Nervenschmerzen - Neurologische Klinik und Poliklinik

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Nervenschmerzen:
Rationale Schmerztherapie – von den Symptomen zur therapeutischen Entscheidung
Neuropathische Schmerzen, auch Nervenschmerzen genannt, führen zu besonders leidvollen
Einschränkungen der Lebensqualität. Einschießende Schmerzen, Brennen, Kribbeln, aber auch
sensible Ausfälle wie verminderte Wahrnehmung von Kälte und Wärme oder unangenehme Taubheit
sind typische Symptome. In Deutschland sind etwa sechs Prozent der Bevölkerung davon betroffen,
das entspricht knapp fünf Millionen Menschen – Tendenz steigend. Neuropathische Schmerzen
entstehen durch Schädigungen oder Erkrankungen von Nerven. Typische Beispiele sind Schmerzen
durch Gürtelrose, Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie, Schmerzen nach Nervenverletzungen wie Amputation, zentrale Schmerzen z.B. nach Schlaganfall, Rückenmarksverletzungen
oder bei der Multiplen Sklerose und durch Chemotherapie oder Alkoholmissbrauch verursachte
Schmerzen. Nervenschmerzen sind neben Rückenschmerzen und Kopfschmerzen eine der
häufigsten Ursachen für chronische Schmerzen.
Neuer mechanismen-orientierter Therapieansatz
Die Diagnostik von Nervenschmerzen ist problematisch, da das Beschwerdebild sehr vielfältig ist. So
kann jedes Symptom in beliebiger Kombination mit anderen auftreten und das ganz unabhängig von
der Grunderkrankung. Beispielsweise kann ein Diabetiker unter ständig brennenden Füßen leiden,
ein Anderer hingegen an tauben Beinen, die ihn für Verletzungen anfälliger machen. Schmerz ist
also nicht gleich Schmerz. Diese Erkenntnis führte zu der Überlegung, chronische Nervenschmerzen
nicht nur nach der Grunderkrankung zu behandeln. In den Fokus der Therapie rückte stattdessen die
charakteristische Schmerzform des einzelnen Patienten. Die völlig neue Idee dahinter: Die einzelnen
Symptome liefern Hinweise auf die biologischen Mechanismen des Schmerzes, die dann gezielt
behandelt werden können – die mechanismen-orientierte Therapie.
painDETECT: Praktische Diagnosehilfe
Wichtig ist zuerst die Abgrenzung von Nervenschmerzen zu anderen Schmerzformen, bei denen die
Nerven intakt sind. Hier helfen Fragebögen wie painDETECT, den der vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Deutsche Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz
(DFNS) in Zusammenarbeit mit der Firma Pfizer entwickelt hat. Der Screening-Fragebogen erfasst
Schmerzintensität, -muster und -qualität und wird vom Patienten in nur fünf Minuten ausgefüllt. Damit
lässt sich das Ausmaß der neuropathischen Komponente an einem chronischen Schmerzsyndrom
mit einer Sensitivität und Spezifität von über 80% abschätzen. Der Fragebogen ist damit eine
praktische Diagnosehilfe auch für den Hausarzt, der den Schmerzpatienten oftmals als erster sieht,
die Therapie entsprechend anpassen bzw. den Patienten an einen Schmerzspezialisten überweisen
kann.
Mit QST Nervenschmerzen richtig messen
Um die mechanismen-orientierte Idee praktisch umzusetzen, ist jedoch eine genaue Analyse der
einzelnen Symptome notwendig. Dies ist erstmals mit einer standardisierten Testreihe des DFNS
möglich. Das Instrumentarium der so genannte Quantitativ Sensorischen Testung, kurz QST, wirkt
simpel: Wattebausch, Pinsel, Q-Tip, dünne Nylonfäden, stumpfe Nadeln, ein Druckalgometer und
eine Stimmgabel; dazu eine Thermode, die die Haut abkühlen und erwärmen kann. Gemessen wird
am schmerzhaften und zum Vergleich am gesunden Hautareal. Mit sieben Tests werden so die
Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen für Kälte, Wärme und diverse mechanische Reize ermittelt.
Mit der QST können erstmals auch dünne Nervenfasern untersucht werden, die mit anderen
Verfahren nicht fassbar sind. Sie zeigt zudem, ob die Läsion eher im peripheren oder im zentralen
Nervensystem, also auf Gehirn- und Rückenmarksebene, zu finden ist. In der Summe liefert die QST
ein individuelles sensorisches Schmerzprofil des einzelnen Patienten, das dann auch therapeutische
Auswirkungen haben kann. Die QST-Testbatterie des DFNS hat sich bereits in internationalen
Studien als „Goldstandard“ bewährt und kann in Deutschland zertifiziert werden.
Zentrale Datenbank ermöglicht neue Klassifikation
Um das QST-Profil eines einzelnen Patienten optimal beurteilen zu können, haben die Zentren des
DFNS eine zentrale Datenbank aufgebaut. Diese enthält anonymisierte Daten von derzeit etwa 4000
Patienten sowie 180 gesunden Probanden. Die Daten der gesunden Probanden dienen als
Referenzwerte, die im Vergleich mit den einzelnen QST-Werten eines Patienten die Abgrenzung
zwischen krank und gesund ermöglichen. Auf diese Weise konnten bereits einzelne Untergruppen
identifiziert werden, mit denen Patienten genauer klassifiziert werden können. Je mehr Daten in die
Datenbank einfließen, desto genauere Erkenntnisse sind auf lange Sicht möglich. Obwohl hier noch
viel zu Erforschen ist, kann die Behandlung chronischer Nervenschmerzen bereits heute deutlich
optimiert werden. Viele Ärzte verschreiben immer noch gängige Schmerzmittel wie Ibuprofen, die bei
Nervenschmerzen aber nicht wirken. Erfolg versprechend sind dagegen Opioide und Medikamente,
die bei Epilepsie und Depression zum Einsatz kommen. Auch lokale Behandlungen mit z.B.
Lokalanästhetika oder Capsaicin, dem Wirkstoff der Chilischote, können den Nervenschmerz lindern.
Meist ist eine Kombination der Medikamente nötig, die im Prinzip für jeden Patienten individuell
gefunden werden muss.
Ansprechpartner: Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Thomas R. Tölle
Deutscher Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS), Neurologische Klinik am Klinikum rechts der
Isar der Technischen Universität München, Ismaninger Str. 22, 81675 München
Tel: 089 - 4140-4658, Fax: 089- 4140-4659, e-mail: [email protected]
www.neuropathischer-schmerz.de
Fotos – Thema „Nervenschmerzen messen mit Quantitativ Sensorischer Testung (QST)“
Zum Download in druckfähiger Auflösung (300dpi) unter:
http://www.neuro.med.tu-muenchen.de/dfns/presse/fotoserie_QST_2012.html
Kälte- und Wärmereiz Testung (Originalgröße: 300 dpi (1050 x 679 pixel), 307 KB, jpeg-Format)
Quelle: DFNS
Test der Berührungswahrnehmung (Originalgröße: 300 dpi (1050 x 697 pixel), 151 KB, jpeg-Format)
Quelle: DFNS
Nadelreiz-Testung (Originalgröße: 300 dpi (1050 x 697 pixel), 177 KB, jpeg-Format)
Quelle: DFNS
Test der Berührungsempfindlichkeit mit:
> Wattebausch (Originalgröße: 300 dpi (1180 x 756 pixel), 336 KB, jpeg-Format),
> Q-Tip (Originalgröße: 300 dpi (894 x 1012 pixel), 333 KB, jpeg-Format) und
> Pinsel (Originalgröße: 300 dpi (952 x 632 pixel), 240 KB, jpeg-Format)
Quelle: DFNS
Test der Vibrationswahrnehmung (Originalgröße: 300 dpi (798 x 1318 pixel), 284 KB, jpeg-Format)
Quelle: DFNS
Druckschmerz-Testung (Originalgröße: 300 dpi (878 x 1044 pixel), 363 KB, jpeg-Format)
Quelle: DFNS
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