Quantentheorie für Fortgeschrittene Skript zur Vorlesung von Prof. Dr. Peter van Dongen WS 2004/2005 Institut für Physik Staudingerweg 7, 55099 Mainz c Copyright 2004 Peter van Dongen, Mainz, Germany letzte Aktualisierung: 25. Februar 2005 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 1.1 Historische Höhepunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 2 Einteilchenphysik 5 2.1 Einteilchenwellenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.2 Der Zeitentwicklungsoperator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.3 Die Green’sche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.4 Spektralfunktion und Zustandsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.5 Eine kompakte Darstellung der Green’schen Funktion . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.6 Geladene Teilchen im elektromagnetischen Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3 Einführung in die Vielteilchentheorie 3.1 Vielteilchenwellenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Vielteilchenwellenfunktionen in der Bra-Ket-Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Physikalische Operatoren (Observablen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Einteilchenoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Zweiteilchenoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Die 2. Quantisierung am Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Das dreidimensionale Coulomb-Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Wechselwirkung in einem Bose-Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Das Bose-Gas ohne Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.2 Das Wechselwirkungsproblem à la Bogoliubov . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.3 Die Gross-Pitaevskii-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.4 Diagonalisierung des Hamilton-Operators . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.5 Physikalische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.6 Anwendung auf 4 He . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Kohärente Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Das Pfadintegral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.1 Störungstheorie für die Zustandssumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.2 Die Green’sche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.3 Störungstheorie für das großkanonische Potential . . . . . . . . . . . . . . . 14 14 17 19 22 22 24 26 29 33 34 35 37 40 43 44 45 48 50 51 54 4 Das 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 58 58 59 60 63 67 69 quantisierte Strahlungsfeld Die Maxwell-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eichungen und Eichtransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materie in Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . Quantisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Hamilton-Operator und der Impuls des Strahlungsfeldes . . . . . . . . . . . . Das Strahlungsfeld im Vakuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . INHALTSVERZEICHNIS 5 Die Klein-Gordon-Gleichung 5.1 Herleitung der Klein-Gordon-Gleichung aus dem Korrespondenz-Prinzip . . . . . . . 5.2 Herleitung aus dem Variationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Das reelle Klein-Gordon-Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Das komplexe Klein-Gordon-Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Kontinuitätsgleichung für die 4-Stromdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Kontinuitätsgleichung für den Energie-Impuls-Tensor . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Normierung der Basisfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Ankopplung an das Strahlungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Äquivalente Form mit Hilfe eines Hamilton-Operators . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Erhaltungsgesetz und Kontinuitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Impuls des Klein-Gordon-Feldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10 Freie Lösungen der Hamilton-Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.11 Ankopplung an das Strahlungsfeld (Hamilton-Form) . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12 Die Foldy-Wouthuysen-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12.1 Einfaches Beispiel: Das freie Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13 Ladungskonjugation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14 Zeitumkehrinvarianz der Klein-Gordon-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15 Paritätstransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16 Die Zitterbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.17 Das Klein-Paradoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.18 π-mesonische Atome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.19 Quantisierung des Klein-Gordon-Feldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.20 Green’sche Funktionen (Propagatoren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Die 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 6.13 6.14 6.15 6.16 6.17 6.18 6.19 6.20 6.21 71 71 73 73 73 74 75 76 77 77 79 80 80 82 82 83 84 86 87 87 89 91 93 95 Dirac-Gleichung 98 Herleitung der Dirac-Gleichung aus dem Korrespondenzprinzip . . . . . . . . . . . . 98 Einfachster Fall: Masselose Fermionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Hamilton-Form der Dirac-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .101 Beziehung zur Klein-Gordon-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Kontinuitätsgleichung und Erhaltungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .102 Lorentz-Kovarianz der Dirac-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Historische Bemerkung zur Herleitung der Dirac-Gleichung . . . . . . . . . . . . .103 Ankopplung an das elektromagnetische Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Transformation des Dirac-Spinors unter Lorentz-Transformationen . . . . . . . . . .105 Lagrange- und Hamilton-Dichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Nicht-relativistischer Limes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .108 Anomale magnetische Momente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Entwicklung um den nicht-relativistischen Limes . . . . . . . . . . . . . . . . . .110 Lösung der Dirac-Gleichung für freie Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 6.14.1 Das Klein’sche Paradoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .116 6.14.2 Zitterbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Das Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119 Die Hyperfeinwechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Ladungskonjugation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .125 Quantisierung des Dirac-Feldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Projektoren auf positiv- oder negativ-frequente Lösungen . . . . . . . . . . . . . .128 Green’sche Funktion (Propagator) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 6.20.1 Eigenschaften der Pauli-Jordan-Funktion ∆(x) . . . . . . . . . . . . . . .129 6.20.2 Der gleichzeitige Antikommutator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 6.20.3 Positiv- und negativ-frequente Anteile des Propagators . . . . . . . . . . . .131 Ladungskonjugation in der quantisierten Dirac-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . 133 A 4-Schreibweise und Lorentz-Transformationen 135 ii INHALTSVERZEICHNIS B Äquivalenz der bosonischen QFT mit der Vielteilchen-Klein-Gordon-Gleichung 137 C Äquivalenz der fermionischen QFT und der Vielteilchen-Dirac-Gleichung 140 D Allgemeine Literaturhinweise 142 iii INHALTSVERZEICHNIS Dieses Skript ist eine aktualisierte Version der geTEXten Notizen, die ich im Laufe des WS 2000/2001 zur Vorbereitung einer Kursvorlesung Quantenmechanik II vor Mainzer Studierenden geschrieben habe. Für die Fertigstellung dieses „Compuskripts“ möchte ich mich ganz herzlich bei Frau Elvira Helf bedanken: Dieses Skript war ihre LATEX-Taufe, und sie hat die vielen Tücken des relativ formellastigen Textes großartig bewältigt. Die Verantwortung für den Inhalt liegt natürlich bei mir. Sollte der Leserin oder dem Leser eine Unstimmigkeit auffallen, bitte ich um eine Mitteilung ([email protected]). Die aktuelle Version dieses Skripts findet man auf der Homepage meiner Gruppe (http://komet337.physik.unimainz.de/Group/). Mainz, im November 2004 P. G. J. van Dongen 1 Kapitel 1 Einführung Eine Minimalforderung, die man an eine physikalisch sinnvolle Quantentheorie stellen sollte, ist, dass sie „ausbaufähig“ ist: Sie sollte nicht nur gewisse Eigenschaften einzelner nicht-relativistischer Teilchen beschreiben können, sondern sich auch ohne übermäßig viel Aufwand auf Vielteilchensysteme, auf die Wechselwirkung massiver Teilchen mit dem Strahlungsfeld und auf die Beschreibung relativistischer Teilchen verallgemeinern lassen. In der Vorlesung „Quantentheorie für Fortgeschrittene“ wird gezeigt, dass die wohlbekannte Standardbeschreibung der nicht-relativistischen Quantenphysik, die SchrödingerTheorie, in diesem Sinne ausbaufähig ist. Die Vorlesung besteht aus vier Teilen. Im ersten Teil (Kapitel 2 und 3) wird die Erweiterung der Schrödinger’schen Einteilchenquantenmechanik auf nicht-relativistische Vielteilchensysteme diskutiert. Diese Verallgemeinerung der Schrödinger-Theorie ist von größtem Interesse in der Theorie der Kondensierten Materie, der Kernphysik und auch in der Atomphysik. Ebenfalls von großem Interesse in allen diesen Bereichen ist die im zweiten Teil der Vorlesung (Kapitel 4) diskutierte Wechselwirkung nicht-relativistischer Materie mit dem Strahlungsfeld. Die Erweiterung auf relativistische massebehaftete Teilchen, z.T. auch in Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld, wird im dritten und vierten Teil der Vorlesung angesprochen, zunächst für bosonische Teilchen (Kapitel 5) und dann für Fermionen (Kapitel 6). Die Vereinigung aller dieser Verallgemeinerungen, also die Quantenelektrodynamik, die relativistische Vielteilchensysteme in Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld beschreibt, wird in der Vorlesung ansatzweise angesprochen. 1.1 Historische Höhepunkte Das Ziel dieser Einführung ist, den roten Faden, der durch die Vorlesung läuft, anhand der historischen Weiterentwicklung der Quantenmechanik nach der Einführung der Schrödinger-Gleichung deutlich zu machen. Die elementare nicht-relativistische Einteilchenquantenmechanik wurde bekanntlich Mitte der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts von Heisenberg, Schrödinger und Dirac formuliert. Insbesondere Schrödingers 1926 publizierte Wellengleichung, i~ ∂ψ = Hψ ∂t , H =− ~2 ∆ + V (x) , 2m (1.1) erklärte viele physikalische Phänomene aus dem Quantenbereich in einer Sprache, die den damaligen Physikern geläufig war1 , und verhalf so der jungen Quantenmechanik zum Durchbruch. Unglücklicherweise liefert die Schrödinger-Theorie inkorrekte Vorhersagen für die Energieniveaus eines wasserstoffähnlichen Atoms im Magnetfeld, die 1922 experimentell von O. Stern und W. Gerlach bestimmt wurden. Bereits kurz vor der Einführung der Schrödinger-Gleichung, im November 1925, hatten G.E. Uhlenbeck und S.A. Goudsmit das Konzept eines inneren Freiheitsgrads des Elektrons, nämlich des Spins, 1 Angeblich hat das Erscheinen im Jahr 1924 von R. Courant/D. Hilbert, Methoden der Mathematischen Physik (Teil I), die Physikergemeinschaft gut mit partiellen Differentialgleichungen vertraut gemacht und somit erheblich zum Entstehen und zur Akzeptanz der Quantenmechanik beigetragen. 1. EINFÜHRUNG eingeführt: S × S = i~S , S2 = 43 ~2 11 . (1.2) Beide Ideen, die Wellengleichung und der Spin, wurden 1927 von W. Pauli zu einer nicht-relativistischen Wellengleichung für den Spinor Ψ eines Elektrons im elektromagnetischen Feld kombiniert, die gute Übereinstimmung mit dem Stern-Gerlach-Experiment lieferte: i~ ∂Ψ = HΨ , ∂t H= e~ 1 2 [p − eA(x, t)] + eΦ(x, t) − B(x, t) · σ . 2me 2me (1.3) Hierbei stellt A das Vektorpotential dar, Φ das skalare Potential, B das Magnetfeld, e die Elektronenladung, me die Elektronenmasse und σ den Vektor der Pauli-Matrizen. Mit der Pauli-Gleichung (1.3) war die nicht-relativistische Einteilchenquantenmechanik zumindest formal abgeschlossen. Bereits in seinen ersten Arbeiten zur Quantentheorie hat E. Schrödinger sich Gedanken über eine relativistische Wellengleichung gemacht. Konkret hat er die Gleichung 1 ∂2 m0 c ∆ − 2 2 ψ = µ2 ψ , µ ≡ , (1.4) c ∂t ~ untersucht, die sofort aus der relativistischen Energie-Impuls-Relation E = p2 c2 +m20 c4 folgt, wenn man ∂ ∂ , p → ~i ∂x . Da die Gleichung (1.4) jedoch keine Übereinstimmung mit Sommerfelds ersetzt: E → i~ ∂t Feinstrukturformeln für Wasserstoff lieferte, hat Schrödinger diesen Zugang nicht weiter verfolgt. Die Relevanz der Gleichung (1.4) blieb zunächst unklar. Publiziert und untersucht wurde sie nun (ebenfalls im Jahre 1926) von O. Klein und W. Gordon. Mittlerweile wissen wir (u.a. aufgrund einer Arbeit von W. Pauli und V. Weisskopf aus dem Jahr 1934), dass die sogenannte Klein-Gordon-Gleichung (1.4) relativistische Bosonen mit dem Spin S = 0 (also z. B. π-Mesonen) beschreibt. Kapitel 5 dieses Skripts ist der Klein-Gordon-Gleichung und ihrer Physik gewidmet. Eine relativistische Wellengleichung für Fermionen mit dem Spin S = 21 wurde 1928 von P.A.M. Dirac vorgeschlagen. Eine ihrer möglichen Formen (die „Hamilton-Form“) lautet: i~ ∂ψ = Hψ ∂t , H = −ic~α · ∇ + βm0 c2 . (1.5) Hierbei sind β und die Komponenten (α1 , α2 , α3 ) des Vektors α nun 4 × 4-Matrizen; dementsprechend ist die Wellenfunktion ψ ein 4-Spinor. Es hat einige Jahre gedauert (bis etwa 1930), bis klar wurde, dass die Dirac-Gleichung (1.5) nicht nur Elektronen sondern auch ihre Antiteilchen, Positronen, beschreibt. Die Dirac-Gleichung wird ausführlich in Kapitel 6 behandelt. Die Schrödinger-Theorie wurde sehr bald nach ihrer Einführung, nämlich bereits 1927, von Dirac auf bosonische Vielteilchensysteme verallgemeinert. Hierzu verwendete er die Methode, die später als „Besetzungszahldarstellung“ oder „zweite Quantisierung“ bekannt werden sollte. Die Methode wurde von Dirac auch auf den Fall masseloser Bosonen, insbesondere auf das Maxwell’sche Strahlungsfeld, angewandt und zeigt, dass die Anregungen des Strahlungsfeldes gerade die 1905 von Einstein vorhergesagten Photonen sind. Ein Jahr später (1928) zeigten Jordan und Wigner, dass man auch Teilchen, die dem Pauli’schen Ausschließungsprinzip gehorchen, also Fermionen, im Rahmen der zweiten Quantisierung beschreiben kann. Die Grundlagen der nicht-relativistischen Vielteilchentheorie (Kapitel 3) und der Theorie des quantisierten Strahlungsfelds (Kapitel 4) wurden in diesen Arbeiten gelegt. Die Methode der zweiten Quantisierung wurde schließlich 1929 von Heisenberg und Pauli, ausgehend von der Dirac-Gleichung, auf relativistische Elektronen in Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld verallgemeinert. Bis 1927 waren das Photon und das Elektron die einzigen bekannten Elementarteilchen. Insbesondere war die Natur des Wasserstoffkerns (also dessen, was wir heute das Proton nennen) gänzlich unbekannt. Aufgrund einer sorgfältigen Analyse von Messungen der spezifischen Wärme von H2 durch Hund und Hori konnte D.M. Dennison 1927 schließen, dass das Proton, ähnlich wie das Elektron, den Spin S = 21 hat und ein Fermion ist. Ein weiteres Elementarteilchen, das Neutron, ebenfalls ein Fermion mit S = 21 , wurde 1932 von J. Chadwick entdeckt. Interessant ist übrigens noch, dass die magnetischen Momente 3 1. EINFÜHRUNG des Protons und des Neutrons „anomal“ sind, was u.a. bedeutet, dass diese fermionischen Teilchen nicht als Lösungen der reinen Dirac-Gleichung (1.5) angesehen werden können. Phänomenologisch kann man sie jedoch mit Hilfe einer von Pauli aufgestellten Verallgemeinerung der Dirac-Gleichung beschreiben (s. Kapitel 6). Die Wechselwirkung mit dem quantisierten Strahlungsfeld führt dazu, dass auch das magnetische Moment des Elektrons anomal ist in dem Sinne, dass der gyromagnetische Faktor geringfügig vom reinen Dirac-Wert (g = 2) abweicht. Experimentell wurde dies 1947 von P. Kusch nachgewiesen, theoretisch wurde die Diskrepanz zwischen der Dirac-Theorie und dem Experiment ebenfalls 1947 von J. Schwinger, R.P. Feynman und S. Tomonaga im Rahmen der Quantenelektrodynamik erklärt. Das theoretische Resultat, α 2 α + ... , − 0, 328 gth = 2 1 + 2π π wobei α = e2 /4πε0 ~c ≃ 1/137 die Feinstrukturkonstante darstellt, ist in sehr guter Übereinstimmung mit dem experimentellen Pendant, α 2 α gexp = 2 1 + + ... . − (0, 327 + 0, 005) 2π π Auch andere Diskrepanzen zwischen der reinen Dirac-Theorie und dem Experiment, wie die sog. LambVerschiebung, werden von der Quantenelektrodynamik befriedigend erklärt. Schließlich sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Elementarteilchen, denen wir bisher begegnet sind, Fermionen waren, falls ihr Spin halbzahlig ist (S = 21 , 32 , 52 , . . . ), und Bosonen, falls ihr Spin ganzzahlig ist (S = 0, 1, 2, . . . ). Dieser Sachverhalt ist kein Zufall sondern ein strenges physikalisches Gesetz, das als das Spin-Statistik-Theorem bekannt ist. Dieses Theorem wurde 1940 von einem Herrn bewiesen, der auch ansonsten eine extrem prominente Rolle in der Entwicklungsgeschichte der Quantenmechanik gespielt hat, nämlich von W. Pauli. Wir werden einer einfachen Formulierung des Spin-Statistik-Theorems in Kapitel 6 begegnen. 4 Kapitel 2 Einteilchenphysik Einteilchenphysik ist wesentlich mehr als die Physik einzelner Teilchen. Die Konzepte der Einteilchenphysik sind rigoros anwendbar, falls ein System nicht-wechselwirkender Teilchen vorliegt, auch wenn dieses System 1023 Teilchen umfasst. Allgemeiner sind die Konzepte der Einteilchenbeschreibung häufig näherungsweise anwendbar, wenn die Teilchen eines makroskopischen Systems effektiv nichtwechselwirkend (oder lediglich schwach wechselwirkend) sind. Die Klasse der effektiv nicht-wechselwirkenden Systeme enthält viele interessante Beispiele: Man denke an Elektronengase in Weißen Zwergen oder an Anderson-Lokalisierung in ungeordneten elektronischen Systemen (Nobelpreis 1977 für P. W. Anderson). In diesem einführenden Kapitel über Einteilchenphysik werden einige Basisbegriffe definiert, die zur Einführung der „echten“ Vielteilchentheorie (einschließlich der Wechselwirkung zwischen Teilchen) notwendig sind. Zur Sprache kommen neben den bereits aus der elementaren Quantenmechanik bekannten Begriffen u. a. die retardierte und die avancierte Green’sche Funktion, die Spektralfunktion und die globale und lokale Zustandsdichte. Der Formalismus ist selbstverständlich auch auf Teilchen in einem elektromagnetischen Feld anwendbar. 2.1 Einteilchenwellenfunktionen Wir betrachten zunächst einige allgemeine Eigenschaften der Einteilchen-Schrödinger-Gleichung. Das Anfangswertproblem für diese parabolische Differentialgleichung 2. Ordnung lautet ∂ψ i~ = Hψ ∂t (x ∈ D) , (2.1) ψ(x, t0 ) = ψ0 (x) wobei D der Raumbereich ist, in dem das quantenmechanische Problem definiert ist. Das Anfangswertproblem (2.1.1) muss im Allgemeinen also noch um eine Randbedingung für das Verhalten der Wellenfunktion ψ(x, t) auf dem Rand ∂D von D ergänzt werden. In vielen Anwendungen umfasst D den ganzen d-dimensionalen Raum1 ; in diesem Fall erfordert die Normierbarkeit der Wellenfunktion die Randbedingung ψ(x, t) → 0 (|x| → ∞) . In einigen Ausnahmefällen (wie z. B. beim „Teilchen im Kasten“ oder beim damit verwandten Problem eines Quantengases in einem großen, doch endlichen Volumen) nimmt man stattdessen an, dass die Wellenfunktion auf dem Rand eines endlichen Bereiches D verschwindet: ψ(x, t) = 0 (x ∈ ∂D) . 1 In diesem Kapitel halten wir die Raumdimension d des Systems wenn möglich beliebig, damit auch ein- und zweidimensionale Systeme (man denke an leitende Polymere bzw. an die Cu-O-Schichten der Hochtemperatursupraleiter) problemlos mitdiskutiert werden können. 2. EINTEILCHENPHYSIK Eine dritte mögliche Randbedingung, die ebenfalls bei der Behandlung von Quantengasen Anwendung findet, ist die sogenannte periodische Randbedingung, die nur im Falle eines quaderförmigen d-dimensionalen Volumens D auferlegt werden kann: ψ(x + Lℓ êℓ ) = ψ(x) (ℓ = 1, . . . , d) . Hierbei stellen Lℓ und êℓ die Systemlänge bzw. den Basisvektor in der ℓ-ten Raumrichtung dar. Die Lösung der Schrödinger-Gleichung erfüllt einige wichtige Erhaltungsgesetze. Aus der Hermitizität des Hamilton-Operators folgt direkt, dass die Norm der Wellenfunktion erhalten ist: Z ||ψ||2 = dy |ψ(y, t)|2 = 1 . Falls der Hamilton-Operator H außerdem nicht explizit von der Zeitvariablen abhängt, d. h. wenn ∂H/∂t = 0 gilt, dann ist auch die Energie des Systems erhalten: Z d dE = dy ψ ∗ (y, t)[Hψ](y, t) = 0 . dt dt Im Folgenden betrachten wir nahezu ausschließlich zeitunabhängige Hamilton-Operatoren, so dass der Energieerhaltungssatz im Allgemeinen gilt. Die Einteilchenphysik geht von einem Einteilchen-Hamilton-Operator der folgenden Form aus: H=− ~2 ∆ + V (x) . 2m (2.2) P Hierbei stellt ∆ = ∂ 2 /∂x2 = dℓ=1 ∂ 2 /∂x2ℓ den Laplace-Operator im d-dimensionalen Raum dar, und V (x) bezeichnet wie üblich die potentielle Energie. Das zum Hamilton-Operator H gehörige Eigenwertproblem lautet Hφn = En φn . Hier sind {φn } die Eigenfunktionen und {En } die Eigenwerte von H. Der Satz aller Eigenwerte {En } wird als das Spektrum von H bezeichnet. Die Eigenfunktionen {φn } sollen die Randbedingung erfüllen. Sie können bekanntlich orthonormal gewählt werden, so dass Z dy φ∗m (y)φn (y) = δnm gilt. Außerdem nehmen wir an, dass der Satz von Eigenfunktionen {φn } vollständig ist, d. h. dass jede auf dem Definitionsbereich D quadratisch integrierbare Funktion nach den Eigenfunktionen {φn } entwickelt werden kann. Formal wird diese Eigenschaft durch die Bedingung X φn (x)φ∗n (y) = δ(x − y) (2.3) n ausgedrückt. Falls der Hamilton-Operator H ein teils diskretes (n ∈ Sd ) und teils kontinuierliches (n ∈ Sk ) Spektrum hat (Beispiel: das Wasserstoffatom), soll die Summe in (2.3) als Z X X dn J(n) + = n {n∈Sd } Sk interpretiert werden; die genaue Form der Jacobi-Determinante J(n) hängt hierbei von der Wahl der Quantenzahl n ab. In der Basis von Eigenfunktionen {φn } erhält der Hamilton-Operator die Form eines Integraloperators, Z [Hψ](x) = dy H(x|y)ψ(y) , (2.4) 6 2. EINTEILCHENPHYSIK wobei der Kern dieses Integraloperators explizit durch X H(x|y) = En φn (x)φ∗n (y) (2.5) gegeben ist. Dies folgt z. B. daraus, dass Gleichung (2.4) für eine beliebige Funktion ψ, X ψ(y, t) = ψn (t)φn (y) , (2.6) n n für H(x|y) in der Form (2.5) tatsächlich erfüllt ist: Z Z X X dy H(x|y)ψ(y, t) = En φn (x) dy φ∗n (y)ψ(y, t) = En ψn (t)φn (x) n n h X i ψn (t)φn (x) = [Hψ](x, t) . = H n Hierbei wurde die Umkehrung von (2.6), ψn (t) = 2.2 R dy φ∗n (y)ψ(y, t), verwendet. Der Zeitentwicklungsoperator Die formale Lösung der Schrödinger-Gleichung (2.1−2.2) lautet (2.7) ψ = U (t|t0 )ψ0 , wobei U (t|t0 ) = e−iH(t−t0 )/~ den Zeitentwicklungsoperator darstellt. Er erfüllt die Gleichungen ∂ i~ U (t|t0 ) = HU (t|t0 ) ∂t U (t0 |t0 ) = 11 . (2.8) (2.9) Beachten Sie, dass der Zeitentwicklungsoperator unitär ist, d. h. es gilt U † (t|t0 ) = U (t0 |t). Analog zur expliziten Darstellung des Hamilton-Operators mit Hilfe der Eigenfunktionen, Gl. (2.4−2.5), kann man leicht eine ähnliche Integraldarstellung für den Zeitentwicklungsoperator angeben: Z ψ(x, t) = dy U (xt|yt0 )ψ0 (y) X U (xt|yt0 ) = φn (x)φ∗n (y)e−iEn (t−t0 )/~ . (2.10) n Der Kern U (xt|yt0 ) des Integraloperators U (t|t0 ) erfüllt die Gleichungen ∂ i~ U (xt|yt0 ) = [HU ](xt|yt0 ) ∂t U (xt0 |yt0 ) = δ(x − y) sowie die relevanten Randbedingungen. Im Ausdruck HU wirkt der Hamilton-Operator H nur auf die x-Abhängigkeit von U (xt | yt0 ). Aus Gleichung (2.10) folgt noch ein interessanter Zusammenhang zwischen dem Zeitentwicklungsoperator und der Einteilchenzustandssumme, d. h. zwischen den dynamischen und thermodynamischen Eigenschaften der Lösung der Schrödinger-Gleichung. Für y = x folgt nämlich: X φn (x)|2 e− ~i En (t−t0 ) . U (xtxt0 ) = n 7 2. EINTEILCHENPHYSIK Wenn wir nun analytisch fortsetzen von der reellen Relativzeit t−t0 zu einer imaginären Zeit β = 1/kB T gemäß (t − t0 ) → −i~β = − i~ kB T und über den Ortsraum integrieren, dann folgt Z Z X X −βEn dx U (x, −i~β|x0) = e dx |φn (x)|2 = e−βEn = Z1 (β) , n n wobei Z1 (β) die Einteilchenzustandssumme für das Gleichgewichtsverhalten der Lösungen der Schrödinger-Gleichung darstellt. Zu beachten ist, dass die „imaginäre Zeit“ physikalisch einer inversen Temperatur entspricht. 2.3 Die Green’sche Funktion Wie in der Theorie der partiellen Differentialgleichungen üblich, kann man nun eine Green’sche Funktion G(xt|yt0 ) definieren. Wir werden im Folgenden sehen, dass die Green’sche Funktion für die SchrödingerGleichung von großem physikalischem Interesse ist. Sie liefert nicht nur vollständige Information über die Zustandsdichte (und damit über die Thermodynamik des Systems), sondern sie ist auch ein wesentliches Element der Störungstheorie, z. B. für ungeordnete Systeme oder für Systeme mit Wechselwirkung. Genau wie in der allgemeinen Theorie der partiellen Differentialgleichungen unterscheidet man eine retardierte und eine avancierte Green’sche Funktion. Die retardierte Green’sche Funktion GR (xt|yt0 ) ist definiert durch GR (xt|yt0 ) = 1 U (xt|yt0 )ϑ(t − t0 ) i~ (2.11) mit ϑ(x) = 0 (x < 0) 1 (x > 0) . GR erfüllt die Gleichungen ∂ i~ GR − HGR = δ(x − y)δ(t − t0 ) ∂t R G (xt1 |yt0 ) = 0 (∀t1 < t0 ) . Die avancierte Green’sche Funktion GA ist nur für t < t0 ungleich Null und ist dementsprechend definiert durch GA (xt|yt0 ) = − 1 U (xt|yt0 )ϑ(t0 − t) . i~ Sie erfüllt also die Gleichungen ∂ i~ GA − HGA = δ(x − y)δ(t − t0 ) ∂t GA (xt1 |yt0 ) = 0 (∀t1 > t0 ) . Beachten Sie noch die Identität GR (xt|yt0 ) − GA (xt|yt0 ) = 1 U (xt|yt0 ) . i~ Außerdem gilt die Symmetriebeziehung ∗ GR (xt|yt0 ) = GA (yt0 |xt) . (2.12) 8 2. EINTEILCHENPHYSIK Mit Hilfe von (2.10) können auch die Green’schen Funktionen explizit als Summen über die Eigenfunktionen {φn } dargestellt werden. Man erhält 1 X GR (xt|yt0 ) = φ (x)φ∗n (y)e−iEn (t−t0 )/~ ϑ(t − t0 ) i~ n n und eine analoge Gleichung für GA (xt|yt0 ). Sehr wichtig für konkrete Berechnungen sind die Fourier-transformierten Green’schen Funktionen GR (x|y; z) und GA (x|y; z). Für beliebige z ∈ R ist GR (x|y; z) definiert durch Z ∞ + GR (x|y; z) ≡ dt ei(z+i0 )(t−t0 )/~ GR (xt|yt0 ) −∞ Z ∞ + 1 X = φn (x)φ∗n (y) dτ ei(z−En +i0 )τ /~ i~ n 0 X φ (x)φ∗ (y) n n . (2.13) = z − E + i0+ n n Zu beachten ist, dass die Fourier-Transformation nur wegen des infinitesimalen Imaginärteils von (z + i0+ ) möglich ist. Durch analytische Fortsetzung von (2.13) definieren wir GR (x|y; z) nun für alle z ∈ C\{En − i0+ }. Beachten Sie, dass alle Pole von GR (x|y; z) unterhalb der reellen Achse liegen. Dies hat zur Konsequenz, dass die inverse Fourier-Transformierte Z ∞ 1 R G (xt|yt0 ) = dz e−i(t−t0 )z/~ GR (x|y; z) (2.14) 2π~ −∞ tatsächlich exakt Null ist für alle t < t0 (man kann den Integrationsweg in diesem Fall in der oberen komplexen Halbebene schließen) und ungleich Null für t > t0 . (In diesem Fall schließt man den Integrationsweg in der unteren Halbebene und wendet den Residuensatz an.) In analoger Weise findet man für die Fourier-Transformierte von GA (xt|yt0 ): Z ∞ + A G (x|y; z) ≡ dt ei(z−i0 )(t−t0 )/~ GA (xt|yt0 ) −∞ X φ (x)φ∗ (y) n n , = z − E − i0+ n n (2.15) so dass die Pole von GA (x|y; z) nach analytischer Fortsetzung in der oberen komplexen Halbebene liegen. Die inverse Fourier-Transformierte ist auch in diesem Fall durch (2.14) gegeben. Zu beachten ist noch die Symmetriebeziehung R ∗ G (x|y; z) = GA (y|x; z) , (2.16) die besagt, dass die retardierte und die avancierte Green’sche Funktion dieselbe Information enthalten. 2.4 Spektralfunktion und Zustandsdichte Die Green’schen Funktionen GR und GA sind eng mit den Begriffen Spektralfunktion und Zustandsdichte verknüpft. Die Spektralfunktion ist definiert durch X ν(x|y; E) ≡ δ(E − En )φn (x)φ∗n (y) (2.17) n und kann offensichtlich als Baustein für Operatoren im Hilbert-Raum oder für Green’sche Funktionen verwendet werden. Z.B. gilt Z H(x|y) = dE E ν(x|y; E) (2.18) Z ν(x|y; E) GR (x|y; z) = dE (2.19) z − E + i0+ Z ν(x|y; E) . (2.20) GA (x|y; z) = dE z − E − i0+ 9 2. EINTEILCHENPHYSIK Die Green’schen Funktionen sind also vollständig durch die Spektralfunktion bestimmt. Umgekehrt ist die Spektralfunktion vollständig durch GR und GA bestimmt. Aus der Dirac’schen Identität 1 1 =P ∓ iπδ(E − En ) , E − En ± i0+ E − En wobei P den bei Integration relevanten Hauptwert bezeichnet, folgt nämlich sofort 1 1 − Im GR (x|y; E) = Im GA (x|y; E) = ν(x|y; E) . π π (2.21) Die Green’schen Funktionen und die Spektralfunktion enthalten also dieselbe Information und sind in diesem Sinne äquivalent. Die lokale Zustandsdichte ν(x; E) entspricht dem Spezialfall x = y der Spektralfunktion: X ν(x; E) ≡ δ(E − En )|φn (x)|2 . (2.22) n Die lokale Zustandsdichte liefert Information darüber, wieviele Zustände mit Energie E sich im System befinden, gewichtet mit der Wahrscheinlichkeitsdichte |φn (x)|2 dafür, dass ein Teilchen im n-ten Niveau am Ort x beobachtet wird. Es gilt 1 1 − Im GR (x|x; E) = Im GA (x|x; E) = ν(x; E) . π π Die globale Zustandsdichte pro Volumeneinheit ist schließlich definiert durch Z 1 X 1 dy ν(y; E) = δ(E − En ) . ν(E) = V V n (2.23) (2.24) In translationsinvarianten Systemen (wie z. B. im Kontinuum) wird die lokale Zustandsdichte x-unabhängig. In Gittersystemen (in denen das Potential V (x) periodisch ist) und in ungeordneten Systemen enthält ν(x; E) jedoch wesentlich mehr Information als die räumlich gemittelte Funktion ν(E). Beispiel: Betrachten wir nun z. B. die Green’schen Funktionen und die Zustandsdichte für ein freies Teilchen in einem großen, jedoch endlichen Hyperkubus D = [0, L]d . Die Eigenfunktionen sind in diesem Fall für periodische Randbedingungen durch φk (x) = V −1/2 eik·x gegeben, die Eigenwerte haben die d Form Ek = ~2 k2 /2m, und die erlaubten k-Werte sind k = 2π L n, n ∈ Z . Die retardierte Green’sche Funktion folgt nun aus Gl. (2.13) als: Z 1 X eik·(x−y) 1 eik·(x−y) G (x|y; z) = = . dk V z − Ek + i0+ (2π)d z − Ek + i0+ R k Man kann nun relativ leicht zeigen, dass die retardierte Green’sche Funktion GR explizit in der Form einer Hankel-Funktion darstellbar und die Zustandsdichte durch d/2 1 2m 1 E 2 d−1 ϑ(E) (2.25) ν(x; E) = 2 Sd (1) h2 gegeben ist. Hierbei ist Sd (1) = 2π d/2 /Γ(d/2) die Fläche einer d-dimensionalen Einheitskugel. Beachten Sie, dass die Zustandsdichte wegen der Translationsinvarianz nicht vom Ort x abhängt. 2.5 Eine kompakte Darstellung der Green’schen Funktion Der im letzten Abschnitt vorgestellte Formalismus kann mit Hilfe der aus der elementaren Quantenmechanik bekannten Bra-Ket-Schreibweise kompakter und eleganter dargestellt werden. In der BraKet-Formulierung wird der Funktion ψ(x, t), die wir oben in der „Ortsdarstellung“ betrachtet haben, ein Element |ψ(t)i eines abstrakten linearen Vektorraumes mit komplexem Skalarprodukt zugeordnet. 10 2. EINTEILCHENPHYSIK Lineare Operatoren im Funktionenraum (wie z. B. der Hamilton-Operator H) werden dementsprechend mit linearen Operatoren im abstrakten Vektorraum identifiziert. Eine spezielle Rolle spielen hierbei der Ortsoperator x̂ und der Impulsoperator p̂, weil deren Eigenvektoren |xi und |ki, R x̂|xi = x|xi ; hx1 |x2 i = δ(x1 − x2 ) ; dx |xihx| = 11 R p̂|ki = ~k|ki ; hk1 |k2 i = δ(k1 − k2 ) ; dk |kihk| = 11 , die bereits bekannten Orts- und Impulsdarstellungen erzeugen. In der Ortsdarstellung gilt für Funktionen bzw. Operatoren: hx|ψ(t)i hx|H|yi = ψ(x, t) = H(x|y) . Analog gilt in der Impulsdarstellung Z hk|ψ(t)i = dx hk|xihx|ψ(t)i Z = (2π)−d/2 dx e−ik·x ψ(x, t) = ψ̂(k, t) Z Z hk1 |H|k2 i = dx1 dx2 hk1 |x1 ihx1 |H|x2 ihx2 |k2 i Z Z = (2π)−d dx1 dx2 ei(k2 ·x2 −k1 ·x1 ) H(x1 |x2 ) ≡ Ĥ(k1 |k2 ) . In Tabelle 2.5 ist angegeben, wie die im vorigen Abschnitt vorgestellten Basisgleichungen mit Hilfe der Bra-Ket-Schreibweise einfacher dargestellt werden können. 2.6 Geladene Teilchen im elektromagnetischen Feld Die Schrödinger-Gleichung (2.2) ist nur bedingt dazu geeignet, die Dynamik geladener Teilchen im elektromagnetischen Feld zu beschreiben. Ein statisches elektrisches Feld, wie man es z. B. bei der Beschreibung eines Elektrons im Feld des Wasserstoffkerns benötigt, kann durch die Wahl V (x) = eΦ(x) berücksichtigt werden, wobei Φ(x) das elektrostatische Potential des Kerns darstellt: H= p2 L2 p2 + eΦ = r + + eΦ . 2me 2me 2me r2 Hierbei stellt me die Elektronenmasse dar (die Kernmasse wurde der Einfachheit halber als unendlich ~ ∂ groß angesetzt), es wurde pr ≡ ir ∂r r definiert, und der Operator L = x × p stellt den Bahndrehimpuls dar, der die Vertauschungsrelationen [Lk , Ll ] = i~ εklm Lm oder äquivalent L × L = i~L erfüllt. Magnetfelder, die ein nichtverschwindendes Vektorpotential A erfordern, können durch die SchrödingerGleichung in der Form (2.2) jedoch nicht beschrieben werden. Die Anwesenheit eines Vektorpotentials kann für geladene Teilchen (Ladung q, Masse mq ) ohne weitere innere Freiheitsgrade durch die Vorschrift der minimalen Kopplung berücksichtigt werden. Hierbei ersetzt man den Impulsoperator p durch den kinetischen Impuls p − qA(x, t): 2 H= [p − qA(x, t)] + qΦ(x, t) . 2mq Die Vorschrift der minimalen Kopplung ist bereits aus der klassischen Mechanik bekannt. Für den Fall eines Elektrons (Ladung e) in einem orts- und zeitunabhängigen Magnetfeld findet man in der Coulomb-Eichung (z. B. für A = 21 B × x): H= e e2 p2 − B·L+ (B × x)2 + eΦ . 2me 2me 8me 11 2. EINTEILCHENPHYSIK Schrödinger-Gleichung: Ortsdarstellung Bra-Ket-Darstellung ∂ i~ ∂t ψ(x, t) = [Hψ](x, t) ∂ i~ ∂t |ψi = H|ψi Eigenfunktionen/-werte: Orthonormalität: H|φn i = En |φn i [Hφn ](x) = En φn (x) dy φ∗m (y)φn (y) = δmn P ∗ n φn (x)φn (y) = δ(x − y) P H(x|y) = n En φn (x)φ∗n (y) 1 U (t|t0 )ϑ(t − t0 ) GR (t|t0 ) = i~ 1 A G (t|t0 ) = − i~ U (t|t0 )ϑ(t0 − t) R Vollständigkeit: Hamilton-Operator: Green’sche Funktion: Matrixelemente: hφm |φn i = δmn P n |φn ihφn | = 1I P H = n En |φn ihφn | idem idem hx|G(t|t0 )|yi − H G = 1I · δ(t − t0 ) P |φn ihφn | GR,A (z) = n z−E + n ±i0 G(xt|yt0 ) ∂ i~ ∂t Bewegungsgleichung: Fourier-Transformierte: i~ ∂∂t − H G = δ(x − y)δ(t − t0 ) P φn (x)φ∗n (y) GR,A (x|y; z) = n z−E + n ±i0 Symmetrie: Spektralfunktion/ -operator: = (z − H ± i0+ )−1 R † G (z) = GA (z ∗ ) ∗ GR (x|y; z) = GA (y|x; z ∗ ) N (E) ≡ P n δ(E − En )|φn ihφn | = ∓ π1 Im GR,A (E) ν(x|y; E) = P ∗ n δ(E − En )φn (x)φn (y) = ∓ π1 Im GR,A (x|y; E) lokale Zustandsdichte: ν(x; E) = hx|N (E)|xi R ν(E) = V1 dy hy|N (E)|yi ν(x; E) = ν(x|x; E) R ν(E) = V1 dy ν(y; E) globale Zustandsdichte: = V −1 Tr N (E) Tabelle 2.1: Vergleich der im vorigen Abschnitt vorgestellten Basisgleichungen in Ortsdarstellung und in Bra-Ket-Schreibweise. Beachten Sie insbesondere die kompakte Darstellung der Fouriertransformierten Green’schen Funktion, GR,A (z) = (z − H ± i0+ )−1 , die in der Störungstheorie zentral steht. 2 e Im Falle des Wasserstoffproblems ist der vierte (letzte) Term im rechten Glied durch eΦ(x) = − 4πε 0r gegeben. Der dritte Term, quadratisch im B-Feld, ist meist klein; er ist jedoch von entscheidender Bedeutung in der Erklärung des atomaren Diamagnetismus. Der zweite Term führt zu einer Aufspaltung der Energieniveaus des reinen Wasserstoffproblems: Enlm = En + ~ωL m (m = −l, . . . , l) ; En = − 21 α2 me c2 1 n2 (2.26) und erklärt somit den normalen Zeeman-Effekt. In (2.26) haben wir die Larmor-Frequenz ωL = 2 |e|B 2me , die Feinstrukturkonstante α = 4πεe 0 ~c und die üblichen Quantenzahlen des Wasserstoffproblems (die Hauptquantenzahl n, die Bahndrehimpulsquantenzahl l und die magnetische Quantenzahl m) eingeführt. Die gerade für geladene Teilchen ohne weitere innere Freiheitsgrade hergeleitete Aufspaltung der Energieniveaus stimmt nicht zufriedenstellend mit dem Experiment an realen wasserstoffähnlichen Atomen überein.2 Z.B. findet man eine Aufspaltung des 5s-Niveaus eines Silberatoms in einem Magnetfeld (Stern, Gerlach, 1922), obwohl keine Aufspaltung vorhergesagt wird (m = l = 0). Die gemessene Aufspaltung ∆E ≃ 2~ωL ist außerdem zweimal so groß wie man für den normalen Zeeman-Effekt (für l 6= 0) erwarten würde. 2 Das theoretische Modell liefert jedoch eine korrekte Beschreibung mesonischer Atome, s. Kapitel 5. 12 2. EINTEILCHENPHYSIK Diese und andere experimentelle Befunde haben zur Einführung eines inneren Freiheitsgrads des Elektrons, des Spins, Anlass gegeben. Die entsprechende Observable, der Spinoperator S, erfüllt die üblichen Vertauschungsrelationen eines Drehimpulses, S × S = i~S, allerdings mit halbzahligem Spin: S = 21 und daher S2 = S(S + 1)~2 11 = 34 ~2 11. Im Hamilton-Operator koppelt der Spinoperator linear an das Magnetfeld an: H = = e (p − eA)2 + eΦ − g B·S 2me 2me p2 e e2 − B · (L + gS) + (B × x)2 + eΦ . 2me 2me 8me (2.27) Hierbei wurde im letzten Schritt wieder ein orts- und zeitunabhängiges Magnetfeld angenommen. Für den gyromagnetischen Faktor findet man experimentell und theoretisch (s. später) den Wert g ≃ 2. Die Lösung der Schrödinger-Gleichung für S = 21 -Teilchen hat nun im Allgemeinen die Form eines Spinors: Ψ(x, t) = ψ+ (x, t)χ+ + ψ− (x, t)χ− , wobei χλ (mit λ = ±) die gemeinsamen Eigenfunktionen von S2 und B̂ · S darstellt: S2 χλ = 43 ~2 χλ ; B̂ · Sχλ = λ 12 ~χλ (λ = ±) . Diese Eigenfunktionen sind orthonormal und vollständig: X χ†λ · χλ′ = δλλ′ ; χλ χ†λ = 11 . λ Die Standarddarstellung des Spinoperators ist S = 21 ~σ, wobei der Vektoroperator σ = (σ1 , σ2 , σ3 ) als Komponenten die Pauli-Matrizen enthält: 0 1 0 −i 1 0 σ1 = , σ2 = , σ3 = . 1 0 i 0 0 −1 Diese Darstellung entspricht der Wahl B k ê3 ; die entsprechenden Eigenspinoren χλ sind durch χ+ = 1 und χ 0 − = 1 gegeben. Unter Berücksichtigung der zusätzlichen Energieaufspaltung durch den 0 Spinfreiheitsgrad (anomaler Zeeman-Effekt) sind die Energieniveaus des Wasserstoffproblems durch Enlmλ = En + ~ωL (m + λ 21 g) ≃ En + ~ωL (m + λ1) (λ = ±) ∂ gegeben. Die Schrödinger-Gleichung für S = 21 -Teilchen, i~ ∂t Ψ = HΨ mit H in (2.27), ist bekannt als die Pauli-Gleichung. Die kompakte Bra-Ket-Darstellung aus Abschnitt (2.5) kann natürlich ohne weiteres auch auf Spin1 -Teilchen angewandt werden, wobei |Ψi nun allerdings als Spinorzustand zu interpretieren ist. 2 13 Kapitel 3 Einführung in die Vielteilchentheorie Vielteilchentheorie ist die übliche Bezeichnung der theoretischen Beschreibung nicht-relativistischer quantenmechanischer Vielteilchensysteme, wobei übrigens fast alle Konzepte problemlos auf die Beschreibung relativistischer Vielteilchensysteme übertragbar sind. Die Vielteilchentheorie umfasst nahezu alle Aspekte der Quantentheorie der kondensierten Materie und somit auch die Atomphysik, die Molekülphysik und die nicht-relativistischen Aspekte der Kernphysik. Bisher (in Kapitel 2) haben wir ausschließlich einzelne nicht-wechselwirkende Teilchen betrachtet. Dieser Einteilchenformalismus ist bestenfalls noch für die Beschreibung effektiv nicht-wechselwirkender Teilchen („Quasiteilchen“) geeignet, für die Beschreibung echter Wechselwirkungseffekte in Vielteilchensystemen ist er jedoch offensichtlich ungeeignet. Um solche Effekte überhaupt beschreiben zu können, benötigt man einen Vielteilchenformalismus. Grundlegend in diesem Formalismus sind Begriffe wie Vielteilchenwellenfunktionen, Ein-, Zwei- und Mehrteilchenoperatoren, Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren, der Fock-Raum und kohärente Zustände. Diese Begriffe werden im Folgenden und in der Übung diskutiert. Wir werden sehen, dass die Schrödinger-Gleichung und der Hamilton-Operator sich zwar grundsätzlich leicht auf Vielteilchensysteme verallgemeinern lassen, dass die dabei auftretenden Wellenfunktionen jedoch durch ihre unhandliche Gestalt Fortschritt verhindern. Wir werden daher auch einen anderen, eleganteren, kompakteren, physikalisch jedoch äquivalenten Formalismus diskutieren. Dieser Formalismus ist bekannt als die Besetzungszahldarstellung oder „2. Quantisierung“, und formt die Basis der modernen Vielteilchentheorie. 3.1 Vielteilchenwellenfunktionen Es ist leicht, die Schrödinger-Gleichung, die üblicherweise nur auf einzelne Teilchen angewandt wird, auf Vielteilchensysteme zu verallgemeinern. Die Vielteilchenvariante der Schrödinger-Gleichung lautet: i~ ∂Ψ = HN Ψ, ∂t (3.1) wobei der Hamilton-Operator für N wechselwirkende Teilchen z. B. die folgende Form haben könnte: N 2 X X pi + V (xi ) + 12 v(xi − xj ). HN = 2m i=1 i6=j Der erste Term in diesem Beispiel beschreibt die kinetische Energie der N Teilchen, der zweite Term die potentielle Energie der Teilchen in einem Einteilchenpotential. Der dritte und letzte Term beschreibt die Wechselwirkung der Teilchen, wobei allerdings zur Vereinfachung nur paarweise Wechselwirkung berücksichtigt wurde: Effektive Drei- und Mehrteilchenwechselwirkungen, die in der Natur sicherlich auch eine Rolle spielen, wurden vernachlässigt. Die Wellenfunktion Ψ in (3.1) hängt von allen Ortskoordinaten der Teilchen und von der Zeit ab: Ψ = Ψ(x1 , . . . , xN ; t). Die Randbedingungen sind unabhängig von N und damit insbesondere gleich 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE denjenigen, die für das Einteilchenproblem (N = 1) gelten: Falls den einzelnen Teilchen der ganze Raum zur Verfügung steht (xi ∈ Rd ), so muss Ψ quadratisch integrierbar auf RN d sein. Für feste Randbedingungen, d. h. für wechselwirkende „Teilchen im Kasten“, folgt Ψ = 0, falls eins der Teilchen sich auf dem Rand befindet, d. h. falls xi ∈ ∂D gilt für irgendein i = 1, . . . , N . Falls der Kasten D ein Quader ist mit Seitenlängen Ll (l = 1, . . . , d) und periodische Randbedingungen auf dem Rand ∂D vorliegen, gilt Ψ ({xi + δij Ll êl } ; t) = Ψ({xi }; t) für alle j = 1, . . . , N und l = 1, . . . , d. Hierbei stellt êl einen Basisvektor in l-ter Richtung vor. Im Falle periodischer Randbedingungen müssen das Einteilchenpotential und die Wechselwirkung auch periodische Funktionen aller Ortskoordinaten (mit der Periode Ll in êl -Richtung) sein. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen Teilchen mit ganzzahligem Spin (Bosonen) und solchen mit halbzahligem Spin (Fermionen): Die Vielteilchenwellenfunktion für N bosonische Teilchen (man denke an 4 He-Atome oder π-Mesonen) ist symmetrisch unter Vertauschung der Koordinaten zweier Teilchen, diejenige für N Fermionen (z. B. 3 He-Atome oder Elektronen) dagegen antisymmetrisch. Hierbei schließt „Koordinaten“ die eventuellen Spinvariablen mit ein. Beschränken wir uns also auf S = 0-Bosonen und S = 21 -Fermionen, dann gilt für bosonische Vielteilchenwellenfunktionen: Ψ(. . . , xi , . . . , xj , . . . ) = +Ψ(. . . , xj , . . . , xi , . . . ) und für Vielfermionsysteme: Ψ(. . . , xi σi , . . . , xj σj , . . .) = −Ψ(. . . , xj σj , . . . , xi σi , . . .) . (3.2) Der Zusammenhang zwischen Spin und Statistik wurde 1940 von Pauli geklärt und wird im Folgenden öfter zur Sprache kommen. Gleichung (3.2) zeigt klar, dass keine zwei Fermionen dieselben Koordinaten haben dürfen: Ψ(. . . , xσ, . . . , xσ, . . . ) = 0, d. h. dass Fermionen sich bereits aufgrund ihrer Statistik abstoßen. Sogar ohne Wechselwirkung (d. h. für v(x) ≡ 0) ist die Beschreibung eines Vielteilchensystems mit Hilfe von Wellenfunktionen recht umständlich. Wir betrachten zuerst Bosonen (S = 0). Seien die Eigenfunktionen des Einteilchen-Hamilton-Operators, die die relevanten Randbedingungen erfüllen, durch φα (x) gegeben: 2 p + V (x) φα = εα φα , H1 φα = 2m dann haben die normierten Eigenfunktionen von HN (für v ≡ 0) die Form #− 21 Y X ΨQ = N ! (nα !) φα (x1 )φα (x2 ) . . . φα " α P P1 P2 PN (xN ) . Hierbei wird über alle Permutationen der Zahlen {1, . . . , N } summiert, Q ist ein Kürzel für die QuanPN PN tenzahlen {α1 , . . . , αN } und nα ≡ l=1 δααl . Der zugehörige Energieeigenwert ist εQ = l=1 εαl . In / 0) sind die Eigenfunktionen von HN natürlich im AllAnwesenheit einer Wechselwirkung (d. h. für v ≡ gemeinen nicht mehr durch die {Ψ } gegeben. In diesem Fall kann man die Eigenfunktionen nach dem Q P Satz {ΨQ } entwickeln: Ψ = Q aQ ΨQ . Die Lösung der Vielteilchen-Schrödinger-Gleichung entspricht dann der Bestimmung der Entwicklungskoeffizienten aQ , insbesondere auch als Funktionen der Zeit. Im fermionischen Fall (S = 12 ) muss auch der Spinfreiheitsgrad mitberücksichtigt werden. Die Eigenfunktionen des Einteilchen-Hamilton-Operators haben nun die Form: Φαλ (xσ) = φα (x)χλ (σ) (λ = ±) , wobei wie üblich gilt: X χ†λ · χλ′ = χλ (σ)∗ χλ′ (σ) = δλλ′ σ ; X λ χλ (σ)χ∗λ (σ ′ ) = δσσ′ . 15 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Die Eigenfunktionen von HN ohne Wechselwirkung (v ≡ 0) können kompakt in der Form einer Determinante geschrieben werden: 1 X ΨQ = √ (−1)P Φα λ (x1 σ1 ) · · · Φα λ (xN σN ) P1 P1 PN PN N! P i h 1 = √ det Φαi λi (xj σj ) . N! Der Satz der Eigenfunktionen {ΨQ }, wobei Q nun die Gesamtheit aller Quantenzahlen {α1 λ1 , . . . , αN λN } bezeichnet, formt eine orthonormale und vollständige Basis des P fermionischen N-Teilchen-Hilbert-Raums. Eine beliebige Wellenfunktion kann also in der Form Ψ = Q aQ ΨQ dargestellt werden. Die Normierung der {ΨQ } folgt aus der Orthonormalität der Einteilchenwellenfunktionen {Φαλ (xσ)}: (ΨQ , ΨQ ) = XZ dx1 . . . {σi } Z dxN Ψ∗Q (x1 σ1 , . . . , xN σN )ΨQ (x1 σ1 , . . . , xN σN ) N h i ′ Y 1 X (−1)P P Φ∗αP ℓ λP ℓ (xℓ σℓ )ΦαP ′ ℓ λP ′ ℓ (xℓ σℓ ) N! PP′ ℓ=1 {σi } " # Z N X ′ Y 1 X (−1)P P dx Φ∗αP ℓ λP ℓ (xσ)ΦαP ′ ℓ λP ′ ℓ (xσ) = N! ′ σ = XZ dx1 . . . Z PP = dxN ℓ=1 N ′ Y ′ 1 X 1 X 1 X 1=1 (−1)P P (−1)P P δP P ′ = [δP ℓ,P ′ ℓ ] = N! N! N! ′ ′ PP PP ℓ=1 P Allgemeiner zeigt man leicht, dass der Satz von Produktwellenfunktionen ΨQ für verschiedene Quantenzahlen Q orthonormal ist: (ΨQ , ΨQ′ ) = δQQ′ . Außerdem ist der Satz {ΨQ } vollständig, vorausgesetzt, dies gilt für den Satz {Φαλ } im Raum der Einteilchen-Wellenfunktionen: " # N X X X ′ Y 1 ′ Ψ∗Q ({xi σi })ΨQ ({x′i σi′ }) = (−1)P P Φ∗αℓ λℓ (xP −1 ℓ σP −1 ℓ ) Φαℓ λℓ (x′(P ′ )−1 ℓ σ(P ′ )−1 ℓ ) N! ′ PP {Q} = ℓ=1 ′ 1 X (−1)P P N! ′ PP = i ℓ=1 N Y 1 X P ′′ (−1) δ(xℓ − x′P ′′ ℓ ) δσℓ σ′ P ′′ ℓ N! ′′ PP = ℓ=1 δ(xP −1 ℓ − x′(P ′ )−1 ℓ ) δσP −1 ℓ σ′ (P ′ )−1 ℓ N h i ′ Y 1 X (−1)P P δ(xℓ − x′(P ′ )−1 P ℓ ) δσ σ′ ′ −1 ℓ (P ) Pℓ N! ′ PP = αℓ λℓ N h Y X P (−1)P ℓ=1 N Y ℓ=1 [δ(xℓ − x′P ℓ )δσℓ σ′ P ℓ ] . Im vorletzten Schritt wurde die Definition (P ′ )−1 P ≡ P ′′ benutzt, im letzten Schritt P ′′ wieder durch P ersetzt. Aus dieser Herleitung kann man also sehen, dass die Variablen {xi σi } eine Permutation der {x′i σi′ } darstellen sollen. Die Überlegungen im letzten Abschnitt zeigen, dass die Lösung der Vielteilchen-Schrödinger-Gleichung zwar mit Hilfe von Standardmethoden untersucht werden kann, dass das Rechnen mit Vielteilchenwellenfunktionen jedoch recht aufwendig und umständlich ist. Aus diesem Grund wäre ein kompakterer, eleganterer Formalismus äußerst wünschenswert. In den folgenden Abschnitten wird ein solcher 16 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Formalismus, die Besetzungszahldarstellung, entwickelt. Hierzu führen wir zuerst die Verallgemeinerung der Bra-Ket-Darstellung auf Vielteilchensysteme ein. Übergänge zwischen N - und (N ± 1)-TeilchenHilbert-Räumen können dann mit Hilfe von Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren beschrieben werden. In Termen solcher Operatoren erhält der Hamilton-Operator eine einfache Form, die es erlaubt, die verschiedenen Beiträge als Streuprozesse an Ein- bzw. Zweiteilchenpotentialen zu interpretieren. Die kompakte Form des Hamilton-Operators in der Besetzungszahldarstellung stellt so einen bequemen Startpunkt für eine störungstheoretische Untersuchung der Dynamik und der Thermodynamik eines quantenmechanischen Vielteilchensystems dar. 3.2 Vielteilchenwellenfunktionen in der Bra-Ket-Darstellung In der Einteilchenphysik reichte es, die möglichen Zustände eines Teilchens mit Hilfe eines EinteilchenHilbert-Raumes H zu beschreiben, der durch einen orthonormalen, vollständigen Satz von Einteilchenwellenfunktionen {|λi} aufgespannt wird: X λ hλ′ |λi |λihλ| = δλλ′ = 11 . Mit Hilfe der Einteilchenbasis {|λi} kann man eine vollständige, orthonormale Basis |λ1 λ2 . . . λN ) ≡ |λ1 i ⊗ |λ2 i ⊗ · · · ⊗ |λN i des N -Teilchen Hilbert-Raums HN = H ⊗ H ⊗ · · · ⊗ H definieren. Hierbei bezeichnet ⊗ das übliche Tensorprodukt. Es gilt: (λ′1 λ′2 . . . λ′N |λ1 λ2 . . . λN ) = X {λ1 ,λ2 ,...,λN } |λ1 λ2 . . . λN )(λ1 λ2 . . . λN | = δλ ′ 1 λ1 δλ ′ 2 λ2 . . . δλ ′ N λN 11(N ) . Nun ist jedoch sowohl experimentell als auch theoretisch (s. z. B. die Arbeit von W. Pauli, Phys. Rev. 58, 716 (1940)) klar, dass der Hilbert-Raum HN zu allgemein ist: Tatsächlich haben Teilchen mit halbzahligem Spin (Fermionen) eine Wellenfunktion, die antisymmetrisch ist unter der Vertauschung der Quantenzahlen zweier Teilchen; die Wellenfunktion von Teilchen mit ganzzahligem Spin (Bosonen) ist dagegen symmetrisch unter solchen Vertauschungen. Wellenfunktionen mit bosonischer bzw. fermionischer Symmetrie kann man also durch Symmetrisierung bzw. Antisymmetrisierung erhalten: 1 X P 1 (Bosonen) PB,F |λ1 λ2 . . . λN ) = ζ |λP 1 , λP 2 , . . . , λP N ) ; ζ= −1 (Fermionen) . N! P Hierbei sind PB und PF Projektionsoperatoren, d. h. es gilt PB2 = PB bzw. PF2 = PF . Außerdem sind † PB und PF hermitesch: PB,F = PB,F . Die Wellenfunktionen PB,F |λ1 λ2 . . . λN ) spannen Unterräume BN = PB HN bzw. FN = PF HN auf. Sie formen eine orthogonale Basis und erfüllen die Vollständigkeitsrelation: X (N ) PB,F |λ1 λ2 . . . λN )(λ1 λ2 . . . λN |PB,F = 11B,F . {λ1 ,λ2 ,...,λN } Beachten Sie noch, dass das Pauli-Ausschließungsprinzip für Fermionen automatisch erfüllt ist: PF |λ1 λ2 λ3 λ4 . . . λN ) = −PF |λ2 λ1 λ3 λ4 . . . λN ) = 0 (falls λ1 = λ2 ) . 17 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Dass die Unterräume BN und FN für N ≥ 2 orthogonal sind (BN ⊥FN ), sieht man wie folgt: Wir definieren |Λ) ≡ |λ1 . . . λN ) und analog |Λ′ ) ≡ |λ′1 . . . λ′N ) und erhalten für das Skalarprodukt von PF |Λ) und PB |Λ′ ) für alle N ≥ 2 : 1 X ′ λP ′ 1 , . . . , λ′P ′ N |λP 1 , . . . , λP N (−1)P (Λ′ |PB PF |Λ) = 2 (N !) ′ P P = N h i Y 1 X P ′ (−1) δ λ λ P ′l P l (N !)2 ′ P P = δΛ′ Λ =δ Λ′ Λ l=1 1 (N !)2 X (−1)P P ′P 1 (N !)2 X N h Y δλP ′′ P ′ l , λP l l=1 PP′ (−1) P ′P N h Y δλ m=1 i P ′′ m , λP m i =0. Da dies für alle Λ′ , Λ gilt, folgt sofort PB PF = 0 . Die (anti-)symmetrisierten Wellenfunktionen PB,F |λ1 . . . λN ) sind im Allgemeinen nicht auf 1 normiert: 1 X P ′ 2 (λ′1 λ′2 . . . λ′N |PB,F |λ1 λ2 . . . λN ) = ζ hλ1 |λP 1 i · · · hλ′N |λP N i N! P Q P′ λ (nλ !) δΛ′ Λ , = ζ N! wobei P ′ die Permutation der Zahlen {1, 2, . . . , N } darstellt, für die gilt: λ′ℓ = λP ′ ℓ (ℓ = 1, . . . , N ). Eine orthonormale Basis in BN bzw. FN wird also aufgespannt durch die N -Teilchen-Wellenfunktionen 12 N! |λ1 λ2 . . . λN i ≡ Q PB,F |λ1 λ2 . . . λN ) . λ (nλ !) Die Vollständigkeitsbeziehung für die Wellenfunktion |λ1 λ2 . . . λN i lautet dementsprechend: Q X (N ) λ (nλ !) |λ1 λ2 . . . λN ihλ1 λ2 . . . λN | = 11B,F . N! {λ1 ,λ2 ,...,λN } In der Vielteilchentheorie überführen Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren N -Teilchen-Zustände in (N + 1)- bzw. (N − 1)-Teilchen-Zustände. Daher ist es zweckmäßig, den Fock-Raum einzuführen. Für Bosonen ist der Fock-Raum definiert durch die direkte Summe ∞ M BN . B = B0 ⊕ B1 ⊕ B2 ⊕ · · · = N =0 Für Fermionen gilt analog: F = F0 ⊕ F1 ⊕ F2 ⊕ · · · = ∞ M N =0 FN , wobei B0 und F0 per definitionem dem leeren System („Vakuum“) entsprechen: B0 = F0 = |0i und für ein einzelnes Teilchen gilt: B 1 = F1 = H . Die Vollständigkeitsbeziehung im Fock-Raum lautet: Q ∞ X X λ (nλ !) |0ih0| + |λ1 λ2 . . . λN ihλ1 λ2 . . . λN | = 11B,F . N! N =1 {λ1 ,λ2 ,...,λN } Die Wellenfunktionen {|λ1 λ2 . . . λN i, N ∈ N} stellen daher eine vollständige orthonormale Basis des Fock-Raums dar. 18 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE 3.3 Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren Wir definieren nun den Erzeugungsoperator im Fock-Raum durch: √ a†λ PB,F |λ1 λ2 . . . λN ) ≡ N + 1 PB,F |λλ1 . . . λN ) oder alternativ: a†λ |λ1 λ2 . . . λN i ≡ wobei wie üblich nλ = √ nλ + 1 |λλ1 λ2 . . . λN i , PN ℓ=1 δλλℓ gilt. Für Fermionen heißt das konkret: a†λ |λ1 λ2 . . . λN i = |λλ1 λ2 . . . λN i (falls λ 6= λi , ∀i = 1, . . . , N ) =0 (falls λ = λi , ∃i = 1, . . . , N ) . Das einfachste Beispiel ist wohl: a†λ |0i = |λi Der Zustand |λ1 λ2 . . . λN i ist mit Hilfe der Erzeugungsoperatoren für Bosonen und Fermionen einfach darstellbar als: 1 a†λ1 a†λ2 . . . a†λN |0i . λ (nλ !) |λ1 λ2 . . . λN i = pQ Die Vertauschungsrelationen der {a†λ } folgen aus p a†λ a†µ PB,F |λ1 λ2 . . . λN ) = PB,F |λµλ1 λ2 . . . λN ) (N + 1)(N + 2) p = ζPB,F |µλλ1 λ2 . . . λN ) (N + 1)(N + 2) = ζa†µ a†λ PB,F |λ1 λ2 . . . λN ) , d. h. es gilt h i a†λ a†µ − ζ a†µ a†λ ≡ a†λ , a†µ −ζ oder auch explizit: h i a†λ , a†µ = a†λ a†µ − a†µ a†λ = 0 − i h † † aλ , aµ = a†λ a†µ + a†µ a†λ = 0 + =0 (Bosonen) (Fermionen) . Hierbei wurde der bosonische bzw. fermionische (Anti)kommutator 1 (Bosonen) [A, B]−ζ ≡ AB − ζBA ; ζ= −1 (Fermionen) eingeführt. Aufgrund der bosonischen Vertauschungsbeziehungen, die besagen, dass alle a†λ miteinander kommutieren, ist es möglich, die Basiszustände |λ1 . . . λN i lediglich mit Hilfe der Besetzungszahlen nλ zu definieren: 1 a†λ1 a†λ2 . . . a†λN |0i (n !) λ # "λ Y (a† )nλ λ p |0i ≡ |{nλ }i (Bosonen) . = (nλ )! λ |λ1 λ2 . . . λN i = pQ 19 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Q Die |{nλ }i sind orthonormal: h{n′λ }|{nλ }i = λ [δn′ n ] . Die Zustände |{nλ }i erfüllen die folgende λ′ λ Vollständigkeitsrelation: ∞ X X N −1 |λ1 . . . λN ihλ1 . . . λN | 11B = {nλ } N =0 {λ1 ...λN } = ∞ X N =0 {nλ | = X {nλ } X P µ nµ =N } | {nλ }ih{nλ }| |{nλ }i h{nλ }| . Zusammenfassend gilt also: a†λ |λ1 . . . λN i = |λλ1 . . . λN i √ a†λ |{nµ }i = nλ + 1 |{nµ + δλµ }i (für Fermionen) (für Bosonen) . Wir betrachten nun den zu a†λ adjugierten Operator: aλ ≡ (a†λ )† , so dass auf jeden Fall gilt: [aλ , aµ ]−ζ = 0 . Die Wirkung von aλ für Fermionen folgt nun als aλ |λ1 . . . λN i = ∞ X X M=0 {λ′1 ...λ′M } X = {λ′1 ...λ′N −1 } = N X ℓ=1 = N X ℓ=1 1 ′ |λ . . . λ′M ihλ′1 . . . λ′M |aλ |λ1 . . . λN i M! 1 1 |λ′ . . . λ′N −1 ihλλ′1 . . . λ′N −1 |λ1 . . . λN i (N − 1)! 1 δλℓ λ |λ1 . . . λ̂ℓ . . . λN i(−1)ℓ−1 hλ1 . . . λℓ−1 λλℓ+1 . . . λN |λ1 . . . λN i δλℓ λ (−1)ℓ−1 |λ1 . . . λ̂ℓ . . . λN i, wobei die Notation λ̂ℓ bedeutet, dass das entsprechende Teilchen entfernt wird. Für Bosonen gilt: X | n′µ ih n′µ | aλ | {nµ }i aλ |λ1 . . . λN i = aλ |{nµ }i = {n′µ } = X {n′µ } q |{n′µ }ih{n′µ + δλµ }|{nµ }i n′λ + 1 √ = nλ | {nµ − δλµ }i . Sowohl für Fermionen als auch für Bosonen vernichtet aλ also ein Teilchen mit Quantenzahl λ: N 1 X aλ |λ1 . . . λN i = √ δλℓ λ ζ ℓ−1 |λ1 . . . λ̂ℓ . . . λN i , nλ ℓ=1 oder äquivalent: N 1 X aλ PB,F |λ1 . . . λN ) = √ δλλℓ ζ ℓ−1 PB,F |λ1 . . . λ̂ℓ . . . λN ) . N ℓ=1 (3.3) 20 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Schließlich bestimmen wir den Kommutator eines Erzeugungs- und eines Vernichtungsoperators. Für Fermionen gilt: [aλ , a†µ ]+ |λ1 . . . λN i = (aλ a†µ + a†µ aλ )|λ1 . . . λN i = aλ |µλ1 . . . λN i + a†µ = δλµ |λ1 . . . λN i + = δλµ |λ1 . . . λN i N X N X ℓ=1 ℓ=1 δλℓ λ (−1)ℓ−1 |λ1 . . . λ̂ℓ . . . λN i δλℓ λ (−1)ℓ |µλ1 . . . λ̂ℓ . . . λN i − N X ℓ=1 δλℓ λ (−1)ℓ |µλ1 . . . λ̂ℓ . . . λN i d. h. [aλ , a†µ ]+ = δλµ , und für Bosonen gilt: [aλ , a†µ ]− |{nρ }i = (aλ a†µ − a†µ aλ ) |{nρ }i p √ = aλ nµ + 1 |{nρ + δµρ }i − a†µ nλ |{nρ − δρλ }i p p √ p = nµ + 1 nλ + δµλ |{nρ + δµρ − δρλ }i − nλ nµ − δµλ + 1 |{nρ − δρλ + δρµ }i = δλµ [(nλ + 1) − nλ ] |{nρ }i = δλµ |{nρ }i , d. h. [aλ , a†µ ]− = δλµ . Zusammenfassend, für Fermionen und Bosonen: [aλ , a†µ ]−ζ = δλµ . Die Wirkung des Zähloperators n̂λ = a†λ aλ folgt für Fermionen aus: n̂λ |λ1 . . . λN i = a†λ = N X ℓ=1 N X ℓ=1 = δλℓ λ (−1)ℓ−1 |λ1 . . . λ̂ℓ . . . λN i δλℓ λ (−1)ℓ−1 |λλ1 . . . λ̂ℓ . . . λN i N X ℓ=1 δλℓ λ ! |λ1 . . . λN i = nλ |λ1 . . . λN i und für Bosonen aus: √ n̂λ |{nµ }i = a†λ nλ |{nµ − δλµ }i = nλ |{nµ }i also, zusammenfassend: n̂λ |λ1 . . . λN i = nλ |λ1 . . . λN i für Fermionen und Bosonen . Der Gesamtteilchenzahloperator X X † N̂ = n̂λ = aλ aλ λ λ 21 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE hat als Eigenwerte N X X λ δλλℓ ℓ=1 ! = N X 1=N . ℓ=1 Führen wir schließlich noch die Feldoperatoren X X ψ̂(x) ≡ φλ (x)aλ ; ψ̂ † (x) = φ∗λ (x)a†λ λ λ ein, so finden wir, dass diese die Vertauschungsrelationen: [ψ̂(x), ψ̂(x′ )]−ζ = [ψ̂ † (x), ψ̂ † (x′ )]−ζ = 0 und [ψ̂(x), ψ̂ † (x′ )]−ζ = = X λ1 λ2 X λ erfüllen. 3.4 φλ1 (x)φ∗λ2 (x′ )[aλ1 , a†λ2 ]−ζ φλ (x)φ∗λ (x′ ) = δ(x − x′ ) Physikalische Operatoren (Observablen) Aus der Fermi-Dirac- bzw. Bose-Einstein-Statistik aller physikalischer Teilchen: ΠP |λ1 . . . λN i ≡ |λP 1 , λP 2 , . . . , λP N i = ζ P |λ1 , . . . , λN i folgt für einen beliebigen Operator O, dass hΛ′ |O|Λi = ζ P hΛ′ |O|Λiζ P = hΠP Λ′ |O|ΠP Λi = hΛ′ |Π†P OΠP |Λi . Im physikalischen (bosonischen oder fermionischen) Hilbert-Raum gilt also, dass die Operatoren O und Π†P OΠP dieselbe Wirkung haben. Da dies für alle Permutationen P gilt, hat O im physikalischen Hilbertraum also dieselbe Wirkung wie der vollständig symmetrische Operator 1 X † ΠP OΠP . OS ≡ N! P Es folgt also, dass im Falle eines nicht-symmetrischen Operators O der Anteil (O − OS ) nicht messbar und daher unphysikalisch ist. Anders formuliert: Physikalische Operatoren (Observablen) sind notwendigerweise symmetrisch. Dies bedeutet wiederum, dass alle Teilchen durch jeden physikalischen Prozess gleichartig beeinflusst werden, d. h. dass quantenmechanische Teilchen (Fermionen oder Bosonen) ununterscheidbar sind. 3.4.1 Einteilchenoperatoren Ein relativ einfaches Beispiel eines symmetrischen Operators im Hilbert-Raum ist ein sogenannter Einteilchenoperator, der aus einer Summe von Termen besteht, die nur auf ein einzelnes Teilchen wirken: ! ! N ℓ−1 N X O O (1) ON = 11k ⊗ Ûℓ ⊗ 11k . ℓ=1 k=1 k=ℓ+1 Der entsprechende Operator im Fock-Raum ist: O(1) = ∞ M N =0 (1) ON . 22 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Die Wirkung von Û auf Einteilchenzustände |λi ist vollständig bestimmt durch die Matrixelemente U (µ|λ) ≡ hµ|Û |λi im Einteilchen-Hilbert-Raum H: X X Û |λi = U (µ|λ)|µi ; Û = U (µ|λ)|µihλ| . µ µλ Wichtige Beispiele für Einteilchenoperatoren sind die kinetische Energie: Ûℓ = p̂2ℓ , 2m die potentielle Energie: Ûℓ = U (x̂ℓ ) , und der Spin: Ûℓ = Ŝℓ . (1) Untersuchen wir nun die Wirkung von ON auf einen beliebigen bosonischen oder fermionischen N Teilchenzustand: 1 X P (1) (1) ON PB,F |λ1 . . . λN ) = ζ ON |λP 1 , . . . , λP N ) N! P N X 1 X PX ζ U (µ|λ) δλλP ℓ |λP 1 , . . . , λP (ℓ−1) , µ, λP (ℓ+1) , . . . , λP N ) N! P µλ ℓ=1 "N # X X = U (µ|λ)PB,F δλλℓ |λ1 , . . . , λℓ−1 , µ, λℓ+1 , . . . , λN ) . = µλ ℓ=1 Wir permutieren die Quantenzahl µ nach vorne, um den Erzeuger a†µ einführen zu können, und ersetzen den herausgenommenen Zustand λℓ durch den entsprechenden Vernichtungsoperator: (1) ON PB,F |λ1 . . . λN ) = X U (µ|λ) = X U (µ|λ) µλ µλ = X µλ N X ℓ=1 δλλℓ ζ ℓ−1 PB,F |µ, λ1 , . . . , λ̂ℓ , . . . , λN ) N X a†µ δλλℓ ζ ℓ−1 √ PB,F |λ1 , . . . , λ̂ℓ , . . . , λN ) N ℓ=1 U (µ|λ)a†µ aλ PB,F |λ1 , λ2 , . . . , λN ) . Im letzten Schritt wurde die Formel (3.3), d. h. N 1 X δλλℓ ζ ℓ−1 PB,F |λ1 , . . . , λ̂ℓ , . . . , λN ) aλ PB,F |λ1 . . . λN ) = √ N ℓ=1 (1) verwendet. Da der hergeleitete Ausdruck für ON für alle bosonischen oder fermionischen Zustände in BN bzw. FN gilt, folgt: X (1) ON = U (µ, λ)a†µ aλ . µλ Da das rechte Glied nicht von der Teilchenzahl N abhängig ist, folgt allgemein für den Einteilchenoperator O(1) im Fock-Raum: X O(1) = hµ|Û |λi a†µ aλ . µλ 23 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Der Operator O(1) „streut“ Teilchen mit der Quantenzahl λ in Zustände mit der Quantenzahl µ. Besonders einfach wird O(1) , wenn der Operator Û „diagonal“ ist in H: X Û |λi = Uλ |λi ; Û = Uλ |λihλ| . λ In diesem Fall gilt: X X O(1) = Uλ a†λ aλ = Uλ n̂λ . λ λ Erwähnt sei noch der Zusammenhang mit den Feldoperatoren, z. B. in der Ortsdarstellung: X ZZ O(1) = dx dy hµ|xihx|Û |yihy|λia†µ aλ µλ = = ! ZZ dx dy ZZ dx dy ψ̂ † (x)hx|Û |yiψ̂(y) X ϕ∗µ (x)a†µ µ hx|Û |yi X λ ϕλ (y)aλ ! Zum Beispiel gilt für Û = U (x̂): hx|Û |yi = U (x)δ(x − y) ; O(1) = Z dx U (x)ψ̂ † (x)ψ̂(x) , so dass die potentielle Energie in der Ortsdarstellung diagonal ist und das Einteilchenpotential U (x) dementsprechend an die Dichte ψ̂ † (x) ψ̂(x) ankoppelt. 3.4.2 Zweiteilchenoperatoren Analog definiert man Operatoren im N -Teilchen-Hilbert-Raum, die auf jeweils zwei Teilchen wirken: X O (2) 11k ⊗ V̂ℓ1 ℓ2 ON = 21 ℓ1 6=ℓ2 k6=ℓ1 ,ℓ2 und entsprechend Operatoren im Fock-Raum: O(2) = ∞ M (2) N =0 ON , wobei V̂ ein linearer Operator im Zweiteilchen-Hilbert-Raum ist: X V (µ1 µ2 |λ1 λ2 ) |µ1 µ2 ) V̂ |λ1 λ2 ) = µ1 µ2 und daher in der Form X V (µ1 µ2 |λ1 λ2 ) |µ1 µ2 )(λ1 λ2 | V̂ = µ1 µ2 λ1 λ2 dargestellt werden kann. Ein Beispiel ist der symmetrische Operator X V̂ = 21 v(x̂ℓ1 − x̂ℓ2 ) , ℓ1 6=ℓ2 der die Zweiteilchenwechselwirkung zwischen Teilchen im Relativabstand x̂ℓ1 − x̂ℓ2 beschreibt. 24 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE (2) Wir untersuchen nun die Wirkung von ON auf einen beliebigen N -Teilchenzustand: 1 X P (2) (2) ON PB,F |λ̃1 . . . λ̃N ) = ζ ON |λ̃P 1 , . . . , λ̃P N ) N! P X 1 X P X V (µ1 µ2 |λ1 λ2 ) 12 = ζ δλ1 λ̃P ℓ δλ2 λ̃P ℓ |λ̃P 1 . . . µ1 . . . µ2 . . . λ̃P N ) 2 1 N! P µ1 µ2 λ1 λ2 ℓ1 6=ℓ2 X X δλ1 λ̃ℓ δλ2 λ̃ℓ PB,F |λ̃1 . . . µ1 . . . µ2 . . . λ̃N ) . = 21 V (µ1 µ2 |λ1 λ2 ) 2 1 ℓ1 6=ℓ2 µ1 µ2 λ1 λ2 Wir permutieren die Quantenzahlen µ1 und µ2 nun nach vorne, um die entsprechenden Erzeugungsoperatoren a†µ1 und a†µ2 einführen zu können: X X (2) ON PB,F |λ̃1 . . . λ̃N ) = 12 V (µ1 µ2 |λ1 λ2 ) δλ1 λ̃ℓ δλ2 λ̃ℓ ζ (ℓ1 −1)+(ℓ2 −1)−1 µ1 µ2 λ1 λ2 = 1 2 X µ1 µ2 λ1 λ2 V (µ1 µ2 |λ1 λ2 ) X 2 1 ℓ1 6=ℓ2 ˆ . . . λ̃ ) ˆ . . . λ̃ × PB,F |µ1 µ2 λ̃1 . . . λ̃ N ℓ2 ℓ1 δλ1 λ̃ℓ δλ2 λ̃ℓ ζ ℓ1 +ℓ2 −3 2 1 ℓ1 6=ℓ2 a†µ a†µ ˆ ˆ × √ 1 √ 2 PB,F |λ̃1 . . . λ̃ℓ1 . . . λ̃ℓ2 . . . λ̃N ) . N N −1 Schließlich können die herausgenommenen Quantenzahlen λℓ1 und λℓ2 mit Hilfe von Vernichtungsoperatoren beschrieben werden: (2) ON PB,F |λ̃1 . . . λ̃N ) = = 1 2 X µ1 µ2 λ1 λ2 1 2 V (µ1 µ2 |λ1 λ2 ) N X ℓ1 =1 δλ1 λ̃ℓ 1 N X (1 − δℓ2 ℓ1 )ζ ℓ1 +ℓ2 −3 ℓ2 =1 a†µ1 a†µ2 ˆ ˆ ×p PB,F |λ̃1 . . . λ̃ℓ1 . . . λ̃ℓ2 . . . λ̃N ) N (N − 1) X µ1 µ2 λ1 λ2 V (µ1 µ2 |λ1 λ2 )a†µ1 a†µ2 aλ2 aλ1 PB,F |λ̃1 . . . λ̃N ) . Da der Zustand PB,F |λ̃1 . . . λ̃N ) beliebig ist, gilt also allgemein im N -Teilchen-Hilbert-Raum: X (2) ON = 12 V (µ1 µ2 |λ1 λ2 )a†µ1 a†µ2 aλ2 aλ1 . µ1 µ2 λ1 λ2 Da das rechte Glied unabhängig von N ist, gilt außerdem allgemein im Fock-Raum: X (µ1 µ2 |V̂ |λ1 λ2 )a†µ1 a†µ2 aλ2 aλ1 . O(2) = 21 µ1 µ2 λ1 λ2 Der Operator O(2) beschreibt also Paare von Teilchen {λ1 λ2 }, die durch Streuung aneinander (Wechselwirkung!) in neue Zustände {µ1 µ2 } hineingestreut werden. Man achte auf die Reihenfolge der Quantenzahlen, die im Matrixelement und bei den Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren unterschiedlich ist. Für Fermionen ist diese Reihenfolge wichtig! Auch auf Zweiteilchenniveau gibt es wiederum einen einfachen Zusammenhang mit den Feldoperatoren: Z Z Z X Z (2) 1 O = 2 dx1 dx2 dy1 dy2 (µ1 µ2 |x1 x2 )(x1 x2 |V̂ |y1 y2 )(y1 y2 |λ1 λ2 )a†µ1 a†µ2 aλ2 aλ1 µ1 µ2 λ1 λ2 = 1 2 X µ1 µ2 λ1 λ2 = 1 2 Z Z Z Z Z Z dx1 dx2 dy1 dy2 ϕ∗µ1 (x1 )ϕ∗µ2 (x2 )(x1 x2 |V̂ |y1 y2 )ϕλ1 (y1 )ϕλ2 (y2 )a†µ1 a†µ2 aλ2 aλ1 Z Z dx1 dx2 dy1 dy2 ψ̂ † (x1 )ψ̂ † (x2 )(x1 x2 |V̂ |y1 y2 )ψ̂(y2 )ψ̂(y1 ) . 25 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Für den wichtigen Spezialfall: V̂ = v(x̂1 − x̂2 ) folgt noch (x1 x2 |V̂ |y1 y2 ) = v(y1 − y2 )(x1 x2 |y1 y2 ) = v(y1 − y2 )δ(x1 − y1 )δ(x2 − y2 ) und daher O(2) = 1 2 Z Z dx dx′ ψ̂ † (x)ψ̂ † (x′ )v(x − x′ )ψ̂(x′ )ψ̂(x) , so dass die durch v(x̂) definierte Zweiteilchenwechselwirkung diagonal im Ortsraum ist und im Wesentlichen eine Dichte-Dichte-Wechselwirkung darstellt. Falls der Hamilton-Operator aus einem Ein- und einem Zweiteilchenanteil besteht, N X O X O 11k ⊗ V̂ℓ1 ℓ2 H= 11k ⊗ Ûℓ + 21 ℓ=1 ℓ1 6=ℓ2 k6=ℓ k6=ℓ1 ,ℓ2 folgt noch: H= X µλ hµ|Û |λia†µ aλ + 1 2 X µ1 µ2 λ1 λ2 (µ1 µ2 |V̂ |λ1 λ2 )a†µ1 a†µ2 aλ2 aλ1 bzw. H= Z ~2 dx ψ̂ † (x) − ∆ + U (x) ψ̂(x) + 2m 1 2 Z Z dx dx′ ψ̂ † (x)ψ̂ † (x′ )v(x − x′ )ψ̂(x′ )ψ̂(x) . Zu beachten ist, dass in den gerade hergeleiteten Formeln für O(1) , O(2) und H alle Erzeugungsoperatoren links von den Vernichtungsoperatoren stehen. Man bezeichnet diese Anordnung, die im Folgenden noch wichtig sein wird, als Normalordnung. Die Darstellung von Ein-, Zwei- und Mehrteilchenoperatoren mit Hilfe von Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren (oder mit Hilfe der Feldoperatoren) wird als „2. Quantisierung“ bezeichnet. Wir werden diese kompakte Bezeichnung im Folgenden mehrmals verwenden, obwohl sie sehr unglücklich gewählt ist: Die „2. Quantisierung“ ist zwar eine bequeme Umformulierung der „1. Quantisierung“ (d. h. der Vielteilchen-Schrödinger-Gleichung), etwas wesentlich Neues enthält sie jedoch nicht. 3.5 Die 2. Quantisierung am Werke Im Folgenden wird anhand des Beispiels des „Jellium“-Modells: H= N X p̂2i + 2m i=1 1 2 X i6=j v(x̂i − x̂j ) − 12 n2 v0 V vorgeführt, wie man in 2. Quantisierung rechnet. Insbesondere wird ein erster Ausblick auf die diagrammatische Formulierung der Störungstheorie in einem Vielteilchenformalismus geboten. Der Hamilton-Operator des Jellium-Modells hat in der 2. Quantisierung die Form: X p̂2 X H= µ (µ1 µ2 |v|λ1 λ2 )a†µ1 a†µ2 aλ2 aλ1 − 12 n2 v0 V . λ a†µ aλ + 21 2m µλ µ1 µ2 λ1 λ2 Als Einteilchenbasis wählen wir die Einteilchenzustände des nichtwechselwirkenden Systems: 1 hxσ|kλi = φkλ (xσ) = √ eik·x χλ (σ) V ; k= 2π n L (n ∈ Zd ) . 26 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Die Matrixelemente der kinetischen Energie und der Wechselwirkung sind daher: Z X p̂2 ~2 hk1 λ1 | |k2 λ2 i = − dx e−ik1 ·x χ∗λ1 (σ)∆eik2 ·x χλ2 (σ) 2m 2mV σ Z ~2 k22 ~2 k22 = δλ1 λ2 dx ei(k2 −k1 )·x = δλ λ δk k 2mV 2m 1 2 1 2 bzw. 1 V2 (k1 λ1 k2 λ2 |v|k3 λ3 k4 λ4 ) = Z Z X ′ dx dx′ e−ik1 ·x−ik2 ·x χ∗λ1 (σ)χ∗λ2 (σ ′ )v(x − x′ ) σσ′ ′ × eik3 ·x+ik4 ·x χλ3 (σ)χλ4 (σ ′ ) Z Z ′′ 1 dx dx′′ ei(k3 +k4 −k1 −k2 )·x+i(k2 −k4 )·x v(x′′ ) δ δ λ λ λ λ V2 1 3 2 4 1 = δλ1 λ3 δλ2 λ4 δk1 +k2 , k3 +k4 ṽ(q) , V R wobei q ≡ k4 − k2 = k1 − k3 und ṽ(q) ≡ dx v(x)e−iq·x definiert wurde. Der Hamilton-Operator in 2. Quantisierung lautet daher: = H= X k1 λ1 k2 λ2 hk1 λ1 | + 1 2 p̂2 |k2 λ2 ia†k1 λ1 ak2 λ2 2m X (k1 λ1 , k2 λ2 |v|k3 λ3 , k4 λ4 )a†k1 λ1 a†k2 λ2 ak4 λ4 ak3 λ3 − 12 n2 v0 V (k1 λ1 )(k2 λ2 ) (k3 λ3 )(k4 λ4 ) = X ~2 k2 kλ 2m a†kλ akλ + 1 2V X k3 k4 qλ1 λ2 ṽ(q)a†k3 +qλ1 a†k4 −qλ2 ak4 λ2 ak3 λ1 − 21 n2 v0 V . Wir betrachten den Beitrag für q = 0 einzeln und zeigen, dass er sich wegen ṽ(0) = v0 genau gegen den Term − 21 n2 v0 V weghebt: H = Ht + Hvq6=0 + = Ht + Hvq6=0 ṽ(0) 2V X k3 k4 λ1 λ2 (nk3 λ1 nk4 λ2 − δk3 k4 δλ1 λ2 nk3 λ1 ) − 21 n2 v0 V v0 + (N 2 − N ) − 21 n2 v0 V = Ht + Hvq6=0 , 2V wobei nicht-extensive Terme vernachlässigt wurden. Die explizite Form des Hamilton-Operators ist also: H = Ht + 1 X′ 1 X′ ṽ(q) a†k+qλ a†k′ −qλ′ ak′ λ′ akλ = Ht − ṽ(q) a†k+qλ ak′ λ′ a†k′ −qλ′ akλ , 2V ′ 2V ′ kk q λλ′ kk q λλ′ P′ wobei bedeutet, dass Beiträge mit q = 0 von der Summe ausgeschlossen werden. Wir definieren die Operatoren A ≡ a†k+qλ ak′ λ′ und B ≡ a†k′ −qλ′ akλ und behandeln den Wechselwirkungsterm nun in Störungstheorie 1. Ordnung. Die erste Ordnung der systematischen Störungstheorie entspricht der Vernachlässigung von Fluktuationen: (A − hAi0 )(B − hBi0 ) → 0 bzw. AB → AhBi0 + hAi0 B − hAi0 hBi0 . Die Mittelwerte h. . . i0 sind hierbei im ungestörten (= nicht-wechselwirkenden) System auszurechnen: hAi0 = ha†k+qλ ak′ λ′ i0 = δλλ′ δk+q, k′ ha†k′ λ′ ak′ λ′ i0 ≡ δλλ′ δk+q, k′ n0k′ λ′ 27 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE und analog: hBi0 = δλλ′ δk′ −q,k n0kλ . Einsetzen liefert für den Hartree-Fock -Hamiltonian, der die Wechselwirkung also in erster Ordnung der Störungstheorie mitberücksichtigt: H → H HF = Ht − = X h i 1 X′ ṽ(q)δλλ′ δk′ ,k+q n0k′ λ′ n̂kλ + n̂k′ λ′ n0kλ − n0k′ λ′ n0kλ 2V ′ kk q λλ′ εkλ n̂kλ + 1 X′ ṽ(k′ − k)n0k′ λ′ n0kλ , 2V ′ kk λ kλ P′ nun Beiträge mit k′ = k ausschließt und εkλ die durch die Wechselwirkung renormierte wobei Einteilchenenergie ist: εkλ = ~2 k 2 1 X′ ṽ (k′ − k) δλλ′ n0k′ λ′ − 2m V ′ ′ kλ 2 2 = ~ k 1 X′ ṽ (k′ − k) n0k′ λ . − 2m V ′ k Der Einfachheit halber beschränken wir uns nun auf den Grundzustand eines dreidimensionalen Systems, d. h. wir nehmen an, dass T = 0 und d = 3 gilt. Außerdem betrachten wir nur nicht-magnetische Lösungen. In diesem Fall sind alle k-Niveaus, für die |k| ≤ kF gilt, mit jeweils einem ↑- und einem ↓-Elektron besetzt; alle anderen k-Niveaus sind unbesetzt: n0kλ = Θ(kF − k). Die Fermi-Wellenzahl kF ist also mit der Dichte verknüpft gemäß: n= 2 V X 1= {|k|≤kF } d. h. es gilt kF = 3π 2 n εkλ 2 4π (2π)3 1/3 ~2 k2 1 = − 2m (2π)3 Z kF dk k 2 = 0 (kF )3 , 3π 2 . In drei Dimensionen für T = 0 gilt für die Einteilchenenergien: Z dk′ ṽ(k′ − k) ≡ εk . {|k′ |≤kF } Für die Grundzustandsenergie pro Volumeneinheit, E0HF /V = hH HF i0 /V , erhält man analog: Z X 1 ZZ 2 E0HF 1 = dk ε + dk′ dk ṽ (k′ − k) k 2 V (2π)3 {|k|≤kF } (2π)6 {k,k′ ≤kF } λ Z ZZ 2 2 1 2 ~ k − = dk dkdk′ ṽ (k′ − k) (2π)3 {k≤kF } 2m (2π)6 {k,k′ ≤kF } eHF 0 ≡ (0) (1) ≡ eHF + eHF , (0) 2 3k2 n ~ F wobei der erste Term durch eHF = 2m 5 findet. Wir werden im Folgenden auch die Einteilchenenergien εk durch Z ~k 1 1 ∂εk = − dk′ vk = ~ ∂k m (2π)3 ~ {k′ ≤kF } gegeben ist, wie man leicht durch explizite Berechnung Geschwindigkeit der Elektronen berechnen, die mit den ∂ṽ (k − k′ ) ∂q verknüpft ist.1 1 Für eine Herleitung dieser Relation siehe z. B. N. W. Ashcroft and N. D. Mermin, Solid State Physics, Holt-Saunders (1981), Appendix E. 28 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE 3.5.1 Das dreidimensionale Coulomb-Gas Wir werden diese allgemeinen Ausdrücke nun für den Spezialfall des dreidimensionalen Coulomb-Gases näher untersuchen. In diesem Fall gilt v(x) = e2 /4πε0 r und daher Z e2 ṽ(q) = dx v(x)e−iq·x = . (3.4) ε0 q 2 Um die Fourier-Transformation nach den Regeln der Kunst ausführen zu können, benutzen wir ein abge schirmtes Potential mit der Form v(x) = (e2 /4πε0 r)e−ηr . Hierfür erhält man ṽ(q) = e2 / ε0 q 2 + η 2 , und es folgt im Limes η → 0, also für das ursprüngliche Coulomb-Potential, die Gleichung (3.4). (1) Der Wechselwirkungsanteil eHF in der Energie ist für d = 3 gegeben durch: ZZ 1 (1) eHF = − dkdk′ ṽ(k − k′ ) (2π)6 {k,k′ ≤kF } Z Z 1 dk dk′ ṽ(k − k′ )ϑ(kF − |k|) ϑ(kF − |k′ |) . = − (2π)6 Setzt man nun k ≡ p + 21 q bzw. k′ ≡ p − 21 q, so kann man das p-Integral über die beiden Stufenfunktionen als den Überlapp zweier Kugeln mit Mittelpunkten bei p = ± 21 q interpretieren. Mit dieser Interpretation erhält man: Z Z 1 (1) eHF = − dq ṽ(q) dp ϑ(kF − |p + 21 q|) ϑ(kF − |p − 21 q|) (2π)6 " 3 # Z q 1 q q 1 4π 3 3 +2 ϑ 1− . = − dq ṽ(q) 3 kF 1 − 2 (2π)6 2kF 2kF 2kF Mit ṽ(q) = (1) eHF e2 ε0 q2 und x ≡ q/2kF als neuer Integrationsvariabler ergibt sich schließlich Z ∞ kF3 e2 = − 2kF dx 1 − 32 x + 21 x3 ϑ(1 − x) 4 12π ε0 0 1 kF4 e2 3kF ne2 k 4 e2 = − 4 , x − 34 x2 + 81 x4 0 = − F 4 = − 6π ε0 16π ε0 16π 2 ε0 wobei im letzten Schritt die Beziehung kF3 = 3π 2 n verwendet wird. Führen wir nun die Größen Bohr-Radius: Volumen pro Teilchen: dimensionsloser Abstand zwischen Elektronen: aB ≡ V N = 4πε0 ~2 me2 1 4 3 n ≡ 3 πr0 rs ≡ r0 /aB ein, so dass u.a. für die Fermi-Wellenzahl gilt: kF = (3π 2 n)1/3 = (9π/4)1/3 (aB rs )−1 , dann erhält man für die Gesamtenergie pro Volumeneinheit eHF = = ≃ ~2 3kF2 n 3kF ne2 − 2m 5 16π 2 ε " 0 1/3 # 2/3 1 1 3 9π 3 9π e2 n − 8πε0 aB 5 4 rs2 2π 4 rs e2 2, 2099 0, 9163 . − n 8πε0 aB rs2 rs (3.5) Um die Einteilchenenergien εk zu bestimmen, berechnen wir das folgende Integral, wobei im zweiten 29 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Schritt κ ≡ k/kF und y ≡ k ′ /k gesetzt wird: Z Z kF Z 1 1 1 ′ dk I ≡ (k ′ )2 dk ′ 2 dx = 2π ′ |2 ′ )2 − 2kk ′ x |k − k k + (k ′ {|k |≤kF } 0 −1 Z 1 Z 1/κ 1 = 2πk dx y 2 dy 2 − 2yx 1 + y −1 0 Z 1/κ Z 1/κ 1 − y (1 − y)2 . = −2πk dy y ln = −πk dy y ln (1 + y)2 1 + y 0 0 Durch partielle Integration erhält man: ( ) Z κ − 1 1 1/κ 1 1 1 2 + I = −2πk ln + dy y 2κ2 κ + 1 2 0 1−y 1+y ( ) κ − 1 1 1 1 + y 1/κ 1 − + ln ln = −2πk 2κ2 κ + 1 κ 2 1 − y 0 1 − κ2 κ + 1 1 = 4πkF 2 + ln ≡ 4πkF F (κ) . 4κ κ − 1 Interessanterweise tritt an dieser Stelle die sogenannte Lindhard-Funktion F (κ) auf, die auch die statische Suszeptibilität des dreidimensionalen Coulombgases charakterisiert. Damit folgt für die Einteilchenenergien Z e2 ~2 k2 1 + nv0 − εk = dk′ 2m ε0 (2π)3 {|k′ |≤kF } |k − k′ |2 = ~2 k 2 ~2 k 2 e2 e2 kF − 3 4πkF F (κ) + nv0 = − 2 F (κ) + nv0 2m 8π ε0 2m 2π ε0 und daher für die Geschwindigkeit der Elektronen ∂ ~k e2 kF e2 ~k 1 ∂εk ′ k̂ F (κ) = k̂ = − 2 − 2 F (κ) , vk = ~ ∂k m 2π ε0 ~ ∂k m 2π ε0 ~ wobei ′ −F (k) = = 2 κ + 1 κ2 − 1 κ − 1 κ + 1 1 1 ∂ 1 1 ln − + =4 1 + 2 ln ∂κ κ κ − 1 κ κ − 1 κ κ+1 κ−1 2 κ + 1 κ + 1 1 1 ∼ 12 ln ln (κ → 1) − 2 4κ κ−1 2κ |κ − 1| 1 4 gilt, so dass die Geschwindigkeit der Elektronen nahe der Fermi-Kante divergiert: ~k e2 1 vk ∼ k̂ → ∞ k̂ (k → kF ) . + 2 ln m 4π ε0 ~ |k/kF − 1| Diese unphysikalische Divergenz der Fermi-Geschwindigkeit ist ein Hinweis darauf, dass man im Festkörper eigentlich eine abgeschirmte Coulomb-Wechselwirkung (statt einer unabgeschirmten) berücksichtigen müsste. Wir fügen noch die folgenden Bemerkungen hinzu: (1) Die Energie pro Teilchen rsmin 4π = 5 9π 4 1/3 1 n eHF (n) ist minimal für ≃ 4, 8234 30 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE und nimmt für diesen Wert von rs selbst den folgenden Wert an: 1 min 15 e2 e2 ≃ −0, 09499 . eHF = − n 8πε0 aB 16π 2 8πε0 aB Diese beiden Werte stimmen erstaunlich gut mit Ergebnissen aus Experimenten an einfachen 2 Metallen überein (für Natrium findet man z. B. rs ≃ 3, 96 und n1 eNa ≃ −0, 083 8πεe0 aB ). (2) Der Druck ist in der Hartree-Fock-Näherung durch PHF = = = ∂EHF ∂V ∂ (V eHF ) ∂rs "N 2/3 2 6 9π 1 e N − + − 8πε0 aB 5 4 rs3 " 2/3 e2 n 2 9π 1 − − + 8πε0 aB 5 4 rs2 − =− drs N dV 1/3 3 9π 2π 4 1/3 1 9π 2π 4 1 rs2 # 1 rs # rs 3V gegeben und ist daher exakt gleich Null für rs = rsmin . Bei dieser Elektronendichte ist das System (der „Kristall“) also im Gleichgewicht. (3) Die Kompressibilität KHF folgt aus −1 KHF = = = ∂ (V PHF ) = PHF − ∂V N N " 1/3 # 2/3 2 1 1 rs 4 9π 1 9π e N − PHF + 3 8πε0 aB 5 4 rs 2π 4 rs2 3V " # 1/3 2/3 e2 n 1 1 2 9π 2 9π − 8πε0 aB 3 4 rs2 3π 4 rs −V ∂PHF ∂V 1/3 und divergiert also (in dieser Näherung) für rsdiv = π 9π ≃ 6, 0292. Für r > rsdiv ist die 4 Kompressibilität sogar negativ . Dieses Ergebnis ist physikalisch natürlich nicht akzeptabel und deutet auf eine thermodynamische Instabilität des homogenen Elektronengases hin. (4) Die thermodynamische (In)stabilität des Systems kann sofort aus dem Verlauf der Energie als Funktion der Teilchendichte, also e(n), bestimmt werden. Für den Druck ergibt sich allgemein nicht nur in der Hartree-Fock-Näherung - der folgende einfache Zusammenhang mit der Energie e(n): d(e/n) e ∂E ∂(V e) de 2 d(e/n) P =− =− =− =n =n − ∂V N ∂(N/n) N d(n−1 ) dn dn n und daher findet man für die Kompressibilität: de ∂P d d2 e ∂P n = −n−1 = n − e = n2 2 . K −1 = −V −1 ∂V N ∂(n ) N dn dn dn Die Stabilität des Systems erfordert die Nicht-Negativität der Kompressibilität und daher die d2 e Konvexität der Energie als Funktion der Teilchendichte: dn 2 > 0. Für hohe Dichte (d. h. kleine rs -Werte) ist diese Konvexität sicherlich gegeben: Das System ist thermodynamisch stabil. Für geringe Dichte (kleine n- bzw. große rs -Werte) haben wir jedoch gefunden, dass die Kompressibilität des homogenen Elektronengases negativ (also dass e(n) nicht-konvex) ist, zumindest in der HF-Näherung. Man erhält einen thermodynamisch stabilen, räumlich inhomogenen Zustand mit 31 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Hilfe der Maxwell-Konstruktion. Der stabile Zustand ist eine Linearkombination eines Elektronengases der Dichte nPS und eines Gases der Dichte Null (d. h. eines leeren Systems). Es tritt also Phasenseparation auf. Die Dichte nPS wird bestimmt aus der Bedingung deHF eHF (nPS ) = (nPS ) . nPS dn de − ne , zeigt, dass der Ein Vergleich mit dem oben abgeleiteten Ausdruck für den Druck, P = n dn Druck für n = nPS gerade verschwindet: P (nPS ) = 0, und daher, dass offenbar nPS = nmin bzw. rsPS = rsmin gilt. Physikalisch bedeutet dies, dass immer dann Phasenseparation auftritt, wenn die Teilchendichte n kleiner als die Gleichgewichtsdichte nmin ist. Mit Hilfe der Maxwell-Konstruktion findet man also die niedrigere Energie ēHF (n) ēHF (n) n eHF (nPS ) nPS ≡ eHF (n) ≡ (n ≤ nPS ) (n ≥ nPS ) . Insgesamt ist ēHF (n) nun eine konvexe Funktion von n, so dass die Kompressibilität für alle n ≥ 0 nicht-negativ ist. Interessant ist noch, dass die Kompressibilität KHF , wie wir bereits gesehen haben, für eine Dichte ndiv < nPS = nmin divergiert: Die Divergenz dieser Suszeptibilität (ein typisches Kriterium für einen Phasenübergang zweiter Ordnung) liefert also keine Information über das Auftreten von Phasenseparation. Phasentrennung entspricht ja auch bekanntlich einem Phasenübergang erster Ordnung. Im Intervall ndiv < n < nPS ist das System also lokal stabil (d. h. die Kompressibilität ist positiv und die Energie konvex), global (d. h. wenn man auch Zustände außerhalb dieses Intervalls mitberücksichtigt) jedoch instabil . (5) Man kann das oben hergeleitete Hartree-Fock-Ergebnis für die Grundzustandsenergie auch als Entwicklung nach einem kleinen Parameter interpretieren. Als Ergebnis einer systematischen Störungstheorie nach der Wechselwirkung findet man nämlich: " # 1/3 2/3 1 1 3 9π 3 9π e2 n − + 0, 0622 ln(rs ) − 0, 096 + · · · . E/V = 8πε0 aB 5 4 rs2 2π 4 rs Die Hartree-Fock-Näherung sagt also die ersten beiden Terme in dieser Entwicklung richtig voraus und kann daher als Methode für kleine Werte von rs (hohe Dichte) angesehen werden. Für große Werte von rs ist die Hartree-Fock-Wellenfunktion aber offenbar ungeeignet. (6) Eine bessere Wellenfunktion für niedrige Dichte (d. h. mit niedrigerer Energie für rs → ∞) wurde 1938 von Wigner vorgeschlagen. Die Wigner’sche Wellenfunktion beschreibt die Kristallisierung des Elektronengases im sogenannten Wigner-Kristall und entspricht der Energie pro Volumeneinheit e2 1, 79 2, 66 eWK ≃ n − + 3/2 + · · · (rs → ∞) . 8πε0 aB rs rs Für große rs ist diese Energie offensichtlich niedriger als diejenige der Hartree-Fock-Wellenfunktion (s. Gl. (3.5)). Der Druck im Wigner-Kristall ist negativ: e2 n 0, 60 1, 33 ∂EWK ≃− − 3/2 PWK = − ∂V 8πε0 aB rs rs N und Ähnliches gilt für die Kompressibilität: ∂ (V PWK ) e2 n 0, 80 2, 00 −1 KWK = PWK − ≃− − 3/2 . ∂V 8πε0 aB rs rs N 2 Die Kompressibilität ist positiv (in dieser Näherung) für rs ≤ rsdiv ≃ (2, 00/0, 80) ≃ 6, 25. Die HF- und WK-Werte für rsdiv liegen also erstaunlich dicht zusammen. 32 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE 3.6 Wechselwirkung in einem Bose-Gas Bose-Gase sind besonders interessant, da bei genügend tiefen Temperaturen (in einem genügend hochdimensionalen Ortsraum, falls die Bose-Teilchen eine endliche Ruhemasse besitzen) bekanntlich BoseEinstein-Kondensation auftritt. Dieses Kondensationsphänomen tritt bereits im nicht-wechselwirkenden Bose-Gas auf; es ist dennoch interessant und wichtig, die Effekte einer zusätzlichen Wechselwirkung zwischen den Bose-Teilchen zu untersuchen, da die Wechselwirkung den Charakter des Phasenübergangs in einigen wesentlichen Aspekten abändert. Die historisch erste (nach wie vor sehr wichtige) Anwendung der Theorie des wechselwirkenden Bose-Gases ist diejenige auf die suprafluide Phase von 4 He, die unterhalb des „λ-Punktes“ (d. h. z. B. unterhalb von 2,17 K bei Normaldruck) auftritt. Ein weiteres makroskopisches Quantenphänomen, das im Wesentlichen als Kondensation von Bose-Teilchen interpretiert werden kann, ist die Supraleitung vieler Metalle bei genügend tiefen Temperaturen, bei der Cooper-Paare mit den kondensierenden Bosonen identifiziert werden können. Es sollte jedoch klar sein, dass weder bei der Suprafluidität noch bei der Supraleitung Bose-Einstein-Kondensation in Reinform auftritt, so wie sie ursprünglich von Einstein (1924) für das nicht-wechselwirkende Bose-Gas beschrieben wurde: 4 He-Atome können (vereinfacht ausgedrückt) als harte Kugeln mit zusätzlicher attraktiver Van-der-Waals-Wechselwirkung aufgefasst werden, so dass sie nicht schwach, sondern vielmehr sehr stark miteinander wechselwirken. Und bei der Supraleitung mag ein isoliertes Cooper-Paar zwar (aus der Ferne betrachtet) als Boson erscheinen; in einem realen Supraleiter überlappen sehr viele Cooper-Paare miteinander. Dadurch ist der zusammengesetzte fermionische Charakter eines jeden Cooper-Paares für die anderen Paare klar erkennbar. Aus diesen Gründen hat man lange versucht, Bose-Einstein-Kondensation in Reinkultur, d. h. in verdünnten Gasen schwach wechselwirkender Atome, nachzuweisen. Experimentell wurde eine solche Bose-Einstein-Kondensation erst 1995 an Gasen wasserstoffähnlicher Atome (87 Rb, 23 Na, 7 Li) beobachtet. Das Bose-Gas ist hierbei in einer magnetischen Falle eingeschlossen, die näherungsweise durch ein (oft anisotropes) harmonisches Potential beschrieben werden kann: ω1 0 0 , Ω = 0 ω2 0 . U (x) = 12 mx · Ω2 · x 0 0 ω3 Es ist nicht besonders schwierig, die Eigenschaften eines nicht-wechselwirkenden Bose-Gases in einem solchen harmonischen Potential zu berechnen. In mancher Hinsicht noch einfacher (von den Methoden und physikalischen Ergebnissen her jedoch weitgehend analog) ist die traditionelle Anordnung, wobei das Bose-Gas in einem quaderförmigen Kasten mit Seitenlängen L und entweder festen: 0 (|xi | < 21 L , i = 1, . . . , d) U (x) = ∞ (sonst) oder periodischen Randbedingungen: U (x) = 0 , ψ(x + Lêi ) = ψ(x) (i = 1, . . . , d) eingeschlossen ist. Da die Berechnungen für den quaderförmigen Kasten einfacher sind und diese Anordnung außerdem für die Anwendung auf 4 He relevant ist, werden wir uns im Folgenden überwiegend auf den „Kasten“ konzentrieren. Die Behandlung des wechselwirkenden Bose-Gases ist hierbei wie folgt gegliedert: Wir fassen zuerst in Abschnitt [3.6.1] die wichtigsten Ergebnisse für das nicht-wechselwirkende Bose-Gas zusammen und behandeln dann in Abschnitt [3.6.2] Bogoliubovs Methode zur Untersuchung des Wechselwirkungsproblems für genügend tiefe Temperaturen (T ≪ Tc ), in Abschnitt [3.6.3] die Herleitung der Gross-Pitaevski-Gleichung für die Kondensatwellenfunktion, in Abschnitt [3.6.4] die Diagonalisierung des großkanonischen Hamilton-Operators, in Abschnitt [3.6.5] die hieraus resultierenden physikalischen Ergebnisse und schließlich in Abschnitt [3.6.6] die Anwendung auf 4 He. 33 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE 3.6.1 Das Bose-Gas ohne Wechselwirkung Wir konzentrieren uns auf das in einem quaderförmigen Kasten mit Seitenlängen L eingeschlossene BoseGas und nehmen an, dass periodische Randbedingungen vorliegen. Bosonen besitzen im Allgemeinen bekanntlich einen ganzzahligen Spin (S = 0, 1, 2, . . . ). Um zu zeigen, dass der Spinfreiheitsgrad den Charakter des Kondensationsübergangs nur in trivialer Weise beeinflusst, werden wir den Spin in diesem Abschnitt allgemein mitberücksichtigen; in nachfolgenden Abschnitten konzentrieren wir uns auf den einfachsten und wichtigsten Fall (S = 0). Die Einteilchenzustände zum festen Wellenvektor k können für Spin-S-Bosonen mit Hilfe der magnetischen Quantenzahl λ klassifiziert werden, die die Werte λ = −S, −S + 1, . . . , S annehmen kann. Für den einfachsten Fall, dass keine äußeren Felder vorliegen, sind die Energieeigenwerte der einzelnen Teilchen unabhängig von λ: εkλ = ~2 k2 ≡ εk 2m , k= 2π n L (n ∈ Zd ) . In diesem einfachsten Fall bewirkt der Spinfreiheitsgrad der Teilchen lediglich eine (2S + 1)-fache Entartung der k-Niveaus. In Anwesenheit eines Magnetfelds wird diese Entartung aufgehoben. Falls der Mikrozustand des Gases durch die Besetzungszahlen {nkλ } charakterisiert ist, sind die Gesamtteilchenzahl und die Gesamtenergie durch X X N= nkλ , E = εkλ nkλ kλ kλ gegeben, so dass die großkanonische Zustandssumme gleich −1 Y X P eβ kλ (µ−εkλ )nkλ = 1 − ze−βεkλ Zgk = kλ {nkλ } ist, wobei die Fugazität z ≡ eβµ eingeführt wurde. Das großkanonische Potential ist also durch i 1X h 1 ln 1 − ze−βεkλ Ω = − ln Zgk = β β (3.6) kλ gegeben. Das chemische Potential nicht-wechselwirkender Bosonen erfüllt offensichtlich die Ungleichung (3.7) µ < min{εkλ } , kλ da die Zustandssumme und das großkanonische Potential sonst nicht definiert und die mittleren Besetzungszahlen hnkλ i = 1 eβ(εkλ −µ) −1 für manche (kλ)-Werte außerdem negativ wären. Führt man nun die Funktionen Z ∞ xα−1 1 dx 1 x gα (z) = Γ(α) 0 ze − 1 mit den Eigenschaften: ∞ X 1 = ζ(α) < ∞ nα n=1 1 g1 (z) ∼ ln 1−z gα (1) = gα (z) ∼ Γ(1 − α)(1 − z)α−1 (α > 1) (z ↑ 1, α = 1) (z ↑ 1, 0 < α < 1) 34 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE ein, so zeigt man leicht für die mittlere Gesamtteilchenzahl: z V hN i = (2S + 1) gd/2 (z) , (3.8) + 1 − z (λT )d √ wobei die thermische Wellenlänge λT ≡ h/ 2πmkB T definiert und der (k = 0)-Beitrag zur mittleren Gesamtteilchenzahl im Hinblick auf eine möglicherweise auftretende Bose-Einstein-Kondensation separat behandelt wurde. Da gα (z) monoton ansteigt als Funktion von z, ist die Teilchendichte ohne Bose-Einstein-Kondensation in Raumdimensionen d > 2 von oben beschränkt durch: ̺= hN i 2S + 1 2S + 1 gd/2 (z) ≤ ζ = V (λT )d (λT )d d 2 ≡ ̺c . Für ̺ > ̺c muss daher Kondensation auftreten. Es folgt aus (3.8), dass für ̺ > ̺c 2S + 1 2S + 1 ζ 1− 1−z = hN i ̺(λT )d d 2 −1 −1 ̺c 2S + 1 1− = hN i ̺ . (3.9) 1 β ln(z) für ̺ > ̺c im thermodynamischen Limes also konstant (und 2 ∂µ gleich Null) ist, folgt für die inverse Kompressibilität: κ−1 = ̺ = 0, so dass die KompressibiliT,N ∂̺ T tät κT,N selbst wie bei einem normalen Gas-Flüssig-Phasenübergang divergiert. Ohne Wechselwirkung tritt im Bose-Gas somit ein Phasenübergang erster Ordnung bei Variation der Teilchendichte ̺ auf. Alternativ kann man bei festem ̺ Kondensation hervorrufen, indem man die Temperatur absenkt. Statt (3.9) findet man dann gilt. Da das chemische Potential µ = d/2 −1 T 2S + 1 1− 1−z = hN i Tc , λTc 2S + 1 ζ ≡ ̺ bzw. hn0 i =1− hN i T Tc d/2 d 2 1/d . Für T ↓ 0 befindet sich das ideale Bose-Gas in allen Dimensionen d > 2 vollständig in der kondensierten Phase. Der Ausdruck für λTc zeigt klar, dass Bose-Einstein-Kondensation einsetzt, wenn die thermische Wellenlänge der Teilchen mit dem mittleren Abstand ̺−1/d zwischen den Teilchen vergleichbar ist. Für d ≤ 2 divergiert gd/2 (z) für z ↑ 1; folglich tritt keine Bose-Einstein-Kondensation auf. In d = 2 erhält man: ̺∼ 1 2S + 1 ln (λT )2 1−z , z ∼ 1 − e−̺(λT ) , z ∼1−π 2 /(2S+1) (T → 0) , und in d = 1 folgt: ̺∼ 2S + 1 λT r π 1−z 2S + 1 ̺λT 2 (T → 0) . In beiden Fällen erreicht die Fugazität z den Wert 1 erst für T = 0. Wir schließen hieraus, dass der Phasenübergang in d = 1 und d = 2 abrupt bei Tc = 0 einsetzt. Bose-Einstein-Kondensation ist ein schönes Beispiel dafür, dass Phasenübergänge in niedrigen Raumdimensionen durch thermische Fluktuationen unterdrückt werden. 3.6.2 Das Wechselwirkungsproblem à la Bogoliubov Im vorigen Abschnitt wurde angenommen, dass sich das Bose-Gas in einem quaderförmigen Kasten mit Seitenlängen L und periodischen Randbedingungen befand; für diese Spezialanordnung haben wir 35 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE die Kondensation des Bose-Gases in das Grundzustandsniveau k = 0 bei abklingender Temperatur untersucht. In diesem Abschnitt betrachten wir die allgemeine Quantenfeldtheorie ZZ Z ~2 dx dx′ ψ̂ † (x)ψ̂ † (x′ )v(x − x′ )ψ̂(x′ )ψ̂(x) , (3.10) H = dx ψ̂ † (x) − ∆ + U (x) ψ̂(x) + 21 2m P wobei der Feldoperator ψ̂(x) = φλ (x)aλ durch die Eigenfunktionen φλ (x) des Einteilchen-Hamiltonλ Operators, ~2 − ∆ + U (x) φλ = ελ φλ 2m , definiert ist. Wir nehmen an, dass der Einteilchengrundzustand durch die Quantenzahl λ = 0 charakterisiert wird, ε0 = minλ {ελ } und dass dieser Einteilchengrundzustand nicht entartet ist. (0) Betrachten wir zunächst den Grundzustand |{nλ }i des Modells ohne Wechselwirkung (v = 0), der 0 durch die Besetzungszahlen nλ = N δλ0 definiert wird. Wir bezeichnen den Grundzustand |{N δλ0 }i des N-Teilchen-Systems im Folgenden kurz als |0iN . Es gilt: √ √ a0 |0iN = N |0iN −1 , a†0 |0iN = N + 1 |0iN +1 und aλ |0iN = 0 für alle λ 6= 0 . Mit der Definition 1 ā0 ≡ √ a0 V gilt also mit N V , 1 ā†0 ≡ √ a†0 V = ̺: ā0 |0iN = √ ̺ |0iN −1 , ā†0 ā0 |0iN = ̺|0iN . (3.11) Die Vertauschungsbeziehungen lauten [ā0 , ā†0 ]− = 1 →0 V (V → ∞) , [ā0 , a†λ ]− = [aλ , ā†0 ]− = 0 (λ 6= 0) und für λ, λ′ 6= 0 : [aλ , a†λ′ ]− = δλλ′ . Da der Kommutator [ā0 , ā†0 ]− im thermodynamischen Limes gleich Null ist, können ā0 und ā†0 in diesem Limes als komplexe Zahlen aufgefasst werden (ā0 , ā†0 ∈ C). Folglich ist der Feldoperator ψ̂(x) teilweise komplex- und teilweise operatorwertig: X X √ φλ (x)aλ ≡ ψ(x) + δ ψ̂(x) . ψ̂(x) = φλ (x)aλ = V φ0 (x)ā0 + λ λ6=0 R Analog gilt natürlich ψ̂ † (x) = ψ(x)∗ + δ ψ̂ † (x) ; außerdem gilt: dx ψ̂ † (x)ψ̂(x)|0iN = N |0iN , R (†) dx |ψ(x)|2 = N . Eine weitere Konsequenz davon, dass der Operator ā0 im thermodynamischen Limes eine komplexe Zahl wird, ist aus (3.11) ersichtlich: Offenbar sind die normierten N -TeilchenWellenfunktionen |0iN und |0iN −1 für große N -Werte proportional zueinander: |0iN −1 = eiϕ |0iN , so dass √ √ ā0 = ̺ eiϕ , ā†0 = ̺ e−iϕ √ gilt. Der (λ = 0)-Beitrag zum Feldoperator ist also durch ψ(x) = V ̺ φ0 (x)eiϕ gegeben. Betrachten wir nun den Grundzustand (T = 0) des Wechselwirkungsproblems (3.10). Man überprüft leicht, dass der Grundzustand |0iN des nicht-wechselwirkenden N -Teilchen-Systems bei Anwesenheit einer Wechselwirkung (v 6= 0) im Allgemeinen kein Eigenzustand des Hamilton-Operators (3.10) und W somit auch nicht gleich dem Grundzustand |0iW des wechselwirkenden Systems sein wird. Durch N Wechselwirkungseffekte werden also Teilchen aus dem Bose-Kondensat herausgestreut! Nehmen wir nun an, die Besetzungszahl des Kondensats bei Anwesenheit einer Wechselwirkung sei N0 < N : p W W W W a†0 a0 |0iW = N0 |0iW a0 |0iW = N0 |0iW N −1 , N N N 36 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE N0 V und daher auch (mit W ā0 |0iW = N ≡ ̺0 ): √ W ̺0 |0iW N −1 , W W ā†0 ā0 |0iW = ̺0 |0iW N N . Wiederum kann man ā0 und ā†0 als komplexe Zahlen betrachten: ā0 = √ ̺0 eiϕ , ā†0 = √ ̺0 e−iϕ , und wiederum kann man sich den Feldoperator (3.12) ψ̂(x) = ψ(x) + δ ψ̂(x) aus einem komplexwertigen und einem operatorwertigen Anteil aufgebaut denken: Z Z 2 W W dx |ψ(x)| = N0 , dx δ ψ̂ † (x)δ ψ̂(x)|0iW = (N − N0 )|0iW . N N Bereits aus dieser Darstellung ist klar, dass die Wirkung der Operatoren δ ψ̂ † und δ ψ̂ bei genügend schwacher Wechselwirkung nur sehr gering ist im Vergleich zu den komplexwertigen Feldern ψ ∗ und ψ, −N0 ≪ 1 gilt. da in diesem Fall NN 0 Analog erwartet man, dass auch thermische Effekte die Besetzung des Bose-Kondensats verringern werden, d. h. dass bei genügend tiefen, jedoch endlichen Temperaturen (T ≪ Tc ) ein kleiner Anteil aller Teilchen durch thermische Anregung aus dem Kondensat entfernt werden. Insgesamt erwartet −N0 man daher allgemein für genügend tiefe Temperaturen, dass N N ≪ 1 gilt, vorausgesetzt, dass die 0 Wechselwirkung zwischen den Bosonen schwach ist. Auch für endliche Temperaturen machen wir daher den Ansatz (3.12), wobei die Besetzung des Kondensats nun allerdings temperaturabhängig ist: N0 = N0 (T ), und wir nehmen an, dass die Wirkung von δ ψ̂ und δ ψ̂ † im Vergleich zu derjenigen von ψ und ψ ∗ klein ist. Die Idee, den Hamilton-Operator (3.10) für schwache Wechselwirkung und tiefe Temperaturen nach Potenzen der „kleinen“ Größen δ ψ̂ und δ ψ̂ † zu entwickeln, geht auf den großen russischen Mathematiker N. N. Bogoliubov (1947) zurück. Zunächst vernachlässigt man in dieser Näherung alle Terme von höherer als quadratischer Ordnung in δ ψ̂ und δ ψ̂ † und berechnet die Eigenschaften des wechselwirkenden Bose-Gases. Anschließend zeigt man dann, dass die nicht-berücksichtigten höheren Ordnungen in δ ψ̂ und δ ψ̂ † in der Tat vernachlässigbar klein sind, d. h. dass Bogoliubovs Methode bei schwacher Wechselwirkung und tiefen Temperaturen asymptotisch exakt ist. 3.6.3 Die Gross-Pitaevskii-Gleichung Berechnungen in der großkanonischen Gesamtheit basieren immer auf dem großkanonischen HamiltonOperator K̂ ≡ Ĥ − µN̂ . Vernachlässigt man die Wirkung der Felder δ ψ̂ (†) völlig, so erhält man K̂ = K[ψ ∗ , ψ] + O(δ ψ̂) mit dem Funktional 2 ZZ Z Z ~ |∇ψ|2 + U (x)|ψ|2 + 21 dx dx′ |ψ(x)|2 v(x − x′ )|ψ(x′ )|2 − µ dx |ψ(x)|2 . K[ψ ∗ , ψ] = dx 2m (3.13) Die thermodynamisch stabile Kondensatwellenfunktion ψ(x) ist dadurch festgelegt, dass sie das Funktional K[ψ ∗ , ψ] minimiert und somit die großkanonische Zustandssumme maximiert. Aus der Bedingung δK δψ ∗ = 0 folgt sofort die (zeitunabhängige) Gross-Pitaevskii-Gleichung für ψ: ~2 − ∆ + U (x) − µ + 2m Z ′ ′ ′ 2 dx v(x − x )|ψ(x )| ψ=0 , (3.14) die erstmals 1961 durch L. P. Pitaevskii und E. P. Gross (unabhängig voneinander) hergeleitet wurde. ∗ Analog findet man aus der Bedingung δK δψ = 0 eine Gleichung für ψ , die einfach durch komplexe 37 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Konjugation aus (3.14) erhalten werden kann. Als Bemerkung sei hinzugefügt, dass das chemische Potential µ bei der Minimierung des Funktionals K[ψ ∗ , ψ], d. h. bei der Herleitung von (3.14), die Rolle eines Lagrange-Multiplikators spielt, der gewährleisten soll, dass die Zwangsbedingung Z dx |ψ(x)|2 = N0 (3.15) erfüllt ist. Als Beispiele betrachten wir im Folgenden zwei Bose-Gase, beide eingeschlossen in quaderförmigen Kästen mit Seitenlängen L und dem Einteilchenpotential U (x) = 0, das eine mit periodischen und das andere mit festen (oder genauer: mit gemischten periodischen und festen) Randbedingungen. In beiden Fällen erfüllt ψ sowohl Zwangsbedingung (3.15) als auch die Gross-Pitaevskii-Gleichung Z ~2 (3.16) ∆ − µ + dx′ v(x − x′ )|ψ(x′ )|2 ψ = 0 , − 2m und dennoch weist die Struktur der Lösungen dieser Gleichungen für periodische bzw. feste Randbedingungen interessante Unterschiede auf. Für periodische Randbedingungen, ψ(x + Lêi ) = ψ(x) für i = 1, 2, 3, erlaubt die Gross-Pitaevskii√ Gleichung ortsunabhängige Lösungen der Form ψ(x) = ̺0 eiϕ , wie im nicht-wechselwirkenden Fall. Diese Form der Kondensatwellenfunktion beschreibt ein uniformes Bose-Gas, das gleichmäßig über den Kasten verteilt ist. Einsetzen dieser Lösung in die Gross-Pitaevski-Gleichung führt auf die Bedingung Z −µ + ̺0 dx′ v(x − x′ ) = −µ + ̺0 v0 = 0 so dass das chemische Potential µ = ̺0 v0 offenbar durch die Teilchendichte im Kondensat und die Wechselwirkungsstärke festgelegt wird. Interessant ist noch, dass das chemische Potential (für eine abstoßende Wechselwirkung) positiv ist, obwohl für das nicht-wechselwirkende System unbedingt µ < 0 gelten sollte. Definieren wir das Energiefunktional E[ψ ∗ , ψ] allgemein als Z ∗ ∗ E[ψ , ψ] ≡ K[ψ , ψ] + µ dx |ψ(x)|2 2 ZZ Z (3.17) ~ ′ 2 ′ ′ 2 2 2 1 dx dx |ψ(x)| v(x − x )|ψ(x )| , |∇ψ| + U (x)|ψ| + 2 = dx 2m so gilt für das uniforme Bose-Gas: E[ψ ∗ , ψ] = 21 V v0 |ψ|4 = 21 V v0 ̺20 und die thermodynamische Relation µ = µ= ∂E ∂N0 = V N0 V0 = ̺0 v0 V (3.18) , ∂E ∂N0 V liefert: , im Einklang mit dem vorher hergeleiteten Ergebnis. Da die Phase ϕ in der Kondensatwellenfunktion √ ψ(x) = ̺0 eiϕ die Energie des Bose-Gases (auch in der vollen Feldtheorie) invariant lässt, kann sie √ o. B. d. A. gleich Null gewählt werden: ψ(x) = ̺0 . Um den Einfluss einer festen Randbedingung zu zeigen, betrachten wir ein System mit einer solchen festen Randbedingung in ê1 -Richtung: ψ(x) = 0 (x1 = ± 12 L) und periodischen Randbedingungen in ê2 - und ê3 -Richtung: ψ(x + Lêi ) = ψ(x) (i = 2, 3) . 38 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Es ist interessant, zunächst die Lösung für das nicht -wechselwirkende System (v = 0) zu bestimmen. In diesem Fall hat die Lösung der Gleichungen (3.15) und (3.16) die Form πx p 1 ψ(x) = 2̺0 cos (v = 0) (3.19) L mit µ = ~2 π 2 /2mL2 . Die Energie dieses Zustands ist 2 Z ~ 2 π 2 ̺0 ~2 dψ = L , (3.20) E[ψ ∗ , ψ] = dx 2m dx1 2m ∂E und es gilt wiederum die Relation µ = ∂N . Nun würde man vielleicht erwarten, dass die Lösung 0 V für ein schwach wechselwirkendes Bose-Gas der Lösung (3.19) für v = 0 sehr ähnlich ist. Interessanterweise ist dies nicht so: Die Lösung (3.18) für v = 0 ist für v 6= 0 völlig inkorrekt. Die Erklärung für dieses singuläre Verhalten folgt sofort aus (3.20): Man hat die Kondensatwellenfunktion zwar aufgrund des Ausdrucks für die kinetische Energie optimiert, aber die kinetische Energie ist typischerweise von Ordnung L und somit sehr viel kleiner als die Wechselwirkungsenergie, die proportional zum Volumen ist: ZZ ZZ ′ 2 ′ ′ 2 1 1 dx dx |ψ(x)| v(x − x )|ψ(x )| ≃ dx dx′ |ψ(x)|4 v(x − x′ ) 2 2 Z (3.21) 2 4 3 1 = 2 v0 dx |ψ(x)| = 4 V v0 ̺0 . Dieses Ergebnis ist gültig, falls die Reichweite der Paarwechselwirkung (wie es normalerweise der Fall ist) viel kleiner als die Systemgröße ist. Ein Vergleich von (3.21) mit der Wechselwirkungsenergie (3.18) des uniformen Bose-Gases zeigt, dass letztere Energie niedriger und der uniforme Zustand somit vorteilhaft ist. Für das System mit der festen Randbedingung in ê1 -Richtung und einer abstoßenden Wechselwirkung (v0 > 0) setzen wir daher an: √ ψ(x) = ψ1 (x1 ) ̺0 eiϕ (− 12 L < x1 < 12 L) und suchen Lösungen mit ψ1 (x1 ) ≃ 1 für alle x1 -Werte, die genügend weit von den Rändern ± 12 L entfernt sind. Wiederum kann man bei Bedarf o. B. d. A. ϕ = 0 wählen. Um die Frage, was hierbei mit „genügend weit“ gemeint ist, zu beantworten, betrachten wir zuerst das einfache Modell v(x) = v0 δ(x), das eine Paarwechselwirkung mit extrem kurzer Reichweite beschreibt. Die Gross-Pitaevskii-Gleichung lautet ~2 d2 (3.22) − − µ ψ1 (x1 ) + ̺0 v0 [ψ1 (x1 )]3 = 0 (− 12 L < x1 < 12 L) , 2m dx21 und die entsprechende Randbedingung ist ψ1 (± 21 L) = 0 . Einsetzen der Lösung ψ1 (x1 ) ≃ 1 zum Beispiel für x1 ≃ 0 liefert µ = ̺0 v0 . Multiplikation von (3.22) mit 2ψ1′ (x1 ) und einmalige Integration liefert: ψ1′ = ± 1ℓ (1 − ψ12 ) , ~ ℓ≡ √ m̺0 v0 , und die Lösung nahe x1 = ± 21 L lautet: ψ1 (x1 ) = tanh 1 2L − |x1 | ℓ . (3.23) Wir stellen fest, dass „genügend weit“ bedeutet: 12 L − |x1 | ≫ ℓ . Allgemeiner (d. h. nicht nur für das spezielle Modell v(x) = v0 δ(x)) stellen wir fest, dass die Wechselwirkung eine neue Längenska√ la ℓ ≡ ~/ m̺0 v0 definiert, die im Limes schwacher Kopplung divergiert: ℓ → ∞ für v0 ↓ 0 . Die typische Reichweite des Paarpotentials, die sich zum Beispiel mit Hilfe der (experimentell messbaren) Streulänge a quantifizieren ließe, definiert eine weitere Längenskala. Die Streulänge a ist für Bosonen 39 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE dσ dσ mit dem differentiellen Wirkungsquerschnitt dΩ gemäß dΩ = 4a2 verknüpft, und aus der elementaren Streutheorie folgt für schwach wechselwirkende Teilchen: a= mv0 m2 X ṽ(−q)ṽ(q) − + O(ṽ 3 ) 2 4π~ 4π~4 V q2 . (3.24) q6=0 mv0 1 In führender Ordnung gilt daher: a ≃ 4π~ 2 = 4π̺ ℓ2 . Für genügend schwache abstoßende Wechselwir0 kung (und gerade hieran sind wir in diesem Abschnitt primär interessiert) gilt also: (3.25) a≪ℓ≪L . Die Gross-Pitaevskii-Gleichung (3.22) und ihre Lösung (3.23) sind immer dann gültig, wenn die Ungleichung (3.25) erfüllt ist. Aus diesen Überlegungen schließen wir, dass die Kondensatwellenfunktion des wechselwirkenden Systems eine komplett andere Form als diejenige für v = 0 hat, sogar wenn die Wechselwirkung schwach ist. Die Energie der Lösung (3.23) ist gleich derjenigen für das uniforme Bose-Gas, E = 21 V v0 ̺20 , und somit deutlich niedriger als die Energie (3.21) der nicht-wechselwirkenden Kondensatwellenfunktion mit festen Randbedingungen. 3.6.4 Diagonalisierung des Hamilton-Operators Wir werden im Folgenden annehmen, dass das Zweiteilchenpotential im Hamilton-Operator spiegelsymmetrisch am Ursprung ist: v(−x) = v(x) , so dass auch das Fourier-transformierte Paarpotential Z Z ṽ(q) = dx v(x)e−iq·x = dx v(x) cos(q · x) symmetrisch und reellwertig ist: ṽ(q) = ṽ(−q) ∈ R . Einsetzen des Feldoperators ψ̂(x) = ψ(x) + δ ψ̂(x) in den großkanonischen Hamilton-Operator ZZ Z ~2 † 1 ∆ + U (x) − µ ψ̂(x)+ 2 dx dx′ ψ̂ † (x)ψ̂ † (x′ )v(x− x′ )ψ̂(x′ )ψ̂(x) K̂ = Ĥ − µN̂ = dx ψ̂ (x) − 2m liefert dann allgemein: Z Z δK δK ~2 ∗ † † K̂ = K[ψ , ψ] + dx δ ψ̂(x) + δ ψ̂ (x) + dx δ ψ̂ (x) − ∆ + U (x) − µ δ ψ̂(x) δψ(x) δψ ∗ (x) 2m ZZ dx dx′ v(x − x′ )[ψ ∗ (x)ψ ∗ (x′ )δ ψ̂(x′ )δ ψ̂(x) + ψ(x′ )ψ(x)δ ψ̂ † (x)δ ψ̂ † (x′ ) + 21 + 2ψ ∗ (x)ψ(x′ )δ ψ̂ † (x′ )δ ψ̂(x) + 2|ψ(x′ )|2 δ ψ̂ † (x)δ ψ̂(x)] + O[(δ ψ̂)3 ] , wobei der letzte Term symbolisch alle Beiträge mit drei oder vier Feldoperatoren δ ψ̂ bzw. δ ψ̂ † zusammenfasst. Solche Beiträge sind bei tiefen Temperaturen und schwacher Wechselwirkung klein. Wählen wir die Kondensatwellenfunktion nun so, dass sie das K-Funktional minimiert und somit die GrossPitaevskii-Gleichung δK =0 δψ ∗ (x) , δK =0 δψ(x) erfüllt, so vereinfacht sich der großkanonische Hamilton-Operator auf: δ K̂ ≡ K̂ − K[ψ ∗ , ψ] Z Z ~2 † ′ ′ ′ 2 = dx δ ψ̂ (x) − ∆ + U (x) − µ + dx v(x − x )|ψ(x )| δ ψ̂(x) 2m ZZ dx dx′ v(x − x′ )[ψ ∗ (x)ψ ∗ (x′ )δ ψ̂(x′ )δ ψ̂(x) + ψ(x′ )ψ(x)δ ψ̂ † (x)δ ψ̂ † (x′ ) + 21 + 2ψ ∗ (x)ψ(x′ )δ ψ̂ † (x′ )δ ψ̂(x)] . 40 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Für den Spezialfall des uniformen Bose-Gases (mit U (x) = 0, periodischen Randbedingungen, der √ Kondensatwellenfunktion ψGP (x) = ̺0 und dem chemischen Potential µ = ̺0 v0 ) vereinfachen sich diese Ausdrücke weiter auf: ∗ ∗ K[ψGP , ψGP ] = E[ψGP , ψGP ] − µN0 = 12 V v0 ̺20 − V v0 ̺20 = − 21 V v0 ̺20 und ~2 δ K̂ = dx δ ψ̂ (x) − ∆ δ ψ̂(x) 2m ZZ dx dx′ v(x − x′ )[δ ψ̂(x′ )δ ψ̂(x) + δ ψ̂ † (x)δ ψ̂ † (x′ ) + 2δ ψ̂ † (x′ )δ ψ̂(x)] + 21 ̺0 X ~2 k2 = + ̺0 ṽ(−k) a†k ak + 21 ̺0 ṽ(k)(ak a−k + a†−k a†k ) . 2m Z † k6=0 Mittelt man nun die Beiträge für die Wellenvektoren k und −k, so erhält man den symmetrisierten Ausdruck X ~2 k2 † † † † 1 + ̺0 ṽ(k) (ak ak + a−k a−k ) + ̺0 ṽ(k)(ak a−k + a−k ak ) . (3.26) δ K̂ = 2 2m k6=0 (†) (†) Bemerkenswert an diesem Hamilton-Operator ist, dass die Operatoren ak und a−k in den letzten beiden Termen miteinander gekoppelt sind und dass Anregungen durch diese Terme paarweise erzeugt (a†−k a†k ) oder vernichtet (ak a−k ) werden. Wir zeigen im Folgenden, wie der Hamilton-Operator (3.26) „diagonalisiert“ werden kann, d. h. wie man die Kopplung verschiedener Quantenzahlen und das Auftreten von Paarerzeugung und -vernichtung durch eine geeignete kanonische (d. h. unitäre) Transformation aus dem Hamilton-Operator eliminieren kann. Um die Quantenzahlen k und −k zu entkoppeln und die Terme (ak a−k ) und (a†−k a†k ) aus dem Hamilton-Operator zu eliminieren, benötigt man offensichtlich eine kanonische Transformation, in der einerseits k und −k und andererseits Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren gemischt werden. Eine solche Transformation wurde erstmals von N. N. Bogoliubov (1947) vorgeschlagen und erfolgreich angewandt. Die nach ihm benannte Bogoliubov-Transformation hat die Form: ak ≡ uk bk − vk b†−k , a†k = u∗k b†k − vk∗ b−k (3.27) (†) (†) und beschreibt den Übergang von „alten“ bosonischen Teilchen ak zu „neuen“ Bosonen bk . Damit auch die neuen Teilchen in der Tat bosonischen Charakter haben, muss neben [ak , ak′ ]− = [a†k , a†k′ ]− = 0 , [ak , a†k′ ]− = δkk′ (3.28) natürlich auch [bk , bk′ ]− = [b†k , b†k′ ]− = 0 , [bk , b†k′ ]− = δkk′ (3.29) gelten. Setzt man nun (3.27) in (3.28) ein, so folgen mit Hilfe von (3.29) die beiden Bedingungen uk v−k = vk u−k , |uk |2 − |vk |2 = 1 . (3.30) Außerdem zeigt Einsetzen von (3.27) in den großkanonischen Hamilton-Operator (3.26), dass die Gleichung 2 2 ~ k ∗ ∗ + ̺0 ṽ(k) (uk vk∗ + u−k v−k ) + ̺0 ṽ(k)(uk u−k + vk∗ v−k )=0 (3.31) − 2m erfüllt sein muss, damit die Paarerzeugungs- und Vernichtungsterme b†−k b†k und bk b−k in der neuen Formulierung wegfallen. Aufgrund der Spiegelsymmetrie des Paarpotentials, ṽ(k) = ṽ(−k), erwartet man auf jeden Fall: p |uk | = |u−k | , |vk | = |uk |2 − 1 = |v−k | 41 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE und außerdem: |uk | → 1 für ṽ(k) → 0 . Mit der Parametrisierung uk ≡ cosh(αk )eiψk , vk ≡ sinh(αk )eiψk , α−k = αk , ψ−k = −ψk sind die Gleichungen (3.30) trivialerweise erfüllt, und Gleichung (3.31) vereinfacht sich auf 2 2 ~ k − + ̺0 ṽ(k) sinh(2αk ) + ̺0 ṽ(k) cosh(2αk ) = 0 2m d. h. tanh(2αk ) = ̺0 ṽ(k) εk + ̺0 ṽ(k) , εk ≡ ~2 k2 2m (3.32) . Interessanterweise sind die Phasen ψk in der Bogoliubov-Transformation unbestimmt (und können daher bei Bedarf gleich Null gewählt werden). Mit Hilfe der Definition p Ek ≡ [εk + ̺0 ṽ(k)]2 − [̺0 ṽ(k)]2 leitet man aus der Beziehung 1 εk + ̺0 ṽ(k) 2|uk |2 − 1 = 2 cosh2 (αk ) − 1 = cosh(2αk ) = q = Ek 1 − tanh2 (2αk ) bequem Ausdrücke für |uk |2 und |vk |2 her: |uk |2 = εk + ̺0 ṽ(k) + Ek 2Ek , |vk |2 = εk + ̺0 ṽ(k) − Ek 2Ek . Wesentlich für die Existenz der Lösung (3.32) ist natürlich, dass die Ungleichung −1 < tanh(2αk ) < 1 , ̺0 ṽ(k) > − 21 εk erfüllt ist. Dies impliziert insbesondere, dass die Wechselwirkung im langwelligen Limes (k → 0) abstoßend sein soll: v0 = ṽ(0) > 0 . Unter dieser Bedingung reduziert sich der großkanonische HamiltonOperator δ K̂ auf: X X δ K̂ = − 21 (εk + ̺0 ṽ(k) − Ek ) + Ek b†k bk . (3.33) k6=0 k6=0 Dieses Ergebnis zeigt die besondere Bedeutung der Größen Ek : Sie beschreiben die Anregungsenergien in der neuen Formulierung. Die neuen Teilchen, die durch die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren b†k und bk beschrieben werden, bezeichnet man manchmal als Bogoliubov-Quasiteilchen oder „Bogolonen“. Für den (realistischen) Fall, dass 0 < v0 = ṽ(0) < ∞ , |ṽ(k)| ≪ εk (|k| → ∞) gilt, folgt für die Anregungsenergien: p ~ck , c = ̺0mv0 (k = |k| → 0) Ek ∼ εk + ̺0 ṽ(k) (k → ∞) , so dass sich die Bogolonen im langwelligen Limes (k → 0) als Schallwellen und im kurzwelligen Limes (k → ∞) als freie Teilchen in einem mittleren Feld ̺0 ṽ(k) verhalten. Es ist bemerkenswert, dass die Ausbreitung von Schallwellen ohne Wechselwirkung (d. h. für v0 = 0) nicht möglich ist, denn in diesem Fall gilt c = 0. 42 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE 3.6.5 Physikalische Ergebnisse Betrachten wir zuerst den Grundzustand (T = 0), für den die Anzahl der Bogoliubov-Quasiteilchen gleich Null ist: hb†k bk i = 0 für alle k 6= 0. In diesem Fall folgt der Anteil der Teilchen außerhalb des Kondensats aus der Beziehung 1 X † N − N0 = hak ak i N N (3.34) k6=0 als E N − N0 1 XD ∗ † = (uk bk − vk∗ b−k )(uk bk − vk b†−k ) N N k6=0 = Z 1 X 1 1 X |vk |2 hb−k b†−k i = |vk |2 = dk |vk |2 N N (2π)3 ̺ k6=0 Definieren wir nun y ≡ εk = . k6=0 √ mit ℓ = ~/ m̺0 v0 , so gilt √1 kℓ 2 ~2 k2 ̺0 v0 = 12 (kℓ)2 ̺0 v0 = y 2 ̺0 v0 2m̺0 v0 , und es folgt im Limes v0 → 0 bzw. ℓ → ∞: # " √ !3 Z∞ Z∞ 2 1 1 y2 + 1 2 2 2 dy y |vk | = √ −1 = dy y p 2 2 3 2 4 ℓ 3π ̺ℓ3 2π ̺ℓ 2y + y 4π N − N0 = N (2π)3 ̺ 0 , 0 √ 1 1/3 da das y-Integral genau gleich 3 2 ist. Dieses Ergebnis zeigt, dass die Länge ℓ [oder genauer: 9π ℓ] 4 den mittleren Abstand zwischen den Teilchen außerhalb des Kondensats bezeichnet. Es ist zu beachten, dass Gleichung (3.34) die genaue Beziehung zwischen der Anzahl N0 der Teilchen im Kondensat und der Gesamtteilchenzahl N festlegt: Für eine fest vorgegebene Kondensatteilchenzahl N0 und ein festes Volumen V wird das chemische Potential µ(̺0 ) durch die Gross-Pitaevskii-Gleichung festgelegt. Mit Hilfe dieses Wertes µ(̺0 ) des chemischen Potentials und der Beziehung (3.34) kann nun auch die Gesamtteilchenzahl N (N0 ) mittels Störungstheorie im Rahmen der großkanonischen Gesamtheit berechnet werden. Umkehrung der Beziehung N (N0 ) liefert bei Bedarf die Kondensatteilchenzahl N0 (N ) bzw. den Kondensatanteil N0N(N ) . Ausgehend von (3.33) kann nun auch die Grundzustandsenergie E (0) leicht berechnet werden: X E (0) = hĤi = hK̂ + µN̂ i = V v0 ̺0 (− 12 ̺0 + ̺) − 12 [εk + ̺0 ṽ(k) − Ek ] k6=0 = 1 2 2 ̺ v0 V − 1 2 X [εk + ̺0 ṽ(k) − Ek ] + O[(̺ − ̺0 )2 v0 V ] k6=0 X X |ṽ(q)|2 ̺20 |ṽ(k)|2 m 1 1 2 εk + ̺0 ṽ(k) − Ek − + ... −2 = 2 ̺ V v0 − 2 ~ V q2 2εk k6=0 q6=0 p 1/2 Z∞ 2̺a3 2πa~2 ̺2 1 dy y 2 + ... 1+8 =V 2y 2 + y 4 − y 2 − 1 + 2 m π 2y 0 " 1/2 # 2πa~2 ̺2 128 ̺a3 =V 1+ + ... . m 15 π Hierbei wurden systematisch Beiträge von höherer Ordnung in der Wechselwirkung oder der Konzentration ̺ − ̺0 der Teilchen außerhalb des Kondensats vernachlässigt. Das y-Integral in der vorletzten Zeile 43 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE kann leicht zu 27/2 /15 berechnet werden. Es ist sehr bemerkenswert, dass sowohl die Konzentration 3 1/2 ̺a zur Grundzustandsenergie nicht-analytisch ̺ − ̺0 = 3π12 ℓ3 als auch die relative Korrektur 128 15 π [nämlich ∝ a3/2 ∝ (v0 )3/2 ] von der Wechselwirkungsstärke abhängig sind, obwohl Bogoliubovs Methode grundsätzlich ein störungstheoretisches Verfahren darstellt. Bei endlichen Temperaturen (0 < T ≪ Tc ) wird die Anzahl der Teilchen außerhalb des Kondensats durch thermische Anregungen weiter erhöht werden. Man findet nun: i N − N0 1 X † 1 Xh = hak ak i = |vk |2 + (|uk |2 + |vk |2 )hb†k bk i N N N k6=0 k6=0 Z Z 1 1 cosh(2αk ) cosh(2αk ) 1 2 ∼ + dk |v | + dk βE = k 3 βE 2 3 3 k (2π) ̺ e −1 3π ̺ℓ (2π) ̺ e k −1 , wobei der erste (bereits bekannte) Term ein reiner Wechselwirkungseffekt ist und der zweite durch thermische Anregungen im wechselwirkenden System hervorgerufen wird. Das verbleibende k-Integral kann leicht für sehr tiefe (̺−1/3 ≪ ℓ ≪ λT ) und höhere (̺−1/3 ≪ λT ≪ ℓ) Temperaturen ausgerechnet werden. Man erhält: 4 πℓ 1 (ℓ ≪ λT ) 1 + 3π 2 ̺ℓ3 λT N − N0 ∼ N ζ( 32 ) 1 (λT ≪ ℓ) . ̺(λT )3 + 3π 2 ̺ℓ3 Der Abstand zwischen den Teilchen außerhalb des Kondensats wird also stets durch die kleinere der beiden Längen ℓ und λT bestimmt. Analog berechnet man den Beitrag der thermischen Anregungen zur inneren Energie U = hĤi: 3 1/2 8 2πa~2 ̺2 128 ̺a (̺−1/3 ≪ ℓ ≪ λT ) 1 + 15 1 + λπℓT V m π U∼ 3 1/2 3ζ 5 2 2 ( ) V 2πa~ ̺ 1 + 128 ̺a + 2βλ23 (̺−1/3 ≪ λT ≪ ℓ) . m 15 π T Es ist bemerkenswert, dass die Beiträge der thermischen Anregungen nur für tiefe Temperaturen (ℓ . λT ) durch die Wechselwirkung mitbestimmt werden; für ℓ ≫ λT sind Wechselwirkungseffekte und thermische Effekte in führender Ordnung entkoppelt. Die thermischen Eigenschaften bei tiefen Temperaturen (ℓ ≪ λT ) werden vollständig durch die Schallwellen bestimmt, deren Anzahl durch X k hb†k bk i = ζ(3) V π2 kB T ~c 3 = 8πζ(3) V ℓ3 (λT )6 und deren Energie, Freie Energie und spezifische Wärme durch Ub = X k Ek hb†k bk i = π 2 V kB T 30 kB T ~c 3 , Fb = − 13 Ub , CV,b = dUb dT gegeben sind. 3.6.6 Anwendung auf 4 He Es ist klar, dass die Anwendung der oben entwickelten Theorie, die für ein schwach wechselwirkendes, verdünntes Bose-Gas relevant ist, auf die suprafluide Phase der stark wechselwirkenden Bose-Flüssigkeit 4 He nicht unproblematisch ist. Dennoch gibt es bemerkenswerte qualitative Übereinstimmung zwischen dem Experiment und den Vorhersagen unseres recht einfachen Modells, eine Übereinstimmung, die man durch geringe Änderungen im Modell noch deutlich verbessern kann. 44 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Die wichtigste Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment ist natürlich die Vorhersage der Bose-Einstein-Kondensation und das tatsächliche Auftreten von Suprafluidität; sogar ohne Berücksichtigung der Wechselwirkung liefert die Theorie eine ganz passable Abschätzung der Übergangstemperatur: Tc ≃ 3, 14 K für den experimentell relevanten Wert ̺ ≃ 21 · 1027 m−3 , in guter Übereinstimmung mit dem experimentell bei Normaldruck bestimmten Wert Tλ ≃ 2, 17 K. Die Theorie des wechselwirkenden Bose-Gases sagt voraus, dass die relevanten Quasiteilchen im langwelligen Limes (k . ℓ−1 ) den Charakter von Schallwellen haben: Ek = ~ck. Diese Energie-ImpulsRelation der Quasiteilchen wird experimentell bestätigt mit einer Schallgeschwindigkeit c ≃ 238 m/s. Die Thermodynamik bei tiefen Temperaturen wird durch die Schallwellen geprägt; insbesondere findet man sowohl theoretisch als auch experimentell das Verhalten CV ∝ T 3 für die spezifische Wärme. Obwohl nur Berechnungen für p schwache Wechselwirkung durchgeführt wurden, suggeriert der theo8 0 √ ̺a3 dennoch, dass der Kondensatanteil der Supraflüssigkeit bei genüretische Ausdruck N −N ∼ N 3 π gend starker Wechselwirkung weitgehend unterdrückt wird. Tatsächlich findet man experimentell, dass der Kondensatanteil in 4 He lediglich etwa 13 % ist. Um die Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment weiter zu verbessern, benötigt man primär einen speziell auf 4 He zugeschnittenen Ausdruck für das Fourier-transformierte Paarpotential ṽ(k) und somit einen verbesserten Ausdruck für die Dispersionsrelation Ek . Eine solche verbesserte Dispersionsrelation wurde zuerst theoretisch 1947 von Landau vorgeschlagen und erst 1961 experimentell von Henshaw und Woods bestätigt. Charakteristisch für die Dispersionsrelation der Quasiteilchen in 4 He ist neben dem bereits erwähnten linearen Anstieg Ek ∼ ~ck (für k . 0, 8 Å−1 ) das Auftreten eines lokalen Minimums nahe k0 ≃ 1, 91 Å−1 : Ek ∼ ∆ + ~2 (k − k0 )2 2µ (k → k0 ) , ∆ ≃ 8, 6K kB , µ ≃ 0, 16mHe . Die Moden mit Wellenzahl nahe k0 werden aus historischen Gründen als „Rotonen“ bezeichnet. Das Rotonenminimum in der Energie-Impulsrelation erklärt z. B. das Auftreten relativ niedriger kritischer ∆ ≃ 60 m/s, also wesentlich niedriger als die Geschwindigkeiten in 4 He, etwa von Ordnung vc ≃ ~k 0 Schallgeschwindigkeit (c ≃ 238 m/s). 3.7 Kohärente Zustände Nachdem wir nun zwei Beispiele für die Wirkung des Vielteilchenformalismus kennen gelernt haben, einmal für wechselwirkende Fermionen und einmal für Bosonen, widmen wir uns nun der Frage nach der systematischen Störungstheorie im Pfadintegralformalismus. Es sei noch einmal daran erinnert, dass ein aus Ein- und Zweiteilchenanteilen bestehender Hamilton-Operator, N X O X O H= 11k ⊗ Ûℓ + 21 11k ⊗ V̂ℓ1 ℓ2 , ℓ=1 k6=ℓ ℓ1 6=ℓ2 k6=ℓ1 ,ℓ2 in der Quantenfeldtheorie allgemein die Form X X (µ1 µ2 |V̂ |λ1 λ2 )a†µ1 a†µ2 aλ2 aλ1 H= hµ|Û |λia†µ aλ + 21 µλ µ1 µ2 λ1 λ2 bzw. in der Ortsdarstellung die Form Z ~2 † H = dx ψ̂ (x) − ∆ + U (x) ψ̂(x) + 2m 1 2 Z Z dx dx′ ψ̂ † (x)ψ̂ † (x′ )v(x − x′ )ψ̂(x′ )ψ̂(x) hat. Der Hamilton-Operator eines Vielteilchenproblems hat also im Allgemeinen die Form H({a†λ , aλ }), wobei die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren normal geordnet sind, d. h., dass die Erzeugungsoperatoren links von den Vernichtungsoperatoren stehen. Im Pfadintegral wird die (reale oder imaginäre) Zeit diskretisiert, und man muss in jedem Zeitpunkt den Erwartungswert des Hamilton-Operators hφk |H({a†λ , aλ })|φk−1 i (3.35) 45 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE berechnen, wobei |φk i und |φk−1 i vollständigen Sätzen von Basisvektoren zu den Zeiten tk und tk−1 angehören. Die Auswertung von Mittelwerten der Form (3.35) wird erheblich vereinfacht, wenn |φk i so gewählt wird, dass die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren {a†λ , aλ } durch Zahlen ersetzt werden können: aλ |φk−1 i = φk−1,λ |φk−1 i ; hφk |a†λ = hφk |φ∗kλ . (3.36) Hierbei sind die {φkλ } also die Quantenzahlen, die den Zustand |φk i charakterisieren. Die Forderung (3.36) ist gleichbedeutend damit, dass |φk−1 i bzw. |φk i ein Eigenvektor des Vernichtungsoperators ist. Zustände mit dieser Eigenschaft werden als kohärente Zustände bezeichnet. Wir werden die Eigenschaften bosonischer kohärenter Zustände, die in der Übung bereits zur Sprache kamen, im Folgenden noch einmal kurz zusammenfassen. Gesucht sind also die Eigenzustände |φi aller Vernichtungsoperatoren {aλ }, so dass aλ |φi = φλ |φi (∀λ) gelten soll, wobei der Eigenwert φλ im Allgemeinen eine komplexe Zahl ist. Wie wir wissen, können die üblichen Basiszustände † nλ aλ Y 1 √ |0i ≡ |{nλ }i a†λ1 a†λ2 . . . a†λN |0i = |λ1 λ2 . . . λN i = pQ nλ ! λ (nλ !) λ im Falle von Bosonen bequem mit Hilfe der Besetzungszahlen {nλ } bezeichnet werden. Es gilt: aµ |{nλ }i = √ nµ |{nλ − δλµ }i . Mit Hilfe der Zustände |{nλ }i kann man nun leicht eine explizite Darstellung der kohärenten Zustände |φi angeben: nλ φλ a†λ XY X Y (φλ )nλ P † |0i = √ |φi = e λ φλ aλ |0i = |{nλ }i . nλ ! nλ ! {n } λ {n } λ λ λ Man überprüft leicht, dass in der Tat aµ |φi = φµ |φi ; hφ|a†µ = hφ|φ∗µ P † gilt, d. h. dass der Zustand |φi = e λ φλ aλ |0i tatsächlich Eigenvektor aller Vernichtungsoperatoren ist. Zwar sind kohärente Zustände nicht orthonormal: ′ ∗ ′ nλ X Y X Y (φ∗ )nλ (φ′ )nλ P ∗ ′ (φ φ ) λ λ δ √λ = e λ φλ φλ , pλ ′ = hφ|φ′ i = h{nλ }|{n′λ }i ′ nλ ,nλ nλ ! nλ ! nλ ! ′ ′ λ λ {nλ ,nλ } {nλ ,nλ } sie sind jedoch vollständig: Z Y ∗ dφλ dφλ − P λ |φλ |2 e |φihφ| = 1I . 2πi λ Hierbei bedeutet dφ∗ dφ/(2πi) ≡ dφR dφI /π, wobei φR und φI den Real- bzw. Imaginärteil von φ bezeichnen: φ = φR + iφI . Die Vollständigkeitsbeziehung kann auch kompakt in der Form Z Y dφ∗ dφ P ∗ ∗ − λ |φλ |2 λ λ |φihφ| = 1I , D(φλ φλ ) = D(φλ φλ ) e 2πi λ geschrieben werden, wobei D(φ∗ φ) das entsprechende Integrationsmaß bezeichnet. 46 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Gerade diese Vollständigkeitseigenschaft wird im Folgenden eine zentrale Rolle spielen. Sie kann wie folgt bewiesen werden: Z Y ∗ mλ n Y Z dφ∗ dφ X dφλ dφλ −|φλ |2 (φ∗λ ) λ λ λ −|φλ |2 (φλ ) √ |{mλ }ih{nλ }| |φihφ| = e e 2πi 2πi mλ !nλ ! λ λ {mλ ,nλ } Y X X |{nλ }ih{nλ }| = 1I , |{mλ }ih{nλ }| δmλ nλ = = λ {mλ ,nλ } {nλ } wobei benutzt wurde, dass für alle λ gilt: Z Z 2π Z m +nλ i(mλ −nλ )ϕ 2 ρ λ 1 ∞ e dφ∗ dφ −|φ|2 φmλ (φ∗ )nλ √ √ e = dρ ρ dϕ e−ρ 2πi π 0 mλ !nλ ! mλ !nλ ! 0 Z ∞ Z ∞ −ρ2 1 e = δmλ nλ dx xnλ e−x = δmλ nλ 2 dρ ρ2nλ +1 n ! n λ λ! 0 0 Γ(nλ + 1) = δmλ nλ . = δmλ nλ nλ ! Hierbei wurde im ersten Schritt φ ≡ ρeiϕ angesetzt und im dritten Schritt ρ2 ≡ x. Diese Vollständigkeitsrelation der kohärenten Zustände kann Berechnungen in 2. Quantisierung sehr stark vereinfachen. Als Beispiel betrachten wir die Spur eines Operators O. In einer beliebigen vollständigen orthonormalen Basis {|ni} des Fock-Raumes ist die Spur gegeben durch Z Y ∗ X dφλ dφλ −|φλ |2 X Sp(O) = hn|O|ni = e hn|φihφ|O|ni 2πi n n λ ! Z Y ∗ X dφλ dφλ −|φλ |2 = hφ|O e |nihn| |φi 2πi n λ Z Z Y ∗ P 2 dφλ dφλ −|φλ |2 hφ|O|φi = D(φ∗λ φλ ) e− λ |φλ | hφ|O|φi e = 2πi λ und kann demzufolge auch in der Basis der kohärenten Zustände berechnet werden. Wie oben schon angedeutet, ist die Auswertung von Erwartungswerten in dieser letzten Basis sehr einfach, da z. B. für einen beliebigen Hamilton-Operator H({a†λ , aλ }) gilt: hφ|H({a†λ , aλ })|φ′ i = = H({φ∗λ , φ′λ })hφ|φ′ i H({φ∗λ , φ′λ })e P λ ′ φ∗ λ φλ . Auch die Berechnung von Erwartungswerten aller anderen normalgeordneten Operatoren wird natürlich erheblich vereinfacht. Als Beispiele seien die Erwartungswerte der Zähloperatoren nλ = a†λ aλ , N = P † P P † † 2 λ aλ aλ in einem Vielteilchenzustand |φi erwähnt: λµ aλ aµ aµ aλ + λ nλ und N = hnλ iφ hN iφ hN 2 iφ hφ|nλ |φi = φ∗λ φλ = |φλ |2 hφ|φi X = |φλ |2 = λ = X φ∗λ φ∗µ φµ φλ + λµ X λ |φλ |2 = (hN iφ )2 + hN iφ . 2 Es folgt also, dass das Schwankungsquadrat der Gesamtteilchenzahl (δN )2 = h(N − hN iφ ) iφ = hN iφ entspricht, so dass die relativen Abweichungen von der mittleren Teilchenzahl im Allgemeinen klein sind: 1 δN =p →0 hN iφ hN iφ (hN iφ → ∞) . 47 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Die Verteilung ist also scharf um den Mittelwert gepeakt, was man in einem Vielteilchensystem auch erwarten würde. Zusammenfassend gilt für bosonische kohärente Zustände: |φi = e P λ φλ a†λ |0i ; aµ |φi = φµ |φi , wobei die Normierung durch hφ|φ′ i = e P λ ′ φ∗ λ φλ und die Vollständigkeitsbeziehung durch Z P 2 D(φ∗λ φλ ) e− λ |φλ | |φihφ| = 1I , D(φ∗λ φλ ) = Y dφ∗ dφ λ λ 2πi λ . gegeben sind. Im Folgenden wird gezeigt, dass diese grundlegenden Eigenschaften kohärenter Zustände hervorragend zur Formulierung einer Pfadintegralbeschreibung des Zeitentwicklungsoperators bzw. der großkanonischen Zustandssumme geeignet sind. 3.8 Das Pfadintegral Zwei Größen, die offensichtlich von großem physikalischen Interese und unschwer als Pfadintegral darstellbar sind, sind der Zeitentwicklungsoperator und die Zustandssumme eines Vielteilchensystems. Der Zeitentwicklungsoperator hat bekanntlich die Form h i Rt ′ i − dt H(t′ ) U (t|t0 ) = e−iH(t−t0 )/~ oder U (t|t0 ) = T e ~ t0 , wobei der zweite, allgemeine Ausdruck stets dann verwendet werden muss, wenn H explizit zeitabhängig ist (T stellt den Zeitordnungsoperator dar). Im Folgenden wird der Einfachheit halber angenommen, dass H zeitunabhängig ist. Die Matrixelemente von U (t|t0 ) für Übergänge zwischen den Zuständen |φ0 i z.Z. t0 und |φi z.Z. t sind dann gegeben durch U (φ, t|φ0 , t0 ) = hφ|e−iH(t−t0 )/~ |φ0 i . (3.37) Andererseits ist die großkanonische Zustandssumme gegeben durch i h Z = Sp e−β(H−µN ) Z P 2 = D(φ∗λ φλ ) e− λ |φλ | hφ|e−β(H−µN ) |φi . (3.38) Auch die Zustandssumme ist also vollständig bestimmt durch die Matrixelemente der Exponentialfunktion des Hamilton-Operators. Die inverse Temperatur β = 1/kB T in (3.38) entspricht hierbei formal der imaginären Zeit i(t − t0 )/~ in (3.37). Die Berechnung der Exponentialfunktionen exp[−iH(t − t0 )/~] in (3.37) bzw. exp[−β(H − µN )] in (3.38) kann nun wie folgt auf die Auswertung eines Vielfachintegrals (Pfadintegrals) zurückgeführt werden. So lässt sich z. B. das Matrixelement (3.37) des Zeitentwicklungsoperators mit t ≡ tM , tk ≡ t0 + εk und ε ≡ (t − t0 )/M wie folgt umschreiben: U (φ, t|φ0 , t0 ) = hφ|U (tM |tM−1 )U (tM−1 |tM−2 ) . . . U (t2 |t1 )U (t1 |t0 )|φ0 i Z P 2 = D(φ∗λ1 φλ1 ) e− λ |φλ1 | hφ|U (tM |tM−1 ) . . . U (t2 |t1 )|φ1 ihφ1 |U (t1 |t0 )|φ0 i Z P M −1 P 2 = DM−1 (φ∗λk φλk ) e− k=1 λ |φλk | hφ|U (tM |tM−1 )|φM−1 i × · · · · · · × hφ2 |U (t2 |t1 )|φ1 ihφ1 |U (t1 |t0 )|φ0 i , (3.39) 48 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE wobei DM−1 (φ∗λk φλk ) = M−1 Y Y k=1 λ dφ∗λk dφλk 2πi (3.40) das Integrationsmaß bezeichnet. Die Auswertung der Übergangsamplituden hφk |U (tk |tk−1 )|φk−1 i wird nun einfach im Limes ε → 0, d. h. für den Fall, dass der Zeitschritt (tk − tk−1 ) klein ist, verglichen mit den relevanten Zeitskalen (inversen Energieskalen) des Problems. Voraussetzung ist jedoch, dass der Hamilton-Operator normalgeordnet ist, d. h. dass die Erzeugungsoperatoren links von den Vernichtungsoperatoren angeordnet sind. In diesem Fall gilt: hφk |U (tk |tk−1 )|φk−1 i i iε † = hφk |e− ~ (tk −tk−1 ):H: |φk−1 i = hφk |e− ~ :H({aλ , aλ }): |φk−1 i i h † iε = hφk | : e− ~ H({aλ , aλ }) : +O(ε2 ) |φk−1 i i h iε P ∗ ∗ = e λ φλk φλ,k−1 e− ~ H({φλk , φλ,k−1 }) + O(ε2 ) . (3.41) Die Schreibweise :O: deutet hierbei die normalgeordnete Form des Operators O an, so dass alle Erzeugungsoperatoren in :O: links von den Vernichtungsoperatoren angeordnet sind. Da der Fehler von Ordnung O(ε2 ) in (3.41) in jedem Zeitschritt auftritt, ist der Gesamtfehler bei Einsetzen in (3.39) von O(ε2 M ) = O(ε) und kann also im Limes ε → 0 bzw. M → ∞ vernachlässigt werden: Z hP i P M −1 P iε ∗ 2 PM ∗ − k=1 λ φλk φλ,k−1 − ~ H({φλk , φλ,k−1 }) λ |φλk | + k=1 U (φ, t|φ0 , t0 ) = lim DM−1 (φ∗λk φλk ) e . M→∞ Völlig analog kann die Pfadintegraldarstellung der Zustandssumme hergeleitet werden. Mit den Definitionen |φM i ≡ |φ0 i ≡ |φi und ε ≡ β/M erhält man: i Z h P 2 Z = Sp e−β(H−µN ) = D(φ∗λ φλ ) e− λ |φλ | hφ|e−β(H−µN ) |φi Z PM P 2 = DM (φ∗λk φλk ) e− k=1 λ |φλk | hφM | : e−ε(H−µN ) : |φM−1 i × · · · · · · × hφ1 | : e−ε(H−µN ) : |φ0 i + O(ε2 M ) , d. h. Z = lim M→∞ Z ∗ DM (φ∗λk φλk ) e−S({φλk , φλk }) , (3.42) wobei die Wirkung durch S({φ∗λk , φλk }) = ( M X X k=1 λ φ∗λk (φλk − φλ,k−1 ) − µεφλ,k−1 + ) εH({φ∗λk , φλ,k−1 }) (3.43) gegeben ist. Beachten Sie, dass φλ0 = φλM gilt. Hiermit ist auch die Pfadintegraldarstellung der Zustandssumme bekannt. Oft wird in der Literatur eine kompakte, eher symbolische Darstellung der im vorigen Abschnitt hergeleiteten Pfadintegrale benutzt. Man ersetzt hierbei den diskreten Index k durch eine kontinuierliche Variable t und schreibt: φλk → φλ (t) ; φ∗λk → φ∗λ (t) 1 (φ − φλ,k−1 ) → ∂φλ /∂t . ε λk Außerdem ersetzt man im Zeitentwicklungsoperator: ε M−1 X k=1 → Z t 0 dt′ ; DM−1 (φ∗λk φλk ) → D [φ∗λ (t′ )φλ (t′ )] 49 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE bzw. in der Zustandssumme: ε M X k=1 → Z β dτ DM (φ∗λk φλk ) → D [φ∗λ (τ )φλ (τ )] . ; 0 In dieser Weise erhält man eine kompakte Darstellung für den Zeitentwicklungsoperator: Z φλ (t)=φλ P 2 D [φ∗λ (t′ )φλ (t′ )] e λ |φλ (t)| U (φ, t|φ0 , t0 ) = φλ (t0 )=φ0λ ×e i ~ Rt t0 dt′ i~ P λ ′ φ∗ λ (t ) ∂φλ ∂t ′ ′ (t′ )−H({φ∗ λ (t ), φλ (t )}) , bzw. für die Zustandssumme: Z Rβ P ∗ ∗ ∂ Z= D [φ∗λ (τ )φλ (τ )] e− 0 dτ [ λ φλ (τ )( ∂τ −µ)φλ (τ )+H({φλ (τ ), φλ (τ )})] . (3.44) φλ (β)=φλ (0) Diese Kontinuumsbeschreibung kann insbesondere bei konkreten Berechnungen als Kurzschrift sehr nützlich sein. Sie ist außerdem besser geeignet zur Entwicklung von Näherungsstrategien. Man sollte jedoch nicht aus dem Auge verlieren, dass die Kontinuumsbeschreibung keine realen stetigen Pfade φλ (τ ) darstellt: Sie symbolisiert lediglich das (wohldefinierte) diskrete Pfadintegral. 3.8.1 Störungstheorie für die Zustandssumme Im Folgenden werden wir uns auf die Berechnung der Zustandssumme eines Vielteilchensystems konzentrieren. Wir nehmen an, dass der Hamilton-Operator die Form H = H0 + V hat, wobei H0 den Einteilchen-Anteil von H darstellt und V die Zweiteilchen-Wechselwirkung bezeichnet. Wie nehmen hierbei an, dass die Einteilchenbasis, die dem Fock-Raum zugrunde liegt, so gewählt wurde, dass H0 diagonal ist: X H0 = ελ a†λ aλ . λ Wie vorher gezeigt, hat die Zweiteilchen-Wechselwirkung im Allgemeinen die Form X (λµ|v|νρ)a†λ a†µ a̺ aν , V {a†λ , aλ } = 21 λµνρ wobei v(x) das Wechselwirkungspotential zweier Teilchen im Abstand x im Ortsraum darstellt. Im wechselwirkungsfreien Fall hat die Zustandssumme die Form [s. (3.44) für V = 0]: Z Rβ P ∗ ∂ (3.45) D [φ∗λ (τ )φλ (τ )] e− 0 dτ λ φλ (τ )( ∂τ +ελ −µ)φλ (τ ) . Z0 ≡ φλ (β)=φλ (0) Zu beachten ist, dass der Integrand im rechten Glied die gaußische Form e−φ ·A·φ besitzt. Klarer noch als aus der Kontinuumsdarstellung geht dies aus der diskreten Form des Pfadintegrals hervor: Z ∗ Z0 = lim DM (φ∗λk φλk ) e−S0 ({φλk ,φλk }) , ∗ M→∞ wobei die (quadratische) Wirkung S0 ({φ∗λk , φλk }) durch ) ( M X X S0 ({φ∗λk , φλk }) = φ∗λk φλk − φλ,k−1 − µεφλ,k−1 + εH0 {φ∗λk , φλ,k−1 } k=1 λ 50 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE gegeben ist. Da φλ0 ≡ φλM gilt, hat S0 ({φ∗λk , φλk }) tatsächlich die für die gaußische Verteilung charakteristische Form φ∗ · A · φ. Falls auch Wechselwirkung vorliegt, kann die Zustandssumme als Produkt von Z0 mit der gemittelten Exponentialfunktion der Wechselwirkung dargestellt werden: Z Rβ P ∗ ∗ ∂ Z = D [φ∗λ (τ )φλ (τ )] e− 0 dτ [ λ φλ (τ )( ∂τ +ελ −µ)φλ (τ )+V ({φλ (τ ), φλ (τ )})] φλ (β)=φλ (0) E D Rβ ∗ Z0 e− 0 dτ V ({φλ (τ ), φλ (τ )}) ≡ 0 (3.46) , wobei der Mittelwert h· · · i0 für ein beliebiges Funktional F [φ∗λ , φλ ] der „Pfade“ φ∗λ (τ ) und φλ (τ ) durch Z Rβ P ∗ 1 ∂ hF [φ∗λ , φλ ]i0 ≡ D [φ∗λ (τ )φλ (τ )] e− 0 dτ λ φλ (τ )( ∂τ +ελ −µ)φλ (τ ) F [φ∗λ , φλ ] Z0 definiert wird. In der Übung wird gezeigt, dass das Pfadintegral (3.45) für die Zustandssumme des nicht-wechselwirkenden Systems exakt ausgewertet werden kann. Das Ergebnis, Z0 = i−1 Yh 1 − e−β(ελ −µ) , λ entspricht dem aus der Statistischen Physik bekannten Ausdruck für die Zustandssumme eines nichtwechselwirkenden Quantengases. Die Wechselwirkungskorrekturen zu diesem Ausdruck können systematisch in Störungstheorie berechnet werden, indem man die Exponentialfunktion in (3.46) nach Potenzen von V entwickelt: E D Rβ ∗ Z/Z0 = e− 0 dτ V ({φλ (τ ),φλ(τ )}) 0 Z β Z β ∞ n Z β X (−1) = dτ1 dτ2 . . . dτn hV ({φ∗λ (τ1 ), φλ (τ1 )}) V ({φ∗λ (τ2 ), φλ (τ2 )}) . . . n! 0 0 0 n=0 . . . V ({φ∗λ (τn ), φλ (τn )})i0 . (3.47) Da das Zweiteilchenpotential V eine Summe von Termen der Form φ∗λ φ∗µ φρ φν darstellt, muss man also in der n-ten Ordnung der Störungstheorie Mittelwerte der Form ∗ φλ1 (τ1 )φ∗µ1 (τ1 )φρ1 (τ1 )φν1 (τ1 )φ∗λ2 (τ2 )φ∗µ2 (τ2 )φρ2 (τ2 )φν2 (τ2 ) · · · φ∗λn (τn )φ∗µn (τn )φρn (τn )φνn (τn ) 0 ausrechnen. Diese Berechnung wird ungemein vereinfacht durch Anwendung des Wick’schen Theorems. Das Wick’sche Theorem (oder zumindest eine Variante dieses Theorems, die für unsere Zwecke geeignet ist) besagt, dass beliebige Mittelwerte einer gaußischen Verteilung mehrerer Variablen als Summe von ∗ Produkten der elementaren Mittelwerte hψℓ ψm iA = A−1 ℓm darstellbar sind: R ∗ ∗ ∗ D (ψℓ∗ ψℓ ) ψℓ1 ψℓ2 · · · ψℓn ψm ψ ∗ e−ψ ·A·ψ · · · ψm 2 m1 n ∗ ∗ ∗ R ψℓ1 ψℓ2 · · · ψℓn ψmn · · · ψm2 ψm1 A ≡ ∗ D (ψℓ∗ ψℓ ) e−ψ ·A·ψ X = A−1 ℓ m . . . A−1 ℓ m A−1 ℓ m . Pn n P2 2 P1 1 P Hierbei ist P eine beliebige Permutation der Zahlen (1, 2 . . . n). Die Relevanz des Wick’schen Theorems ∗ für die Störungstheorie beruht darauf, dass auch die Verteilungsfunktion Z0−1 e−S0 ({φλk ,φλk }) , mit der die Mittelwerte h· · · i0 in (3.47) ausgewertet werden sollen, eine höherdimensionale gaußische Form hat. 3.8.2 Die Green’sche Funktion Aus dem Vorhergehenden ist klar, dass alle Terme der Störungsreihe (3.47) im Prinzip mit Hilfe der Zwei-Punkt-Korrelationsfunktion φλ1 (τ1 )φ∗λ2 (τ2 ) 0 ≡ G0 (λ1 τ1 |λ2 τ2 ) berechnet werden können. Die Funktion G0 (λ1 τ1 |λ2 τ2 ) spielt als Baustein der Störungstheorie offensichtlich eine sehr wichtige Rolle. 51 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Wir werden diese Funktion und ihre analytischen Eigenschaften im Folgenden daher etwas genauer betrachten. Wir bemerken zuerst, dass G0 (λ1 τ1 |λ2 τ2 ) in Operatordarstellung eine relativ einfache Form besitzt: iE D h (H)† (H) G0 (λ1 τ1 |λ2 τ2 ) = T aλ1 (τ1 )aλ2 (τ2 ) . (3.48) 0 Hierbei sind (H) aλ (τ ) (H) aλ (τ ) (H)† aλ (τ ) und (H)† aλ (τ ) = eτ K0 aλ e−τ K0 = eτ K0 a†λ e−τ K0 Heisenberg-Operatoren in imaginärer Zeit: ) K0 ≡ H0 − µN , (3.49) der Mittelwert h· · · i0 wird mit Hilfe des Dichteoperators Z0−1 e−βK0 des nicht-wechselwirkenden Systems ausgerechnet, und T ist der Zeitordnungsoperator (wiederum: in imaginärer Zeit). Die Zeitordnung ist dabei für Bosonen durch i h (H) (H)† (H)† (H) (H)† (H) T aλ1 (τ1 )aλ2 (τ2 ) = aλ1 (τ1 )aλ2 (τ2 )ϑ(τ1 − τ2 − 0+ ) + aλ2 (τ2 )aλ1 (τ1 )ϑ(τ2 − τ1 + 0+ ) (3.50) definiert, so dass der Operator mit dem späteren Zeitindex immer links von demjenigen mit dem früheren Zeitindex steht. Zu gleichen Zeiten (d. h. für τ1 = τ2 ) ist die Zeitordnung per definitionem gleich der Normalordnung. So findet man z. B. für τ1 > τ2 : i h 1 (H)† (H) Sp e−βK0 aλ1 (τ1 ) aλ2 (τ2 ) G0 (λ1 τ1 |λ2 τ2 ) = Z0 i h 1 (3.51) Sp e−(β−τ1 )K0 aλ1 e−(τ1 −τ2 )K0 a†λ2 e−τ2 K0 . = Z0 Für τ1 ≤ τ2 findet man das Ergebnis: i h 1 Sp e−(β−τ2 )K0 a†λ2 e−(τ2 −τ1 )K0 aλ1 e−τ1 K0 . G0 (λ1 τ1 |λ2 τ2 ) = Z0 (3.52) Wertet man nun die Spur Sp [· · · ] /Z0 in (3.51) oder (3.52) mit Hilfe eines Pfadintegrals in der Basis kohärenter Zustände aus, so erhält man für alle τ1,2 ∈ [0, β] direkt wieder die Ausgangsformel G0 (λ1 τ1 |λ2 τ2 ) = φλ1 (τ1 )φ∗λ2 (τ2 ) 0 . Es ist bemerkenswert, dass zeitgeordnete Erwartungswerte in Pfadintegraldarstellung im Allgemeinen eine relativ einfache Form annehmen. Auch die Tatsache, dass das zeitgeordnete Produkt für gleiche Zeiten (τ1 = τ2 = τ ) per definitionem normalgeordnet ist, i h 1 Sp e−(β−τ )K0 a†λ2 aλ1 e−τ K0 , G0 (λ1 τ |λ2 τ ) = Z0 wird von der Pfadintegraldarstellung korrekt reproduziert, da Erzeugungsoperatoren stets einen Zeitschritt später ausgewertet werden als Vernichtungsoperatoren: φλ1 (τ )φ∗λ2 (τ ) 0 = φλ1 k φ∗λ2 ,k+1 0 , wobei angenommen wird, dass βk/M < τ < β(k + 1)/M gilt. Die Funktion G0 (λ1 τ1 |λ2 τ2 ) weist für Bosonen eine interessante Periodizität auf: Die Randbedingung φλ (β) = φλ (0) bzw. φ∗λ (β) = φ∗λ (0) im Pfadintegral (3.45) impliziert die folgenden beiden Eigenschaften (3.53) G0 (λ1 β|λ2 τ2 ) = φλ1 (β)φ∗λ2 (τ2 ) 0 = φλ1 (0)φ∗λ2 (τ2 ) 0 = G0 (λ1 0|λ2 τ2 ) ∗ ∗ (3.54) G0 (λ1 τ1 |λ2 β) = φλ1 (τ1 )φλ2 (β) 0 = φλ1 (τ1 )φλ2 (0) 0 = G0 (λ1 τ1 |λ2 0) . Aus (3.51) ist für τ1 > τ2 ersichtlich, dass, falls K0 nicht explizit zeitabhängig ist, G0 lediglich eine Funktion der relativen Zeit τ1 − τ2 ist: i h 1 Sp e(τ1 −τ2 −β)K0 aλ1 e−(τ1 −τ2 )K0 a†λ2 G0 (λ1 τ1 |λ2 τ2 ) = Z0 ≡ G0 (λ1 |λ2 ; τ1 − τ2 ) . (3.55) 52 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Für τ1 ≤ τ2 kommt man aufgrund von (3.52) zum gleichen Schluss. Die Periodizitätseigenschaften (3.53), (3.54) für Bosonen können deshalb auch wie folgt formuliert werden: G0 (λ1 |λ2 ; τ + mβ) = G0 (λ1 |λ2 ; τ ) (−β ≤ τ ≤ β, m ∈ Z) . (3.56) Die explizite Form von G0 (λ1 |λ2 ; τ ) kann direkt aus (3.51) und (3.52) berechnet werden. Das Ergebnis lautet für τ ∈ [−β, β]: −(ε −µ)τ ϑ(τ − 0+ )(1 + nλ1 ) + ϑ(−τ + 0+ )nλ1 G0 (λ1 |λ2 ; τ ) = δλ1 λ2 e λ1 ≡ δλ1 λ2 gλ1 (τ ) . (3.57) Hierbei stellt nλ die übliche Besetzungswahrscheinlichkeit eines bosonischen Quantenzustandes dar: nλ = 1 eβ(ελ −µ) . −1 (3.58) Aus Gl. (3.57) geht hervor, dass die zeitgeordnete Funktion G0 (λ1 |λ2 ; τ ) die Überlagerung einer retardierten mit einer avancierten Funktion darstellt: A G0 (λ1 |λ2 ; τ ) = (1 + nλ1 )GR 0 (λ1 |λ2 ; τ ) − nλ1 G0 (λ1 |λ2 ; τ ) , (3.59) A wobei GR 0 und G0 durch GR 0 (λ1 |λ2 ; τ ) GA 0 (λ1 |λ2 ; τ ) = = δλ1 λ2 e−(ελ1 −µ)τ ϑ(τ − 0+ ) −δλ1 λ2 e−(ελ1 −µ)τ ϑ(−τ + 0+ ) A gegeben sind. Da GR 0 und G0 genau die Form einer retardierten bzw. avancierten Green’schen Funktion besitzen (allerdings versehen mit einem Zeitentwicklungsoperator e−(ελ −µ)τ in der imaginären Zeit), kann G0 (λ1 |λ2 ; τ ) als zeitgeordnete Green’sche Funktion identifiziert werden. Man überprüft leicht, A dass G0 , GR 0 und G0 alle die gewöhnliche Differentialgleichung ∂ + ελ1 − µ G(λ1 |λ2 ; τ ) = δλ1 λ2 δ(τ ) ∂τ erfüllen. Die jeweiligen Anfangsbedingungen sich selbstverständlich unterschiedlich. Aus der Einteilchenphysik ist bekannt, dass die Green’sche Funktion auch Information über die Zustandsdichte enthält. Es ist klar, dass, wenn Wechselwirkung vorliegt, die Zustandsdichte sich als Funktion der Wechselwirkungsstärke und der Temperatur ändern wird. Information über die Zustandsdichte (genauer: über die sog. Spektralfunktion) von wechselwirkenden Systemen erhält man aus der „vollen“ Green’schen Funktion φλ1 (τ1 )φ∗λ2 (τ2 ) ≡ G(λ1 τ1 |λ2 τ2 ), die eine direkte Verallgemeinerung der nicht-wechselwirkenden Green’schen Funktion darstellt. Hierbei stellt h· · · i den Ensemblemittelwert im wechselwirkenden System dar. Die volle Green’sche Funktion G(λ1 τ1 |λ2 τ2 ) hat in Operatordarstellung folgende Gestalt: iE D h (H)† (H) , G(λ1 τ1 |λ2 τ2 ) = T aλ1 (τ1 )aλ2 (τ2 ) (H) (H)† wobei aλ (τ ) und aλ (H) aλ (τ ) (H)† aλ (τ ) (τ ) nun Heisenberg-Operatoren im wechselwirkenden System darstellen: ) = eτ K aλ e−τ K K ≡ H − µN , = eτ K a†λ e−τ K und der Mittelwert h· · · i mit Hilfe des Dichteoperators Z −1 e−βK des wechselwirkenden Systems berechnet wird. Es ist leicht, zu zeigen, dass die volle Green’sche Funktion ebenfalls lediglich eine Funktion der relativen Zeit τ1 − τ2 ist. Auch die volle Green’sche Funktion ist periodisch (für Bosonen) als Funktion der imaginären Zeit τ und kann als Überlagerung von einer retardierten mit einer avancierten „vollen“ Green’schen Funktion geschrieben werden. Die Spektralfunktion folgt nun in der üblichen Weise nach einer Fourier-Transformation τ → z aus dem Imaginärteil der retardierten (oder avancierten) vollen Green’schen Funktion. 53 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE 3.8.3 Störungstheorie für das großkanonische Potential Der erste Schritt auf dem Weg zu einer störungstheoretischen Untersuchung von Vielteilchensystemen, der Versuch, die niedrigen Ordnungen der Störungsreihe (3.47) auszuwerten, scheitert noch, bevor man richtig angefangen hat. Schon aus den ersten Termen E D Rβ Z = e− 0 dτ V (τ ) ; V (τ ) ≡ V ({φ∗λ (τ ), φλ (τ )}) e−β(Ω−Ω0 ) = Z0 0 Z β Z β Z β = 1− dτ hV (τ )i0 + 12 dτ1 dτ2 hV (τ1 )V (τ2 )i0 + · · · (3.60) 0 0 0 ist klar, dass die Reihe im thermodynamischen Limes divergiert, da der n-te Term von der Ordnung [Systemgröße]n−1 ist. Dies muss auch so sein, da dasselbe Problem bei der Taylor-Entwicklung der Exponentialfunktion e−β(Ω−Ω0 ) auftritt. Gleichung (3.60) ist trotzdem wertvoll als Ausgangspunkt für eine Störungsentwicklung des großkanonischen Potentials: Ω − Ω0 1 Z ln β Z0 # " Z β Z β Z β 1 1 dτ1 dτ2 hV (τ1 )V (τ2 )i0 + · · · = − ln 1 − dτ hV (τ )i0 + 2 β 0 0 0 Z Z β Z β 1 β 1 = dτ hV (τ )i0 − dτ1 dτ2 [hV (τ1 )V (τ2 )i0 − hV (τ1 )i0 hV (τ2 )i0 ] β 0 2β 0 0 +··· . = − (3.61) Wir werden sehen, dass jeder Term in dieser neuen Entwicklung extensiv (proportional zur Systemgröße) ist. Beachten Sie, dass die 2. Ordnung der Störungsreihe (3.61), die auch als *"Z #2 + β 1 dτ (V (τ ) − hV (τ )i0 ) − 2β 0 0 geschrieben werden kann, das großkanonische Potential im Allgemeinen absenkt. Wir betrachten zunächst nur den ersten Term in (3.61), der der 1. Ordnung der Störungstheorie für bosonische Vielteilchensysteme entspricht: Z 1 β dτ hV (τ )i0 = hV (τ )i0 β 0 X = 12 (λµ|v|νρ) φ∗λ (τ )φ∗µ (τ )φρ (τ )φν (τ ) 0 λµνρ = 1 2 X (λµ|v|νρ) [(δλν gλ (0)) (δµρ gµ (0)) + (δλρ gλ (0)) (δµν gµ (0))] λµνρ = 1 2 X nλ nµ [(λµ|v|λµ) + (λµ|v|µλ)] . λµ Der erste Term im rechten Glied wird als direkter oder Hartree-Term, der zweite als Austausch- oder Fock -Term bezeichnet. Die 2. Ordnung der Störungsreihe für das großkanonische Potential für Bosonen folgt aus (3.61) als Z β Z β 1 dτ1 dτ2 [hV (τ1 )V (τ2 )i0 − hV (τ1 )i0 hV (τ2 )i0 ] − 2β 0 0 Z β Z β X 1 (λ1 µ1 |v|ν1 ρ1 )(λ2 µ2 |v|ν2 ρ2 ) dτ1 dτ2 = − 8β 0 0 λ1 µ1 ν1 ρ1 λ2 µ2 ν2 ρ2 × h φ∗λ1 (τ1 )φ∗µ1 (τ1 )φρ1 (τ1 )φν1 (τ1 )φ∗λ2 (τ2 )φ∗µ2 (τ2 )φρ2 (τ2 )φν2 (τ2 ) 0 i − φ∗λ1 φ∗µ1 φρ1 φν1 0 φ∗λ2 φ∗µ2 φρ2 φν2 0 . 54 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Der erste Term in [· · · ] erzeugt nach dem Wick’schen Theorem 4!=24 Terme, von denen 4 gegen den zweiten Term in [· · · ] wegfallen. Diese 4 Terme erhält man, indem man in ∗ φλ1 (τ1 )φ∗µ1 (τ1 )φρ1 (τ1 )φν1 (τ1 )φ∗λ2 (τ2 )φ∗µ2 (τ2 )φρ2 (τ2 )φν2 (τ2 ) 0 links (d. h. in V (τ1 )) bzw. rechts (in V (τ2 )) entweder die Hartree- oder die Fock-Variante wählt. Beachten Sie, dass V (τ1 ) und V (τ2 ) in diesen Termen nicht miteinander verbunden sind. Die übriggebliebenen 20 Terme können als Summen von verbundenen Diagrammen dargestellt werden. Tatsächlich können auch alle Beiträge zu den höheren Ordnungen der Störungstheorie diagrammatisch dargestellt werden. Die Struktur der beteiligten Diagramme und ihre genaue Bedeutung wird durch die Feynman-Regeln definiert. Diese Regeln besagen, dass man alle durch das Wick’sche Theorem erzeugten Beiträge zur n-ten Ordnung der Störungsreihe für wechselwirkende Bosonen erfasst, wenn man: 1. alle möglichen topologisch verschiedenen zusammenhängenden Diagramme aufschreibt, die aus n durch direkte Linien verbundenen Vertices bestehen, 2. für jede direkte Linie den Faktor δµρ gµ (τ2 − τ1 ) berücksichtigt, 3. für jeden Vertex den Faktor (λµ|v|νρ) berücksichtigt, 4. über alle Quantenzahlen {λℓ µℓ νℓ ρℓ } summiert und über alle Zeiten {τℓ } integriert, 5. das Ergebnis jedes einzelnen Diagramms mit dem Faktor (−1)n−1 /2n n!β multipliziert und über alle Diagramme der n-ten Ordnung summiert. Beachten Sie, dass in der Störungsentwicklung des großkanonischen Potentials laut der 1. FeynmanRegel tatsächlich nur zusammenhängende Diagramme auftreten. Es ist gerade diese Einschränkung, die gewährleistet, dass jede Ordnung der Störungstheorie für Ω − Ω0 extensiv ist. Dass die Diagramme in der Störungsentwicklung der Freien Energie alle zusammenhängend sind (d. h. nicht aus mehreren unverbundenen Teilen bestehen), basiert auf dem sogenannten linked-clusterTheorem. Dieses Theorem lässt sich wie folgt beweisen: Wir verallgemeinern zuerst den HamiltonOperator H = H0 + V , indem wir die Wechselwirkung mit einem Faktor λ ∈ [0, 1] versehen: Kλ ≡ H0 + λV − µN . Der allgemeine Ausdruck für die Zustandssumme lautet dann: Z(λ) = e−βΩ(λ) = Sp e−βKλ , so dass das großkanonische Potential die Differentialgleichung dΩ dλ = = 1∂ ln Sp e−βKλ β ∂λ Sp e−βKλ V ≡ hV iλ Sp (e−βKλ ) − erfüllt. Die formale Lösung lautet: Z 1 Ω − Ω0 = dλ hV iλ 0 D E Rβ Z 1 e−λ 0 dτ V (τ ) V (0) E 0 = dλ D Rβ −λ dτ V (τ ) 0 0 e (3.62) ; V (τ ) ≡ V ({φ∗λ (τ ), φλ (τ )}) . 0 Wir betrachten den Zähler des Integranden nun etwas genauer. Ein typisches Diagramm in n-ter Ordnung Störungstheorie enthält Vertices, die mit V (0) verbunden sind (ihre Anzahl sei v), und Vertices, die nicht mit V (0) verbunden sind (ihre Anzahl ist also u = n − v). 55 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE Da man die v verbundenen (oder die u unverbundenen) Vertices offensichtlich in n!/v!u! verschiedenen Weisen bestimmen kann, lässt der Zähler in (3.62) sich auch wie folgt schreiben: Z Z β ∞ D E R X (−λ)n β −λ 0β dτ V (τ ) e V (0) = dτ1 · · · dτn hV (τ1 ) . . . V (τn )V (0)i0 n! 0 0 0 n=0 ∞ X (−λ)v+u (v + u)! × (v + u)! v!u! v,u=0 Z β Z β Z β Z β × dτ1 · · · dτv dτv+1 · · · dτv+u hV (τ1 ) . . . V (τv )V (τv+1 ) . . . V (τv+u )V (0)i0 0 0 0 # "∞ 0 Z β X (−λ)v Z β c dτ1 · · · dτv hV (τ1 ) . . . V (τv )V (0)i0 × = v! 0 0 v=0 "∞ # Z β X (−λ)u Z β dτu hV (τ1 ) . . . V (τu )i0 dτ1 · · · u! 0 0 u=0 D Ec D R β E Rβ = e−λ 0 dτ V (τ ) V (0) . e− 0 dτ V (τ ) = 0 0 Beachten Sie, dass Mittelwerte mit dem Index c nur verbundene Diagramme enthalten. Einsetzen in (3.62) ergibt zunächst: Ω − Ω0 = Z 1 dλ 0 D e−λ R β 0 dτ V (τ ) Ec . V (0) 0 Dieses Ergebnis kann noch etwas vereinfacht werden, indem man die λ-Integration explizit ausführt: Z 1 Z Z β ∞ X (−λ)n β c Ω − Ω0 = dλ dτ1 · · · dτn hV (τ1 ) . . . V (τn )V (0)i0 n! 0 0 0 n=0 Z β ∞ n+1 Z β X (−λ) = − dτ1 · · · dτn hV (τ1 ) . . . V (τn )V (0)ic0 (n + 1)! 0 0 n=0 Z Z β ∞ β n+1 1 X (−λ) c = − dτ1 · · · dτn+1 hV (τ1 ) . . . V (τn+1 )i0 β n=0 (n + 1)! 0 0 1 D −λ R β dτ V (τ ) Ec c 0 e ; h1i0 ≡ 0 . (3.63) = − β 0 Im vorletzten Schritt wurde die Translationsinvarianz des (τ1 . . . τn )-Integrals als Funktion von τn+1 benutzt, die wieder auf der Periodizität der Green’schen Funktion in Abhängigkeit von τ beruht. Als abschließende Bemerkung sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Störungsreihe für wechselwirkende Vielteilchensysteme im Allgemeinen keine Taylor-Reihe, sondern eine asymptotische Reihe darstellt. Die Einschränkung „im Allgemeinen“ bedeutet, dass man nur in einigen (untypischen) Spezialfällen eine Störungsreihe mit endlichem Konvergenzradius erhält. Eher typisch ist das Verhalten der Zustandssumme eines klassischen anharmonischen Oszillators: Z Z √ Z 2 2 4 4 1 2 1 Z(λ) = dp dx e− 2 (p +x )−λx = 2π dx e− 2 x −λx = ∞ X n=0 an λn , (3.64) 56 3. EINFÜHRUNG IN DIE VIELTEILCHENTHEORIE wobei die Konstanten an durch √ Z (−1)n 2π ∞ 1 2 an = dx x4n e− 2 x n! −∞ √ Z 1 (−1)n 2π 2n+ 21 ∞ dy y 2n− 2 e−y (y = 12 x2 ) 2 = n! 0 1√ (−1)n 22n+ 2 2π Γ(2n + 21 ) = n! 2n , ist der Konvergenzradius von (3.64) offensichtlich gegeben sind. Da für n → ∞ gilt: Γ(2n+ 21 ) ∝ 2n e gleich Null. Dies macht aber die Störungsreihe (3.64) keineswegs wertlos: Man muss diese asymptotische Reihe lediglich als Z(λ) = N X n=0 an λn + O(λN +1 ) (λ → 0) (3.65) interpretieren. Da der Fehler von Ordnung λN +1 in (3.64) mit N schnell anwächst, hat es nur bedingt Sinn, viele Terme der Störungsreihe Z(λ) auszurechnen. Für eine Diskussion, ob und inwiefern man dennoch Information über das Verhalten der gesamten Störungsreihe erhalten kann (z. B. mit Hilfe der Borel-Resummierungstechnik oder der sogenannten Padé-Approximation), sei auf die Literatur, insbesondere auf Negele/Orland, Quantum Many-Particle Systems, verwiesen. 57 Kapitel 4 Das quantisierte Strahlungsfeld In diesem Abschnitt diskutieren wir das quantisierte Strahlungsfeld und seine Wechselwirkung mit nicht-relativistischer Materie. Um die Dynamik des quantisierten Strahlungsfeldes zu beschreiben, wenden wir die Methode der „kanonischen Quantisierung“ auf die klassischen Strahlungsfelder an, die bekanntlich von den Maxwell-Gleichungen beschrieben werden. Die wichtigsten Ergebnisse für klassische Strahlungsfelder werden zuerst kurz zusammengefasst. 4.1 Die Maxwell-Theorie Im Folgenden benötigen wir lediglich die Maxwell-Gleichungen „im Vakuum“. Dies will bekanntlich nicht heißen, dass der Raum überhaupt keine Materie enthält, sondern nur, dass das Strahlungsfeld sich vor oder nach der Wechselwirkung mit dieser Materie durch den „leeren“ Raum fortbewegt. (Die Worte „Vakuum“ und „leer“ werden später mehr „Inhalt“ bekommen.) Die inhomogenen Maxwell-Gleichungen lauten: ∇·E= 1 ρ ε0 ∇ × B − ε0 µ0 , ∂E = µ0 j , ∂t und die homogenen sind: ∇·B=0 , ∇×E+ ∂B =0. ∂t Die Gesamtladung ist in der Maxwell-Theorie automatisch erhalten, ∂ρ +∇·j=0, ∂t R ∂ denn Integration dieser Kontinuitätsgleichung liefert sofort: ∂t dx ρ(x, t) = 0. Die Maxwell-Gleichungen erhalten eine kompakte Form mit Hilfe der 4-Schreibweise (s. Anhang A). Führen wir wie üblich den 4-Strom j µ = (cρ, j) und den Feldtensor 0 −E1 −E2 −E3 E1 0 −cB3 cB2 F µν ≡ (µ, ν = 0, 1, 2, 3) E2 cB3 0 −cB1 E3 −cB2 cB1 0 ein, dann lauten die homogenen bzw. inhomogenen Maxwell-Gleichungen: ∂ λ F µν + ∂ µ F νλ + ∂ ν F λµ = 0 ∂µ F µν = µ0 cj ν 4. DAS QUANTISIERTE STRAHLUNGSFELD und die Kontinuitätsgleichung lautet: ∂µ j µ = 0. Die letzte Eigenschaft folgt sofort aus den inhomogenen Maxwell-Gleichungen unter Verwendung der Antisymmetrie von F µν . Führen wir noch den dualen Feldtensor F̃ µν ein, der ebenfalls antisymmetrisch ist: 0 −cB1 −cB2 −cB3 cB1 0 E3 −E2 , F̃ µν ≡ 12 εµνρσ Fρσ = cB2 −E3 0 E1 cB3 E2 −E1 0 dann kann man die homogenen Maxwell-Gleichungen noch kürzer wie folgt zusammenfassen: ∂µ F̃ µν = 0 Aufgrund der homogenen Maxwell-Gleichungen ist es möglich, den Feldtensor F µν aus einem 4-Potential Aµ = (Φ, cA) herzuleiten: F µν = ∂ µ Aν − ∂ ν Aµ , oder auch explizit: E = −∇Φ − ∂A ∂t ; B = ∇ × A. Durch die Einführung von Aµ sind die homogenen Maxwell-Gleichungen automatisch erfüllt; die inhomogenen Maxwell-Gleichungen lauten nun: Aµ − ∂ µ (∂ν Aν ) = 1 µ j . ε0 c Das 4-Potential erfüllt also eine inhomogene lineare partielle Differentialgleichung 2. Ordnung. 4.2 Eichungen und Eichtransformationen Das 4-Potential Aµ ist bekanntlich nur bis auf eine Eichtransformation der Form Aµ → õ ≡ Aµ + ∂ µ Λ definiert, denn Aµ und õ beschreiben denselben Feldtensor F µν und daher dieselben physikalischen Felder E und B. Man kann diese Eichfreiheit ausnutzen, um die Bestimmungsgleichungen für Aµ zu vereinfachen. Wir werden die zwei am häufigsten verwendeten Eichungen, die Lorentz- und die CoulombEichung, im Folgenden kurz diskutieren. Der wichtigste Vorteil der Lorentz-Eichung, ∂ν Aν = 0, ist ihre manifeste Lorentz-Invarianz. Die Bestimmungsgleichung für das 4-Potential reduziert sich in dieser Eichung auf: Aµ = 1 µ j . ε0 c Die Lorentz-Eichung lässt sich immer realisieren, denn wenn ∂ν Āν 6= 0 gilt, kann man immer eine Funktion χ und ein neues 4-Potential Aµ einführen: χ ≡ −∂µ Āµ , Aµ ≡ Āµ + ∂ µ χ, 59 4. DAS QUANTISIERTE STRAHLUNGSFELD so dass Aµ dieselben physikalischen Felder wie Āµ beschreibt und außerdem die Lorentz-Bedingung ∂µ Aµ = 0 erfüllt. Die Lorentz-Eichung legt das 4-Potential nicht eindeutig fest, da auch das alternative Potential õ = Aµ + ∂ µ Λ ; Λ = 0 die gleichen physikalischen Felder beschreibt und die Lorentz-Bedingung erfüllt. Das 4-Potential ist in der Lorentz-Eichung also bis auf eine Lösung der Wellengleichung bestimmt. Die Coulomb-Eichung oder Transversalitätsbedingung, ∇ · A(x, t) = 0, hat den großen Vorteil, dass sie sich im k-Raum bei einer Fourier-Entwicklung des Vektorpotentials leicht implementieren lässt: k · A(k, t) = 0. Auch die Coulomb-Eichung lässt sich immer realisieren, denn sollte in einem gewissen Raumbereich ∇ · Ā 6= 0 sein, kann man die Funktion Z c dx′ χ(x, t) ≡ − (∇ · Ā)(x′ , t) 4π |x − x′ | definieren und ein neues 4-Potential Aµ ≡ Āµ + ∂ µ χ definieren. Diese Eichtransformation lässt die physikalischen Felder invariant und hat außerdem als Konsequenz, dass die Transversalitätsbedingung für Aµ erfüllt ist, ∇ · A = 0, und dass die nullte Komponente A0 durch ∆A0 = − 1 ρ(x, t) ε0 gegeben ist. Fordern wir zusätzlich, dass Aµ (x, t) → 0 für |x| → ∞, dann ist A0 vollständig durch ρ(x, t) bestimmt, Z 1 ρ(x′ , t) A0 (x, t) = Φ(x, t) = , dx′ 4πε0 |x − x′ | und hat die Form eines instantanen Coulomb-Potentials. Auch A(x, t) ist bei dieser Randbedingung eindeutig festgelegt. Zur Quantisierung des Strahlungsfeldes werden wir die Coulomb- und nicht die Lorentz-Eichung verwenden. Beide Eichungen können grundsätzlich zur Quantisierung verwendet werden und führen selbstverständlich zu denselben physikalischen Ergebnissen. Während jedoch die Coulomb-Eichung k · A(k, t) = 0 sofort auf zwei physikalische transversale Photonen mit Polarisationsvektoren ⊥k führt, führt die Lorentz-Eichung auf vier Photonen: zwei transversale, ein longitudinales (mit Polarisationsvektor k k) und ein skalares. Die beiden letzten Photonen sind unphysikalisch in dem Sinne, dass sie keinen Beitrag zu physikalischen Ergebnissen, also z. B. zur Energie- oder zur Impulsdichte des Strahlungsfeldes, liefern; außerdem ist die Metrik des entsprechenden photonischen Fock-Raums nicht definit, so dass man insgesamt einen hohen Preis für die manifeste Kovarianz der Theorie zahlen muss. Die Lorentz-Eichung wurde von Bleuler und Gupta zur Quantisierung des Strahlungsfeldes verwendet. Die Quantisierung mit Hilfe der Coulomb-Eichung basiert auf Arbeiten von Fermi. 4.3 Materie in Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld Wir betrachten die Lagrange-Funktion für nicht-relativistische Materie in Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld. In vielen Problemen in der Atomphysik, der Physik der Kondensierten Materie, der Kernphysik oder der Atmosphärischen Physik können relativistische Korrekturen vernachlässigt werden. Die Theorie relativistischer Materie in Wechselwirkung mit dem Strahlungsfeld wird in den nachfolgenden Kapiteln diskutiert. 60 4. DAS QUANTISIERTE STRAHLUNGSFELD Die allgemeine Struktur der Lagrange-Funktion ist im nicht-relativistischen Fall gegeben durch: Z L = LM + dx (LS + LWW ), wobei die einzelnen Terme durch N X LM = 2 1 2 mi ẋi i=1 − 41 ε0 Fµν F µν − 1c jµ Aµ LS = LWW = definiert sind. Sowohl die Teilchen als auch das Strahlungsfeld R werden zunächst klassisch behandelt; ihre Quantisierung folgt später. Der Beitrag LM in L = LM + dx (LS + LWW ) beschreibt die Materiefreiheitsgrade, die Lagrange-Dichte LS beschreibt das Strahlungsfeld und LWW stellt die Wechselwirkung zwischen den materiellen und elektromagnetischen Komponenten dar. Mit Hilfe der Ladungs- und Stromdichten N X ρ(x, t) = i=1 qi δ (x − xi (t)) ; j(x, t) = N X i=1 qi ẋi (t) δ (x − xi (t)) kann man den Wechselwirkungsterm in der Lagrange-Funktion auch explizit hinschreiben: Z Z Z LWW = dx LWW = − 1c dx jµ Aµ = dx (j · A − ρΦ) = N X i=1 qi [ẋi · A (xi (t), t) − Φ (xi (t), t)] . Um die entsprechende Hamilton-Funktion bestimmen zu können, benötigen wir noch die kanonisch zu x und Aρ konjugierten Impulse. Der kanonische Impuls der geladenen Teilchen folgt als: pi = ∂L = mi ẋi + qi A(xi , t) , ∂ ẋi so dass die Geschwindigkeit des i-ten Teilchens gemäß ẋi = knüpft ist. Der kanonische Impuls zu Aρ (x, t) ist: Z δ ∂LS δL = dx LS = πρ = δ(∂ 0 Aρ ) δ(∂ 0 Aρ ) ∂(∂ 0 Aρ ) ∂ [(∂µ Aν − ∂ν Aµ ) (∂ µ Aν − ∂ ν Aµ )] = − 41 ε0 ∂(∂ 0 Aρ ) ∂ = − 41 ε0 2 (∂0 Aν − ∂ν A0 ) ∂ 0 Aν − ∂ ν A0 0 ρ ∂(∂ A ) 1 = − 2 ε0 [2 (∂0 Aρ − ∂ρ A0 )] = −ε0 F0ρ . 1 mi Wir können nun die Hamilton-Funktion bestimmen: H= N X i=1 = pi · ẋi + N X i=1 Z dx πρ (x, t)∂ 0 Aρ (x, t) − L pi · ẋi − LM − LWW ≡ HM+WW + HS ! + Z dx πρ ∂ 0 Aρ − LS [pi − qi A(xi , t)] mit dem Impuls ver- 61 4. DAS QUANTISIERTE STRAHLUNGSFELD mit HM+WW N X 1 1 pi · = [pi − qi A(xi , t)] − [pi − qi A(xi , t)]2 m 2m i i i=1 1 −qi [pi − qi A(xi , t)] · A(xi , t) − Φ(xi , t) mi N X qi qi2 p2i 2 − pi · A(xi , t) + A(xi , t) + qi Φ(xi , t) = 2mi mi 2mi i=1 N X 1 = [pi − qi A(xi , t)]2 + qi Φ(xi , t) 2mi i=1 und Z dx −ε0 F0ρ ∂ 0 Aρ + 14 ε0 (−2) E2 − c2 B2 Z = ε0 dx −F0ρ (F 0ρ + ∂ ρ A0 ) − 12 (E2 − c2 B2 ) Z = ε0 dx 21 (E2 + c2 B2 ) + E · ∇Φ Z 1 = ε0 dx 12 (E2 + c2 B2 ) + ∇ · (EΦ) − ρΦ ε0 Z 1 = dx 2 ε0 (E2 + c2 B2 ) − ρΦ . HS = Nun kann man E aufgrund des Helmholtz’schen Satzes immer als Summe eines rotations- und divergenzfreien Anteils schreiben: E = Ek + E⊥ , ∇ × Ek = 0 ∇ · E⊥ = 0 . , Konkret gilt aufgrund der verwendeten Coulomb-Eichung, ∇ · A = 0: Ek = −∇Φ , E⊥ = − ∂A , ∂t R so dass das Integral dx E2 in HS wie folgt umgeschrieben werden kann: Z Z 2 dx E = dx E2⊥ − 2(∇Φ) · E⊥ + ∇Φ · ∇Φ Z = dx E2⊥ + 2Φ(∇ · E⊥ ) + ∇ · (Φ∇Φ) − Φ∆Φ Z 1 = dx E2⊥ + ρΦ . ε0 Es folgt, dass der Beitrag des Strahlungsfelds zur Hamilton-Funktion durch Z Z 2 2 2 1 1 HS = 2 ε0 dx (E⊥ + c B ) − 2 dx ρΦ = 1 2 ε0 Z dx (E2⊥ + c2 B2 ) − gegeben ist. Insgesamt erhält man also: N X 1 [pi − qi A(xi , t)]2 + H= 2m i i=1 1 2 1 2 N X (4.1) qi Φ(xi , t) i=1 N X i=1 qi Φ(xi , t) + 12 ε0 Z dx " ∂A ∂t 2 + c2 (∇ × A) 2 # . 62 4. DAS QUANTISIERTE STRAHLUNGSFELD Hier ist auch Φ(x, t) explizit bekannt: 1 Φ(x, t) = 4πε0 Z dx′ N qj ρ(x′ , t) 1 X = , |x − x′ | 4πε0 j=1 |x − xj | so dass man für die Summe in Gleichung 4.1 findet: 1 2 N X i=1 qi Φ(xi , t) = N X 1 X qi qj Si . + 8πε0 |xi − xj | i=1 i6=j q2 1 i Die „Selbstenergie“-Beiträge Si = 8πε der Teilchen sind formal divergent, was lediglich zeigt, · |xi −x 0 i| dass die klassische Mechanik (oder auch die nicht-relativistische Quantenmechanik) nicht imstande ist, die Selbstwechselwirkung des geladenen Teilchens zu beschreiben. Diese Selbst-Wechselwirkung kann erst im Rahmen der Quantenelektrodynamik zufriedenstellend behandelt werden. Da man aus Erfahrung weiß, dass geladene Teilchen eine sehr endliche „Selbstenergie“ besitzen, ist es sinnvoll, Si durch eine endliche Konstante zu ersetzen: N X i=1 Si → endliche Konstante . Abgesehen von dieser (physikalisch wirkungslosen) Konstanten, die wir im Folgenden durch eine geeignete Wahl des Energienullpunkts gleich Null setzen, erhält man also die Hamilton-Funktion: " # 2 Z N X 1 ∂A 1 X qi qj 2 2 2 1 H= + c (∇ × A) . [pi − qi A(xi , t)] + + ε0 dx 2mi 8πε0 |xi − xj | 2 ∂t i=1 i6=j In der Coulomb-Eichung ∇ · A = 0 enthält die Hamilton-Funktion also lediglich die Koordinaten und Impulse der Teilchen ({xi , pi }) und die räumlichen Komponenten des 4-Potentials (also den 3Vektor A). Das skalare Potential Φ tritt nicht als zusätzliche (unabhängige) dynamische Variable auf. Die gerade hergeleitete Form der Hamilton-Funktion wird der Startpunkt für die Quantisierung des Strahlungsfeldes sein. 4.4 Quantisierung Die Quantisierung der Teilchenfreiheitsgrade {xi , pi } kann nun mit Hilfe der wohlbekannten Vorschrift: [x̂iα , x̂iβ ]− = 0 , [p̂iα , p̂jβ ]− = 0 , [x̂iα , p̂jβ ]− = i~δij δαβ erfolgen. Die Quantisierung des Strahlungsfeldes ist weniger offensichtlich, u.a. wegen der Eichung ∇ · A = 0, die die möglichen Feldkonfigurationen des Vektorpotentials erheblich einschränkt. Es ist a priori unklar, was man in einer Quantentheorie für die Kommutatoren h i Âα (x, t), Âβ (x′ , t′ ) = . . . ? − h i ′ ′ Âα (x, t), Ê⊥β (x , t ) = . . . ? − h i ′ ′ B̂α (x, t), Ê⊥β (x , t ) = . . . ? − ansetzen soll. Um diese Frage zu klären, benötigen wir eine Darstellung, in der die Zwangsbedingung ∇·A = 0 automatisch berücksichtigt wird. Zu diesem Zwecke ist eine Fourier-Transformation bezüglich der Ortskoordinaten naheliegend, da die Transversalitätsbedingung im k-Raum, k · A(k, t) = 0, viel leichter als im Ortsraum implementiert werden kann. 63 4. DAS QUANTISIERTE STRAHLUNGSFELD Startpunkt des Quantisierungsverfahrens ist die Hamilton-Funktion für das Strahlungsfeld ohne äußere Quellen (d. h. mit ρ = 0 und j = 0): " # 2 Z ∂A 2 2 1 HS = 2 ε0 dx + c (∇ × A) . ∂t Hierbei erfüllt das Vektorpotential A die homogenen Gleichungen A = 0 ; ∇·A=0 wegen ρ = 0 und j = 0. Damit die im Folgenden auftretenden Integrale und Summen wohldefiniert sind, nehmen wir an, dass das Vektorpotential A periodische Randbedingungen in einem kubusförmigen Volumen V = L3 erfüllt. Die allgemeine Lösung der Wellengleichung A = 0 hat dann in der CoulombEichung ∇ · A = 0 die Form: A(x, t) = Hierbei ist: r 2 µ0 X X ckα (t)eik·x + c∗kα (t)e−ik·x ε(kα) . V α=1 k ckα (t) ≡ ckα (0)e−iωk t ; ωk ≡ c|k| und ε(kl) = εlmn ε(km) × ε(kn) ; ε(k3) ≡ k/k = k̂ . Die ε(k1) , ε(k2) , ε(k3) formen also für jeden Wellenvektor k ein rechtshändiges Orthonormalsystem, wobei die Polarisationsvektoren ε(k1) und ε(k2) die Transversalitätsbedingung ε(k1) ⊥k und ε(k2) ⊥k erfüllen. Wir führen noch die Konvention ε(−k,1) = ε(k2) und daher auch ε(−k,2) = ε(k1) ein. Eine alternative, kompakte, aber ansonsten nicht besonders hilfreiche Schreibweise ist: r i µ µ µ0 X h A(x, t) = ckα (0)e−ikµ x + c∗kα (0)eikµ x ε(kα) , V kα wobei k µ ≡ (ωk /c, k) definiert wurde. Zur Berechnung der Energie des Strahlungsfeldes benötigen wir: )2 ( 2 Z Z X (kα) ε0 µ0 ∂A ik·x ∗ −ik·x 1 = dx . ε (−iωk ) ckα (t)e − ckα (t) e dx 2 ε0 ∂t 2V kα Das rechte Glied kann als doppelte k-Summe geschrieben werden; die auftretenden Integrale über den Ortsraum reduzieren sich hierbei sofort auf Kronecker-Deltas. Man erhält: Z h X 1 (k1 α1 ) (k2 α2 ) ε · ε ω ω − dx ck1 α1 ck2 α2 ei(k1 +k2 )·x + c∗k1 α1 c∗k2 α2 e−i(k1 +k2 )·x k1 k2 2V c2 k1 k2 α1 α2 i −ck1 α1 c∗k2 α2 ei(k1 −k2 )·x − c∗k1 α1 ck2 α2 e−i(k1 −k2 )·x X 1 =− 2 ωk1 ωk2 ε(k1 α1 ) · ε(k2 α2 ) ck1 α1 ck2 α2 + c∗k1 α1 c∗k2 α2 δk1 ,−k2 2c k1 k2 α1 α2 − ck1 α1 c∗k2 α2 + c∗k1 α1 ck2 α2 δk1 k2 " # (kα1 ) (−kα2 ) X 1 X 2 X ∗ ∗ ∗ ∗ ckα1 c−kα2 + ckα1 c−k,α2 ε ·ε − ck1 α1 ck2 α2 + ck1 α1 ck2 α2 δα1 α2 . ωk =− 2 2c α α kα1 2 2 64 4. DAS QUANTISIERTE STRAHLUNGSFELD Wegen unserer Konvention ε−k,1 = εk2 folgt nun: 1 2 ε0 Z dx ∂A ∂t 2 =− 1 X 2 ωk ckα c−kᾱ + c∗kα c∗−kᾱ − 2|ckα |2 , 2c2 kα wobei ᾱ ≡ 3 − α (d. h. 1̄ = 2 und 2̄ = 1) definiert wurde. Außerdem benötigen wir: 1 2 ε0 Z ε0 µ0 c2 dx c (∇ × A) = 2V 2 2 Z dx ( X kα ickα e ik·x − ic∗kα e−ik·x k×ε (kα) )2 . Wir schreiben das rechte Glied wieder als Doppelsumme um und führen die Ortsintegrationen aus: Z h X 1 dx ck1 α1 ck2 α2 ei(k1 +k2 )·x k1 k2 ε(k1 3) × ε(k1 α1 ) · ε(k2 3) × ε(k2 α2 ) − 2V k1 k2 α1 α2 i +c∗k1 α1 c∗k2 α2 e−i(k1 +k2 )·x − ck1 α1 c∗k2 α2 ei(k1 −k2 )·x − c∗k1 α1 ck2 α2 e−i(k1 −k2 )·x X = − 12 k1 k2 ε(k1 3) × ε(k1 α1 ) · ε(k2 3) × ε(k2 α2 ) k1 k2 α1 α2 ck1 α1 ck2 α2 + c∗k1 α1 c∗k2 α2 δk1 , −k2 − ck1 α1 c∗k2 α2 + c∗k1 α1 ck2 α2 δk1 k2 " X X 2 1 ckα1 c−kα2 + c∗kα1 c∗−kα2 ε(k3) × ε(kα1 ) · ε(k3) × ε(−k,α2 ) k =2 × kα1 α2 + X ckα1 c∗kα2 + c∗kα1 ckα2 δα1 α2 α2 # . Wegen unserer Konvention ε(−k,1) = ε(k2) gilt die Relation ε(k3) × ε(kα1 ) × ε(k3) × ε(−kα2 ) = ε(k3) × ε(kα1 ) × ε(k3) × ε(kα2 ) = δα1 α2 so dass wir für den Beitrag des Magnetfelds zu HS den folgenden Ausdruck finden: Z X 2 2 1 1 k 2 ckα c−kᾱ + c∗kα c∗−kᾱ + 2|ckα |2 . ε dx c (∇ × A) = 0 2 2 kα Insgesamt erhält man also: X ω2 ω2 HS = 21 ckα c−kᾱ + c∗kα c∗−kᾱ + k 2 + 2k 2|ckα |2 k 2 − 2k c c kα 2 X 2 2 X′ 2 = 2 ωk |ckα |2 = 2 ωk |ckα |2 . c c kα kα Zu beachten ist, dass der Beitrag für k = 0 verschwindet, so dass dieser Term von der Summe ausgeschlossen werden kann: X X′ X → ≡ . k k k6=0 Um das gerade hergeleitete Ergebnis für HS besser interpretieren zu können, führen wir die Größen Qkα und Pkα ein, die im Wesentlichen dem Real- bzw. Imaginärteil von ckα entsprechen: √ iωk Mk 1 (ckα + c∗kα ) ; Pkα ≡ − (ckα − c∗kα ) Qkα ≡ √ c c Mk 65 4. DAS QUANTISIERTE STRAHLUNGSFELD mit Mk ≡ ~ωk . c2 Da 2 Pkα + 1 M ω 2 Q2 = 2Mk 2 k k kα 1 2 − ω2 ωk2 ω2 ωk2 ∗ 2 ∗ 2 = k2 4 ckα c∗kα = 2 2k |ckα |2 (c − c ) + (c + c ) kα kα kα kα 2 2 c c 2c c gilt, folgt: HS = X′ P 2 kα kα 2Mk + 2 2 1 2 Mk ωk Qkα , was also bedeutet, dass das Strahlungsfeld als Ansammlung von ungekoppelten harmonischen Oszillatoren anzusehen ist. Es sei noch darauf hingewiesen, dass √ Mk ∂HS 2 (−iωk) (ckα + c∗kα ) = −Mk ωk2 Qkα = − Ṗkα = c ∂Qkα und Pkα (−iωk ) ∂HS (ckα − c∗kα ) = Q̇kα = √ = , M ∂P c Mk k kα so dass (Qkα , Pkα) kanonisch konjugierte Variablen sind. Die Quantisierung des Strahlungsfeldes ist nun einfach. Man ersetze: Qkα → Q̂kα ; Pkα → P̂kα mit i h =0 Q̂kα , Q̂k′ α′ − und ; i h =0 P̂kα , P̂k′ α′ − i h = i~ δkk′ δαα′ . Q̂kα , P̂k′ α′ − In dieser Weise werden die komplexen Fourier-Koeffizienten (c, c∗ ) durch Operatoren (ĉ, ĉ† ) ersetzt: c √ Mk ωk Q̂kα + iP̂kα ckα (t) → ĉkα (t) = 2ωk Mk c † ∗ √ ckα (t) → ĉkα (t) = Mk ωk Q̂kα − iP̂kα , 2ωk Mk die die folgenden Vertauschungsrelationen erfüllen: i h i h ĉkα , ĉk′ α′ = 0 = ĉ†kα , ĉ†k′ α′ − Führen wir also noch ein: r 1 2ωk ĉ ; âkα ≡ c ~ kα − 1 = c ; i h c2 ~ ĉkα , ĉ†k′ α′ = δ ′δ ′ . 2ωk kk αα r 2ωk † ĉ , c kα dann erfüllen die Operatoren âkα , â†kα die üblichen bosonischen Vertauschungsrelationen: â†kα i i h h âkα , âk′ α′ = 0 = â†kα , â†k′ α′ − − ; i h âkα , â†k′ α′ = δkk′ δαα′ . 66 4. DAS QUANTISIERTE STRAHLUNGSFELD Wir können alle vorherigen Ergebnisse für bosonische Vielteilchenzustände ohne weiteres übernehmen. Insbesondere ist der allgemeine Vielphotonzustand durch den entsprechenden Ausdruck in der Besetzungszahldarstellung gegeben: nkα † Y âkα {nkα } = 0 √ nkα ! kα Hierbei ist |0i das „Vakuum“, der Zustand ohne photonische Anregungen. Zusammenfassend wird das Vektorpotential A(x, t) in der Quantentheorie also ersetzt durch den Feldoperator: r r i µ0 X′ ~ h c âkα (t)eik·x + â†kα (t)e−ik·x ε(kα) Â(x, t) = V 2ωk kα wobei 4.5 2 d dt2 âkα (t) = −ωk2 âkα (t) gilt. Der Hamilton-Operator und der Impuls des Strahlungsfeldes Der Hamilton-Operator folgt nun direkt aus der Darstellung ! X′ P̂ 2 2 2 kα + 21 Mk ωk Q̂kα ĤS = 2Mk kα und der Beziehung zwischen (P̂kα , Q̂kα) und (âkα , â†kα ): r ~ âkα + â†kα Q̂kα = 2Mk ωk r ~ωk Mk P̂kα = −i âkα − â†kα 2 als: 2 X′ 1 ~ωMk ~ − (âkα − â†kα )2 + 21 Mk ωk2 âkα + â†kα 2Mk 2 2Mk ωk kα X′ ~ωk 2 2 − âkα − â†kα + âkα + â†kα = 4 kα X′ X′ † † 1 ~ωk n̂kα + 12 . = 2 ~ωk âkα âkα + âkα âkα = ĤS = kα kα Hierbei ist zu beachten, dass der Beitrag E0 ≡ P′ 1 kα 2 ~ωk der Nullpunktschwingungen formal divergent ist, und dass nur die Anregungen des Strahlungsfeldes: X′ ∆ĤS = ĤS − E0 = ~ωk n̂kα kα physikalisch beobachtbar sind. Nur wenn E0 selbst eine gewisse Parameterabhängigkeit hat (wie z. B. beim Casimir-Effekt, s. später), können die Nullpunktsbeiträge zu messbaren Konsequenzen führen. Der Impuls des Strahlungsfeldes ist gegeben durch: [s. z. B. Messiah, § 21.3.7] ! Z Z ∂ Â × ∇ × Â P̂S = ε0 dx Ê⊥ × B̂ = ε0 dx − ∂t 67 4. DAS QUANTISIERTE STRAHLUNGSFELD Einsetzen des Feldoperators Â(x, t) liefert: " # Z X′ √ ε0 µ0 c2 ~ † (kα) ik·x −ik·x dx × ε i ωk âkα e P̂S = − âkα e 2V kα # " X′ i . â eik·x − â†kα e−ik·x k × ε(kα) √ ωk kα kα Wir schreiben das Produkt wieder als Doppelsumme und führen die Ortsintegrationen aus: r Z h ~ X′ ωk1 (k1 α1 ) P̂S = − ε × k2 × ε(k2 α2 ) dx âk1 α1 âk2 α2 ei(k1 +k2 )·x + 2V ωk2 k1 k2 α1 α2 i +â†k1 α1 â†k2 α2 e−i(k1 +k2 )·x − âk1 α1 â†k2 α2 ei(k1 −k2 )·x − â†k1 α1 âk2 α2 e−i(k1 −k2 )·x h X′ r ωk 1 (k1 α1 ) âk1 α1 âk2 α2 + â†k1 α1 â†k2 α2 δk1 ,−k2 = − 21 ~ ε × k2 × ε(k2 α2 ) ωk2 k1 k2 α1 α2 i − âk1 α1 â†k2 α2 + â†k1 α1 âk2 α2 δk1 k2 " X′ X 1 = −2~ âkα â−kα2 + â†kα â†−kα2 ε(kα) × (−k) × ε(−kα2 ) kα α2 − X α2 âkα â†kα2 + â†kα âkα2 ε (kα) × k×ε (kα2 ) # . Wir verwenden die Konvention ε(−k,1) = ε(k2) und die Multiplikationsregeln ε(kℓ) = εℓmn ε(km) × ε(kn) der Polarisationsvektoren: i X′ h P̂S = 21 ~ âkα â−kᾱ + â†kα â†−kᾱ + âkα â†kα + â†kα âkα ε(kα) × (k × ε(kα) ) kα = 1 2~ X′ h kα i âkα â−kᾱ + â†kα â†−kᾱ + âkα â†kα + â†kα âkα k . Die ersten beiden Terme in der k-Summe sind antisymmetrisch in k und daher gleich Null, so dass wir insgesamt das folgende einfache Ergebnis für den Impuls des Strahlungsfeldes finden: X′ P̂S = 21 ~ k âkα â†kα + â†kα âkα kα =~ X′ kα k n̂kα + 1 2 =~ X′ k n̂kα . kα Es sei noch hinzugefügt, dass der Hamilton-Operator ĤS und der Impulsoperator des Strahlungsfeldes P̂S nur von n̂kα = â†kα (t)âkα (t) = â†kα (0)âkα (0) abhängig und somit zeitunabhängig sind. Diese Operatoren sind daher Erhaltungsgrößen. Wir fügen die folgenden Bemerkungen hinzu: 1. Die Photonenmasse ist gleich Null. Dies folgt direkt daraus, dass die Energie und der Impuls einer Mode des elektromagnetischen Feldes durch ~c|k| bzw. ~k gegeben sind: i i 1 h 1 h 2 2 2 2 2 (Masse) = 4 (Energie) − (Impuls) c2 = 4 (~ c|k|) − (~k) c2 = 0 . c c 2. Das Photon hat Spin gleich Eins. Dies folgt bereits aus der Tatsache, dass ε(kα) , der Polarisationsvektor, unter Drehungen als ein Vektor (d. h. gemäß einer dreidimensionalen Darstellung der Drehgruppe) transformiert wird. 68 4. DAS QUANTISIERTE STRAHLUNGSFELD 3. Die diskutierte Darstellung in Termen von (âkα , â†kα ) und ε(kα) beschreibt linear polarisierte Photonen. Eine äquivalente Darstellung, die zirkular polarisiertes Licht beschreibt, erhält man mit Hilfe der kanonischen Transformation: ẑkσ ≡ − √σ2 âk1 + iσâk2 (σ = ±) . ẑ † = − √σ ↠− iσ↠kσ k1 2 k2 Man überprüft leicht, dass i h i h † ẑkσ , ẑk′ σ′ = 0 = ẑkσ , ẑk† ′ σ′ − h ; − ẑkσ , ẑk† ′ σ′ i − = δkk′ δσσ′ gilt. Definieren wir noch die zirkularen Polarisationsvektoren η (kσ) durch: σ η (kσ) ≡ − √ ε(k1) + iσε(k2) (σ = ±) , 2 dann folgt aus: X † ẑkσ η (kσ) = 1 2 σ = X σ 1 2 â†k1 − iσâ†k2 ε(k1) + iσε(k2) i Xh † âk1 ε(k1) + â†k2 ε(k2) + iσ â†k1 ε(k2) − â†k2 ε(k1) σ X â†kα ε(kα) = â†k1 ε(k1) + â†k2 ε(k2) = α und X σ ∗ ẑkσ η (kσ) = − X ẑkσ η (k,−σ) = σ X âkα ε(kα) α direkt die zirkulare Polarisierungsdarstellung: r r i ∗ µ0 X′ ~ h † η (kσ) e−ik·x . ẑkσ η (kσ) eik·x + ẑkσ Â(x, t) = c V 2ωk kσ † Hierbei erzeugt ẑkσ ein zirkular polarisiertes Photon, dessen 3-Komponente des Spins gleich σ~ ist. 4.6 Das Strahlungsfeld im Vakuum Das Vakuum |0i wurde vorher eingeführt als der Zustand ohne photonische Anregungen: âkα |0i = 0 (∀ kα) . Man erwartet daher intuitiv, dass Erwartungswerte, wie z. B. die des elektrischen Feldes r r i h ∂  µ0 X′ ~ Ê⊥ = − c (iωk ) âkα eik·x − â†kα e−ik·x ε(kα) = ∂t V 2ωk kα im Vakuum gleich Null sind. Tatsächlich findet man: r q i h µ0 X′ c 12 ~ωk h0|âkα |0ieik·x − h0|â†kα |0ie−ik·x ε(kα) = 0 . h0|Ê⊥ |0i = i V kα 69 4. DAS QUANTISIERTE STRAHLUNGSFELD Berechnen wir nun die Fluktuationen des elektrischen Feldes im Punkte x zur Zeit t: ( n o1 µ0 X ′ 1 2 √ 2 (k1 α1 ) (k2 α2 ) ω h0|Ê⊥ (x, t) · Ê⊥ (x, t)|0i = − ~c ε · ε ω k k 2 1 V kk 2 1 2 α1 α2 )1 2 i ih h † † −ik2 ·x ik2 ·x −ik1 ·x ik1 ·x |0i − âk2 α2 e âk2 α2 e − âk1 α1 e ×h0| âk1 α1 e 1 2 µ0 1 2 X ′ √ † i(k1 −k2 )·x (k1 α1 ) (k2 α2 ) ωk1 ωk2 ε h0| −âk1 α1 âk2 α2 |0ie ·ε = − 2 ~c V k k 1 2 α1 α2 = ( µ0 ~c2 X′ ωk 2V kα )1 2 = √ ∞=∞. Die lokale Feldstärke im Punkt (x, t) unterliegt also unendlich starken Nullpunktsfluktuationen, da alle Moden einzeln und ungekoppelt hierzu beitragen. Physikalisch ist die Feldstärke, genau im Punkt (x, t), natürlich völlig irrelevant. Da man nicht beliebig genau messen kann, sind bestenfalls räumliche Mittelwerte der Form Z 2 2 1 (b) Ê⊥ (x, t) ≡ dy e−(y−x) /2b Ê⊥ (y, t) (2πb2 )3/2 physikalisch relevant. O.B.d.A. konzentrieren wir uns auf die Berechnung der Nullpunktsfluktuationen im Punkte x = 0: (b) (b) Ê⊥ (t) ≡ Ê⊥ (0, t) r r Z i h y2 1 µ0 X′ ~ † − 2b2 ik·y −ik·y ε(kα) = c (iω ) â e − â e dy e k kα kα V 2ωk (2πb2 )3/2 kα r q 1 2 2 µ0 X′ c 12 ~ωk âkα − â†kα e− 2 b k ε(kα) . =i V kα Nun folgt: n o1 µ0 ~c2 X ′ √ 2 (b) (b) ωk1 ωk2 ε(k1 α1 ) · ε(k2 α2 ) = − h0|Ê⊥ (t) · Ê⊥ (t)|0i 2V k k 1 2 α1 α2 1 2 † − 12 b2 (k1 2 +k2 2 ) ×h0| −âk1 α1 âk2 α2 |0ie = ( 2 2 µ0 ~c2 X′ ωk e−b k 2V = µ0 ~c3 (2π)3 b4 kα Z dq |q|e )1 −q2 2 = 1 2 µ0 ~c2 (2π)3 Z µ0 ~c3 = (2π)2 b4 dk ωk e 1 2 = −b2 k2 1 2 p ~c/ε0 2πb2 Man sieht also, dass die Vakuumfluktuationen des elektrischen Feldes sehr stark ansteigen mit der Genauigkeit der Messung, nämlich proportional b−2 . 70 Kapitel 5 Die Klein-Gordon-Gleichung Bereits Mitte der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts gab es Versuche, eine relativistische Quantentheorie zu formulieren. Insbesondere wurde 1926 von Schrödinger und von Klein und Gordon die sogenannte Klein-Gordon-Gleichung als naheliegende Verallgemeinerung der nicht-relativistischen Schrödinger-Gleichung hingeschrieben: 1 ∂2φ = (∆ − µ2 )φ ; c2 ∂t2 µ= m0 c –−1 =λ Compton . ~ Die Klein-Gordon-Gleichung ist offensichtlich relativistisch invariant, da sie geschrieben werden kann als 0= 1 ∂2φ − ∆φ + µ2 φ = ∂ν ∂ ν + µ2 φ . c2 ∂t2 Die Gleichung wurde jedoch bald verworfen, weil sie nicht imstande war, die relativistischen Aspekte des Wasserstoffspektrums (insbesondere Sommerfelds Feinstrukturformeln) zu erklären. Außerdem führt die Klein-Gordon-Gleichung imR Gegensatz zur Schrödinger-Gleichung nicht auf eine erhaltene strikt positive Gesamtwahrscheinlichkeit dx |φ(x, t)|2 . Stattdessen kann die im Rahmen der Klein-Gordon-Gleichung erhaltene Dichte sowohl positiv als auch negativ sein. Die physikalische Relevanz dieser Gleichung war folglich anfangs völlig unklar. Jetzt weiß man, dass die Klein-Gordon-Gleichung die Dynamik bosonischer Teilchen mit Spin S = 0 beschreibt. Man unterscheidet: • ungeladene Bosonen (z. B. π 0 -Mesonen): Diese werden von reellen Lösungen der Klein-GordonGleichung beschrieben. • geladene Bosonen (π + /π − -Mesonen; ein anderes Beispiel sind K0 /K̄0 -Mesonen, die zwar elektrisch neutral sind, dafür aber eine „Hyperladung“ besitzen): Diese werden durch komplexe Lösungen der Klein-Gordon-Gleichung beschrieben. 5.1 Herleitung der Klein-Gordon-Gleichung aus dem Korrespondenz-Prinzip Die Schrödinger-Gleichung der nicht-relativistischen Quantenmechanik kann bekanntlich mit Hilfe des Korrespondenzprinzips: E → i~ ∂ ∂t , p→ ~ ∇ i aus dem nicht-relativistischen Energieausdruck E= 2 1 2m p + V (x) 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG hergeleitet werden: i ∂ψ h ~2 = − 2m ∆ + V (x) ψ . i~ ∂t Wir versuchen nun, mit Hilfe dieses Prinzips eine relativistische Wellengleichung zu konstruieren. Versuch 1: Direkte Anwendung des Prinzips auf den relativistischen Ausdruck für die Energie, q E = p2 c2 + m20 c4 liefert: ∂φ = i~ ∂t q −~2 c2 ∆ + m20 c4 φ . Das rechte Glied soll hierbei im Sinne einer Reihenentwicklung interpretiert werden: r 2 ∂φ 2 i~ = m0 c 1 − m~0 c ∆ φ ∂t "∞ ℓ # 1 X 1 2 2 φ − 2∆ = m0 c ℓ µ ℓ=0 " ℓ # ∞ X (2ℓ − 3)!! ∆ 1 2 φ = m0 c 1 − 2 ∆ − 2µ ℓ! 2µ2 ℓ=2 " # 2 2 ~ ∆ = m 0 c2 − ∆ − 81 m0 c2 + ... φ . 2m0 µ2 Diese Form der relativistischen Wellengleichung hat einige offensichtliche Nachteile: • Zeit und Ort treten unsymmetrisch auf; in einer relativistischen Theorie ist dies natürlich äußerst unerwünscht. • Das Auftreten höherer Ableitungen, also ∆ℓ (ℓ = 2, 3, . . . ), stellt strenge Anforderungen an die Glattheit der Funktion φ (ohne offensichtliche physikalische Notwendigkeit). • Die höheren Ableitungen ∆ℓ verhindern, dass die Gleichung als REuler-Lagrange-Gleichung eines Variationsprinzips mit einer Lagrange-Funktion der Form L = dx L (φ, ∂t φ, ∂x φ) interpretiert werden kann. Man möchte dieses Variationsprinzip, einen der Pfeiler der theoretischen Physik, nicht ohne weiteres aufgeben. Versuch 2: Aus diesen Gründen wendet man das Korrespondenzprinzip auf E 2 = p2 c2 + m20 c4 an und findet 2 ∂ i~ φ = −~2 c2 ∆ + m20 c4 φ ∂t bzw. 1 ∂2 φ = (∆ − µ2 )φ c2 ∂t2 ; µ= m0 c , ~ d. h. die bereits vorher erwähnte Form der Klein-Gordon-Gleichung. Als Spezialfall betrachten wir die Klein-Gordon-Gleichung in einem Kasten (Volumen V = L3 ) mit periodischen Randbedingungen, die als vollständigen Satz von Lösungen die ebenen Wellen p 1 (±) e±i(k·x−ωk t) ; ωk ≡ c k2 + µ2 ϕk = √ V γk 72 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG 3 hat. Hierbei gilt wie üblich k = 2π L n mit n ∈ Z . Der Normierungsfaktor γk bleibt zunächst unbestimmt (±) und wird später durch die Forderung festgelegt werden, dass die Ladung der ebenen Welle ϕk durch ±1 (+) gegeben ist. Zu beachten ist, dass die Klein-Gordon-Gleichung Lösungen ϕk ∝ e−iωk t mit positiven (−) und Lösungen ϕk ∝ eiωk t = e−i(−ωk )t mit negativen Frequenzen besitzt, wobei ωk beliebig groß sein kann. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Schrödinger-Gleichung, deren Lösungen immer die Zeitabhängigkeit e−iEn t/~ besitzen, wobei En ≥ E0 nach unten begrenzt ist. 5.2 Herleitung aus dem Variationsprinzip Die in dieser Weise erhaltene Standardform der Klein-Gordon-Gleichung kann tatsächlich aus dem Prinzip der kleinsten Wirkung hergeleitet werden. Wir unterscheiden reelle und komplexe Felder: 5.2.1 Das reelle Klein-Gordon-Feld Die Lagrange-Dichte für ungeladene, massive S = 0-Teilchen lautet: " # 2 2 ~2 ~2 1 ∂φ ∂φ 2 2 L= − − µ φ = (∂ν φ∂ ν φ − µ2 φ2 ) . 2m0 c2 ∂t ∂x 2m0 Die Euler-Lagrange-Gleichung hat in diesem Fall die Form der Klein-Gordon-Gleichung: ∂ ∂L ∂L ∂L ∂ + − · 0= ∂t ∂(∂t φ) ∂x ∂(∂x φ) ∂φ ∂ ~2 1 ∂ ∂φ ∂φ 2 − − −µ φ · = m0 c2 ∂t ∂t ∂x ∂x ~2 1 ∂ 2 φ = − ∆ − µ2 φ . 2 2 m0 c ∂t Der zu φ(x, t) konjugierte Impuls ist: π(x, t) = ∂L ~2 ∂φ = (x, t) . ∂(∂t φ) m0 c2 ∂t Zu beachten ist,R dass φ und π die Dimensionen m−3/2 bzw. [Drehimpuls] × m−3/2 haben müssen, damit z. B. L = dx L die Dimension einer Energie hat. Die Hamilton-Dichte ist nun gegeben durch: " # 2 2 2 ~2 ~2 ∂φ 1 ∂φ ∂φ H = π∂t φ − L = − − − µ2 φ2 m0 c2 ∂t 2m0 c2 ∂t ∂x # " 2 2 1 ∂φ ∂φ ~2 2 2 + +µ φ , = 2m0 c2 ∂t ∂x und die Hamilton-Funktion ist: # " 2 Z Z 2 ~2 ∂φ 1 ∂φ 2 2 H = dx H = + +µ φ . dx 2 2m0 c ∂t ∂x Zu beachten ist, dass die Energie H und die Energiedichte H nicht-negativ sind. 5.2.2 Das komplexe Klein-Gordon-Feld Für geladene Bosonen startet man von ~2 1 ∂φ∗ ∂φ ∂φ∗ ∂φ ~2 2 ∗ (∂ν φ∗ ∂ ν φ − µ2 φ∗ φ) − · − µ φ φ = L= 2 2m0 c ∂t ∂t ∂x ∂x 2m0 73 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG und findet die Euler-Lagrange-Gleichung: ∂ ∂ ∂L ∂L ~2 1 ∂2φ ∂L 2 0= + − = − (∆ − µ ) φ , · ∂t ∂(∂t φ∗ ) ∂x ∂(∂x φ∗ ) ∂φ∗ 2m0 c2 ∂t2 die also wiederum die Form der Klein-Gordon-Gleichung hat. Nun ist der konjugierte Impuls durch π= ∂L ~2 ∂φ∗ = ∂(∂t φ) 2m0 c2 ∂t ; π∗ = ∂L ~2 ∂φ = , ∗ ∂(∂t φ ) 2m0 c2 ∂t gegeben, und die Hamilton-Dichte lautet: Hφ = π(∂t φ) + (∂t φ∗ )π ∗ − L ~2 ∂φ∗ ∂φ ~2 1 ∂φ∗ ∂φ ∂φ∗ ∂φ 2 ∗ = − − · − µ φ φ m0 c2 ∂t ∂t 2m0 c2 ∂t ∂t ∂x ∂x ~2 1 ∂φ∗ ∂φ ∂φ∗ ∂φ 2 ∗ = + · + µ φ φ . 2m0 c2 ∂t ∂t ∂x ∂x Man erhält die Hamilton-Funktion durch eine Integration über den ganzen Raum: Z Hφ = dx Hφ . Wiederum sind die Energie und Energiedichte also nicht-negativ. 5.3 Kontinuitätsgleichung für die 4-Stromdichte Um aus der Klein-Gordon-Gleichung ein Erhaltungsgesetz herzuleiten, bilden wir die Differenz 0 = φ∗ (∂ν ∂ ν + µ2 )φ − φ(∂ν ∂ ν + µ2 )φ∗ = (φ∗ ∂ν ∂ ν φ − φ∂ν ∂ ν φ∗ ) = ∂ν (φ∗ ∂ ν φ − φ∂ ν φ∗ ) . Ein Vergleich mit der Kontinuitätsgleichung, die aus der Schrödinger-Gleichung folgt: ∂̺ +∇·j=0 , ∂t ̺ = ψ∗ ψ , j= ~ (ψ ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ ) , 2m0 i −~ : motiviert den Multiplikationsfaktor 2m 0i i~ ~ ∂φ∗ ∂ ∗ ∂φ ∗ ∗ +∇· φ −φ (φ ∇φ − φ∇φ ) . 0= ∂t 2m0 c2 ∂t ∂t 2m0 i Wir erhalten also die Kontinuitätsgleichung ∂̺ + ∇ · j = ∂ν j ν = 0 oder auch ∂t mit j ν = (c̺, j) und i~ ∂φ∗ ∗ ∂φ ̺= φ −φ 2m0 c2 ∂t ∂t ; d dt j= Z dx ̺(x, t) = 0 (5.1) ~ (φ∗ ∇φ − φ∇φ∗ ) . 2m0 i Die Wahrscheinlichkeitsstromdichte hat daher dieselbe Form wie im nicht-relativistischen Fall. Da die Lösung der Klein-Gordon-Gleichung, einer Differentialgleichung 2. Ordnung, zwei unabhängige Anfangswerte erfordert [z. B. φ(x, 0) und ∂φ ∂t (x, 0)], kann ̺ im Allgemeinen positiv oder negativ sein. Für jede Lösung φ der Klein-Gordon-Gleichung mit positivemR̺ gibt es eine assoziierte Lösung (nämlich φ∗ ) mit negativem ̺. Ähnliches gilt für die Erhaltungsgröße dx ̺(x, t), die ebenfalls positiv R oder negativ sein kann. Folglich kann ̺ nicht die Interpretation einer Wahrscheinlichkeitsdichte und dx ̺(x, t) nicht diejenige einer Wahrscheinlichkeit haben. Wir werden im Folgenden sehen, dass ̺ (oder genauer q̺, falls q bzw. −q die Ladung R der betrachteten Teilchen und Antiteilchen darstellt) einer Ladungswahrscheinlichkeitsdichte und dx q̺(x, t) der Gesamtladung des Wellenpakets φ(x, t) entspricht. Zu beachten ist, dass die Kontinuitätsgleichung und das Erhaltungsgesetz (5.1) für ungeladene Teilchen (also für reelle Felder) ihre Bedeutung verlieren, da dann ̺ = 0 bzw. j = 0 gilt. 74 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG 5.4 Kontinuitätsgleichung für den Energie-Impuls-Tensor Neben der Ladungserhaltung, die auch allgemein (d. h. in Anwesenheit eines Strahlungsfeldes) gelten sollte, erwartet man zumindest für freie Klein-Gordon-Teilchen auch Energie- und Impulserhaltung. In der speziellen Relativitätstheorie sind die Energie- und Impulsdichten eines klassischen Feldes erstens aneinander und zweitens an ihre jeweiligen Stromdichten gekoppelt. Die Energie und der Impuls eines Feldes werden somit durch einen Tensor 2. Stufe beschrieben, der für eine Lagrange-Dichte der Form L = L(φ, φ∗ , ∂µ φ, ∂µ φ∗ ) die Form T µν ≡ ∂L ∂L (∂ ν φ) + (∂ ν φ∗ ) − g µν L ∂(∂µ φ) ∂(∂µ φ∗ ) hat. Man kann diesen sogenannten Energie-Impuls-Tensor bei Bedarf aus einem entsprechenden NoetherTheorem herleiten. Wir zeigen im Folgenden, dass T µν für jedes ν = 0, 1, 2, 3 eine Kontinuitätsgleichung R der Form ∂µ T µν = 0 erfüllt und dass die entsprechenden Erhaltungsgrößen P ν ≡ 1c dx T 0ν als die Energie und der Impuls des Klein-Gordon-Feldes interpretiert werden können. Für Lagrange-Dichten der Form L(φ, φ∗ , ∂µ φ, ∂µ φ∗ ) folgt die Kontinuitätsgleichung ∂µ T µν = 0 sofort aus ∂L ∂L ∂L ∂L µν ν ν ∂µ T = ∂µ (∂ φ) + (∂ ν φ∗ ) + (∂µ ∂ φ) + ∂µ (∂µ ∂ ν φ∗ ) − ∂ ν L ∂(∂µ φ) ∂(∂µ φ) ∂(∂µ φ∗ ) ∂(∂µ φ∗ ) ∂L ∂L ∂L ν ∗ ∂L ν (∂ φ ) + (∂ φ) + (∂ ν ∂µ φ) + (∂ ν ∂µ φ∗ ) − ∂ ν L = 0 , = ∂φ ∂(∂µ φ) ∂φ∗ ∂(∂µ φ∗ ) h i ∂L wobei im zweiten Schritt die Euler-Lagrange-Gleichung ∂L − ∂ µ ∂φ ∂(∂µ φ) = 0 verwendet wurde. Als µν Konsequenz der Kontinuitätsgleichung ∂µ T = 0 für den Energie-Impuls-Tensor findet man durch R Integration über einen 4-dimensionalen Zeit-Raumbereich [t1 , t2 ] × D mit P ν = 1c dx T 0ν für den Spezialfall D = R3 : Z Z t2 Z Z ct2 dxi T iν = c [P ν (t2 ) − P ν (t1 )] , dt ∂t P ν + dx0 dx ∂µ T µν = c 0= ct1 ∂D t1 D dP ν dt =0. so dass der 4-Vektor P (t) erhalten ist: Da die nullte Komponente dieses 4-Vektors, Z Z P 0 (t) = 1c dx T 00 = 1c dx π(∂ 0 φ) + (∂ 0 φ∗ )π ∗ − L = ν 1 c Z dx Hφ = 1c Hφ , offensichtlich die Energie (dividiert durch c) und somit die nullte Komponente des 4-Impulses des Klein-Gordon-Teilchens darstellt, ist klar, dass der 4-Vektor P ν insgesamt den 4-Impuls darstellt. Die räumlichen Komponenten des 4-Vektors P ν , d. h. die Komponenten des 3-Impulses des Klein-GordonFeldes, sind also durch Z Z ∂L ∂L i i i ∗ 0i 1 1 P = c dx T = c dx (5.2) (∂ φ) + (∂ φ ) ∂(∂0 φ) ∂(∂0 φ∗ ) gegeben. Die bisherigen Ergebnisse gelten für geladene Bosonen (d. h. für komplexe φ-Felder). Für ungeladene bosonische Teilchen (φ ∈ R) findet man ausgehend von T µν = ∂L (∂ ν φ) − g µν L ∂(∂µ φ) (φ ∈ R) die Erhaltungsgrößen Z ∂L (∂ 0 φ) − L = Hφ P 0 = 1c dx ∂(∂0 φ) , Pi = 1 c Z dx ∂L (∂ i φ) , ∂(∂0 φ) die zusammen wiederum den 4-Impuls des Klein-Gordon-Feldes darstellen. 75 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG 5.5 Normierung der Basisfunktionen In diesem Abschnitt bestimmen wir die Normierung der Basisfunktionen (λ) ϕk (x, t) = √ 1 eλi(k·x−ωk t) V γk λ=± , , ωk = c p k2 + µ2 , k= 2π n (n ∈ Z3 ) , L die bekanntlich einen vollständigen Satz von Lösungen der freien Klein-Gordon-Gleichung mit periodischen Randbedingungen darstellen. Wir legen den Normierungsfaktor γk durch die Forderung fest, R (λ) dass die Ladung Qkλ = dx ̺kλ der Mode ϕk gleich λ und somit betragsmäßig gleich Eins ist. Die Energie und der Impuls dieser Mode folgen dann automatisch als ~ωk und ~k. Da die Wellenfunktionen (+) (−) ϕk und ϕk also die gleiche Energie und den gleichen Impuls, jedoch entgegengesetzte Ladungen haben, folgern wir, dass diese Wellenfunktionen ein Teilchen und sein Antiteilchen darstellen, beide mit gleicher Energie und gleichem Impuls. R (λ) Zuerst zeigen wir mit Hilfe von dx |ϕk |2 = γ1k , dass Qkλ = λ gilt, falls man γk ≡ m~ω0 ck2 wählt: Qkλ = = Z dx ̺kλ i~ = 2m0 c2 Z dx " (λ)∗ ϕk (λ) ∂ϕk ∂t (λ)∗ ∂ϕk − ∂t (λ) ϕk # i~ 1 ~ωk (−2iλωk ) =λ = λ. 2 2m0 c γk m0 c2 γk Hiermit liegt der Normierungsfaktor γk fest. Für diesen Wert von γk überprüft man leicht, dass die R (λ) Feldenergie Hφ = dx Hφ der Wellenfunktion ϕk durch ~ωk und der entsprechende Feldimpuls P i durch ~k gegeben sind. Als Verallgemeinerung betrachten wir nun eine beliebige Lösung φ der freien Klein-Gordon-Gleichung mit periodischen Randbedingungen, die also als Überlagerung von Basisfunktionen dargestellt werden kann: X (λ) φ(x, t) = akλ ϕk (x, t) . kλ Im Folgenden wird mehrmals das Ergebnis Z 1 i(λ′ −λ)ωk t (λ′ )∗ (λ) e δλk,λ′ k′ dx ϕk′ ϕk = γk verwendet. Für die Gesamtladung des Wellenpakets φ(x, t) findet man nun: Z Z i~ ∂φ∗ ∗ ∂φ Q = dx ̺ = − φ dx φ 2m0 c2 ∂t ∂t X i~ 1 i(λ′ −λ)ωk t e δλk,λk′ = a∗k′ λ′ akλ [−i(λ′ + λ)ωk ] 2 2m0 c γk kλk′ λ′ X X ~ωk 2 λ|a | = λ |akλ |2 , = kλ m0 c2 γk kλ kλ so dass die Gesamtladung durch die Überlagerung der Einzelladungen der Basisfunktionen mit den Gewichtsfaktoren |akλ |2 gegeben ist. Für die Energie des Wellenpakets findet man: Z Z 1 ∂φ∗ ∂φ ∂φ∗ ∂φ ~2 2 ∗ + · +µ φ φ dx 2 Hφ = dx Hφ = 2m0 c ∂t ∂t ∂x ∂x ′ 1 ~2 X ∗ ω2 = ak′ λ′ akλ 2k (λλ′ + 1) ei(λ −λ)ωk t δλk,λ′ k′ 2m0 c γ k ′ ′ kλk λ X X ~2 ω 2 2 k |a | = ~ωk |akλ |2 = kλ m0 c2 γk kλ kλ 76 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG und für den Feldimpuls: Z 1 ∂L ∂L P=− (∇φ) + (∇φ∗ ) dx c ∂(∂0 φ) ∂(∂0 φ∗ ) Z ~2 ∂φ∗ ∂φ ∂φ∗ ∂φ =− + dx 2m0 c2 ∂t ∂x ∂x ∂t 2 X 1 i(λ′ −λ)ωk t ~ e δλk,λ′ k′ a∗k′ λ′ akλ [−ωk λk(λ′ + λ)] =− 2 2m0 c γk kλk′ λ′ X X ~ωk 2 ~k |a | = ~k |akλ |2 , = kλ m0 c2 γk kλ kλ so dass auch diese beiden Größen durch die Überlagerung der Einzelenergien bzw. -impulse mit den Gewichtsfaktoren |akλ |2 gegeben sind. Man sieht, dass die Ladungskonjugation (+) ↔ (−), d. h. die Ersetzung von φ durch X (λ) φ′ (x, t) ≡ a∗k,−λ ϕk = φ∗ (x, t) , kλ das Vorzeichen der Ladung aber nicht die Energie oder den Impuls des Wellenpakets ändert. Bei der Ladungskonjugation werden Teilchen und Antiteilchen miteinander vertauscht. 5.6 Ankopplung an das Strahlungsfeld Gemäß dem Prinzip der minimalen Kopplung erhält man in Anwesenheit eines Strahlungsfeldes Aν = (Φ, cA) bzw. Aν = (Φ, −cA): # " 2 2 ∂ ∂ h E → i~ ∂t − qΦ 2 2 4 i~ − qΦ ∇ − qA + m0 c φ φ= c p → ~i ∇ − qA ∂t i oder in manifest relativistisch invarianter Form: " # 2 2 1 ∂ iq iq m0 c 2 0 = φ + Φ − ∇− A + c2 ∂t ~ ~ ~ # " 2 X 2 3 iq iq ∂ ∂ 2 + A0 − + Aℓ + µ φ = ∂x0 ~c ∂xℓ ~c ℓ=1 iq iq ν ν 2 = ∂ν + Aν ∂ + A +µ φ. ~c ~c (5.3) Die Bedingung der minimalen Kopplung kann auch geschrieben werden als q iq oder: pν = i~ ∂ν → pν − Aν . ∂ν → ∂ν + Aν ~c c Die manifest Lorentz-invariante Wellengleichung (5.3) stellt die Bewegungsgleichung für ein geladenes relativistisches S = 0-Boson im Strahlungsfeld dar. 5.7 Äquivalente Form mit Hilfe eines Hamilton-Operators Wir versuchen nun, die Klein-Gordon-Gleichung auf die Form einer Differentialgleichung 1. Ordnung in der Zeit, also analog zur Schrödinger-Gleichung: i~ ∂ψ ∂t = Ĥψ , zu bringen. Eine alternative Formulierung mit Hilfe eines Hamilton-Operators hätte viele Vorteile.1 Zum Beispiel könnte man die allgemeine 1 Die in diesem Abschnitt vorgestellte Hamilton-Form der Klein-Gordon-Gleichung basiert auf einer Arbeit von H. Feshbach und F. Villars (Rev. Mod. Phys. 30, 24 (1958)). 77 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG Lösung für beliebige Anfangsbedingungen sofort mit Hilfe des Zeitentwicklungsoperators hinschreiben. Außerdem ist es in der Hamilton-Form sehr einfach, eine Verallgemeinerung der Klein-Gordon-Gleichung für Vielteilchensysteme und eine entsprechende Vielteilchentheorie (relativistische Quantenfeldtheorie) zu formulieren. Auch die Entwicklung der Klein-Gordon-Gleichung um den nicht-relativistischen Limes mit Hilfe einer Foldy-Wouthuysen-Transformation ist sehr einfach in der Hamilton-Form. Um eine solche Hamilton-Formulierung zu konstruieren, führen wir ein: ψ1 i~ i~ 1 φ̇ , ψ ≡ φ̇ . ; ψ1 ≡ 12 φ + ψ= φ − 2 2 m 0 c2 m 0 c2 ψ2 Es folgt: ∂ψ1 i~ i~ 2 1 1 i~ φ̈ = 2 i~ φ̇ + (∆φ − µ φ) = 2 i~ φ̇ + ∂t m 0 c2 m0 m c 2 ~2 0 ∆(ψ1 + ψ2 ) − (ψ1 + ψ2 ) + 12 m0 c2 (ψ1 − ψ2 ) =− 2m0 ~ ~2 ∆(ψ1 + ψ2 ) + m0 c2 ψ1 =− 2m0 und analog: −i~ ∂ψ2 i~ (∆φ − µ2 φ) = − 21 i~ φ̇ − ∂t m0 2 ~ =− ∆(ψ1 + ψ2 ) + 12 m0 c2 [(ψ1 + ψ2 ) − (ψ1 − ψ2 )] 2m0 ~2 =− ∆(ψ1 + ψ2 ) + m0 c2 ψ2 . 2m0 Anders formuliert: ∂ ~2 1 1 i~σ3 ψ = − ∆ + m0 c2 ψ ≡ Ĥψ . ∂t 2m0 1 1 (5.4) Die Verallgemeinerung dieser Hamilton-Form auf N -Teilchen-Systeme ist sehr einfach: " ℓ−1 # " N # N X O O ∂ΨN i~ = 11k ⊗ σ3 Ĥ ⊗ 11k ΨN , ∂t ℓ=1 k=1 k=ℓ+1 wobei die bosonische N -Teilchen-Wellenfunktion ΨN symmetrisch unter Vertauschung der Koordinaten zweier Teilchen sein soll. Die Bewegungsgleichung (5.4) kann, ähnlich wie die Klein-Gordon-Gleichung selbst, aus einem Variationsprinzip hergeleitet werden. Die entsprechende Lagrange-Dichte ist: 3 ~2 X ∂ψ ∗ 1 1 ∂ψ ∂ψ ∂ψ ∗ ∗ 1 − m 0 c2 ψ ∗ ψ , − σ3 ψ − L = 2 i~ ψ σ3 ∂t ∂t 2m0 ∂xℓ 1 1 ∂xℓ ℓ=1 denn diese führt auf die Euler-Lagrange-Gleichung: 3 ~2 1 1 X ∂ ∂ ∂ψ 0= − 21 i~σ3 ψ − − −m0 c2 ψ + ∂t 2m0 1 1 ∂xℓ ∂xℓ ℓ=1 ∂ψ ~2 1 1 = −i~σ3 ∆ψ + m0 c2 ψ . − ∂t 2m0 1 1 Der kanonisch zu ψ konjugierte Impuls ist: π= ∂L = ∂(∂t ψ) 1 2 i~ψ ∗ σ3 , π ∗ = − 21 i~σ3 ψ , 1 2 i~σ3 ∂ψ ∂t 78 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG und die Hamilton-Dichte ist: Hψ = π(∂t ψ) + (∂t ψ ∗ )π ∗ − L i~ [ψ ∗ σ3 (∂t ψ) − (∂t ψ ∗ )σ3 ψ] − L 3 ~2 X ∂ψ ∗ 1 1 ∂ψ = + m 0 c2 ψ ∗ ψ . 2m0 ∂xℓ 1 1 ∂xℓ = 1 2 ℓ=1 Die Hamilton-Funktion ist schließlich gegeben durch: Z Z ~2 1 1 ∗ 2 Hψ = dx Hψ = dx ψ − ∆ + m0 c ψ 2m0 1 1 Z = dx ψ ∗ Ĥψ = hĤiψ . Es gibt einen einfachen Zusammenhang zwischen der Energie Hφ in der ursprünglichen Klein-GordonGleichung und Hψ in der alternativen Formulierung, nämlich Hφ = Hψ . 5.8 Erhaltungsgesetz und Kontinuitätsgleichung der Hamilton-Formulierung der Klein-Gordon-Gleichung gibt es eine erhaltene Größe Q = RAuch in dx ψ ∗ σ3 ψ : ∗ Z Z ∂ψ d ∂ψ dQ ∗ ∗ = σ3 ψ + ψ σ3 dx ψ σ3 ψ = dx dt dt ∂t ∂t Z i h i = dx σ3 Ĥψ ∗ σ3 ψ − ψ ∗ σ3 σ3 Ĥψ ~ Z i = dx ψ ∗ (Ĥσ32 − σ32 Ĥ)ψ = 0 . ~ Die entsprechende Dichte ist genau gleich der für die ursprüngliche Klein-Gordon-Gleichung bestimmten Dichte: i~ i~ φ̇|2 − 41 |φ − φ̇|2 ρ = ψ ∗ σ3 ψ = |ψ1 |2 − |ψ2 |2 = 41 |φ + m 0 c2 m 0 c2 i i~ h ∗ i~ ∗ ∗ ∗ = (φ∗ φ̇ − φ̇∗ φ) . (φ φ̇ − φ̇ φ) − ( φ̇ φ − φ φ̇) = 2 4m0 c 2m0 c2 Die Kontinuitätsgleichung in der alternativen Formulierung lautet: i ∂ρ i h σ3 Ĥψ ∗ σ3 ψ − ψ ∗ σ3 (σ3 Ĥψ) = ∂t ~ i i h Ĥψ ∗ ψ − ψ ∗ Ĥψ = ~ i −~2 1 1 1 1 = ∆ψ ∆ψ ∗ ψ − ψ ∗ 1 1 ~ 2m0 1 1 1 1 1 1 i~ ∆ψ ψ − ψ∗ ∆ψ ∗ =− 1 1 2m0 1 1 i~ 1 1 1 1 = −∇ · ∇ψ , (∇ψ ∗ ) ψ − ψ∗ 2m0 1 1 1 1 so dass die entsprechende Stromdichte durch 1 1 i~ ∗ ∗ 1 1 (∇ψ ) (∇ψ) ψ−ψ j(x, t) = 2m0 1 1 1 1 1 1 1 1 ~ ∇ψ − (∇ψ ∗ ) ψ ψ∗ = 1 1 1 1 2m0 i 79 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG gegeben ist. Die Form der Ladungsdichte ρ und diejenige der Stromdichte j sind einfache Verallgemeinerungen der entsprechenden nicht-relativistischen Ausdrücke. Außerdem ist j(x, t) genau gleich der für die ursprüngliche Formulierung der Klein-Gordon-Gleichung hergeleiteten Stromdichte. 5.9 Impuls des Klein-Gordon-Feldes Der 3-Impulsvektor ist durch die räumlichen Komponenten des 4-Impulses in (5.2) gegeben: Z 1 ∂L ∂L P=− (∇ψ) + (∇ψ ∗ ) dx c ∂(∂0 ψ) ∂(∂0 ψ ∗ ) Z 1 = − i~ dx [ψ ∗ σ3 (∇ψ) − (∇ψ ∗ )σ3 ψ] 2 Z ~ dx ψ ∗ σ3 ∇ψ = hσ3 p̂iψ = i Zusammenfassend stellen wir also fest, dass die physikalischen Größen Energie, Ladung und Impuls in der Hamilton-Formulierung der Klein-Gordon-Theorie durch die Mittelwerte hĤiψ , hσ3 iψ und hσ3 p̂iψ der hermiteschen Operatoren Ĥ, σ3 und σ3 p̂ gegeben sind. Diese Resultate sind vollkommen analog zu den entsprechenden Ergebnissen der nicht-relativistischen Schrödinger-Theorie. 5.10 Freie Lösungen der Hamilton-Form Auch in der Hamilton-Formulierung haben die „freien“ Lösungen (ohne Wechselwirkung mit z. B. einem elektromagnetischen Feld) natürlich wieder die Form von ebenen Wellen mit positiven (λ = +) oder negativen (λ = −) Frequenzen: (λ) ψk = 1 2 (1 1 2 (1 + λγk ) (λ) ϕ − λγk ) k (λ = ±) , (λ) wobei {ϕk } die Eigenfunktionen der „freien“ Klein-Gordon-Gleichung sind: (λ) ϕk (x, t) = √ 1 eλi(k·x−ωk t) V γk ; ωk = c und außerdem definiert wurde: γk ≡ p k2 + µ2 ; k= 2π n (n ∈ Z3 ) L ~ωk . m 0 c2 Man überprüft leicht, dass 2 2 ~2 1 1 ~ k 1 1 (λ) (λ) (λ) 2 2 Ĥψk = − ∆ + m0 c ψk = + m0 c ψk 2m0 1 1 2m0 1 1 " 1 # (1 + λγ ) ~2 (ωk2 − c2 µ2 ) 1 k (λ) + m0 c2 12 = ϕk 2m0 c2 1 (1 − λγ ) k 2 und daher wegen ~ωk = m0 c2 γk : " 1 # 1 (m0 c2 γk )2 − m20 c4 1 (λ) (λ) (λ) 2 2 2 (1 + λγk ) 2 (1 + λγk ) ϕk = λm0 c γk ϕk + m0 c 1 Ĥψk = 1 2m0 c2 1 (1 − λγ ) (1 − λγ ) − k k 2 2 (λ) (λ) = λm0 c2 γk σ3 ψk = λ~ωk σ3 ψk = i~σ3 ∂ (λ) ψ ∂t k 80 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG (λ) (λ) gilt, so dass ψk die Klein-Gordon-Gleichung erfüllt. Außerdem erfüllt ψk die periodischen Randbe(λ) dingungen. Der Satz von Eigenfunktionen {ψk } ist vollständig und wie folgt normiert: Z h iZ (λ)∗ (λ) (λ) 2 2 1 1 Qkλ = hσ3 iψ(λ) = dx ψk σ3 ψk = 4 (1 + λγk ) − 4 (1 − λγk ) dx |ϕk (x, t)|2 = λ . (5.5) k Das Vorzeichen der „Normierung“ kann also positiv oder negativ sein, was der Interpretation von (λ)∗ (λ) (λ) ψk σ3 ψk als Ladungswahrscheinlichkeitsdichte entspricht. Für die Energie des Zustands ψk findet man: Z D E (λ)∗ (λ) Hψ(λ) = Ĥ (λ) = dx ψk λ ~ ωk σ3 ψk k ψk Z (λ)∗ (λ) = λ ~ ωk dx ψk σ3 ψk = ~ ωk > 0 , und der Impuls ist durch P = hσ3 p̂iψ(λ) = ~i hσ3 λikiψ(λ) = λ~khσ3 iψ(λ) = ~k k k k gegeben. Sowohl für Lösungen mit positiven Frequenzen als auch für solche mit negativen Frequenzen ist die Energie also eindeutig positiv. Als Verallgemeinerung von (5.5) findet man die Orthonormalitätsrelation: Z Z (λ)∗ (λ′ ) (λ)∗ (λ′ ) dx ψk σ3 ψk′ = 41 [(1 + λ γk ) (1 + λ′ γk′ ) − (1 − λ γk ) (1 − λ′ γk′ )] dx ϕk ϕk′ = ′ λ + λ′ δλk,λ′ k′ ei(λωk −λ ωk′ ) t = λ δλλ′ δkk′ . 2 In Bra-Ket-Darstellung gilt also die Orthonormalitätsrelation: E D (λ) (λ′ ) = λ δλλ′ δkk′ . ψk |σ3 |ψk′ Man erhält allgemeine Lösungen der freien Klein-Gordon-Gleichung durch Überlagerung von ebenen Wellen: X (λ) |ψi = akλ |ψk i . kλ Die Gesamtladung dieser allgemeinen Wellenfunktion ist erhalten: E X D X (λ) (λ′ ) = λ |akλ |2 = Konstant . a∗kλ ak′ λ′ ψk |σ3 | ψk′ hψ|σ3 |ψi = kk′ λλ′ kλ Der Zeitentwicklungsoperator erhält die Form: X i (λ) (λ) U (t|t0 ) = e− ~ σ3 H(t−t0 ) = λ|ψk (t0 )ie−iλωk (t−t0 ) hψk (t0 )|σ3 kλ denn es gilt: (λ) U (t|t0 )|ψk (t0 )i = X k′ λ′ (λ′ ) ′ λ′ |ψk′ (t0 )ie−iλ ωk′ (t−t0 ) λ δλλ′ δkk′ (λ) (λ) = λ2 |ψk (t0 )ie−iλωk (t−t0 ) = |ψk (t)i und daher: U (t|t0 )|ψ(t0 )i = X kλ (λ) akλ |ψk (t)i = |ψ(t)i . Hiermit ist die freie Klein-Gordon-Gleichung in der Hamilton-Form für beliebige Anfangsbedingungen zumindest formal gelöst. 81 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG 5.11 Ankopplung an das Strahlungsfeld (Hamilton-Form) Auch in der Hamilton-Formulierung der Klein-Gordon-Gleichung kann das Strahlungsfeld aufgrund des iq Aν , leicht berücksichtigt werden. Man definiert nun: Prinzips der minimalen Kopplung, ∂ν → ∂ν + ~c h i iq ∂ ψ1 = 21 φ + mi~c2 ∂t + Φ φ ~ ψ1 0 h i ψ= mit ψ2 iq ∂ ψ = 1 φ − i~ + Φ φ 2 2 2 m0 c ∂t ~ und findet 1 1 ∂ σ3 i~ − q Φ ψ = ∂t 2m0 1 1 2 (p − qA) + m0 c2 ψ 1 bzw. mit π ≡ (p − qA) : ∂ i~σ3 ψ = Ĥψ ∂t ; π2 1 1 + m0 c2 + q Φσ3 . Ĥ = 2m0 1 1 (5.6) Der letzte Term zeigt klar, dass die beiden Komponenten ψ1 und ψ2 zumindest im Ruhesystem (π = 0) entgegengesetzt geladenen Teilchen entsprechen. Die Analogie zur Schrödinger-Gleichung im Strahlungsfeld ist offensichtlich. 5.12 Die Foldy-Wouthuysen-Transformation Die beiden Komponenten ψ1 und ψ2 der Wellenfunktion ψ (für kleine Impulse heißt das also: die Teilchen und Antiteilchen) sind durch die Matrix 11 11 im Hamilton-Operator miteinander gekoppelt. Ziel der Foldy-Wouthuysen-Transformation ist es, den Hamilton-Operator zu diagonalisieren, d. h. die Bewegungsgleichungen der Komponenten ψ1 und ψ2 zu entkoppeln. Hierzu transformiert man die Wellenfunktion gemäß: ψ = e−iS ψ ′ , wobei ψ die Klein-Gordon-Gleichung mit dem Hamilton-Operator Ĥ erfüllen soll. Die Bewegungsgleichung für ψ ′ lautet daher: ∂ iS ∂ iS ∂ ′ iS ∂ψ ψ+e e i~σ3 ψ = i~σ3 (e ψ) = i~σ3 ∂t ∂t ∂t ∂t ∂ iS −iS e + eiS σ3 Ĥ e−iS ψ ′ ≡ Ĥ ′ ψ ′ . e = σ3 i~ ∂t Es gilt: ∂ iS −iS ∂ −iS −iS iS iS Ĥ = σ3 i~ + e σ3 Ĥ e −e e e e ∂t ∂t ∂ ∂ = σ3 eiS σ3 Ĥ − i~ e−iS + i~ . ∂t ∂t ′ Wir verwenden nun die Operatoridentität e−B A eB = ∞ X n=0 1 n! [AB n ] 82 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG mit AB 0 ≡ A und [AB n ] ≡ AB n−1 , B für n ≥ 1. Es folgt: ∞ X ∂ ∂ 1 σ3 Ĥ − i~ (−iS)n + i ~ σ3 n! ∂t ∂t n=0 ∞ X 1 ∂ σ3 Ĥ − i~ , S (−iS)n−1 = Ĥ − i σ3 n! ∂t n=1 Ĥ ′ = σ3 = Ĥ − i σ3 ∞ X i i hh 1 n σ3 Ĥ, S − i~Ṡ (−iS) . (n + 1)! n=0 Es gilt also, Kommutatoren und Mehrfachkommutatoren des Operators G = π2 σ3 + q Φ 2m0 2 σ3 Ĥ = m0 c σ3 + G + U U = i π2 σ 2m0 2 auszurechnen. Hierbei ist zu beachten, dass der Term m0 c2 σ3 im nicht-relativistischen Grenzfall (|π| ≪ m0 c) dominiert und dass G und U die folgende Struktur besitzen: 0 u2 g1 0 . ; U= G= u1 0 0 g2 Die Form der Matrix G wird als „gerade“ bezeichnet, diejenige der Matrix U als „ungerade“. Die FoldyWouthuysen-Transformation wird nun so gewählt, dass die „ungeraden“ Terme, die ψ1 und ψ2 miteinander koppeln, aus dem Hamilton-Operator eliminiert werden. 5.12.1 Einfaches Beispiel: Das freie Teilchen In diesem Fall gilt wegen Φ = 0, A = 0: 2 p p2 σ3 + i σ2 ≡ B3 σ3 + B2 σ2 . σ3 Ĥ = m0 c2 + 2m0 2m0 Der zu diagonalisierende Operator entspricht also formal einem „Magnetfeld“ in der (ê2 − ê3 )-Ebene. Die Diagonalisierung erfordert daher lediglich eine Rotation um die ê1 -Achse: Ĥ ′ = σ3 eiS σ3 Ĥ e−iS , S = α(p)σ1 . Es folgt also: e iS =e iασ1 # "∞ # ∞ X (iα)2n+1 X (−1)n α2n 11 + σ1 = (2n)! (2n + 1)! n=0 n=0 " = cos(α)11 + i sin(α)σ1 und somit Ĥ ′ = σ3 [cos(α)11 + i sin(α)σ1 ] (B2 σ2 + B3 σ3 ) [cos(α)11 − i sin(α)σ1 ] = σ3 cos2 (α)(B2 σ2 + B3 σ3 ) + sin2 (α)σ1 (B2 σ2 + B3 σ3 )σ1 +i sin(α) cos(α) (B2 [σ1 , σ2 ] + B3 [σ1 , σ3 ])} 2 = σ3 cos (α) − sin2 (α) (B2 σ2 + B3 σ3 ) − 2 sin(α) cos(α)(B2 σ3 − B3 σ2 ) = σ3 {[cos(2α)B3 − sin(2α)B2 ] σ3 + [cos(2α)B2 + sin(2α)B3 ] σ2 } = [cos(2α)B3 − sin(2α)B2 ] 11 − i [cos(2α)B2 + sin(2α)B3 ] σ1 . Die Diagonalisierung des Hamilton-Operators erfordert: cos(2α)B2 + sin(2α)B3 = 0 83 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG d. h. p2 i 2m0 B2 =− tan(2α) = − B3 m 0 c2 + p2 2m0 . Es folgt also, dass α rein imaginär ist: α = iα̃ ∈ iR , wobei α̃ die Gleichung tanh(2α̃) = −i tan(2α) = − p2 2m0 m 0 c2 + p2 2m0 erfüllt. Als Resultat finden wir daher: α(p) = iα̃(p) = − 21 i artanh p2 2m0 m 0 c2 + p2 2m0 ! ; p = ~i ∇ . Hiermit ist die gesuchte Foldy-Wouthuysen-Transformation bekannt. Die Diagonalform des HamiltonOperators folgt nun aus: Ĥ ′ = cos(2α)B3 − sin(2α)B2 = cos(2α)[B3 − tan(2α)B2 ] = cosh(2α̃)[B3 − i tanh(2α̃)B2 ] s 2 2 2 q q 2 B3 − iB2 iB p p2 B3 2 − (iB )2 = 2+ = B − = m20 c4 + p2 c2 11 . m c = r 0 2 3 2 2m 2m 0 0 2 1 − iB B3 Beide Komponenten sind somit in der Tat vollständig getrennt: i~σ3 ∂ ′ ψ = Ĥ ′ ψ ′ . ∂t Zu beachten ist noch, dass sich Antiteilchen [wegen der (−1)−Komponente in σ3 ] rückwärts in der Zeit entwickeln: Sie werden durch negative statt positiver Frequenzen charakterisiert. 5.13 Ladungskonjugation Die Klein-Gordon-Gleichung für Teilchen und Antiteilchen mit Ladung +q bzw. −q lautet: ∂ψ π2 1 1 i~σ3 + m0 c2 + qΦσ3 , = H(q)ψ ; H(q) = ∂t 2m0 1 1 wobei wie üblich π = p − qA den kinetischen Impuls darstellt. Die ladungskonjugierte Version dieser Gleichung, in der (+q) durch (−q) ersetzt wird, ist: i~σ3 ∂ψc = H(−q)ψc . ∂t Es ist naheliegend, zu vermuten, dass ψ und ψc durch eine einfache, lineare Transformation verbunden sind: ψc = Cψ . Bei der Bestimmung der Transformation C muss auch unbedingt überprüft werden, dass nur die Ladung das Vorzeichen ändert und z. B. der kinetische Impuls und die kinetische Energie des Klein-GordonTeilchens invariant sind: hσ3 π̂(−q)iψc (t) = hσ3 π̂(q)iψ(t) , π̂(q) = p̂ − qA hĤkin (−q)iψc (t) = hĤkin (q)iψ(t) , Ĥkin (q) = [π̂(q)]2 2m0 1 1 1 . 1 (5.7) 84 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG Wir werden die Transformation C nun explizit bestimmen. Wir stellen zuerst fest, dass die komplexe Konjugation K das Vorzeichen der Ladung in der kinetischen Energie ändert: Kπ2 = K 2 2 ~ ~ 2 ∇ − qA = ∇ + qA = (p + qA) . i i Wir wenden deshalb K auf die Klein-Gordon-Gleichung an: ∂(Kψ) (p + qA)2 1 1 2 −i~σ3 + m0 c + qΦσ3 (Kψ) . = ∂t 2m0 1 1 Um das Vorzeichen der beiden σ3 -Terme zu ändern, suchen wir eine Matrix M mit den Eigenschaften [M, σ3 ]+ = 0 und [M, σ1 ]− = 0. Multiplikation der komplex konjugierten Gleichung von links mit M würde (p + qA)2 1 1 ∂(M Kψ) + m0 c2 − qΦσ3 (M Kψ) = i~σ3 ∂t 2m0 1 1 = H(−q)M Kψ und somit ψc = M Kψ bzw. C = MK ergeben. Eine Matrix, die diese Bedingungen erfüllt, ist σ1 , da [σ1 , σ3 ]+ = 0 und [σ1 , σ1 ]− = 0 gilt. Wir haben hiermit gezeigt, dass die Ladungskonjugation durch die Transformation (5.8) C = σ1 K beschrieben werden kann. Es gilt also: ∗ ψ2 ψc = σ1 Kψ = . ψ1∗ Die Ladungsdichte der ladungskonjugierten Lösung ist: ∗ ψ ψ2 σ3 2∗ = |ψ2 |2 − |ψ1 |2 = −ρ(x, t) , ρc (x, t) = ψc∗ σ3 ψc = ψ1 ψ1 und die Gesamtladung ist Z Z Qc = dx ρc (x, t) = − dx ρ(x, t) = −Q . Man überprüft leicht, dass auch die Bedingungen (5.7) erfüllt sind. Für die Lösung φ(x, t) der ursprünglichen Klein-Gordon-Gleichung bedeutet (5.8): C φ = (ψ1 + ψ2 ) − → (ψ2∗ + ψ1∗ ) = φ∗ 2 ∂φ m 0 c2 ∂φ∗ C m0 c = (ψ1 − ψ2 ) − → (ψ2∗ − ψ1∗ ) = , ∂t i~ i~ ∂t so dass die Ladungskonjugation in der ursprünglichen Formulierung der Klein-Gordon-Gleichung einfach der komplexen Konjugation entspricht. Man überprüft leicht, dass die Ladungskonjugation die mit dem Klein-Gordon-Feld assoziierte Wirkung in einem beliebigen Zeitintervall [t1 , t2 ] invariant lässt. 85 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG 5.14 Zeitumkehrinvarianz der Klein-Gordon-Gleichung Wie aus der klassischen Mechanik und der nicht-relativistischen Quantenmechanik bekannt, heißt eine Bewegungsgleichung zeitumkehrinvariant, falls ihre Lösungen nach einer abrupten Geschwindigkeitsumkehr ihre bereits zurückgelegten Bahnen zurückverfolgen und schließlich ihre jeweiligen Anfangswerte wieder erreichen, nun allerdings mit entgegengesetzter Geschwindigkeit. Für ein Klein-Gordon-Teilchen im elektromagnetischen Feld, ∂ψ π̂ 2 1 1 i~σ3 = Ĥψ , Ĥ = + m0 c2 + qΦσ3 , π̂ = p̂ − qA , (5.9) ∂t 2m0 1 1 bedeutet dies konkret Folgendes: Wir nehmen an, dass sich das Teilchen für 0 ≤ t < T gemäß der Bewegungsgleichung (5.9) mit der Anfangsbedingung ψ(x, 0) ≡ ψ0 (x) entwickelt. Erwartungswerte von π̂2 ( 11 11 ) , des kinetischen Impulses σ3 π̂ Messgrößen Ô(x, π̂), wie z. B. der kinetischen Energie Ĥkin = 2m 0 oder der Ladung σ3 sind während dieses Zeitintervalls durch Z hÔiψ(t) ≡ dx ψ ∗ (x, t)[Ôψ](x, t) gegeben. Zur Zeit t = T wird abrupt die Geschwindigkeit des Teilchens umgekehrt und somit auch die Wellenfunktion geändert. Die Wellenfunktion für T < t ≤ 2T wird als ψ ′ (x, t) bezeichnet; ihre Erwartungswerte sind Z hÔ′ iψ′ (t) ≡ dx ψ ′∗ (x, t)[Ô′ ψ ′ ](x, t) , wobei Ô′ dieselbe Form wie Ô hat, allerdings mit Φ(x, t) und A(x, t) ersetzt durch Φ′ (x, t) = Φ(x, 2T − t) , A′ (x, t) = −A(x, 2T − t) . (5.10) Damit ψ ′ tatsächlich als die zeitumgekehrte Wellenfunktion gelten kann, sollte sie die Klein-GordonGleichung erfüllen: ∂ψ ′ (π̂ ′ )2 1 1 i~σ3 = Ĥ′ ψ ′ , Ĥ′ = + m0 c2 + qΦ′ σ3 , π̂ ′ = p̂ − qA′ , (5.11) ∂t 2m0 1 1 dieselbe Ladungswahrscheinlichkeitsdichte wie ψ aufweisen: ψ ′ (x, t)∗ σ3 ψ ′ (x, t) = ψ(x, 2T − t)∗ σ3 ψ(x, 2T − t) (T < t ≤ 2T ) und ihre Bahn mit entgegengesetzter Geschwindigkeit durchlaufen: hσ3 π̂ ′ iψ′ (t) = −hσ3 π̂iψ(2T −t) , hĤ′kin iψ′ (t) = hĤkin iψ(2T −t) , wobei die Ladung und der Gesamtstrom wie Q′ (t) = hσ3 iψ′ (t) = hσ3 i(2T −t) = Q(t) 1 1 1 1 1 1 ′ ′ = −J(2T − t) =− π̂ π̂ J (t) = 1 1 1 1 m0 m0 ψ(2T −t) ψ ′ (t) (5.12) transformiert werden. Die Wellenfunktion, die alle diese Eigenschaften erfüllt, ist ψ ′ (x, t) = ψ ∗ (x, 2T − t) (T < t ≤ 2T ) . (5.13) Bei der Bewegungsumkehr zur Zeit t = T wird die Wellenfunktion ψ(x, T ) also durch ψ ′ (x, T ) = ψ ∗ (x, T ) ersetzt. Insbesondere erfüllt die Wellenfunktion(5.13) die Klein-Gordon-Gleichung (5.11): i~σ3 ∂ ∂ψ ∗ ∂ψ ′ (x, t) = i~σ3 ψ ∗ (x, 2T − t) = −i~σ3 (x, 2T − t) ∂t ∂t ∂t ∗ h i ∗ ∂ψ = i~σ3 (x, 2T − t) = Ĥψ (x, 2T − t) ∂t h i h i ∗ ∗ = Ĥ ψ (x, 2T − t) = Ĥ′ ψ ′ (x, t) , 86 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG die mit der Anfangsbedingung ψ ′ (x, T ) = ψ ∗ (x, T ) zu lösen ist, und sie beschreibt in der Tat Teilchen, die die ursprüngliche Bahn mit entgegengesetzter Geschwindigkeit durchlaufen: Z hσ3 π̂ ′ iψ′ (t) = dx ψ(x, 2T − t)σ3 [p̂ + qA(x, 2T − t)]ψ ∗ (x, 2T − t) Z = − dx (σ3 π̂ψ)∗ (x, 2T − t)ψ(x, 2T − t) = −hσ3 π̂iψ(2T −t) . Es ist nun leicht, auch (5.12) nachzuweisen. Zur Zeit t = 2T erreicht die zeitumgekehrte Lösung den Ausgangspunkt, nun allerdings mit entgegengesetzter Geschwindigkeit: ψ ′ (x, 2T ) = ψ0 (x)∗ . Wir folgern hieraus, dass die Klein-Gordon-Theorie tatsächlich invariant unter Zeitumkehr ist, wobei allerdings für Teilchen unter der Einwirkung elektromagnetischer Kräfte – genau wie in der Klassischen Mechanik – die Potentiale gemäß (5.10) mit zu transformieren sind. Das Transformationsverhalten (5.13) impliziert für die Standardformulierung der Klein-Gordon-Gleichung die Beziehung φ′ (x, t) = ψ1∗ (x, 2T − t) + ψ2∗ (x, 2T − t) = φ∗ (x, 2T − t) , die für alle t ∈ [T, 2T ] gilt. Man überprüft leicht, dass die Wirkung für die Dynamik des Klein-GordonFeldes im Zeitintervall [0, T ] in der Tat invariant ist unter dieser Bewegungsumkehrtransformation. 5.15 Paritätstransformation Die Untersuchung der Invarianzeigenschaften der Klein-Gordon-Gleichung unter einer Paritätstransformation (Raumspiegelung am Ursprung) erfolgt analog zur Untersuchung der Zeitumkehrinvarianz. Die elektromagnetischen Potentiale werden nun wie Φ′ (x, t) = Φ(−x, t) , A′ (x, t) = −A(−x, t) transformiert, und man erwartet, dass die transformierte Wellenfunktion die Klein-Gordon-Gleichung erfüllt, dass die Ladung hσ3 i invariant ist unter der Paritätstransformation und dass das elektrische Dipolmoment hσ3 xi, der kinetische Impuls hσ3 π̂i und der Strom m10 h( 11 11 ) π̂i bei dieser Transformation das Vorzeichen wechseln. Man überprüft leicht, dass die Wellenfunktion, die alle diese Eigenschaften erfüllt, durch ψ ′ (x, t) = ψ(−x, t) gegeben ist; in der ursprünglichen Formulierung der Klein-GordonGleichung bedeutet dies: φ′ (x, t) = φ(−x, t). Auch unter der Paritätstransformation ist die Wirkung für die Dynamik des Klein-Gordon-Feldes in einem beliebigen Zeitintervall [t1 , t2 ] invariant. Interessant ist noch, dass die sukzessive Anwendung einer Zeitumkehr-, einer Ladungskonjugationsund einer Paritätstransformation insgesamt einer Poincaré-Transformation der Raum-Zeit entspricht und somit die Theorie manifest invariant lässt. Es gilt nämlich: T C P φ(x, t) −→ φ∗ (x, 2T − t) −→ φ(x, 2T − t) −→ φ(−x, 2T − t) ≡ φPCT (x, t) und daher φPCT (x′µ ) = φ(xµ ) , x′µ = Λµν xν + aµ , Λµν = −δ µν , aµ = 2T δ µ0 . Die Poincaré-Transformation setzt sich in diesem Fall also aus einer Raum-Zeit-Spiegelung am Ursprung und einer Zeittranslation zusammen. Das skalare Feld φ ist invariant unter Poincaré-Transformationen und daher insbesondere auch unter der PCT-Transformation. 5.16 Die Zitterbewegung Wir betrachten ein allgemeines Wellenpaket der Form 1 X (λ) (λ) (λ) 2 (1 + λγk ) ϕk ψ(x, t) = akλ ψk (x, t) ; ψk = 1 (1 − λγ ) k 2 kλ 87 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG und berechnen den Gesamtstrom Z i~ 1 1 1 1 J(t) = dx j(x, t) ; j(x, t) = (∇ψ ∗ ) ψ − ψ∗ ∇ψ . 2m0 1 1 1 1 Wir finden: J(t) = i~ 2m0 X a∗k1 λ1 ak2 λ2 k1 k2 λ1 λ2 Z h i (λ )∗ (λ ) (λ )∗ (λ ) dx (−iλ1 k1 ) ϕk11 ϕk22 − ϕk11 (iλ2 k2 )ϕk22 ~ X k = λ |akλ |2 + a∗kλ a−k,−λ e2iλωk t , m0 γk kλ wobei benutzt wurde, dass das x-Integral im rechten Glied gleich k1 1 δλ k ,λ k (−i)(λ1 k1 + λ2 k2 )ei(λ1 ωk1 −λ2 ωk2 )t = −2iλ1 δλ k ,λ k ei(λ1 −λ2 )ωk1 t γk1 1 1 2 2 γk1 1 1 2 2 ist, und k ≡ k1 , λ ≡ λ1 definiert wurde. Wenn das Wellenpaket nur Beiträge mit positiven Frequenzen (λ = +) oder nur Beiträge mit negativen Frequenzen (λ = −) enthält, ist der Gesamtstrom erhalten, d. h. zeitunabhängig. Wenn das Wellenpaket jedoch Beiträge von positiven und negativen Frequenzen enthält, treten sehr schnelle Oszillationen mit Frequenzen 2ωk = 2 ~ωk m 0 c2 ≥2 = 2µc ~ ~ auf. Da für ein geladenes Pion µ−1 ≃ 1, 41 · 10−15 m ist, folgt 2µc ≃ 4, 26 · 1023 s−1 . Diese sehr schnelle Oszillation wird als Zitterbewegung bezeichnet. Die gemittelte Bewegung des Wellenpakets (d. h. 1 gemittelt über eine Zeit T ≫ 2µc ) wird durch den konstanten Term in J(t) beschrieben: J(t) = X ~ X k p λ |akλ |2 = |akλ |2 . λ m0 γk γk m0 kλ kλ Dieser Ausdruck lässt sich einfach interpretieren mit Hilfe der Gruppengeschwindigkeit p k p p ∂ k2 + µ2 k ∂(λωk ) = c2 = c2 = . =c = cp vkλ = 2 2 2 ∂(λk) ∂k ωk m0 c γk γk m0 k +µ Der Gesamtstrom definiert also eine gemittelte Gruppengeschwindigkeit: X J(t) = λvkλ |akλ |2 . kλ Zu beachten ist, dass die Beiträge der Teilchen (λ = +) und Antiteilchen (λ = −) zum Gesamtstrom ein entgegengesetztes Vorzeichen haben. Auch andere physikalische Größen weisen eine Zitterbewegung auf. Ein Beispiel ist die Ladungsdichte ρ = ψ ∗ σ3 ψ , in der im Allgemeinen positive und negative Frequenzen gemischt werden. Ein anderes Beispiel ist das elektrische Dipolmoment xσ3 oder dessen Erwartungswert Z Z hxσ3 iψ = dx ψ ∗ xσ3 ψ = dx xρ(x, t) . 88 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG Es folgt, dass ∂ψ ∂ψ ∗ ∗ dx xσ3 ψ + ψ xσ3 ∂t ∂t Z Z i h i i = dx σ3 Ĥψ ∗ xσ3 − ψ ∗ xσ3 σ3 Ĥψ = dx ψ ∗ (Ĥx − xĤ)ψ ~ ~ Z Z i ~2 i~ 1 1 1 1 = − dx ψ ∗ (∆x − x∆) dx ψ ∗ ∇ ψ=− ψ ~ 2m0 m0 1 1 1 1 ~ X k λ |akλ |2 + a∗kλ a−k,−λ e2iλωk t = J(t) = m0 γk d hxσ3 iψ = dt Z kλ gilt, so dass d dt hxσ3 iψ und daher auch hxσ3 iψ(t) = hxσ3 iψ(0) + 2iλωk t ~ X k e −1 λ |akλ |2 t + a∗kλ a−k,−λ m0 γk 2iλωk kλ schnelle Oszillationen aufweisen: Das Teilchen zittert ständig hin und her. Quantenfeldtheoretisch lässt sich dieser Effekt (z. B. für ein geladenes π-Meson im Coulomb-Feld eines Wasserstoffkerns) so interpretieren, dass virtuelle Teilchen-Antiteilchen-Paare mit Energie 2m0 c2 erzeugt werden, wobei das π-Meson dann mit dem virtuellen Antiteilchen annihiliert wird. Energieverletzungen der Größe 2m0 c2 2 sind nur während ∆t ≃ 2m~0 c2 also mit Frequenz 2m~0 c möglich. Typische „Zitterabstände“ sind also – c∆t ≃ 2m~0 c = 12 λ Compton . 5.17 Das Klein-Paradoxon Wir betrachten Streuung an einer Potentialstufe. Mathematisch lässt sich dieses Modell aus der KleinGordon-Gleichung im elektromagnetischen Feld ableiten: " # 2 2 ~ ∂ 2 2 4 ∇ − qA + m0 c φ , i~ − qΦ φ = c ∂t i indem wir A = 0, qΦ = V (x) wählen. Der Einfachheit halber betrachten wir ein eindimensionales Modell: V (x) = V (x1 ) = V0 ϑ(x1 ). Genau wie im nicht-relativistischen Fall betrachten wir eine von links einfallende Welle, die z.T. reflektiert wird: x1 < 0 : φ< (x1 , t) = eikx1 + ae−ikx1 e−iωk t (k > 0) . Die Wellenfunktion für x1 > 0 hat die Form x1 > 0 : φ> (x1 , t) = bei[κx1 −(λωκ +V0 /~)t] , ωκ = c p κ2 + µ2 , λ=±. Hierbei soll φ> in einer stationären Situation dieselbe Zeitabhängigkeit wie φ< haben: ωk = λωκ + V0 /~ . Dies bedeutet erstens, dass λ = sgn(~ωk − V0 ) zu wählen ist, und ausserdem, dass κ2 = ~ωk − V0 ~c 2 − µ2 (5.14) 89 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG gilt. Das Interessante ist nun, dass das rechte Glied nicht nur für „niedrige“ Potentialstufen (mit V0 < ~ωk −m0 c2 ) oszillierende Lösungen aufweist (κ2 > 0), sondern auch für „hohe“ Stufen (V0 > ~ωk +m0 c2 ). Wir werden diese merkwürdige Situation nun näher untersuchen. Die gerade hergeleitete Gleichung (5.14) für κ hat im Allgemeinen zwei Lösungen, nämlich die positive und die negative Wurzel des rechten Gliedes. Für niedrige Potentialstufen ist physikalisch klar, dass κ > 0 zu wählen ist (Transmission eines Teilchens). Für hohe Stufen ist dies a priori nicht klar. Um diese Ambiguität zu beheben, modifizieren wir das Modell geringfügig: η ≡ 0+ , V (x1 ) = (V0 − iη)ϑ(x1 ) , und wir schreiben: x1 > 0 : φ> (x1 , t) = bei{κx1 −[ωκ +(V0 −iη)/~]t} , ωκ = c p κ2 + µ2 (κ, ωκ ∈ C) . Man kann den infinitesimalen Imaginärteil des Potentials als Absorptionsrate von Ladungen im Raumbereich x1 > 0 interpretieren. Dies sieht man am einfachsten in der Hamilton-Form (5.6) der KleinGordon-Gleichung: (s. S. 82) Z Z Z d 2η i 2η ∞ dQ ∗ ∗ † = dx1 ψ ∗ σ3 ψ = − Q> . dx1 ψ σ3 ψ = dx1 ψ (Ĥ − Ĥ)ψ = − dt dt ~ ~ 0 ~ Wir betrachten nun κ(V0 ) in der komplexen Ebene: κ(V0 ) = " ~ωk − V0 + iη ~c 2 2 −µ #1/2 = (" ~ωk − V0 ~c 2 2 −µ # ~ωk − V0 + 2iη (~c)2 )1/2 . i1/2 h ~ωk , also liegt κ infinitesimal oberhalb der Für V0 = 0 (keine Stufe) ergibt sich κ(0) = k 2 + 2iη (~c) 2 positiven reellen Achse: κ = k + i0+ . Wir machen V0 nun allmählich größer. Mit Hilfe der Definition 1/2 ~ω − V 2 k 0 2 −µ ≥0 κk (V0 ) ≡ ~c findet man durch eine einfache analytische Fortsetzung: κ(V0 ) = κk (V0 ) + i0+ = iκk (V0 ) + 0+ = iκk (V0 ) − 0+ = −κk (V0 ) + i0+ (V0 < ~ωk − m0 c2 ) (~ωk − m0 c2 < V0 < ~ωk ) (~ωk < V0 < ~ωk + m0 c2 ) (V0 > ~ωk + m0 c2 ) . Für hohe Stufen ist also offenbar die negative Wurzel zu wählen. Der positive Imaginärteil von κ(V0 ) hat zur Folge, dass φ> (x1 ) nun wohldefiniert (normierbar) ist. Für die Frequenz ωκ (V0 ) der transmittierten Welle findet man entsprechend: p ωκ (V0 ) = cpµ2 + [κk (V0 )]2 + i0+ (V0 < ~ωk − m0 c2 ) µ2 − [κk (V0 )]2 + i0+ (~ωk − m0 c2 < V0 < ~ωk ) =c p + 2 2 = −cpµ − [κk (V0 )] + i0 (~ωk < V0 < ~ωk + m0 c2 ) + 2 2 (V0 > ~ωk + m0 c2 ) , = −c µ − [κk (V0 )] + i0 oder kurz gefasst: ωκ (V0 ) = ωk − V0 /~ + i0† . Die analytische Fortsetzung liefert nun automatisch das korrekte negative Vorzeichen der Frequenz ωκ (V0 ) für V0 > ~ωk . 90 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG Die Parameter a und b in φ< und φ> werden wie üblich aus der Stetigkeit und der stetigen Differenzierbarkeit von φ in x1 = 0 bestimmt: ) ( κ φ< (0) = φ> (0) ⇒ 1+a =b 1 − a = κb k = k (1 + a) ⇒ φ′< (0) = φ′> (0) ⇒ ik(1 − a) = iκb a 1 + κk = 1 − κk , so dass a= k−κ k+κ , b= 2k k+κ gilt. Die Definition der Ladungswahrscheinlichkeitsstromdichte: j(x, t) = i~ [(∇φ∗ )φ − φ∗ (∇φ)] 2m0 bedeutet für die einfallende, reflektierte und transmittierte Stromdichte: ~k i~ (−ik − ik) = 2m0 m0 k − κ 2 2 jein = −|a| jein = − k + κ jein = jrefl jtrans = |b|2 i~ ~κ κ 4kκ (−iκ − iκ) = |b|2 = |b|2 jein = jein . 2m0 m0 k (k + κ)2 Die Reflexions- und Transmissionskoeffizienten sind daher: 2 k−κ 4kκ R= , T = . k+κ (k + κ)2 Für niedrige Potentialstufen (κ > 0) gilt wie üblich 0 < R < 1, 0<T <1 (R + T = 1) . Für hohe Stufen (κ < 0) ist jedoch R > 1, T <0 (R + T = 1) . Hierbei gilt R ↓ 1 und T ↑ 0 für κ → −∞, d. h. für V0 → ∞. Die Erklärung dieses Paradoxons ist, dass für V0 > ~ωk + m0 c2 an der Potentialstufe Teilchen und Antiteilchen erzeugt werden können, was den hohen Teilchenfluss nach links und den entgegengesetzt geladenen Antiteilchenstrom nach rechts zur Folge hat. Es tritt sogar eine Divergenz auf für κ → (−k), wobei R → ∞ und T → −∞. In diesem Fall gilt genau die Resonanzbedingung V0 = 2~ωk . Wichtig ist noch, dass das Potential V0 für – V0 = ~ωk versucht, das Klein-Gordon-Teilchen auf einen Bereich der Länge µ−1 = m~0 c = λ Compton zu lokalisieren. Durch „Beimischen“ von Negativfrequenz-Lösungen wird diesem Lokalisierungsversuch entgegengewirkt. Es ist natürlich klar, dass die Erzeugung von Teilchen und Antiteilchen den Zusammenbruch der Einteilchenbeschreibung andeutet. 5.18 π-mesonische Atome Wir betrachten die Klein-Gordon-Gleichung für das Coulomb-Problem eines negativ geladenen πMesons (Ladung e, Ruhemasse m0 ) im Feld eines Z-fach positiv geladenen Kerns. Der Kern wird als unendlich schwer angenommen. Das 4-Potential ist in diesem Fall gegeben durch: A=0 , eΦ = − Zα~c Ze2 =− . 4πε0 r r 91 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG Wir suchen nun Lösungen der Klein-Gordon-Gleichung der Form φ̃(x, t) = e−iEt/~ φ(r, ϑ, ϕ) (E > 0) , d. h. Lösungen φ(r, ϑ, ϕ) der zeitunabhängigen Klein-Gordon-Gleichung (E − eΦ)2 φ = (−~2 c2 ∆ + m20 c4 )φ . Mit Hilfe des Separationsansatzes φ(r, ϑ, ϕ) = R(r)Ylm (ϑ, ϕ) findet man mit pr = 2 ~ ∂ ir ∂r r: L2 2 pr + 2 RYlm p φ = ~ Ylm r 1 d2 (E − eΦ)2 − m20 c4 l(l + 1) = − R = r + R. r dr2 r2 ~ 2 c2 −1 2 (~ Ylm ) L2 Ylm = ~2 l(l + 1)Ylm ; −1 2 Wir definieren nun: σ2 ≡ 4(m20 c4 − E 2 ) ~ 2 c2 ; λ= 2ZαE ~cσ ; ρ = 12 σr und finden: " 2 # 4 1 d2 Zα~c Zα l(l + 1) m20 c4 − E 2 2E 0= 2 − − R r+ + + 2 2 − σ r dr2 r2 ~ 2 c2 ~ c r r " 2 # 1 d2 l(l + 1) 2λ Zα = − R ρ+ +1− − ρ dρ2 ρ2 ρ ρ 1 d2 2λ l(l + 1) − (Zα)2 =− ρR . + −1− ρ dρ2 ρ ρ2 Mit Hilfe der Definition2 l(l + 1) − (Zα)2 ≡ l′ (l′ + 1) ; l′ = − 21 + findet man die Lösungen: q l+ 1 2 2 − (Zα)2 ′ ρR(ρ) = ρl +1 e−ρ w(ρ) , wobei w(ρ) = ∞ X ak ρk k=0 ; ak+1 2 [(k + l′ + 1) − λ] = ak (k + 1) (k + 2l′ + 2) gilt. Damit φ(r, ϑ, ϕ) normierbar ist, muss diese Reihe abbrechen. Die λ−Werte sind daher diskretisiert: λ = (N + l′ + 1) (N = 0, 1, 2, . . . ) . √ √ Grund, weshalb nur Lösungen mit l′ = − 21 + untersucht werden, ist dass man für l′ = − 21 − < − 12 eine divergente kinetische Energie findet: Z Z ′ 2m0 l(l + 1) 1 d2 ∗ E = dr φ r + dr r 2l = divergent . − φ ∼ kin ~2 r dr 2 r2 0 2 Der 92 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG Ersetzen wir die radiale Quantenzahl N noch durch die Hauptquantenzahl n: n≡N +l+1 (n = 1, 2, . . . ) , so dass die Nebenquantenzahl l bei festem n die Werte 0, 1, . . . , n − 1 annehmen kann, dann gilt: λ = n − l + l′ ≡ λnl . Die Energien Enl folgen dann aus: 2 2 ~ 2 c2 (ZαEnl )2 2ZαEnl 2ZαEnl = 2 4 = λ2nl = 2 2 2 4 ~cσnl ~c 4(m0 c − Enl ) m0 c − Enl als Da −1/2 (Zα)2 Enl = m0 c2 1 + λ2nl −1/2 2 (Zα) q . = m 0 c2 1 + 2 2 2 n − l + 12 + l + 21 − (Zα) gilt #)−2 (Zα)2 = n− l+ 2 + l+ 2 1− 2 + . . . 2 l + 12 #−2 # " " 1 (Zα)2 (Zα)2 + ... + ... = 2 1+ = n− n 2 l + 12 n l + 12 λ−2 nl ( 1 1 " (Zα → 0) , 1 (Zα)2 3 (Zα)4 Enl = m0 c2 1 − + + . . . 2 λ2nl 8 λ4nl ! " # 3 (Zα)4 (Zα)2 (Zα)2 2 + 1+ + ... = m0 c 1 − 2n2 8 n4 n l + 12 3 (Zα)2 (Zα)2 1 2 − + ... . 1+ = m0 c 1 − 2n2 n 4n l + 12 Hierbei stellt der führende Term m0 c2 die Ruheenergie des π − -Mesons dar; der (Zα)2 -Term ist die nicht-relativistische Bindungsenergie zur Hauptquantenzahl n und der (Zα)4 -Term stellt die führende relativistische Korrektur dar, in der die Entartung bezüglich der Bahndrehimpulsquantenzahl l aufgehoben wird. Interessant an diesem Ergebnis ist noch, dass Z nicht beliebig groß werden darf: Damit l′ ∈ R ist, muss Zα < l + 21 gelten, also gilt insbesondere für l = 0: Z< 1 2α ≃ 68, 5 . Für Z & 68, 5 hat die oben hergeleitete Lösung keinen Sinn. Die Erklärung hierfür ist, dass in der Berechnung ein punktförmiger Kern angenommen wurde. Dass diese Annahme für schwere Kerne nicht −13 gerechtfertigt ist, folgt schon aus dem Vergleich des „Bohr-Radius“ aπ− ≃ 2·10Z m mit dem Kernradius 1, 5 · 10−15 A1/3 m, wobei A die Massenzahl des Kerns ist. 5.19 Quantisierung des Klein-Gordon-Feldes Die Quantisierung eines reellen Klein-Gordon-Feldes, das ungeladenen bosonischen Teilchen entspricht, wurde bereits in Übungsaufgabe 13 behandelt. Hier konzentrieren wir uns auf das komplexe KleinGordon-Feld. 93 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG Die Lagrange-Dichte des komplexen Klein-Gordon-Feldes ist gegeben durch: L= ~2 (∂ν φ∗ ∂ ν φ − µ2 φ∗ φ) , 2m0 so dass die entsprechenden Bewegungsgleichungen die Form der Klein-Gordon-Gleichung: 0 = (∂ν ∂ ν + µ2 )φ annehmen. Die konjugierten Impulse sind π= ~2 ∂L ∂t φ∗ = ∂(∂t φ) 2m0 c2 ; π∗ = ∂L ~2 ∂t φ , = ∗ ∂(∂t φ ) 2m0 c2 so dass die Hamilton-Dichte durch H= ~2 ∂0 φ∗ ∂ 0 φ − ∂i φ∗ ∂ i φ + µ2 φ∗ φ 2m0 gegeben ist. Man erhält die Hamilton-Funktion durch eine Integration über den ganzen Ortsraum. Wir betrachten die Fourier-Entwicklung des Feldes φ: φ(x) = X k 1 √ ak e−ikx + b∗k eikx γk V ; γk ≡ ~ωk . m 0 c2 Das Einsetzen dieser Fourier-Entwicklung in die Hamilton-Funktion liefert: Z X H = dx H(x) = ~ωk (a∗k ak + bk b∗k ) . k Ersetzt man nun Fourier-Koeffizienten durch Operatoren: ak → âk , a∗k → â†k , bk → b̂k , b∗k → b̂†k , mit den Vertauschungsbeziehungen: i i h h = δk 1 k 2 = bk1 , b†k2 ak1 , a†k2 − − i h = [bk1 , bk2 ]− = 0 , [ak1 , ak2 ]− = [ak1 , bk2 ]− = ak1 , b†k2 − so dass das klassische Feld φ(x) durch das Quantenfeld X 1 √ φ̂(x) = âk e−ikx + b̂†k eikx γk V k ersetzt wird, dann gilt für den Hamilton-Operator: X Ĥ = ~ωk n̂ak + n̂bk + Konstante , k wobei die (unendliche) Konstante von den Nullpunktsschwingungen herrührt, und n̂ak ≡ â†k âk bzw. n̂bk ≡ b̂†k b̂k definiert wurde. Der zum Quantenfeld φ̂(x) konjugierte Impuls π̂(x) ist nun durch r X γk † 1 (â eikx − b̂k e−ikx ) π̂(x) = 2 i~ V k k gegeben. Der Fourier-transformierte Impuls π ∗ (x) wird entsprechend durch das Quantenfeld π̂ † (x) ersetzt. 94 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG Die Kommutatoren der quantisierten Felder folgen aus der Fourier-Entwicklung von φ̂ und π̂ als: Z i h i dk h −ik(x−x′ ) ik(x−x′ ) ′ 1 e + e φ̂(x), π̂(x ) = 2 ~i (2π)3 − und h i φ̂(x), φ̂(x′ ) = [π̂(x), π̂(x′ )]− = 0 . − Zu gleichen Zeiten gilt: h i φ̂(x, t), π̂ (x′ , t) = i~δ(x − x′ ) − h i φ̂(x, t), φ̂† (x′ , t) = π̂(x, t), π̂ † (x′ , t) − = 0 . − h i Das Auferlegen der Vertauschungsregel φ̂(x, t), π̂(x′ , t) = i~δ(x−x′ ), die äquivalent zu den bosoni− schen Vertauschungsbeziehungen für die âk - und b̂k -Operatoren ist, wird als „kanonische Quantisierung“ bezeichnet. Man kann auch andere physikalische Größen mit Hilfe der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren ausdrücken. Ein Beispiel ist der Impulsoperator des Klein-Gordon-Feldes: Z X ~k n̂ak + n̂bk , P̂ = − dx π̂∇φ̂ + (∇φ̂† )π̂ † = k wobei der letzte Schritt wiederum durch Einsetzen der Entwicklungen für φ̂ und π̂ folgt. Ein weiteres Beispiel ist die Gesamtladung Q̂; das Ergebnis lautet in diesem Fall: ! Z Z X i~q ∂ φ̂† † ∂ φ̂ Q̂ = dx q ρ̂(x, t) = φ̂ = q − (n̂ak − n̂bk ) . dx φ̂ 2 2m0 c ∂t ∂t k Dies zeigt wiederum, dass die Anteile in φ̂(x) mit positiven oder negativen Frequenzen entgegengesetzt geladenen Teilchen entsprechen. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die hier angewandte Methode der kanonischen Quantisierung, wobei Fourier-Koeffizienten durch Operatoren ersetzt werden, zwar ein bequemes „Kochrezept“ darstellt und korrekte Ergebnisse liefert, aber logisch nicht einwandfrei ist: Es ergibt keinen Sinn, mittels „zweiter Quantisierung“ eine Quantentheorie zu konstruieren, wenn man bereits über eine Quantentheorie verfügt. Logisch konsistent wäre eher, die Einteilchen-Klein-Gordon-Gleichung zuerst zu einer Vielteilchen-Klein-Gordon-Gleichung zu verallgemeinern und diese Vielteilchenwellengleichung dann mit Hilfe der Methoden, die wir in Kapitel 3 kennengelernt haben, als Quantenfeldtheorie umzuformulieren. In Anhang C wird gezeigt, dass man auch diesen Weg gehen kann und dass er zum selben Ziel führt. Insofern kann das „Kochrezept“, das für nicht-relativistische Bosonen auf Dirac (1927) und für relativistische Bosonen auf W. Pauli und V. Weisskopf (1934) zurückgeht, a posteriori gerechtfertigt werden. 5.20 Green’sche Funktionen (Propagatoren) Wir unterscheiden die Anteile in φ̂(x) mit positiven und negativen Frequenzen nun explizit: ( P −ikx √1 φ̂(+) (x) = k γk V âk e (+) (−) P φ̂(x) = φ̂ (x) + φ̂ (x) mit † ikx √1 . φ̂(−) (x) = k γ V b̂k e k Analog kann man auch φ̂† unterteilen in positiv- und negativ-frequente Anteile: ( P −ikx √1 φ̂†(+) = k γk V b̂k e † †(+) †(−) P φ̂ (x) = φ̂ (x) + φ̂ (x) mit † ikx √1 . φ̂†(−) = k γ V âk e k 95 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG Nur zwei Kommutatoren dieser vier Anteile φ̂(+) , φ̂(−) , φ̂†(+) , φ̂†(−) sind ungleich Null: h i i h ′ 1 X 1 e−i(k1 x−k2 x ) âk1 , â†k2 φ̂(+) (x), φ̂†(−) (x′ ) = √ γk1 γk2 V − − k1 k2 Z 1 X 1 −ik(x−x′ ) dk 1 −ik(x−x′ ) = e = e V γk (2π)3 γk k (+) ≡ 2i∆ (x − x′ ) und analog: i h h i ′ 1 1 X ei(k1 x−k2 x ) b̂†k1 , b̂k2 φ̂(−) (x), φ̂†(+) (x′ ) = √ V γk1 γk2 − − k1 k2 Z dk 1 ik(x−x′ ) e ≡ 2i∆(−) (x − x′ ) . =− (2π)3 γk Es gilt: ∆(−) (x) = −∆(+) (−x) Z dk 1 −ikx 1 e − eikx ≡ ∆(x) . ∆(+) (x) + ∆(−) (x) = 3 2i (2π) γk i h Außerdem ist der Vakuumerwartungswert der Zahl φ̂(+) (x), φ̂†(−) (x′ ) − natürlich gleich h i 2i∆(+) (x − x′ ) = h0| φ̂(+) (x), φ̂†(−) (x′ ) |0i = h0|φ̂(+) (x)φ̂†(−) (x′ )|0i = h0|φ̂(x)φ̂† (x′ )|0i . − Analog gilt: h i 2i∆(−) (x − x′ ) = h0| φ̂(−) (x), φ̂†(+) (x′ ) |0i = −h0|φ̂†(+) (x′ )φ̂(−) (x)|0i = −h0|φ̂† (x′ )φ̂(x)|0i . − In der Störungstheorie benötigt man eine spezielle Kombination von ∆(+) und ∆(−) , den FeynmanPropagator, der als Vakuumerwartungswert des zeitgeordneten Produkts T φ̂(x)φ̂† (x′ ) definiert ist: h i 1 h0|T φ̂(x)φ̂† (x′ ) |0i ∆F (x − x′ ) ≡ (5.15) 2i 1 h0|ϑ(t − t′ )φ̂(x)φ̂† (x′ ) + ϑ(t′ − t)φ̂† (x′ )φ̂(x)|0i = 2i i 1 h ϑ(t − t′ )2i∆(+) (x − x′ ) − ϑ(t′ − t)2i∆(−) (x − x′ ) = h2i i = ϑ(t − t′ )∆(+) (x − x′ ) − ϑ(t′ − t)∆(−) (x − x′ ) . Der Feynman-Propagator erlaubt also beide Möglichkeiten: die Erzeugung eines Teilchens bei x′ und seine Vernichtung bei x oder die Erzeugung bei x und die Vernichtung bei x′ . Die hier angegebene Definition des Feynman-Propagators in der relativistischen Quantenfeldtheorie ist übrigens vollkommen analog zur entsprechenden Definition in der nicht-relativistischen Theorie: iE D h (H)† (H) G0 (λ1 τ1 | λ2 τ2 ) = T aλ1 (τ1 )aλ2 (τ2 ) . 0 Multiplikation von G0 mit den Basisfunktionen φλ1 (x1 ) und φ∗λ2 (x2 ) und Summation über (λ1 , λ2 ) liefert nämlich: X φλ1 (x1 )φ∗λ2 (x2 )G0 (λ1 τ1 | λ2 τ2 ) ∆F (x1 τ1 | x2 τ2 ) = λ1 λ2 = iE D h . T ψ̂(x1 , τ1 )ψ̂ † (x2 , τ2 ) 0 (5.16) 96 5. DIE KLEIN-GORDON-GLEICHUNG Eine Wick-Rotation (d. h. eine analytische Fortsetzung von der imaginären zur reellen Zeitachse) ergibt schließlich die Funktion ∆F (x1 t1 | x2 t2 ), die in einfachen (translationsinvarianten) Systemen nur vom Relativvektor x ≡ x1 − x2 abhängig ist. Ein Unterschied zwischen der Definition (5.15) des relativistischen Propagators und dem nicht-relativistischen Pendant (5.16) ist, dass der Mittelwert (5.15) im Vakuumzustand berechnet wird und (5.16) eine thermische Mittelung darstellt. Dies hängt damit zusammen, dass in der relativistischen Theorie meist einfache Streuprozesse und in der nicht-relativistischen Theorie thermische Eigenschaften von Vielteilchensystemen untersucht werden. Mit Hilfe des Residuensatzes weist man leicht die folgenden Integraldarstellungen für die Propagatoren ∆(±) nach: Z d4 k e−ikx , ∆(±) = −µ 4 2 2 C ± (2π) k − µ denn das rechte Glied ist gleich: Z Z dk e−ikx dk0 −µ ωk 3 (2π) C ± 2π k0 − c k0 + Z dk e∓ikx i = ∆(±) . =∓ 2 (2π)3 γk ωk = −µ c Z dk (2π)3 i e−i[±ωk t−k·x] (±2ωk /c) Hierbei sind die geschlossenen Integrationswege C ± in der komplexen k0 -Ebene so definiert, dass C + um den Punkt +ωk /c (jedoch nicht um den Punkt −ωk /c) und C − um den Punkt −ωk /c (jedoch nicht um +ωk /c) jeweils gegen den Uhrzeigersinn herumläuft. Analog findet man: ∆ = −µ Z C d4 k e−ikx , (2π)4 k 2 − µ2 während für den Feynman-Propagator: Z d4 k e−ikx ∆F = µ 4 2 2 CF (2π) k − µ Z −ikx 4 e d k =µ 4 2 (2π) k − µ2 + i0+ gilt. Hierbei läuft der geschlossene Integrationsweg C gegen den Uhrzeigersinn um die beiden Punkte ±ωk /c in der komplexen k0 -Ebene herum. Der Integrationsweg CF verläuft von k0 = −∞ bis k0 = +∞ und läuft hierbei gegen den Uhrzeigersinn um −ωk /c und im Uhrzeigersinn um +ωk /c herum. 97 Kapitel 6 Die Dirac-Gleichung Wie bereits vorher erwähnt, wurde die Klein-Gordon-Gleichung bald nach ihrer Einführung 1926 wieder verworfen, weil sie (nicht erstaunlicherweise) inkorrekte Vorhersagen für das Wasserstoffproblem lieferte und ihre Relevanz insgesamt unklar war. Es sei daran erinnert, dass massebehaftete Bosonen (nämlich π- und µ-Mesonen) erst etliche Jahre später, um 1946/47, entdeckt wurden. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel wurde dann im Januar 1928 von Dirac ein Artikel über eine relativistische Wellengleichung für Elektronen zur Publikation eingereicht [Proc. Roy. Soc. (A) 117, 610 (1928)]. Keiner hatte eine solche Entwicklung erwartet oder gar für möglich gehalten. Pauli sprach in diesem Kontext von Diracs intellektueller „Akrobatik“. Interessant ist, dass nur wenig später (Anfang März 1928) ein Paper mit einer äquivalenten Theorie, die außerdem leicht auf Vielteilchensysteme verallgemeinert werden konnte, von Iwanenko und Landau zur Publikation eingereicht wurde [Zeits. f. Phys. 48, 340 (1928)]. Dieses zweite Paper scheint zwar nur geringe Wirkung gehabt zu haben, es zeigt jedoch deutlich, dass die Idee einer Wellengleichung für relativistische Elektronen in der Luft hing. Wie wir sehen werden, beschreibt die „Dirac-Gleichung“, wie diese Wellengleichung jetzt heißt, im Allgemeinen relativistische Fermionen (d. h. insbesondere also Elektronen). Sie kann daher z. B. zur Berechnung von relativistischen Korrekturen für das Wasserstoffproblem verwendet werden. Auch die Dirac-Gleichung beschreibt Teilchen und Antiteilchen, also insbesondere Elektronen und Positronen. Genauso wie die Klein-Gordon-Gleichung verliert die Dirac-Gleichung (eine Einteilchen-Beschreibung) ihre Gültigkeit in extremen Situationen (Zitterbewegung, Klein-Paradoxon). Sie muss dann durch eine Vielteilchentheorie, die „2. Quantisierung“, ersetzt werden, jetzt allerdings für Fermionen statt Bosonen. Der entsprechende Vielteilchenformalismus wurde 1928/1929 von Jordan und Wigner, von Fermi und von Heisenberg und Pauli aufgestellt. 6.1 Herleitung der Dirac-Gleichung aus dem Korrespondenzprinzip Wir gehen ähnlich vor, wie bei der Herleitung der Pauli-Gleichung (s. die Übung). Der relativistische Ausdruck für die Energie E 2 = c2 p2 + m20 c4 kann mit Hilfe der Identität (σ · p)(σ · p) = p2 112 für fermionische Teilchen, die durch 2-Spinoren beschrieben werden, auf die Form E c 2 112 − p2 112 = E c 2 112 − (σ · p)(σ · p) = (m0 c)2 112 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG gebracht werden. Das Korrespondenzprinzip ∂ = i~c∂0 ∂t σ · p → ~i σ · ∇ = −i~σ k ∂k E → i~ führt dann auf die Gleichung i~∂0 + i~σ k ∂k i~∂0 − i~σ k ∂k φ = (m0 c)2 φ für die zweikomponentige Wellenfunktion φ = (φ1 , φ2 ) . Diese Differentialgleichung zweiter Ordnung wurde zuerst 1932 von B. L. van der Waerden in seinem Buch über Gruppentheorie aufgestellt. Man kann die Gleichung zweiter Ordnung für den zweikomponentigen Spinor mit Hilfe von Standardmethoden als Gleichung erster Ordnung für einen vierkomponentigen Spinor umformulieren: φ(L) ≡ φ , φ(R) ≡ 1 m0 c (i~∂0 − i~σ k ∂k )φ , so dass die Gleichung 2. Ordnung sich reduziert auf: (i~σ k ∂k − i~∂0 )φ(L) = −m0 cφ(R) (−i~σ k ∂k − i~∂0 )φ(R) = −m0 cφ(L) . Addieren und Subtrahieren dieser Gleichungen liefert zwei neue Gleichungen, die als (R) φ + φ(L) ψA ψA ψA −i~∂0 −i~σ k ∂k ≡ ; ψ = = −m c 0 i~σ k ∂k i~∂0 ψB ψB ψB φ(R) − φ(L) geschrieben werden können. Eine kompakte Schreibweise ist: m0 c ∅2 σk 112 ∅2 ∂k ψ ∂0 + i ψ− i 0= ∅2 −112 −σ k ∅2 ~ ≡ µψ − iγ ν ∂ν ψ = (µ − iγ ν ∂ν ) ψ . Dies ist die berühmte Dirac-Gleichung. Die Dirac’schen γ-Matrizen erfüllen die Gleichungen: (γ 0 )† = γ 0 ∅2 k † (γ ) = σk ; −σ k ∅2 = −γ k ; (γ 0 )2 = 114 −(σ k )2 k 2 (γ ) = ∅2 ∅2 −(σ k )2 = −114 und außerdem die Vertauschungsrelationen: 0 k ∅2 −σ k ∅2 σ k 0 k k 0 = ∅4 + γ ,γ + = γ γ + γ γ = −σ k ∅2 σ k ∅2 k ℓ −σ k σ ℓ ∅2 −σ ℓ σ k ∅2 k ℓ ℓ k γ ,γ + = γ γ + γ γ = + ∅2 −σ k σ ℓ ∅2 −σ ℓ σ k k ℓ σ ,σ + ∅2 = −2δkℓ 114 . =− k ∅2 [σ , σ ℓ ]+ Zusammenfassend gilt also: [γ µ , γ ν ]+ = 2g µν 114 . Außerdem ist es zweckmäßig, eine fünfte γ-Matrix einzuführen, die mit den γ µ (µ = 0, 1, 2, 3) antikommutiert: ∅2 112 γ 5 ≡ iγ 0 γ 1 γ 2 γ 3 = , [γ 5 , γ µ ]+ = ∅4 . 112 ∅2 99 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG Wir werden γ 5 unten als „Chiralitätsoperator“ kennenlernen. Die in der Herleitung der Dirac-Gleichung verwendete explizite Form der γ-Matrizen ist die häufig verwendete Standardform. Man erhält eine äquivalente Darstellung, wenn man transformiert: ψ → ψ′ = M ψ ; γ µ → (γ ′ )µ ≡ M γ µ M −1 , wobei sein soll. Die Matrizen (γ ′ )µ haben ebenfalls die algebraische Struktur ′ µ die Matrix M nicht-singulär µν ′ ν (γ ) , (γ ) + = 2g 114 . Neben der Standarddarstellung (oder auch Dirac-Pauli-Darstellung) der Dirac-Matrizen gibt es noch einige andere, häufig verwendete Spezialdarstellungen. Erwähnt seien insbesondere: 1. die chirale Darstellung, die mit Hilfe der Transformation 112 −112 1 √ M= 2 112 112 aus der Standarddarstellung folgt. Man findet: ∅2 112 ∅2 σk , γk = γ0 = − −σ k ∅2 112 ∅2 , γ5 = 112 ∅2 ∅2 −112 . Der Chiralitätsoperator γ 5 ist in dieser Darstellung also diagonal. Aus der chiralen Darstellung erhält man die Weyl -Darstellung durch einen trivialen Vorzeichenwechsel: γ µ → −γ µ (µ = 0, 1, 2, 3). Die Weyl-Darstellung folgt aus der Van-der-Waerden-Gleichung, wenn man ψ ′ = (φ(R) , φ(L) ) statt (R) (L) (R) (L) der Standardform ψ = φ + φ , φ − φ wählt. 2. die Majorana-Darstellung, die dadurch definiert ist, dass der Differentialoperator µ − iγ ν ∂ν in der Dirac-Gleichung reell und die γ-Matrizen somit rein imaginär sind. Folglich kann die allgemeine Lösung der Dirac-Gleichung in dieser Darstellung als Überlagerung reeller Lösungen geschrieben werden. Genau genommen gibt es unendlich viele Majorana-Darstellungen, da man aus einer konkreten Darstellung mit Hilfe reeller Transformationen M unendlich viele äquivalente Darstellungen mit imaginärem γ ν erzeugen kann. Ein Beispiel einer Majorana-Darstellung ist: 3 iσ ∅2 ∅2 σ 2 ∅2 −σ 2 1 0 2 , γ = γ = , γ = σ 2 ∅2 ∅2 iσ 3 σ2 ∅2 σ2 ∅2 −iσ 1 ∅2 . , γ5 = γ3 = ∅2 −σ 2 ∅2 −iσ 1 2 Man erhält diese Darstellung aus der Standarddarstellung mit Hilfe von M = √12 1σ122 −σ11 . 2 6.2 Einfachster Fall: Masselose Fermionen Masselose Fermionen (oder auch Fermionen mit für viele Zwecke vernachlässigbar kleinen Ruhemassen: Neutrinos, Antineutrinos) erfüllen die Weyl-Gleichungen: (i~σ k ∂k − i~∂0 )φ(L) = 0 ; (i~σ k ∂k + i~∂0 )φ(R) = 0 , die direkt aus der Van-der-Waerden-Gleichung mit m0 = 0 folgen. Sucht man Lösungen dieser Gleichungen in der Form von ebenen Wellen: 1 (L,R) φ(L,R) (x, t) = √ eλi(k·x−ωk t) φ0 V dann findet man mit p = λ~k, ~ ∇φ(L,R) = λ~kφ(L,R) = pφ(L,R) , i (λ = ±, ωk = c|k| > 0) , 100 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG dass λ~ωk (L) φ0 = 0 σ·p+ c ; λ~ωk (R) σ·p− φ0 = 0 c (L,R) gilt, so dass φ0 Eigenspinoren des Helizitätsoperators σ · p̂ mit p̂ ≡ p/|p| sind, und zwar mit (L) entgegengesetzten Eigenwerten: Bei gleichem 4-Impuls pµ = λ~ ωck , k sind die Helizitäten von φ0 (R) und φ0 gleich groß und entgegengesetzt: (L) (σ · p̂)φ0 (R) = −(σ · p̂)φ0 =− λ~ωk (L,R) (L,R) . = −λφ0 φ c~|k| 0 Die entsprechenden 4-Spinoren sind (L) (R) φ φ (R) ψ (L) = ; ψ = , (L) −φ φ(R) so dass γ 5 ψ (L) = −ψ (L) ; γ 5 ψ (R) = +ψ (R) ; γ5 ≡ ∅2 112 . 112 ∅2 Die Helizität und Chiralität sind also gleich für λ = + und entgegengesetzt für λ = −. Man bezeichnet γ 5 als den Chiralitätsoperator (von Gr. χειρ = Hand, also „Händigkeit“) und die Eigenwerte von γ 5 als die Chiralität von ψ (L) oder ψ (R) . Nun findet man experimentell, dass Neutrinos immer linkshändig sind, also von φ(L) bzw. ψ (L) beschrieben werden und γ 5 -Eigenwert −1 haben. Ebenso findet man, dass Antineutrinos immer rechtshändig sind, also von φ(R) bzw. ψ (R) beschrieben werden und γ 5 -Eigenwert +1 haben. Die Weyl-Gleichungen und die Idee links- und rechtshändiger Lösungen der Dirac-Gleichung wurden zunächst von Pauli abgelehnt, da die Weyl-Gleichungen unter einer Paritätstransformation (Rauminversion) nicht manifest invariant sind. Die Weyl-Gleichungen wurden später (1957) im Rahmen der Untersuchung von Paritätsverletzung im β-Zerfall wiederbelebt. 6.3 Hamilton-Form der Dirac-Gleichung Aus der vorher diskutierten Form der Dirac-Gleichung: m c 0 0= − iγ 0 ∂0 − iγ k ∂k ψ ~ folgt direkt eine „Hamilton-Form“, wenn man mit ~cγ 0 multipliziert: ∂ψ = −ic~γ 0 γ k ∂k + γ 0 m0 c2 ψ ≡ −ic~αk ∂k + βm0 c2 ψ = (cαk pk + βm0 c2 )ψ ≡ Ĥψ . i~ ∂t Hierbei wurde die folgende, ebenfalls häufig verwendete Notation eingeführt: ∅2 σ k β = γ 0 ; αk = γ 0 γ k = = −γ k γ 0 . σ k ∅2 Der Hamilton-Operator Ĥ ist hermitesch, da β† = β ; (αk )† = αk gilt. Außerdem gelten die Beziehungen: i j α , α + = αi αj + αj αi = −γ i γ 0 γ 0 γ j + −γ j γ 0 γ 0 γ i = − γ i , γ j + = −2g ij 114 = 2δij 114 i α , β + = −γ i γ 0 γ 0 + γ 0 γ 0 γ i = ∅4 (αi )2 = β 2 = 114 . Auf die Hamilton-Form der Dirac-Gleichung werden wir im Folgenden noch ausführlich zurückkommen. 101 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG 6.4 Beziehung zur Klein-Gordon-Gleichung ∂ Zweifache Anwendung des „Energieoperators“ i~ ∂t auf die Wellenfunktion ψ liefert: −~2 oder auch 2 ∂2 ψ = −i~cαk ∂k + βm0 c2 ψ 2 ∂t = −~2 c2 αi αj ∂i ∂j − i~m0 c3 αk β + βαk ∂k + m20 c4 114 ψ = − 21 ~2 c2 αi αj + αj αi ∂i ∂j + m20 c4 114 ψ = −~2 c2 ∆ + m20 c4 ψ 1 ∂2ψ = ∆ − µ2 ψ 2 2 c ∂t ; µ= m0 c –−1 =λ Compton . ~ Folglich erfüllt jede Komponente von ψ einzeln die Klein-Gordon-Gleichung. 6.5 Kontinuitätsgleichung und Erhaltungsgesetz Wir multiplizieren die Dirac-Gleichung für den Spinor ψ = (ψ1 , . . . , ψ4 ) von links mit ψ † = (ψ1∗ , . . . , ψ4∗ ) , i~ψ † ∂ψ = −i~cψ † αk ∂k ψ + m0 c2 ψ † βψ , ∂t und subtrahieren die konjugierte Variante, −i~ ∂ψ † ψ = i~c(∂k ψ † )(αk )† ψ + m0 c2 ψ † β † ψ , ∂t mit dem Ergebnis: ∂ † (ψ ψ) = −c ∂k ψ † αk ψ + ψ † αk (∂k ψ) = −c∂k (ψ † αk ψ) , ∂t wobei die Eigenschaften β † = β, (αk )† = αk verwendet wurden. Es gilt also die Kontinuitätsgleichung: ∂ρ +∇·j=0 ∂t mit ρ ≡ ψ†ψ j = cψ † αψ . ; In 4-Schreibweise gilt wie üblich ∂ν j ν = 0, j ν = (cρ, j) . 6.6 Lorentz-Kovarianz der Dirac-Gleichung Die Dirac-Gleichung (−iγ ν ∂ν + µ)ψ = 0 ; µ= m0 c ~ muss forminvariant sein unter einer Lorentz- (oder genauer: Poincaré-) Transformation: x′ = Λx + a , ψ ′ (x′ ) = S(Λ)ψ(x) = S(Λ)ψ(Λ−1 (x′ − a)) , damit sie als relativistische Wellengleichung akzeptabel ist. Diese Forderung der Forminvarianz legt das Transformationsverhalten von ψ(x) bzw. der Matrix S(Λ) fest. Es soll also gelten: (−iγ ν ∂ν′ + µ)ψ ′ (x′ ) = 0 , 102 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG wobei die Ableitungen vor und nach der Transformation wie folgt miteinander verknüpft sind: ∂ν′ = ∂ ∂(x′ )ν ; ∂µ = ∂(x′ )ν ′ ∂ = Λν µ ∂ν′ . ∂xµ ν Die Kombination beider Gleichungen liefert: 0 = (−iγ ν ∂ν + µ)ψ(x) − S(Λ)−1 (−iγ ν ∂ν′ + µ)ψ ′ (x′ ) = −i γ µ ∂µ − S(Λ)−1 γ ν ∂ν′ S(Λ) ψ(x) = −i Λν µ γ µ − S(Λ)−1 γ ν S(Λ) ∂ν′ ψ Λ−1 (x′ − a) . Damit das rechte Glied für alle ψ(x) gleich Null ist, muss gelten: S(Λ)−1 γ ν S(Λ) = Λν µ γ µ . (6.1) Diese Gleichung legt das Transformationsverhalten von ψ unter Poincaré-Transformationen fest und wird später (s. Abschnitt [6.9]) der Startpunkt für eine konkrete Berechnung von S(Λ) sein. Die Existenz von Lösungen S(Λ) von (6.3) beweist die Lorentz-Kovarianz der Dirac-Gleichung. Aufgrund der allgemeinen Theorie der Lie-Gruppen ist klar, dass die Matrizen S(Λ) eine 4-dimensionale (Spinor)darstellung der Lorentz-Gruppe bilden. 6.7 Historische Bemerkung zur Herleitung der Dirac-Gleichung Dirac hat seine Wellengleichung 1928 aufgrund der folgenden Überlegungen aufgestellt: 1. Die Wellengleichung sollte linear in der Zeitableitung sein, damit eine erhaltene Wahrscheinlichkeit existiert. 2. Sie sollte daher auch linear in den Ortsableitungen sein, damit Orts- und Zeitableitungen bei Lorentz-Transformationen in gleicher Weise transformiert werden. Diese ersten beiden Forderungen führen auf die allgemeine Form der Dirac-Gleichung: i~ ∂ψ = (−i~cαk ∂k + βm0 c2 )ψ , ∂t wobei die Eigenschaften der „Objekte“ αk und β zunächst noch unbekannt sind. Zahlen können es nicht sein, da die Dirac-Gleichung dann nicht einmal rotationsinvariant wäre. Wir nehmen an, dass αk und β N × N -Matrizen und ψ ein N -Spinor sind. 3. Die Komponenten von ψ sollen die Klein-Gordon-Gleichung erfüllen, damit für ebene Wellen die relativistische Energiebeziehung E 2 = c2 p2 + m20 c4 gilt. Als Konsequenz folgt: i i j α , β + = ∅N , β 2 = 11N . α , α + = 2δij 11N , 4. Es existiert ein divergenzfreier 4-Strom mit nicht-negativer Komponente j 0 . Als Konsequenz folgt: (αk )† = αk , β† = β . 5. Die Gleichung muss Lorentz-kovariant sein. Aus Abschnitt [6.6] wissen wir bereits, dass diese Bedingung erfüllt ist. Aus der Bedingung αi , β + = ∅N folgt sofort: Sp(αi ) = Sp(−βαi β) = −Sp(αi β 2 ) = −Sp(αi ) Sp(β) = Sp(−αi βαi ) = −Sp β(αi )2 = −Sp(β) , 103 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG so dass gelten muss: Sp(αi ) = 0 = Summe der Eigenwerte von αi Sp(β) = 0 = Summe der Eigenwerte von β . Wegen (αi )2 = β 2 = 11 sind diese Eigenwerte jedoch alle gleich ±1, so dass die Dimension N von ψ gerade sein muss. Für N = 2 existiert keine Lösung, da es nur drei antikommutierende 2 × 2 Matrizen gibt (nämlich die Pauli-Matrizen σ1 , σ2 , σ3 ). Wie wir gesehen haben, existiert für N = 4 tatsächlich eine Lösung. 6.8 Ankopplung an das elektromagnetische Feld Das Strahlungsfeld wird gemäß der Vorschrift der minimalen Kopplung berücksichtigt, wobei der kanonische Impuls p durch den kinetischen Impuls π = p − eA ersetzt wird: i ∂ ∂ ∂ψ h i~ ∂t → i~ ∂t − eΦ = cα · (p − eA) + βm0 c2 + eΦ114 ψ . i~ p → p − eA ∂t ie In 4-Schreibweise lautet diese Vorschrift: ∂ν → (∂ν + ~c Aν ) ≡ Dν . Sie führt auf die Dirac-Gleichung ie D + µ114 )ψ 0 = −iγ ν ∂ν + Aν + µ114 ψ = (−iγ ν Dν + µ114 )ψ = (−i/ ~c für Elektronen in Wechselwirkung mit einem (klassischen) Strahlungsfeld. In Anwesenheit eines elektromagnetischen Feldes kann man natürlich nicht mehr erwarten, dass die einzelnen Komponenten des Dirac-Spinors die Klein-Gordon-Gleichung (Dν Dν + µ2 )ψ = 0 erfüllen, da Diracs dritte Forderung (s. Abschnitt [6.7]) nur für freie Teilchen zutrifft. Eine verallgemeinerte Gleichung vom Klein-Gordon-Typ, die auch in Anwesenheit eines Strahlungsfeldes gilt und üblicherweise als die „quadratische Dirac-Gleichung“ bezeichnet wird, folgt durch Multiplikation der Dirac-Gleichung (−i/ D + µ114 )ψ = 0 von links mit (i/ D + µ114 ). Das Ergebnis lautet: e (Dν Dν + µ2 )114 + 2~c (6.2) σ µν Fµν ψ = 0 , wobei die 4 × 4-Matrizen σ µν durch σ µν ≡ 2i [γ µ , γ ν ]− definiert sind und wie üblich: F µν = (∂ µ Aν − ∂ ν Aµ ), Aν = (Φ, cA) gilt. Die Matrizen σ µν sind in der Standarddarstellung explizit durch σ ∅2 0 σk 0k σ µµ = 0 ; σ kℓ = εkℓm Σm mit Σ ≡ ∅ ; σ = i . k σ σ 0 2 gegeben. Gleichung (6.2) zeigt, dass man zusätzlich zum Differentialoperator (Dν Dν +µ2 ) aus der Kleine Gordon-Theorie nun auch einen Beitrag 2~c σ µν Fµν erhält, die die Komponenten des Dirac-Spinors miteinander koppelt. Man überprüft leicht, dass die Kontinuitätsgleichung ∂̺ ∂t + ∇ · j mit der Wahrscheinlichkeitsdichte ̺ = ψ † ψ und der Wahrscheinlichkeitsstromdichte j = cψ † αψ unverändert auch in Anwesenheit eines R R elektromagnetischen Felds gilt. Die entsprechende Erhaltungsgröße ist Q = dx ̺ = dx ψ † ψ. Damit die Dirac-Gleichung auch in Anwesenheit eines Strahlungsfeldes Lorentz-kovariant ist, muss ′ ′ ie ′ Aν ) gelten. Aus neben 0 = (−i/ D + µ114 )ψ(x) auch 0 = (−i/ D + µ114 )ψ ′ (x′ ) mit D / = γ ν Dν′ = γ ν (∂ν′ + ~c ν ′ dem Transformationsverhalten ∂µ = Λ µ ∂ν der Ableitungen und Aµ (x) = (Λ−1 )µν A′ν (x′ ) = Λν µ A′ν (x′ ) des 4-Potentials folgt sofort: Dµ = Λν µ Dν′ . Analog zur Herleitung in Abschnitt [6.6] findet man nun: 0 = (−iγ ν Dν + µ)ψ(x) − S(Λ)−1 (−iγ ν Dν′ + µ)ψ ′ (x′ ) = −i γ µ Dµ − S(Λ)−1 γ ν Dν′ S(Λ) ψ(x) = −i Λν µ γ µ − S(Λ)−1 γ ν S(Λ) Dν′ ψ Λ−1 (x′ − a) , 104 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG so dass wiederum S(Λ)−1 γ ν S(Λ) = Λν µ γ µ (6.3) gilt. Da diese Konsistenzgleichung für S(Λ), wie bereits vorher erwähnt, leicht explizit gelöst werden kann, ist die Dirac-Gleichung also auch in Anwesenheit eines Strahlungsfeldes Lorentz-kovariant. 6.9 Transformation des Dirac-Spinors unter Lorentz-Transformationen Lorentz-Transformationen lassen (ds)2 = dxν dxν invariant und erfüllen daher die Gleichung Λµλ g µν Λν ̺ = g λρ bzw. ΛT gΛ = g , (ΛT )µν ≡ Λν µ . (6.4) Der Spinor ψ wird unter einer Lorentz-Transformation abgebildet auf ψ ′ (x′ ) = S(Λ)ψ(x), wobei wir bislang nur wissen [s. Gl. (6.3)], dass S(Λ) mit Λ gemäß S(Λ)−1 γ ν S(Λ) = Λν µ γ µ verknüpft ist. Um S(Λ) explizit zu bestimmen, betrachten wir eine infinitesimale eigentliche, orthochrone Lorentz-Transformation: Λλµ = g λµ + ω λµ und setzen diese in ΛT gΛ = g ein: g λ̺ = (gµ λ + ωµλ )g µν (gν ̺ + ων ̺ ) = gµ λ g µν gν ̺ + ωµ λ g µν gν ̺ + gµ λ g µν ων ̺ + O(ω 2 ) = g λ̺ + (ω ̺λ + ω λ̺ ) + O(ω 2 ) , so dass ω antisymmetrisch ist: ω λρ = −ω ρλ . Über die Transformation S(Λ) = 11 + τ (Λ) mit infinitesimalem τ wissen wir zweierlei: 1. Aus der Gleichung S(Λ)−1 γ ν S(Λ) = Λν µ γ µ folgt eine einfache lineare Beziehung zwischen τ und ω: [γ ν , τ ]− = ω ν µ γ µ . Diese Beziehung folgt durch Linearisierung der Gleichung bezüglich τ und ω ν µ und den Vergleich der linearen Ordnungen auf beiden Seiten. 2. Außerdem gilt: S(Λ)† = γ 0 S(Λ)−1 γ 0 . (6.5) Dies folgt daraus, dass j 0 = cψ † ψ die 0-Komponente des 4-Stroms j ν = cψ † γ 0 γ ν ψ ist und dementsprechend als 0-Komponente eines 4-Vektors transformiert werden muss: cψ † S † Sψ = (j ′ )0 = Λ0 ν j ν = Λ0 ν cψ † γ 0 γ ν ψ = cψ † γ 0 (Λ0 ν γ ν )ψ = cψ † γ 0 S −1 γ 0 Sψ . Dies kann nur dann für alle ψ gelten, wenn S † S = γ 0 S −1 γ 0 S bzw. S † = γ 0 S −1 γ 0 gilt. Für S = 11 + τ mit infinitesimalem τ folgt noch: τ † = −γ 0 τ γ 0 . (6.6) 105 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG Wie man leicht überprüft, hat die allgemeine Lösung der Gleichung [γ ν , τ ]− = ω ν µ γ µ die Form τ = a(ω)11 + 18 ω µν [γµ , γν ]− = a(ω)11 − 41 iω µν σµν , wobei a(ω) linear in {ω ν µ }, aber ansonsten beliebig ist. Einsetzen in (6.6) zeigt, dass a(ω) imaginär sein muss, a∗ = −a bzw. a = iϕ, und daher lediglich die Phase der Wellenfunktion ändert: S = 11(1 + iϕ) − 41 iω µν σµν + O(ω 2 ) = eiϕ [11 − 14 iω µν σµν + O(ω 2 )] . O.B.d.A. kann man also ϕ = 0 wählen: S = 11 − 14 iω µν σµν + O(ω 2 ) . Wenden wir nun N mal eine Lorentz-Transformation mit ω µν = S= i µν 11 − Ω σµν 4N N 1 µν → e− 4 iΩ σµν 1 µν NΩ an, so folgt: (N → ∞) . Es ist übrigens einfach, Kontakt zur Standarddarstellung Λ = e−iα·L−φβ̂·M herzustellen. Aus 0 −φβ̂1 −φβ̂1 0 −φβ̂2 α3 −φβ̂3 −α2 φ ≡ artanh(β) , −φβ̂2 −α3 0 α1 folgt nämlich sofort, dass Ωi0 = −φβ̂i −φβ̂3 0 10 α2 Ω = lim N (Λ1/N − 11)ν = 20 µ Ω −α1 N →∞ Ω30 0 −Ω01 0 −Ω21 −Ω31 −Ω02 −Ω12 0 −Ω32 −Ω03 −Ω13 −Ω23 0 Ωij = εijk αk ; gilt. Wir diskutieren zwei Beispiele: 1. Für eine Drehung um einen Winkel α um die ê3 -Achse (ohne Geschwindigkeitstransformation) gilt 1 1 α = αê3 und β = 0 und somit Ω12 = α = −Ω21 . Es folgt S = e− 4 iα(σ12 −σ21 ) = e− 2 iασ12 wegen der Antisymmetrie der σµν -Matrizen unter Vertauschung der Indizes (µ, ν). Da die (4 × 4)-Matrix σ12 durch 3 σ ∅2 σ12 = g1µ g2ν σ µν = σ 12 = ε12k Σk = Σ3 = ∅2 σ 3 gegeben ist, folgt die Matrix S sofort als: S(α) = 1 e− 2 iα e ∅ 1 2 iα e ∅ − 21 iα 1 e 2 iα = cos 1 2α 114 − i sin 1 2α Σ3 . Beispielsweise findet man S(π) = −iΣ3 , S(2π) = −114 , S(3π) = iΣ3 und S(4π) = 114 . Das Transformationsverhalten von Dirac-Spinoren unter Drehungen ist also ähnlich wie dasjenige von Pauli-Spinoren in der nicht-relativistischen Theorie. 106 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG 2. Für eine reine Geschwindigkeitstransformation in ê1 -Richtung (ohne Drehung) gilt β = βê1 und 1 1 α = 0 und daher Ω10 = −φ = −Ω01 mit φ = artanh(β). Es folgt S = e− 4 iφ(σ10 −σ01 ) = e− 2 iφσ10 mit ∅ σ′ , σ10 = g1µ g0ν σ µν = −σ 10 = σ 01 = iα1 = i 2′ σ ∅2 d. h. explizit S=e 1 1 2 φα = cosh 1 2φ 114 + sinh 1 2φ 1 α = r γ+1 114 + 2 r γ−1 1 α . 2 Ein ruhendes Teilchen im Inertialsystem K, z. B. mit dem Dirac-Spinor ψ = √1V (1, 0, 0, 0) und der Wahrscheinlichkeitsdichteq ψ † ψ = 1/V , erscheint K ′ also als bewegtes Teilchen q im Inertialsystem mit dem Spinor ψ ′ = 6.10 √1 V 1 2 (γ + 1), 0, 0, 1 2 (γ − 1) und der Dichte (ψ ′ )† ψ ′ = γ/V . Lagrange- und Hamilton-Dichte Die Dirac-Gleichung kann, ähnlich wie die Schrödinger- und Klein-Gordon-Gleichungen, aus einem Variationsprinzip hergeleitet werden. Die entsprechende Lagrange-Dichte ist: L = 21 ic~ ψ † γ 0 γ µ ∂µ ψ − ∂µ ψ † γ 0 γ µ ψ − m0 c2 ψ † γ 0 ψ − eψ † γ 0 γ µ Aµ ψ . Es sei zuerst darauf hingewiesen, dass diese Lagrange-Dichte unter Lorentz-Transformationen wie ein Skalar transformiert wird, denn es gilt: Λ ψ† γ 0 ψ − → (Sψ)† γ 0 (Sψ) = ψ † S † γ 0 Sψ = ψ † (γ 0 S −1 γ 0 )γ 0 Sψ = ψ † γ 0 ψ und Λ ψ † γ 0 γ ν ∂ν ψ − → ψ † S † γ 0 γ ν ∂ν′ Sψ = ψ † (γ 0 S −1 γ 0 )γ 0 γ ν S∂ν′ ψ = ψ † γ 0 (S −1 γ ν S)∂ν′ ψ = ψ † γ 0 γ µ (Λν µ ∂ν′ )ψ = ψ † γ 0 γ µ ∂µ ψ und analog: Λ ψ † γ 0 γ ν Aν ψ − → ψ † γ 0 γ ν Aν ψ . Hierbei wurden die Identitäten S † = γ 0 S −1 γ 0 , S −1 γ ν S = Λν µ γ µ und ∂µ = Λν µ ∂ν′ verwendet (s. Gleichung (6.3) und (6.5)). Die Euler-Lagrange-Gleichung lautet: ∂L ∂L = 21 ic~γ 0 γ µ ∂µ ψ − m0 c2 γ 0 ψ − ∂µ − 12 ic~γ 0 γ µ ψ − eγ 0 γ µ Aµ ψ 0= − ∂µ † † ∂ψ ∂(∂µ ψ ) ie µ 0 D + µ)ψ , = −c~γ −iγ ∂µ + Aµ + µ ψ = −c~γ 0 (−iγ µ Dµ + µ)ψ = −c~γ 0 (−i/ ~c d. h. (−i/ D + µ)ψ = 0 , so dass ψ tatsächlich die Dirac-Gleichung erfüllt. Die kanonisch konjugierten Impulse sind π= ∂L = 21 i~ψ † ∂(∂t ψ) ; π† = ∂L = − 21 i~ψ , ∂(∂t ψ † ) und die Hamilton-Dichte ist: H = 21 i~ ψ † (∂t ψ) − (∂t ψ † )ψ − L = − 21 ic~ ψ † γ 0 γ k ∂k ψ − (∂k ψ † )γ 0 γ k ψ + m0 c2 ψ † γ 0 ψ + eψ † γ 0 γ µ Aµ ψ , 107 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG so dass die Hamilton-Funktion durch Z Z H = dx H = dx ψ † [−ic~αk ∂k + m0 c2 β + eγ 0 γ µ Aµ ]ψ Z Z = dx ψ † [cα · (p − eA) + m0 c2 β + eΦ114 ]ψ = dx ψ † Ĥψ gegeben ist. Betrachten wir zuerst den Spezialfall eines freien Dirac-Teilchens (Aµ = 0). Aus der Translationsinvarianz der Lagrange-Dichte folgt in diesem Fall mit Hilfe des Noether-Theorems, dass der EnergieImpuls-Tensor divergenzfrei und damit der 4-Vektor ( 1c H, P) eine Erhaltungsgröße ist. Der Gesamtimpuls P ist hierbei durch Z ~ P= dx ψ † ∇ψ i gegeben. Für den allgemeinen Fall eines geladenen Dirac-Teilchens, angekoppelt an das elektromagnetische Feld (Aµ 6= 0) ist der 4-Impuls des Dirac-Feldes ebenfalls durch P µ = 1c H, P gegeben, nur ist dieser 4-Vektor nun im Allgemeinen nicht erhalten und nicht einmal eichinvariant. Eichinvariant (und daher messbar) ist wie üblich nur der kinetische 4-Impuls: R Z † R dx ψ † [α · (p − eA) + m0 cβ] ψ (µ = 0) Πµ ≡ P µ − ec dx ψ † Aµ ψ = dx ψ (p − eA)ψ (µ = 1, 2, 3) . Die Gesamtladung folgt allgemein als Z Q = e dx ψ † ψ , d. h. als Integral der Ladungsdichte. Man sieht, dass Größen wie Energie, Impuls und Ladung in der Dirac-Theorie, ähnlich wie in der Schrödinger-Theorie, durch Erwartungswerte hermitescher Operatoren (Observablen) im Zustand ψ gegeben sind. 6.11 Nicht-relativistischer Limes Wir betrachten nun insbesondere den nicht-relativistischen Limes. Man erwartet, dass sich die DiracGleichung in diesem Fall auf die Pauli-Gleichung reduziert. Es gilt: ψA ∂ ψA = (cα · π + βm0 c2 + eΦ114 ) i~ ψB ∂t ψB ψA ∅2 σ 112 ∅2 = c m0 c2 + eΦ114 ·π+ ψB ∅2 − 112 σ ∅2 ψA ψA σ · πψB , + m 0 c2 + eΦ =c −ψB ψB σ · πψA wobei der letzte Term im nicht-relativistischen Limes dominiert. Wir suchen Lösungen mit positiver Frequenz im c2 t ψA φA − 0~ ≡e , ψB φB wobei φA,B (t) zeitlich langsam variieren soll. Es folgt: 0 φA σ · πφB ∂ φA 2 − 2m0 c . + eΦ =c i~ φB φB σ · πφA ∂t φB Da ~∂t φB und eΦφB klein sind im Vergleich zu 2m0 c2 φB , muss gelten: cσ · πφA ≃ 2m0 c2 φB ⇒ φB ≃ σ·π φA , 2m0 c 108 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG so dass die erste Gleichung lautet: ∂ (σ · π)(σ · π) i~ φA = + eΦ112 φA . ∂t 2m0 Mit Hilfe von (σ · π)(σ · π) = π 2 112 + iσ · (π × π) und e~ ~ ~ ∇ − eA × ∇ − eA φA = − [∇ × (AφA ) + A × ∇φA ] i i i e~ e~ = − (∇ × A)φA = − BφA i i (π × π)φA = findet man 2 ∂ π e~ i~ φA = 112 − (σ·B) + eΦ112 φA . ∂t 2m0 2m0 Dies ist die berühmte Pauli-Gleichung (1927) für nicht-relativistische Elektronen im Magnetfeld. Sie erhält eine besonders einfache Form für ein homogenes Magnetfeld, das z. B. mit Hilfe des Vektorpotentials A = 12 B × x beschrieben werden kann: 2 ∂ e2 2 e p i~ φA = + A + eΦ 112 − (L112 + 2S) · B φA . ∂t 2m0 2m0 2m0 Hierbei ist der Spinoperator wie üblich gemäß S = 21 ~σ mit den Pauli-Matrizen verknüpft. Die DiracGleichung sagt also automatisch den korrekten gyromagnetischen Faktor g = 2 vorher. 6.12 Anomale magnetische Momente Experimentell ist der gyromagnetische Faktor des Elektrons nicht genau gleich zwei. Man findet (Kusch, 1947): α 2 µB α µel = − gel S ; gel = 2 1 + − (0.327 ± 0.005) + ... . ~ 2π π Die Korrekturen zur Dirac-Theorie (g = 2) kann man im Rahmen der QED, d. h. durch Emission und Absorption von virtuellen Photonen, erklären. Insofern sind das magnetische Moment des Elektrons und dasjenige des Myons „normal“: Diese Teilchen werden im Wesentlichen durch die Dirac-Gleichung beschrieben. Es gibt jedoch auch Fermionen, deren magnetische Momente anomal sind, mit g-Faktoren, die stark vom „reinen“ Dirac-Wert g = 2 abweichen. Beispiele sind das Proton (g = 5,58, so dass das magnetische |e|~ ≡ 2, 79µn ist), das Neutron (mit einem Moment gleich −1, 93µn) und das Moment gleich 2, 79 2m p Λ-Hyperon. Das Moment des Neutrons folgt experimentell z. B. aus dem Moment des Deuterons: µNeutron = µDeuteron − µProton = (0, 86 − 2, 79)µn = −1, 93µn . Dieses Ergebnis ist um so erstaunlicher, da man aufgrund der Proportionalität von µB und µn zur Einheitsladung |e| für neutrale Teilchen (Neutron, Λ-Hyperon) ein magnetisches Moment gleich Null erwarten würde. Anomale magnetische Momente können phänomenologisch mit Hilfe einer von Pauli formulierten Verallgemeinerung der Dirac-Gleichung beschrieben werden. Für das Proton sagt die verallgemeinerte Wellengleichung: mp c ep κ iep µν σµν ≡ 21 i [γµ , γν ]− F σ Aν + − −iγ ν ∂ν + µν ψ = 0 ; ~c ~ 4mp c2 109 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG z. B. ein magnetisches Moment ep [L112 + 2(1 + κ)S] µ= 2mp voraus und daher einen gyromagnetischen Faktor g = 2(1 + κ). Das anomale magnetische Moment des Protons kann zum Teil bereits phänomenologisch aufgrund der Emission und Absorption virtueller Mesonen verstanden werden. Die Wechselwirkung des Protons mit dem Mesonenfeld ist vergleichbar mit der Wechselwirkung des Elektrons mit dem Strahlungsfeld. Ähnlich wie der Austausch von Photonen zu einer effektiven (Coulomb-)Wechselwirkung zwischen Elektronen führt, kann die starke Wechselwirkung zwischen Hadronen auch als Austausch virtueller Mesonen verstanden werden. Anders als die langreichweitige Coulomb-Wechselwirkung ist die starke Wechselwirkung allerdings sehr kurzreichweitig –Compton ≃ 1, 41 · 10−15 m) und nicht ohne weiteres in Störungstheorie zugänglich. Im Detail ist (µ−1 = λ die Erklärung anomaler magnetischer Momente übrigens sehr viel komplizierter als der hier skizzierte phänomenologische Zugang mit Hilfe virtueller Mesonen. Protonen und Neutronen sind aus Quarks und Gluonen aufgebaute Komposita und sollten daher im Rahmen der QCD beschrieben werden. Moderne Experimente zeigen, dass die Quarkspins alleine den Nukleonenspin nicht erklären können. Dies hat zu der Vermutung geführt, dass auch die Gluonen zum Nukleonenspin beitragen. Diese Vermutung scheint experimentell bestätigt zu werden (s. z. B. Phys. Rev. Lett. 84, 2584 (2000)). 6.13 Entwicklung um den nicht-relativistischen Limes Aus Abschnitt [5.12] ist bereits bekannt, dass relativistische Wellengleichungen, die durch einen Hamilton-Operator charakterisiert werden, mit Hilfe der Foldy-Wouthuysen-Transformation um den nichtrelativistischen Limes entwickelt werden können. In Abschnitt [5.12] und in der Übung wurde diese Methode auf die Hamilton-Form der Klein-Gordon-Gleichung angewandt. Wir wissen mittlerweile, dass die Foldy-Wouthuysen-Methode im Wesentlichen einer Reihenentwicklung nach Potenzen des dimensionslosen Parameters ǫFW ≡ ENR /m0 c2 entspricht, wobei ENR eine typische nicht-relativistische Energie ist, und dass das Verfahren nur dann Sinn macht, wenn ǫFW ≪ 1 gilt, d. h. im nicht-relativistischen Limes. In diesem Abschnitt diskutieren wir die Resultate der Foldy-Wouthuysen-Transformation für die Dirac-Gleichung bis O(ǫ3FW m0 c2 ). Die Hamilton-Form der Dirac-Gleichung lautet i~ ∂ψ ∂t = Ĥψ, wobei der Hamilton-Operator Ĥ in der Form Ĥ = βm0 c2 + cα · π + eΦ114 = βm0 c2 + G + U dargestellt werden kann, wobei wie üblich π = p − eA gilt und die geraden bzw. ungeraden Anteile des Hamilton-Operators durch G ≡ eΦ114 , U ≡ cα · π definiert werden. Hierbei ist der gerade Anteil G offensichtlich von Ordnung ENR = ǫFW m0 c2 , während der ungerade Anteil U wegen (cα · π)2 (α · π)2 U2 = = = O(ǫFW m0 c2 ) 2 2 m0 c m0 c m0 √ von Ordnung ǫFW m0 c2 ist. Im Falle eines Elektrons (der Masse m0 ) im Grundzustand des Wasserstoffatoms weiß man z.B. aufgrund von Ry = 12 α2 m0 c2 , dass ǫFW = α2 gilt. Aus der Übung ist bekannt, dass man den Hamilton-Operator mit Hilfe dreier Foldy-WouthuysenTransformationen, S S′ S ′′ H −→ H ′ −→ H ′′ −→ H ′′′ , auf die Form H ′′′ = β m0 c2 + U4 U2 − 2 2m0 c 8(m0 c2 )3 +G− [U, [U, G]− + i~U̇]− 5/2 + O(ǫFW m0 c2 ) 8(m0 c2 )2 110 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG bringen kann. Hierbei kann der zweite Term im rechten Glied mit Hilfe der Identität (σ · π)2 = π 2 114 − e~(σ · B) als 1 (α · π)2 1 U2 ∅2 σ·π (σ · π)2 ∅2 = = = ∅2 (σ · π)2 σ·π ∅2 2m0 c2 2m0 2m0 2m0 π2 e~ ∅2 σ = 114 − Σ·B , Σ= σ ∅2 2m0 2m0 und der dritte Term als 2 2 U2 1 e~ 1 π2 U4 = 114 − Σ·B = 8(m0 c2 )3 2 2m0 c2 2 2m0 2m0 geschrieben werden. Außerdem folgt [U, G]− + i~U̇ = [cα · (p − eA), eΦ114 ]− − ie~cα · ∂A ∂A = ie~cα · E = ie~c −∇Φ − ∂t ∂t und [U, α · E]− = c[α · π, α · E]− = c =c = [σ · π, σ · E]− ∅2 ∅2 σ·π ∅2 σ·π , σ·E ∅2 σ·E ∅2 ∅2 [σ · π, σ · E]− − ~c (∇ · E)114 + ~cΣ · (∇ × E) − 2icΣ · (E × π) , i wobei [σ · π, σ · E]− = (π · E)112 + iσ · (π × E) − (E · π)112 − iσ · (E × π) = (p · E)112 + iσ · (π × E − E × π) = ~i (∇ · E)112 + ~σ · (∇ × E) − 2iσ · (E × π) verwendet wurde. Insgesamt erhält man also einschließlich der Terme von O(ǫ2FW m0 c2 ) den HamiltonOperator " 2 2 # e~ 1 π e~ π2 ′′′ 2 − Σ·B− 114 − Σ·B + eΦ114 H = β m0 c + 2m0 2m0 2m0 c2 2m0 2m0 ~c ie~c 5/2 (∇ · E)114 + ~cΣ · (∇ × E) − 2icΣ · (E × π) + O(ǫFW m0 c2 ) . − 8(m0 c2 )2 i Bezeichnen wir die transformierte Wellenfunktion nun als ψ ′′′ , so stellen wir fest, dass die oberen und 5/2 unteren Komponenten von ψ ′′′ bis zur O(ǫFW m0 c2 ) vollständig entkoppelt sind. Teilchenartige (d. h. positiv-frequente) Lösungen können daher als φ ′′′ −im0 c2 t/~ ψ =e 0 dargestellt werden, wobei φ(x, t) zeitlich langsam variiert. Für den 2-Spinor φ(x, t) erhält man nun die Wellengleichung # (" 2 2 ∂φ e 1 π π2 (ecB)2 i~ 112 + eΦ − 2 ∇ · E − = − 2 ∂t 2m0 8µ 2m0 c2 2m0 8µ m0 c2 ∆B (pB)T · π e π2 /2m0 e + 2 − + 2 2 S · (p × E − 2E × π) φ , S· B 1− −g 2m0 m 0 c2 4µ 2(m0 c)2 4µ ~ 111 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG wobei der Spinoperator des Elektrons wie üblich durch S = 12 ~σ gegeben ist und ein gyromagnetischer Faktor g = 2 eingeführt wurde. Wichtig ist, dass der Differentialoperator ∇ in den Termen ∇ · E und p × E = ~i (∇ × E) nur auf das E-Feld und nicht auf die Wellenfunktion φ wirken soll. Ähnliches gilt für die zweite Ableitung ∆B und für die Dyade pB = ~i ∇B. Als Beispiel betrachten wir ein Elektron in einem statischen elektrischen Feld, E = E(x) = −(∇Φ)(x) mit außerdem A = 0. Es folgt ∇ · E = −∆Φ und p × E = 0, so dass sich die Wellengleichung für den Spinor φ auf # ) (" 2 2 ∂φ 1 p e p2 e i~ − = + eΦ + 2 ∆Φ 112 − 2 2 S · (E × p) φ ∂t 2m0 2m0 c2 2m0 8µ 2µ ~ vereinfacht. Einschließlich der ersten relativistischen Korrekturen erhält man also ein effektives skalares Potential Φ′ = Φ + 8µ1 2 ∆Φ, wobei die relativistische Korrektur 8µ1 2 ∆Φ üblicherweise als Darwin-Term bezeichnet wird. Außerdem kann der Term −(p2 )2 /8m30 c2 wegen # " 2 q p2 1 (p2 )2 p2 p2 2 2 2 4 2 2 − − + ··· . + · · · = m0 c + p c − m0 c = m0 c (m0 c)2 8 (m0 c)2 2m0 8m30 c2 offensichtlich als relativistische Korrektur zur kinetischen Energie interpretiert werden. Die Interpretation des Terms proportional S · (E × p) wird besonders klar für Elektronen in einfachen (d. h. effektiv wasserstoffähnlichen) Atomen, wobei das skalare Potential die Form Φ = Φ(r) mit r ≡ |x| hat. In diesem Fall gilt E(x) = − r1 ∂Φ ∂r (r)x, so dass sich der Operator S · (E × p) auf S · (E × p) = − 1 ∂Φ 1 ∂Φ (r) S · (x × p) = − (r) S · L r ∂r r ∂r vereinfacht. Durch diese dritte relativistische Korrektur (neben dem Darwin-Term und der relativistischen Korrektur zur kinetischen Energie) wird der Spinoperator also mit dem Bahndrehimpulsoperator gekoppelt; diese dritte Korrektur wird daher als Spin-Bahn-Kopplung bezeichnet. Die Bezeichnung Spin-Bahn-Kopplung wird übrigens auch für die allgemeine Form S · (E × p) dieser Korektur verwendet. 6.14 Lösung der Dirac-Gleichung für freie Teilchen Ähnlich wie die Klein-Gordon-Gleichung erlaubt auch die Dirac-Gleichung Lösungen der Form einer ebenen Welle: (λ) ψk (x) 1 (λ) = ψ0k √ eλi(k·x−ωk t) V γk 1 (λ) = ψ0k √ e−λikx V γk (λ) (λ) = ψ0k ϕk (x) , (λ = ±) , (λ) γk ≡ ~ωk m 0 c2 (ωk > 0) (6.7) (λ) wobei die 4-Spinoren ψ0k zeit- und ortsunabhängig sind. Da die einzelnen Komponenten von ψk (x) die Klein-Gordon-Gleichung erfüllen sollen, gilt offensichtlich p ωk = c k2 + µ2 . (λ) Außerdem erfüllt ψ0k die Gleichung: (λ) (−λγ ν kν + µ)ψ0k = 0 . Wir werden diese Gleichung später mehr im Detail betrachten. Zunächst beschränken wir uns auf den allereinfachsten Fall, nämlich k = 0 (also ruhende Teilchen): 0 = (−λ ω0 0 (λ) (λ) γ + µ)ψ00 = −λµ(γ 0 − λ11)ψ00 . c 112 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG (λ) Die möglichen Lösungen für ψk (x) sind in diesem Fall: 1 im0 c2 t 1 1 − im0 c2 t 0 (+) (+) ~ ; ψ2 (t) = √ e− ~ ψ1 (t) = √ e 0 V V 0 0 im0 c2 t 1 1 im0 c2 t (−) (−) 0 √ e ~ ψ1 (t) = √ e ~ ; ψ (t) = 2 1 V V 0 0 1 0 0 0 0 . 0 1 Es gibt also zwei Lösungen mit positiver und zwei mit negativer Frequenz. Nun betrachten wir allgemeine Lösungen der Dirac-Gleichung der Form (6.7) mit kν = (ωk /c, −k) , ωk = c und p k2 + µ2 , γk = ~ωk m 0 c2 (λ) (−λγ ν kν + µ)ψ0k = 0 . (6.8) (λ) Multiplikation von (6.8) mit ~cγ 0 liefert die folgende Gleichung für ψ0k ≡ (uA , uB ): uA 0 0 = ~c −λ (k0 114 − α · k) + µγ uB uA ∅2 σ·k 2 0 = −λ~ωk 114 + m0 c γ + λ~c σ·k ∅2 uB (~ωk − λm0 c2 )uA − ~cσ · kuB = −λ , (~ωk + λm0 c2 )uB − ~cσ · kuA so dass uA = ~cσ · k uB ~ωk − λm0 c2 ; uB = ~cσ · k uA ~ωk + λm0 c2 gilt. Da der Operator σ · k̂ in diesen Relationen offenbar eine zentrale Rolle spielt, lohnt es sich, dessen Eigenvektoren zu betrachten. Wegen (σ · k̂)(σ · k̂) = k̂ · k̂112 = 112 müssen die Eigenwerte von σ · k̂ gleich ±1 sein; das Eigenwertproblem lautet daher (σ · k̂)χ± = ±χ± mit der expliziten Lösung: 1 k̂1 − ik̂2 χ± = q ±1 − k̂3 2(1 ∓ k̂3 ) ; χ†σ χσ′ = δσσ′ ; χ†σ σχσ = σ k̂ . Für die Spezialfälle k̂ = ±ê3 erhält man (abgesehen von trivialen Phasenfaktoren): 1 0 0 1 χ+ = , χ− = (k̂ = ê3 ) ; χ+ = , χ− = (k̂ = −ê3 ) . 0 1 1 0 Für einen allgemeinen fest vorgegebenen Wellenvektor k erhält man also die vier Lösungen: ~cσ·k χσ (−σ) (+σ) ~ωk +m0 c2 χσ ; ψ = N (σ = ±) ψ0k = Nk k ~cσ·k 0k χσ ~ωk +m0 c2 χσ 113 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG d. h. mit Hilfe von (σ · k) χσ = σ|k|χσ : (+σ) ψ0k = Nk χσ ~σ|k|/m0 c χσ γk +1 ; (−σ) ψ0k = Nk ~σ|k|/m0 c γk +1 χσ χσ , wobei Nk eine Normierungskonstante ist. Führen wir nun die Matrizen σ µν ein: l σ ∅2 µ ν νµ 0k k jk µν 1 1 , σ = iα , σ = 2 iεjkl σ ≡ 2 i[γ , γ ]− = −σ ∅2 σ l und die zu σ jk dualen Matrizen Σi : σ ∅2 , Σi ≡ 12 εijk σ jk , Σ = ∅2 σ dann kann der Helizitätsoperator der Dirac-Theorie allgemein als Σ · p̂ geschrieben werden. Interessant (λσ) ist nun, dass die vier Lösungen ψ0k Eigenvektoren des Helizitätsoperators sind, wie man aus σ · k̂ ∅2 Σ · p̂ = λΣ · k̂ = λ , ∅2 σ · k̂ p = λ~k und (λσ) (Σ · p̂) ψ0k (λσ) = λσψ0k sieht. Zustände mit σ = + oder σ = − sind also rechts- bzw. linkshändig für λ = +; für λ = − ist dies genau umgekehrt. Man kann noch schreiben: p p r (~ωk )2 − (m0 c2 )2 γk2 − 1 γk − 1 ~|k|/m0 c = = = . γk + 1 m0 c2 (γk + 1) γk + 1 γk + 1 (λσ) Für alle vier Eigenvektoren ψ0k gilt daher: " 2 # r 2γk γ − 1 k = Nk2 . ψ † ψ = Nk2 χ†σ χσ 1 + σ γk + 1 γk + 1 Wir wählen Nk nun so, dass ψ † ψ als 0-Komponente eines 4-Vektors (z. B. als Energie) transformiert wird: q Nk = 12 (γk + 1) . In diesem Fall gilt nämlich: ψ † ψ = γk . Insgesamt findet man für die freien Lösungen: ! r χσ γk + 1 (λσ) q e−ikx ψk (x) = γ −1 2V γk σ γkk +1 χσ ! q r γk + 1 σ γγk −1 χσ ikx +1 k = e 2V γk χσ (λ = +) (λ = −) . Man überprüft leicht, dass 1 (λσ) † (λ′ σ′ ) 1 (λ σ) † (λ′ σ′ ) ψ ψ ψ ′ = δσσ′ δλλ′ = ψ0,λλ′ k γk 0,λk 0,λ k γk 0k 114 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG (λσ) gilt, so dass die ebenen Wellen ψk (x) im Volumen V orthonormal sind: Z Z ′ ′ 1 (λσ) † (λ′ σ′ ) (λσ) † (λ′ σ′ ) dx ψk (x)ψk′ (x) = √ dx eλi(ωk t−k·x)−λ i(ωk′ t−k ·x) ψ0k ψ0k′ γk γk′ V ′ 1 (λσ) † (λ′ σ′ ) = δλk, λ′ k′ e(λ−λ )iωk t ψ0k ψ0,λλ′ k γk = δλk, λ′ k′ δλλ′ δσσ′ = δλλ′ δσσ′ δkk′ . Für eine beliebige Linearkombination von ebenen Wellen: X (λσ) (λσ) ψ(x) = ak ψk (x) kλσ gilt also: Z X (λσ) 2 dx ψ † (x)ψ(x) = ak . kλσ R R Die Gesamtladung Q = dx ̺ = dx ψ † ψ setzt sich also aus den Beiträgen der einzelnen Moden zusammen. Dieses Ergebnis ist erstaunlich, da sowohl die Moden mit positiven Frequenzen („Teilchen“) als auch diejenigen mit negativen Frequenzen („Antiteilchen“) einen positiven Beitrag zur Gesamtladung liefern, obwohl die Ladungen physikalischer Teilchen und Antiteilchen gerade entgegengesetzt sein sollen. Analog findet man für den Gesamtstrom: Z X ~k (λσ) 2 J = c dx ψ † αψ = a , m0 k kλσ und auch hier hätte man bei den Beiträgen negativer Frequenzen das entgegengesetzte Vorzeichen erwartet. Ähnlich ist es beim Gesamtimpuls des Wellenpakets: Z X ~ (λσ) 2 λ~k ak . p = dx ψ † ∇ψ = i kλσ Aufgrund unserer Ergebnisse für die Ladungskonjugation in der Klein-Gordon-Theorie hätte man gerade erwartet, dass der Impulsbeitrag einer Mode unabhängig vom Vorzeichen der Frequenz ist, doch hier ändert sich das Vorzeichen! Für die Energie findet man ähnliche Ergebnisse, nur sind die Konsequenzen hier potentiell dramatischer: Die Eigenwerte des Hamilton-Operators für die freien Lösungen folgen direkt aus (λσ) Ĥψk = i~ ∂ (λσ) (λσ) ψ = λ~ωk ψk ∂t k (λ = ±) , so dass die Energie eines Wellenpakets daher positiv oder negativ sein kann: Z X (λσ) 2 E = dx ψ † Ĥψ = λ~ωk ak . kλσ Bei Ankopplung an das Strahlungsfeld würde ein Teilchen also durch Strahlungsübergänge eine unbegrenzte Menge Energie abstrahlen können. Diese unschöne Eigenschaft der Dirac-Gleichung ist die Konsequenz der geforderten Linearität in den Orts- und Zeitableitungen. Offensichtlich handelt es sich hier um ein Artefakt. Wir werden bald sehen, dass die Energie in der quantisierten Dirac-Theorie sehr wohl strikt positiv ist. Dass man den Eigenwert λ~ωk nicht ohne weiteres als Energie interpretieren kann, ist bereits aufgrund der abweichenden Ergebnisse verwandter Gleichungen klar. Zum Beispiel hat im Limes |k| → 0 (mit k̂ = −ê3 ) : 0 1 0 (−, +) eim0 c2 t/~ ψ00 = √ 0 V 1 115 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG als Lösung der Klein-Gordon-Gleichung die Energie m0 c2 , als Lösung der Dirac-Gleichung jedoch die „Energie“ (= Eigenwert des Hamilton-Operators) −m0 c2 . Auch überprüft man leicht, dass die zur Dirac-Gleichung äquivalente van-der-Waerden-Gleichung von der Lagrange-Dichte L = ∂0 φ† ∂0 φ − ∂i φ† σ i σ j ∂j φ − µ2 φ† φ abgeleitet werden kann, die eine strikt nicht-negative assoziierte Hamilton-Dichte hat. Als historische Bemerkung sei noch hinzugefügt, dass man versucht hat, die Dirac-Gleichung mit ihrem „Energie-Problem“ mit Hilfe einer Löchertheorie zu retten. Hierbei wurde angenommen, dass die Zustände negativer „Energie“ fast alle besetzt sind und dass einzelne Löcher in diesem See negativer „Energie“ als Antiteilchen zu interpretieren seien. 6.14.1 Das Klein’sche Paradoxon Nach der Behandlung des Paradoxons für die Klein-Gordon-Gleichung können wir uns bei der Diskussion der Klein’schen Potentialstufe im Rahmen der Dirac-Gleichung verhältnismäßig kurz fassen. Auch die Dirac-Gleichung sagt das paradoxe Ergebnis vorher, dass für genügend hohe Potentialstufen Transmission der an der Stufe gestreuten Teilchen auftritt. Dieses Phänomen ist im Falle der Dirac-Gleichung vielleicht noch paradoxer als für die Klein-Gordon-Gleichung, da der Transmissionskoeffizient nun sogar im Limes unendlich hoher Potentialstufen ungleich Null ist. Auch bei der Untersuchung des Klein’schen Paradoxons geht es im Wesentlichen um Lösungen der Dirac-Gleichung für freie Teilchen, da das skalare Potential (außer genau an der Potentialstufe) stets konstant ist. Wir betrachten die Dirac-Gleichung in einem elektromagnetischen Feld definiert durch A = 0 und eΦ(x) = V (x1 ) = (V0 − iη)ϑ(x1 ), wobei η infinitesimal und positiv sein soll (η = 0+ ): (6.9) γ 0 [i~∂t − V (x1 )] ψ = −ic~γ k ∂k + m0 c2 ψ = −ic~γ 1 ∂1 + m0 c2 ψ . Im letzten Schritt haben wir uns wegen der Translationsinvarianz in ê2 - und ê3 -Richtung auf Lösungen der Form ψ = ψ(x1 , t) beschränkt. Ausder Dirac-Gleichung (6.9) für den 4-Spinor ψ folgt sofort, dass ψ2 1 und χ = die 2-Spinoren χ1 = ψ 2 ψ3 unabhängige Gleichungen der Form ψ4 σ 3 [i~∂t − V (x1 )] χ = −ic~(iσ 2 )∂1 + m0 c2 χ (6.10) erfüllen. Wir beschränken uns im Folgenden auf Lösungen der Form χ = χ1 und setzen χ2 = 0. Die Darstellung (6.10) der Dirac-Gleichung in Termen von 2-Spinoren kann alternativ so interpretiert werden, dass die Vertauschungsrelation [γ µ , γ ν ]+ = 2g µν 114 in effektiv eindimensionalen Systemen (d = 1) schon für N = 2 erfüllbar ist, z. B. durch die Wahl γ 0 ≡ σ 3 und γ 1 ≡ iσ 2 . Abgesehen von einer globalen multiplikativen Konstanten ist die allgemeine Lösung der DiracGleichung in der Form (6.10) für x1 < 0 gegeben durch m0 c2 + ~ωk −ikx1 −iωk t m0 c2 + ~ωk ikx1 e , e +a e χ< (x1 , t) = −~ck ~ck p wobei ωk ≡ c k 2 + µ2 > 0 gilt, und für x1 > 0 durch m0 c2 + ~ωκ iκx1 −i[ωκ +(V0 −iη)/~]t e . χ> (x1 , t) = b ~cκ Die Existenz einer stationären Lösung erfordert, dass ωk = ωκ + V0 − iη ~ gilt. Es folgt sofort, dass κ(V0 ) und ωκ (V0 ) exakt gleich den entsprechenden Größen im Falle der KleinGordon-Gleichung sind. Außerdem soll die Lösung stetig sein in x1 = 0: m0 c2 + ~ωκ m0 c2 + ~ωk m0 c2 + ~ωk , =b +a ~cκ −~ck ~ck 116 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG so dass offenbar a= 1−r 1+r , b= k (1 − a) ; κ r≡ κ(m0 c2 + ~ωk ) k(m0 c2 + ~ωκ ) gilt. Wir betrachten nun die Stromdichten in ê1 -Richtung, j 1 = cψ † α1 ψ = cχ† σ 1 χ, für die einfallende, die reflektierte und die transmittierte Welle: jein = 2~c2 k(m0 c2 + ~ωk ) jrefl = −a2 jein jtrans = (1 − a2 )jein . Es folgt, dass 2 R=a = 1−r 1+r 2 , T =1−R = 4r (1 + r)2 gilt. Aus dem bekannten Verhalten von κ(V0 ) folgt, dass r(V0 ) imaginär ist für ~ωk − m0 c2 < V0 < ~ωk + m0 c2 und reell und positiv für niedrige (V0 < ~ωk − m0 c2 ) oder hohe (V0 > ~ωk + m0 c2 ) Stufen. Insbesondere findet man, dass r(V0 ) in der Nähe der Energieschwelle ~ωk + m0 c2 divergiert, so dass die einfallende Welle für V0 ≃ ~ωk + m0 c2 vollständig reflektiert wird. Macht man die Potentialstufe noch höher, so steigt T auf einen endlichen Wert an. Im Limes einer unendlich hohen Stufe erhält man s 2 k µ r(V0 ) ∼ 1+ 1+ >1 (V0 → ∞) , (6.11) k µ so dass der Transmissionskoeffizient in diesem Limes endlich ist. Dies ist das eigentliche Klein’sche Paradoxon. Aus Gleichung (6.11) geht noch hervor, dass die Compton-Wellenlänge µ−1 als einzige Längenskala im Problem die Physik bestimmt: Bei k ≃ µ findet ein Crossover von geringer Transmission (für k ≪ µ) zu hoher Transmission (für k ≫ µ) statt. Im Limes k/µ → ∞ gilt sogar T = 1. Als historische Bemerkung sei hinzugefügt, dass das „paradoxe“ Verhalten der Lösungen der DiracGleichung schon bald nach der Einführung dieser Gleichung 1928 entdeckt wurde: Kleins Artikel [O. Klein, Z. Phys. 53, 157 (1929)] wurde bereits ein Jahr später veröffentlicht. Es war wiederum einmal Pauli, der Klein darauf hingewiesen hat, dass für hohe Potentialstufen (V0 > ~ωk + m0 c2 ) die negative Wurzel, κ(V0 ) = −κk (V0 ), zu wählen ist, damit die Gruppengeschwindigkeit des transmittierten Teilchens positiv wird. Dieser Punkt wird in modernen Textbüchern manchmal übersehen. Eine gute Übersicht über „siebzig Jahre Klein’sches Paradoxon“ bietet der Artikel von N. Dombey und A. Calogeracos, Phys. Rep. 315, 41 (1999). 6.14.2 Zitterbewegung Die Darstellung beliebiger freier Lösungen der Dirac-Gleichung als Überlagerung ebener Wellen kann nun dazu verwendet werden, Zitterbewegung in physikalischen Größen nachzuweisen. Das Auftreten von Zitterbewegung im Rahmen der Dirac-Gleichung ist natürlich nicht erstaunlich, da jede Komponente des Dirac-Spinors in Abwesenheit elektromagnetischer Felder die Klein-Gordon-Gleichung erfüllt und wir bereits wissen, dass die freien Lösungen der Klein-Gordon-Gleichung Zitterbewegung aufweisen. Trotzdem ist der konkrete Nachweis von Zitterbewegung in der Dirac-Gleichung im Allgemeinen etwas mühsam. Wir beschränken uns daher auf den relativ einfachen Spezialfall eines effektiv eindimensionalen Systems, d. h. eines Systems, das translationsinvariant in ê2 - und ê3 -Richtung ist. In Abschnitt [6.14.1] wurde gezeigt, dass der 2-Spinor χ = (ψ1 , ψ4 ) die Dirac-Gleichung in der Hamilton-Form, i~ ∂χ = Hχ ∂t ; H = −ic~σ 1 ∂1 + m0 c2 σ 3 , erfüllt. Wie in Abschnitt [6.14.1] beschränken wir uns auf Lösungen mit ψ2 = ψ3 = 0. (6.12) 117 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG Man unterscheidet wieder positiv-frequente (λ = +) und negativ-frequente (λ = −) Lösungen (λ) χk (x1 , t) von (6.12) und findet ! 1 Nk (+) q ei(kx1 −ωk t) (6.13a) χk (x1 , t) = √ γ −1 Lγk σ γkk +1 (−) χk (x1 , t) Nk = √ Lγk σ q γk −1 γk +1 1 ! e−i(kx1 −ωk t) . (6.13b) q p 1 Hierbei ist nach wie vor ωk = c k 2 + µ2 , γk = ~ωk /m0 c2 , Nk = 2 (γk + 1) und L ist das „Normierungsvolumen“ in ê1 -Richtung. Die Chiralität σ ist im eindimensionalen Fall vollständig durch k (λ) bestimmt: σ(k) ≡ sgn(k). Die Wellenfunktionen χk sind orthonormal: Z (λ) † (λ′ ) dx1 χk (x1 , t)χk′ (x1 , t) = δλλ′ δkk′ . Für eine beliebige Linearkombination ebener Wellen X (λ) (λ) χ(x1 , t) = ak χk (x1 , t) kλ gilt also, dass die Gesamtladung erhalten ist: Z X (λ) 2 Q = e dx1 χ† (x1 , t)χ(x1 , t) = e ak . kλ In der Gesamtladung gibt es selbstverständlich keine Zitterbewegung. Betrachten wir nun den Gesamtstrom in x-Richtung, Z J(t) = dx1 j(x1 , t) , wobei die Stromdichte in ê1 -Richtung durch j = cψ † α1 ψ = cχ† σ 1 χ gegeben ist. Mit Hilfe von Z k (λ) (λ′ ) dx1 χk (x1 , t)σ 1 χk′ (x1 , t) = δλλ′ δkk′ + δλ,−λ′ δk,−k′ e2iλωk t µ zeigt man leicht, dass X 1 (λ) 2 k (λ)∗ (−λ) 2iλωk t + ak a−k e J(t) = c ak γk µ kλ gilt, so dass im Gesamtstrom im Allgemeinen sehr wohl Zitterbewegung auftritt. Zur Bestimmung der Amplitude der Zitterbewegung betrachten wir: Z Z d d 1 hx1 i = dx1 χ† x1 χ = dx1 χ† [x1 , H]− χ dt dt i~ Z Z † 1 = −c dx1 χ σ [x1 , ∂1 ]− χ = c dx1 χ† σ 1 χ = J(t) . Integration liefert sofort: # " (λ)∗ (−λ) (λ)∗ (−λ) ct X k (λ) 2 i X λak a−k 2iλωk t i X λak a−k + e . − hx1 it = hx1 i0 + a 2µ (γk )2 µ γk k 2µ (γk )2 kλ kλ kλ Abgesehen von der Konstanten [. . . ] weist die Ortskoordinate des Wellenpakets also einen Driftterm, linear in t, und eine Zitterbewegung mit hoher Frequenz 2ωk > 2m0 c2 /~ auf. Die typische Amplitu–Compton = µ−1 gegeben. Die de der Zitterbewegung ist wiederum durch die Compton-Wellenlänge λ Zitterbewegung wird offensichtlich durch Interferenz der positiv- und negativfrequenten Anteile der Wellenfunktion hervorgerufen. 118 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG 6.15 Das Wasserstoffatom Die Dirac-Gleichung für das Wasserstoffproblem lautet: ie 0 = (−iγ ν Dν + µ) ψ ; Dν = ∂ν + Aν ~c ie 0 k = −iγ ∂0 + Φ − iγ ∂k + µ ψ ~c ∂ 1 0 = γ −i~ + H ψ , ~c ∂t wobei der Hamilton-Operator durch H = cα · p + βm0 c2 + eΦ114 ; eΦ = − Zα~c r gegeben ist. Wie bei der Untersuchung von π-mesonischen Atomen im Rahmen der Klein-GordonGleichung nehmen wir auch nun an, dass der Atomkern punktförmig und unendlich schwer ist. Die letzte Annahme wird dadurch gerechtfertigt, dass Elektronen um einen Faktor 2000 leichter sind als Protonen. Das Wasserstoffproblem der Dirac-Gleichung ist deutlich komplizierter als das vergleichbare Problem für Mesonen. Damit die Struktur der Lösungsmethode klar bleibt, beschränken wir uns im Folgenden auf die wichtigsten Ideen und (Zwischen-)Ergebnisse. Die Details der Berechnungen sollten in jedem Fall mit moderatem Aufwand nachvollziehbar sein. Zunächst bestimmen wir die Erhaltungsgrößen des Wasserstoffproblems. Mit Hilfe der Erhaltungsgrößen kann man die Lösungen der Dirac-Gleichung klassifizieren und durch entsprechende Quantenzahlen indizieren. Eine offensichtliche Erhaltungsgröße ist der Gesamtimpuls J = L114 + 21 ~Σ . Hierbei sind die Spinmatrizen Σ durch Σi = 21 εijk σ jk ; σ µν = 12 i[γ µ , γ ν ]− gegeben. Sowohl in der Standarddarstellung („Dirac-Pauli-Darstellung“) als auch in der chiralen Darstellung gilt z. B.: σ ∅2 Σ= , ∅2 σ wobei der Vektor σ die Pauli-Matrizen darstellt. Mit Hilfe von: [H, L] = −i~c α × p , [H, Σ] = 2ic α × p folgt sofort [H, J] = ∅4 , so dass der mit J assoziierte Heisenberg-Operator zeitunabhängig und daher eine Erhaltungsgröße ist. Eine weitere Erhaltungsgröße ist der Operator K ≡ β (Σ · L + ~114 ) , der wegen Σ2 = 3114 auch als K = β Σ · J − 21 ~114 geschrieben werden kann. Der Operator K misst, ob der Elektronenspin parallel oder antiparallel zum Gesamtdrehimpuls ausgerichtet ist. Man zeigt relativ leicht, dass K nicht nur mit dem Hamilton-Operator, sondern auch mit dem Gesamtdrehimpuls vertauscht: [H, K] = ∅4 , [K, J] = ∅4 . 119 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG Wir schließen hieraus, dass es einen vollständigen orthonormalen Satz gemeinsamer Eigenfunktionen von H, J2 , J3 und K gibt. Wir bezeichnen die Eigenwerte von H, J2 und J3 im Folgenden als E, ~2 j(j + 1) und ~j3 . Da J die üblichen Vertauschungsrelationen eines Drehimpulses erfüllt, J × J = i~J, weiß man zunächst nur, dass j entweder ganz- oder halbzahlig ist und dass j3 die Werte −j, −j + 1, . . . , j − 1, j annehmen kann. Es gibt noch einen einfachen Zusammenhang zwischen den Eigenwerten von K und denjenigen von J2 . Aus der leicht zu beweisenden Identität K 2 = J2 + 41 ~2 114 1 2 2 2 folgt nämlich sofort, dass die Eigenwerte von K durch ~ (j + 2 ) und diejenigen von K somit durch 1 −κ j + 2 ~ mit κ = ± gegeben sind. Man kann die Eigenfunktionen von H also durch die Quantenzahlen (j, j3 , κ) indizieren. Um die Eigenenergien und Eigenfunktionen von H zu berechnen, betrachten wir die „quadratische“ Dirac-Gleichung, die man erhält, indem man die normale Dirac-Gleichung von links mit (iγ ν Dν + µ) multipliziert: i h e µν σ Fµν ψ . 0 = (iγ ν Dν + µ) (−iγ ν Dν + µ) ψ = · · · = Dν Dν + µ2 114 + 2~c Durch den Ansatz ψ = ψ0 e−iEt/~ , E>0 ∂ wird die Zeitableitung effektiv durch die Eigenenergie E ersetzt, i~ ∂t → E, und wir erhalten eine zeitunabhängige Wellengleichung für ψ0 . Da im Falle des Wasserstoffproblems außerdem (Dν Dν + µ2 ) = D + L2 /~2 − (Zα)2 r2 σ µν Fµν = 2σ 0i Ei ; gilt, wobei der Differentialoperator D durch 2 2 ∂ 2ZαE E ∂2 + µ2 − − D≡− 2 − ∂r r ∂r ~cr ~c definiert ist, reduziert sich die quadratische Dirac-Gleichung also auf: e 0i L2 /~2 − (Zα)2 114 + 0= D+ σ Ei ψ , r2 ~c wobei das elektrische Feld E durch eE = −∇(eΦ) = − Zα~c x̂ r2 bestimmt ist. Die bisherigen Ergebnisse sind darstellungsfrei. Es ist nun offensichtlich vorteilhaft, eine Darstellung zu wählen, in der σ 0i Ei möglichst einfach ist. Es bietet sich die chirale Darstellung an, in der σ 0i blockdiagonal ist: 112 ∅2 ∅2 σk ∅2 112 5 k 0 , γ = , γ γ =− ∅2 −112 112 ∅2 −σ k ∅2 und daher: σ 0i i σ =i ∅2 ∅2 −σ i , σ ij k σ = εijk ∅2 Führen wir noch die Definitionen i h 2 X± = L2 /~2 − (Zα) 112 ∓ iZασ · x̂ ∅2 σk , . ψ0 = χA χB 120 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG ein, dann nimmt die chirale Dirac-Gleichung die Form zweier entkoppelter Gleichungen für die 2Spinoren χA,B an: 1 D + 2 X + χA = 0 ; r 1 D + 2 X − χB = 0 . r Für die Linearkombinationen χλ ≡ χA + λχB (λ = ±) findet man durch Addition und Subtraktion der beiden Gleichungen für χA,B die folgende Beziehung: 1 2 2 iZα 2 D + 2 L /~ − (Zα) χλ − 2 (σ · x̂)χ−λ = 0 . r r Die Funktionen χλ sind besonders nützlich bei der Darstellung der Wirkung der Erhaltungsgrößen. Da wir die Eigenfunktionen von H durch die Quantenzahlen (jj3 κ) charakterisieren, gilt implizit ψ0 = ψ0jj3 κ 3κ und daher auch χλ = χjj . Da der Gesamtdrehimpuls J die Form λ j ∅2 J= , j = L112 + 12 ~σ ∅2 j hat, gilt j2 χA,B = ~2 j(j + 1)χA,B ; ̂3 χA,B = ~j3 χA,B , und daher folgt sofort: j2 χλ = ~2 j(j + 1)χλ ; ̂3 χλ = ~j3 χλ . Außerdem folgt aus der expliziten Gestalt des Operators K in der chiralen Darstellung: ∅2 σ · L + ~112 K =− , σ · L + ~112 ∅2 dass χλ die Eigenwertgleichung (σ · L + ~112 ) χλ = λκ j + 1 2 ~χλ (λ = ±) (6.14) erfüllt. Falls die Lösung dieser Gleichung zum Eigenwert κ bekannt ist, folgt die Lösung zum Eigenwert jj (−κ) jj 3 κ (−κ) aus χλ 3 = χ−λ . Wir können uns im Folgenden daher auf κ = + beschränken und schreiben 3 . χλjj 3 + ≡ χjj λ 3 Die Wirkung von L2 auf die Spinoren χjj λ ist besonders einfach. Es folgt aus: L2 112 − j2 = · · · = −~(σ · L + ~112 ) + 41 ~2 112 , dass 2 3 j+ L2 χjj λ = ~ 1 2 j+ 1 2 jj 3 2 3 − λ χjj λ ≡ ~ l(l + 1)χλ gilt. Für vorgegebene (jj3 λ) gilt also: l = j − 12 λ . Wir finden also, dass die Spinoren χλ Eigenfunktionen von L2 sind. Eine wichtige Konsequenz des Ergebnisses l = j − 12 λ ist, dass j notwendigerweise halbzahlig ist j = 12 , 23 , . . . , da die Eigenwerte von L2 bekanntlich ganzzahlig sind (l = 0, 1, 2, . . . ). Zu jedem Wert l ≥ 1 sind zwei j-Werte möglich (j = l + 12 λ); zu l = 0 gibt es allerdings nur eine Möglichkeit: λ = +, j = 21 . 121 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG 3 2 2 Da χjj λ eine Eigenfunktion von L und ̂3 zu den Eigenwerten ~ l(l + 1) bzw. ~j3 sein soll, muss dieser Spinor unbedingt die Form ! a1 Yl, j3 − 12 χλ = a Y ; l = j − 12 λ 2 l, j3 + 21 haben, wobei Ylm (ϑ, ϕ) die üblichen Kugelflächenfunktionen: L2 Ylm = ~2 l(l + 1)Ylm , L3 Ylm = ~mYlm p (L± = L1 ± iL2 ) L± Ylm = ~ l(l + 1) − m(m ± 1)Yl,m±1 und a1,2 (r) zunächst beliebige r-abhängige Funktionen sind. Die Eigenwertgleichung (6.14) mit κ = + liefert eine Bedingung auf das Verhältnis dieser Funktionen a1,2 (r): s l + 21 + λj3 a1 . =λ a2 l + 21 − λj3 (λ) Führen wir also den normierten Spinor ϕjj3 ein: (λ) ϕjj3 q 1 1 1 1 + λ(j − )Y j + 3 1 j− 2 λ, j3 − 2 2 2 q = √ 2j + 1 − λ λ j + 1 − λ(j3 + 1 )Y 1 1 j− λ, j + 3 2 2 2 2 3 dann ist χjj λ durch (λ) jj3 3 χjj λ (r, ϑ, ϕ) = Fλ (r)ϕjj3 (ϑ, ϕ) gegeben, wobei Fλjj3 (r) zunächst beliebig ist. Die Wirkung des Operators cos(ϑ) sin(ϑ)e−iϕ σ · x̂ = sin(ϑ)eiϕ − cos(ϑ) (λ) auf ϕjj3 ist besonders einfach: (λ) (−λ) (σ · x̂)ϕjj3 = ϕjj3 . Die Differentialgleichung für χλ vereinfacht sich daher auf: 1 iZα jj3 2 1 1 D + 2 (j + 2 )(j + 2 − λ) − (Zα) =0. Fλjj3 − 2 F−λ r r In Matrixform gilt daher: jj3 1 0 F+ D112 + 2 M = , r 0 F−jj3 wobei die Matrix M durch (j + 21 )2 − (Zα)2 − (j + 21 ) M≡ −iZα −iZα (j + 21 )2 − (Zα)2 + (j + 12 ) gegeben ist. Die Eigenwerte von M haben die Form l′ (l′ + 1), wobei l′ zwei mögliche Werte annehmen kann: q l′ = Rj oder l′ = Rj − 1 ; Rj ≡ (j + 21 )2 − (Zα)2 . 122 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG Mit der Definition δj ≡ j + 12 − Rj folgt noch: l′ = j ± 12 − δj . Nach der Diagonalisierung erhält man also zwei entkoppelte Differentialgleichungen der Form 1 ′ ′ 0 = D + 2 l (l + 1) F (r) r " # 2 1 d2 l′ (l′ + 1) 2ZαE E 2 = − F (r) , +µ + r− − r dr2 ~cr ~c r2 entsprechend den zwei möglichen Werten für l′ . Mit Hilfe der Definitionen: s 2 E 2ZαE σ ≡ 2 µ2 − , ρ ≡ 12 σr , η ≡ ~c ~cσ kann diese Gleichung noch wie folgt vereinfacht werden: 2 2η l′ (l′ + 1) d ρF (ρ) . + −1− 0= dρ2 ρ ρ2 (6.15) Diese für das Wasserstoffproblem in der Dirac-Theorie zu lösende Gleichung hat offensichtlich genau dieselbe Form wie diejenigen, die man in der Schrödinger- bzw. Klein-Gordon-Theorie findet. Die phy′ sikalische Lösung von (6.15) verhält sich wie ρl +1 für kleine und wie e−ρ für große Abstände zum Kern. Wie üblich machen wir also den Ansatz: ′ ρF (ρ) = ρl +1 e−ρ w(ρ) ; w(ρ) = ∞ X wn ρn n=0 und finden, dass die Reihe für w(ρ) nur dann nach endlich vielen Termen abbricht, wenn η = N + l′ + 1 = N + j ± 1 2 − δj + 1 gilt. Wir ersetzen die radiale Quantenzahl N (N = 0,1,. . . ) durch die Hauptquantenzahl n: n≡N +1+j± 1 2 (n = 1, 2, . . . ) , so dass ZαE η = n − δj = p (m0 c2 )2 − E 2 gilt. Auflösen nach E liefert: m 0 c2 . E= q 2 1 + [Zα/(n − δj )] Zu beachten ist noch, dass wegen N ≥ 0: ( n − 3/2 (l′ = j + 1 j =n−1∓ 2 −N ≤ n − 1/2 (l′ = j − 1 2 1 2 − δj ) − δj ) gilt. Eine Reihenentwicklung nach Potenzen von Zα liefert: (Zα)4 1 (Zα)2 3 − . . . . − E = Enj = m0 c2 1 − − 2n2 2n3 4n j + 12 Man erhält also genau denselben Ausdruck wie für mesonische Atome (s. Abschnitt 4.13), vorausgesetzt dass man zusätzlich l durch j ersetzt. 123 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG Die Energie steigt also an mit j, so dass der Grundzustand den Quantenzahlen (n, j) = 1, 12 entspricht. Die Grundzustandsenergie ist also E0 = m0 c 1 + 2 (Zα)2 1 − (Zα)2 − 1 2 = m 0 c2 p 1 − (Zα)2 . ′ Man überprüft leicht, dass der Grundzustand bis auf einen Normierungsfaktor durch F (ρ) = ρl e−ρ gegeben ist, wobei p l′ = −δj = −δ1/2 = 1 − (Zα)2 − 1 ist. Der Grundzustand selbst hat also die Form √1−(Zα)2 −1 Zr ψ0 (r, ϑ, ϕ) = e−Zr/aB ψ̄0 (ϑ, ϕ) . aB Diese Lösung ist offensichtlich nur dann sinnvoll, wenn Z< 1 α ≃ 137 gilt. Für große Z-Werte kann der Kern nicht als punktförmig angenommen werden. Die Singularität in der Grundzustandswellenfunktion für r → 0 macht sich allerdings erst für 2 Zr ≃ e−2/(Zα) ≪ 1 aB bemerkbar. Für solch kleine Abstände darf die endliche Ausdehnung des Kerns natürlich nicht mehr vernachlässigt werden, so dass die Singularität in ψ0 eher als Artefakt anzusehen ist. 6.16 Die Hyperfeinwechselwirkung Wir betrachten nun die magnetische Wechselwirkung des Elektronenspins in einem H-Atom mit dem Spin des Protons im Kern. Die Hyperfeinwechselwirkung ist: Hhf = −µe · Bp ; µe = g e e~ S= σe . 2me 2me Das Magnetfeld Bp wird vom Protonspin verursacht: µ0 Bp = ∇ × Ap ; Ap = − µp × ∇ 1r , 4π wobei µp das magnetische Moment des Protons darstellt: µp = ep ~ (1 + κp )σ p 2mp , κp ≃ 1, 79 , ep = −e . Es folgt: e~ µ0 σ e · ∇ × (µp × ∇) r1 2me 4π µ0 e~ σ e · µp ∆ − (µp · ∇)∇ 1r . = 8πme Hhf = Im Grundzustand, einem s-Zustand, benötigt man nur den Mittelwert von Hhf über (ϑ, ϕ), so dass 1 ∂2 ∂xi ∂xj → 3 ∆δij ersetzt werden kann: µ0 e~ σ e · µp ∆ − 31 µp ∆ r1 8πme µ0 e2 ~2 µ0 e~ (σ e · µp )δ(x) = (1 + κp )(σ e · σ p )δ(x) , =− 3me 6me mp Hhf → 124 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG wobei die Beziehung ∆ 1r = −4πδ(r) verwendet wurde. Es gilt daher: Z µ0 e2 ~2 hHhf i = dx ψ ∗ (x)Hhf ψ(x) = (1 + κp )(σ e · σ p ) |ψ(0)|2 6me mp 1 me cα 3 µ0 ~2 4πε0 ~cα(1 + κp )(σ e · σ p ) = 6me mp π ~ = 32 ε0 µ0 α4 c4 m2e (me c)2 (1 + κp )(σ e · σ p ) = 23 α4 (1 + κp )(σ e · σ p ) . mp mp Da nun σ e · σ p = −3 ist für Singulett-Zustände und = +1 ist für Triplett-Zustände, folgt für die Energieaufspaltung durch Hyperfeinwechselwirkung: ∆Ehf = me c2 83 α4 me (1 + κp ) . mp Im Vergleich zur Feinstruktur ist die Aufspaltung durch die Hyperfeinwechselwirkung also um einen me Faktor m kleiner. Die Energieaufspaltung ∆Ehf entspricht einer Frequenz von 1, 42 · 109 Hz bzw. einer p Wellenlänge von 21 cm; dieser Strahlungsübergang spielt bekanntlich eine extrem wichtige Rolle in der Radioastronomie. 6.17 Ladungskonjugation Wir suchen wieder eine lineare Transformation ψc = Cψ, die die Lösung der Dirac-Gleichung: ie ν −iγ ∂ν + Aν + µ ψ = 0 ~c mit der Lösung ψc der ladungskonjugierten Variante ie −iγ ν ∂ν − Aν + µ ψc = 0 ~c verknüpft. Hierzu betrachten wir zunächst die komplex konjugierte Version der Dirac-Gleichung: ie ∗ i (γ ν ) ∂ν − Aν + µ ψ ∗ (x) = 0 ~c und bringen sie auf die Form ie i M (γ ν )∗ M −1 ∂ν − Aν + µ M ψ ∗ (x) = 0 ~c mit (γ µ )∗ = γ µ für µ = 0, 1, 3 und (γ 2 )∗ = −γ 2 . Außerdem soll M eine nicht-singuläre 4 × 4-Matrix mit der Eigenschaft M (γ ν )∗ M −1 = −γ ν sein, d. h. es soll gelten: [M, γ ν ]+ = 0 (ν = 0, 1, 3) und M, γ 2 − = 0 . Als Lösung findet man M = λγ 2 (λ ∈ C), also C = λγ 2 K (Kψ ≡ ψ ∗ ) , wobei die Konstante λ ∈ C durch die Bedingung C 2 = 114 eingeschränkt wird: C 2 = λγ 2 K λγ 2 K = λγ 2 λ∗ (−γ 2 ) K 2 = |λ|2 114 , 125 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG d. h. es gilt |λ| = 1. Üblicherweise wählt man sogar λ = i bzw. C = iγ 2 K, damit λγ 2 ∈ R gilt. Angewandt auf die freien Lösungen der Dirac-Gleichung hat C die folgende Wirkung: (+,σ) (−,−σ) Cψk (x) = (−σ) e−iϕ(k̂) ψk (x) k̂1 + ik̂2 mit e−iϕ(k̂) = q . (−,σ) (+,−σ) Cψk (x) = σ e−iϕ(k̂) ψk (x) k̂12 + k̂22 (λσ) (λσ) Man überprüft leicht, dass in der Tat C 2 ψk (x) = ψk (x) gilt. Abgesehen von einem trivialen Phasenfaktor wird eine positiv-frequente Lösung („Teilchen“) bei der Ladungskonjugation also abgebildet auf eine negativ-frequente Lösung („Antiteilchen“) mit entgegengesetztem Spin. Allgemein findet man mit Hilfe der Vertauschungsrelationen der γ-Matrizen das folgende Transformationsverhalten für die Dichte ψc† ψc = (ψ ∗ )† (γ 2 )† γ 2 ψ ∗ = (ψ ∗ )† ψ ∗ = (ψ † ψ)∗ = ψ † ψ und für die Erwartungswerte des Hamiltonoperators: h i∗ ψc† Ĥψc = (ψ ∗ )† (γ 2 )† Ĥγ 2 ψ ∗ = ψ † (γ 2∗ )† Ĥ ∗ γ 2∗ ψ h i∗ ∗ = ψ † (γ 2 )† Ĥ ∗ γ 2 ψ = − ψ † γ 2 (ic~γ 0 (γ k )∗ ∂k + γ 0 m0 c2 )γ 2 ψ ∗ = ψ † ic~γ 0 γ 2 (γ 1 ∂1 − γ 2 ∂2 + γ 3 ∂3 ) + γ 0 γ 2 m0 c2 γ 2 ψ ∗ = ψ † (−ic~γ 0 γ k ∂k + γ 0 m0 c2 )(γ 2 )2 ψ i∗ h = − ψ † Ĥψ = − ψ † Ĥψ bzw. des Impulsoperators: ∗ ψc† pψc = (ψ ∗ )† (γ 2 )† pγ 2 ψ ∗ = ψ † p∗ ψ = −(ψ † pψ) und des Spinoperators: ∗ † ψc† Σψc = (ψ ∗ ) (γ 2 )† Σγ 2 ψ ∗ = − ψ † (γ 2 )∗ Σ∗ (γ 2 )∗ ψ ∗ Σ1 ∗ ∗ = − ψ † γ 2 −Σ2 γ 2 ψ = ψ † Σ(γ 2 )2 ψ = − ψ † Σψ = − ψ † Σψ . Σ3 Da sowohl die „Energie“ als auch der Impuls p bei der Ladungskonjugation das Vorzeichen wechseln, bleibt die Gruppengeschwindigkeit v = ∂E/∂p invariant. Da sowohl Σ als auch p das Vorzeichen wechseln, bleibt die Helizität Σ · p̂ invariant. Besonders zu beachten ist die Invarianz der Ladungsdichte unter Ladungskonjugation. Dieses kontraintuitive Resultat wird in der bereits erwähnten Löchertheorie so gedeutet, dass die ladungskonjugierte Wellenfunktion ψc den Zustand darstellt, dessen Nicht-besetztsein dem Antiteilchen entspricht. Für eine ausführliche Diskussion der Löchertheorie sei auf Sakurais Buch verwiesen. Wir schliessen uns Sakurais weisen Worten an, dass eine befriedigendere Formulierung der Ladungskonjugation die Quantisierung der Dirac-Theorie erfordert. 6.18 Quantisierung des Dirac-Feldes (λσ) Wir ersetzen die Fourier-Koeffizienten ak in der Entwicklung von ψ nach ebenen Wellen: X (λσ) (λσ) X (λσ) 1 (λσ) ψ0k e−iλkx ψ(x) = ak ψk (x) = ak √ γ V k kλσ kλσ durch Operatoren akσ (für λ = +) bzw. b†kσ (für λ = −): i X 1 h (+,σ) (−,σ) √ akσ ψ0k e−ikx + b†kσ ψ0k eikx ψ(x) → ψ̂(x) = γk V kσ i Xh (+,σ) (−,σ) = akσ ψk (x) + b†kσ ψk (x) . kσ 126 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG Wir fordern nun Antivertauschungsrelationen zwischen den {akσ }- und {bkσ }-Operatoren: i i h h akσ , a†k′ σ′ = bkσ , b†k′ σ′ = δkk′ δσσ′ + + h i [akσ , ak′ σ′ ]+ = [bkσ , bk′ σ′ ]+ = [akσ , bk′ σ′ ]+ = akσ , b†k′ σ′ =0. + Wir werden später (in Abschnitt [6.20.2]) sehen, dass diese Antivertauschungsrelationen zwischen den Operatoren {akσ } und {bkσ } auch die kanonische Antivertauschungsrelation [ψ̂(x, t), π̂(x′ , t)]+ = 12 i~114 δ(x − x′ ) (λσ) zwischen dem Feld ψ̂ und dem kanonisch konjugierten Impuls π̂ = 21 i~ψ̂ † beinhaltet. Wegen Ĥψk (λσ) λ~ωk ψk folgt für den Hamilton-Operator in der Besetzungszahldarstellung: Z Z i X h † (−,σ )† (+,σ )† dx ψ̂ † (x)Ĥ ψ̂(x) = dx ak1 σ1 ψk1 1 (x) + bk1 σ1 ψk1 1 (x) (x) = k1 k2 σ1 σ2 = X k1 k2 σ1 σ2 = X kσ i h (−,σ ) (+,σ ) × ~ωk2 ak2 σ2 ψk2 2 (x) − b†k2 σ2 ψk2 2 (x) i h ~ωk2 a†k1 σ1 ak2 σ2 − bk1 σ1 b†k2 σ2 δk1 k2 δσ1 σ2 X ~ωk a†kσ akσ + b†kσ bkσ − 1 , ~ωk a†kσ akσ − bkσ b†kσ = kσ wobei die Konstante im rechten Glied üblicherweise weggelassen wird. Für den Gesamtimpuls findet man analog: Z X † ~ P= i dx ψ̂ † ∇ψ̂ = ~k akσ akσ − bkσ b†kσ kσ = X kσ ~k a†kσ akσ + b†kσ bkσ . Für die Gesamtladung findet man: Z Z X Q = e dx ψ̂ † ψ̂ = e dx k1 k2 σ1 σ2 X =e k1 k2 σ1 σ2 =e i h (−,σ )† (+,σ )† a†k1 σ1 ψk1 1 (x) + bk1 σ1 ψk1 1 (x) i h a†k1 σ1 ak2 σ2 + bk1 σ1 b†k2 σ2 δk1 k2 δσ1 σ2 i h (−,σ ) (+,σ ) × ak2 σ2 ψk2 2 (x) + b†k2 σ2 ψk2 2 (x) X † X † akσ akσ + bkσ b†kσ = e akσ akσ − b†kσ bkσ + 1 , kσ kσ wobei die zusätzliche Konstante üblicherweise wieder weggelassen wird. (λσ) (λσ) (λσ) Schließlich findet man für die Helizität Σ· p̂ mit (Σ · p̂) ψk (x) = λ Σ · k̂ ψk (x) = λσψk (x): Z X † Σp = dx ψ̂ † (Σ · p̂) ψ̂ = σ akσ akσ − bkσ b†kσ kσ X † = σ akσ akσ + b†kσ bkσ . kσ (λσ) Aus dem letzten Resultat geht hervor, dass der Index „σ“ in der hier gewählten Basis {ψk (x)} einfach die Interpretation der Helizität hat. Wiederum sei darauf hingewiesen, dass die in diesem Abschnitt verwendete Methode der kanonischen Quantisierung logisch zwar nicht stichhaltig ist (man hat bereits eine Quantentheorie), dass ihre Ergebnisse jedoch a posteriori mit Hilfe der in Kapitel 2 beschriebenen Vielteilchenmethoden gerechtfertigt werden können. Die entsprechenden Argumente sind in Anhang D kurz zusammengefasst. 127 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG 6.19 Projektoren auf positiv- oder negativ-frequente Lösungen Als Vorarbeit für die Untersuchung von Green’schen Funktionen betrachten wir noch einmal die Eigen(λσ) schaften der freien Lösungen ψk (x). Aus ihrer expliziten Form: ! r χ σ 1 γk + 1 (+,σ) (+,σ) q e−ikx = √ ψk (x) = ψ0k e−ikx γ −1 2V γk σ γkk +1 χσ V γk ! q r γk + 1 σ γγk −1 1 χσ (−,σ) (−,σ) k +1 ψ0k eikx eikx = √ ψk (x) = 2V γk V γ k χσ folgt sofort, dass (λσ) † (λ′ σ′ ) ψ0k γ 0 ψ0k " 2 # r γk + 1 † γk − 1 = λδσσ′ δλλ′ = λδσσ′ δλλ′ χσ χσ 1 − σ 2 γk + 1 gilt. Die Konsequenz ist, dass X (λσ) (λσ) † (λ) λ ψ0k ψ0k γ0 ≡ Pk σ für festes k als Projektor auf die Lösungen mit positiver (λ = +) oder negativer (λ = −) Frequenz wirkt: h i2 (λσ′ ) (λ) (λ) (λ′ σ′ ) (λ) ; Pk Pk ψ0k = δλλ′ ψ0k = Pk . Man kann diesen Projektor auch anders schreiben, wie wir im Folgenden sehen werden. (λσ) Die freien Lösungen ψ0k erfüllen die Gleichung (λσ) 0 = (−λγ ν kν + µ) ψ0k (λσ) = (−λk/ + µ) ψ0k d. h. (+,σ) (−k/ + µ) ψ0k = 0 , (−,σ) (k/ + µ) ψ0k = 0 . Wegen k/k/ = kµ γ µ kν γ ν = kµ kν γ µ γ ν = kµ kν 21 [γ µ , γ ν ]+ = kµ kν g µν 114 = kµ k µ 114 = k 2 114 gilt (k/ + µ)(−k/ + µ) = −k 2 + µ2 = k2 + µ2 − und daher (k/ + µ)2 (−k/ + µ)2 Folglich gilt 2 /+µ k 2µ /+µ k 2µ Es folgt, dass (λ) Pk = = k c =0 = (k/ + µ)(k/ − µ + 2µ) = 2µ(k/ + µ) = (−k/ + µ)(−k/ − µ + 2µ) = 2µ(−k/ + µ) . /+µ k 2µ bzw. (−,σ) ψ0k /+µ k 2µ ω 2 =0 und /+µ −k 2µ /+µ −k 2µ /+µ −k 2µ 2 = /+µ −k 2µ (+,σ) ψ0k =0. Projektoren auf die positiv- bzw. negativ-frequenten Anteile darstellen: λk/ + µ . 2µ Diese Darstellung wird im Folgenden weiter verwendet. 128 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG 6.20 Green’sche Funktion (Propagator) Wir betrachten den Feldoperator i Xh (+,σ) (−,σ) ψ̂(x) = akσ ψk (x) + b†kσ ψk (x) kσ und berechnen den Antikommutator [ψ̂(x), ψ̂ † (x′ )γ 0 ]+ , wobei [ψ̂1 , ψ̂2† ]+ allgemein die (4 × 4)-Matrix † ]+ darstellt: mit den Matrixelementen [ψ̂1α , ψ̂2β h i i h ′ 1 X 1 (+,σ ) (+,σ )† ak1 σ1 , a†k2 σ2 ψ0k1 1 ψ0k2 2 γ 0 ei(k2 x −k1 x) ψ̂(x), ψ̂ † (x′ )γ 0 = √ γk1 γk2 V + + k1 k2 σ1 σ2 h i ′ (−,σ ) (−,σ )† + b†k1 σ1 , bk2 σ2 ψ0k1 1 ψ0k2 2 γ 0 ei(k1 x−k2 x ) + ) # # " (" X (−,σ) (−,σ)† X (+,σ) (+,σ)† 1 X 1 ik(x−x′ ) ik(x′ −x) 0 0 = + ψ0k ψ0k γ e ψ0k ψ0k γ e V γk σ σ k i ′ 1 X 1 h (+) −ik(x−x′ ) (−) Pk e − Pk eik(x−x ) = V γk k 1 X 1 −k/ + µ ik(x−x′ ) k/ + µ −ik(x−x′ ) = e − e V γk 2µ 2µ k X i ′ i∂/ + µ 1 1 h −ik(x−x′ ) e − eik(x−x ) = 2µ V γk k Z 1 dk 1 −ikx i∂/ + µ 2i∆(x − x′ ) ; ∆(x) ≡ e − eikx . = 3 2µ 2i (2π) γk Die Funktion ∆(x) charakterisiert auch den Kommutator des Klein-Gordon-Feldes (s. Abschnitt 4.15): φ(x), φ† (x′ ) − = 2i∆(x − x′ ) . Aus diesem Grund lohnt es sich, die Eigenschaften der Funktion ∆(x) näher zu untersuchen. 6.20.1 Eigenschaften der Pauli-Jordan-Funktion ∆(x) Aus der Integraldarstellung Z 1 dk 1 −ikx ∆(x) = (e − eikx ) 2i (2π)3 γk folgt erstens, dass ∆(x) antisymmetrisch ist: ∆(−x) = −∆(x) . Zweitens folgt aus der Darstellung (s. S. 96): Z d4 k e−ikx ∆(x) = −µ 4 2 2 C (2π) k − µ sofort, dass ∆(x) Lorentz-invariant ist: ∆(Λx) = ∆(x), denn es gilt: Z Z ′ d4 k e−ik(Λx) d4 k e−ik x ∆(Λx) = −µ = −µ 4 2 2 4 2 2 C (2π) k − µ C (2π) k − µ Z ′ d4 k ′ e−ik x = −µ = ∆(x) , 4 ′ 2 2 C ′ (2π) (k ) − µ da C ′ für Λ ∈ L↑+ dieselben topologischen Eigenschaften wie C hat. Wir wissen außerdem, dass ( + µ2 )∆ = 0 129 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG gilt und dass die Zeitableitung von ∆(x) Z dk ωk ik·x 1 (e + e−ik·x ) (∂0 ∆)(0, x) = − 2 (2π)3 γk c Z dk m0 c = − 12 eik·x + e−ik·x = −µδ(x) . 3 ~ (2π) liefert. Für rein raumartige Vektoren xRR = (0, x) gilt Z dk 1 ik·x 1 (e − e−ik·x ) = 0 . ∆(xRR ) = 2i (2π)3 γk Da beliebige raumartige Vektoren xR mit x2R < 0 mit Hilfe einer Lorentz-Transformation Λ ∈ L↑+ aus rein raumartigen Vektoren hergeleitet werden können, gilt wegen der Lorentz-Invarianz von ∆(x) auch: ∆(xR ) = 0 . Die Konsequenz hiervon ist, dass [ψ̂(x), ψ̂ † (x′ )γ 0 ]+ = 0 gilt, wenn x und x′ durch einen raumartigen Vektor verbunden sind. Dies sollte natürlich auch so sein, da in diesem Fall zwischen x und x′ sogar mit Lichtgeschwindigkeit keine Information ausgetauscht werden kann, so dass ψ̂(x) und ψˆ† (x′ )γ 0 gleichzeitig „messbar“ sein müssen. Der Einfachheit halber führen wir die Notation ψˆ† (x)γ 0 ≡ ψ(x) ein. Als Verallgemeinerung betrachten wir nun den Kommutator zweier bilinearer Größen. Wir haben ja schon gesehen, dass Observablen, z. B. die Energie, der Impuls, der Spin, etc. in der Dirac-Theorie eine bilineare Struktur haben. Aus der Identität [AB, C]− = A[B, C]−ζ + ζ[A, C]−ζ B folgt: (ζ = ±) i h i i h ψ α (x)ψα (x) , ψ β (x′ )ψβ (x′ ) = ψ α (x) ψα (x), ψ β (x′ )ψβ (x′ ) + ψ α (x), ψ β (x′ ) ψβ (x′ ) ψα (x) − − − h i i h ′ ′ ′ ′ = ψ α (x) −ψ β (x ) ψβ (x ), ψα (x) + ψ β (x ), ψα (x) ψβ (x ) + + h i i h + −ψ β (x′ ) ψβ (x′ ), ψ α (x) + ψ β (x′ ), ψ α (x) ψβ (x′ ) ψα (x) + + h i h i = ψ α (x) ψα (x), ψ β (x′ ) ψβ (x′ ) − ψ β (x′ ) ψβ (x′ ), ψ α (x) ψα (x) + + ′ / i∂ + µ i∂ /+µ 2i∆(x − x′ ) ψ(x′ ) − ψ(x′ ) 2i∆(x′ − x) ψ(x) = ψ(x) 2µ 2µ / i∂ + µ −i∂ /+µ 2i∆(x − x′ ) ψ(x′ ) + ψ(x′ ) 2i∆(x − x′ ) ψ(x) , = ψ(x) 2µ 2µ wobei α und β die Komponenten von ψ̄ und ψ andeuten und die Einstein’sche Summationskonvention benutzt wurde. Wiederum sieht man, dass der Kommutator Null ergibt für raumartige Abstände, d. h. dass die Observablen in diesem Fall gleichzeitig scharf messbar sind. Diese Eigenschaft ist als Kausalität oder Lokalität bekannt. Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass die Dirac-Theorie nicht mit Kommutatoren statt Antikommutatoren quantisierbar ist. Dies sieht man schon daran, dass die Energie Z X dx ψ̂ † (x)Ĥ ψ̂(x) = · · · = ~ωk a†kσ akσ − bkσ b†kσ kσ in diesem Fall nicht nach unten beschränkt ist. Außerdem findet man dann (s. S. 129) für die Green’sche Funktion wegen b† , b − = −[b, b† ]− : i i h ′ 1 X 1 h (+) −ik(x−x′ ) (−) Pk e + Pk eik(x−x ) ψ̂(x), ψˆ† (x′ )γ 0 = V γk − k = ··· = i∂/ + µ 2i∆1 (x − x′ ) 2µ 130 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG mit ∆1 (x) ≡ 1 2i Z dk 1 −ikx (e + eikx ) . (2π)3 γk Für rein raumartige (und daher allgemeiner: für raumartige) Vektoren gilt nun im Allgemeinen ∆1 (xRR ) 6= 0, so dass die Theorie nicht kausal bzw. lokal wäre. Das gerade hergeleitete Resultat, dass Spin-0-Teilchen nur mit bosonischen Vertauschungsrelationen und Spin- 12 -Teilchen nur mit fermionischen Vertauschungsrelationen sinnvoll quantisiert werden können, ist bekannt als das Spin-Statistik-Theorem. Dieses Theorem lässt sich nicht nur (wie hier vorgeführt) für das freie Klein-Gordon- oder Dirac-Feld nachweisen, sondern auch für den wechselwirkenden Fall, also z. B. in Anwesenheit eines Strahlungsfeldes. 6.20.2 Der gleichzeitige Antikommutator Für den gleichzeitigen Antikommutator (t = t′ ) finden wir noch i h −k/ + µ −ik·(x−x′ ) 1 X 1 k/ + µ ik·(x−x′ ) † ′ 0 e e − = ψ̂(x, t), ψ̂ (x , t)γ V γk 2µ 2µ + k ′ 1 X 1 k/ + µ − 2γ 0 k0 k/ + µ = − eik·(x−x ) V γk 2µ 2µ k γ 0 1 X ωk ik·(x−x′ ) γ 0 m0 c 1 X ik·(x−x′ ) = e = e µ V γk c µ ~ V k k = γ 0 δ(x − x′ ) , so dass die Dyade [ψ, ψ † ]+ die Eigenschaft h i ψ̂(x, t), ψ̂ † (x′ , t) = 114 δ(x − x′ ) + hat und die kanonische Vertauschungsrelation aufgrund der Beziehung π̂ = 21 i~ψ̂ † die Form h i ψ̂(x, t), π̂(x′ , t) = 21 i~ 114 δ(x − x′ ) + annimmt. 6.20.3 Positiv- und negativ-frequente Anteile des Propagators Neben i h ψ̂(x), ψˆ† (x′ )γ 0 ≡ iS(x − x′ ) ; + S(x) = i∂/ + µ µ ∆(x) führen wir noch ein: i h ψ̂ (λ) (x), ψ̂ †(−λ) (x′ )γ 0 ≡ iS (λ) (x − x′ ) , + wobei definiert wurde: X (+,σ) ψ̂ (+) (x) ≡ akσ ψk (x) ; kσ ψ̂ †(+) (x) ≡ X (−,σ)† bkσ ψk (x) ; kσ Der Vergleich mit S. 129 liefert sofort: i∂/ + µ ∆(λ) (x) . S (λ) (x) = µ ψ̂ (−) (x) ≡ ψ̂ †(−) (x) ≡ X (−,σ) b†kσ ψk (x) kσ X kσ (+,σ)† a†kσ ψk (x) . 131 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG Aus den Integraldarstellungen für ∆(λ) (λ = ±, s. S. 97) folgt eine Integraldarstellung für S (λ) : Z i∂/ + µ d4 k e−ikx (λ) S (x) = −µ 4 2 2 µ C (λ) (2π) k − µ Z Z d4 k e−ikx d4 k k/ + µ −ikx e =− =− 2 4 4 /−µ / − µ2 C (λ) (2π) k C (λ) (2π) k und folglich eine für S(x): S(x) = − Z C d4 k e−ikx . (2π)4 k/ − µ Die Integrationswege C (λ) und C sind hierbei genau so gewählt wie für die Klein-Gordon-Propagatoren (S. 97). Der Feynman-Propagator ist für Fermionen definiert durch: i E 1 D h 0 T ψ̂(x)ψ̂ † (x′ )γ 0 0 SF (x − x′ ) ≡ i E i h 1 D = 0 Θ(t − t′ )ψ̂(x)ψ̂ † (x′ )γ 0 − Θ(t′ − t) ψ̂ † (x′ )γ 0 ψ̂(x) 0 . i Da offensichtlich gilt: E 1 h i 1 D (+) 0 ψ̂ (+) (x), ψ̂ †(−) (x′ )γ 0 0 0 S (x − x′ ) 0 = i i + E 1 D E 1 D (+) 0 ψ̂ (x) ψ̂ †(−) (x′ )γ 0 0 = 0 ψ̂(x) ψ̂ † (x′ )γ 0 0 = i i S (+) (x − x′ ) = und S (−) folgt noch h E i 1 D (−) 1 †(+) ′ 0 0 = (x − x ) = 0 ψ̂ (x), ψ̂ 0 ψ̂ †(+) (x′ )γ 0 ψ̂ (−) (x) 0 (x )γ i i + E 1 D † ′ 0 = 0 ψ̂ (x )γ ψ̂(x) 0 , i ′ SF (x − x′ ) = Θ(t − t′ )S (+) (x − x′ ) − Θ(t′ − t)S (−) (x − x′ ) bzw. SF (x) = Θ(t)S (+) (x) − Θ(−t)S (−) (x) i i∂/ + µ i∂/ + µ h (+) (−) = Θ(t)∆ − Θ(−t)∆ ∆F (x) . = µ µ Hierbei wurde verwendet, dass h i δ(t)∆(+) (x) + δ(−t)∆(−) (x) = δ(t) ∆(+) (x) + ∆(−) (x) = δ(t)∆(x) = 0 gilt, s. S. 130. Für den Feynman-Propagator findet man daher die Integraldarstellungen: Z Z d4 k k/ + µ d4 k e−ikx e−ikx , = SF (x) = 4 4 2 /−µ (2π) k − µ2 + i0+ CF (2π) k wobei im letzten Fall über die reelle k0 -Achse integriert wird. 132 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG 6.21 Ladungskonjugation in der quantisierten Dirac-Theorie Der Ladungskonjugationsoperator in der quantisierten Dirac-Theorie vertauscht Teilchen und Antiteilchen, wobei evtl. eine zusätzliche Phase erzeugt werden darf: Cakσ C † = ηbkσ , Cbkσ C † = η ∗ akσ |η| = 1 . Ca†kσ C † = η ∗ b†kσ , Cb†kσ C † = ηa†kσ Falls ein solcher unitärer Operator existiert (s. unten), ergibt sich also: " # X † † † CQC = C e (akσ akσ − bkσ bkσ ) C † = −Q . kσ Eine mögliche Wahl für den Operator C ist: C = C1 C2 , wobei C2 Teilchen und Antiteilchen vertauscht und C1 den Phasenfaktor η erzeugt: X † C1 = e−ϕ1 B1 ; B1 ≡ (akσ akσ − b†kσ bkσ ) kσ C2 = e−ϕ2 B2 ; B2 ≡ X kσ (a†kσ − b†kσ )(akσ − bkσ ) . Hierbei sind B1 und B2 also hermitesch; damit C1,2 (und daher C) unitär ist, wählen wir ϕ1,2 ∈ iR. Aus i h i h akσ , B2 = akσ , a†kσ − b†kσ akσ − bkσ − − † † = akσ akσ akσ − bkσ − akσ akσ − bkσ akσ = (1 − a†kσ akσ )(akσ − bkσ ) + a†kσ bkσ akσ = akσ − bkσ − a†kσ bkσ akσ + a†kσ bkσ akσ = (akσ − bkσ ) [bkσ , B2 ]− = · · · = (bkσ − akσ ) und daher: [akσ − bkσ , B2 ]− = 2(akσ − bkσ ) folgt sofort: C2 akσ C2† = e−ϕ2 B2 akσ eϕ2 B2 = = akσ + 1 2 ∞ i X (ϕ2 )n h akσ (B2 )n n! n=0 ∞ X (2ϕ2 )n (akσ − bkσ ) n! n=1 = 21 (akσ + bkσ ) + 21 e2ϕ2 (akσ − bkσ ) = bkσ , wobei im letzten Schritt ϕ2 = π 2i gewählt wurde. Analog folgt: (vertausche a ↔ b) C2 bkσ C2† = akσ . Außerdem folgt aus: i h i h akσ , B1 = akσ , a†kσ akσ = 1 − a†kσ akσ akσ − 0 = akσ − − i h i h † bkσ , B1 = − bkσ , bkσ bkσ = −bkσ , − − 133 6. DIE DIRAC-GLEICHUNG dass C1 akσ C1† = e−ϕ1 B1 akσ eϕ1 B1 = = ∞ X ϕn1 n! n=0 C1 bkσ C1† = · · · = ! ∞ i X ϕn1 h akσ B1n n! n=0 akσ = eϕ1 akσ ∞ X (−ϕ1 )n bkσ = e−ϕ1 bkσ n! n=0 gilt, und daher ist mit ϕ1 = −iλ (λ ∈ R) und η = eiλ : C1 akσ C1† = η ∗ akσ , C1 bkσ C1† = η bkσ . Insgesamt gilt also: C akσ C † = C1 C2 akσ C2† C1† = C1 bkσ C1† = ηbkσ C bkσ C † = · · · = C1 akσ C1† = η ∗ akσ . Hermitesche Konjugation liefert noch: C a†kσ C † = η ∗ b†kσ und C b†kσ C † = η a†kσ . Außerdem ist ∞ X (−ϕ1,2 B1,2 )n C1,2 0i = e−ϕ1,2 B1,2 0i = |0i =| 0i , n! n=0 da nur der (n = 0)-Term beiträgt, so dass insgesamt gilt: C |0i = C1 C2 | 0i = C1 |0i =| 0i . Das Vakuum ist also (nicht erstaunlicherweise) invariant unter Ladungskonjugation. 134 Anhang A 4-Schreibweise und Lorentz-Transformationen In der 4-Schreibweise fügt man die Orts- und Zeitkoordinaten zu einem kontravarianten 4-Vektor zusammen: xµ ≡ (ct, x) (µ = 0, 1, 2, 3) . Mit Hilfe des metrischen Tensors 1 ∅ −1 gµν = g µν ≡ −1 ∅ −1 kann mit xµ der kovariante 4-Vektor xµ ≡ gµν xν = (ct, −x) assoziiert werden. Generell kann man den metrischen Tensor dazu verwenden, Indizes herunter- oder heraufzuziehen. Es gilt z.B.: gµν g νρ = gµ̺ ≡ δµ̺ , wobei δµ̺ das übliche Kronecker-δ bezeichnet. Neben dem vollständig symmetrischen Tensor δµρ ist auch der vollständig antisymmetrische Tensor (Levi-Civita-Tensor) εµν̺σ relevant, dessen Komponenten nur dann ungleich Null sind, wenn (µνρσ) eine Permutation von (0, 1, 2, 3) darstellt: sgn(P ), falls (µνρσ) = (P 0, P 1, P 2, P 3) µνρσ ε = 0, sonst. Wir führen die Ko- bzw. Kontravarianten Ableitungen nach den Raum-Zeit-Koordinaten ein: ∂µ ≡ ∂ ∂xµ ; ∂ µ = g µν ∂ν = ∂ . ∂xµ Der d’Alembert-Operator kann dementsprechend als Skalarprodukt ∂µ ∂ µ geschrieben werden: = 1 ∂2 − ∆ = g µν ∂µ ∂ν = ∂µ ∂ µ . c2 ∂t2 Das Quadrat der Eigenzeit dτ bzw. des Raum-Zeit-Intervalls ds ist ebenfalls als Skalarprodukt darstellbar: c2 (dτ )2 = (ds)2 = c2 (dt)2 − (dx)2 = gµν dxµ dxν = dxµ dxµ . A. 4-SCHREIBWEISE UND LORENTZ-TRANSFORMATIONEN Die linearen Transformationen des 4-Vektors xµ , die die Eigenzeit dτ invariant lassen, werden als Poincaré-Transformationen bezeichnet: xµ → (x′ )µ = Λµν xν + aµ ; ΛT gΛ = g , (ΛT )µν = Λν µ . Sie bestehen aus einem homogenen Anteil, der als Lorentz-Transformation Λ bezeichnet wird, und einen inhomogenen Anteil (d.h. einer Translation). Innerhalb der Lorentz-Gruppe L ist die eigentliche orthochrone Lorentz-Gruppe L↑+ , deren Elemente die Bedingungen Λ00 ≥ 1 und det(Λ) = 1 erfüllen, am wichtigsten. Diese Untergruppe L↑+ von L enthält sowohl die Drehungen als auch die LorentzTransformationen im eigentlichen Sinne, d.h. die Geschwindigkeitstransformationen („boosts“): ′ cosh(φ) − sinh(φ) ct 0 ct = + , x′ x − (x · β̂)β̂ −β̂ sinh(φ) β̂ cosh(φ) x · β̂ wobei der Einheitsvektor β̂ und der Parameter φ über die Beziehung v = c tanh(φ)β̂ mit der Relativgeschwindigkeit v der Bezugssysteme zusammenhängen. Die oben bereits eingeführten Bezeichnungen ko- und kontravariant deuten an, dass ein 4-Vektor wie Vµ′ = Λµν Vν bzw. (V ′ )µ = Λµν V ν transformiert wird, wenn die Raum-Zeit-Koordinaten gemäß der Lorentz-Transformation Λ transformiert werden. Beispiele anderer 4-Vektoren sind der 4-Strom j µ = (cρ, j) und das 4-Potential Aµ = (Φ, cA) . 136 Anhang B Äquivalenz der bosonischen QFT mit der Vielteilchen-Klein-Gordon-Gleichung In diesem Anhang zeigen wir, dass die in Kapitel [5] vorgestellte Einteilchen-Klein-Gordon-Gleichung zu einem Vielteilchenformalismus ausgebaut werden kann, analog zur Vorgehensweise in Kapitel [3]. Ausgehend von der Klein-Gordon-Gleichung erhält man nun eine Quantenfeldtheorie für relativistische Bosonen, die - wie wir zeigen werden - äquivalent zur Vielteilchen-Klein-Gordon-Gleichung ist. Dies rechtfertigt a posteriori die Ergebnisse der „kanonischen Quantisierung“ die in Abschnitt [5.19] verwendet wurde. (λ) (λ) (λ′ ) Aus Abschnitt [5.10] kennen wir die Eigenfunktionen |ψk i von σ3 H. Es gilt hψk |σ3 |ψk′ i = λδλλ′ δkk′ . Diese Orthonormalitätsrelation kann mit Hilfe von (λ) (λ) |kλi ≡ |ψk i , hkλ| ≡ λhψk |σ3 auch als hkλ|k′ λ′ i = δλλ′ δkk′ geschrieben werden. Die Vollständigkeitsrelation folgt dann aus Abschnitt [5.10] als: X X (λ) (λ) 11 = U (t0 |t0 ) = λ|ψk (t0 )ihψk (t0 )|σ3 = |kλihkλ| kλ kλ Wie in Abschnitt [3.2] führen wir ein: |k1 λ1 , . . . , kN λN ) ≡ |k1 λ1 i ⊗ · · · ⊗ |kN λN i (k1 λ1 , . . . , kN λN | ≡ hk1 λ1 | ⊗ · · · ⊗ hkN λN | , so dass diese Zustände orthonormal und vollständig sind. Wir symmetrisieren sie mit Hilfe von PB , wie in Abschnitt [3.2]. Die normierten Zustände 12 N! |k1 λ1 , . . . , kN λN i ≡ Q PB |k1 λ1 , . . . , kN λN ) λ (nλ !) (und analog für hk1 λ1 , . . . , kN λN |) sind dann orthonormal und vollständig: Q X λ (nλ !) |k1 λ1 , . . . , kN λN ihk1 λ1 , . . . , kN λN | = 11B . N! k1 λ1 ,...,kN λN Wir führen den Fock-Raum ein: B= ∞ M N =0 BN , B. ÄQUIVALENZ DER BOSONISCHEN QFT MIT DER VIELTEILCHEN-KLEIN-GORDON-GLEICHUNG138 wobei B0 = |0i (Vakuum). Wir definieren den Erzeugungsoperator a†kλ durch: √ a†kλ |k1 λ1 , . . . , kN λN i ≡ nkλ + 1|kλ, k1 λ1 , . . . , kN λN i . Wie vorher folgt hieraus: |k1 λ1 , . . . , kN λN i = " Y (nkλ !) kλ #− 12 a†k1 λ1 . . . a†kN λN |0i . i h = 0, gilt noch: Da die a†kλ für Bosonen mit einander vertauschen, a†k1 λ1 , a†k2 λ2 − |k1 λ1 , . . . , kN λN i = # " Y (a† )nkλ √kλ |0i ≡ |{nkλ }i . nkλ ! kλ Wir definieren akλ als den zu a†kλ adjugierten Operator: √ hk1 λ1 , . . . , kN λN |akλ = hkλ, k1 λ1 , . . . kN λN | nkλ + 1 oder auch: √ h{nk′ λ′ }|akλ = h{nk′ λ′ + δλ′ λ δk′ k }| nkλ + 1 . Es folgt dann, dass akλ |{nk′ λ′ }i = √ nkλ | {nk′ λ′ − δλλ′ δkk′ }i . Außerdem folgen noch: [ak1 ,λ1 , ak2 λ2 ]− = 0 und [ak1 λ1 , a†k2 λ2 ]− = δλ1 λ2 δk1 k2 . Wir können wieder einen Zähloperator einführen, der dieselbe Wirkung hat wie vorher: n̂kλ |{nk′ λ′ }i = nkλ |{nk′ λ′ }i . Schließlich kann man Feldoperatoren einführen: X X ∗ ψ̂(x) = ψkλ (x)akλ , ψ̂ † (x) = λψkλ σ3 a†kλ , kλ kλ so dass [ψ̂(x), ψ̂(x′ )]− = [ψ̂ † (x), ψ̂ † (x′ )]− = 0 und [ψ̂(x), ψ̂ † (x′ )]− = = X k1 λ1 k2 λ2 X kλ λ2 ψk1 λ1 (x)ψk∗ 2 λ2 (x′ )σ3 [ak1 λ1 , a†k2 λ2 ]− ∗ λψkλ (x)ψkλ (x′ )σ3 = δ(x − x′ )11 . Der Einteilchenoperator hat im Allgemeinen die Form N ∞ X M O (1) (1) ; O = O(1) = O 11k ⊗ Ûℓ . N N N =0 ℓ=1 k6=ℓ Definieren wir den Ladungsoperator q̂ durch q̂|kλi = λ|kλi, dann sind die Matrixelemente von Û = q̂ durch hk1 λ1 |q̂|k2 λ2 i = λ2 δλ1 λ2 δk1 k2 gegeben. Die Gesamtladung (Ûℓ = q̂ℓ ) ist also: X hk1 λ1 |q̂|k2 λ2 ia†k1 λ1 ak2 λ2 Q̂ = k1 λ1 k2 λ2 = X kλ λa†kλ akλ = X k (nk+ − nk− ) . B. ÄQUIVALENZ DER BOSONISCHEN QFT MIT DER VIELTEILCHEN-KLEIN-GORDON-GLEICHUNG139 Der Operator σ3 H1 q̂ misst die Energie eines Einteilchenzustands: (λ) (λ) (λ) σ3 H1 q̂|ψk i = λσ3 H1 |ψk i = λ(λ~ωk )|ψk i = ~ωk |ψkλ i . Folglich ist der Gesamtenergieoperator (Hamilton-Operator) durch die Matrixelemente von Û = σ3 H1 q̂ bestimmt: hk1 λ1 |σ3 H1 q̂|k2 λ2 i = ~ωk2 δλ1 λ2 δk1 k2 mit dem Ergebnis: X Ĥ = hk1 λ1 |σ3 H q̂|k2 λ2 ia†k1 λ1 ak2 λ2 k1 λ1 k2 λ2 = X ~ωk a†kλ akλ = kλ X ~ωk nkλ . kλ Der Gesamtimpulsoperator folgt analog aus der Wahl Û = p̂q̂ = ~i ∇q̂ als: P= X k1 λ1 k2 λ2 hk1 λ1 |p̂q̂|k2 λ2 ia†k1 λ1 ak2 λ2 = X ~knkλ . kλ (λ) (λ) (λ) Da die Zeitentwicklung eines einzelnen Zustands |ψk i bekannt ist: |ψk (t)i = |ψk (t0 )ie−iλωk t , ist der Zeitentwicklungsoperator U (t|t0 ) gegeben durch: X PN |{nkλ }ie−i( ℓ=1 λℓ ωkℓ )(t−t0 ) h{nkλ }| U (t|t0 ) = {nkλ } P − ~i ( N ℓ=1 σ3ℓ Ĥ1ℓ )(t−t0 ) =e . Die entsprechende Verallgemeinerung der Klein-Gordon-Gleichung für mehrere Teilchen lautet also: ! N X ∂ σ3ℓ Ĥ1ℓ ΨN . i~ ΨN = ∂t ℓ=1 Folglich ist auch im Falle relativistischer Bosonen die „2. Quantisierung“ keine zusätzliche Annahme. Sie kann konstruktiv aus der Vielteilchen-Klein-Gordon-Gleichung hergeleitet werden. Anhang C Äquivalenz der fermionischen QFT und der Vielteilchen-Dirac-Gleichung Die für relativistische Vielfermionsysteme benötigten Argumente sind denjenigen, die bereits vorher für nicht-relativistische Fermionen (Kapitel [2] und [3]) oder auch für relativistische Bosonen (s. Anhang [B]) verwendet wurden, sehr ähnlich. (λσ) Wir identifizieren die in Gleichung (6.7) eingeführten auf Eins normierten ebenen Wellen ψk (x) (λσ)† mit dem Ket |kλσi und die hermitesch konjugierte Wellenfunktion ψk (x) mit dem Bra hkλσ|. Es gelten dann die üblichen Orthonormalitäts- und Vollständigkeitsrelationen hkλσ|k′ λ′ σ ′ i = δkk′ δλλ′ δσσ′ und X |kλσihkλσ| = 11 . kλσ Wir führen die Vielteilchenwellenfunktionen |k1 λ1 σ1 , . . . , kN λN σN ) = |k1 λ1 σ1 i ⊗ · · · ⊗ |kN λN σN i im N -Teilchen Hilbert-Raum HN ein, antisymmetrisieren sie mit Hilfe des Projektors PF auf den fermionischen Unterraum und normieren sie auf Eins: √ |k1 λ1 σ1 , . . . , kN λN σN ) ≡ N !PF |k1 λ1 σ1 , . . . , kN λN σN ) . Die so definierten N -Teilchenzustände sind orthonormal und vollständig: X 1 |k1 λ1 σ1 , . . . , kN λN σN ihk1 λ1 σ1 , . . . , kN λN σN | = 11F . N! {k1 λ1 σ1 ,...,kN λN σN } L∞ Wir führen wie üblich den fermionischen Fock-Raum ein: F = N =0 FN mit F0 = |0i und F1 = H und definieren Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren a†kλσ bzw. akλσ , die die Vertauschungsrelationen [akλσ , ak′ λ′ σ′ ]+ = 0 = [a†kλσ , a†k′ λ′ σ′ ]+ [akλσ , a†k′ λ′ σ′ ]+ = δkk′ δλλ′ δσσ′ erfüllen. Wie üblich kann man den Zähloperator n̂kλσ ≡ a†kλσ akλσ mit den Eigenwerten nkλσ = N X δkkℓ δλλℓ δσσℓ ℓ=1 und die Feldoperatoren X (λσ) ψ̂(x) = ψk (x)akλσ , kλσ ψ̂σ† (x) = X kλσ (λσ)† ψk (x)a†kλσ (C.1) C. ÄQUIVALENZ DER FERMIONISCHEN QFT UND DER VIELTEILCHEN-DIRAC-GLEICHUNG definieren. Führt man nun an dieser Stelle eine partielle Teilchen-Loch-Transformation durch: ak,+,σ ≡ akσ , ak,−,σ ≡ b†kσ , (C.2) dann erfüllen die Operatorenpaare (akσ , a†kσ ) und (bkσ , b†kσ ) wiederum fermionische Vertauschungsrelationen; die Teilchen-Loch-Transformation (C.2) ist also eine kanonische Transformation. Einsetzen von (C.2) in (C.1) liefert sofort die am Anfang des Abschnitts [6.18] eingeführten Quantenfelder ψ̂(x) und daher auch alle in diesem Abschnitt hergeleiteten Eigenschaften dieser Felder. Hiermit sind die Ergebnisse der „kanonischen Quantisierung“ für fermionische Vielteilchensysteme a posteriori gerechtfertigt. Ähnlich wie für den bosonischen Fall ist der Zeitentwicklungsoperator U (t|t0 ) für den Vielfermionfall durch X PN |k1 λ1 σ1 , . . . , kN λN σN ie−i( ℓ=1 λℓ ωkℓ )(t−t0 ) hk1 λ1 σ1 , . . . , kN λN σN | U (t|t0 ) = {k1 λ1 σ1 ,...,kN λN σN } P − ~i ( N ℓ=1 Ĥ1ℓ )(t−t0 ) =e gegeben. Diese Form des Zeitentwicklungsoperators entspricht genau der Vielteilchen-Dirac-Gleichung in der Hamilton-Form: ! N X ∂ΨN = Ĥ1ℓ ΨN ≡ ĤN ΨN . i~ ∂t ℓ=1 Die Methode der „2. Quantisierung“ ist dieser Vielteilchen-Dirac-Gleichung also vollkommen äquivalent. 141 Anhang D Allgemeine Literaturhinweise Die folgenden Bücher können als allgemeine Hintergrundinformation zur Vorlesung „Quantentheorie für Fortgeschrittene“ empfohlen werden: F. Schwabl Quantenmechanik für Fortgeschrittene (Springer-Verlag, Berlin, 1997). J.J. Sakurai Advanced Quantum Mechanics (Addison-Wesley, Reading, 1967). J.D. Bjorken, S.D. Drell Relativistische Quantenmechanik (Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1998) und Relativistische Quantenfeldtheorie (B.I. Wissenschaftsverlag, Mannheim, 1993). F. Scheck Theoretische Physik 4: Quantisierte Felder (Springer-Verlag, Berlin, 2001) Deutlich über den Inhalt der Vorlesung hinaus gehen die Bücher: C. Itzykson, J.-B. Zuber Quantum Field Theory (McGraw-Hill, New York, 1985). F. Scheck Electroweak and Strong Interactions (Springer-Verlag, Berlin, 1996). W.B. Berestetzki, E.M. Lifschitz, L.P. Pitajewski Quantenelektrodynamik (Akademie-Verlag, Berlin, 1986). S. Weinberg The Quantum Theory of Fields, Vol. I-III (Cambridge Univ. Press, Cambridge, 1995/ 1996/2000). Ausführliche Information über nicht-relativistische quantenmechanische Vielteilchensysteme findet man in: J.W. Negele, H. Orland Quantum Many-Particle Systems (Addison-Wesley, Redwood City, 1988). A.L. Fetter, J.D. Walecka Quantum Theory of Many-Particle Systems (McGraw-Hill, New York, 1971). A.A. Abrikosov, L.P. Gorkov, I.E. Dzyaloshinski Methods of Quantum Field Theory in Statistical Physics (Dover Publications, New York, 1975). Information über das quantisierte Strahlungsfeld findet man in Sakurai und Itzykson/Zuber und speziell auch in: W. Heitler The Quantum Theory of Radiation (Dover Publications, New York, 1954).