbesserung gegenüber dem DV-Format mit sich bringt. Keine Dogmen Kenntnis des Regelsystems Noch ein Wort zum Regel-Charakter der nachfolgenden Arbeit. Die beschriebenen Gestaltungsparameter sind natürlich nicht wie ein Gesetzbuch zu lesen und dogmatisch zu verstehen. Regeln dürfen in Abhängigkeit von der Aufgabenstellung auch gebrochen werden. Wenn es um einen bewussten Gestaltungsprozess geht, dann steht hinter jeder Gestaltungsentscheidung eine Begründung. Voraussetzung für das Brechen von Regeln ist aber die Kenntnis des Regelsystems. Dazu leistet diese Arbeit einen Beitrag. Zielgruppe sind Studierende in Medienstudiengängen, die noch keine Videoerfahrung haben. Handhabung Es wird hier verzichtet, glossarhaft Fachbegriffe zu erklären. Studierende sollen dazu angeregt werden, sich selbst Informationsquellen zu erschließen. Unter den Links am Ende dieser Arbeit sind mehrere, die bei Unklarheit ein leichtes Nachschlagen ermöglichen. Die vorliegende Printversion soll in den nächsten Monaten im Internet zugänglich und mit anderen Sites verknüpft werden. Kursiv ausgewiesene Hinweise lassen Gestaltungsentscheidungen am Beispiel der Dokumentation „René reist nach Finnland“ nachvollziehen. Die Nummerierung, z.B. „DVD-K1....“, entspricht den Kapitelmarken auf der DVD, sodass ein leichtes Anwählen möglich ist. 12 13 2. Videoelemente 2. VIDEOELEMENTE In unserer alltäglichen Fernseh- und Kinorezeption sind wir es gewohnt, Videobeiträge gesamthaft wahrzunehmen. Wir fällen deshalb häufig auch Pauschalurteile. Als Gestalter bringt uns diese Haltung aber nicht weiter. Wir müssen der Sache auf den Grund gehen, denn wir treffen viele der in gestalterischer Hinsicht relevanten Entscheidungen auf anderen Ebenen. Wo diese Gestaltungsentscheidungen getroffen werden, will das folgende Kapitel bewusst machen. Der Erfolg eines Videos hängt wesentlich vom Publikumsurteil ab. Kommuniziert wird, ob das Video gefallen hat oder nicht. Dabei ist oft entscheidend, ob es unterhalten oder betroffen gemacht hat. Bei einem derartigen Gesamturteil sind meist der Inhalt und die Art und Weise, wie der Inhalt erzählt wird, ausschlaggebend. Für die Videogestalter ist dieser Gesamteindruck zwar wichtig, weil er möglicherweise über den kommerziellen Erfolg entscheidet, aber er sagt letztlich wenig über die Qualität der einzelnen Gestaltungsentscheidungen aus. Bevor es nun um die Betrachtung der Ebenen geht, auf denen die Gestaltungsentscheidungen getroffen werden, sollte mit der Verwendung des Begriffs Gestalter vorerst geklärt werden, auf wen dieser Begriff überhaupt anzuwenden ist. Am einfachsten – und das ist schon schwierig genug – kann man sich mit einer rechtlichen Abgrenzung behelfen. Gestalter sind demnach alle, die Urheberrechte geltend machen können oder Anspruch auf Leistungsschutz haben, also alle, die bei einer Videoproduktion einen kreativen Beitrag leisten. Das sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit in der Regel Regisseurinnen und Regisseure, Drehbuchautorinnen und -autoren, Kamerafrauen und -männer, Soundgestalterinnen und -gestalter, Cutterinnen und Cutter, Schauspielerinnen und Schauspieler. 14 Gestalter 15 2. Videoelemente 2. Videoelemente Stellen wir uns nun die Frage, wo sich die gestalterischen Entscheidungen auswirken, kann uns ein einfaches System dienlich sein, das der Schweizer Theoretiker Christian Doelker veröffentlicht hat und das hier in geringfügiger Adaption Anwendung findet. Ausgangspunkt für Doelkers Überlegungen ist die gesamthafte Rezeption des Mediums Fernsehen. Wenn wir uns die Frage stellen, was wir bei der Betrachtung des Mediums im Detail wahrnehmen, dann sind dies folgende Elemente:2 Video Bild Bild Ton Wort Schrift Realbild Landkarte Gestaltungsentscheidungen Ton Gesprochenes Wort Generiertes Alphanumerisches Gesprochenes Bild Zeichen Wort Musik Geräusch Dieses Schema ist wie eine Landkarte, die aufzeigt, wo die Gestaltungsentscheidungen im Videoproduktionsprozess fallen. Dabei spielen die Ebenen permanent ineinander und bedingen sich oft gegenseitig, beispielsweise ob über eine Musikpassage noch zusätzlich Sprache gelegt wird oder nicht, ob und wie lange eine Schrift eingeblendet werden soll etc. Solche Entscheidungen hängen häufig von den Rezeptionsbedingungen der Zielgruppe ab, an die sich das Video richtet. Wenn ein Video über das Internet verbreitet wird und auch von Telefonmodem-Benutzern empfangen werden soll, müssen bestimmte technische Voraussetzungen erfüllt werden. Es darf z.B. nur eine geringe Datenmenge umfassen. Dies wird erreicht durch ein kleines Bildformat, eine geringe Bildfrequenz und eine hohe Kompression, Voraussetzungen also, die zunächst das Video gesamthaft betreffen. Auf Gestaltungsentscheidungen in der untersten Ebene des Doelker-Schemas hat 2 16 dies gravierende Auswirkungen: Auf totale Einstellungen sollte möglichst verzichtet werden. Denn die Differenzierung des Motivs einer totalen Einstellung ist in der kleinen Bildgröße und in der niedrigen Bandbreite der Internetübertragung nicht mehr zu erkennen. Schriftgrößen müssen entsprechend groß gewählt werden, sonst kann der Text nicht gelesen werden. Nuancierte Sprach-, Musik- und Geräuschmischungen werden beim Rezipienten nicht ankommen. Das Pauschalurteil der Empfänger wird schlecht ausfallen, wenn diese Bedingungen nicht eingehalten werden. Bei großen Kinoproduktionen sind viele Mitwirkende in den künstlerischen Entscheidungsprozess involviert oder zumindest davon betroffen, von der Regie bis zu den kleinsten Komparsen. Alle Personen, die gestalterische Verantwortung tragen, können den Feldern des Doelker-Schemas zugeordnet werden, ebenso wie jede einzelne Entscheidung. Die Reise auf der Landkarte der Videogestaltung kann beginnen. Sie wird in vier wichtige Etappen eingeteilt: — Preproduction, Konzeption — Production — Postproduction — Distribution Einzelgestaltungsentscheidungen vier Etappen Diese vier Bereiche sind zwar in einer zeitlich linearen Abfolge. Wie weiter oben bereits erwähnt, bedingen sie sich jedoch gegenseitig. Deshalb ist es wichtig, bereits bei der Konzeption die Drehbedingungen zu kennen, beim Dreh zu wissen, welches Material für den Schnitt gebraucht wird etc. Bereits in der Konzeption wird der schnittfreundliche Dreh mitgedacht. Auch wenn im Zeitalter der Digitalisierung einfachere Produktionen von einer Person im Alleingang realisiert werden können, Doelker, Christian: Kulturtechnik Fernsehen. Analyse eines Mediums. Stuttgart 1989, S. 172 17 2. Videoelemente Final Cut 18 bleiben Videoarbeiten häufig das Ergebnis eines arbeitsteiligen Prozesses. In jeder Etappe der Produktion können Expertinnen und Experten zum Einsatz kommen, zum Beispiel in den Bereichen Skript, Kamera, Licht, Schnitt etc. Es braucht zudem auch Funktionen, die den Gesamtüberblick über die Produktion haben und diese vom Anfang bis zum Schluss begleiten, dies sind die Produktion und die Regie. Bei kleineren Projekten werden diese Funktionen oft in Personalunion erfüllt. Produzenten wickeln das Projekt organisatorisch, finanziell ab. Die künstlerische Verantwortung trägt die Regie. Wer die letzte Entscheidungsgewalt über das künstlerische Produkt hat, den „Final Cut“, ist unterschiedlich geregelt. In Amerika ist es der Produzent, in Europa oft der Regisseur. Am besten ist es, man einigt sich vor Projektbeginn darüber. 19 3. Konzeption (Preproduction) | Briefing 3. KONZEPTION (PREPRODUCTION) Der Produktionsprozess bei großen Videoproduktionen gleicht industriellen Fertigungsmethoden. Leerläufe kosten viel Geld. Aus ökonomischen Gründen müssen deshalb Videoproduktionen bis ins kleinste Detail geplant werden. Die Grundlage der Planung bildet die Konzeption, deren wichtigste Schritte nun erläutert werden. 3.1. Briefing Der Begriff Briefing stammt aus der Militärsprache und benennt die tägliche Kurzinformation, die von Vorgesetzten gegeben wird, um im operativen Bereich tätiges Personal über die anstehenden Aufgaben zu informieren. Im Medien-Briefing hat der Auftraggeber das Wort und informiert den Produzenten über die Zielsetzung und die Rahmenbedingungen eines Auftrages. Ziel und Zweck des Produktes, das hergestellt werden soll, müssen nach dem Briefing klar sein. Zu den Rahmenbedingungen gehören auch die Klärung der Fragen, bis wann die Arbeit abgeschlossen sein muss, der Kostenrahmen für die Produktion, welche Zielgruppen wo und unter welchen Bedingungen erreicht werden und wie lange das Video sein soll. Wichtig ist es auch, das Abgabeformat des Videoproduktes festzulegen. Der mögliche Auftragnehmer sollte alle W-Fragen in Bezug auf die Produktion umfassend beantworten können (Wer, was, wann, bis wann, wo, wie, warum, womit, mit welchen Auswirkungen etc.). Vorteilhaft ist es, wenn der Auftraggeber ein BriefingPapier vorbereitet hat. Dies kann dann durch Frageergebnisse beim Briefing-Meeting ergänzt werden. Briefing W-Fragen Die Erfahrung zeigt aber, dass insbesondere im angewandten Bereich Auftraggeber selbst nicht so genau wissen, was sie ei- 20 21 3. Konzeption (Preproduction) | Recherche Sozialkompetenz gentlich wollen. Oft haben wir es mit Laien zu tun, die zwar vage Vorstellungen von einer Kommunikationsaufgabe haben, aber die Lösungsmöglichkeiten zu wenig kennen. In so einer Situation ist es wichtig, mit Sozialkompetenz vorzugehen und durch gute Fragen die Informationen zu erfahren, die man als Grundlage braucht, um ein Projekt zu entwickeln. Wer fragt, führt! Aber Vorsicht: Kein Auftraggeber liebt es, bei einem Briefing mitgeteilt zu bekommen, dass er von der Erfüllung einer Aufgabenstellung eigentlich keine Ahnung hat. Noch einmal: Sozialkompetenz und Fingerspitzengefühl sind nötig. 3.2. Recherche Recherche Nach dem Briefing gehört das Recherchieren zu den wichtigsten Tätigkeiten von Gestaltern. Unter Recherche versteht man den Prozess der Beschaffung sämtlicher für eine Kommunikationsaufgabe relevanten Informationen. Journalistische Recherche ist eine eigenverantwortliche Tätigkeit, ein Nachforschen, um einen Hintergrund zu erhellen. Im Gegensatz dazu steht das bloße Bearbeiten von bereitgestellter Information. Allgemein gesprochen sollte jeder Kommunikationsaufgabe eine Recherche vorausgehen, die auf belegbare Fakten abzielt. Einen besonders hohen Stellenwert hat die Recherche bei journalistischen Arbeiten. In seinem Buch „Recherchieren“ beschreibt Michael Haller die Ziele und die wesentlichen Elemente der Recherchetätigkeit: „Das Ziel jeder journalistischen Arbeit besteht eigentlich darin, Geschehnissen möglichst auf den Grund zu gehen und die dabei gewonnenen Informationen, soweit sie zutreffend sind, in einen Sinnzusammenhang zu bringen, ehe sie öffentlich gemacht werden. (...) Folgende drei Hauptmerkmale stecken das Terrain dieser publizistischen Verantwortung ab: 3. Konzeption (Preproduction) | Recherche Relevanz: Ist das Thema tatsächlich von allgemeiner Bedeutung, bringen also die beschafften Informationen die wichtigen Aspekte des Ereignisses zum Vorschein (...)? Gültigkeit: Sind die Informationen – also in der Regel die Aussagen der Information – in bezug auf die Sachverhalte, über die sie berichten, tatsächlich zutreffend? (...) Verstehbarkeit: Sind die Informationen hinreichend präzise und umfänglich, um das Geschehene und seine Zusammenhänge, wenn möglich auch seine Bedeutung verstehen zu können? Die sprachliche Verständlichkeit wird ohnehin erwartet.“3 Die Recherche bezieht sich zunächst auf Aspekte der Themenstellung und wird Inhaltsrecherche genannt. Die Inhaltsrecherche ist Medien unabhängig zu sehen. Ob jemand einen Text schreibt oder ein Video gestaltet, er wird sich immer zuerst mit dem Thema vertraut machen wollen, sich einlesen, mit Experten sprechen, Information, die er bekommt, auf den Wahrheitsgehalt hin überprüfen. Recherchequellen sind Personen, Schriftstücke, Archive, natürlich auch das Internet. Die Qualität eines Rechercheergebnisses hängt aber immer von der Qualität der Quelle ab, aus der es stammt. Die Inhaltsrecherche folgt dem Check und Gegen-Check-Prinzip. Informationen dürfen nicht als wahr angesehen werden, ohne dass sie auf ihre Verlässlichkeit hin überprüft werden. Oft bekommt man von Auskunftspersonen Informationen, die im ersten Moment als glaubhaft eingestuft werden. Nach einer Überprüfung stellen sich aber Fakten als unhaltbar heraus. Für Videogestalter ist neben der Inhaltsrecherche die Bild- und Tonrecherche von größter Bedeutung. Denn eine Geschichte soll ja in erster Linie mit Bildern erzählt werden können. Der Tonraum spielt dabei auch eine sehr wichtige Rolle. Gebhard Plangger macht in seinem Beitrag über optisches Berichten im Standardwerk „Fernsehjournalismus“ klar, dass es dem Gestal3 22 Qualität der Quelle Haller, Michael: Recherchieren. Ein Handbuch für Journalisten. 4. üa. Aufl., München 1991, S. 17 f. 23 3. Konzeption (Preproduction) | Recherche ter eines Bewegtbild-Mediums nicht nur um die Bildgestaltung gehen kann: „Inhalt und Form der Bilder sind ein wesentlicher Teil der Gesamtgestaltung eines Fernsehfilms, bei der Bild, OTöne und Text in fester Beziehung zueinander stehen sollen und gemeinsam zum Träger der Information werden.“4 Motivsuche Tonraum Bei der Bildrecherche geht es neben der Motivsuche auch um die Beantwortung der Frage, wie sich ein Inhalt darstellen lässt. Dabei sind Sonnenstände, mögliche Kamerastandpunkte etc. zu berücksichtigen. Die Bildrecherche wird zweckmäßigerweise gleich mit einem ersten Location-Scouting verbunden. Dabei wird abgeklärt, ob sich das Motiv zum Zeitpunkt des geplanten Drehs im gewünschten Zustand befindet (Öffnungszeiten, Verkehrsbedingungen, Wetteranfälligkeit, akustische Störfaktoren etc.). Es wird überprüft, wo an möglichen Drehorten Stromanschlüsse sind, wie sich der Tonraum gestaltet, bei größeren Produktionen wird auch nach Parkmöglichkeiten etc. gesucht. Zur Bildrecherche gehört auch die Suche nach bildlichen Darstellungen, Urkunden etc. Solche Flachware ist wichtig, gerade bei historischen Stoffen. Das Klären von Rahmenbedingungen ist ebenfalls ein wichtiger Recherchebereich. Dazu gehört beispielsweise die Rezeptionssituation, wo wird das Video gezeigt, wer ist die Zielgruppe, wie wird es vertrieben. Gerade im Wirtschaftsbereich kann es vorkommen, dass ein Auftraggeber ein Kommunikationsziel verfolgt und glaubt, es mit einem Video erreichen zu können. Bei genauerem Hinterfragen stellt sich aber heraus, dass Video nicht das geeignete Medium ist. Dann ist es besser, die Situation zu erklären und von einer Produktion Abstand zu nehmen. Man verliert in so einem Falle zwar einen Auftrag, dafür behält man den Kunden, was längerfristig von größerem Nutzen ist. Mindmapping Die Methode des Mindmappings ist hilfreich, Rechercheergeb4 24 3. Konzeption (Preproduction) | Recherche nisse festzuhalten. Diese von Tony Buzan entwickelte Arbeitsmethode erlaubt es, Fakten übersichtlich darzustellen und in eine Art Baumstruktur zu bringen. Zudem ist es offen, kann also einfach ergänzt werden. Die Inhaltsrecherche kann mit einem zusätzlichen Layer für die Visualisierung versehen werden. Mit diesem System können Videogestalter einfach inhaltlich relevante Fakten und deren mögliche bildliche Darstellung auf einem Blatt Papier festhalten. Das ist eine wertvolle Übersicht, die einen über den gesamten Produktionsprozess begleiten kann. Visualisierung Mindmap-Beispiel zur René Kremser Dokumentation: Stichworte zum Inhalt, blau, werden mit Visualisierungsmöglichkeiten, rot, verknüpft. Es geht um die Antwort auf die Frage, was wie dargestellt werden kann. Eine weitere Detaillierung kann in den jeweiligen Themenbereichen erfolgen. Jeder Hauptast bildet dann eine eigene Mindmap. Plannger, Gebhard: „Optisches Berichten“. In: Schult, Gerhard und Buchholz, Axel (Hrsg.): Fernsehjournalismus. München 1990, S. 22 25 3. Konzeption (Preproduction) | Normative Ebene, Ziele 3.3. Normative Ebene, Ziele Improvisation Planung Produktion Controlling Gestaltungsentscheidungen sollten nicht dem Zufall überlassen werden, obwohl Kreativität Spielraum braucht. Videoarbeiten unterliegen oft einem großen Kostendruck. Dies trifft für LowCost-Produktionen ebenso zu wie für High-End-Produktionen. Je enger das Budget ist, desto kleiner ist der spontane Improvisationsspielraum. Denn Improvisation bedeutet immer auch Risiko. Bei komplexen industriellen Produktionsformen, wie sie fürs Kino Anwendung finden, kosten zusätzliche Drehtage oder Nachdrehs enorm viel Geld. Manchmal sind Nachdrehs gar nicht mehr möglich, weil Teammitglieder bereits andere Verpflichtungen eingegangen sind. Im Bereich der Dokumentation, beim Industrie- und Werbevideo oder gar beim Kunstvideo, wo die Künstler selbst als Auftraggeber fungieren, scheint das einfacher. Aber auch hier muss Ressourcen schonend und eng kalkuliert werden. Ähnlich wie der Architekt auf die Bedürfnisse des Bauherrn eingeht und in Abstimmung mit ihm einen Plan für ein Gebäude entwirft, der dann in der organisatorischen Umsetzung ein hohes Maß an Professionalität erfordert, wird für eine Videoarbeit geplant. Für den Videoauftraggeber ist der Videoproduzent oder -gestalter in der Rolle des Architekten zu sehen. Den Produzenten und Gestaltern obliegt es, den Planungsprozess in die Hand zu nehmen, die Produktion zu steuern, das Controlling durchzuführen und am Ende ein Produkt abzuliefern, das den Intentionen des Auftraggebers entspricht. Wer ist nun Auftraggeber? Als Auftraggeber können Fernsehstationen fungieren, Wirtschaftsbetriebe, Kulturinstitutionen, wissenschaftliche Einrichtungen, E-Learning Einrichtungen, Kommunikationsagenturen, kurz alle, die eine Videoarbeit für Kommunikations- oder Unterhaltungszwecke einsetzen möch- 3. Konzeption (Preproduction) | Normative Ebene, Ziele ten. Auftraggeber kann aber auch der Videogestalter selbst sein, der den Drang in sich spürt sich mittels dieses kreativen Mediums zu äußern. Wer immer es ist, es erscheint sinnvoll, die hier skizzierten Schritte im Arbeitsprozess einzuhalten und anzuwenden. Auch wenn man nur sein eigenes Budget zu verwalten hat, ist planvolles Vorgehen sinnvoll. Und jedes planvolle Vorgehen beginnt mit der Formulierung der Zielsetzungen. 3.3.1. Kommunikationsziele Ein Ziel beschreibt einen gewünschten Endzustand oder den Abschluss eines Prozesses. In der Kommunikation geht es um einen Verständigungsprozess zwischen Sender und Empfänger, und zwar auf zwei Ebenen: auf der Sachebene und auf der Beziehungsebene. Dies geschieht mit expliziten und impliziten Botschaften. Hier ein Beispiel mit einer banalen Aussage: Jemand sagt nach einer längeren Regenwetterperiode: „Endlich ist das Wetter schön!“ Damit wird zweierlei zum Ausdruck gebracht, nämlich explizit: Das Wetter ist schön. Die implizite Botschaft lautet, dass sich der Informant freut, dass das Wetter schön ist. Die von Mediengestaltern produzierten Werke kommunizieren ebenfalls immer auf der Sach- und der Beziehungsebene, sie verbreiten explizite und implizite Botschaften, aber damit nicht genug. Der Kommunikationspsychologe Schulz von Thun hat ein Modell entwickelt, das Kommunikationsquadrat. Es macht uns deutlich, dass im Kommunikationsprozess der Sender immer auch über sich Aussagen trifft, selbst wenn dies explizit gar nicht geplant war. Diese Aussagen betreffen die Selbstdarstellung und sind als Appell an den Empfänger der Botschaft gerichtet.5 5 26 Sach- und Beziehungsebene Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander Reden. Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung. Band 2. Hamburg 1992, S. 19 ff. 27 3. Konzeption (Preproduction) | Normative Ebene, Ziele Bei der Konzeption von Kommunikationsaufgaben im Allgemeinen und von Videoaufgaben im Besonderen ist es wichtig, diese oft unbedachten Seiten des Verständigungsprozesses zu berücksichtigen. Warum gerade bei Video? – Von allen Medien kommunizieren Laufbildmedien über die meisten Sinneskanäle und wirken deshalb emotional stark. Dies mag mit ein Grund sein, dass sich das Fernsehen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts seinen festen und trotz Internet unumstrittenen Platz als Leitmedium erobert hat. Tatsächlich stößt man bei der an Gestalterinnen und Gestalter gerichteten Forderung, Kommunikationsziele zu formulieren, häufig auf Widerstand. Dabei geht es letztlich darum, die eigenen Ideen auf den Punkt zu bringen und Verbindlichkeiten einzugehen. Damit ist ein gewisses Risiko verbunden, denn wie die Rezipienten des Mediums reagieren, kann im Vorhinein nur geahnt werden, selbst wenn man viel über die Zielgruppe weiß und diese gut zu kennen glaubt. Kommunikationsziele 28 3. Konzeption (Preproduction) | Normative Ebene, Ziele fen, einen potentiellen Auftraggeber oder Produzenten von den eigenen Ideen zu überzeugen und den Auftrag für die Umsetzung zu erhalten. Videoprojekte erstrecken sich oft über einen langen Zeitraum und brauchen dem entsprechend einen langen Atem. Das Hinterfragen der Kommunikationsziele dient auch dazu, sich Rechenschaft über die eigene Motivation abzulegen. Vor der eigentlichen Zielformulierung des Videos wird die Zielgruppe beschrieben, Alter, soziale Merkmale, der Bildungslevel, die Milieus, die Lebensauffassungen und Lebensweisen. Dann ist es hilfreich festzuhalten, unter welchen Rezeptionsbedingungen die Videoarbeit gesehen wird. Es macht einen großen Unterschied, ob fürs Kino, das Fernsehen oder das Internet produziert wird, ob zum Beispiel Passanten auf einer Messe die Videoarbeit sehen oder ob man zu Hause im Wohnzimmersessel sitzt. Die eigentlichen Kommunikationsziele formuliert man am besten in wenigen einfachen, knappen Aussagesätzen. Zielgruppe Im weiteren Verlauf geht es um die Beschreibung des Genres der Videoarbeit. Handelt es sich um eine fiktionale Arbeit oder um eine dokumentarische Arbeit, ist es ein Instruktionsvideo oder ein Werbespot fürs Kino, um nur einige Beispiele zu nennen. Alle diese Informationen resultieren aus dem Briefing und den Rechercheergebnissen. Genres der Videoarbeit Ohne die Formulierung von Kommunikationszielen wird es aber nur schwer möglich sein, die Voraussetzungen zu schaf- 29 3. Konzeption (Preproduction) | Normative Ebene, Ziele 3.3.2. Informieren – Emotionalisieren – Experimentieren Die Einsatzmöglichkeiten von Video sind äußerst vielfältig. Oft sind sie von vornherein gar nicht so eindeutig und die Absichten der Gestalter sind nicht eindeutig zu bezeichnen. Sie liegen in einem dreieckigen Feld zwischen den Eckpunkten informieren, emotionalisieren, experimentieren. Wenn es darum geht, die Zielsetzung einer Arbeit zu formulieren, ist es hilfreich, die Position zwischen den drei Eckpunkten herauszuarbeiten. Jeder Eckpunkt verlangt vom Gestalter eine spezielle Herangehensweise. Informieren Informieren bedeutet, mit dem Medium konkret fassbare Inhalte zu transportieren. Das Hauptziel ist, dem Publikum die Möglichkeit zu einem Erkenntnisgewinn zu geben, der möglicherweise Ursache für eine Verhaltensänderung ist. Für den 3. Konzeption (Preproduction) | Normative Ebene, Ziele Gestalter bedeutet dies, Inhalt und Form der Videoarbeit so zu wählen, dass die übermittelten Informationen beim Publikum ankommen und möglichst eindeutig dechiffriert werden können. Das heißt, das Publikum versteht die Codes des Senders. Voraussetzung dafür ist ein gemeinsamer Horizont zwischen den Gestaltern und den Rezipienten, ein gemeinsamer Wissens- und Erfahrungsstand. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, wird der Empfänger die Botschaft des Senders nicht einordnen und folglich nicht verstehen können. Kommunikationsaufgaben mit informierender Zielsetzung stellen sich beispielsweise in den Informationssendungen des Fernsehens, in Dokumentarvideos oder in Videos, die im Bereich des E-Learnings angesiedelt sind.6 Emotionalisieren bedeutet, dass mit Videogestaltungsmitteln bei den Zusehern Stimmungen erzeugt werden sollen. Die Informationsabsicht tritt in den Hintergrund und wirkt unterschwellig. Im Vordergrund stehen Gefühle, die ausgelöst werden, nicht der Erkenntnisgewinn. Das Publikum soll in erster Linie fühlen, nicht wissen. Sehr viele Musikvideoclips haben diese Zielrichtung. Auch bei Corporate Videos, Imagevideos und beim fiktionalen Video steht oft das Emotionalisieren im Vordergrund. Emotionalisieren Experimentieren ist die Domäne des Kunstvideos. Vielfach zielt dieses Genre darauf ab, visuelle Innovationen zu schaffen und Entwicklungen zu forcieren, die dann oft viel später in Kino und Fernsehen Eingang finden. Kunstvideos üben häufig auch Kritik an gesellschaftlichen Phänomenen und stellen das Medium selbst in Frage. Viele Kunstvideos könnte man als eine Art Forschungs- und Experimentallabor im ihnen eigenen Medienfeld ansehen. Den Nachweis dafür liefert Ulf Poschardt in seinem Katalogbeitrag zur Düsseldorfer Ausstellung „Look at me – Video 25 Jahre Videoästhetik“, und er resümiert: „Videos sind Experimentieren 6 30 Vgl.: Kramarek, Johannes; Pockrand, Rainer und Kerstan, Peter: DuMont‘s Handbuch für praktische Filmgestaltung. Köln 1986, S. 44 ff. 31 3. Konzeption (Preproduction) | Strategische Festlegungen, Exposé, Ideenskizze Laboratorien“7. – In diesem Experimentierfeld kommt auch den akademischen Ausbildungsstätten eine wichtige Bedeutung zu. Experimentalvideo Während Videos mit informierendem oder emotionalisierendem Charakter häufig in einem ökonomischen AuftraggeberAuftragnehmer-Verhältnis entstehen, ist das Experimentalvideo meist ein künstlerisches, freies Produkt. 3.4. Strategische Festlegungen, Exposé, Ideenskizze USP Unique Selling Point Exposé Im strategischen Bereich der Konzeption geht es um Festlegungen, wie die Zielsetzungen erreicht werden. Zunächst beschreibt ein Exposé oder eine Ideenskizze in kurzer Form, worum es geht. Das Exposé dient beispielsweise dazu, ein Projekt einer Fernsehredaktion anzubieten oder einem möglichen Auftraggeber eine Entscheidungsgrundlage in die Hand zu geben. Für den Verkauf einer Projektidee ist es die wichtigste Unterlage. Das Alleinstellungsmerkmal, der Unique Selling Point (USP), wird darin klar herausgearbeitet. Schließlich geht es darum, im Wettbewerb mit anderen Anbietern zu bestehen. Im Exposé werden nochmals die Zielsetzungen aufgeführt, die Handlung wird hier bereits skizziert, die Dramaturgie und die Art der künstlerischen Umsetzung, die gestalterische Handschrift, werden sichtbar gemacht. Ein Exposé umfasst wenige Seiten, für ein Fernsehspiel in der Länge von ca. 60 Min. ca. drei DinA4 Seiten. 3.4.1. Pitch Unter einem Pitch versteht man eine rhetorische Form des Exposés. Für einen Pitch stehen nur wenige Minuten zur Verfügung, oft nur fünf bis sieben Minuten, je nach Vorgabe. Diese Zeitspanne darf nicht überschritten werden. Denn in Pitching 7 32 3. Konzeption (Preproduction) | Strategische Festlegungen, Exposé, Ideenskizze Sessions werden mehrere Projekte vorgestellt. Bei solchen messeähnlichen Veranstaltungen versucht ein Autor, Regisseur oder Produzent, einer Gruppe von möglichen Auftraggebern seine Idee schmackhaft zu machen. In wenigen Minuten kann sich also entscheiden, ob ein Projekt eine Chance auf Realisierung hat oder nicht. Die Kunst des Pitchens kann in Seminaren, Trainings und auch in Lehrveranstaltungen an Filmschulen erlernt werden. Der Pitch nennt die Eckdaten des Projektes, beantwortet die W-Fragen, beinhaltet eine erste Kostenschätzung und er nennt – geht es ums Fernsehen – mögliche Programmslots. Diese Inhalte müssen möglichst attraktiv vorgetragen werden, denn es geht ja darum, dass bei potentiellen Auftraggebern Interesse geweckt wird. Günstig ist, wenn beim Pitch das Exposé als Handout vorliegt. Falls es bereits Probeaufnahmen gibt, können diese angespielt werden. Auch Beamer unterstützte Präsentationen sind möglich. Letztlich entscheidend ist aber die Glaubwürdigkeit des Vortrags. 3.4.2. Dramaturgie Einer der wichtigsten Gestaltungsbereiche ist die Dramaturgie, die Festlegung der Handlungsstruktur. Die Funktion der Dramaturgie kann verglichen werden mit der Funktion der Statik in der Architektur. In unserer westlichen Kultur ist die Dramaturgie vor allem geprägt von einer langen Geschichte, die aus der klassischen Tradition stammt und die deshalb hier kurz beleuchtet sein soll. Es gibt aber auch andere, zum Beispiel epische Erzählformen oder offene dramaturgische Formen. Musik und Kunstvideos experimentieren häufig mit dramaturgischen Strukturen. Die Interaktivität von Medien ermöglicht ebenfalls neue dramaturgische Formen, die zum Beispiel Werner von Handlungsstruktur Poschardt, Ulf: Das Video als Laboratorium. In: Poschardt, Ulf (Hrsg.): Video – 25 Jahre Videoästhetik. Düsseldorf 2004, S.10 33 3. Konzeption (Preproduction) | Strategische Festlegungen, Exposé, Ideenskizze Appeldorn in seinem Buch „Programme für Zuschauer“ zur Diskussion stellt und meint: „Die Dramaturgie wird sich wandeln müssen, wie auch die technischen Gegebenheiten sich wandeln. Für HDTV und Cybernetics werden neue Gestaltungsmittel gefunden werden. Insoweit entsteht eine neue Dramaturgie, die die alten Gestaltungsregeln erweitert, aber nicht in jedem Falle überflüssig macht.“8 Drei-Akt Prinzip Vielen fiktionalen Arbeiten liegt ein Drei-Akt Prinzip zu Grunde, das von zahlreichen Autoren, die sich mit dem Drehbuchschreiben befassen, wiedergegeben wird. Hier eine Zusammenfassung nach Christopher Vogler: 1. Exposition, Wendepunkt 1 (ein Viertel der Gesamtlänge) 2. Entwicklung des Konflikts, Wendepunkt 2 (zwei Viertel der Gesamtlänge) 3. Lösung des Konflikts (ein Viertel der Gesamtlänge)9 Diesem 3-Akt-Prinzip folgen auch viele Video-Kurzformen und Werbefilme. Die Dokumentation „René reist nach Finnland“ folgt in groben Zügen diesem 3-Akt-Modell. 1. Exposition: Rene zu Hause, als Student der Fachhochschule Vorarlberg mit dem Wunsch, ein Auslandssemester zu absolvieren, Abreise 2. Entwicklung des Stoffes (hier ist es nicht angebracht von Konflikt zu sprechen), René im Alltag, bei Lehre uns Studium, beim Erleben der Stadt und beim Reisen 3. Resümee des Auslandssemesters aus unterschiedlichen Perspektiven. 3. Konzeption (Preproduction) | Strategische Festlegungen, Exposé, Ideenskizze John Vorhaus hat sich ein eigenes Schema zurechtgelegt, das zwar auch auf die klassischen Vorbilder zurückgeht und mit einem ironischen Unterton formuliert ist: „Wer ist der Held? Was will der Held? Die Tür geht auf. Der Held meistert die Lage. Ein Knüppel kommt geflogen. Alles fällt auseinander. Der Held erreicht den Tiefpunkt. Der Held riskiert alles. Was kriegt der Held?“10 Etwas komplexer ist das 5-Akt-Prinzip, das in der Franzschen Pyramide dargestellt ist und auf das 3-Akt-Prinzip aufbaut 1. 2. 3. 4. 5. Exposition und Vorstellung der Charaktere Plot Point 1 und Vorstellung des Konflikts Entwicklung des Konflikts Plot Point 2, Wende, Peripetie Neutralisierung der Gegensätze Die Akte selbst sind wieder untergliedert in einzelne Themenblöcke. Diese dramaturgischen Strukturen lassen sich leicht erkennen, wenn man erst einmal danach auf die Suche geht. Appeldorn, Werner van: Programme für Zuschauer. Eine moderne Dramaturgie. Köln Rodenkirchen, ohne Jahreszahl, S. 12 9 Vgl.: Vogler, Christopher: The Writers Journey. London 1996, S. 237 8 34 10 Vorhaus, John: The Comic Toolbox. Los Angeles 1994, S. 123 35 3. Konzeption (Preproduction) | Strategische Festlegungen, Exposé, Ideenskizze Franzsche Pyramide 1. Exposition Hier die Visualisierung der Franzschen Pyramide von Pierre Kandorfer in seinem Lehrbuch für Filmgestaltung:11 2. Ereignis Aufbau des Konflikts 3. Kärung Höhepunkt der Hauptfigur 4. Wende (Peripetie) äußere Initiative führt Niedergang herbei 5. Neutralisierung der Gegensätze Untergang der Hauptfigur 3. Konzeption (Preproduction) | Von der Einstellung zur Sequenz kum gestaltet werden, wie dies etwa auf Messen anzutreffen ist, sollten deutlich kürzer als 8-10 Minuten gehalten werden. Weniger ist in diesem Falle mehr. 3.5. Von der Einstellung zur Sequenz Bevor es nun an die Umsetzung der strategischen Überlegungen in Richtung Produktion geht, müssen einige Voraussetzungen geschaffen werden. Denn eine Videoarbeit setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen. Es geht zunächst darum, diese kennen zu lernen. Die wichtigsten sind die Einstellung, die Szene und die Sequenz. Szene Tragödie Komödie 1. Exposition 2. Ereignis Aufbau des Konflikts 3. Tiefpunkt der Hauptfigur 4. Peripetie durch äußere Initiative Wendung zum Guten 5. Neutralisierung der Gegensätze Happy End der Hauptfigur Kandorfer postuliert, „Eingleisig aufgebaute Filme oder Filmpassagen dürfen 8-10 Minuten nicht überschreiten“, und er nennt als Grund für diese These, dass das Publikum weitgehend nur an den Höhepunkten interessiert sei.12 Längenfestlegungen Zeitliche Längenfestlegungen hängen zudem eng von den Rezeptionsbedingungen ab. Videoarbeiten, die für ein Laufpubli- Die Begriffsbildung im Film- und Videobereich ist in Bezug auf „Szene“ und „Sequenz“ uneinheitlich. Dort, wo einige Autoren den Begriff Szene verwenden, reden andere von Sequenz und umgekehrt. Nach der Definition von „Einstellung“ schreibt Hans Beller: „Schwerer tun sich die Theoretiker mit der Bezeichnung für die nächst größere Filmeinheit, die aus montierten Einstellungen besteht. Hiefür gibt es die unterschiedlichsten Termini, die Szene, die Sequenz, das Syntagma oder das Segment, aus dem sich dann das Filmganze zusammensetzt. In der Praxis ging man von der zu filmenden Szene aus, die anfangs aus einer Einstellung bestand (...). Aus der Theatertradition ist die Szene durch die Einheit von Ort und Zeit definiert. Beim Film kann diese Einheit der Szene durch die Auflösung von Einstellungen innerhalb einer Sequenz aufgehoben werden. Beim Drehen ist man dabei nicht an die raum–zeitliche Kontinuität gebunden, da man die einzelnen Einstellungen achronologisch und mit Unterbrechungen aufnehmen kann. Später muß die Szene eines Filmes innerhalb der montierten Sequenz wieder eine organische, formal und gedanklich sinnvolle Einheit ergeben. Daher ist die durch montierte Sequenz Abbg. vlg.: Kandorfer, Pierre: Lehrbuch der Filmgestaltung. Theoretisch technische Grundlagen der Filmkunde. Köln-Lövenich 1978, S. 222 12 Kandorfer (wie Anm. 11), S. 221 11 36 37 3. Konzeption (Preproduction) | Von der Einstellung zur Sequenz Montage zusammengesetzte Szene filmterminologisch eine Sequenz...“13 3.5.1. Frame Frame, Kader Das Frame, auch Kader genannt, ist die kleinste bearbeitbare Bildeinheit innerhalb eines Videos. Es handelt sich in Wirklichkeit um ein Stehbild, das nur kurze Zeit sichtbar ist. Beim europäischen PAL-Standard ist es 1/25 Sekunde; genau genommen handelt es sich um 50 Halbbilder, 25 Frames bilden also eine Video-Sekunde. 3. Konzeption (Preproduction) | Von der Einstellung zur Sequenz dem Zusammenhang heraus, beantwortet werden. Innerhalb einer Szene spielt die Kontinuität eine wichtige Rolle. Meist gilt der Grundsatz, dass der Schnitt vom Publikum möglichst nicht bemerkt werden soll. (Eine Ausnahme bilden z.B. Jump-Cuts). Dem Aussagewunsch kommt bei der Szenenbildung eine zentrale Bedeutung zu. „Der Aussagewunsch beschreibt den idealen Informationstransfer an den Zuschauer.“14 Kontinuität Aussagewunsch 3.5.2. Einstellung, Take Die Einstellung wird durch das Ein- und Ausschalten der Videokamera begrenzt. Ort, Zeit und Handlung bilden eine Einheit. Take Der englische Begriff Take wird meist dann verwendet, wenn in einer Produktion von einer Einstellung mehrere Varianten gedreht werden, was bei Ein-Kamera-Produktionen häufig der Fall ist. Die Bezeichnung lautet dann z.B. Einstellung 3, Take 4. Abbildung 6: Screenshot aus der Szene „Renés Fest“ 1. 2. 3. 4. … Orientierung Annäherung Konkretisierung Integration Rückorientierung DVD-K1 (siehe DVD-Kapitel 1): Szene „Der Weg zum Studium“ 3.5.3. Szene Eine Szene setzt sich aus mehreren Einstellungen zusammen, die zusammen eine Aussage bilden. Es handelt sich um eine Handlungseinheit, vergleichbar mit einem Hauptsatz. Innerhalb der Szene bilden Ort, Zeit und Handlung eine Einheit. Eine Szene besteht meistens aus mehreren Einstellungen, die Fragen nach dem Wer, Was, Wo, Wie, Wann, Warum beantworten. Diese Fragen können häufig nicht explizit, sondern implizit, d.h. aus 13 38 Beller, Hans: „Einheiten der Montage“. In: ders. Hrsg.: Handbuch der Filmmontage. 2. Aufl. München 1995, S. 11 Eine Normalszene umfasst meist ca. 5 bis 7 Einstellungen, die – wie oben schon erwähnt – die W-Fragen beantworten. Der Begriff Normalszene ist allerdings nicht so zu verstehen, dass die Reihenfolge der Einstellungen immer von der Übersichtstotalen zur großen Einstellung und dann wieder zur Totalen zurückführt. Die Videogestalter sind hier vielmehr gefordert, kreative Anreize zu entwickeln, die von hohem Schauwert für die Zuseher sind. 14 Normalszene Kerstan, Peter: Bildsprache und Gestaltung des berichterstattenden Films. Seminardokumentation. http://www.youth4media.com/new/artmedia/documents/kerstan.pdf in der Fassung vom 15.07.2005, S. 4 39 3. Konzeption (Preproduction) | Von der Einstellung zur Sequenz Der bekannte österreichische Regisseur Paul Sedlacek, erfahrener Trainer an der ORF Berufs-, Aus- und Fortbildungsakademie (ORF BAF) und Dozentenkollege an der Fachhochschule Vorarlberg merkt dazu an: „Hier geht es um eines der häufigsten Missverständnisse bei der Gestaltung: Die erste Einstellung dient der Exposition. Die Frage ist nur: Wovon? Und nur wenn der ORT exponiert werden soll, ist die Totale wichtig. In allen anderen Fällen muss ich zeigen, worum es geht. Geht es z.B. um einen Menschen, dann muss ich ihn exponieren – und das geht in einer Totalen überhaupt nicht. Geht es um Gefühle oder Stimmungen, dann muss ich diese in entsprechenden Bildern zeigen – und das sind auch nur ganz selten Totale. Ausserdem gilt diese Methode nur, solange der Ort nicht bekannt ist. Ist einmal der Ort der Handlung ‚gelernt’, kennt sich der Zuschauer bereits aus, brauche ich nur Teile des gelernten abrufen und das Gesamt-Bild wird vom Rezipienten ergänzt. Das gleiche gilt auch für Achsensprünge. Diese sind nur solange verwirrend, wie der Rezipient braucht, um Orientierung zu erlangen. Danach werden solche bei Kurz-Videos irritierenden Methoden als positiver Anreiz gesehen.“15 3. Konzeption (Preproduction) | Von der Einstellung zur Sequenz Screenshot aus der Sequenz „Renés Winterspaziergang“ DVD-K2: Sequenz „Vaasaspaziergang“ Von einer Montagesequenz wird gesprochen, wenn zum Beispiel zum Zwecke der Emotionalisierung eine rasche Bildfolge geschnitten wird. Solche Montagetechniken werden häufig in Videoclips eingesetzt. In diesem Falle erfüllt oft eine einzige Einstellung die Funktion einer Szene. Montagesequenz 3.5.5. Akt Wie beim Schauspiel im Theater bilden Akte im Video die großen Abschnitte, die einer Gesamtdramaturgie folgen. 3.5.6. Format und Videostil 3.5.4. Sequenz Mehrere Szenen können zusammen eine Sequenz bilden. Ort, Zeit und Handlung sind dabei oft nur noch zum Teil einheitlich, es geht vielmehr um eine inhaltliche und gedankliche Gesamtaussage. 15 40 Sedlacek, Paul. Anmerkungen zum Manuskript der vorliegenden Masterthese, am 11.9.2005 Neben dramaturgischen Überlegungen behandelt das Exposé auch stilistische Fragestellungen und Formatfestlegungen. Unter dem beim Fernsehen verwendeten Begriff Format versteht man „die Gesamtheit aller charakteristischen Merkmale einer Fernsehsendung oder eines Films, die in jeder Folge wiederkehren. Damit stellt das Format die Grundlage jeder Art von Sendungen dar, unabhängig ob Show, Serie oder Film, da alle ein unverwechselbares, sie kennzeichnendes Erscheinungsbild aufweisen, welches ihnen zu einer eigenen Identität verhilft.“16 16 Lausen, Matthias: Der Rechtsschutz von Sendeformaten, 1998, S. 112. Zitiert nach: Formatschutz in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Auszug aus der Studie „Wirtschaftliche und rechtliche Aspekte der internationalen Entwicklung und Vermarktung von Fernsehformaten“ erstellt von der Format Recognition and Protection Association (FRAPA), Köln, download von URL http://www.newmedianrw.de, Stand 01.07.2005 41 3. Konzeption (Preproduction) | Von der Einstellung zur Sequenz Videostil Der Videostil wird wesentlich geprägt durch die Bildgestaltung, die wiederum von der Kameraführung und Lichtgestaltung abhängig ist. Das Exposé gibt Auskunft, ob etwa ein direkter Kamerastil eingesetzt wird, ob mit Stativ oder Handkamera gearbeitet wird oder wie mit Kamerabewegungen umgegangen wird. Für die Bildgestaltung ist aber auch der gesamte Postproduktionsprozess mit der Montage und dem Compositing von großer Bedeutung, ob z.B. Animationen und Effekte eingesetzt werden. Ebenso wichtig wie Angaben über die Bildgestaltung sind Informationen über die Tongestaltung, wie wird mit dem Originalton umgegangen, wird Musik verwendet, gibt es eine erklärende Textebene etc. 3.5.7. Treatment Konkretisierung des Exposés Das Treatment ist die Konkretisierung des Exposés. Es richtet sich an Entscheider über ein Projekt und schildert die Handlung des Films. Diese Schilderung wird so detailliert ausformuliert, dass im Kopf der Leser der Film gleichsam ablaufen kann, dass Bilder entstehen können und die Handlung schlüssig nachvollziehbar ist. Der Text wird in Prosa und im Präsens formuliert. Für ein Fernsehspiel in der Länge von rund 60 Minuten umfasst ein Treatment zehn bis fünfzehn DinA4 Seiten. Je nach Vereinbarung werden Treatmentaufträge honoriert. Fallweise kommt es vor, dass Autoren Treatmentaufträge bekommen, ohne dass Zielformulierungen und/oder ein Exposé vorliegen. In diesem Falle empfiehlt es sich, die Ziele der Videoarbeit und die Inhalte des Exposés, die zum Projektverständnis notwendig sind, dem Treatment voranzustellen. 42 3. Konzeption (Preproduction) | Operative Ebene 3.6. Operative Ebene Wenn Einigkeit über das Exposé erzielt ist, geht es an die Konkretisierung der Konzeption. Zunächst wird die Videoarbeit weiter inhaltlich entwickelt. Dann folgen die für die organisatorische Umsetzung notwendigen Entwicklungsschritte. organisatorische Umsetzung 3.6.1. Motiv Begehung Für die weiteren Konzeptionsschritte ist es zunächst wichtig, sich ein detailliertes Bild über die Drehorte und die Motive zu verschaffen. Diese Begehung wird von der Regie- und Kamerabesetzung durchgeführt. Dabei werden sämtliche für die Produktion relevanten Informationen, die auch schon im Locationscouting andiskutiert wurden, im Detail erhoben. Besonders wichtig sind die Lichtverhältnisse, Kamerastandpunkte, Perspektiven, die sich daraus ergeben, die akustischen Verhältnisse etc. 3.6.2. Drehbuch, Script Das Drehbuch ist die Textvorlage der Videoarbeit und folgt formell diversen Richtlinien, je nachdem, in welchem Land der Adressat sitzt. Für die Abfassung von Drehbüchern können Computerprogramme oder einfache Textvorlagen hilfreich sein. Unter den Internet-Links http://www.mevito.de und http:// www.drehbuchforum.at/links.html gibt es Übersichten zum Thema. Zwei Formen von Drehbüchern sind weit verbreitet. 43 3. Konzeption (Preproduction) | Operative Ebene 3.6.3. Drehbuch für fiktionale Arbeiten Das Drehbuch wird vom Drehbuchautor oder von einem Autorenteam geschrieben und in der Regel mehre Male überarbeitet. Oft dienen literarische Werke als Vorbilder. Drehbücher, für die es keine Literaturvorlagen gibt, werden als Originaldrehbücher bezeichnet. Als Faustregel gilt, dass pro Filmminute eine Seite im Drehbuch reserviert ist, das bedeutet, dass ein Drehbuch mit 120 Seiten eine Filmlänge von 120 Minuten vorsieht. Die wichtigsten Inhalte eines Drehbuchs sind die Handlungsführung und die Dialoge der Figuren des Films, die zudem im Hinblick auf Alter, Geschlecht, äußere Merkmale, Beruf etc. kurz charakterisiert werden. Das Drehbuch weist Schauplätze zu und die Zeit, in der das Video spielt. Wichtig sind dabei auch die Angaben wie Tag, Nacht, außen, innen. Die Drehbuchautoren halten alles fest, was unbedingt notwendig ist, um die Handlung schlüssig erzählen zu können, aber meist nicht mehr als das. Denn die für die Videogestaltung notwendige Interpretation des Drehbuchs erfolgt durch die Regie. 3.6.4. Drehbuch im nicht fiktionalen Bereich Bei nicht fiktionalen Drehbüchern, bei Dokumentationen, bei Informationsvideos für Nachrichtensendungen, im Industriebereich, bei der Werbung etc. werden oft Drehbücher in Listenform entwickelt. Diese Listen beinhalten vier Spalten. Der ersten Spalte kommt eine Ordnungsfunktion zu, und sie bezeichnet die ungefähre Einstellungslänge und die Nummer der Einstellung in der Szene und Sequenz. Dann folgen Bildangaben wie Einstellungsmerkmale und Bildinhalte, Tonangaben und der Rohtext, der dann beim Schnitt noch verfeinert und dem Bild angepasst wird. 3. Konzeption (Preproduction) | Operative Ebene Zeit, Einstellungen Einstellungsmerkmale Bildinhalt Ton Text 10“, 1.1.1 T von unten (tvu), René im Rollstuhl kommt mit Studierenden den Gang entlang Musik/Originalton René Kremser im Kreis von Studiengkolleginnen und Kollegen Vgl. Schult17 3.6.2. Storyboard Das Storyboard ist die Visualisierung des Drehbuches. Meist wird das Storyboard gezeichnet, gescribblet oder mit Computerprogrammen entworfen, hin und wieder – vor allem bei nicht fiktionalen Arbeiten – wird auch fotografiert. Je nachdem, wie detailliert das Storyboard ausgeführt ist, kann es auch die Vorlage für das Filmset sein. Je teurer eine Videoproduktion kommt, desto mehr Geld wird in die Entwicklung eines Storyboards investiert. Besonders bei Animationsvideos sind Storyboards wichtig. Denn meist arbeiten mehrere Zeichner an einer Sequenz, sodass anhand des Storyboards Einstellung für Einstellung abgearbeitet wird. Das Storyboard hat auch eine wichtige Funktion für die Kontinuität im Film. Bei einer komplexen Führung von Handlungsachsen kann eine Visualisierung sehr hilfreich sein. Steven Katz schreibt in seinem Standardwerk „shot by shot“: „Visualisierung ist nur ein Schritt, wenn ein Film entsteht. Kein Film kann ausschließlich auf dem Papier entworfen werden, weder in einem Drehbuch noch als Storyboard. Sobald die Dreharbeiten beginnen, ändert sich ein Storyboard, wie sich jede andere Art der Visualisierung wandelt. Ziel des Visualisierens ist 17 44 Visualisierung des Drehbuches Schult, Gerhard: „Drehbuch“ In: ders. Hrsg.: Fernsehjournalismus. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. 3. erw. Aufl. München 1999, S. 126 45 3. Konzeption (Preproduction) | Operative Ebene es nicht allein, Entscheidungen auf dem Set vorweg zu nehmen oder den Produktionsablauf reibungsloser zu gestalten (obwohl es dafür oft förderlich ist). Visualisierung bietet die Chance, auf neue visuelle und erzählerische Ideen zu stoßen, bevor das Drehen beginnt. (...) Visualisierung kann dabei helfen, den dramatischen Schwerpunkt einer Szene zu finden oder eine unglaubwürdige Dialogszene zu entlarven.“18 3.6.6. Auflösung Storyboards zu produzieren, ist eine recht zeit- und kostenaufwändige Form der theoretischen Drehvorbereitung. An ihrer Stelle wird sehr häufig die Methode der Auflösung angewendet. In diesem Projektschritt werden von Regie und Kamera alle Einstellungen bestimmt. Besonders wichtig sind die aufwändigen Einstellungen mit Schienen, Kran und Spezialeffekten. Die Festlegungen mit ihren organisatorischen Konsequenzen finden Eingang in den Drehplan. 3.6.7. Drehplan Der Drehplan ist der Ablaufplan für die produktionstechnische Umsetzung des Drehbuchs und stellt die Arbeitsbasis für das gesamte Team dar. Während das Drehbuch linear im Sinne der Chronologie der Videoarbeit geschrieben wird, fasst der Drehplan die organisatorische Umsetzung der Produktion nach logistischen und ökonomischen Prinzipien zusammen. Wenn zum Beispiel am Beginn und am Ende des Films der gleiche Schauplatz vorgesehen ist, dann wird niemand auf die Idee kommen, an diesem Schauplatz zwei Mal das Set aufzubauen. Der Dreh wird vielmehr so organisiert werden, dass möglichst wenig Ressourcen verbraucht werden. Die Produktionsleitung wird des18 46 Katz, Steven D.: Shot by Shot. Die richtige Einstellung. 3. Aufl. Frankfurt am Main 2000, S. 26 3. Konzeption (Preproduction) | Operative Ebene halb versuchen, die Drehtermine möglichst an einem oder zumindest an aufeinander folgenden Tagen zu fixieren. Dies wird im Drehplan festgehalten. Erst nachdem der Drehplan steht, kann eine Detailkalkulation erfolgen. 3.6.8. Kalkulation Die Basis für eine seriöse Kalkulation ist eine detaillierte Konzeption. Jeweils aktuelle Richtpreise und Richtsätze können über die Berufsverbände und Kammern in Erfahrung gebracht werden. Neben dem Personaleinsatz sind die technischen Standards, mit denen produziert wird, höchst budgetrelevant. An dieser Stelle kann nicht näher auf betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte und Finanzierungsmodelle eingegangen werden. Die wichtigsten Budgetpositionen sollen hier in Anlehung an das Produktionshandbuch der Schweizer Film und Videoproduzenten dennoch erwähnt sein.19 Budgetpositionen — Konzept, Treatment, Drehbuch, Storyboard — Casting und Produktionsvorbereitung — Produktionsteam (die wichtigsten Positionen: Regie, Kamera, Ton, Licht, allenfalls mit Assistentinnen und Assistenten...) — Darstellerinnen und Darsteller, Stunts, allenfalls auch Tiere — Technische Ausrüstung — Rohmaterial, Laborarbeiten — Visualisierungen, CGI (computer generated images) — Studiobauten, Ausstattung — Organisation, Transporte, Verpflegung — Spesen, Versicherungen, Reisekosten — Schnitt, Postproduction — Sound, Musik, Mischung, Tonstudio — Sprecherinnen und Sprecher, Übersetzungen 19 Sollberger, Udo: Das Produktionshandbuch für audiovisuelle Auftragsproduktionen. Zürich 1998, S. 63 47 3. Konzeption (Preproduction) | Operative Ebene — — — — — kollektivvertragliche Bestimmungen Produktionsvoraussetzungen 48 Masterbänder, Kopien, Belegkassetten Handlungsunkosten Budget Reserve Schlechtwetterrisiko Gewinn Die Film- und Fernsehbranche und damit auch die Videoproduktion unterliegen je nach Land unterschiedlichen kollektivvertraglichen Bestimmungen, teilweise sind sie gewerkschaftlich hoch organisiert. Wer im Ausland produziert, tut gut daran, sich vorab im Detail über die jeweiligen Produktionsvoraussetzungen und Landesbestimmungen zu informieren. 49 4. Produktion | Das Produktionsteam 4. PRODUKTION 4.1. Das Produktionsteam Das Produktionsteam ist je nach Projekt unterschiedlich groß. Bei großen Videoprojekten, deren Produktionsweise industriellen Fertigungsprozessen gleicht, können dutzende Menschen einem Produktionsteam angehören. Bei kleinen Produktionen kann das Produktionsteam im Extremfall aus einer Person bestehen, die sowohl die redaktionelle Entwicklung, als auch die Produktion und die Postproduktion selbst durchführt. Die ersten Produktions-Erfahrungen sammelt man aber am besten in einem kleinen Produktionsteam, das sich versteht und wo ein intensiver Diskurs möglich ist. Gerade als Newcomer – in welchem Bereich man auch immer tätig ist – kann man von erfahrenen Regisseuren, Kameraleuten etc. viel lernen, wenn man zuvor deren Bereitschaft erwirkt hat, aus der Schule zu plaudern und ihre Entscheidungen zu begründen. In einem arbeitsteiligen Verfahren, z.B. bei der Produktion eines größeren Werbesepots fürs Fernsehen, werden folgende Funktionen festgelegt: Produktion, Regie und Regieassistenz, Aufnahmeleitung, Kamera und Kameraassistenz, Tonmeisterei und Tonassistenz, Lichtmeisterei und Lichtassistenz, Dekoration, Kostümbildner, Maske. Sinnvoll ist es, wenn jedes Teammitglied seinen definierten Aufgabenbereich hat, dass man sich aber in der gemeinsamen Arbeit auch gegenseitig unterstützt. Gerade beim Einleuchten sind oft wechselseitige Hilfestellungen notwendig. Im Team sollten keine hierarchischen Entscheidungen notwendig sein, vielmehr sollte versucht werden, einen Konsens zu erzielen. Letztlich trägt aber die Regie die Verantwortung, denn sie bildet die Klammer über den gesamten Gestaltungsprozess, von der Preproduction bis zur Fertigstellung 50 intensiver Diskurs Klammer über Gestaltungsprozess 51 4. Produktion | Das Produktionsteam 4. Produktion | Frame und ist gegenüber dem Produzenten oder dem Auftraggeber verantwortlich. 4.1.1. Eindeutigkeit und Gemeinsamkeit Teamfindung Moodboards 52 Etwas vom Wichtigsten im Produktionsprozess ist, dass alle Teammitglieder die Aufgabenstellung exakt kennen und sich darauf einlassen. Wenn der Kameramann vom Regisseur über Gestaltungsfragen nicht detailliert in Kenntnis gesetzt wird, er auch nicht weiß, welches Thema behandelt und wofür der Beitrag produziert wird, es zudem unklar bleibt, unter welchen Rezeptionsbedingungen das Publikum die fertige Arbeit sieht, wird er sich schwer tun, einen adäquaten Kamerastil zu finden. Wenn der Assistent die Aufgabenstellung nicht kennt, wird dieser möglicherweise das falsche Equipment zusammenstellen und am Drehort fehlt dann zum Beispiel das so dringend benötigte Funkmikrofon. Gerade bei einer erstmaligen Zusammenarbeit ist die Teamfindung sehr wichtig. Dafür sollte auch Zeit eingeräumt werden. Es ist hilfreich, in frühere Produktionen Einschau zu nehmen, diese zu diskutieren und zu begründen. Erfahrungsgemäß helfen solche Gespräche bei der gemeinsamen Festlegung gestalterischer Parameter. Eine hilfreiche Methode ist auch die Gestaltung eines „Moodboards“. Ein Moodboard ist eine Sammlung von Materialien, die Stimmung und Tonlage einer geplanten Videoarbeit wiedergibt. Einigt sich das Produktionsteam auf ein Moodboard, kann dies immer wieder hergenommen und wie eine Stimmgabel eingesetzt werden. Der Chor der Mitwirkenden in einem Videoprojekt kann sich auf diesen gemeinsamen „Grundton“ einlassen und von ihm aus den gemeinsamen Zugang zum Arbeitsauftrag suchen. 4.2. Sprache als Metapher für Videoeinheiten Zum leichteren Verständnis der Syntax von Video sei hier ein Vergleich mit der Textgestaltung angeboten. Jede Videoeinheit findet ihre Entsprechung in Textbausteinen. 1. 2. 3. 4. 5. 6. Textbausteine Buchstabe – Frame, Bild, Kader Wort – Einstellung Satz – Szene (oft auch als Sequenz bezeichnet) Absatz – Sequenz Kapitel – Akt Werk – Werk 4.3. Frame Ein Einzelbild eines Videos wird auch als Frame oder Kader bezeichnet. Davon leitet sich der Begriff Kadrage ab. Wie der englische Begriff „framing“ meint er die Gestaltung des Bildausschnittes, es geht dabei um die Art und Weise, wie das Motiv ins Bild gesetzt wird. Die Anzahl der Frames in Bewegtbild-Medien ist unterschiedlich. Im europäischen PAL-Fernsehen wird mit 25 Bildern pro Sekunde gearbeitet. Genaugenommen sind es 50 Halbbilder, die über den Bildschirm gesendet werden. Der 35mm Kinofilm arbeitet mit 24 Vollbildern. Beim Transfer von einem Medium ins andere sind die jeweiligen technischen Voraussetzungen genau zu klären und zu berücksichtigen. 53 4. Produktion | Kameraeinstellung 4. Produktion | Kameraeinstellung 4.4. Mise en Scéne Abgeleitet vom Theater hat sich in der Filmwelt der Begriff von Mise en Scéne etabliert. James Monaco stellt in seinem Standardwerk „Film verstehen“ fest: „Der Filmemacher sieht sich mit drei Fragen konfrontiert: Was er filmen soll, wie er es filmen soll, wie er die Einstellung präsentieren soll. Die Mise en Scéne ist wichtig für die ersten zwei Bereiche, die Montage für den letzten.“20 In der Phase der Filmproduktion – und damit in den folgenden Abschnitten des Kapitels 3 – geht es vor allem um die Frage, was und wie gefilmt werden soll. 4.5. Kameraeinstellung Kategorisierung Zunächst zur Kategorisierung von Kameraeinstellungen, die ja – wie früher schon erläutert – durch das Ein- und Ausschalten der Kamera begrenzt werden. Gleichzeitig mit dem Realbild zeichnet die Kamera auf das Videoband auch den Timecode auf. Abhängig von der Wahl des Timecodesystems wird jeder Kader numerisch exakt definiert. Die Angaben enthalten in der Regel: Stunden:Minuten:Sekunden:Frames Die Länge der Einstellung kann im Kamerasucher oder im Kameradisplay ersichtlich gemacht werden. Der Timecode bleibt immer in Verbindung mit dem Videobild, auch während der Nachbearbeitung im Computer. Die Kadrage von Einstellungen erfordert Übung und Erfahrung, macht sie doch die ästhetische Haltung der Kamerafrau, des Kameramannes sichtbar. Im Englischen wird der Begriff Einstellung als Shot bezeichnet. Werden von einem Shot mehrere Varianten gedreht, spricht man vom Take. Ein Beispiel: Von der Einstellung oder dem Shot 18 werden mehrere Varianten, Takes, gedreht, die dann ebenfalls nummeriert werden. Auf der Filmklappe heißt es dann z.B.: Shot 18, Take 3. Oft werden aber die Begriffe Shot und Take synonym verwendet. Kadrage Shot, Take Wir unterscheiden zwischen zwei großen Gruppen von Einstellungen: 1. Stand (Simple shot) 2. Kamerabewegung a. Kamerabewegungen bei unverändertem Standpunkt (im Englischen Complex Shot), das sind Schwenk (Pan, Tilt) und Zoom b. Die Kamera bewegt sich im Raum (Kameragang, Kamerafahrt, im Englischen Developing Shot) Hier werden in Anlehnung an Roy Thompsons Büchlein „Grammar of the Edit“ die englischen Bezeichnungen favorisiert, da sie aus Erfahrung besser geeignet sind, die Einstellungstypen auseinander zu halten.21 20 54 Monaco, James: Film verstehen. Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Medien mit einer Einführung in Multimedia. Reinbeck bei Hamburg 1995, S. 187 f. 21 Vgl. Thompson, Roy: Grammar of the Edit. Oxford 2001, S. 14 ff. 55 4. Produktion | Kameraeinstellung 4. Produktion | Kameraeinstellung Objektiv Kamera Stativ Simple Shot Motiv x Complex Shot x x Developing Shot x x x x x Die Kreuze stehen für die den shot charakterisierenden Veränderungen. Bei der Gestaltung von Einstellungen geht es immer um die Antworten auf einen grundlegenden Fragenkatalog und die Möglichkeiten der Kamerafrauen, -männer, die Ergebnisse zu beeinflussen. Paul Sedlacek formuliert die drei grundlegenden Fragen so: — „Die erste Frage müsste sein: was ist handlungsrelevant? Was will ich zeigen? — Die zweite Frage: Welche Einstellung kommt in der Montage vorher? Welche nachher? Welche Einstellungsgröße brauche ich? — Die dritte Frage: Was muss ich im Sinne der Kontinuität bei den Anschlüssen beachten? Welche Bewegungsrichtung hat mein Motiv? Welche Blickrichtung haben die Darsteller?“22 Kameraposition Licht, Farbe Weitere Tehmen sind: Wo positioniere ich die Kamera im Verhältnis zum Motiv? – Kamerabewegungen, Handkamera oder Stativ (Kran, Dolly, Panther, Wahl der Perspektive) Wie sind Licht und Farben bestellt? – Lichtintensität (Blende, Shutter, vorhandenes Licht, Zusatzbeleuchtung, Schatten), Farbe des Lichts (Weißabgleich, Tageslicht oder Kunstlicht, Folien, Filter), Farben des Motivs … Wie sieht es mit der Schärfe aus? – Tiefenschärfe, Schärfenverlagerung 22 56 Welche Position nimmt das Motiv im Bild ein, wie bewegt es sich im Raum? – Bild- und Bewegungskomposition, Personenund Objektführung, Shutterzeit (z.B. bei Sportaufnahmen) 4.5.1. Einstellungsdauer Entscheidend für die Wahl der Einstellungslänge ist die Zeit, die Zuseher benötigen, um den Aussagewunsch eindeutig zu erkennen. Am Drehort besteht häufig die Gefahr, dass zu kurze Einstellungslängen gewählt werden. Der Grund dafür liegt darin, dass die Motive dem Produktionsteam bestens bekannt sind und auch räumlich wahrgenommen werden. Zuseher sehen das Motiv meist zum ersten Mal. Der erstmalige Erkennungsprozess dauert länger als der Prozess des Wiedererkennens. Deshalb ist es wichtig, am Drehort die Einstellungsdauer lange genug zu wählen. Die Einstellung kann dann beim Schnitt immer noch gekürzt werden. Einstellungslänge 4.5.2. Brennweite Die Brennweite ist eine Längenangabe über den Abstand der Linse des Objektivs zum Brennpunkt auf den Bildsensoren. Bei Videokameras sind diese Bildsensoren Röhren oder – bei digitalem Video – Chips. Bei einer langen Brennweite des Teleobjektivs ist der Winkel des Objektivs schmal, das Motiv wird groß dargestellt. Beim weiten Winkel eines Weitwinkelobjektivs ist der Winkel – wie der Begriff ja vermuten lässt – groß. Der abgebildete Gegenstand erscheint hingegen kleiner. Teleobjektiv Weitwinkelobjektiv Sedlacek (wie Anm. 15) 57 4. Produktion | Kameraeinstellung 4. Produktion | Kameraeinstellung Das Teleobjektiv lässt ein Bild flacher wirken. Weitwinkelaufnahmen haben hingegen eine starke räumliche Tiefe. Wir teilen die Einstellungsgrößen in drei Bereiche, nämlich totale Einstellungen, mittlere Einstellungsgrößen und in große Einstellungen ein. Jeder dieser Bereiche von Einstellungsgrößen wird wiederum in drei Größenbereiche unterteilt, sodass wir eine Skala mit neun Einstellungsgrößen zur Verfügung haben. Brennweite 4.5.3. Tiefenschärfe Tiefenschärfe Die Tiefenschärfe steht in engem Zusammenhang mit der Blendenwahl und der Wahl der Brennweite. Eine kleine Blendenöffnung mit einem großen numerischen Blendenwert ergibt eine größere Tiefenschärfe. Umgekehrt ergibt eine große Blendenöffnung mit kleinem Blendenwert eine geringe Tiefenschärfe. 4.5.4. Einstellungsgröße Einstellungsgröße 58 ein Interpretationsspielraum gegeben. Ein plakatives Beispiel: Wenn ein Haus für die Handlung wesentlich ist, dann ist es sinnvoll, das Haus in einer totalen Einstellung darzustellen. Es braucht dann natürlich keine Flugaufnahme der Stadt oder gar eine Satellitenaufnahme. totale, mittlere, große Einstellungen Jede Einstellungsgröße erfüllt eine spezielle Kommunikationsaufgabe. Totale Einstellungen liefern einen Überblick. Mittlere Einstellungsgrößen konkretisieren oder neutralisieren, je nach vorangegangener Einstellung, sie zeigen Interaktion. Große Einstellungsgrößen eröffnen einen nahen Blick, einen Einblick in Geschehnisse oder psychische Zustände. Große Einstellungen haben grundsätzlich eine größere Bedeutung, mehr Gewicht als totale. Im täglichen Produktionsprozess ist es wichtig, dass zwischen Regie und Kamera Übereinstimmung in der Definition der Einstellungsgrößen herrscht. Im Zweifelsfall ist es besonders bei einer erstmaligen Zusammenarbeit ratsam, die Größenbezeichnungen, vor allem auch im Zusammenhang mit der zur Verfügung stehenden Kameraoptik zu überprüfen. Sonst kann es vorkommen, dass der Regisseur eine totale Einstellung wünscht, der Kameramann aber eine weite totale Einstellung liefert. Übereinstimmung Die Definition der Einstellungsgröße ist wichtig für die Beschreibung von Einstellungen in der Kommunikation mit dem Produktionsteam. Die Skala ist allerdings nicht so scharf, wie beispielsweise bei metrischen Angaben. Denn Einstellungsgrößen beziehen sich immer auf das Motiv und damit ist auch 59 4. Produktion | Kameraeinstellung | Einstellungsgröße 4.5.4.1. Extrem weite Totale, Extremely Long Shot (ELS) Überblick Diese Einstellungsgröße liefert einen Überblick über eine Örtlichkeit. Sie ist neutral, lässt im Hinblick auf künftige Ereignisse alles offen oder neutralisiert Vorangegangenes. 4.5.4.2. Weite Totale, Very Long Shot (VLS) kommendes Geschehen 60 Auch die weite Totale ist eine Überblickseinstellung. Sie lässt kommendes Geschehen erahnen oder sie entfernt sich vom Geschehen. Noch ist die Umgebung wichtiger als das eigentliche Motiv. 4. Produktion | Kameraeinstellung | Einstellungsgröße 4.5.4.3. Totale, Long Shot (LS) Die Totale Einstellung vermittelt ein Gesamtmotiv in seiner Umgebung. Totale verlangen nach größeren Einstellungen, sie sind emotional schwach, die Originaltonzuordnung ist oft noch schwierig, Einzelheiten gehen unter. Gesamtmotiv 4.5.4.4. Halbtotale und Amerikanische, Medium Long Shot (MLS) Die Halbtotale gehört zu den mittleren Einstellungsgrößen. Wird von einer Totalen auf mittlere Einstellungsgröße geschnitten, gewinnt das Motiv an Bedeutung, während das Umfeld an Bedeutung verliert. Eine Sonderform der halbtotalen Einstellung bildet die sogenannte Amerikanische, eine Einstellung, die im Western oft zu sehen ist und einen Menschen ab den Knien aufwärts darstellt, damit der Colt neben der baumelnden Hand noch zu sehen ist. 61 4. Produktion | Kameraeinstellung | Einstellungsgröße Amerikanische Western Das Hauptmotiv ist nun eindeutig der wichtigste Bildinhalt, wichtiger als der umgebende Bereich. 4. Produktion | Kameraeinstellung | Einstellungsgröße 4.5.4.6. Nahe, Medium Close Up (MCU) Die Nahe ist eine häufige Fernseheinstellung, in der z.B. eine Person direkt in die Kamera spricht. Es handelt sich um die klassische „Aufsager-Position“, in der der Oberkörper ab der Hüfte dargestellt wird. Die Betrachter sind schon realtiv nahe beim Motiv. Der Abstand erlaubt aber noch Entscheidungsfreiheit, ob man gleichsam ins Geschehen einsteigen oder sich zurückziehen will. „Aufsager-Position“ 4.5.4.5. Halbnahe, Medium Shot (MS) Respektabstand In der halbnahen Einstellung wird noch Respektabstand gewahrt, aber es wird bereits eine Beziehung zum Motiv aufgebaut. Erste, noch schwache Emotionen werden vermittelt. Bei Menschen ist die Körpersprache deutlich erkennbar. Körpersprache, Körperzonen verlangen zuordenbare, totalere Einstellungen oder sie wecken die Neugierde auf größere Einstellungen. 4.5.4.7. Große, Close Up (CU) Die große Einstellung vermittelt kleinste emotionale Regungen, die Betrachter sind quasi ins Motiv einbezogen und im unmittelbaren Kontakt mit ihm. Die Umgebung ist nicht mehr wichtig und wird nur noch neben den Konturen des Hauptmotivs frei gegeben. 62 63 4. Produktion | Kameraeinstellung | Einstellungsgröße Große Die Große Einstellung ist Ausgangspunkt für die Darstellung des Details oder für die Entfernung in eine mittlere Einstellungsgröße. 4. Produktion | Kameraeinstellung | Einstellungsgröße 4.5.4.9. Detail, Extreme Close Up (ECU) Eine Detaileinstellung lässt das Hauptmotiv oft nur noch vermuten und wirkt oft nur noch symbolhaft und abstrakt. Sie verlangt nach einer totaleren Einstellung. Die Detailaufnahme und die Sehr Große sollten als Informationszuwachs empfunden werden und nicht als Informationsbeschränkung. symbolhaft, abstrakt 4.5.4.8. Sehr Große, Big Close Up (BCU) Intimität 64 Eine Sehr Große Einstellung vermittelt Intimität und macht betroffen. Es gibt keine sichtbare Umgebung mehr. Nur noch das Motiv ist sichtbar. Der Wunsch nach einer totaleren Einstellung wird spürbar. 65 4. Produktion | Kameraeinstellung 4. Produktion | Kameraeinstellung 4.5.5. Weitere standardisierte Einstellungsbezeichnungen Doppel Mit dem Doppel ist eine klassische, nicht unbedingt durch die Motivgröße definierte Einstellung gemeint, die die Beziehung und Interaktion zwischen zwei Personen zum Inhalt hat. Over Sholder bezeichnet eine wichtige Einstellung bei der Darstellung einer Gesprächssituation zwischen zwei Personen. Die handelnde Person wird dabei von vorne dargestellt. Die Kamera nimmt die Position hinter der von ihr angeschnittenen Schulter der zuhörenden Person ein. 66 Three Shot Der Three shot zeigt drei Personen in Interaktion und liefert eine Totale des Geschehens. Meist ist der Three Shot eine Übergangseinstellung entweder näher hin zum Geschehen oder weg von ihm. Subjektive Einstellung, Point of View (POV) Die Subjektive Einstellung bringt die Sicht einer handelnden Person und zeigt, was diese Person sieht. (Es ist eine Einstellung, die die Handlungsachse neutralisiert, wie unter dem Kapitel Handlungsachse näher erläutert wird.) 67 4. Produktion | Kameraeinstellung Schuss – Gegenschuss Der Begriff stammt aus der Welt des Westerns und ist in den Duellszenen deutlich ausgeprägt. Dieses Prinzip, das in der Dramatik des Show Down sehr ausgeprägt dargestellt wird, wurde auch für die Gesprächssituation übernommen und ist für viele Reizreaktionssituationen anwendbar. z.B. 1. Einstellung: Übersichtstotale über die Gesprächssituation 2. Einstellung: Over Sholder des Befragten, Fragesteller mit der Eröffnungsfrage 3. Einstellung: Subjektive des Befragten, zeigt Ende der Frage des Fragestellers 4. Subjektive des Fragestellers mit der Antwort 4. Produktion | Kameraeinstellung | Bildgestaltung 4.5.6. Bildgestaltung 4.5.6.1. Perspektive Die Perspektive wird auch als Einstellungsrichtung bezeichnet. Sie bestimmt das räumliche Verhältnis zwischen der Kamera und dem Motiv. Ändert sich der Standpunkt der Kamera, dann ändert sich auch die Perspektive und damit ändern sich zumindest Teile des Bildinhalts und die Bildwirkung. Einstellungsrichtung Bei der Definition der Normalperspektive gibt es unterschiedliche Auffassungen. Während die einen von in der Natur vorkommenden Größenverhältnissen ausgehen, nehmen andere die Bildwirkung als Maßstab. Dies sei am Beispiel der Augenhöhe erläutert. Erstere gehen davon aus, dass bis zu einer Abweichung der Kamerahöhe von +/- 10% der Augenlinie von Normalperspektive Hier zwei Over-Shoulder-Einstellungen im Schuß- und Gegenschuß-Prinzip: 68 69 4. Produktion | Kameraeinstellung | Bildgestaltung Normalperspektive gesprochen werden kann, denn etwa 10% beträgt die Größenabweichung von durchschnittlich großen Erwachsenen. Andere wiederum vertreten die Ansicht, dass nur dann von Normalperspektive gesprochen werden kann, wenn die Kamera exakt in Augenhöhe positioniert ist. Faktum ist, dass bereits bei geringer Abweichung der Kamerahöhe von der Augenhöhe der Mensch stärker oder schwächer wirkt. Auch hier gilt wieder: Das Team von Gestalterinnen und Gestaltern muss wissen, wovon die Rede ist. „von unten“ „von oben“ Die Perspektive „von unten“ findet ihre extreme Ausprägung in der Bezeichnung Froschperspektive. Wird ein böswilliger Mensch in der Froschperspektive aufgenommen, wirkt er noch bedrohlicher. Darüber hinaus wird eine ganze Palette von Eigenschaften, wie z.B. Arroganz, Selbstsicherheit, Machtbewusstsein, Kraft verstärkt. Das kann bedrohlich sein, muss es aber nicht. Umgekehrt verhält es sich mit der Perspektive „von oben“. Auch hier kann Vieles ausgelöst werden: Mitleid, Kompetenzverlust, Angst vor Bedrohung ect. In einer extremen „von oben“ Ausprägung wird von der Vogelperspektive gesprochen, die zusätzlich zu den geschilderten Bildwirkungen auch einen Überblick über ein Geschehen oder einen Ort vermitteln kann.23 Zusammenfassend seien hier die in der Kommunikation von Produktionsteams geläufigsten Perspektivenbegriffe erwähnt: Froschperspektive Vogelperspektive — — — — von unten, Froschperspektive Normalperspektive von oben, Vogelperspektive von vorn, seitlich rechts, seitlich links, von hinten Die Wahl der Perspektive sollte nie beliebig erfolgen, schließlich wird mit der Wahl der Kameraposition im Verhältnis zu einem 23 70 4. Produktion | Kameraeinstellung | Bildgestaltung Motiv immer auch ein Standpunkt bezogen. Jede Einstellung hat ihre psychologische Wirkung. Gut lässt sich dies mit dem Kind-Erwachsenen-Verhältnis erklären. In der Regel sieht ein Kind einen vor ihm stehenden Erwachsenen in der „von unten“ Perspektive. Der Erwachsene wirkt übermächtig. Aus der „von oben“ Sicht des Erwachsenen wirkt das Kind hingegen hilfsbedürftig. Bildwirkung, von unten und von oben DVD-K3: Szene „René an Deck“ Wie das Motiv, der Inhalt des Bildausschnitts angeordnet wird, ist eine Frage der Bildkomposition. Zuseher erleben Bilder auf ganz unterschiedliche Art und Weise, manchmal als spannend oder auch als fad und flach. Wird der wichtigste Bildinhalt immer in der Mitte des Kaders platziert, entsteht schnell Langeweile. Die Beachtung einiger Regeln kann helfen, Bilder interessant und spannend zu gestalten. Bildkomposition 4.5.6.2. Drittel Regel, Goldener Schnitt Viele Kunstwerke von der Antike bis in die Gegenwart, in der bildenden Kunst und in der Architektur, gehorchen einer un- von der Antike bis in die Gegenwart Vgl. Sedlacek (wie Anm. 15) 71 4. Produktion | Kameraeinstellung | Bildgestaltung Verhältnis Balance 4. Produktion | Kameraeinstellung | Bildgestaltung bewusst bleibenden Gesetzmäßigkeit, dem sogenannten Goldenen Schnitt. Das Verhältnis der beiden Teilstrecken C zu B entspricht dem Verhältnis von B zu A. Der Goldenen Schnitt beschreibt ein Teilungsverhältnis von etwa 3:5, exakt 1:1,618. Dieses Verhältnis wird als besonders harmonisch empfunden. Teilt man nun die Seitenlänge und Seitenbreite eines Videobildes im Verhältnis des Goldenen Schnitts auf und verbindet diese Teilungspunkte mit den gegenüberliegenden Teilungspunkten, entstehen Schnittpunkte, die auch als Hauptbildpunkte bezeichnet werden. Hier liegen, falls eine harmonische Darstellung erreicht werden soll, ideale Platzierungen für die aussagekräftigen Motive. Die Balance darf jedoch nicht verloren gehen. Natürlich kann auch besondere Spannung dadurch erzeugt werden, dass diese Hauptbildpunkte von Gestaltern bewußt kontakariert werden. 4.5.6.4. Tiefenschärfe Analysieren wir ein Videobild, dann werden wir feststellen, dass die Bildschärfe meist nicht über das gesamte Bild gleichmäßig verteilt ist. Oft wird der Schärfenbereich nur auf einen Bildausschnitt konzentriert, beispielsweise auf das Gesicht eines Protagonisten, während Gegenstände im Vorder- und Hintergrund unscharf erscheinen. Schärfenbereich, Bildausschnitt 4.5.6.3. Vordergrund, Mittelgrund, Hintergrund Die Einteilung in die drei „Gründe“ des Bildes ist dann besonders wichtig, wenn die Gliederung des Motivs in der Tiefenwirkung wichtiger ist als in der Breite. Zu beachten ist, dass das Bild möglichst einen visuellen Abschluss durch einen Fluchtpunkt erhält und im Hintergrund nicht einfach zerfließt. 72 73 4. Produktion | Kameraeinstellung | Bildgestaltung Durch Schärfen-Verlagerungen kann der Blick der Betrachter gelenkt werden. 4. Produktion | Kameraeinstellung | Bildgestaltung 4.5.6.5. Blick lenkende Gestaltungsparameter, Vektoren Vektoren lenken den Blick der Betrachter, deren Aufmerksamkeit. Wenn möglich, sollte der Fluchtpunkt, das ist der Punkt, an dem sich Vektoren treffen, innerhalb des Bildes liegen, es sei denn, man möchte auf etwas außerhalb des Bildes hinweisen. Gibt es innerhalb des Bildes keinen Punkt, an dem sich die Bild gestaltenden Linien treffen, sprechen wir von einem Bild, das zerfließt. Auch hiezu ein Beispiel aus der René Kremser Dokumentation: Grafische Vektoren ergeben sich aus der Bildkomposition, beispielsweise aus Architekturlinien oder aus der Lichtführung. Grafische Vektoren DVD-K5: „grafischer Vektor“ DVD-K4, Umschärfen, Szene: „Dialog im Unterricht“ Aufmerksamkeit Indexvektoren verweisen auf etwas. Indexvektoren können z.B. Gesten oder Richtungspfeile sein. Indexvektoren Auf die in einer Gesprächssituation jeweils aktive Person kann durch das Umschärfen die Aufmerksamkeit gelenkt werden. Das formale Gestaltungsmittel des Umschärfens kann in parallel laufenden Aktivitäten zum Einsatz gebracht werden, erfordert aber für eine perfekte, spontane Ausführung eine gute Kamerabeherrschung. DVD-K6: „Hinweisender Vektor“ 74 75 4. Produktion | Kameraeinstellung | Bildgestaltung Bewegungsvektor Bewegungsvektoren entstehen durch ein sich im Bild bewegendes Motiv. Aus der Bewegungsrichtung ergibt sich eine Richtungsdynamik, die eine Lenkungsfunktion für die Betrachter übernimmt. Das Auge folgt der Bewegung. 4. Produktion | Kameraeinstellung | Bildausschnitt und Motiv Geschehen – wie im nachstehenden Beispiel – von außen in das Bildmotiv hinein spielt. Hier ist aus dem Kontext heraus klar, dass es sich um ein Fotoshooting handelt. Geschehen von außen spielt also in die Bildkomposition hinein. Es handelt sich deshalb um eine offene Form, die in der Szenenbildung auch aufgelöst werden sollte, es sei denn, die Gestalter wollen Fragen aufwerfen, die nicht beantwortet werden, z.B. wer der Fotograf sei. offene Form DVD-K7: „Bewegungsvektor“ Gerade in einem ansonsten ruhigen Motiv fällt die kleinste Bewegung auf. Eine stärkere Bewegung dominiert die schwache, eine schnelle Bewegung die langsame. Dabei ist es aber wichtig zu beachten, dass damit die Bewegung am Screen gemeint ist und nicht die physikalische Geschwindigkeit. Das Flugzeug im Hintergrund fliegt zwar in der Realität schnell. Die Bewegung am Screen ist im Vergleich dazu jedoch langsam. Die Bewegung der Person im Vordergrund mag real langsam sein, wird aber, weil wesentlich näher an der Kamera, am Screen als viel schneller wahrgenommen. Hingegen bedeutet eine geschlossene Form, dass Protagonisten ständig ins Bild gesetzt sind, oft auch in einer mittigen Anordnung. Die Aufmerksamkeit der Betrachter wird dadurch ausschließlich bei der handelnden Personengruppe gehalten. geschlossene Form 4.5.7. Bildausschnitt und Motiv 4.5.7.1. Offene und geschlossene Form Spielt in einer Szene die Umgebung des Motivs mit, dann sprechen wir von einer offenen Form. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Protagonist den Bildraum betritt oder verlässt, 76 77 4. Produktion | Kameraeinstellung | Bildausschnitt und Motiv 4.5.7.2. Kopfraum und Blickraum Kopffreiheit In einer nahen Einstellung einer Person sollte oberhalb des Kopfes noch etwas Raum gelassen werden. In der Regel will man ja nicht den Eindruck vermitteln, dass jemandem die Decke auf den Kopf fällt. Bei Zufahrten und Zooms ist darauf zu achten, dass die Augenlinie erhalten bleibt. In einer großen Einstellung deckt das Motiv den gesamten Kader ab. 4. Produktion | Kameraeinstellung Diese Regeln gelten immer dann, wenn es um eine harmonische Bildkomposition geht. Will ich als Gestalter die Harmonie brechen, dann kann auch dieses Regelwerk gebrochen werden. 4.5.7.3. Raum in Bewegungsrichtung Raum braucht ein Motiv auch in der Bewegungsrichtung. Öffnet sich der Raum hingegen hinter der Bewegungsrichtung, entsteht der Eindrck, dass sich das Motiv auf der Flucht befindet. 4.5.8. Physiologische Anmerkungen Zunächst seien zwei kleine Experimente vorgeschlagen: — Beobachten Sie bei einer lesenden Person die Pupillen: Sie sehen, dass sich die Pupillen von einem Fixpunkt zum nächsten Fixpunkt tasten. Nur an den Fixpunkten wird der Text gelesen, also nur am Fixpunkt wird der Inhalt des Textes aufgenommen. Blickrichtung Raum Das Motiv braucht in der Blickrichtung Raum. Vor dem Gesicht sollte in der Regel mehr Raum sein als hinter dem Kopf. richtig 78 falsch — Ein kleiner Selbstversuch: Blicken Sie mit einer drehenden Kopfbewegung von einem Gegenstand, der sich links von ihnen befindet, relativ rasch zu einem Gegenstand am rechten Rand ihres Gesichtsfeldes: Wie wird der Raum zwischen den Gegenständen wahrgenommen? – Er erscheint ver-wischt, verschwommen. Was können wir daraus schließen? Das menschliche Auge ist kein Scanner, der kontinuierlich ein Bildmotiv abtastet. Vielmehr springt es von Fixpunkt zu Fixpunkt und nimmt in einem Augenblick der relativen Ruhe den Bildinhalt auf. Genau genommen handelt es sich nicht um Fixierungen des Auges, denn selbst innerhalb der Fixierungen kommt es zu Microbewegungen, sodass der Fixpunkt des Auges eine Ansammlung das Auge ist kein Scanner Fixpunkte 79 4. Produktion | Kameraeinstellung 4. Produktion | Kameraeinstellung von Fixierungen ist. An den Fixpunkten nimmt das Auge die Information auf, leitet diese Information über Formen und Farben an das Gehirn weiter, wo das Gesehene verarbeitet wird. Den Sprung von einem Fixpunkt zum nächsten nennt man Saccaden. In den Saccaden wird so gut wie keine Information aufgenommen. Die Aufnahme eines Motivs mit einer stehenden, sich in Ruheposition befindlichen Kamera, kommt dieser natürlichen Sehweise des Menschen sehr entgegen. Video-Laien versuchen oft die Enge des Suchers dadurch aufzubrechen, indem sie mit der Kamera ständig schwenken und zoomen. Genau das widerspricht aber der natürlichen Informationsaufnahme über den Sehsinn. Wer schon einmal Besucher einer Ausstellung beobachtet hat, stellt fest, dass beim Studium eines Bildes die Betrachter sich meist aus einer gewissen Entfernung einen Überblick über das Kunstwerk verschaffen. Dann gehen sie näher zum Bild, verändern den Blickwinkel, studieren aus unterschiedlichen Positionen Details, um sich am Schluss nochmals einen Überblick zu verschaffen. Die Betrachtung erfolgt aber meist aus einer Ruheposition heraus. In den nachfolgenden Kapiteln werden die Kameraeinstellungen weiter erläutert und es wird erklärt, wie man mit Hilfe von mehreren Kameraeinstellungen eine Situation auflöst. 4.5.9. Überblick über die Einstellungsarten Wie schon erwähnt, unterscheidet Roy Thompson in seinem Buch „The Grammar of the Edit“ drei verschiedene Kategorien von Einstellungen, nämlich: — simple shot — complex shot — developing shot24 24 80 In der Übersetzung könnten dafür die Begriffe Stand, Schwenk und Kamerafahrt stehen. Die englische Bezeichnung ist treffend gewählt. Denn die Anforderungen an die Kamerabedienung steigen vom simple shot zum devloping shot exponentiell an. Viel Übung ist erforderlich. Neben einer guten Kameraführung müssen sämtliche bereits genannten Gestaltungsparameter der Mise en Scéne und der Kadrage berücksichtigt werden, dazu kommt dann noch die Führung des Motivs. Die Entwicklung von zum Teil elektronisch steuerbaren Stativen, Kameraseilbahnen, Kamerakränen etc. hat zu einer wesentlich häufigeren Verwendung von dynamischen Einstellungen geführt. Die Firma des öster-reichischen Kameramannes Georg Riha nimmt dabei eine weltweit führende Stellung ein. In seinem bekannten und mehrfach ausgezeichneten Universum-Portrait über den Wiener Stephansdom, mit dem Titel „Der lebende Dom“, aus dem Jahre 1997, wird die Pionierleistung besonders deutlich. Dennoch ist es für die Gestalter möglich, fast jeden Aussagewunsch auch mit einer Reihe von simple shots zu formulieren, vielleicht nicht so spektakulär, aber dennoch inhaltlich adäquat. Erfahrene Kameraleute nennen als Faustregel für Kameraeinstellungen in Dokumentarvideos ein Verhältnis von 1:10, auf zehn simple shots kommt ein complex oder developing shot. dynamische Einstellung Verhältnis 1 : 10 4.5.10. Stand Der oben geschilderten Eigenheit der menschlichen Wahrnehmung entspricht der Kamerastand am ehesten. Allerdings steht der Mensch nicht statisch wie die Kamera am Stativ. Sedlacek Kamerastand Thompson (wie Anm. 21), S. 14 ff. 81 4. Produktion | Kameraeinstellung | Kamerabewegungen spricht deshalb davon, dass es sich bei dieser als natürlich empfundenen Art der Wahrnehmung um die traditionelle, eingelernte Filmsprache handle.25 Die Einstellungslänge ist dabei so zu bemessen, dass dem Auge Zeit gegeben wird, die Information aufzunehmen. Die Kamera bewegt sich dabei nicht, bleibt also starr, lediglich das Motiv kann sich in Bewegung befinden. 4. Produktion | Kameraeinstellung | Kamerabewegungen 4. Kamerabewegungen werden langsam ausgeführt. Nur dann ist gewährleistet, dass die Augen des Betrachters die Haltepunkte finden, um die Bildinhalte aufnehmen zu können. Dies gilt vor allem dann, wenn es darum geht, eine eindeutige Bildinformation zu erzielen. Überall dort, wo es um emotionale, atmosphärische oder assoziative Kommunikationsziele geht, wird oft mit sehr schnellen Kamerabewegungen gearbeitet. langsam 5. Sämtliche Kamerabewegungen bedürfen einiger Übung, um sie kontinuierlich ausführen zu können, vor allem dann, wenn sie im Telebereich ausgeführt sein sollen. Ruckelschwenks stören beim Betrachten der Einstellungen und wirken unprofessionell. Bei Schwenks im Telebereich ist zu beachten, dass die Veränderung des Bildinhaltes sehr dynamisch ist. Sie müssen deshalb in der Regel besonders langsam ausgeführt werden. (s. auch Reißschwenk, 4.5.12.2.) Übung 4.5.11. Kamerabewegungen, Überblick Drei Voraussetzungen nennt Paul Sedlacek für die Entscheidung, Kamerabewegungen einzusetzen: 1. Kamerabewegungen sollten der Aussage entsprechen oder sie zumindest verstärken. Es braucht also eine inhaltliche Begründung dafür. 2. Man muss zwischen sogenannten Ausgleichsbewegungen und dramaturgisch bedingten Blickänderungen unterscheiden. 3. Die Bewegung hängt von der Komplexität des Bildes ab.26 eindeutige Bildaussage Stand – Stand Gegenrichtung Für die Ausführung von Kamerabewegungen sind beim Dreh zudem folgende Hinweise handwerklicher Art hilfreich: 1. Kamerabewegungen werden dann, wenn es um das Erzielen von eindeutigen Bildaussagen geht, sparsam eingesetzt. 2. Kamerabewegungen beginnen in einem Stand und enden in einem Stand. Oft entscheidet sich erst beim Schnitt, wie die bewegte Einstellung angelegt wird. 3. Wenn möglich wird, vor allem bei lebenden Objekten, jede Kamerabewegung auch in der Gegenrichtung ausgeführt. Das ist darin begründet, dass sich oft erst bei der Montage herausstellt, welche Bewegung gewählt wird, z.B. der Rechtsschwenk oder der Linksschwenk. 25 26 82 Hier ein Überblick über die Kamerabewegungen 4.5.12. Schwenk, complex shot Vgl. Sedlacek (wie Anm. 15) ebd. 83 4. Produktion | Kameraeinstellung | Kamerabewegungen Kamerabewegung am Ort Unter einem Schwenk versteht man eine Kamerabewegung am Ort, d.h. dass der Kamerastandort räumlich gesehen unverändert bleibt, die Kamera also weder in vertikaler noch in horizontaler Hinsicht im Raum bewegt wird. Werner von Appeldorn beschreibt in seinem Handbuch der Film- und Fernsehproduktion, dass beim horizontalen oder vertikalen Schwenken die Objekte durch das Bild wanderten. Dieser Vorgang komme beim normalen Sehen niemals vor und weise dadurch einen hohen Abstraktionsgrad auf.27 Deshalb sollten Schwenks sparsam eingesetzt werden. Wie bereits mehrfach erwähnt, ist die inhaltliche Begründung das Wichtigste, z.B.: die Ausdehnung einer Landschaft, Übersicht über eine Soll-Strecke, etc. 4. Produktion | Kameraeinstellung | Kamerabewegungen ziehung zu bringen oder schon vorhandene Beziehungen noch zu verstärken. Dies funktioniert, indem die Kamera vom Motiv A weggerissen und auf ein Motiv B hingerissen wird. Mit einer kurzen Blende in der Unschärfe des Reißschwenks, die in der Postproduktion ausgeführt wird, können dann die beiden Motive verbunden werden. Der Begleitschwenk verfolgt ein sich bewegendes Objekt. Aufgrund der Dynamik kann dabei der Hintergrund unscharf werden. Zu beachten ist, dass in der Bewegungsrichtung genug Raum bleibt. Oft eilt der Begleitschwenk dem bewegten Motiv etwas voraus, darf es dabei jedoch nicht verlieren. Begleitschwenk – genug Raum 4.5.12.1. Schwenk: Pan und Tilt Horizontalschwenk Pan ist der Horizontalschwenk. Der langsame Horizontalschwenk, der die Absicht hat, einen Überblick zu geben, wird als Panoramaschwenk bezeichnet. Tilt ist der Vertikalschwenk. 4.5.12.2. Verbindender Schwenk, Reißschwenk, Begleitschwenk Parallelgeschehnisse verbinden Schwenks können eingesetzt werden, um Parallelgeschehnisse zu verbinden. Denken sie an das Fußballpublikum und den Aussagewunsch: Während die einen das soeben geschossene Tor feiern, sind die Fans der anderen Mannschaft zu Tode betrübt. Beide Aussagen können (müssen aber nicht) mit einem Schwenk vom einen zum anderen Fanblock verbunden werden. Der Reißschwenk ist der sehr schnell ausgeführte verbindende Schwenk. Die Technik des Reißschwenks kann angewendet werden, um Geschehnisse oder Lokalitäten miteinander in Be27 84 4.5.12.3. Zoom und Umschärfen Genau genommen handelt es sich hier nicht um Kamerabewegungen, sondern um Manipulationen am Objektiv. Die Kamera bleibt also am Standort, während der Zoomring oder das Schärferad bewegt werden. Da aber diese Handgriffe nicht zu perspektivischen, wohl aber zu inhaltlichen Veränderungen der Einstellungen führen, werden sie hier dem complex shot Vgl. Appeldorn, Werner van: Handbuch der Film- und Fernsehproduktion. Psychologie – Gestaltung – Technik. 4. Aufl. München, 1997. S. 41 85 4. Produktion | Kameraeinstellung | Kamerabewegungen zugeordnet. Die Grundsatzregeln für den Dreh sind auch beim Zoom und dem Umschärfen dienlich. Zoom mißbräuchlich Die Zoombewegung dient dazu, eine größere Darstellung des Motivs in einen Gesamtzusammenhang zu stellen oder aus einem Überblick heraus auf eine größere Darstellung hinzuweisen. Oft wird die Zoombewegung missbräuchlich verwendet, nämlich dann, wenn sie als Ersatz für eine Kamerafahrt dient. DVD-K9, Zoom, Szene „Universität“ Wie schon erwähnt, ist eine Zoombewegung eigentlich keine Kamerabewegung im klassischen Sinne, sondern eine Positionsveränderung der Linsen in einem Objektiv. Das Zoom verändert die Brennweite des Objektivs in Richtung Weitwinkel oder in Richtung Tele. Dadurch wird das Motiv verkleinert oder vergrößert. Die natürliche Sehweise des Menschen kennt allerdings keine Entsprechung zum Zoom. Die Zoombewegung sollte deshalb nur dann angewendet werden, wenn sie inhaltlich motiviert ist, also zum Beispiel dann, wenn ein Motiv im Gesamtzusammenhang dargestellt oder wenn auf ein Detail hingewiesen werden soll. Sedlacek bemerkt dazu ergänzend, dass der Zoom eines der stärksten dramaturgischen Mittel ist. Den Hin-Zoom vergleicht er mit drei Rufezeichen. „Wenn z.B. von einer Totalen eines Wohnblocks auf ein Fenster hingezoomt wird, dann ist dieses Fenster besonders wichtig, dort ist etwas passiert oder dort wird etwas passieren. Der Rückzoom ist das Gegenteil: das Untergehen eines Objektes, einer Person in der Weite. Wenn ich von einer Nahen eines Menschen zurückzoome in eine Totale einer Menschenmenge, dann lasse ich ihn klein und anonym zurück.“28 28 86 4. Produktion | Kameraeinstellung | Kamerabewegungen Ein Zoom bewirkt zudem eine unnatürliche Dynamik an den Bildrändern, während der Inhalt des Bildmittelpunktes unverändert bleibt. Die Perspektive verändert sich nicht. Beim Zoomen von einer totalen in eine große Einstellung geht die Schärfe verloren. Es ist deshalb zu beachten, dass die Schärfe immer in der großen Einstellung gezogen wird. Wenn in ein Motiv hineingezoomt wird, muss vorerst, ohne dass die Kamera läuft, in der Endposition des Zooms, in der großen Einstellung geschärft werden, dann wird in die Totale aufgezogen. Erst jetzt wird die Kamera eingeschaltet und die Einstellung von total nach groß gezoomt. unnätürliche Dynamik Schärfe in der großen Einstellung 4.5.13. Fahrt, developing shot Bei der Kamerafahrt wird die Kamera durch den Raum bewegt. Beim Zuseher entsteht der Eindruck als bewege er sich selbst durch den Raum. Die einfachste Form einer Kamerafahrt ist der Gang mit der Handkamera. Dies erfordert Übung im Umgang mit der Kamera und einer Art des Gehens, die durch leicht abgewinkelte, weiche Knie unterstützt wird. Die Handkamera entspricht weitgehend der natürlichen Form des Sehens und wird deshalb häufig in persönlichen, subjektiven Gestaltungsformen eingesetzt, z.B. in Reportagen. DVD-K8: „Gang“ einfachste Form – Gang mit der Handkamera 4.5.13.1. „Schwebende Kamera“ Im Gegensatz zur Handkamera entspricht die schwebende Kamera eher dem Zustand von Traum, Vision, Entrückung. Häufig wird sie auch als Mittel zur Veredelung von Einstellungen eingesetzt, in Spielfilmen ebenso wie z.B. bei Bühnenshows. Vgl. Sedlacek (wie Anm. 15) 87 4. Produktion | Kameraeinstellung | Kamerabewegungen Schwebestativ Easyrig Dolly ästhetische Qualität 88 Steadycam, Easyrig, Dolly, Panther, Kamerakran, dies sind einige wichtige Geräte, die bei Kamerafahrten verwendet werden. Steadycam ist ein Markenname für ein Schwebestativ (siehe auch http://www.steadycam.com/), der aber auch allgemein für Schwebestative einfacher und komplexer Bauart verwendet wird. Im Internet finden sich Anleitungen zum Selbstbau einfacher Schwebestative. http://www.homebuiltstabilizers.com/ Ein Easyrig (siehe auch http://www.easyrig.se/) ist eine Art Rucksackstativ mit einem Über-Kopf-Bügel, an den die Kamera angehängt werden kann. Ein Dolly ist ein Gerät für die klassische Kamerafahrt. Die Kamera wird gemeinsam mit dem Operator auf Schienen durch den Raum bewegt und ist meist auch in der Höhe veränderbar, z.B. bei den Panther-Produkten. Eine besondere Form eines Dollys bildet die Kameraseilbahn. Dabei wird die Kamera auf einem oder mehreren Seilen durch den Raum geführt. Mit der Entwicklung derartiger High-Tech-Geräte hat sich die österreichische Firma des bereits erwähnten Georg Riha, Brains and Pictures, (siehe auch http://www.brainsandpictures.com/movie. html) Weltgeltung verschafft. Ein von Riha entwickelter 360° Stativkopf erlaubt Bewegungen in alle Richtungen. Die Kamera befindet sich an der Spitze eines Kranauslegers und wird ferngesteuert. Das Kamerabild wird an einem Kontrollmonitor am Kranfuß mit verfolgt. Wichtig ist zu beachten, dass jedes dieser Geräte eine besondere Ästhetik in der Bildgestaltung bewirkt. Oft hört man in der Produktionsplanung, dass aus Budgetgründen anstatt eines Dollysystems eine Steadycam zum Einsatz gebracht werden könne, da beide Geräte Kamerafahrten ermöglichten. Argumentiert wird, dass eine Dolly-Aufnahme im Vergleich zur Steadycam mehr Bedienungspersonal benötige, die Steadycam 4. Produktion | Kameraeinstellung | Kamerabewegungen also kostengünstiger sei. Solche Aussagen sind, wie oben bereits begründet, problematisch. Für Videogestalter sollte es zunächst um die ästhetische Qualität gehen, also um die Frage, wie eine Einstellung aussehen soll. Finanzielle Argumente sind zwar wichtig, aber letztlich sollten sie nicht alles entscheidend sein. 4.5.13.2. Entfesselte Kamera Der Begriff bezeichnet eine spezielle Art der Kameraführung, die zum ersten Mal im Jahre 1924 vom Kameramann Karl Freund im Video „Der letzte Mann“ von Wilmhelm Murnau eingesetzt wurde. Freund ließ sich die Kamera auf die Brust schnallen und an einem Fahrrad befestigen. Dies war zur damaligen Zeit höchst innovativ, denn Filmkameras waren bis dahin groß und unhandlich. Im Videozeitalter wird die „entfesselte Kamera“ häufig eingesetzt. Diese Art der Kameraführung bewirkt beim Zuseher einen Eindruck von Dynamik bis hin zu Verwirrung. Oft wird der entfesselte Kamerastil mit kleinen Zusatzkameras im DV-Format umgesetzt. Eindruck von Dynamik 4.5.13.3. Begleitende Kamerafahrt Die begleitende Kamerafahrt wird dann eingesetzt, wenn es darum geht, ein sich bewegendes Motiv mit der Kamera zu verfolgen, meist mit derselben Geschwindigkeit, die das Motiv hat. Der Abstand zwischen Motiv und Kamera bleibt also, zumindest eine Zeit lang, gleich. Oft wird die Kamera am Fahrzeug selbst angebracht, z. B. am Auto, um von außen in den Innenraum des Fahrzeugs zu filmen. Wie beim Begleitschwenk wird der Hintergrund dadurch unscharf. Geschwindigkeit 89 4. Produktion | Schnittfreundliche Einstellungen 4.5.13.4. Umfahrt 360˚ Raum Bei der Umfahrt wird die Kamera um ein Motiv herum bewegt. Diese Einstellung löst manche Probleme, die mit dem Überschreiten der Handlungsachse entstehen können. Die Umfahrt nimmt die Zuseher im 360° Raum mit (siehe folgendes Kapitel). 4.6. Schnittfreundliche Einstellungen kontinuierlich Lange Zeit wurde im Kino der Bildschnitt, den das Publikum nicht merkt, postuliert. Die Zuseher sollten in die Einheit von Ort, Zeit und Handlung ohne jede Irritation einbezogen werden. Dies funktioniert nur dann, wenn der Schnitt von einem Take auf den nächsten nicht spürbar wird, sich also unmerklich vollzieht. Die Handlung innerhalb einer Szene und darüber hinaus von einer Szene zur nächsten sollte sich kontinuierlich entwickeln. Dies erreicht man, indem bereits beim Drehen auf die Gesetzmäßigkeiten des Schnitts Rücksicht genommen wird. Kamerafrauen und Kameramänner sollten mit der Cutter-Schere im Kopf drehen, das heißt, bereits beim Dreh einige Grundregeln des Schnitts beachten. Deshalb ist an dieser Stelle ein kleiner Exkurs in die Postproduction, zum Videoschnitt, angebracht. 4.6.1. Coveragesystem und Achssprung Kontinuitätsprinzip Diese Begriffe sind eng miteinander vernetzt. Das Coveragesystem (das englische Verb „to cover“ bedeutet bedecken, abdecken) will eine Handlung so abbilden, dass sie einer inneren Logik folgend, ohne Brüche, also kontinuierlich erlebbar wird. Dieses nennt man Kontinuitätsprinzip. Sedlacek ergänzt mit dem menschlichen Wahrnehmungsphänomen, dass „die beim 4. Produktion | Schnittfreundliche Einstellungen Dreh angelegte und beim Schnitt erzielte Fortsetzung einer Bewegung als harmonische Weiterführung empfunden wird, eine Gegenbewegung jedoch als Disharmonie, Gegnerschaft, Irritation.“29 Bei (Live-)Übertragungen im Fernsehen, Shows, Talks oder bei Webcasts wird das Geschehen mit mehreren Kameras übertragen. Die Bilder werden an einen Regieplatz gesendet und von der Regie für die Übertragung ausgewählt. Die Regie ist über eine Gegensprecheinrichtung, die Intercom, mit den Kamerafrauen und Kameramännern verbunden und gibt Anweisungen über die Gestaltung der Einstellungen. Diese Anweisungen folgen dem Coverage-System, das seine Wurzeln in der Produktionsweise der Hollywoodstudios hat. Denn was bei modernen Live-Übertragungen mit mehreren Kameras bewerkstelligt wird, wird bei fiktionalen Bewegtbild-Arbeiten in der Regel mit einer Kamera gedreht. (Ausnahmen bilden Soap Operas, auch Soaps genannt, mit vielen Folgen. Hier wird aus produktionstechnischen und ökonomischen Gründen häufig mit mehreren Kameras gedreht. Die Standpunkte der Kameras folgen meist dem Coverage-System. Man stelle sich ein Videoset vor, in dem zwei Schauspieler agieren. Die Kamerapositionen sind fix vorgegeben, und das Licht ist entsprechend der Handlung und der Kamerastandpunkte eingerichtet. In diesem – zugegebener Maßen – simplen System bleiben die Zuseher, ähnlich wie beim Theater, wo Bühne und Zuschauerraum fix angeordnet sind, zunächst einmal auf einer Seite der Handlungsachse. Sind drei oder mehr Schauspieler am Set, wird das System komplex. 29 90 Sedlacek, (wie Anm. 15) 91 4. Produktion | Schnittfreundliche Einstellungen Was versteht man nun unter dem für Videogestalter wichtigen Begriff Handlungsachse? Steven Katz schreibt dazu in seinem Buch, „Die richtige Einstellung“: „Der Sinn und Zweck der Handlungsachse ist relativ simpel: Sie ordnet die Kamerapositionen so, dass auf der Leinwand die Richtung von Bewegungen durchgängig erscheint und die räumliche Einheit erhalten bleibt. Die Handlungsachse ist auch nützlich, um die Einstellungsliste zu erstellen. Man kann nämlich Einstellungen aus ähnlichen Kamerapositionen zusammenlegen und sie nacheinander abdrehen. Damit wird vermieden, dass mehrmals eingeleuchtet werden muss. Wir können uns die Handlungsachse als eine imaginäre Trennlinie vorstellen, die durch den Raum vor der Kamera verläuft. Ursprünglich wurde sie erfunden, um sicherzustellen, dass man im Schnitt Einstellungen von einer Szene verwenden kann, die man aus unterschiedlichen Perspektiven gedreht hat, ohne auf der Leinwand eine irritierende Umkehr von links und rechts hervorzurufen.“30 Single-Space-Scene Multiple-Shot-Scene Hans Beller stellt dazu fest „Die klassische Auflösung der Szene (Single-Space-Scene) für die Montage unterschiedlicher Einstellungen (Multiple-ShotScene) erfolgte mit der Durchsetzung des Tonvideos nach dem standardisierten Coverage-System, dessen Regelsystem aber eher einem Geheimwissen ähnelte, als dass man es systematisch lehrte. Innerhalb des Systems erfolgte die Auflösung wiederum nach drei Prinzipien: 1. Die Auflösung des Handlungsraums findet innerhalb des 180°Schemas statt. 2. Das Kontinuitätsprinzip dominiert die Schnittübergänge innerhalb des Handlungsraums. 3. Der Einstellungswechsel folgt außerdem noch der 30°Regel“.31 30 31 92 4. Produktion | Schnittfreundliche Einstellungen Das Coverage-System erfüllt also gestalterische und ökonomische Anforderungen. Hier eine schematische Darstellung mit typischen Kamerapositionen: Vgl. Beller, S. 16 Wird innerhalb einer Szene von der einen Seite der Handlungsachse auf die andere Seite geschnitten, dann sprechen wir von einem Achsensprung (crossing the line). Beim Publikum findet eine Desorientierung statt, denn die Handlungsperson, die in der einen Einstellung auf der linken Seite etabliert wurde, befindet sich nach dem Achsensprung plötzlich auf der anderen Seite. Katz (wie Anm. 17), S. 81 Beller, Hans: Coverage-System. Über die Hartnäckigkeit einer Studio-Konvention. URL http://www.schnitt.de/themen/artikel/goldener_schnitt_-_coverage-system.shtml?print in der Fassung vom 25.07.2005, S. 1 f. 93 4. Produktion | Schnittfreundliche Einstellungen Im 180° Bereich kann innerhalb des Dreiecks A, B, C zwischen den Kamerapositionen geschnitten werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich die Kamerastandpunkte deutlich unterscheiden, d.h. um mindestens 30°. Und auch bei der Wahl der Einstellungsgrößen sollte es deutliche Unterschiede geben.32 Größenskala Eine Faustregel besagt, dass in der Größenskala jeweils mindestens eine Einstellungsgröße übersprungen werden sollte, z.B. von einer halbtotalen Einstellung nicht auf eine halbnahe oder totale, sondern mindestens auf eine nahe oder auf eine weite totale Einstellung. Analysieren wir aktuelle Stile in den diversen Video-Genres, dann wissen wir, dass das Regelwerk des Hollywood-Style längst aufgebrochen und nicht allein gültig ist. Heute muss ein Schnitt nicht mehr “unsichtbar” und innerhalb der Kontinuität des Coverage bleiben. Harte und abrupte Schnitte kann und soll man merken. Jump-Cuts, Straight-Cuts und Direct-Editing haben sich in den 90er Jahren endgültig durchgesetzt. Andererseits ersetzen eine fließende Kamera (Fluent Camera Style) und ungeschnittene Inszenierungen in die Tiefe des Raumes die klassische Auflösung. Auch Hollywood braucht die innovative Befreiung vom Methodenzwang und normierter Studioanfertigung, will es den kreativen Machern und der Schaulust des widerspenstigen Publikums entgegenkommen. Doch bemißt sich alles hartnäckig am Coverage-System.33 32 33 94 Beller (wie Anm. 24) S. 4 f. Beller (wie Anm. 24) S. 6 95 5. Licht und Schatten 5. Licht und Schatten 5. LICHT UND SCHATTEN Licht und Schatten und, seitdem die Laufbilder bunt sind, auch die Farbe, spielen im Video eine bedeutende Rolle. Hilmar Mehnert, der in der ehemaligen DDR Standardwerke zum Themenkreis Licht und Farbe geschrieben hat, stellt fest: „Grundsätzlich können sowohl dem Licht als auch der Farbe zwei verschiedene Wirkungen zugeschrieben werden; dies ist einmal die beschreibende und erklärende Wirkung und einmal die psychologische, dramaturgische Wirkung.“34 psychologische, dramaturgische Wirkung 5.1. Licht Es ist eine Binsenwahrheit: Ohne Licht kein Video. Das heißt aber nicht, dass es beim Videofilmen immer eine zusätzliche Beleuchtung braucht. Der Dogma-Video-Stil verbietet sogar das Verwenden von Zusatzlicht, ausgenommen eine Kopfleuchte auf der Kamera. Oft hört man die Annahme, dass das Licht bei Video weniger wichtig sei als beim Film. Dies wird mit lichtstarken Kameras begründet, die damit beworben werden, dass bereits bei einer Lichtstärke von wenigen Lux gedreht werden kann. Doch diese Annahme ist falsch. Denn Film hat einen größeren Kontrastumfang als Video. Und die Videokamera ist auch nur durch das Verwenden von Restlichtverstärkern in der Lage, bei wenig Licht noch ein einigermaßen brauchbares Bild zu liefern, das dann aber entsprechend verrauscht ist. Beleuchten erfordert neben physikalischem Wissen eine gute Beobachtung und viel Erfahrung. Die Auswirkungen von Beleuchtung sind in Gestalt der Lichtführung in jeder Einstellung sichtbar. Aus der Lichtanalyse kann man also viel lernen, z.B. auch dadurch, dass man versucht, die Lichtführung einer beeindruckenden Einstellung nachzubauen. 34 96 Mehnert, Hilmar: Filmfotografie. Bildgestaltung, Lichtgestaltung, Farbgestaltung. 2. Aufl. Leipzig, 1963, S. 121 97 5. Licht und Schatten | Licht 5. Licht und Schatten | Licht Ebenso viel kann man aus der Beobachtung der Natur lernen. Denn die Lichtstimmungen verändern sich im Tagesablauf. Je näher der Zeitpunkt der Dämmerung rückt, desto weicher wird das Licht. Mittags dagegen ist es hart. Je nach Drehort und Sonnenstand ergeben sich natürliche Drehzeiten. Diese gut auszunützen, kann viel Einleuchtungszeit und damit auch Geld einsparen. Das Männerlicht, kommt seitlich und ist hart. Falten, Kanten werden betont. Männerlicht – hart Das Kriminallicht kommt von unten. Licht von unten bedeutet Gefahr. In der Natur kommt das Licht in der Regel von oben, es sei denn es handelt sich um Feuerschein, floureszierendes Getier oder Spiegelungen, die aber wiederum Licht von oben voraussetzen. Kriminallicht – von unten 5.1.1. Lichtstimmungen Ein erfahrener Kameramann hat vor Jahren bei einem Vortrag einmal die folgenden Licht-Kategorien genannt, die er wiederum von einem anderen Kameramann erfahren habe: Frauenlicht, Männerlicht, Kriminallicht und Totenlicht. Licht erzeugt also immer Stimmungen, Atmosphäre. Frauenlicht – diffuses Licht 98 Das Frauenlicht kommt flach von vorne und ist geringfügig über der Augenhöhe angebracht. Es handelt sich um ein diffuses Licht. 99 5. Licht und Schatten | Licht Totenlicht – von oben 5. Licht und Schatten | Licht Das Totenlicht kommt direkt von oben. Ein Reportageteam hat in der Regel mindestens einen Lichtkoffer mit vier Leuchten und einem Kopflicht, das auf der Kamera montiert wird, im Equipment. Dazu kommen diverse Folien zur Farbkorrektur und ein Schirm für eine indirekte Beleuchtung. Zum Equipment gehören auch Reflektorfolien zum Aufhellen. Es kann aber auch durchaus vorkommen, dass an einem Drehort zu viel Licht vorhanden ist. Dann wird mit einem sogenannten Butterfly oder mit Abedeckfahnen die Lichtintensität verringert. Diese Geräte sind meist so gebaut, dass sie am Beleuchtungsstativ befestigt werden können. In Low-Cost-Produktionen oder im Studienbetrieb kann man sich oft mit einfachen Mitteln helfen, mit aufgespannten Leintüchern, schwarz gestrichenen Kartons zur Verringerung des Lichts, bzw. mit Reflektoren aus Styropor zum Aufhellen. Lichtkoffer Schirm Reflektorfolie Butterfly Verringerung des Lichts 5.1.2. Standardbeleuchtung aus dem Reportagekoffer Aufhellung Die Annahme, dass das Licht bei Video weniger wichtig ist als bei Film, ist falsch. Im Informationsbereich und bei Reportagen kann in der Regel kein großes Licht transportiert werden. Der erste Blick der Kamerapersonen gilt deshalb immer dem vorhandenen Licht. Oft kann durch Schreibtischlampen etc. eine Aufhellung erreicht werden. Fenster können oft abgedunkelt werden, weil Gegenlicht stört oder im Außenraum ein anderes Farbklima herrscht. Kunstlicht muss zu Tageslicht umgefiltert werden. Unterschiedliche Lichtquellen bringen unterschiedliche Farbtemperaturen, z.B. die Mischung aus Glühbirnenlicht, Neonlicht und Tageslicht. Ist dies der Fall, ist es ratsam, sich nur für eine Lichtcharakteristik zu entscheiden. 100 101 5. Licht und Schatten | Licht 5. Licht und Schatten | Licht 5.1.3. Führungslicht, Keylicht definiert 102 Das Führungslicht definiert die Licht-Schatten-Richtung und ist entscheidend für die Wahl der Blende. 5.1.4. Aufhelllicht, Fill Das Aufhelllicht ist schwächer als das Führungslicht, als Faustregel kann das Verhältnis 2:1 angenommen werden, also ein Blendenwert weniger. 103 5. Licht und Schatten | Licht 5. Licht und Schatten | Licht 5.1.5. Spitzlicht, Kante Triangel 104 Spitze oder Kante sind zwei identisch verwendete Begriffe. Die Spitze ist etwas heller als das Führungslicht und richtet sich nach der Haarfarbe, Kleidung etc. Die Kombination aus Führungslicht, Aufhelllicht und Spitzlicht wird als Triangel-Licht bezeichnet. 5.1.6. Kulissenlicht Das zusätzliche Kulissenlicht, mit dem der Hintergrund angestrahlt wird, verleiht dem Bild Tiefe. Dieses Licht ist auch deshalb besonders wichtig, weil wir es bei Video mit einem zweidimensionalen Medium zu tun haben, das eine dreidimensionale Welt abbildet. Tiefe 105 5. Licht und Schatten | Licht 5. Licht und Schatten | Schatten 5.1.7. Augenlicht Gefahr – überstrahlt Das Augenlicht wird direkt auf der Kamera angebracht und vor allem dann verwendet, wenn das Führungslicht sehr seitlich gesetzt wird. Bei Reportagen oder wenn zu wenig Zeit ist, eine Situation auszuleuchten, muss oft mit dem Augenlicht, das dann mit Strom aus einem Batteriegürtel gespeist wird, das Auslangen gefunden werden. Bei zu starkem Augenlicht besteht die Gefahr, dass das Motiv geblendet und hervortretende Details überstrahlt werden. 5.1.8. Normalstil, High-Key, Low-Key Normalstilausleuchtung normales Tageslicht Von einer Normalstil-Ausleuchtung sprechen wir, wenn Motive mit einem gleichen Reflexionsvermögen, in gleicher Entfernung einer Lichtquelle von gleicher Leuchtdichte sind. Der Normalstil entspricht etwa der Beleuchtung bei normalem Tageslicht. 5.1.9. Kontrast Den begrenzten Kontrastumfang einer Kamera registriert man schmerzlich bei Gegenlichtaufnahmen. Während man mit dem Auge ohne Probleme beispielsweise die Gesichtszüge eines Menschen erkennen kann, gehen diese beim Blick durch den Sucher im Dunkel des Gegenlichtes unter. Der Kontrastumfang des Auges kann 1000:1 betragen. Wir sehen bei hellem Tag und auch in der schwärzesten Nacht zumindest noch ein bisschen etwas. Der Kontrastumfang beim Video beträgt nur rund ein Zwanzigstel davon. Ist der Kontrast zu hoch, fordert uns eine modernde Videokamera auf, den Graufilter oder ND-Filter zu verwenden. Er reduziert den Kontrast, ist aber farbneutral. Viele Videokameras bieten zur Kontrolle des Kontrastes das Zebra-Muster an, das bei zu hohem Kontrast auf den hellen Bildpartien erscheint. 5.2. Schatten High-Key Kontrast sehr gering Low-Key harte Kontraste 106 Beim High-Key überwiegen die hellen Töne und starke Kontraste fehlen. Der Kontrast zwischen Grundlicht, Führungslicht und Aufhelllicht ist sehr gering. Beim Low-Key ist es hingegen umgekehrt. Die dunklen Töne überwiegen, es gibt harte Kontraste, das Kontrastverhältnis beträgt bei den Gangsterfilmen der 50er Jahre durchaus bis zu 5:1. Noch stärkere Kontraste werden in Nachtszenen verwendet. Der Schatten ist dann kaum oder gar nicht mehr durchgezeichnet. Ebenso wichtig wie das Licht ist der Schatten. Die Hell-DunkelVerteilung in einem Bild ist entscheidend für die Bildkomposition. Hell-Dunkel-Verteilung – entscheidend für Bildkomposition 5.2.1. Der Schlagschatten Ein Objekt, das von einer punktartigen Lichtquelle beleuchtet wird, erzeugt einen Schlagschatten auf einer Projektionsfläche. Das Schattenspiel nützt diesen Effekt. 107 5. Licht und Schatten | Schatten 5. Licht und Schatten | Schatten 5.2.2. Kernschatten Unter Kernschatten versteht man jene Fläche, die von der Lichtquelle nicht direkt angestrahlt wird. Weicher Schatten Harter Schatten Bei Neonlicht kann die Schattenintensität verstärkt oder verringert werden, je nachdem wie der Gegenstand ins Licht gesetzt wird. Ein Gegenstand, der parallel zur Lichtwelle gesetzt wird, erzeugt einen härteren Schatten als ein Gegenstand, der quer zum Lichtwellenverlauf steht. Lichtwelle 5.2.4. Körperschatten Der Körperschatten wird durch die Unregelmäßigkeit eines Gegenstandes erzeugt, etwa durch die Kontur eines Gesichtes, Kinns etc. Kontur 5.2.5. Blende 5.2.3. Halbschatten Übergangsbereich 108 Der Halbschatten ist der Übergangsbereich zwischen dem Kernschatten und der direkt beleuchteten Fläche. Bei einem harten Schatten ist dieser Übergangsbereich sehr klein, bei einem weichen Schatten ist der Übergangsbereich ausgedehnt Die Blende oder Iris ist die Öffnung des Objektivs, die dem Licht den Weg in die Videokamera frei gibt. Die Größe dieser Öffnung ist variabel. Bei großer Öffnung tritt viel Licht in die Kamera ein, bei kleiner Öffnung wenig. Bei Videokameras erfolgt die Kontrolle über den Sucher der Kamera oder das LCD Display. Doch Vorsicht ist geboten, denn Displays und Sucher können in punkto Helligkeit und Farbintensität verstellt werden. Es ist also wichtig, sich vorerst mit der Kamera vertraut zu machen, evtl. sogar das Bild über einen genormten Vorschaumonitor zu kontrollieren. 109 5. Licht und Schatten | Schatten Automatikfunktion Mittelwert umgekehrt Tiefenschärfe 5. Licht und Schatten | Schatten Viele Kameras bieten für die Blendenwahl Automatikfunktionen an. Diese regeln einen Mittelwert. Doch ist der Mittelwert häufig nicht brauchbar, vor allem bei Gegenlichtsituationen oder wenn zum Beispiel in dunklen Bildpartien noch eine Durchzeichnung erreicht werden soll. Deshalb ist es meist besser, manuell auszusteuern. Entscheidend für die Wahl der Blende ist das Hauptmotiv. Es kann also durchaus sein, dass zu Gunsten eines gut belichteten Hauptmotivs Über- oder Unterbelichtungen in anderen, weniger wichtigen Bildteilen in Kauf genommen werden. Teleobjektiv 110 Weitwinkel-Objektiv Die Werte, mit denen die Blende gemessen wird, verhalten sich umgekehrt zur durchgelassenen Lichtmenge. Die Blendenstufen sind 0,7; 1; 1,4; 2; 2,8; 4; 5,6; 8; 11; 16; 22; 32 und 45. Je kleiner die Blendenzahl ist, desto mehr Licht wird durchgelassen, desto heller also das Bild. Bei großer Blendenzahl ist die Öffnung eng, und es wird nur wenig Licht durchgelassen. Die runde Öffnung der Blende wird jeweils um den Faktor 1,4 vergrößert, die Lichtmenge wird von Blendenstufe zu Blendenstufe entweder verdoppelt oder halbiert. Die Wahl der Blende beeinflusst die Tiefenschärfe. Bei weit geöffneter Blende mit kleiner Blendenzahl, z.B. Blende 2, ist die Tiefenschärfe geringer als bei einer kleineren Blendenöffnung, z.B. Blende 22. 5.2.6. Brennweite, Lichtmenge. Lichtstärke des Objektivs Brennweite kleinem Bildwinkel ist die Lichtmenge kleiner als bei der Wahl eines Weitwinkel-Objektivs. Dies ist vor allem beim Zoomen zu berücksichtigen, das oft mit einer Veränderung der Blende einhergehen muss. Ohne Übung und gute Kamerabeherrschung wird kein gutes Ergebnis erzielbar sein. Die Lichtmenge, die in die Kamera eintritt, wird aber nicht nur durch die Blende beeinflusst, sondern auch durch die Brennweite des Objektivs. Bei langer Brennweite (Teleobjektiv) und 5.2.7. Graufilter Der Graufilter oder ND-Filter ist farbneutral. Er verringert die Menge des eintretenden Lichtes, wenn die Blendenregelung nicht mehr ausreicht, um die Lichtmenge zu reduzieren. Bei vielen Kameras ist der Graufilter Bestandteil der elektronischen Aussteuerung. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte man sich einen Satz Graufilter zulegen, den man auf das Objektiv schrauben kann. ND-Filter 111 5. Licht und Schatten | Schatten 5. Licht und Schatten | Schatten 5.2.8. Shutter Verschlusszeit variabel Die Verschlusszeit (Shutterspeed) wird in Sekunden gemessen und bezeichnet, wie lange der Verschluss den Weg auf den lichtempfindlichen Chip der Kamera pro Frame freigibt. Im in Europa am meisten verbreiteten PAL-System wird mit 25 Bildern pro Sekunde gearbeitet. Bei einer Verschlusszeit von 1/100 wird also jedes Frame mit einer 1/100 Sekunde belichtet. Die Geschwindigkeit des Shutters ist variabel. Der Haupteffekt des Shutters ist, dass schnelle Bewegungen bei kurzen Shutterzeiten noch scharf abgebildet werden, während bei langen Belichtungszeiten das Motiv unscharf wird. Durch eine lange Verschlusszeit, beispielsweise länger als 1/50 Sekunde, wird bei Bewegungen des Bildes und/oder der Kamera eine Unschärfe erzielt, die vielfach als Gestaltungsmittel angewendet wird, z.B. dann, wenn seelische Zustände abgebildet werden sollen. sie vorfindet. Bei farbigem Licht wirkt das Motiv also farblich verändert. Im Laufe des Tages verändert sich die Lichtfarbe. Schattenlicht hat eine andere Farbe als Sonnenlicht, die Farbe des Kunstlichts differiert zum Tageslicht. Die Farbe des Lichts wird in Kelvin angegeben. (Siehe auch http://www.videoscanner.info/Farbtemperatur.html) Schattenlicht Sonnenlicht Kunstlicht Hier einige typische Werte: Bei kurzen Belichtungszeiten kann es notwendig werden, die Blende zu öffnen, um noch genügend Licht in die Kamera zu bekommen. Dies hat dann wiederum Auswirkungen auf die Tiefenschärfe. 5.2.9. Farbe des Lichts RGB-Farbraum Weißabgleich 112 Im Medium Video arbeiten wir im RGB-Farbraum. Dies bedeutet, dass sich die Grundfarben Rot, Grün, Blau zu Weiß addieren lassen. Jede Farbe ist in 255 Stufen unterteilt, sodass je nach Mischung die im Motiv vorgefundene Farbe mit einer sehr hohen Annäherung wiedergegeben werden kann. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass mit der Kamera ein Weißabgleich gemacht wird. Denn im Gegensatz zur menschlichen Rezeption, die bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen die Farben zu interpretieren weiß, gibt die Kamera farblich das wieder, was Abg. Vergl.: http://www.videocollege.de Kerze Glühbirne 100 W Glühbirne 200 W Halogenlampe Spätabendsonne vor Dämmerung Leuchtstoffröhre (kaltweiß) 1500 K 2800 K 3000 K 3200 K 3500 K 4000 K 113 5. Licht und Schatten | Schatten 5. Licht und Schatten | Schatten Mond Morgen- und Abendsonne Vormittags- und Nachmittagssonne Mittagssonne Bedeckter Himmel Nebel Blauer Himmel im Schatten 4100 K 5000 K 5500 K 5500 – 6000 K 6500 – 7500 K 8000 K 9000 – 12000 K Vor dem Dreh muss die Kamera auf die Lichttemperatur abgestimmt werden. Ausgangspunkt für diese Abstimmung ist das Weiß. Von einer weißen Referenzfläche ausgehend, werden dann die Farbnuancen des RGB Farbraumes berechnet. Diesen Vorgang bezeichnet man als Weißabgleich. 5.2.9.2. Filter Probleme gibt es bei Mischlicht, immer dann also, wenn Tageslicht und Kunstlicht aufeinander treffen. Dies ist oft in künstlich beleuchteten Räumen mit großen Fensterflächen der Fall, oder auch dann, wenn sich Neonlicht und Licht von Glühbirnen mischen. Kommt noch Tageslicht dazu, wird die Situation umso schwieriger. In so einem Fall muss man sich für eine Lichtfarbe entscheiden und Kunstlicht zu Tageslicht umfiltern. Mischlicht Kunstlicht oder Tageslicht Eine weitere Möglichkeit ist die bewusste Anwendung von Mischlicht, z.B. die blau-orange Lichtführung. Diese wird in der Werbung und in Action Filmen seit den 1980er Jahren oft eingesetzt. Die emotionale Wirkung wird häfig mit durch Farbfolien gefärbtem Licht verstärkt. 5.2.9.1. Weißabgleich Weißabgleich 114 Viele Kameras bieten neben dem automatischen Weißabgleich die Möglichkeit, Voreinstellungen abzuspeichern und einen manuellen Weißabgleich zu ziehen. Beim automatischen Weißabgleich berechnet die Kamera von der hellsten Fläche ausgehend den Weißwert. Ist die hellste Fläche nicht weiß, werden die Farben unnatürlich wiedergegeben, eine gewisse Unsicherheit bleibt also. Sicherer geht man mit einem manuellen Weißabgleich. Eine formatfüllende weiße Fläche wird dabei in das vorherrschende Licht gehalten. Dann wird der Weißabgleich aktiviert. Wichtig ist zu beachten, dass das von der weißen Fläche reflektierte Licht den dominanten Lichtverhältnissen entspricht. Eine andere Möglichkeit wäre zu verdunkeln, um das Eindringen von Tageslicht zu verhindern und von Grund auf künstlich zu beleuchten. Die dritte Möglichkeit wäre, mit Folien über den Fensterscheiben das Tageslicht umzufiltern. Dafür werden Korrekturfilter verwendet, meist sind das Folien, die vor der Lichtquelle angebracht werden. Es gibt aber auch Korrekturfilter, die direkt vor dem Objektiv angebracht und in einer Filterhalterung, dem Kompendium, fixiert werden. verdunkeln Effektfilter erfüllen eine andere Funktion als Korrekturfilter. Sie färben Bilder teilweise ein, um beispielsweise das Blau des Himmels zu verstärken, machen Konturen weicher (Weichzeichner), fächern Lichtquellen sternförmig auf (Sternfilter) und viele Effekte mehr. Polfilter sind hilfreich bei spiegelnden Flächen, etwa bei Aufnahmen von gerahmten Kunstgegenständen oder Objekten in Vitrinen. Der ND-Filter oder Graufilter (siehe auch 3.2.7) verringert die Menge des einfallenden Lichtes. Effektfilter 115 6. Montage und Postproduktion 6. MONTAGE UND POSTPRODUKTION Viele der im 3. Kapitel angeführten Gestaltungsparameter gelten nicht nur für Video, sondern auch für die Fotografie. Video zeichnet sich im Vergleich zur Fotografie aber dadurch aus, dass Aussagen nicht nur mit einer Einstellung getroffen werden, sondern durch das Zusammenfügen mehrerer Einstellungen. Den Prozess dieses Zusammenfügens bezeichnet man als Schnitt oder Montage und diese folgen zeitlich nach dem Dreh, also nach der Produktion. Der Schnitt oder die Montage sind das Kernstück der Postproduktion. 6.1. Shotlist Bevor die Montage beginnt, wird das aufgenommene Material gesichtet und in einer Shotlist beschrieben. Die Shotlist bietet einen Überblick über das Rohmaterial und dient zur Selektion der besten Einstellungen. In der Regel wird wesentlich mehr Material gedreht, als tatsächlich Verwendung findet. Dies wird durch das Drehverhältnis ausgedrückt. Im News-Bereich kann man davon ausgehen, dass das Drehverhältnis ca. 1:10 beträgt, d.h. dass für eine Minute geschnittenes Material zehn Minuten Rohmaterial aufgenommen wurden. Wer mit Film dreht, weiß, dass Drehverhältnis und Kosten in einer engen Korrelation stehen. Ein Vorteil von Video im Vergleich zu Film ist, dass das Bandmaterial vergleichsweise billig ist und, je nach Produktion, auch öfters Verwendung findet. 116 Drehverhältnis 117 6. Montage und Postproduktion | Shotlist 6. Montage und Postproduktion | Shotlist Eine Shotlist besteht in der Regel aus vier großen, weiter unterteilbaren Bereichen. In der Zeitspalte wird der auf dem Videoband mitgeschriebene Timecode eingetragen, daneben folgen die Länge und die Größe der Einstellung. Wichtig ist auch das Festhalten der Perspektive und der Kamerabewegung, wobei man sich hier einiger Kürzel bedienen kann, die sich im journalistischen Bereich etabliert haben.35 Abb. vgl. Schult, S. 168 Beim Spielfilm werden die Muster – das sind die Takes, die beim Drehen als gelungen bezeichnet wurden – auf ein eigenes Tape kopiert. Mehrmals wöchentlich werden diese von Regie, Kamera und Schnitt gesichtet und die besten Szenen ausgewählt. Diese Vorschau ist die Basis des Cutters, der selbständig nach dem Drehbuch parallel zu den Dreharbeiten den Rohschnitt meist in einer überlangen Erstfassung herstellt. 35 vgl. Sobeck-Skal, Alexander von: „Bild Bearbeitung“. In: Schult, Gerhard und Buchholz, Axel (Hrsg.): Fernsehjournalismus. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. 3. erw. Aufl. München 1990, S. 168 118 119 6. Montage und Postproduktion 6. Montage und Postproduktion 6.2. Papierschnitt Shotlist-Bewertung Festplatte Bei größeren Projekten empfiehlt es sich, einen Papierschnitt herzustellen. Darunter versteht man die Auflistung der Einstellungen, die aufgrund der Materialsichtung und Shotlist-Bewertungen als Takes ausgewählt wurden und aller Voraussicht nach dann auch im Film zu sehen sein werden. Manche Videobearbeitungsprogramme ermöglichen es, bereits auf die Computerfestplatte eingespieltes Rohmaterial auszuwählen und das erste Frame des Take als Thumbnail darzustellen. Thumbnails sind kleinformatige Darstellungen des ersten Frames einer Einstellung und charakterisieren den Inhalt der Einstellung. Die Aneinaderreihung dieser Thumbnails ersetzt den Papierschnitt weitgehend. 6.3. Digitalisierung Nun wird das Rohmaterial in den Computer eingespielt. Handelt es sich um analoges Videomaterial, wird dieses mit Hilfe einer Videokarte digitalisiert. Ist es digitales Material, wird es vom Band auf die Computerfestplatte kopiert. 6.4. Kuleschow Effekt Lew Kuleschow, sowjetischer Regisseur und Filmtheoretiker aus der Frühzeit des Films, hat in Experimenten nachgewiesen, dass das Wesen filmischer Aussagen im Zusammenspiel von Einstellungen begründet ist. Seine Erkenntnisse könnte man zusammenfassen mit dem Satz: Einstellungen beeinflussen sich wechselseitig. Kuleschow hat drei Einstellungen, nämlich einen Teller Suppe, einen Sarg und ein totes junges Mädchen mit dem Gesicht eines Schauspielers in unterschiedlicher Reihenfolge geschnitten. Dies führte zu unterschiedlichen Interpretationen des Gesichtsausdrucks des Schauspielers.36 (vgl. Beller, Seite 20 ff.) Hans Beller hat an der Hochschule für Film und Fernsehen in München im ähnlichen Sinne experimentiert. Er kommt dabei zum Schluss, dass sich der Kuleschow Effekt auch noch heute erzielen ließe. Allerdings sei die klassische experimentelle Anordnung fraglich geworden, was er auf die geänderten Sehgewohnheiten beim Publikum zurückführt.37 Neue Kamerasysteme zeichnen zum Teil schon direkt auf Festplatte auf, sodass das Videomaterial dann nicht mehr eigens eingespielt werden muss. Es müssen die Files nur noch von Festplatte auf Festplatte kopiert werden, oder die Festplatten lassen sich direkt an den Computer anschließen. Dies spart enorm Zeit und dadurch auch Kosten. Es gibt vielerlei digitale Videoformate, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird. Hiezu soll nur so viel bemerkt werden: Medientechnische Grundkenntnisse sind eine wichtige Voraussetzung für alle, die sich mit der Bearbeitung von Videomaterial beschäftigen. Abb. Beller, S. 158 Beller, Hans: „Aspekte der Filmmontage“. Eine Einführung. In: ders. Hrsg., (wie Anm. 13) S. 20 ff. 37 Beller, Hans: „Vorstellung prägnanter Experimente“. 1. „Das Kuleschow-Remake“. In: ders. Hrsg., (wie Anm. 12) S. 157 ff. 36 120 121 6. Montage und Postproduktion | Schnitt 6.5. Schnitt – Begriffsklärung Schnitt bezeichnet sowohl den harten Übergang von einer Einstellung zur nächsten als auch den gesamten Prozess des Zusammenfügens der Einzelelemente, die im Film zu sehen und zu hören sein werden. Der deutsche Begriff „Filmschnitt“ assoziiert in erster Linie die Tätigkeit des Trennens von Einstellungen, die auf einer Filmrolle sind, wobei das im Selektionsprozess ausgewählte Material schließlich zum Film zusammengefügt wird. Die Auswahl und die Art des Zusammenfügens von Einstellungen entscheidet der Cutter. Als Entscheidungsgrundlagen dienen das Drehbuch und der Aussagewunsch. Im fertigen Film ist schließlich nur noch ein kleiner Teil des ursprünglich aufgenommenen Materials zu sehen. Das Verhältnis zwischen aufgenommenem und verwendetem Material wird mit dem Begriff Drehverhältnis bezeichnet. Montage Editing Die aus dem Französischen und Englischen stammenden Begriffe „Montage“ und „Editing“ treffen den Kern der wichtigsten Tätigkeit in der Phase der Postproduction im Grunde genommen besser als der Begriff „Schnitt“. So wie ein Orchesterklang ganzheitlich wahrgenommen wird, obwohl er eigentlich aus vielen Instrumentenstimmen besteht, so fügt der Filmschnitt viele einzelne Bestandteile zu einem großen Ganzen zusammen. „Filmmontage ist eine Sammelbezeichnung für einen komplexen Vorgang, der den Film in seinem Ablauf strukturiert, seine visuellen und akustischen Elemente auswählt, anordnet und sie organisiert, indem sie durch Schnitt gegenübergestellt, aneinandergereiht und/oder in ihrer Dauer begrenzt werden. ... Im ersten Schritt, der dem Schnitt vorausgeht, wird das Drehbuch in Handlungseinheiten untergliedert. Der zweite Schritt erfolgt 6. Montage und Postproduktion | Schnitt beim Drehen, wo die Auflösung der Einstellungen von der Kamera in Zusammenarbeit mit der Regie vorgenommen wird. Die Gesamtheit dieser Einstellungen ergibt die Muster, mit denen die eigentliche Filmmontage, das Filmediting, der Filmschnitt beginnt.“38 Im Zeitalter des Video-Desktop-Editings, also des Videoschnitts am Computer, wird ohnehin nicht mehr im ursprünglichen Sinne des Wortes physikalisch geschnitten. Denn die Einstellungen werden nicht mehr getrennt sondern lediglich ausgewählt. In den sogenannten nondestruktiven Verfahren des Computerschnitts bleibt das Bild- und Tonmaterial, das als Daten abgespeichert wurde, auf der Festplatte erhalten. In der Montage werden dann Einstellungen ausgewählt, in ihrer Länge bestimmt, in eine bestimmte Reihenfolge gebracht, und es wird die Art des Überganges von einer Einstellung in die folgende bestimmt. 6.5.1. Begründungen für den Schnitt Lange Zeit galt als wichtigstes Kriterium für den Filmschnitt das Einhalten der Kontinuität. Das Publikum sollte den Schnitt nicht bemerken. Ein guter Schnitt ist ein Schnitt, den man nicht sieht, lautet bis heute eine Grundregel des Fernsehens. Der Hollywood Stil hat darin eine Meisterschaft entwickelt. Walter Murch, einer der großen Hollywood Cutter (Apokalypse Now), löst sich von dieser Auffassung und nennt sechs Kriterien, die ein guter Schnitt erfüllen muss: sechs Kriterien für guten Schnitt 1. er trifft das Gefühl des jeweiligen Moments; 2. er treibt die Handlung voran; 3. er erfolgt an einer Stelle, die vom Rhythmus her interessant und „richtig“ ist. 38 122 Kontinuität Beller, Hans: „Filmediting/Filmmontage/Filmschnitt – Berufsbild: Cutter/Schnittmeister“. In: ders. Hrsg. (wie Anm. 12), S. 78 123 6. Montage und Postproduktion | Schnitt 4. er berücksichtigt das, was man „Augenspur“ nennen könnte – worauf sich das Zuschauerinteresse konzentriert und wohin es sich innerhalb des Bildes bewegt; 5. er respektiert die „Planarität“ – wie die Gesetzmäßigkeiten der Dreidimensionalität durch fotografische Aufnahme in zwei Dimensionen übertragen werden (die Probleme der Bildachse usw.) 6. er respektiert die dreidimensionale Kontinuität des Raums (mehrere Leute befinden sich in einem Zimmer und haben einen räumlichen Bezug zueinender). 1. 2. 3. 4. 5. 6. Gefühl 51% Handlung 23% Rhythmus 10% Augenspur 7% Zweidimensionale Fläche der Leinwand 5% Dreidimensionaler Handlungsraum 4% Gefühl, das die Liste anführt, ist das Kriterium, das man unter allen Umständen erfüllen sollte. Stellt man fest, dass man bei einem Schnitt eines oder mehrere dieser sechs Kriterien opfern muss, sollte man sich Punkt für Punkt von unten nach oben hocharbeiten.“39 Lidschlag Beim Schnitt eines Filmes mit Gene Hackman beobachtete Walter Murch, dass der Protagonist immer in unmittelbarer Nähe zum geplanten Schnitt das Augenlid schloss. Daraus entwickelte er die Theorie, dass überall dort ein Filmschnitt platziert werden könne, wo ein Lidschlag gemacht werde. In seinem Buch, „Ein Lidschlag, ein Schnitt“, zitiert Murch John Huston, der gesagt habe, dass für ihn der perfekte Film so wirke, als ob er hinter den Augen ablaufe und von den Augen selbst projiziert werde, so dass diese das sähen, was sie zu sehen wünschten.40 34 40 124 Thompson (wie Anm. 29), S. 50 ff. Murch (wie Anm. 33), S. 59 6. Montage und Postproduktion | Schnitt Tatsächlich liefert der gedachte Lidschlag einen guten Anhaltspunkt für den Filmschnitt. Durch den Lidschlag wird einerseits der Augapfel befeuchtet und gereinigt. Der Lidschlag portioniert aber auch die visuellen Eindrücke in Informationshappen, die dann auch „verdaut“ werden können, wichtige Informationseinheiten werden abgespeichert, weniger wichtige werden vergessen. portioniert In der Praxis zeigt sich noch ein weiterer Kriterienkatalog als nützlich für die Kontrolle von Gestaltungsentscheidungen im Zusammenhang mit dem Videoschnitt. Dieser Kriterienkatalog folgt den Regeln von Roy Thomson, die er im Buch „Grammar of the Edit“ veröffentlicht hat. Er nennt zunächst drei Möglichkeiten des Übergangs von einem Take zum nächsten, nämlich — Schnitt — Mix — Blende Jeder dieser Übergänge sollte sechs Funktionen erfüllen41 , die hier zur Verdeutlichung jeweils an einem Beispiel herausgearbeitet werden: Übergänge sollen sechs Funktionen erfüllen — Motivation, z.B. ein Reiz-Reaktionsschema: Einstellung 1: Zwei Fußgänger gehen über die Straße, ein Auto hupt Einstellung 2: abbremsendes Auto — Information: Einstellung 1: Zwei Fußgänger gehen über die Straße Einstellung 2: die Ampel zeigt rot — Komposition: Einstellung 1: gr. Die Ampel zeigt rot 41 Thompson (wie Anm. 29) 125 6. Montage und Postproduktion | Schnitt Einstellung 2: gr. runder Tachometer eines Autos mit Tempoanzeige 80 km/h — Ton Einstellung 1: zwei Personen gehen sprechend über die Straße, Originalton Einstellung 2: gr. Ampel rot zeigend, Originalton von Einstellung 1 wird weitergezogen. — Kamerawinkel Einstellung 1: nahe von vorne, 2 Personen gehen über die Straße Einstellung 2: Positionswechsel um 180°, also von hinten, Halbtotale mit den zwei Fußgängern, die Ampel zeigt rot. — Kontinuität Einstellung 1: t. Zwei Gesprächspartner gehen im Restaurant zu einem freien Tisch und wollen sich setzten, im Niedersitzen Umschnitt. Einstellung 2: nah. Einer der Gesprächspartner setzt sich. Andere wichtige Grundprinzipien für den Schnitt nennt Ursula Höf: „Blickrichtungen müssen korrespondieren, Bewegungsrichtungen dürfen sich nicht gegenseitig aufheben, Bildkompositionen sollten zusammenpassen. Häufig passen zwei aufeinander folgende Einstellungen nicht zusammen, weil Figuren innerhalb des Bildes „springen“.42 6.6. Harter Schnitt, Blende, Schwarzkader harter Schnitt Bildinhalt austauschen Ein harter Schnitt ist der unmittelbare Übergang von einer Einstellung zur nächsten. Von einem Frame zum nächsten wird der Bildinhalt ausgetauscht. Der harte Schnitt ist die Regel und nicht die Ausnahme. 42 126 6. Montage und Postproduktion | Schnitt Wann immer es möglich ist, empfiehlt es sich, innerhalb eines Bewegungsablaufs zu schneiden. Die menschliche Wahrnehmung ist auf Bewegungen konditioniert. Der Schnitt in die Bewegung eines Motivs lenkt vom eigentlichen Schnitt ab. Der Mix hingegen bedeutet den weichen Übergang von einer Einstellung in die nächste. Zwei auseinander liegende Zeitpunkte werden z.B. mit Hilfe der Blende miteinander in eine enge Beziehung gebracht. Ein Beispiel: Vor der Überblendung sieht der Zuseher ein Kind beim Klavierüben – Überblendung – jetzt ist das Kind erwachsen, der Mann sitzt am Flügel und begleitet einen großen Liedsänger beim Konzert. Die Blende verbindet in diesem Falle harmonisch zwei Zeitpunkte, die Jahre auseinander liegen können. Blenden können aber auch andere Übergangsformen, engl. shapes genannt, haben, z.B. dass sich Einstellungen aus dem Bild schieben, drehen etc. Die meisten Videoschnittprogramme bieten eine breite Palette von Übergängen. Häufiges Überblenden nimmt dem Video allerdings Kraft. Effekte, eingesetzt um der Effekte willen, haben im Hinblick auf die Gestaltung kein bedeutendes Gewicht. Blenden werden oft eingesetzt, um Fehler in der Kameraarbeit zu kaschieren. Dieses Bemühen ist aber nur sehr begrenzt von Erfolg gekrönt, denn Überblendungen teilen auf der inhaltlichen Ebene immer auch mit, dass Zeit vergangen ist oder ein Ortswechsel stattgefunden hat. Deshalb: Vorsicht vor zu häufigem Überblenden. Mix – weicher Übergang shapes Vorsicht vor zu häufigem Überblenden Die Verwendung von Schwarzkadern, also unbelichtetem Videomaterial, entspringt dem Wunsch der Film- und Videogestalter, im Fluss der Bilder eine Zäsur zu schaffen. Die Gründe dafür können vielfältig sein, z.B. bei einem Schauplatzwechsel oder um zu verdeutlichen, dass Zeit zwischen der vorangegangenen und der nachfolgenden Szene vergangen ist. Roy Thomson er- Höf, Ursula: „Werkstatt-Notizen aus dem Schneideraum“. In: Beller (wie Anm. 13), S. 115 127 6. Montage und Postproduktion 6. Montage und Postproduktion achtet sämtliche Kombinationen von Bildschnitt und Ein- und Ausblendungen in Schwarzkader als für prinzipiell möglich. Die einzige Ausnahme bildet der Schnitt in einen Schwarzkader in der Kombination mit dem Schnitt aus dem Schwarzkader. Der Schnitt nach und aus dem Schwarz wird vom Publikum als Schnittfehler interpretiert.43 6.7. Montagearten Polemik Über den Stellenwert der Montage gab und gibt es in der Filmwissenschaft immer wieder einen heftigen Diskurs bis hin zur Polemik. Während die einen Exponenten die Position vertreten, dass erst durch die Montage die filmische Arbeit entsteht, sind andere der Auffassung, dass Film und Videoarbeiten weitestgehend ohne Montage auskommen sollen. In seinem Lehrbuch über die Filmgestaltung fasst Pierre Kandorfer die breite Palette an Montagearten in drei Kategorien zusammen: a) Montage von Raum und Zeit b) Montage als Ideenassoziation c) Montage als Formalprinzip44 werden kann. Die wichtigsten Kategorien seien jedoch erwähnt: — — — — Implemtentierung von Schrift und Grafik Möglichkeiten der Farbkorrektur Filter Keying Während die Farbkorrektur dazu dient, Einstellungen besser aufeinander abzustimmen, geben Filter den Videobildern einen speziellen Look. Mit Hilfe von Keytricks werden Farben oder Helligkeitsinformationen des aufgenommenen Videobildes durch andere Bildinformationen ersetzt. Am besten bekannt sind die Bluebox oder Greenbox-Tricks. Ein Beispiel: Ein Präsentator wird in einem von einheitlichem Blau geprägten Studio aufgenommen. Die Farbe blau wird ausgekeyt und stattdessen das Realbild eines Sportstadions eingeblendet. Zu beachten ist hier, dass der Präsentator keine blaue Kleidung trägt. Trüge er ein Sakko in einem blauen Farbton, wäre anstelle des Sakkos ebenfalls das Stadionbild sichtbar. 6.9. Text im Bild 6.8. Compositing Im ursprünglichen Sinne bedeutet Compositing das Zusammenführen mehrerer Bildelemente. Der Begriff gewinnt, seit Video am Computer bearbeitet wird, rasch an Bedeutung. Er steht für die immer komplexer werdenden Möglichkeiten, Videobilder über den eigentlichen Schnitt hinaus nachzubearbeiten. Bereits einfache Video-Bearbeitungsprogramme bieten vielfältige Möglichkeiten, auf die hier im Detail nicht eingegangen 43 44 128 Die Schriftgestaltung im Videobild unterscheidet sich wesentlich von der Schriftgestaltung am Computer-Bildschirm. Das Videobild arbeitet mit einer Auflösung von 72 dpi. Im PAL-System ist das Bild nur 720x576 Pixel groß. Die Konturen von zarten, am Computerbildschirm ästhetisch wirkenden Schriften, gehen deshalb am Fernsehbildschirm häufig verloren oder fransen aus. Gestaltungsentscheidungen sollten deshalb nicht in erster Linie am Computer-Bildschirm, sondern viel mehr an einem VideoKontrollmonitor getroffen werden. Schriftgestaltung Auflösung von 72 dpi Video-Kontrollmonitor Thompson (wie Anm. 29) S. 117 Kandorfer (wie Anm. 10) S. 224 ff. 129 6. Montage und Postproduktion Titelsafebereich 6. Montage und Postproduktion Erschwerend kommt noch hinzu, dass das Videobild, das im Computer-Bearbeitungsprogramm zu sehen ist, nicht zur Gänze am Fernsehbildschirm erscheint. Rund 10 Prozent des Videobildes werden vom Fernsehbildschirm nicht dargestellt. Der Titelsafebereich im Monitor des Video-Bearbeitungsprogrammes gibt uns an, welcher Bildausschnitt auf jeden Fall in allen Fernsehgeräten zu sehen ist, bzw. welcher möglicherweise nicht mehr dargestellt wird. onen nicht aufnehmen, weil sie zu kurz sichtbar sind, entstehen Frustrationen. Diese führen dann dazu, dass umgeschaltet oder abgeschaltet wird, was weder im Sinne des Auftraggebers noch des Videogestalters sein kann. Der Mensch hat einen Lesezwang. Sobald eine Schrift zu sehen ist, beginnt er zu lesen, was möglicherweise von anderen Bildinhalten ablenkt. Ebenso folgt die Aufmerksamkeit des Publikums im Bild sichtbaren Bewegungen. Bewegte Schriftelemente, z. B. Namensinserts, bekommen mehr Aufmerksamkeit. Doch zu viel an Bewegung stumpft ab Lesezwang Screenshot „Titelsave“: außerhalb der äußeren Linie ist die Darstellung auf TV-Geräten nicht garantiert. Innerhalb der inneren Line befindet sich der Titlesave-Bereich. langsames Lesetempo 130 Was die Einblendungsdauer von Schriften anbelangt, so gilt als Faustregel, dass die Schrift so lange eingeblendet werden soll, dass sie mit langsamem Tempo leicht mitgelesen werden kann. Es empfiehlt sich dabei, laut zu lesen. Denn die Augen tasten Wörter und Sätze schneller ab, als sie der Mund spricht. Gestalter erliegen oft der Gefahr, Inserts zu kurz zu zeigen, da ihnen ja die Information bereits bekannt ist. Das Publikum hat aber dieses Vorwissen nicht. Kann das Publikum die Informati- 131 7. Ton 7. TON Die Tonebene gibt dem zweidimensionalen Medium Video so etwas wie eine dritte Dimension. Die Bedeutung des Tons offenbart sich dann am deutlichsten, wenn an einer spannenden Stelle eines Films plötzlich der Ton abgedreht wird. Die spannendste Szene wird dann plötzlich fad und flach. Oft wird darüber diskutiert, was denn nun wichtiger ist, das Bild oder der Ton. „Dieser Streit um die Vormachtstellung ist jedoch ebenso unsinnig wie fruchtlos. Bild und Ton sind nicht Gegner sondern Partner.“45 Aus der Lernpsychologie wissen wir, dass Information, die auf der Bild- und Tonebene transportiert wird, den größten Lerneffekt erzielt. 7.1. Bild, Geräusch, Musik und Text Im menschlichen Sinnesspektrum kann die Tonwahrnehmung im Normalfall nicht ausgeblendet werden, die Ohren können nun einmal nicht geschlossen werden. Bei der Bildwahrnehmung ist dies anders. Die Augen können geschlossen werden. Im Normalfall hört der Mensch immer, entscheidet aber bewusst oder unbewusst, ob er sehen will oder nicht. Im Konzertsaal steht die Musik im Vordergrund des Interesses des Publikums. Beim Ballett besteht eine Ausgewogenheit des akustischen und visuellen Interesses. In einer Ausstellung wird das visuelle Interesse dominieren. Ob in einer Rezeptionssituation dem Bild oder dem Ton das Hauptaugenmerk geschenkt wird, entscheidet jedes Individuum im Publikum selbst. Die Videogestalter können aber diese Entscheidung beeinflussen, indem sie aus 45 Kungel, Reinhard: Filmmusik für Filmemacher. Die richtige Musik zum besseren Film. Gau-Heppenheim 2004, S. 142 132 133 7. Ton 7. Ton dem Spektrum der Informationskanäle Bild, Geräusch, Musik, Text einen oder mehrere dominant anbieten. Die gleichwertige Kombination aller vier Kanäle ist nicht sinnvoll, weil die Gefahr besteht, dass sich die Informationen überlagern und auslöschen und letztendlich nichts bewirkt wird. Sprache und Musik Interferenzen Reinhard Kungel vertritt in seinem Buch „Filmmusik für Filmemacher“ die Ansicht, dass dann, wenn sich eine Überlagerung von Sprache und Musik nicht vermeiden lasse, die Musik so einfach wie möglich gehalten werden sollte. Wünschenswert sei aber ein wechselseitiger Einsatz. Auf jeden Fall ist es problematisch, zu einer Sprachinformation, vor allem einem Off-Text, Gesang hinzuzumischen. Hier kommt es zu Interferenzen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beide Kanäle stören, den Off-Text und den Liedtext. Filmmusik will Bildwirkungen unterstützen. Je nach Art der Musik werden beim Publikum unterschiedliche Interpretationen derselben Bilder entstehen. Musik unterstützt die filmischen Möglichkeiten, beispielsweise in der Sequenz- und Szenenbildung, sie kann leitmotivisch wirken und die Dramaturgie stützen. Das Geräusch unterstützt die Bildaussage wesentlich. Wird auf das Geräusch verzichtet, entsteht ein unwirklicher Eindruck. Selbst in Musikpassagen sollte die Geräuschebene in der Regel noch mitspielen. Allerdings gibt es auch gestalterische Motive, auf die Tonspur überhaupt zu verzichten. Mit diesem Effekt arbeiten hin und wieder Werbefilme und erzielen durch die Verwendung dieses Gestaltungsmittels Irritation und gleichzeitig Aufmerksamkeit. Wird auf das Geräusch verzichtet und zu den Bildern nur Musik gespielt, dann bekommt die Musik einen sehr hohen Stellenwert, die filmische Außenwelt wird isoliert. Viele Musikvideos bedienen sich dieses Effekts. 46 134 7.1.1. Toneinsatz 7.1.1.1. Aktueller und kommentierender Ton Der aktuelle Ton wird während den Dreharbeiten parallel zum Bild, der kommentierende Ton wird hingegen im Studio aufgenommen. parallel 7.1.1.2. Synchronismus und Asynchronismus Bild und Ton stimmen metrisch und rhythmisch überein, so wie in der Natur. Asynchronismus bildet zwar im Medium eine Einheit, kommt aber in der Realität so nicht vor. (Streng genommen handelt es sich bei einer Synchronstimme um einen Asynchronismus. Im Film bildet die Synchronstimme eine Einheit mit den Protagonisten, in der Realität hingegen nicht.) 7.1.1.3. Parallelismus und Kontrapunkt Parallelismus bedeutet, dass Bild und Ton derselben Intention folgen und eine eindeutige Aussage erzielen wollen. Beim kontrapunktischen Soundeinsatz wollen Bild und Ton Verschiedenes aussagen, Bild und Ton ergänzen sich. 7.1.1.4. Das Pauli Modell Hansjörg Pauli hat die Wirkung von Musik auf drei Prinzipien hin verdichtet: „Als paraphrasierend bezeichne ich eine Musik, deren Charakter sich direkt aus dem Charakter der Bilder, aus den Bildinhalten ableitet. Als polarisierend bezeichne ich eine Musik, die Kraft ihres eindeutigen Charakters inhaltlich neutra- drei Prinzipien Kungel (wie Anm. 39) S. 145 135 7. Ton 7. Ton le oder ambivalente Bilder in eine eindeutige Ausdrucksrichtung schiebt. Als kontrapunktierend bezeichne ich eine Musik, deren eindeutiger Charakter den Bildern, den Bildinhalten klar widerspricht“47 Der Autor hat zwar sein Modell später als zu einfach verworfen. Dennoch veranschaulicht es die Funktion von Musik im Film. 7.1.1.5. Schnitt von Bild und Ton Bild Rhythmus Wird das Bild wenige Kader vor dem Rhythmus der Musik geschnitten, sprechen wir von einem weichen Schnitt. Er wird dort verwendet, wo Harmonie unterstützt werden soll. Bei einem harten Schnitt wird das Bild exakt auf dem Rhythmusschlag der Musik geschnitten. Der abrupte Bildwechsel wird dadurch akzentuiert. Ein aggressiver Schnitt wird einen bis wenige Kader nach dem Schlag angesetzt und wirkt dadurch unnatürlich, Stress erzeugend. Dies deshalb, weil er unserer gewohnten Wahrnehmung widerspricht. Der visuelle Reiz ist in der Natur schneller als der auditive. Zuerst ist der Blitz und erst verspätet der Donner. Wird dieses Schema umgedreht, führt dies zu Irritationen. 7.2. Sprache 7.2.1. Sprachgestaltung Wer für Video schreibt, schreibt in der Regel fürs Hören. Eine Ausnahme bilden Texte in Form von alphanumerischen Zeichen im Bild, wie z.B. Untertitelungen, Inserts etc. Das Publikum kann in der Regel nicht nachhören, während nachlesen bei der Lektüre eines Buches sehr wohl möglich ist. Dies ist wohl das 47 136 Pauli, Hansjörg: Filmmusik: Ein historisch-kritischer Abriß. In: Schmidt, H.-Chr. (Hrsg.): Musik in den Massenmedien Rundfunk und Fernsehen. Perspektiven und Materialien, Mainz 1976, S. 104 wichtigste Faktum, das den Autor eines Lesemediums von dem eines Hörmediums unterscheidet. Wer einen Lesetext nicht versteht, kann ihn nochmals lesen. Wer einen Hörtext nicht versteht, kann nur dann nachhören, wenn dieser umständlich zurückgefahren und von einem gewissen Punkt aus nochmals gestartet wird. Bei Fernsehprogrammen und in öffentlichen Aufführungen ist auch das nicht möglich. Die wichtigste und zugleich einfachste Regel für Video-Texte lautet: Schreibe wie du sprichst. Die gesprochene Sprache ist in der Regel leichter verständlich als die geschriebene. Schreibe wie du sprichst 7.2.2. Verständlichkeit Die Hamburger Schule der Verständlichkeit liefert wichtige Anhaltspunkte für die Sprachgestaltung. Sie lehrt, dass Texte grundsätzlich dann leichter verständlich sind, wenn sie vier Kriterien erfüllen. Diese Kriterien sind: — — — — Verständlichkeit einfach und klar gegliedert, geordnet kurz und prägnant anregend und anschaulich48 Im Büchlein „Sich verständlich ausdrücken“ sind zahlreiche Übungen enthalten, die Leser für die Problemstellung sensibilisieren. Wer dieses Büchlein durcharbeitet, erzielt nachhaltigen Profit nicht nur für Lesetexte, sondern auch für Hörtexte. Zusammengefasst geht es darum, die Kriterien der Verständlichkeit in einzelnen Faktoren kennen zu lernen. Diese Faktoren erschließt man sich am Besten von der Negativseite. Ein Text verstößt dann gegen das Gebot von einfach und klar, wenn er kompliziert und verschwommen ist. Die Satzkonstruk48 vgl. Langer, Inghard: Sich verständlich ausdrücken, München 137 7. Ton 7. Ton tionen sind komplex und abstrakt. Das Kriterium von gegliedert und geordnet wird dann nicht eingehalten, wenn Unordnung herrscht und kein klarer Handlungsstrang ersichtlich ist, wenn in der chronologischen Schilderung eines Ereignisses beispielsweise plötzlich die Chronologie verlassen wird und keine Dramaturgie erkennbar ist. Kürze und Prägnanz sind dann nicht gegeben, wenn etwas langatmig und umständlich erzählt und das Wesentliche nicht herausgearbeitet wird. Gegen das Prinzip von anregend und anschaulich wird durch Texte verstoßen, die abstrakt sind, viele Substantivierungen und keine Beispiele beinhalten. Gute Dialoge Gefahr – Fachjargon 138 Bei der Gestaltung von Texten für das Medium Video ist zunächst zu unterscheiden zwischen Texten für fiktionale Arbeiten und solche, die eher dokumentarische Aufgaben erfüllen. Im fiktionalen Video dominieren Aussagen von Protagonisten und Dialoge. Gute Dialoge zu schreiben, gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben im Videogeschäft. Denn die Dialoge treiben die Handlung wesentlich voran und charakterisieren gleichzeitig die Protagonisten. Hauptzuständig für das Schreiben der Dialoge sind die Autorinnen und Autoren von Drehbüchern. Oft werden eigene Dialogautoren damit beauftragt, eine vorgegebene Handlung auszuformulieren. Auch im Dokumentarischen gibt es Äußerungen von Protagonisten, und zwar meist in Form von Statements, Interviews und anderen Gesprächssituationen. Das gesprochene Wort folgt in der Regel eher den Kriterien der Verständlichkeit. Vor allem aber dann, wenn Expertinnen und Experten befragt werden, besteht die Gefahr, sich in einem Fachjargon zu verlieren, der von einer über die Expertengruppe hinaus gehenden größeren Zielgruppe nicht oder nur mehr schwer verstanden wird. Dann müssen die Auskunftspersonen gebeten werden, einfacher zu formulieren, die Kriterien der Verständlichkeit einzuhalten. Dieser Wunsch wird oft nur ungern erfüllt, denn die Fachleute befürchten einen Imageverlust , wenn sie sprachlich einfach agieren. Diese Angst ist aber völlig unbegründet. Die Verständlichkeits-Untersuchung zeigt, dass die Einhaltung der Kriterien allen hilft, auch den Experten, die den Fachjargon verstehen. 7.2.3. Off-Text Wichtiger als die Dialoge sind im dokumentarischen Video und auch im Bereich von Corporate Video Off-Texte, die Informationen zu den Bildern liefern, ohne dass die sprechende Person im Bild zu sehen ist. Hier ist besonders darauf zu achten, dass die Texte formal so gebaut sind, dass die Regeln der Verständlichkeit eingehalten werden. Auf der inhaltlichen Ebene sollten die Texte nicht Bild beschreibend angelegt werden, vielmehr sollten sie Zusatzinformationen zum Bild liefern. Das Bild soll seinen Stellenwert behalten und nicht zugetextet werden. Das Lesetempo muss so angelegt sein, dass die Rezipienten dem Text folgen können. Zu beachten ist, dass im Gegensatz zum Gestalterteam, das den Inhalt, die Bilder und Texte vom Produktions- und Postproduktionsprozess her bestens kennt, das Publikum zum ersten Mal mit der Videoarbeit konfrontiert ist. Das Video muss also unmittelbar ansprechen, ansonsten steigen die Zuseher aus. Bei einer auf Informationstransfer angelegten Arbeit muss es möglich sein, die Information gleichzeitig aufzunehmen und zu verarbeiten. Texte sollen nicht Bild beschreiben Bereits bei der Sequenzbildung wurde davon gesprochen, dass sich Einstellungen wechselseitig beeinflussen. Nachfolgende Information löscht dann vorangegangene aus, wenn diese keine Chance hatte, sich zu verankern. Zu viel Text und zu schnell, das sind die häufigsten Fehler, die bei Informationsvideos gemacht werden. 139 7. Ton Horizont der Zuseher Gestalter müssen der Bild- und Sprachinformation die Möglichkeit geben, den Horizont der Zuseher zu erreichen und sich zu verankern.49 7.2.4. Text-Bildschere Text- und Bildinformation auseinander driften Ein besonderes Problem entsteht dann, wenn Text- und Bildinformation auseinander driften. Wir sprechen dann von einer Text-Bildschere. Beschreibt die Sprache etwas, das völlig losgelöst vom Bild ist, kommen die Zuseher in eine Konfliktsituation. Wem soll man folgen, den Bildern oder der Sprache? Diese Konfliktsituation endet häufig damit, dass sich die Rezipienten verweigern. 49 140 vgl. Kramarek (wie Anm. 7), S. 43 ff. 141 8. Resümee 8. RESÜMEE „Was in der Leichtathletik der Zehnkampf ist, das ist in der Mediengestaltung Video.“ Dieser Satz von Paul Sedlacek fiel bei einer seiner Lehrveranstaltungen an der Fachhochschule Vorarlberg. Er muss es wissen, schließlich ist er seit vielen Jahren Ausbildner und Gestalter für den ORF, zuletzt überaus erfolgreicher Regisseur der Hugo-Portisch-Zeitgeschichte Dokumentationen im österreichischen Gedenkjahr 2005. Mit dieser Arbeit sollte die Komplexität des Mediums Video bewusst und transparent gemacht werden. Die Leserinnen und Leser sollten klarer erkennen können, wo die wesentlichen Gestaltungsentscheidungen getroffen werden. Das Studium dieser den Unterricht ergänzenden Lernunterlage sollte mit dazu beitragen, begründete Gestaltungsentscheidungen zu treffen. Der Überblick will den Studierenden der Mediengestaltung, die nur wenig mit Video zu tun haben werden, zumindest Mitsprachekompetenz sichern. Für Berufseinsteigerinnen und -einsteiger will er eine Grundlage bieten, auf der die am Medium ernsthaft Interessierten weiter aufbauen können. Wer planvoll vorgeht, verringert das Risiko und erhöht die Chancen auf Erfolg. 142 143 9. Literaturverzeichnis 9. LITERATURVERZEICHNIS Appeldorn, Werner van: Handbuch der Film- und Fernsehproduktion. Psychologie – Gestaltung – Technik. 4. Aufl. München, 1997. A Beller, Hans: Coverage-System. Über die Hartnäckigkeit einer Studio-Konvention. URL http://www.schnitt.de/themen/artikel/goldener_schnitt_-_coverage-system.shtml?print in der Fassung vom 25.7.2005. B Beller, Hans (Hrsg.): Handbuch der Filmmontage. 2. Auflage. München 1995. Buckan, Marcel: Der Rhythmus im Filmschnitt. Analyse des Blickverhaltens von Zuschauern unter Aspekten des Rhythmus. Diplomarbeit. Potsdam-Babelsberg, HFF „Konrad Wolf“ 2001. Chabrol, Claude und Guérif, Francois: Wie man einen Film macht. Berlin 2004. C Doelker, Christian: Kulturtechnik Fernsehen. Analyse eines Mediums. Stuttgart 1989. D Haller, Michael: Recherchieren. Ein Handbuch für Journalisten. 4. üa. Aufl., München 1991. H Höf, Ursula: Werkstatt-Notitzen aus dem Schneideraum. In: Beller, Hans (Hrsg.): Handbuch der Filmmontage. 2. Auflage. München 1995. 144 145 9. Literaturverzeichnis 9. Literaturverzeichnis K Kramarek, Johannes; Pockrand, Rainer und Kerstan, Peter: DuMont‘s Handbuch für praktische Filmgestaltung. Köln 1986. Kandorfer, Pierre: Lehrbuch der Filmgestaltung. Theoretisch Technische Grundlagen der Filmkunde. Köln-Lövenich 1978. Katz, Steven D.: Shot by Shot. Die richtige Einstellung. 3. Aufl., Frankfurt am Main 2000. Kerstan, Peter: Bildsprache und Gestaltung des berichterstattenden Films. Seminardokumentation. http://www. youth4media.com/new/artmedia/documents/kerstan.pdf in der Fassung vom 15.07.2005. Kungel, Reinhard: Filmmusik für Filmemacher. Die richtige Musik zum besseren Film. Gau-Heppenheim 2004. L 146 Murch, Walter: Ein Lidschlag, ein Schnitt. Die Kunst der Filmmontage. Berlin 2004. Pauli, Hansjörg: Filmmusik: Ein historisch-kritischer Abriß. In: Schmidt, H.-Chr. (Hrsg.): Musik in den Massenmedien Rundfunk und Fernsehen. Perspektiven und Materialien, Mainz 1976. P Planngger, Gebhard: Optisches Berichten. In: Schult, Gerhard und Buchholz, Axel (Hrsg.): Fernsehjournalismus. München 1990. Poschardt, Ulf: Das Video als Laboratorium. In: Poschardt, Ulf (Hrsg.): Video – 25 Jahre Videoästhetik. Düsseldorf 2004. 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In:Schult, Gerhard und Buchholz, Axel (Hrsg.): Fernsehjournalismus. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. 3. erw. Aufl. München 1990. Monaco, James: Film verstehen. Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Medien mit einer Ein- Sollberger, Udo: Das Produktionshandbuch für audiovisuelle Auftragsproduktionen.Zürich 1998. 147 9. Literaturverzeichnis 10. Abbildungsverzeichnis T Thompson, Roy: Grammar of the Edit. Oxford 2001. 10. ABBILDUNGSVERZEICHNIS V Vogler, Christopher: The Writers Journey. London 1996. Abb.: 2 – 4, 9 – 24, 26 – 29, 32, 33, 36 – 39, 40 – 54. Flax, Daniel, im Auftrag des Autors. Vorhaus, John: The Comic Toolbox. Los Angeles 1994. Abb.: 1, 5 – 8, 25, 30, 31, 34, 35, 56. Der Autor: Grafiken und Stills aus der Dokumentation „René reist nach Finnland“. Abb.: 4. Kandorfer, Pierre. Lehrbuch der Filmgestaltung. Theoretisch Technische Grundlagen der Filmkunde. Köln-Lövenich 1978, S. 222. Abb.: 55. Serzinger Rolf. In: Beller, Hans (Hrsg.): Handbuch der Filmmontage. 2. Auflage. München 1995, S. 158. 148 149 11. Literaturtipps und Links 11. LITERATURTIPPS UND LINKS Balázs, Béla: Der Geist des Films. Frankfurt a. Main 2001 Burder, John: Handbuch der Postproduktion für Video&Video. Köln 1999 Büchele, Fridhelm: Digitales Videoen. Einfach gute Videovideoe drehen und nachbearbeiten. Bonn 2004 Evans, Russel: Practical DV videomaking. A step-by-step guide for beginners. Oxford 2003 Holden, Tom: Video Making. London 2002 Kochberg, Searle: Introduction to Documentary Production. A guide for media students. London 2002 Mikunda, Christian: Kino spüren. Strategien der emotionalen Videogestaltung. Wien 2002 Pauli, Hansjörg: Filmmusik: Ein historisch-kritischer Abriß, in: Schmidt, H.-Chr. (Hrsg.): Musik in den Massenmedien Rundfunk und Fernsehen. Perspektiven und Materialien, Mainz 1976, 91 – 119. Schadt, Thomas: Das Gefühl des Augenblicks. Zur Dramaturgie des Dokumentarvideos. Bergisch Gladbach 2002 Schmidt, Ulrich: Digitale Bild- und Videotechnik. München, Wien. 2002 Truffaut, Francois: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? München 2000 150 151 11. Literaturtipps und Links 11. Literaturtipps und Links Nachstehend einige nützlich Links, meist von Institutionen und Verbänden, die wiederum auf Partnerverbände hinweisen: http://www.discovery-campus.de/ http://www.ibc.org/ http://www.aacamera.org/ http://mediaresearch.orf.at/quick.htm http://www.afc.at/ http://www.movie-college.de/ http://www.austrian-directors.com/ http://www.bbc.co.uk/learning/subjects/media_studies.shtml http://www.obs.coe.int/index.html.de (Europäische Audiovisuelle Informationsstelle) http://www.bfs-cutter.de/index.php?action (Berufsverband freischaffender Cutter, D) http://cgi.snafu.de/ohei/user-cgi-bin/mcats.pl (online Filmwörterbuch) http://www.cybercollege.com/tvp_ind.htm http://www.coe.int/T/E/Cultural_Co-operation/Eurimages/ http://www.crew-united.com/ http://www.drehbuchforum.at/ http://www.ebu.ch/en/index.php http://www.editors.at/ http://www.european-docuzone.com/ http://www.filmfestivals.com/index.shtml http://www.filminstitut.at/ http://www.digitalcinema-europe.com/ 152 153 12. Anhang 12. ANHANG: KONZEPTION DER DOKUMENTATION „RENÉ REIST NACH FINNLAND“ 12.1. Kommunikationsziele — Sachebene: Das Publikum soll wissen … … dass die Auslandserfahrung von René intellektuell und persönlich ein wichtiger Entwicklungsschritt war … dass es auch für behinderte Menschen int. Studienaustauschprogramme gibt … dass das persönliche Umfeld von René, die FH Vorarlberg und Vaasa Polytechnic die damit verbundenen Herausforderungen aktiv in Angriff genommen und bewältigt haben — Beziehungsebene: Der Beitrag soll … … nachdenklich und optimistisch stimmen, sich Herausforderungen zu stellen … das Gefühl vermitteln, dass behinderte und nicht behinderte Menschen gleiche Bedürfnisse haben — Appell: Der Beitrag fordert dazu auf … … sich an René ein Vorbild zu nehmen, wenn es darum geht, „Alltagsprobleme“ zu meistern und sich auch nicht zu gut zu sein, Hilfe in Anspruch zu nehmen. — Selbstdarstellung: Den Auftraggebern und dem Gestalter ist das Thema ein Anliegen … … weil sie für die Gleichberechtigung von Menschen mit und ohne Behinderung eintreten und sie das Auslandsstudium von René Kremser als exemplarisch dafür ansehen 154 155 12. Anhang 12. Anhang 12.2. Projektbeschreibung für Subventionsansuchen in Exposé-Form (Beispiel: An das Amt der Vorarlberger Landesregierung, Kulturabteilung) Das nachstehende Exposé ist durch eine erste Kostenkalkulation ergänzt, weil es als Grundlage für die Gespräche mit den Subventionsgebern und Sponsoren diente. Für die Entscheidungsfindung von Geldgebern ist es wichtig, die Person, die die Projektverantwortung trägt, vorzustellen. Deshalb sei auch empfohlen, eine Referenzliste von Produzenten und Gestaltern beizufügen. die Frage, warum er die Beschwerlichkeiten auf sich nehmen will, wo doch Sightseeing für ihn von vornherein ausgeschlossen sei, antwortet er: „Dafür höre ich alles“, und lacht. Die Video Dokumentation im Überblick Ein akademischer Studienaustausch von Menschen mit einem so hohen Behinderungsgrad wie der von René Kremser ist höchst selten, für Österreich singulär. Ziel Videodokumentation „René reist nach Finnland“ René Kremser, 25, ist ein außergewöhnlicher Student des Studienganges Sozialarbeit an der Fachhochschule Vorarlberg. Er ist blind und aufgrund einer cerebralen Schädigung auf den Rollstuhl angewiesen. Er kann nur wenige Schritte an Stöcken gehen, aber er ist reiselustig und absolviert nun ein Auslandssemester samt Berufspraktikum im finnischen Vaasa. „René reist nach Finnland“ will auf nicht belehrende Art Mut machen, sich Herausforderungen im Sinne der Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung zu stellen. Die Dokumentation hilft verstehen, wie blinde Menschen ihre Umwelt wahrnehmen und dass behinderte Menschen mindestens so erlebnisfähig sind wie nicht behinderte. Form Die Reise ist voller Herausforderungen. Die alltäglichen Selbstverständlichkeiten eines nicht behinderten Menschen bergen für René Kremser viele Hürden. Deshalb hilft ihm ein Betreuer. Diesen zu finden, war die erste Aufgabe, die es zu lösen galt. Dann ging es um die Finanzierung und die Suche nach einem geeigneten Studienplatz. Die Dokumentation in der Länge von ca. 45 Minuten wird formal im Stile eines Roadmovies gehalten. Die Geschichte wird vom Autor gestaltet und produziert. Zielgruppe Umso mehr freut sich Herr Kremser jetzt, dass die Hochschule Vaasa Polytecnic den Studienplatz zur Verfügung stellt. Somit kann er ab Jänner 2005 das Studium in Finnland beginnen. Im April folgt dann, ebenfalls in Finnland, das Berufspraktikum. Auf 156 Internationale Tagungen, universitäre Organisationen, das akademische Umfeld, Behindertenverbände, Festivals, TV-Publikum. 157 12. Anhang 12. Anhang Distribution Die Dokumentation wird in einer DVD-Kleinauflage vertrieben. Sie kann auch gratis per Download über die Webpage der FH Vorarlberg bezogen werden und wird den Campus-TV-Networks zur Verfügung gestellt. Auch eine TV-Auswertung ist geplant, die diesbezüglichen Verhandlungen laufen. Versionen Langversion ca. 45 Minuten. Kurzfassung ca. 3 Minuten, Trailer in der Länge von ca. 45 Sekunden Fassungen in Deutsch und Englisch Technisches Format: Mater HDV 1080i, Produktions-Rahmenbedingungen Anhand der Aufgabenstellung wird das Berufsbild KameraredakteurIn näher untersucht und beschrieben. Das Video wird zudem als didaktisches Material im Rahmen der FH-Vorarlberg und im universitären Mediennetzwerk eingesetzt. Produktionsplan Konzeption, Finanzierung Dreh 1, Finnland, Studium, 4 Tage, 2 Reisetage Dreh 2, Finnland, Berufspraktikum, 4 Tage, 2 Reisetage Dreh 3, Vorarlberg, privates Umfeld und FH, 3 Tage Postproduction, Versioning, 20 Tage DVD Authoring, Untertitelung, 2 Tage Gesamtproduktionsaufwand, 37 Tage Fertigstellung 01.2005 03.2005 04.2005 05.2005 08/09.2005 08/09.2005 Kalkulation Die Kosten entstehen durch die Anmietung von technischem Equipment (Kamera, Nachbearbeitung, DVD Authoring), die Abgeltung von Musikrechten, Reisekosten und Verbrauchsmaterial (Bänder, DVD, etc.). Die Produktion wird in ehrenamtlicher Tätigkeit durchgeführt, sodass keinerlei Personalkosten anfallen. Die Gesamtkosten belaufen sich auf ca. 12.000,– Euro. Gegenleistung für Geldgeber Produktion und Gestaltung Prof.(FH) Ulrich Herburger, Produktionsassistenz: Katja Kenttala 158 Die Geldgeber werden im Abspann der Dokumentation, auf der DVD-Hülle und in den Presseunterlagen aufgeführt und erhalten drei DVD Belegexemplare. Eine höhere Auflage wird zum Selbstkostenpreis zur Verfügung gestellt. 159 12. Anhang Notizen Subventionsansuchen laufen bei der Vorarlberger Landesregierung und der Stadt Feldkirch Sponsorenansuchen laufen bei Privatstiftungen mit sozialer und kultureller Zielsetzung sowie bei Privatunternehmen. 160 Notizen Notizen Notizen Notizen Notizen Notizen