Implikation und Prädikat

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Implikation und Prädikat
In der Sitzung vom 09.06. ging es darum, Bedeutungsrelationen wie Antonymie, Hyponymie usw. vertieft zu
diskutieren (es bestand viel Diskussionsbedarf) und zu präzisieren, soweit dies möglich ist. Dabei fielen die
folgenden Aussagen:
Antonymie
Ein Prädikat P(x) ist ein Antonym von einem Prädikat Q(x) genau dann, wenn die
Behauptung von P(x) die Behauptung der Negation von Q(x) semantisch impliziert, aber
nicht umgekehrt.
Komplementarität
Ein Prädikat P(x) ist komplementär zu einem Prädikat Q(x) genau dann, wenn sich die
Behauptung von P(x) und die Negation der Behauptung von Q(x) gegenseitig semantisch
implizieren.
Konversivität
Ein zweistelliges Prädikat P(x,y) ist konvers zu einem zweistelligen Prädikat Q(x,y) genau
dann, wenn sich die Behauptungen von P(x,y) und Q(y,x) gegenseitig semantisch
implizieren.
Reversivität
Ein zweistelliges Prädikat P(x) (i.a.R. ein Verb) ist reversiv zu einem zweistelligen Prädikat
Q(x) genau dann, wenn P(x) den Übergang des x von Zustand A in einen Zustand B
semantisch impliziert und Q(x) den Übergang des x von Zustand B in Zustand A.
Synonymie
Zwei Prädikate P(x) und Q(x) sind synonym, wenn die Behauptung von P(x) die Behauptung
von Q(x) semantisch impliziert und umgekehrt, sie sich also wechselseitig semantisch
implizieren. (Hier haben wir noch zwischen Voll- und Teilsynonymie (auch: totale und
partielle Synonymie) unterschieden.)
Hyponymie
Ein Prädikat P(x) ist ein Hyponym des Prädikates Q(x) wenn P(x) Q(x) semantisch impliziert
und es nicht der Fall ist, dass Q(x) P(x) semantisch impliziert. (Hier wurde erneut auf die
Transitivität dieser Relation verwiesen).
Meronymie
Ein Prädikat P(x) ist ein Meronym eines Prädikates Q(y), wenn x einen konstitutiven
Bestandteil von y benennt.
In diesen Erläuterungen wurden zwei Begriffe verwendet, die in der Sitzung kurz angerissen, nachstehend aber
etwas genauer erklärt werden sollen: »implizieren« einerseits, »Prädikat« andererseits. Im Kontext der
Implikation gehen wir auch auf das Konzept »Präsupposition« ein.
Implikation
Der Begriff »Implikation« wird in zwei eng verwandten, aber nicht identischen Lesarten verwendet. Die eine
Version von »Implikation« stammt aus der Aussagenlogik, die andere aus der Semantik. Um beide terminologisch
voneinander zu unterscheiden, bezeichnen wir sie als »materiale Implikation« und »semantische Implikation«
Materiale Implikation in der Aussagenlogik
Der Aussagenlogik geht es darum, Konzepte und Methoden zu entwickeln, anhand derer der Wahrheitsgehalt von
komplexen Aussagen bzw. Aussagenverknüpfungen generalisiert beschrieben und bewiesen werden kann. Zu
diesem Zweck werden logische Operatoren definiert, die gemeinsam mit ihren Operanden eine Funktion bilden,
die als Ergebnis einen Wahrheitswert liefert. Der entscheidende Punkt ist, dass diese Operatoren, die auch
»Junktoren« genannt werden, selber über Wahrheitswerte definiert sind. Das klingt etwas kompliziert, darum
fangen wir mit einem sehr einfachen Beispiel an. Wir stellen folgendes fest:
1.
2.
Werder spielt zu Hause im Weserstadion: wahr.
Bayern spielt zu Hause in der Allianz-Arena: wahr.
Werder spielt zu Hause im Weserstadion und Bayern spielt zu Hause in der Allianz-Arena: wahr.
Werder spielt zu Hause im Volksparkstadion: nicht wahr.
Bayern spielt zu Hause in der Allianz-Arena: wahr.
Werder spielt zu Hause im Volksparkstadion und Bayern zu Hause spielt in der Allianz-Arena: nicht wahr.
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3.
Werder spielt zu Hause im Weserstadion: wahr.
Bayern spielt zu Hause im Volksparkstadion: nicht wahr.
Werder spielt zu Hause im Weserstadion und Bayern spielt zu Hause im Volksparkstadion: nicht wahr.
4. Werder spielt zu Hause im Volksparkstadion: nicht wahr.
Bayern spielt zu Hause im Weserstadion: nicht wahr.
Werder spielt zu Hause im Volksparkstadion und Bayern spielt zu Hause im Weserstadion: nicht wahr.
Nur im ersten Beispiel liefert die Verknüpfung der beiden Aussagen mit »und« den Wahrheitswert »wahr«, in
allen anderen Fällen ist das Ergebnis der Verknüpfung nicht wahr oder »falsch«. Diese Beobachtung können wir
wie folgt verallgemeinern:
Die Verknüpfung zweier Aussagen, nennen wir sie »p« und »q«, durch »und« ist ausschließlich dann
wahr, wenn sowohl p als auch q wahr sind. Sonst ist sie falsch.
Das ist ein Beispiel für Generalisierung: wir sprechen nicht mehr von konkreten Aussagen bzw. die Aussagen in
den Beispielen (1)–(4), sondern wir sprechen von allen möglichen Aussagen. Ferner, und das ist für uns wichtig,
liefert uns die Aussage die Möglichkeit, zu demonstrieren, was damit gemeint ist, einen Junktor über
Wahrheitswerte zu definieren. Wir können nämlich auch folgendes sagen:
Die Konjunktion »und« (Symbol »∧«) ist diejenige Verknüpfung zweier Aussagen p und q, die den
Wert »wahr« ergibt, wenn p und q wahr sind, ansonsten liefert sie den Wert »falsch«.
Derartige Aussagen werden in der Logik gerne in Form einer sog. »Wahrheitswertetabelle« dargestellt:
p q p∧q
w w
w
w f
f
f w
f
f f
f
Abbildung 1: Wahrheitswerte für die logische Konjunktion
Nehmen wir zum Kontrast ein weiteres Beispiel hinzu:
5.
Sie isst gerne Schokolade: wahr.
Sie isst gerne Kuchen: wahr.
Sie isst gerne Schokolade oder sie isst gerne Kuchen: wahr.
6. Sie isst gerne Schokolade: nicht wahr.
Sie isst gerne Kuchen: wahr.
Sie isst gerne Schokolade oder sie isst gerne Kuchen: wahr.
7. Sie isst gerne Schokolade: wahr.
Sie isst gerne Kuchen: nicht wahr.
Sie isst gerne Schokolade oder sie isst gerne Kuchen: wahr.
8. Sie isst gerne Schokolade: nicht wahr.
Sie isst gerne Kuchen: nicht wahr.
Sie isst gerne Schokolade oder sie isst gerne Kuchen: nicht wahr.
Hier können wir folgendes sagen:
Die Disjunktion »oder« (Symbol »∨«) ist diejenige Verknüpfung zweier Aussagen p und q, die den
Wert »falsch« ergibt, wenn p und q falsch sind, ansonsten liefert sie den Wert »wahr«.
p q p∨q
w w
w
w f
w
f w
w
f f
f
Abbildung 2: Wahrheitswerte für die logische Disjunktion
Bis hierher könnte man denken, dass die Junktoren »und« und »oder« den natürlichsprachlichen Ausdrücken und
und oder entsprechen, doch das wäre ein Fehler:
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Das natürlichsprachige oder wird in aller Regel als ausschließendes oder verstanden. Sagt ein Elternteil an der
Kasse zum Kind:
9.
Du kannst dir ein Mars nehmen oder du kannst dir ein Bounty nehmen.
bedeutet das i.a.R. »entweder ein Mars - oder ein Bounty«. Die logische Disjunktion aber ist inklusiv, d.h. in dieser
Verknüpfung ist das kodiert, was beim natürlichsprachlichen oder explizit ausgedrückt werden muss:
10. Entweder gibt es Bier oder Wein oder beides.
Was das natürlichsprachliche und angeht, so umfasst dieses sehr häufig zusätzliche Bedeutungen, wie
beispielsweise bestimmte kausale oder temporale Verknüpfungen zwischen den beiden Aussagen:
11. Sie hat die Tür geöffnet und (sie) ist hereingekommen.
12. Er ist von der Leiter gefallen und (er) hat sich das Bein gebrochen.
Temporal: erst p, dann q.
Kausal: p ist Ursache für q.
Diese Zusatzbedeutungen bzw. Bedeutungsaspekte fehlen bei der logischen Konjunktion. Tatsächlich, und das ist
weiter unten immens wichtig, brauchen die Aussagen, die miteinander verknüpft werden, in keinerlei
inhaltlichem Zusammenhang zu stehen. Also:
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
Boris Johnson heißt eigentlich Alexander Boris de Pfeffel Johnson und ich esse gerne Kuchen
Ein Stuhl ist zum Sitzen da und am 01.06.2017 wurde in Großbritannien gewählt.
Der Bundestag tagt in Bonn und Katzen haben einen Schwanz.
Kenia liegt in Südamerika und Deutsch ist eine Ergativsprache.
Die Sonne ist ein Stern oder Theresa May hat sich verzockt.
Der Rhein ist ein Fluss oder der Mond ist ein Planet.
Hunde sind Reptilien oder Swahili wird in Tansania gesprochen.
Sieben ist kleiner als fünf oder ich bin die Kaiserin von China.
w ∧ w: w
w ∧ f: f
f ∧ w: f
f ∧ f: f
w ∨ w: w
w ∨ f: w
f ∨ w: w
f ∨ f: f
Sie sehen hier ganz klar, dass der spezifische Inhalt der Aussagen völlig irrelevant ist – entscheidend ist nur, ob die
Aussage jeweils wahr oder falsch ist.
Damit kommen wir zur logischen bzw. materialen Implikation. Diese ist eine logische Verknüpfung, die wie folgt
wahrheitsfunktional definiert ist:
Die Implikation (Symbol »→«) ist diejenige Verknüpfung zweier Aussagen p und q, die den Wert
»falsch« ergibt, wenn p wahr ist und q falsch, ansonsten liefert sie den Wert »wahr«.
p q p→q
w w
w
w f
f
f w
w
f f
w
Abbildung 3: Wahrheitswerte für die logische Implikation
Natürlichsprachlich wird diese Verknüpfung, durch wenn-dann versprachlicht, wobei hier ganz besonders gilt,
dass keine eins-zu-eins-Beziehung zwischen wenn-dann und logischer Implikation vorliegt. Zwar kann das
nachstehende Beispiel noch mit dem natürlichsprachlichen Verständnis nachvollzogen werden:
21. Die Sonne scheint: wahr.
Wir machen ein Picknick: wahr.
Wenn die Sonne scheint, dann machen wir ein Picknick: wahr.
Dass der Funktor »→« aber auch eine falsche und eine wahre Aussage zu einer wahren Aussage verbindet (3.
Zeile in Abbildung 3) widerspricht unserem alltagssprachlichen Verständnis von wenn-dann komplett und kann
erst dann zufriedenstellend erklärt werden, wenn wir einen Schritt weitergehen und uns die Implikation im
Rahmen des logischen Schließens ansehen, also im Rahmen der eigentlichen Aufgabe der formalen Logik: der
Überprüfung, inwieweit sich die Gültigkeit eines Schlusses allein aus der Form einer (komplexen) Aussage ergibt.
Ein logischer Schluss ist eine Generalisierung der folgenden Form:
Wenn P1 wahr ist und wenn P2 wahr ist, folgt daraus K.
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Die beiden großen »P« stehen hier für »Prämisse« (von lat. praemissio 'das Vorausgeschickte), das »K« für
»Konklusion« (von lat. conclusio 'das (logisch) Gefolgerte'). Sehen wir uns dazu ein paar Beispiele mit wenn-dannVerknüpfungen an:
22. Wenn das Wetter schön ist, dann fahren wir an die See.
Das Wetter ist schön.
Also fahren wir an die See.
23. Wenn er nicht bezahlt, dann kommt der Gerichtsvollzieher.
Er bezahlt nicht.
Deshalb kommt der Gerichtsvollzieher.
24. Wenn Sie nicht richtig zuhören, dann kapieren Sie gar nichts.
Sie hören nicht richtig zu.
Ergo kapieren Sie gar nichts.
Die Konjunktionen also, deshalb oder ergo drücken umgangssprachlich genau das aus, was wir als »Konklusion«
bezeichnet haben: die jeweils dritte Aussage in (22)–(24) ist die logische Folgerung aus den beiden vorherigen .
Dieses können wir generalisiert wie folgt in einem sog. »Schlussschema« erfassen: 1
Prämisse 1:
Prämisse 2:
Konklusion:
p→q
p
∴ q
Abbildung 4: Schlussschema
Dazu wieder eine konkrete Umsetzung, an der wir dann auch verdeutlichen können, wozu die Implikation dient
und dass sie doch nicht so intuitionsfern ist, wie es erst scheint. Dazu nehmen wir folgende Zuordnung vor (das
nennt man »Instanziierung der Variablen«):
p = Meine Katze ist krank.
q = Meine Katze kommt zum Arzt.
Um zu beweisen, dass das Schema in Abbildung 4 Gültigkeit hat, muss nun bewiesen werden, dass folgendes gilt:
Wenn die Aussagen Wenn meine Katze krank ist, kommt sie zum Arzt (P1) und Meine Katze ist krank
(P2) wahr sind, dann ist auch die Aussage Meine Katze muss zum Arzt (K) wahr.
Das kann man gut über eine Wahrheitstabelle darstellen:
Katze krank
Katze zum Arzt
Wenn Katze krank, dann
zum Arzt
(Wenn Katze krank, dann
zum Arzt) und Katze krank
Wenn [(wenn Katze krank,
dann zum Arzt) und Katze
krank] dann zum Arzt
p
w
w
f
f
q
w
f
w
f
p→q
w
f
w
w
(p → q) ∧ p
w
f
f
f
((p → q) ∧ p) → q
w
w
w
w
Abbildung 5: Wahrheitswerte für Schlussschema
Entscheidend ist die letzte Spalte, in der alle Werte wahr sind, womit der Schluss bewiesen wäre. Dass das
funktioniert, ist nur möglich, weil die logische Implikation so definiert ist, wie in Abbildung 3 dargestellt. Das
natürlichsprachliche wenn-dann, das in aller Regel nur wahr empfunden wird, wenn beide Aussagen wahr oder
beide Aussagen falsch sind, würde hier zu falschen und also der Intuition widersprechenden Wahrheitswerten
führen: intuitiv erkennen wir nämlich, dass das Schlussschema in Abbildung 4 "hinhaut" und in allen Fällen wahr
sein muss.
Zum Abschluss dieses Abschnittes noch ein Verweis auf die gegen- oder wechselseitige Implikation, auch
»Bikonditional« (Symbol »⇔«) genannt. Umgangssprachlich würden wir hier wenn p, dann q und wenn q, dann p
1
Dieses spezifische Schlussschema wird »Modus Ponens« genannt.
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sagen. Diese Verbindung können wir wie folgt in einer Wahrheitstabelle darstellen, die letzte Spalte würde man
normalerweise mit p ⇔ q überschreiben, aber wir machen es hier ganz transparent:
p q p → q q → p (p → q) ∧ (q → p)
w w
w
w
w
w f
f
w
f
f w
w
f
f
f f
w
w
w
Abbildung 6: Wahrheitswerte für wechselseitige Implikation
Das entspricht wiederum sehr gut der natürlichsprachlichen Intuition, wie wir anhand der folgenden
Instanziierung zeigen können:
p: Es ist kalt.
q: Mein Auto springt nicht an.
Es ist kalt
Auto springt nicht an
Wenn es kalt ist,
springt Auto nicht an
p
w
w
f
f
q
w
f
w
f
p→q
w
f
w
w
Wenn Auto nicht anspringt,
ist es kalt
q→p
w
w
f
w
Wenn es kalt ist,
springt Auto nicht an und
wenn Auto nicht anspringt,
ist es kalt
(p → q) ∧ (q → p)
w
f
f
w
Abbildung 7: Instanziiertes Bikonditional
Das Bikonditional ist nur in zwei Fällen wahr, nämlich wenn p und q beide wahr oder wenn sie beide falsch sind:
25. Wenn es kalt ist, springt mein Auto nicht an und wenn mein Auto nicht anspringt, ist es kalt.
26. Wenn es nicht kalt ist, springt mein Auto an und wenn mein Auto anspringt, ist es nicht kalt.
Semantische Implikation
Damit kommen wir zur zweiten, eher linguistisch orientierten Lesart von »Implikation«, die wir viel schneller
abhandeln können. Der entscheidende Unterschied zur logischen Implikation besteht darin, dass es bei der
semantischen Implikation nicht um die Wahrheitswerte beliebiger Aussagen und deren Verknüpfungen geht.
Stattdessen geht es um den spezifischen Inhalt einer Aussage und um die Frage, inwieweit aus genau diesem
Inhalt andere Inhalte zwangsläufig folgen.
Semantische Implikation liegt vor, wenn die Wahrheit einer Aussage A eine notwendige Konsequenz der
Wahrheit einer inhaltlich relationierten Aussage B ist: ist A wahr, ist zwangsläufig auch B wahr.
Im Rahmen der lexikalischen Semantik hängt Implikation von der Bedeutung einzelner Lexeme ab, genauer gesagt
von der Frage, welche Folgerungen sich aus deren Bedeutung ergeben können. Etwas informell ausgedrückt geht
es darum, aus einer Aussage weitere Inhalte zu erschließen oder zu folgern, die nicht direkt ausgedrückt sind.
Wenn (27) wahr ist:
27. Beim Nachbarn bellt ein Pudel.
ist notwendigerweise auch (28) wahr:
28. Beim Nachbarn bellt ein Hund.
Diese beiden Sätze können wir auch über einen wenn-dann Ausdruck verbinden:
29. Wenn beim Nachbarn ein Pudel bellt, dann bellt beim Nachbarn ein Hund.
Zentral für unsere Argumentation ist, dass diese wenn-dann-Verknüpfung nicht, wie z.B. weiter oben in den
Sätzen (22)-(24), beliebig ist, sondern eine logische Folge der Semantik von Pudel und Hund.
Um diesen so wichtigen Punkt noch einmal zu unterstreichen, stellen wir nachstehend eine Reihe von wenn-dann
Verknüpfungen gegenüber. In der linken Spalte liegt semantische Implikation zwischen den beiden Teilaussagen
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vor, in der rechten Spalte nicht. Diese Tabelle macht ganz deutlich, worin der Unterschied zwischen semantischer
und nicht-semantischer Implikation liegt:
a.
b.
c.
d.
e.
f.
semantische Implikation
keine semantische Implikation
Wenn Tom ein Kater ist, dann ist Tom
ein Tier.
Wenn Elaine älter ist als George, dann
ist George jünger als Elaine.
Wenn er mir eine Apfelsine schenkt,
dann schenkt er mir eine Orange.
Wenn das Auto laut ist, dann ist es nicht
leise.
Wenn Elaine Junggesellin ist, dann ist
Elaine ledig.
Wenn die Polizei die Terroristen
erschießt, dann sind die Terroristen tot.
Wenn Werder gewinnt, dann gebe ich einen
aus.
Wenn die Zeitung morgen wieder nicht
kommt, dann kündige ich mein Abo.
Wenn Leipzig die Lizenz entzogen wird, dann
kommt Werder in die Quali.
Wenn das Auto laut ist, dann werde ich es
nicht kaufen.
Wenn Elaine Junggesellin ist, dann wird sie
auf die Single-Party gehen.
Wenn die Polizei die Terroristen erschießt,
dann gibt es einen Untersuchungsausschuss.
Abbildung 8: semantische vs. nicht-semantische Implikation
Wie Sie sehen, liegt in der Spalte links in (a), (d) und (e) jeweils einseitige, in (b) und (c) wechselseitige Implikation
vor. Während die zweite Teilaussage in der linken Spalte jeweils aus der ersten folgt, ist dieses in der rechten
Spalte nicht der Fall. Die logische Folgerung der zweiten Teilaussage in der linken Spalte ist ausgelöst durch die
Semantik der verwendeten Lexeme: im Falle von (a)-(d) liegen jeweils paradigmatische Bedeutungsrelationen vor
(Hund-Tier: Hypnomie, älter-jünger: Konversivität, Apfelsine-Orange: Synonymie, laut-leise: Antonymie).
Die Beispiele für (e) und (f) sind anders, als die anderen Beispiele, denn weder Junggesellin und ledig noch
erschießen und tot stehen in einer paradigmatischen Relation zueinander, trotzdem liegt hier einseitige
semantische Implikation vor. Auf diese Sätze kommen wir zurück, wenn es um semantische Merkmale geht.
In allen Fällen in der linken Spalte aber gilt, dass die »zwangsläufige Folgerung« der zweiten Teilaussage nicht
durch ein logisches Schlussschema wie in Abbildung 4 etabliert werden muss, also aus der spezifischen Form der
Satzverknüpfung, sondern Resultat ist aus den mit den jeweiligen Lexemen verbundenen Bedeutungen.
Implikation vs. Präsupposition
Es bietet sich an, nach der Einführung des Implikationsbegriffes diesen noch schnell von einem weiteren,
zentralen Konzept der Semantik zu unterscheiden, nämlich der sog. »Präsupposition (von lat. praesupponere
'voraussetzen', dazu praesuppositio 'das Vorausgesetzte').
Wir beginnen mit einem kleinen Beispiel:
30. Elaines Katze ist groß.
31. Elaines Katze ist nicht groß.
Durch die Negation verkehrt sich die Bedeutung von (30) in ihr Gegenteil, d.h. dass die Bedeutung von (31)
komplementär ist zur Bedeutung von (30). Dennoch gibt es einen Bedeutungsaspekt, der in beiden Sätzen
identisch ist: sowohl aus (30) als auch aus (31) geht hervor, dass Elaine eine Katze hat, denn beide Sätzen
verwenden die Genitiv-Markierung und setzen somit die Possessionsbeziehung zwischen Elaine und Katze als
gegeben voraus. Die Menge der Bedeutungsaspekte, die in sowohl in (30) als auch in (31) vorausgesetzt werden,
sprich die Menge der Präsuppositionen, lautet verkürzt wie folgt:
o
o
o
Es gibt eine Person namens Elaine.
Es gibt eine Katze.
Diese Katze gehört Elaine.
Umgangssprachlich würden wir hier auch so etwas sagen können wie
32. Aus der Aussage Elaines Katze ist groß folgt, dass Elaine eine Katze hat.
33. Aus der Aussage Elaines Katze ist groß geht notwendigerweise hervor, dass es eine Person Elaine gibt.
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Das heißt, dass wir umgangssprachlich ähnlich über Präsuppositionen sprechen, wie über semantische
Implikationen. Es gibt hier aber einen ganz entscheidenden Unterschied: während der Wahrheit einer Aussage bei
semantischer Implikation durch Negation widersprochen werden kann, wird die Wahrheit der Präsupposition
vorausgesetzt und ist durch Negation nicht tangiert:
Semantische Implikation:
Kramers Antwort war nicht richtig. ←
Kramers Antwort war richtig.
←
Aussage
Kramers Antwort war falsch.
Kramers Antwort war nicht falsch.
>
Präsuppositionen:
Es gibt eine Person Kramer
Es gibt eine Frage
Kramer hat Frage beantwortet
Abbildung 9: Semantische Implikation vs Präsuppostion bei Negation
Wenn wir sagen, dass Bedeutungsinhalte »vorausgesetzt werden«, meinen wir damit also, dass bestimmte
Inhalte, die nicht offen in der Aussage behauptet, aber mitverstanden werden, in der Kommunikationssituation
nicht zur Disposition stehen, sondern vom Hörer als wahr interpretiert werden müssen, damit dieser überhaupt
beurteilen kann, ob die Gesamtbedeutung wahr ist oder nicht.
Präsuppositionen vom Typ »es gibt ein X« (wie in »es gibt eine Person Elaine«, »es gibt eine Frage«) nennt man
auch »Existenzpräsuppositionen«, und der Name ist selbsterklärend: die Existenz von X wird vorausgesetzt. Dazu
betrachten wir ein Beispiel:
34. Gestern saßen wir im Restaurant, da kam auf einmal der Mann an unseren Tisch.
Die Verwendung des definiten Artikels in der NP der Mann 2 ist ein Indikator dafür, dass die Existenz des
Referenten der NP in der Kommunikationssituation als gegeben vorausgesetzt wird oder, anders ausgedrückt,
dass Kenntnis über diesen Mann auf irgendeiner Weise in der Kommunikationssituation vorhanden sein muss.
Das kann z.B. dadurch erfolgt sein, dass er in der diesem Satz vorausgehenden Kommunikation eingeführt wurde:
35. Bei mir nebenan ist ein merkwürdiger Mann eingezogen, ich glaube, der stalkt mich.
Gestern saßen wir im Restaurant, da kam auf einmal der Mann an unseren Tisch.
Vergleichen wir (34) mit
36. Gestern saßen wir im Restaurant, da kam auf einmal der Wirt an unseren Tisch.
Auch hier findet sich mit der Wirt eine definite, also präsupponierte NP. Anders als in (34) aber ist hier keinerlei
»Einführung« nötig, denn es gehört zu unserem allgemeinen Weltwissen, dass in einem Restaurant in aller Regel
ein Wirt zu finden ist. Tatsächlich würde der Gebrauch des indefiniten Artikels zu einem schrägen Resultat führen.
Vergleichen Sie:
37. Gestern saßen wir im Restaurant, da kam auf einmal ein Mann an unseren Tisch.
38. ?Gestern saßen wir im Restaurant, da kam auf einmal ein Wirt an unseren Tisch.
Dieses Beispiel verweist auf eine interessante Frage, nämlich die, ob es möglich ist, semantisches Wissen von
Weltwissen zu trennen und wenn ja, wo die Grenze zu ziehen wäre. Dazu an anderer Stelle mehr.
Neben der Existenzpräsupposition gibt es auch weitere Formen, die aus linguistischer Sicht interessant sind.
Betrachten wir ein paar Standardbeispiele für Präsupposition, nämlich Fragen wie
39. Haben Sie aufgehört, zu rauchen?
40. Haben Sie aufgehört, Ihren Hund zu schlagen?
41. Haben Sie aufgehört, illegal Filme herunterzuladen?
In allen drei Fällen wird die im Infinitivsatz realisierte Aussage als gegeben vorausgesetzt, was es für jemanden,
der weder je geraucht, noch seinen Hund geschlagen, noch illegal Filme runtergeladen hat, unmöglich macht, die
Wahrheit der Behauptung mit einem einfach »ja« oder »nein« zu bestätigen bzw. zu refutieren. In diesen
Beispielen wird die Präsupposition durch das Verb aufhören ausgelöst, d.h. dass das »Y« in einer Konstruktion wie
der nachstehenden immer präsupponiert ist:
42. X hat aufgehört, zu Y.
2
das gilt prinzipiell für definite NP.
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Verben wie aufhören werden bei einigen Autoren »Phasenverben« genannt, da sie ein Intervall des zeitlichen
Ablaufes eines Ereignisses, sprich eine Phase dieses Ereignisses, fokussieren. Bei aufhören ist dies, informell
gesagt, die Endphase des Ereignisses und deren Abschluss. Auch andere Phasenverben, wie z.B. fortfahren oder
weitermachen, präsupponieren das jeweilige Ereignis, welches, wie man gleich sieht, auch in einer
Nominalisierung stecken kann. In diesen Kontext passen auch Phasenadverbien wie weiter oder nochmal. Das
können wir jeweils wiederum gut mit der Negation testen:
Aussage
Er fuhr fort, zu reden.
Er fuhr nicht fort, zu reden.
Sie schloss die Reparaturen am PC ab.
Sie schloss die Reparaturen am PC nicht ab.
Er hat weitergespielt.
Er hat nicht weitergespielt.
Präsupposition
>
>
>
Er hat vor Äußerung der Aussage geredet.
Sie hat vor Äußerung der Aussage den PC repariert.
Er hat vor Äußerung der Aussage gespielt.
Abbildung 10: Phasenverben und Adverbien und Präsupposition
Auch Verben wie bedauern, erkennen oder leugnen, die sog. »faktiven Verben«, setzen die in ihrem Objektsatz
realisierte Aussage als gegeben voraus:
Aussage
Kramer bedauert, verpennt zu haben.
Kramer bedauert nicht, verpennt zu haben.
Jerry leugnet, gelacht zu haben.
Jerry leugnet nicht, gelacht zu haben.
Sie erkannte, dass er ein Idiot war.
Sie erkannte nicht, dass er ein Idiot war.
Präsupposition
>
>
>
Kramer hat verpennt.
Jerry hat gelacht.
Er war ein Idiot.
Abbildung 11: Faktive Verben und Präsupposition
Präsupposition kann auch im Kontext der Syntax interessant sein. Betrachten wir dazu zum Abschluss noch kurz
die Sätze
43. (a) Die Katze verschlang das rohe Fleisch.
(b) Die Katze verschlang das Fleisch roh.
44. (a) Elaine hat eine Katze gebürstet.
(b) Es war eine Katze, die Elaine gebürstet hat.
(Satz mit attributivem Adjektiv rohe)
(Satz mit sekundärem Prädikat roh)
(Unmarkierte Grundform)
(Spaltsatz)
Was kommt heraus, wenn wir diese Sätze jeweils negieren? Um den Unterschied genau herauszuarbeiten,
verwenden wir hier eine explizite Negation der Aussage:
45. (a) Es ist nicht der Fall, dass die Katze das rohe Fleisch verschlang.
(b) Er ist nicht der Fall, dass die Katze das Fleisch roh verschlang.
46. (a) Es ist nicht der Fall, dass Elaine eine Katze gebürstet hat.
(b) Es ist nicht der Fall, dass es eine Katze war, die Elaine gebürstet hat.
In den jeweiligen (b)-Sätzen stecken spezifische Präsuppositionen, die in den (a)-Sätzen nicht enthalten sind:
In (45b) ist präsupponiert, dass die Katze das Fleisch verschlang – aber eben nicht roh:
47. Die Katze verschlang das Fleisch nicht roh - sondern gekocht.
Diese Präsupposition ist (45a) nicht gegeben, hier hat Katze das Fleisch überhaupt nicht verschlungen.
In (46b) steckt die Präsupposition, dass Elaine etwas gebürstet hat – aber eben keine Katze:
48. Es war keine Katze, die Elaine gebürstet hat – sondern ein Hund.
Diese Präsupposition ist in (46a) nicht enthalten, Elaine hätte auch einfach gar nichts bürsten können.
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Prädikate (und Prädikat-Argumentstrukturen)3
Auch der zweite Begriff, den wir uns näher ansehen wollen, umfasst zwei (wieder eng verwandte) Lesarten, wie
die folgende Definition aus dem Concise Oxford Dictionary of Linguistics 4 zeigt:
predicate:
1. A part of a clause or sentence traditionally seen as representing what is said of, or predicated of, the
subject. E.g. in My wife bought a coat in London, the subject my wife refers to someone of whom it is
said, in the predicate, that she bought a coat in London.
2. A verb or other unit which takes a set of arguments. Thus, in the same example, 'buy' is a two-place
predicate whose arguments are represented by my wife and a coat. (MATTHEWS 1994: s.v. 'predicate')
Prädikatsbegriff 1
Die erste Definition gibt eine sehr traditionelle und gemeinhin auf Aristoteles zurückgeführte Gebrauchsweise von
»Prädikat« und »Subjekt« wieder. Danach lassen sich sprachliche Äußerungen wie Sätze grob in zwei
Basiskategorien einteilen: Individuenausdrücke einerseits und Eigenschafts- bzw. Klassenausdrücke andererseits.
Die Kombination dieser Basiskategorien ergibt die Grundform eines Aussagesatzes:
For Aristotle, then, a situation or state of affairs, as represented in an assertive sentence, consists of the
fact that some entity has a certain property. And a true assertion corresponds with the situation in that
it contains a constituent called predicate, which assigns the property in question to the entity
concerned. (SEUREN 1998: 121) 5
»Subjekt ist Prädikat« galt als Strukturschema für einfache Deklarativsätze (z.B. Socrates est albus), zulässige
Prädikate waren im wesentlichen Eigenschaften oder Klassennamen. Wiewohl diese Unterteilung auf Aristoteles
basiert, ist dabei zu berücksichtigen, dass es diesem nicht primär um eine syntaktische oder semantische Analyse
natürlichsprachiger Sätze ging, sondern um die Frage nach der Abbildung der Wirklichkeit in Aussagen oder
Urteilen über die Wirklichkeit und deren Wahrheitsbedingungen, also um logisch-philosophische Fragestellungen.
Die Grundeinteilung des Satzes in Subjekt und Prädikat im oa. Sinn hat allerdings einen großen Einfluss
genommen auf die Sprachwissenschaft allgemein und insbesondere auch die traditionelle Grammatik: hier wird
property 'Eigenschaft' in einem sehr weiten Sinn verstanden dahingehend, dass darunter nicht nur Attribute,
sondern auch Aktionen oder Zustände oder Prozesse fallen, die z.T. in komplexen Verbalphrasen ausgedrückt sein
können. Auf dieser Basis ist die Zweiteilung von Sätzen in ein Subjekt und ein Prädikat nachzuvollziehen, wie sie
bis heute auch in der Grundschulgrammatik vorgenommen wird. In dem Beispielsatz aus der CODL-Definition
weiter oben wird dem Individuenausdruck my wife durch das Prädikat die "Eigenschaft" zugeschrieben, einen
Mantel in London gekauft zu haben.
In diesem Sinn ist das Prädikat als Satzteil eine Art »aussagentechnisches« Konstrukt: etwas wird über etwas
anders ausgesagt. Es korreliert mit dem traditionellen Begriff »Satzaussage« und ist neben Eigenschaften und
Klassenbezeichnungen (ist groß, ist Studentin) auch durch Prozesse (kauft einen Mantel in London) realisiert, die
z.T. in komplexen Verbalphrasen ausgedrückt sein können.
Prädikatsbegriff 2
Der Prädikatsbegriff in der zweiten Definition, der in zahlreichen modernen Grammatikformalismen Anwendung
findet, kann auf die Prädikatenlogik zurückgeführt werden, also auf die erweiterte Form der oben diskutierten
Aussagenlogik. Wir hatten gesehen, dass es der Aussagenlogik um die Untersuchung der Wahrheitswerte von
Aussagenverknüpfungen geht, in denen der spezifische Inhalt der Teilaussagen irrelevant ist und nur deren
jeweiliger Wahrheitswert von Interesse. Da die Aussagenlogik eine Aussage als atomares, nicht analysierbares
Die nachstehenden Angaben entstammen in Teilen dem Text Prädikation und sekundäre Prädikation, den Sie über
http://www.fb10.uni-bremen.de/iaas/workshop/praedi/hackmack.pdf abrufen können.
4
Matthews, Peter. H. (1997): The Concise Oxford Dictionary of Linguistics. Oxford University Press, Oxford.
5
Seuren, Pieter A.M. (1998): Western Linguistics. An Historical Introduction. Blackwell Publishers: Oxford, Malden (Mass.).
3
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SEMANTISCHE GRUNDBEGRIFFE
Ganzes betrachtet, kann sie diejenigen logischen Beziehungen zwischen Aussagen, die aus bestimmten
Beziehungen zwischen einzelnen in den Aussagen enthaltenen Elementen resultieren, nicht erfassen. Klingt
kompliziert, darum ein Beispiel:
A
Wenn Fido ein Pudel ist, hat er Flöhe.
Fido ist ein Pudel.
Fido hat Flöhe.
Prämisse 1:
Prämisse 2̂:
Konklusion:
B
Pudel haben Flöhe.
Fido ist ein Pudel.
Fido hat Flöhe.
Abbildung 12: Zwei logische Schlüsse
Intuitiv wissen wir, dass die Konklusion »Fido hat Flöhe« in B genauso gültig ist, wie in A. In A ist dieser Schluss mit
der Aussagenlogik beweisbar, und zwar über die Definition der Junktoren für die Konjunktion und die Implikation
sowie das Schlussschema in Abbildung 4. Der Schluss in B aber, und das ist der entscheidende Punkt, kann mit den
Mitteln der Aussagenlogik nicht erfasst werden. Warum? Weil die Konklusion in B auf der Zuordnung von Pudel in
der zweiten Prämisse zu (alle) Pudel in der ersten Prämisse basiert, also auf einer Beziehung zwischen einzelnen
Elementen der Prämissen, und diese Beziehung entzieht sich der Aussagenlogik. Um das ganz klar zu machen,
ersetzen wir die Prämissen in Abbildung 12 durch die in der Aussagenlogik verwendeten Variablen, dann wird
gleich klar, wo das Problem liegt:
Prämisse 1:
Prämisse 2̂:
Konklusion:
A
p → q.
p.
q.
B
p.
q.
r. nicht gültig! A
Abbildung 13: Gültiger vs. nicht-gültiger Schluss
Für die Aussagenlogik sind die beiden Prämissen in B zwei verschiedene, in keinerlei Zusammenhang stehende
Aussagen. Die Konklusion »Es gelte p und es gelte q. Daraus folgt r« wäre auch intuitiv nicht nachvollziehbar:
49. Das Wetter ist schön. Spagetti schmecken gut. Daraus folgt, dass Hamburg nächstes Jahr absteigt.
Um auch B logisch zu beweisen, benötigen wir die Möglichkeit, die inneren Strukturen einer Aussage logisch zu
analysieren, und genau an dieser Stelle setzt die Prädikatenlogik ein. Nehmen wir als Beispiel den Satz
50. Fido ist niedlich.
Diesen Satz können wir in zwei Ausdruckstypen unterteilen: den Individuenausdruck »Fido« und die diesem
Ausdruck zugeschriebene Eigenschaft »ist niedlich«. Ausdrücke, die wie »ist niedlich« einem Individuenausdruck
eine Eigenschaft zuweisen, werden »Prädikate« genannt. Den Individuenausdruck, mit dem sich das Prädikat zu
einer Aussage verbindet, nennt man verallgemeinert das »Argument« des Prädikats, zusammengenommen
ergeben beide eine Prädikat-Argument-Struktur:
Prädikat
Argument
(ist) niedlich
Fido
Abbildung 14: Prädikat-Argument-Struktur
Im Falle von (50) realisiert das Prädikat eine Eigenschaft im klassischen Sinn, aber der Prädikatsbegriff in der Logik
ist weiter gefasst:
51. Fido ist ein Pudel.
52. Fido beißt Tom.
53. Fido gibt seinem Herrchen die Zeitung.
Das Prädikat in (51), ist-ein-Pudel, ist keine Eigenschaft im klassischen Sinn, sondern drückt Zugehörigkeit zu einer
Klasse aus. Das Prädikat in (52), beißt, zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht ein, sondern zwei Argumente zu
sich nimmt und zwischen diesen eine Relation etabliert. In (53) schließlich stellt das Prädikat, gibt, eine Beziehung
her zwischen drei Argumenten:
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SEMANTISCHE GRUNDBEGRIFFE
Prädikat
Argument1
Argument2
Argument3
(ist ein) Pudel
beißt
gibt
Fido
Fido
Fido
Tom
Herrchen
Zeitung
Abbildung 15: Prädikat-Argument-Strukturen
Wenn wir die Individuenkonstanten (Fido, Tom, Herrchen, Zeitung) jeweils durch Variablen ersetzen, können wir
die einzelnen Prädikate aus der konkreten Aussage isolieren:
54.
55.
56.
57.
niedlich(x)
Pudel(x)
beißen(x,y)
geben(x,y,z)
Die Zahl der Argumente eines Prädikates wird auch als dessen »Stelligkeit« bezeichnet: niedlich(x) und Pudel(x)
sind einstellig, beißen(x,y) ist zweistellig und geben(x,y,z) ist dreistellig. Das heißt, dass jedes Prädikat eine
spezifische Zahl von Leerstellen eröffnet. Was alle diese Prädikate gemeinsam haben, ist, dass sie in eine Aussage
überführt werden genau dann, wenn alle ihrer Argumente instanziiert (d.h. durch konkrete Individuenkonstanten
ersetzt) sind – also so, wie es in (50)–(53) der Fall ist.
Wir fassen zusammen: in der Logik ist ein Prädikat ein Konstrukt, das seinem Argument eine Eigenschaft im
weitesten Sinne zuweist oder, im Falle mehrstelliger Prädikate, Relationen zwischen seinen Argumenten etabliert.
Die Stelligkeit ist eine intrinsische Eigenschaft eines jeden PrädikatsIn der modernen Linguistik werden PrädikatArgument-Strukturen in diesem Sinne dafür verwendet, die Valenzeigenschaften von Lexemen zu repräsentieren:
In der Prädikat-Argument-Struktur eines Verbs ist erfasst, mit wie vielen und ggf. auch mit welchen Typen von
Ergänzungen oder Partizipanten sich dieses verbinden kann. Die in Form von Prädikat-Argument-Strukturen
notierten Valenzeigenschaften einzelner Lexeme nehmen in vielen zeitgenössischen Grammatikmodellen eine
zentrale Position ein 6.
In der Semantik können Prädikat-Argument-Strukturen dazu dienen, die semantische Struktur komplexer
Aussagen zu erfassen. Sie werden aber auch eingesetzt, und damit endet dieser Text, um wie auf der ersten Seite
die logisch-semantischen paradigmatischen Relationen, die zwischen einzelnen Lexemen vorliegen, generalisiert
und präzise zu erfassen.
Addendum
Einige von Ihnen fragen sich jetzt vielleicht, wie man das Konstrukt »Prädikat« einsetzen kann, um den weiter
oben in Abbildung 12 unter »B« formulierten Schluss darzustellen, den wir hier nochmal wiederholen:
58. Prämisse1:
Prämisse2:
Konklusion:
Pudel haben Flöhe.
Fido ist ein Pudel.
Fido hat Flöhe.
In der ersten Prämisse stecken zwei Prädikate, nämlich Pudel(x) und hat_Flöhe(x). Man könnten denken, dass die
erste Prämisse per materialer Implikation wie folgt präzisiert werden kann:
59. Pudel(x) → hat_Flöhe(x).
Wenn wir das in die Alltagssprache übersetzen, kommt folgendes raus:
60. Wenn x ein Pudel ist, hat x Flöhe.
Hier nun besteht ein gravierender Unterschied zwischen Alltagsprache und Logiksprache: während die nicht-definite
NP ein Pudel im Deutschen generische Referenz haben kann, sich also auf die gesamte Klasse der Pudel beziehen
kann und das in der ersten Prämisse auch tut, hat das Prädikat Pudel(x) gar keine Referenz. Aus der Form
61. x ist ein Pudel.
sehen Sie dafür auch den Text »Merkmale in der Linguistik« und darin die Abschnitte über Merkmale im Lexikon und in der
Syntax. Linkadresse: http://www.fb10.uni-bremen.de/homepages/hackmack/synsem/pdf/Merkmale.pdf
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GRAMMMATIK | SEMANTIK
SEMANTISCHE GRUNDBEGRIFFE
wird erst dann eine Aussage, wenn wir die Variable durch eine Individuenkonstante ersetzen, z.B. so:
62. Fido ist ein Pudel.
Hier sehen Sie auch sehr deutlich, was eine Aussage ausmacht: ihr muss ein Wahrheitswert zugeordnet werden
können, was bei (62) geht, aber nicht bei (61): da wir nicht wissen, worauf sich das »x« bezieht, was also der
Referent des Prädikates genau ist, können wir diese Form nicht auf eine Situation in der außersprachlichen
Realität abbilden und ihre Wahrheit also nicht überprüfen.
In der ersten Prämisse nun geht es aber nicht um einen spezifischen Referenten des Prädikats Pudel(x), sondern
um die Klasse der Elemente, auf die dieses Prädikat anwendbar ist – also um die Gesamtmenge der Pudel. Wir
könnten sagen, dass es hier nicht um einen Referenten des Prädikates geht, sondern um dessen Extension. 7
Um dieses zu erfassen, brauchen wir die Möglichkeit, so etwas wie »alle« auszudrücken. Dieses erfolgt in der
Prädikatenlogik über einen Quantor, in diesem Fall den Allquantor »∀«, der ebenfalls Prädikatstatus hat und
dessen Argument eine Variable ist: die Form
63. ∀(x)
bedeutet soviel wie »für alle x gilt«. Die Form
64. ∀(x) (Pudel(x)).
drückt aus, dass das Argument des Prädikates alle Elemente aus dessen Extension umfasst, das Prädikat also
generische Referenz hat. Natürlichsprachlich kann diese Aussage wie folgt wiedergegeben werden:
65. Der Pudel ...
Ein Pudel ...
Alle Pudel ...
Pudel ...
(ist ein Hund).
(ist ein Hund).
(sind Hunde).
(sind Hunde)
Hier sehen Sie gut, dass im Deutschen sowohl definite als auch nicht-definite NP ambig sind zwischen einer
generischen und einer spezifischen Lesart. Kommen wir damit auf die eigentliche Frage zurück, wie nämlich der
Schluss aus (58) in der Prädikatenlogik dargestellt würde. Wenn wir (59) den Allquantor voranstellen, erhalten wir
die gewünschte Bedeutung:
66. ∀(x) (Pudel(x) → hat_Flöhe(x)).
Das liest sich wie folgt: »Für alle x gilt: wenn x ein Pudel ist, hat x Flöhe.«
Wenn wir dazu die Aussage aus der zweiten Prämisse nehmen, also
67. Pudel(Fido).
können wir diese beiden Aussagen aufeinander abbilden: wir ersetzen die Individuenvariable »x« durch die
Individuenkonstante »Fido« und beseitigen den Allquantor. 8 Das liefert uns folgendes:
68. Pudel(Fido) → hat_Flöhe(Fido).
Darauf können wir das Schlussschema aus Abbildung 4 anwenden und die Aussage so logisch beweisen.
Zusammengefasst nochmal der ganze Schluss:
Prämisse 1:
Prämisse 2̂:
Konklusion:
Prädikatenlogik
∀(x) (Pudel(x) → hat_Flöhe(x)).
Pudel(Fido)
hat_Flöhe(Fido).
Umgangssprache
Pudel haben Flöhe.
Fido ist ein Pudel.
Fido hat Flöhe.
Abbildung 16: Konklusion in der Prädikatenlogik
Sehen Sie für die Differenzierung zwischen Referent und Extension den Text »Bedeutung und Kernbedeutung«. Adresse:
http://www.fb10.uni-bremen.de/homepages/hackmack/synsem/pdf/Semantik1.pdf
8
Das nennt man »Allbeseitigung«.
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