8. Jahrgang, 4. Ausgabe 2014, 110-128 - - - Rubrik Fortbildungsartikel - - - HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom Erkrankungsbild Brustkrebs Biologie des HER2-Proteins Formen von Brustkrebs HER2-Antikörper Behandlung nach Leitlinien Lapatinib HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom 111 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom Leonie Hilliges*, Salma Al-Fitian Fachbereich Pharmazie Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf *Korrespondenzautorin Leonie Hilliges Fachbereich Pharmazie Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Universitätsstraße 1 40225 Düsseldorf [email protected] Lektorat Prof. Dr. Georg Kojda, Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum Fortbildungstelegramm Pharmazie finden Sie hier: http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Kurzportraet.html Titelbild : Universitätsbibliothek New York , Urheber: Photoprof, Lizenz: Fotolia Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 112 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom Abstract Breast cancer is the most frequent cancer among women, the rate of incidence is approximately 70 000 each year. Usually, the diagnose of breast cancer is connected with a better prognosis for patients than cancer in alimentary organs, but this depends on the type of cancer. About 20 % of the tumors overexpress the HER2-protein („Human Epidermal Growth Factor Receptor type 2“). This tyrosine kinase promotes cell proliferation, cell survival, cell mobility and invasion. The receptor is a target for new antibodies to reduce uncontrolled tumor cell growth. Trastuzumab inhibits homo- and dimerisation, cleavage and ligand-independent activation of HER2 and is an effective mediator for the antibody dependent cellular cytotoxity. Clinical studies have clearly proven the efficacy of Trastuzumab. Kadcyla® is a new drug in which the antibody trastuzumab is coupled with a cystostatic component (DM1) achieving the enrichment of DM1 in the tumor cells. Pertuzumab (Perjeta®), another antibody against HER2, inhibits only the heterodimerisation with other members of the HER2-family. It is used in combination with trastuzumab. Another way to inhibit HER is the tyrosine kinase-inhibitor lapatinib which is is used in combination with trastuzumab, an aromatase inhibitor or the pyrimidine antimetabolite capeti-cabine. gressive Tumore anzusehen. Gegen diesen Rezeptor sind mehrere Antikörper entwickelt worden, um so das unerwünschte Zellwachstum zu drosseln. Der Wirkstoff Trastuzumab verhindert die Homo- und Heterodimerisierung sowie die Spaltung und ligandenunabhängige Aktivierung der HER2-Rezeptoren und vermittelt die Antikörper-abhängige zellvermittelte Zytotoxität. Es kann in verschiedenen Kombinationen eingesetzt werden und verlängert in einer Kombination mit einer Chemotherapie den Median des progressionsfreien Überleben von 4,6 auf 7,4 Monate. Kadcyla® ist ein neues Medikament (2014), bei welchem der Antikörper Trastuzumab durch einen Linker mit einem Zytostatikum verbunden ist. Dieses Antikörper-WirkstoffKonjugat ermöglicht die gezielte Gewebeanreicherung des Chemotherapeutikums DM1 in den Tumorzellen. Pertuzumab (Perjeta®) ist ein anderer Antikörper, der auch an das HER2-Protein angreift und nur die Heterodimerisierung mit anderen Rezeptoren der HER2Familie hemmt und in Kombination mit Trastuzumab eingesetzt wird. HER2 kann nicht nur von der extrazellulären Seite, sondern auch intrazellulär angegriffen werden. Dies wird durch den Tyrosinkinaseinhibitor Lapatinib erreicht, der in Kombination mit Trastuzumab, einem Aromatasehemmer oder dem Zytostatikum Capecitabin eingesetzt werden darf. Erkrankungsbild Brustkrebs Abstrakt Brustkrebs ist die häufigste Tumorerkrankung bei Frauen mit einer Neuerkrankungsrate von etwa 70 000 Fällen pro Jahr. Meist ist die Diagnosestellung für die Betroffenen mit einer besseren Prognose verbunden als bei Tumoren in den Verdauungsorganen. Dies ist jedoch von der Art der Erkrankung abhängig. Etwa 20% der Brusttumore überexprimieren das HER2-Protein („Human Epidermal Growth Factor Receptor type 2“), einen Transmembran-Tyrosinkinaserezeptor, der über verschiedene Signalwege Zellproliferation, Überleben, Zellmobilität und Invasion anregt. HER2Tumore sind daher als besonders ag- Das maligne Mammakarzinom ist die häufigste Tumorerkrankung bei Frauen mit einer jährlichen Neuerkrankungsrate von über 70 000 Fällen in Deutschland. Auch weltweit ist das Mammakarzinom bei Frauen die häufigste Tumorerkrankung (Abb. 1). Jährlich sterben etwa 17.000 Frauen in Deutschland an Brustkrebs. Damit liegt die Mortalität dieser Tumorerkrankung deutlich geringer als die Mortalität von Tumorerkrankungen in Verdauungsorganen, deren Diagnose eine deutlich schlechtere Prognose für die Betroffenen bedeutet (Weblink 1). Das Mammakarzinom tritt häufig früher auf als die meisten anderen Krebserkrankungen. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ist jede zehnte betroffene Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 113 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom Frau jünger als 45 Jahre und jede vierte jünger als 55. Die meisten Patientinnen erhalten ihre Diagnose solange der Tumor noch begrenzt auf das Brustgewebe ist, bei etwa 20 - 45 % tritt später eine Progression der Erkrankung der auf, die für viele dieser Patientinnen zum Tod führt. Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom weisen eine 5-JahresÜberlebensrate von 18-23 % auf (Weblink 2). Risikofaktoren Einige genetische Faktoren erhöhen das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Mutationen am „Breast Cancer Gen 1 oder 2“ erhöhen das Risiko um mindestens das 10-fache. Jedoch ist nur bei weniger als 10% der Brustkrebsfälle eine Mutation an diesen Genen nachzuweisen. Sehr dichtes Brustgewebe bei Frauen erhöht ebenfalls das Risiko, genauso wie Bestrahlung des Brustkorbs insbesondere bei Frauen unter 30. Weitere Faktoren wie Kinderlosigkeit, Alter, frühes Eintreten der ersten Regelblutung, Einnahme von Hormonen gegen Wechseljahresbeschwerden sowie Übergewicht erhöhen die Wahrscheinlichkeit, einen Tumor zu entwickeln (1). Symptome Zu Beginn der Erkrankung treten meist keine Beschwerden auf, die Krankheit kann allerdings durch Veränderungen in der Brust erkannt werden. Symptome wie: • • • • • • neu auftretende Knoten, Verdichtungen oder Verhärtungen in der Brust oder der Achselhöhle neue Form- oder Größenunterschiede der Brüste Einziehung einer Brustwarze Wasserklare oder blutige Absonderungen aus einer Brustwarze Einziehungen der Brusthaut einseitige brennende Schmerzen oder Ziehen können auf eine zugrunde liegende Tumorerkrankung zurückgeführt werden, oft stehen jedoch nur gutartige Zysten dahinter (Weblink 3). Früherkennung Wie bei allen Tumorerkrankungen ist auch bei Brustkrebs die frühe Diagnose von großer Bedeutung, da bei Tumoren im Frühstadium wesentlich bessere Heilungschancen bestehen als bei bereits metastasierten Tumoren. Daher können Frauen ab 30 einmal im Jahr fachärztlich eine Tastuntersuchung von Brust und Achselhöhlen durchführen lassen, so die gesetzlichen Vorgaben in Deutschland. Allerdings sind tastbare Tumore bereits relativ groß und haben oft schon Metastasen gebildet. Für Frauen von 50 bis 69 Jahren gibt es zusätzlich die Möglichkeit, alle zwei Jahre eine Mammographie durchzuführen zu lassen. Bei dieser Röntgenuntersuchung können kleine, noch nicht tastbare Tumore sichtbar gemacht werden (Weblink 4). Abb. 1: Überblick über den prozentualen Anteil der Krebsneuerkrankungen in Deutschland im Jahr 2010. (Weblink 1) Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 114 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom Das Mammographie-Screening Programm ist jedoch nicht unumstritten. Zwar lassen sich die Tumore früher diagnostizieren, der Einfluss auf die Mortalität ist jedoch fraglich (2). Gleichzeitig werden auch einige Überdiagnosen gestellt und so Behandlungen von Tumoren durchgeführt, die möglicherweise keine Probleme bereitet hätten (Weblink 5). Metastasierung Sehr häufig versterben Patienten nicht an ihrem Primärtumor, sondern an Metastasen. Dies sind aus dem Tumorverband herausgelöste Zellen, die in weiter entfernt liegende Gewebe gelangt sind. Die Metastasierung beginnt also mit der Intravasation (Einwanderung der Tumorzellen in Gefäße), anschließend erfolgt der Transport durch das Lymphsystem oder die Blutbahn. Zuletzt erfolgt die Extravasation, der Austritt der Tumorzellen aus den Gefäßen und somit der Eintritt in ein neues Organ, beispielsweise die Lunge (3). Metastasen in den inneren Organen (wie Lunge, Leber, Gehirn oder im Bauchraum) werden auch als viszerale Metastasen bezeichnet. Je nach Lokalisation der Metastasen stehen unterschiedlich effektive Behandlungsmöglichkeiten und damit auch Prognosen für die Patienten zu Verfügung. So sind beispielsweise Hirnmetastasen mit einer tendenziell schlechteren Heilungschance verbunden als Knochenmetasen (3). Formen von Brustkrebs The Cancer Genome Atlas Project Um Krebs gezielt und wirksam zu therapieren, müssen die genetischen Änderungen und die molekularen Grundlagen, die zur Krebsentwicklung und zur unkontrollierten Wachstum führt, besser verstanden werden. The Cancer Genome Atlas (TCGA) Project dient als Sammlung von Gensequenzierungen und genetischen Charakterisierung von Krebs und begann 2006. Es wird vom National Cancer Institute und National Human Genome Research Institute beaufsichtigt, die von der US-Regierung finanziert werden. Um die Sammlung zu bilden, werden KrebsPatienten gebeten Proben aus Krebsgewebe, das im Rahmen der Krebsbehandlung entfernt wird, mit normalem Gewe- be abzugeben. Die gesammelten Daten werden auf der Seite TCGA Data Portal für Forscher überall auf der Welt bereitgestellt (Weblink 7). Einteilung in verschiedene Brustkrebsarten. Die Anwendung von Genanalyse-Technologien ermöglicht die Unterteilung von Brustkrebs in Untergruppen, die auch auf bestimmte Behandlungen unterschiedlich ansprechen. Der Brustkrebs lässt sich in den folgenden Haupttypen unterteilen (4): • Luminal A-Tumore sind die häufigsten Mammakarzinome. Die Krebszellen zeigen Überexpression an Östrogen- (ER) und/oder Progesteron-Rezeptoren (PR) auf ihrer Oberfläche und eine niedrige Teilungsrate. Eine HER2-Überexpression ist nicht nachzuweisen. Eine antihormonelle Therapie eignet sich hierfür am besten. • Luminal B-Tumore sind die zweithäufigsten Mammakarzinome. Sie werden durch Überexpression von ER und/oder PR sowie HER2 charakterisiert, wobei sie eine hohe Zellteilungsrate besitzen. Es ist eine endokrine Therapie mit zusätzlich einer Chemotherapie empfohlen. • HER2- Tumore weisen das HER2Protein in hoher Konzentration auf. Eine gut geeignete Therapie ist, die Rezeptoren (das HER2Protein) mit Antikörpern zu blockieren. Eine Chemotherapie mit Antrazyklinen oder Taxanen ist in dem Fall besser wirksam als eine CMF-Chemotherapie (Cyclophosphamid-Methotrexat-Fluorouracilchemotherapie). Die HER2Tumore sind keine einheitliche Gruppe, sondern lassen sich noch in einzelne Subtypen einteilen. • Tripelnegative Tumore haben keine Überexpression von ER-, PR- oder HER2-Rezeptoren, damit ist eine spezifische Therapie noch nicht möglich. Hierbei kommt die klassische Chemotherapie zur Anwendung. Die Tumore zeigen jedoch Überexpression an Cytokeratin 5/6 und/oder HER1. 71-91 % der tripelnegativen Tumore sind basal, d. h. sie exprimieren basal Zytokeratine (Weblink 8). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 115 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom • Normal-like Tumore treten sehr selten auf. Sie sind negativ für alle fünf Marker. Auch bei dieser Untergruppe ist noch keine spezifische Therapie möglich (4). Die 10 Jahres-Überlebensrate für Triple negative- und HER2-Tumore sind niedriger als luminal A- und Luminal B- Tumore, wobei HER2-Tumore die niedrigsten Überlebensrate besitzt, falls keine Antikörper-Therapie stattfindet (Abb. 2). Die 10 Jahres-Überlebensrate wurde in einer Studie wie folgt angegeben (4): 87% luminal B 84% luminal A 77% Unclassified (=Normal-Like) 75% basal-like (= basale Tumore, von denen 77% tripelnegativ sind) • 52% HER2 • • • • Tripelnegative Tumore kennzeichnen sich durch schnelles Wachsturm und das häufige Auftreten bei jungen Frauen. Darüber hinaus neigen Triple-negativeTumore eher zur Bildung von viszeralen Metastasen als andere Arten von Brustkrebs, besonders häufig in der Lunge und im Gehirn (Abb. 3). Außerdem unterscheidet sich die Überlebenskurve von tripelnegativem Brustkrebs von anderen Brustkrebsarten. Es gibt einen starken Abfall in den ersten drei bis fünf Jahren nach der Diagnose, der dann abflacht (4). Das bedeutet, dass Patienten mit tripelnegativem Brustkrebs in den ersten drei bis fünf Jahren ein hohes Risiko haben, an ihrem Brustkrebs zu sterben. Das Risiko wird danach geringer. Behandlung nach Leitlinien Die aktuelle Leitlinie (2012) empfiehlt zur Behandlung des lokal begrenzten Mammakarzinoms: „Die medikamentöse Behandlung der Primärerkrankung wird in Form einer Chemotherapie, einer endokrinen Therapie, einer Anti-HER2-Antikörpertherapie oder in einer Kombination bzw. Sequenz dieser Therapieformen vor oder nach der Operation durchgeführt. Durch die systemische Therapie lassen sich die Rezidivrate und die Mortalität reduzieren. Dies gilt für die Polychemotherapie, insbesondere bei Gabe von Anthrazyklinen und Taxanen, die medikamentöse Ausschaltung der Ovarialfunktion, Tamoxifen, Aromatasehemmer und Trastuzumab. Das absolute Ausmaß dieser Effekte ist abhängig vom Risiko der Erkrankung.“ (Weblink 8) Abb. 3: Die 10-Jahres Überlebensrate der verschiedenen Brustkrebsarten (4). Luminal ATumore sind Estrogenrezeptor (ER) und/oder Progesteronrezeptor (PR) positive Tumore und Luminal B-Tumore sind ER und/oder PR+ und HER+. Normal-like (nicht klassifizierte) Tumore lassen sich nicht durch Überexpression von Rezeptoren charakterisieren. Basale Tumore sind zu 77% tripelnegative Tumore, die negativ für alle drei Marker sind. HER2+/ER- sind Tumore, die HER2 Überexpression zeigen, aber ER- und PR-negativ sind. HER2-positiver Brustkrebs ist mit der schlechtesten Prognose verbunden. Luminal A und B Brustkrebs haben eine bessere Prognose als andere Krebsarten. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 116 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom nes Standardtherapieschema der adjuvanten Chemotherapie ist das FAC bzw. FEC-Schema, bestehend aus 5Fluorouracil, einem Anthrazyklin (Doxorubicin oder Epirubicin) und Cyclophosphamid. Dieses ist gegenüber dem älteren CMF-Schema überlegen, bei welchem Cyclophosphamid, Methotrexat und 5-Fluorouracil eingesetzt werden. Der Einsatz von Taxanen (Docetaxel, Paclitaxel) wird besonders für Frauen mit Lymphknotenbefall empfohlen. Der Stellenwert der neuen Substanzen Capecitabin und Gemcitabin können noch nicht abschließend beurteilt werden (Weblink 8). Biologie des HER2-Proteins Abb. 3: Bildung von viszeralen Metastasen in Abhängigkeit von der Brustkrebsart (3). Bei mit metastasiertem Brustkrebs haben Frauen mit tripelnegativem Brustkrebs mehr Metastasen im Gehirn (=Brain) und in der Lunge (=Lung) als andere Patientinnen, wobei besonders die Gehirnmetastasen schlechte Prognose besitzen. Leber- (=Liver) und Knochen- (=Bones) Metastasen werden bei dem tripelnegativem Brustkrebs weniger gebildet (Abb. aus Weblink 17). Für rediviertes oder metastasiertes Mammakarzinom gelten etwas andere Empfehlungen. Schemata Zurzeit sind verschiedene Schemata zur Zytostatika-Behandlung üblich. Abbildung 4 zeigt die Angriffspunkte der genannten Substanzen und weiterer häufig in der Brustkrebstherapie eingesetzten Wirkstoffe. Für die Behandlung der Primärerkrankung wird empfohlen, eine adjuvante endokrine Therapie (Tamoxifen) oder Chemotherapie (Anthrazykline) durchzuführen, da die kumulative 15-Jahres-Mortalitätsrate für sich alleine jeweils um etwa 30 % gesenkt werden kann, durch Einsatz der Kombination offenbar noch deutlicher. Bei HER2 positiven Tumoren sollte Trastuzumab eingesetzt werden. Ein empfohle- Genetik. Die Abkürzung HER2 steht für „Human Epidermal Growth Factor Receptor typ 2“, auch ErbB-2 genannt. Dieser Rezeptor gehört zur Familie der epidermalen Wachstumsfaktorrezeptoren (EGFRezeptor) und ist ein transmembranärer Tyrosinkinase-Rezeptor. Es sind vier HER-Subtypen bekannt: HER1-HER4. Ein HER-Monomer besteht aus einer extrazellulären, einer transmembranären und einer intrazellulären Komponente. Die extrazelluläre Komponente ist die Ligandenbindungsstelle. Ein Ligand bindet in der Regel an zwei Monomere gleichzeitig, die gleichartig oder unterschiedlich sein können, was eine Dimerisierung auslöst (3). Nach der Dimerisierung findet im intrazellulären Bereich eine Tyrosinphosphorylierung statt, bei der die Monomere sich gegenseitig phosphorylieren, was intrazelluläre Signalwege aktiviert. HER3 ist der einzige Rezeptor dieser Gruppe, der keine funktionelle Tyrosinkinase besitzt. Die HER-Proteine regulieren Zellproliferation und Überleben, sowie Zellwachstum, Adhäsion und Migration (3). Zelluläre Mechanismen Die Aktivierung des HER-Rezeptors stimuliert die Zellproliferation über den RAS-MAPKinase-Weg. Außerdem wird der programmierte Zelltod (Apoptose) über den mTOR-Signalweg gehemmt. Bei HER1, HER3 und HER4 ist ein Ligand zur Aktivierung des Rezeptors nötig, HER2 hingegen dimerisiert und aktiviert die nachfolgende Signalkaskade ohne die Bindung eines Liganden (Abb. 5). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom 117 Abb. 4: Zytostatika und andere wichtige Wirkstoffe für die Mammakarzinomtherapie. Je nach Wirkstoff findet eine Hemmung der Zellproliferation durch Hemmung der DNASynthese, der DNA-Funktion sowie der Funktion wichtiger Proteine statt. Es handelt sich um einen Kreislauf, da einige Proteine entscheidend an der DNA-Synthese beteiligt sind. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 118 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom Abb. 5: Die Signalwege RAS-MAP-Kinase-Weg und mTOR-Signalweg finden nach Aktivierung der HER2-Proteine mit rezeptorspezifischen Liganden statt (5). Bei dem RAS-MAPKinase-Weg findet nach Stimulation des Rezeptors durch EGF (epidermalen Wachstumsfaktor) eine Dimerisierung und Autophosphorylierung an Tyrosinresten der zytosolischen Domänen des Rezeptors statt. Das ermöglicht die Bindung von Adapterproteinen wie GRB und SOS an die phosphorylierten Tyrosinreste des EGF-Rezeptors. Das aktivierte SOSProtein stimuliert das GTP-bindende Protein RAS, welches wiederum die Serin-ThreoninKinase RAF aktiviert. Diese stimuliert die Mitogen-aktivierte-Proteinkinase-Kinase (MEK), die ihrerseits die MAP-Kinase (MAPK) an Tyrosin- und Threoninresten phosphoryliert. Es folgt eine Translokation der aktivierten MAP-Kinase in den Zellkern wodurch Transkriptionsfaktoren im Zellkern phosphoryliert werden. Daraufhin werden bestimmte Gene aktiviert, wodurch Proteine synthetisiert werden, die zur Zellproliferation, Zellmigration und Invasion durch erhöhte Zellmobilität führen und Überlebenssignale auslösen (Weblink 9). Die Aktivierung der EGF-Rezeptoren führt außerdem zur Aktivierung der Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3-K) und nachfolgend der Proteinkinase B. Die PKB aktiviert wiederum die Serin-Kinase mTor (mammalian target of rapamycin), die nachfolgend die S6-Proteinkinase und den Faktor 4EBP (Eukatyotic translation initiation factor 4E-binding protein 1) aktiviert. Dadurch wird die Proteinsynthese von ApoptoseInhibitoren stimuliert (Abb. modifiziert nach (5)). Eine HER2- Überexpression wird in 2030% der invasiven Brustkrebsfälle beobachtet. Eine Fehlregulation der HER, die unterschiedliche Ursachen haben kann, begünstigt die Entstehung eines Tumors. Die Überproduktion von Wachstumsfaktoren kann eine Ursache sein, wobei diese sogar von Zellen, die vermehrt HER aufweisen, selbst gebildet werden können. Eine weitere Ursache für die Fehlregulation kann die Amplifizierung des Gens fürs HER2 sein, die zur HER2-Überexpression führt (Weblink 10). HER2-Test auf Überexpression Vor der Behandlung mit einem HER2Antikörper soll eine Überexpression des HER2-Rezeptors auf den Tumorzellen nachgewiesen werden. Nach Entnahme einer Gewebeprobe des Tumors, werden aus diesem Tumorblock dünne Schnitte angefertigt, die zur Diagnostik eingesetzt werden (Weblink 11). Es gibt zwei Testmethoden: ICH Immunhistochemie und ISH In-situ-Hybridisierung. Bei dem ICH-Test werden die HER2-Rezeptoren an der Zelloberfläche durch spezielle Färbemethoden sichtbar gemacht. Die Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 119 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom Intensität und das Ausmaß der Färbung werden beurteilt. Eine Überexpression der HER2-Rezeptoren wird durch eine starke Färbung der Zellen nachgewiesen. Das Testergebnis wird in Werten zwischen 0 und 3+ angegeben. Bei einem Wert von 3+ ist eine Überexpression nachgewiesen. Liegt das Ergebnis bei 2+, ist ein zusätzlicher Test nötig. Bei dem ISH-Test wird durch spezielle Färbetechniken die HER2-DNA im Zellkern der Krebszellen sichtbar gemacht. Die so gefärbten HER2-Gene werden ausgezählt (Weblink 11). HER2 Antikörper Trastuzumab Trastuzumab (Herceptin®) ist ein humanisierter monoklonaler IgG1-Antikörper, der aus einer Suspensionskultur von Säugetierzellen (Ovarialzellen des chinesischen Hamsters) hergestellt wird. Indikation Trastuzumab wird bei Patienten mit metastasiertem Brustkrebs, Brustkrebs im Frühstadium oder bei metastasiertem Magenkarzinom angewendet. Die Behandlung ist nur durchzuführen, wenn die „Tumore entweder eine HER2-Überexpression oder eine HER2Genamplifikation aufweisen, die durch eine genaue und validierte Untersuchung ermittelt wurde“ (Weblink 12). Bei metastasiertem Brustkrebs darf Trastuzumab auch als Monotherapie angewenHER1/EGFR det werden, in den anderen Fällen sind verschiedene Kombinationen mit anderen Zytostatika vorgeschrieben, beispielsweise mit Docetaxel und Carboplatin. Wirkungsmechanismus Trastuzumab bindet mit hoher Affinität und Spezifität an die extrazelluläre Domäne (Subdomäne IV) des HER2-Rezeptors. Dadurch werden die Homo- und Heterodimerisierung des Rezeptors und die proteolytische Spaltung verhindert, sodass die Signalkaskaden nicht ausgelöst werden, die zur Zellproliferation führen (Abb. 6). Die geringere Ausschüttung von VEGF (vascular endothelial growth factor) führt weiterhin zur Hemmung der Angiogenese, d.h. auch zur Versorgung des Tumors mit neuen Blutgefäßen (5). Trastuzumab dient zusätzlich als effektiver Mediator für die Antikörper-abhängige zellvermittelte Zytotoxität (ADCC = antibody dependent cellular cytotoxity) (Weblink 12). Dabei werden Natürliche Killerzellen rekrutiert, die die Fc-Region des Antikörpers erkennen und über verschiedene Kontakte fest an die Tumorzelle binden. Es kommt schließlich zur Ausschüttung einer Fülle von zytotoxischen Substanzen aus Granula, die Tumorzelle zur Lyse bringen (Weblink 13). Möglicherweise werden außerdem mit Antikörpern beladene Rezeptoren durch Endozytose in die Zelle aufgenommen, sodass wiederum weniger Signale zur Zellproliferation ausgelöst werden können (5). Pertuzumab HER2 Trastuzumab inaktiv aktives Monomer inaktives Monomer Inaktive Monomere der Rezeptortyrosinkinasen aktives Heterodimer blockiertes Heterodimer Wachstum und Proliferation der Tumorzellen Hemmung von Wachstum und Proliferation Abb. 6: Trastuzumab und Pertuzumab hemmen die Heterodimerisierung von HER2 u.a. mit EGFR (HER1), HER3 und HER4 und damit die Aktivierung der assoziierten zytosolischen Kinase sowie der weiteren intrazellulären Signalkaskaden (u.a. MAP-Kinase und Phosphatidylinositol-3-Kinase), die Wachstum und Proliferation der Tumorzellen anregen. Auch wenn HER3 keine Kinaseaktivität aufweist, gelten HER2:HER3 Dimere als besonders potente Signalgeber für Wachstum und Proliferation. Lapatinib (nicht dargestellt) hemmt assoziierten zytosolischen Kinase direkt (Abb. aus Weblink 17). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 120 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom Abb. 7: In dieser Studie aus dem Jahr 2001 erhielten insgesamt 469 Frauen mit metastasiertem Brustkrebs und HER2-Überexpression eine Chemotherapie, die entweder aus Paclitaxel oder einem Anthrazyklin plus Cyclophosphamid bestand. Die Hälfte erhielt zusätzlich Trastuzumab. Durch die Therapie mit Trastuzumab verlängerte sich der Median des progressionsfreien Überlebens von 4,6 auf 7,4 Monate (Abb. modifiziert nach (6)). Wirksamkeitsnachweis. Die Wirksamkeit von Trastuzumab wurde bereits in vielen Studien untersucht und belegt. Im Gegensatz zu einer Standardchemotherapie (Paclitaxel oder ein Anthrazyklin plus Cyclophosphamid) verlängert der Zusatz von Trastuzumab deutlich die Zeit des progressionsfreien Überlebens (Abb. 7) und des Überlebens (6). Eine neuere Studie zeigt weiterhin die Überlegenheit einer Therapie mit Trastuzumab gegenüber der Behandlung mit einem Anthrazyklin (Doxorubicin) und Cyclophosphamid gefolgt von Docetaxel. Der Unterschied zwischen einer Kombination von einem Anthrazyklin mit Trastuzumab und einem Taxan mit Trastuzumab war gering, wobei eine deutlich geringere Schädigung des Herzmuskels bei der Anthrazyklin-freien Therapie auftrat (7). Nebenwirkungen Trastuzumab kann zu ventrikulärer Dysfunktion und obstruktiver Kardiomyopathie führen (Weblink 12). In der Kombination mit Anthrazyklinen ist das Risiko für eine starke Schädigung des Herzmuskels besonders hoch, während dieses Risiko mit Taxanen deutlich geringer ausfällt. Wie in Abb. 8 gezeigt, bewirkt eine Therapie mit Doxorubicin, Cyclophosphamid, Doce- taxel und Trastuzumab (AC-T plus Trastuzumab) eine anhaltende Abnahme des Ejektionsvolumens des Herzens. Ein Anthrazyklin-freies Therapieschema mit Docetaxel, Carboplatin und Trastuzumab (TCH) ist für das Herz deutlich schonender (7). Weitere unerwünschte Wirkungen sind Infusionsreaktionen, Hämatotoxizität (insbesondere Neutropenie), Infektionen und unerwünschte pulmonale Nebenwirkungen (Weblink 12). Trastuzumab und Emtansin T-DM1, Kadcyla® (ado-Trastuzumab-Emtansin) ist der Handelsname des ersten HER2spezifischen Antikörper-Wirkstoff-Konjugates (ADC). Es besteht aus dem Antikörper Trastuzumab (Anti-HER2-IgG1) und einem stabilen Thioether-Linker (MCC), der das Chemotherapeutikum DM1 (ein Maytansin-Derivat) an den Antikörper bindet. Die MCC-Brücke verhindert die systemische Freisetzung von DM-1 und ermöglicht das selektive Erreichen von Tumorzellen. Emtansin bezeichnet den MCC-DM1-Komplex. Indikation Kadcyla® ist zur Behandlung von erwachsenen Patienten (Männer und Frauen) mit HER2-positivem, inoperablem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs zugelassen. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 121 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom Abb. 8: Die Abbildung zeigt das mittlere Ejektionsvolumen des Herzens nach Behandlung mit verschiedenen Therapieschemata. Nach einer Behandlung mit Doxorubicin, Cyclophosphamid, gefolgt von Docetaxel plus Trastuzumab (AC-T plus Trastuzumab) fällt das Ejektionsvolumen innerhalb eines Jahres von etwa 65% auf 60% ab. Diese Kombination der Behandlung mit einem Anthrazyklin (Doxorubicin) und Trastuzumab bewirkt den stärksten Abfall des Ejektionsvolumens und sollte daher vermieden werden. Eine geringere Schädigung bewirkt das AC-T – Therapieschema (Doxorubicin, Cyclophosphamid, gefolgt von Docetaxel). Die Kombination von einem Taxan mit Trastuzumab (TCH Behandlung = Docetaxel, Carboplatin, Trastuzumab) bewirkt die geringste Schädigung des Herzmuskels und ist daher den anderen Therapieschemata zu bevorzugen (Abb. modifiziert nach (7)). Es können nur Patienten mit Kadcyla® behandelt werden, die zuvor mit Trastuzumab und einem Taxan einzeln oder in Kombination behandelt wurden (Weblink 15). Wirkungsmechanismus Durch T-DM1 erreicht man eine gezielte Wirkstoffanreicherung in den Krebszellen, da Trastuzumab wie bereits erläutert spezifisch an HER2 bindet. Der RezeptorLigand-Komplex aus T-DM1 und HER2Protein wird in der Zelle aufgenommen und im sauen Milieu lysosomal gespalten. Dabei wird DM1 freigesetzt. DM1 ist ein Vertreter der Gruppe der Maytansinoide, die eine hohe zytotoxische Wirkung besitzen. Es bindet an eine Seite des ß-Tubulins und hemmt die längliche Wechselwirkung der Tubuli mit anderen Tubuli-Einheiten und damit auch die Polymerisation. Damit werden die Mikrotubuli destabilisiert, was zur Mitoseinhibition führt (8). DM1 besitzt ein geringes therapeutisches Fenster. Wegen der starken Neuro- und gastrointestinalen Toxizität ist der Einsatz von DM1 als Therapeutikum nur durch die gezielte Gewebeanreicherung möglich (8). Wirksamkeitsnachweis Seit Januar 2014 ist T-DM1 in Deutschland zugelassen, wobei die Wirksamkeit und Sicherheit durch die randomisierte Phase-III-Studie „EMILIA“ nachgewiesen wurden. Die Studie wurde mit 991 Patienten mit HER2-positivem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs durchgeführt. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 122 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom Alle Teilnehmer wurden vor Studienbeginn mit Trastuzumab und einem Taxan behandelt. Die Placebo-Gruppe erhielt Lapatinib und Capecitabin, wobei das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben (Abb. 9)die wichtigsten Wirksamkeitskriterien waren. Die Untersuchungsgruppe erhielt nur T-DM1. Die objektive Ansprechrate betrug 43,6% mit T-DM1 und 30,8% mit Lapatinib und Capecitabin. Eine Verlängerung der Remission und eine Verbesserung des Überlebens sowie eine geringere Toxizität des T-DM1s wurden somit nachgewiesen (9). Nebenwirkungen Die Rate von schweren bis lebensbedrohlichen Nebenwirkungen lag bei 41% mit T-DM1 und 57% bei Lapatinib und Capecitabin, wobei bei TDM1 häufig Thrombozytopenie und erhöhte Serum-Aminotransferasen auftreten. Bei der Kombinationstherapie waren Durchfall, Übelkeit, Erbrechen und Hand-Fuß-Syndrom häufig. Weitere schwerwiegende Nebenwirkungen sind Pyrexie, Thrombozytopenie, Erbrechen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Obstipation, Diarrhö, Dyspnoe und Pneumonitis. Sehr häufig treten Transaminasen-Anstieg, Fatigue, Muskel- und Skelettschmerz sowie Kopfschmerzen auf (Weblink 15). Pertuzumab Pertuzumab (Perjeta®) ist (genau wie Trastuzumab) ein monoklonaler Antikörper, der seit 2013 in Deutschland im Handel ist (siehe auch Weblink 17). Indikation Pertuzumab ist zur Anwendung in Kombination mit Trastuzumab und Docetaxel bei erwachsenen Patienten mit HER2-positivem metastasiertem oder lokal rezidivierendem, inoperablem Brustkrebs indiziert, die zuvor noch keine anti-HER2-Therapie oder Chemotherapie zur Behandlung ihrer metastasierten Erkrankung erhalten haben (Weblink 16). Wirkungsmechanismus Pertuzumab bindet an die Subdomäne II des HER2Rezeptors (Abb. 6), wodurch keine Heterodimerisierung mit anderen Rezeptoren aus der HER2-Familie mehr stattfinden kann (Weblink 16). Dadurch werden die weiteren Signalkaskaden (MAP-Kinasen und PI3K) nicht ausgelöst (Abb. 5), die Zellwachstum und Proliferation bewirken. Das Heterodimer aus HER2:HER3 scheint ein besonders potenter Signalgeber zu sein, dessen Bildung durch Gabe von Pertuzumab unterdrückt wird (Weblink 17). Die Unterschiede zu Trastuzumab sind in Tabelle 1 dargestellt. Identisch zum Wirkmechanismus von Trastuzumab wird auch hier das Immunsystem aktiviert (Abb. 10) und die mit Antikörpern markierten Zellen werden durch natürliche Killerzellen lysiert (s.o.) (Weblink 16). Abb. 9: Vergleich des progressionsfreien Überlebens der Patienten mit einer Therapie von T-MD1 oder Lapatinib und Capecitabin (modifiziert nach 9). Das mittlere pogressionsfreie Überleben betrug bei T-DM1 9,6 Monate und bei der Kombinationstherapie 6,4 Monate. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 123 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom Abb. 10: Pertuzumab trägt ebenfalls zur Apoptose von Tumorzellen über die antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität durch natürliche Killerzellen bei (Abb. aus Weblink 17, FcγRIII=niedrig affiner Fc Rezeptor (CD16), bindet IgG). Wirksamkeitsnachweis In der Zulassungsstudie CLEOPATRA wurde die Effektivität von Pertuzumab geprüft. Dabei wurden 808 Frauen mit lokal rezidivierendem, inoperablem oder metastasierendem Brustkrebs, die für dieses Stadium keine adjuvante Chemotherapie oder biologische Therapie erhalten hatten in die Studie einbezogen. Die eine Hälfte der Frauen erhielt Trastuzumab und Docetaxel (Kontrollgruppe), die anderen erhielten zusätzlich Pertuzumab. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben. Trastuzumab Pertuzumab Bindestelle Subdomäne IV des HER2Proteins Subdomäne II des HER2Proteins Wirkung verhindert ligandenunabhängige Homo- und Heterodimerisierung verhindert ligandenabhängige Heterodimerisierung Tab. 1: Unterschiede im Wirkungsmechanismus zwischen Trastuzumab und Pertuzumab. So verlängerte das Pertuzumab-Regime den primären Studienendpunkt „progressionsfreies Überleben“ von Median 12,4 auf 18,5 Monate (Abb. 11) und reduzierte das Sterberisiko hochsignifikant um 34 %. Auch bezüglich des Gesamtüberlebens lassen sich Erfolge der Therapie mit Pertuzumab abzeichnen: Während der Median im Kontrollarm bei 37,6 Monaten lag, war er zum Zeitpunkt der Analyse im Pertuzumab-Arm noch nicht erreicht, da über die Hälfte der Patientinnen noch lebte (11). Bei einer Betrachtung der Subgruppen fällt jedoch auf, dass der Vorteil dieses Medikationsregimes auf die Patienten mit viszeralen Metastasen beschränkt ist. Für Patienten mit HER2-positivem Brustkrebs mit nicht viszeraler Metastasierung oder lokal rezidivierendem inoperablem Brustkrebs gibt es keinen Beweis für einen Zusatznutzen (Weblink 18). Durch die reduzierte Betrachtung von Subgruppen geht jedoch der Effekt der Randomisierung verloren, das heißt es wird deutlich wahrscheinlicher, dass unspezifische Effekte das Ergebnis beeinflussen. Nebenwirkungen Die häufigsten Nebenwirkungen (>50%) waren Diarrhö, Alopezie und Neutropenie und die häufigsten schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse waren febrile Neutropenie, Neutropenie und Diarrhö. Eine linksventrikuläre Dysfunktion trat häufig aus (5,4% Pertuzumab, 8,6% Placebo) (11). Lapatinib Im Gegensatz zu den beschriebenen Antikörpern ist Lapatinib (Tykerb®) ein oral verfügbarer Tyrosinkinase-Inhibitor, der jedoch bislang nur unter „besonderen Bedingungen zugelassen wurde. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 124 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom Abb. 11: Progressionsfreies Überleben der Patientinnen nach Einnahme von Pertuzumab plus Trastuzumab und Docetaxel (Pertuzumab) oder Placebo plus Trastuzumab und Docetaxel (Kontrolle). Pertuzumab reduzierte ebenfalls das Sterberisiko um 34 % (nicht dargestellt, Abb. aus Weblink 17, modifiziert nach (11)). Indikation Lapatinib ist zur Behandlung von erwachsenen Patienten (Männer und Frauen) mit HER2-positivem Brustkrebs indiziert. Es ist je nach Behandlungsverlauf der Patienten in Kombination mit Capecitabin, Trastuzumab oder mit einem Aromatase-Hemmer anzuwenden (Weblink 19). Wirkungsmechanismus Lapatinib bindet an der intrazellulären Tyrosinkinasedomäne der HER1- und HER2Monomere blockiert sie reversibel. Damit werden die oben beschriebenen Signalwege gehemmt (Abb. 5). Außerdem zeigt Lapatinib eine Wirkung bei Trastuzumab-resistenten Zellen, da sich die Wirkungsmechanismen unterscheiden (12). Wirksamkeitsnachweis Für Patienten mit HER2-positivem Brustkrebs verringert die Einnahme von Lapatinib in Kombination mit Capecitabin deutlich das Risiko der Krankheitsprogression gegenüber der Monotherapie mit Capecitabin. Allerdings hat Lapatinib keine Auswirkung auf die Überlebenszeit. Lapatinib ist ein kleines Molekül, das möglicherweise die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann und daher die Tumorprogression im zentralen Nervensystem könnte (13). verhindern Nebenwirkungen Die häufigsten Nebenwirkungen während der Behandlung mit Lapatinib in Kombination mit Capecitabin sind Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sowie Hautausschläge und Hand-Fuß-Syndrom. In Kombination mit Tastuzumab sind keine zusätzlichen Nebenwirkungen auffällig (Weblink 19). Fazit Aufgrund der verschiedenen Indikationen lassen sich die einzelnen Wirkstoffe nicht direkt vergleichen. In den Zulassungsstudien wurden die Substanzen gegen unterschiedliche bewährte Therapieschemata getestet. Die Personengruppen der Studien waren nicht einheitlich und unterschieden sich in den Vorbehandlungen und Krankheitsverläufen. Daher lassen sich noch keine endgültigen Aussagen darüber treffen, welcher Wirkstoff am meisten zu empfehlen ist. Anhand der vorhandenen Daten sind, aber schon einige Schlüsse zu ziehen: Trastuzumab ist eine gute Ergänzung zu Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 125 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom einer Standardchemotherapie, die wegen der Kardiotoxizität allerdings nicht in Kombination mit Anthrazyklinen eingesetzt sollte werden. Trastuzumab erhöht das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben. Es ist sinnvoller eine Kombination aus zwei gegen HER2 gerichteten Arzneistoffen einzusetzen als eine Monotherapie durchzuführen, da sich die Wirkungsmechanismen unterscheiden und sich daher gut ergänzen. Pertuzumab in der Kombination mit Trastuzumab und Docetaxel erzielt bessere Erfolge als Trastuzumab und Docetaxel alleine. Dieser therapeutische Nutzen trat vor allem bei Patienten mit viszeralen Metastasen auf. Im Gegensatz zu Lapatinib und T-DM1 ist Pertuzumab nur für Patienten ohne vorherige Anti-HER2Therapie oder Chemotherapie zugelassen. Lapatinib zeigte gute Erfolge als Ergänzung zur Chemotherapie mit Capecitabin. T-DM1 hat sich jedoch gegen die Kombination von Lapatinib und Capecitabin als überlegen erwiesen. Ein Vergleich zwischen T-DM1 und der Kombination von Pertuzumab, Trastuzumab und Docetaxel lässt sich anhand der vorgestellten Studien nicht ziehen. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(4):110-128 HER2 als therapeutisches Zielprotein bei Mammakarzinom 126 Leonie Hilliges Frau Leonie Hilliges, geboren am 09.04.1991 in Berlin, Abitur 2010 in Remscheid, verschiedene Praktika in Zagreb (Kroatien), Remscheid und München, seit 2011 Studium der Pharmazie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Salma Al-Fitian Frau Salma Al-Fitian, 1989 geboren in Bagdad, Abitur 2010 in Dortmund, WS 2010/2011 Studium der Pharmazie an der Technischen Universität Braunschweig, Seit SS 2011 Studium der Pharmazie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Weblinks 1) Zentrum für Krebsregisterdaten, Robert-Koch-Institut http://www.rki.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/krebsarten_node.html;jsessionid=1245DC601EF955B16B8CD00329A936B4.2_cid390 2) European Medicines Acency (EMA), Perjeta – Public assessment report http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/002547/WC500141004.pdf 3) Deutsches Krebsforschungszentrum, Krebsinformationsdienst; Brustkrebs: Symptome – Wann sollte eine Frau zum Arzt gehen? http://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/brustkrebs/symptome.php 4) Deutsches Krebsforschungszentrum, Krebsinformationsdienst; Früherkennung http://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/brustkrebs/frueherkennung.php 5) Gemeinsamer Bundesausschuss(G-BA), Stabsbereich Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation und Kooperationsgemeinschaft Mammographie (KoopG). 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