2.2 Dispersion im optischen Bereich In einem einfachen klassischen Modell entsteht die durch das elektrische Feld der elektromagnetischen Welle hervorgerufene Polarisation durch die Ausrichtung permanenter Dipole der Moleküle und durch die induzierten elektrischen Dipole der Atome, sowie durch das Elektronengas der Halbleiter und Metalle. Entsprechend setzt sich die elektrische Suszeptibilität χe = χperm + χAtom + χGas genähert aus den Anteilen χperm χAtom χGas durch permanente elektrische Dipole durch induzierte elektrische Dipole durch ein Elektronengas zusammen. 1) Dispersion durch permanente Dipole Befinden sich im Dielektrikum viele kleine elektrische Dipole, die ohne ein äußeres elektrisches Feld ungeordnet alle möglichen Richtungen einnehmen, so dass die Polarisation oder Dipoldichte insgesamt Null ist, so werden diese Dipole durch ein elektrisches Feld ausgerichtet. In dem Modell von Debye folgen diese Dipole dem elektrischen Feld nur mit einer gewissen Verzögerung, und für diesen Anteil der elektrischen Suszeptibilität χperm wird, bei nicht zu hohen Frequenzen unterhalb des optischen Bereiches, angenommen, dass eine Polarisation P nach Abschalten des äußeren elektrischen Feldes E exponentiell mit einer Relaxationszeit τ abklingt, wobei ein gewisser Teil der Polarisation dem elektrischen Feld ohne Verzögerung verlustfrei folgen kann. Mit P. Debye wird für E(r, t) = E0 (r, ω) exp {iωt} mit reellen ε′0 = ε̃(0) und ε′∞ = ε̃(∞) gesetzt D(r, t) = ε0 ε̃(ω)E(r, t) t t − t′ o ′ = + ε0 E(r, t )a exp − dt τ −∞ Z t n t − t′ o ′ = ε0 ε∞ E(r, t) + ε0 E(r, t) a exp − exp − iω(t − t′ ) dt′ τ −∞ Z ∞ n t′′ o = ε0 E(r, t) ε′∞ + a exp − exp {−iωt′′ } dt′′ . τ 0 ε0 ε′∞ E(r, t) Z Das Integral liefert mit aτ = ε′0 − ε′∞ wegen ′ Z ∞ 0 n ∞ τ exp {−t /τ } exp {−iωt } ′′ = . . . dt = −(1/τ )(1 + iωτ ) 1 + iωτ 0 ′′ i h τ τ ′ − iaωτ D(r, t) = ε0 E(r, t) ε∞ + a 1 + ω2 τ 2 1 + ω2 τ 2 h ε′0 − ε′∞ i ε′0 − ε′∞ ′ − iωτ . = ε0 E(r, t) ε∞ + 1 + ω2 τ 2 1 + ω2 τ 2 ′′ Setzt man die komplexe Dielektrizitätskonstante ε̃(ω) = ε′ (ω) − iε′′ (ω) ein, so erhält man ′ ε (ω) = ε′∞ ε′0 − ε′∞ + 1 + ω2 τ 2 ε′0 − ε′∞ und ε (ω) = ωτ . 1 + ω2 τ 2 ′′ Bei sehr niedrigen Frequenzen werden alle Dipole ausgerichtet sein, so dass ε′ (0) den größten Wert hat. Bei sehr hohen Frequenzen können die Dipole nicht mehr folgen, so dass ε′ (∞) den kleinsten Wert hat, und ε′ (ω) mit der Frequenz monoton abnimmt. Für den Imaginärteil ε′′ (ω) ist ε′′ (0) = 0 und ε′′ (∞) = 0 mit einem Maximum bei ω = 1/τ , das meist im Mikrowellenbereich liegt. Die Dispersion durch permanente Dipole spielt also im optischen Bereich praktisch keine Rolle. ε′ (ω) ε′′ (ω) ε′0 + ε′0 + + + ε′∞+ ε′∞+ + 1/τ + + + + 5/τ + ω + 1/τ + + + + 5/τ + ω 2) Dispersion durch induzierte atomare Dipole Im optischen Bereich wird allgemein die normale Dispersion beobachtet, wonach der Brechungsindex mit der Frequenz zunimmt. Es gibt aber auch bestimmte Frequenzbereiche mit anomaler Dispersion, in denen der Brechungsindex, und damit bei geringer Dämpfung der Realteil der Dielektrititätskonstanten mit der Frequenz abnimmt. Im klassischen Modell für die Suszeptibilität χAtom geht man von der Vorstellung aus, dass es im Kristall elastisch gebundene Elektronen gibt, die durch das elektrische Feld zu gedämpften Schwingungen angeregt werden. Befindet sich der Oszillator mit der Federkonstanten mω02 und dem Reibungskoeffizienten mγ am Ort R, so lautet die Bewegungsgleichung für ein Elektron der Ladung e, der Masse m und am Ort r im elektrischen Feld E(r, t) = E0 exp − i(q · r − ωt) r̈ + γ ṙ + ω02 (r − R) ≈ e E0 exp {−iq · R} exp {iωt} , m wobei angenommen wurde, dass die Auslenkung der Elektronen klein ist im Vergleich zur Wellenlänge |r − R| ≪ λ = 2π/|q| der elektrischen Welle. Der Lösungsansatz für die erzwungene Schwingung e 1 r − R = A E0 exp {−iq · R} exp {iωt} ergibt A = 2 m ω0 − ω 2 + iωγ mit der komplexen Amplitude A. Die Summe der Dipolmomente e(r−R) der schwingenden Elektronen pro Volumeneinheit ergeben die komplexe Dipoldichte oder Polarisation N e2 e2 A, P = N e(r − R) = N A E(r, t) = ε0 ε̃(ω) − 1 E(r, t) mit ε̃(ω) = 1 + m ε0 m wobei N die Dichte des Oszillatoren bezeichnet. Man setzt unterschiedliche Oszillatoren mit Frequenzen ωj , Dämpfungen γj und Konzentrationen N fj P mit j fj = 1 an, und erhält für die komplexe Dielektrizitätskonstante N e2 X fj ′ ′′ ε̃(ω) = 1 + = ε (ω) − iε (ω), 2 ε0 m j ωj − ω 2 + iωγj und bezeichnet fj als Oszillatorenstärke. Die Zerlegung in den Real- und Imaginärteil liefert ωj2 − ω 2 N e2 X 2 2 fj 2 = ε = n − κ ε (ω) = 1 + r 2 ε0 m j (ωj − ω 2 )2 + ω 2 γj ′ ωγj nc N e2 X fj 2 = 2nκ = α ε (ω) = ε0 m j (ωj − ω 2 )2 + ω 2 γj2 ω ′′ wegen α = 2ω κ. c Daraus ergibt sich eine Zunahme des Brechungsindex mit der Frequenz, also normale Dispersion im optischen Bereich, für alle Frequenzen bis auf Bereiche in einer Umgebung der Resonanzstellen ωj . Unter der Annahme schwacher Dämpfung findet man aus dem Imaginärteil der Dielektrizitätskonstanten ε′′ (ω) den Absorptionskoeffizienten α = (ω/nc)ε′′ (ω) mit Absorptionsmaxima an den Stellen ωj . In einer Umgebung dieser Stellen, die ungefähr der Halbwertsbreite der Absorptionslinien entspricht, nimmt der Brechungsindex mit der Frequenz ab, sodass hier anomale Dispersion beobachtet wird. Die Abbildung zeigt den berechneten Brechungsindex n und den Absorptionskoeffizienten α als Funktion der Kreisfrequenz ω in der Umgebung dreier Resonanzfrequenzen ωj und Dämpfungskonstanten γj in beliebigen Einheiten sowie die Oszillatorenstärken fj ωj γj fj 30 50 80 3 10 2 0.01 0.4 0.15 3) Dispersion durch ein Elektronengas Im Drude-Modell des Elektronengases werden die Elektronen eines Metalles oder Halbleiters im elektrischen Feld E(r, t) = E(r) exp {iωt} beschleunigt, und ihre Geschwindigkeit v klingt beim Abschalten von E mit der Relaxationszeit τ ab. Dann gilt im Rahmen der klassischen Mechanik ∂v 1 e0 1 e0 τ = − v − E mit der Lösung v = − E. ∂t τ m m 1 + iωτ Hier ist v weder die mikroskopische Geschwindigkeit der Elektronen, noch die Driftgeschwindigkeit, die bei der elektrischen Leitung auftritt, sondern die Geschwindigkeit der oszillierenden Dipole. Bei einer Elektronendichte n ergibt sich die elektrische Stromdichte mit der Plasmafrequenz ωp ωp2 ε0 τ 1 e20 nτ E= E j = −e0 nv = m 1 + iωτ 1 + iωτ mit ωp2 e20 n = . ε0 m Diese elektrische Stromdichte j sei die Ursache der Polarisation oder Dipoldichte P. Der Verschiebungsvektor eines Elektrons r(t) erzeugt lokal ein Dipolmoment p = −e0 r mit ṗ = −e0 v. Daraus ergibt sich für die Dipoldichte Ṗ = nṗ = −e0 nv = j mit der Elektronendichte n. Damit schreibt sich die dielektrische Verschiebung D mit der komplexen Dielektrizitätskonstanten ε̃(ω) in der Form ωp2 ε0 τ E = iωε0 ε̃(ω)E, D = ε0 E + P mit Ḋ = ε0 ε̃(ω)Ė = ε0 Ė + j = iωε0 + 1 + iωτ und es folgt ωp2 τ ωp2 τ 2 ωp2 τ 1 ε̃(ω) = 1 − i =1− = ε′ (ω) − iε′′ (ω). −i 2 2 2 2 ω 1 + iωτ 1+ω τ ω(1 + ω τ ) Bei Metallen gilt ωτ ≫ 1 für ω in der Größenordnung der Plasmafrequenz bei h̄ωp = 10 eV, sodass gilt ωp2 ε (ω) ≈ 1 − 2 ω ′ und ε′′ (ω) ≪ 1. Bei Halbleitern ist ωp2 ≪ ω 2 mit ω im optischen Bereich, sodass der Anteil des Elektronengases zur Dispersion vernachlässigbar ist. Aus dem Durchflutungsgesetz ∇ × H = Ḋ = ε0 Ė + j und dem Induktionsgesetz ∇ × E = −µ0 Ḣ folgt ∂ ε0 Ė + j = ∇ × (∇ × E) = ∇∇ · E − ∆E, −µ0 ∇ × Ḣ = −µ0 ∂t mit ∇ · E = 0, woraus sich wegen Ḋ = ε0 Ė + j und D = ε0 ε̃(ω)E die Telegrafengleichung ergibt ∆E = µ0 ∂ ∂ (ε0 Ė + j) = µ0 Ḋ = µ0 D̈ = µ0 ε0 ε̃(ω)Ë. ∂t ∂t • Für ω < ωp gilt ε′ (ω) < 0, und wegen ε′′ (ω) > 0 gibt es nach der Telegrafengleichung nur abklingende Lösungen für die elektrische Feldstärke E. • Für ω > ωp verschwindet die Dämpfung praktisch, und die Metalle werden bei hinreichend hohen Frequenzen durchsichtig.