Fakultät Sozialwesen Bachelorarbeit _________________________________________________________________________ Jugendliche mit einer Borderline-Störung in der Jugendhilfe – ein Vergleich unterschiedlicher stationärer Betreuungssettings _________________________________________________________________________ von Anja Elbers Studienschwe rpunkt: Erziehungshilfen/ Kinder- und Jugendhilfe Studiengangleiter und Betreuer: Matrikelnumme r: Prof. Dr. Moch 8381891 Jahrgang und Kurs: SO14C Praxiseinrichtung: Martin-Bonhoeffer-Häuser Bearbeitungszeitraum: 26.12.16 – 20.03.17 Abgabedatum: 20.03.17 Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................ III Begrifflichkeiten ....................................................................................................................1 1. Einleitung ...........................................................................................................................1 1.1 Anlass und Ziel der Arbeit ...........................................................................................1 1.2 Vorgehensweise ...........................................................................................................2 2. Jugendliche mit einer Borderline- Persönlichkeitsstörung ................................................4 2.1 Psychiatrische Sichtweise ............................................................................................4 2.1.1 Die Borderline-Persönlichkeitsstörung: Begriffsbeschreibung und Diagnostik ....4 2.1.2 Diagnostik im Jugendalter .....................................................................................6 2.1.3 Ätiologie und Neurobiologie .................................................................................7 2.1.4 Prävalenz, Komorbidität und Verlauf ....................................................................8 2.2 Sozialpädagogische Sichtweise....................................................................................9 2.2.1 Eingliederungshilfe für Jugendliche mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung ...................................................................................................9 2.2.2 Sozialpädagogische Diagnose .........................................................................11 2.2.3 Fallbeispiel.......................................................................................................13 2.3 Jugendhilfe für Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung ................15 2.3.1 Die stationäre Jugendhilfe ...................................................................................15 2.3.2 Vorzeitige Beendigung von Eingliederungshilfen ..................................................16 2.4 Entwicklung im Jugendalter.......................................................................................16 2.4.1 Die „normale“ Entwicklung ................................................................................18 2.4.2 Sozialisation im Jugendalter ................................................................................18 2.4.3 Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und ihre Sozialisatio n ......................................................................................................................................21 2.4.4 Entwicklungsaufgaben im Jugendalter ................................................................24 2.4.5 Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und ihre Entwicklungsaufgaben .................................................................................................26 2.4.6 Bindungsentwicklung im Jugendalter..................................................................29 I 2.4.7 Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und ihre Beziehungsgestaltung ...................................................................................................31 3. Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung in der Jugendhilfe .................33 3.1 Modelle für die Betreuung von Jugendlichen mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung in der Jugendhilfe........................................................................34 3.1.1 Das mehrdimensionale Hilfekonzept nach Adam und Peters ..............................34 3.1.2 Die multimodale Betreuung nach Hofmann ........................................................35 3.1.3 Die Systemischen Arbeitsweisen nach Natho .....................................................36 3.2 Der aktuelle Forschungsstand ....................................................................................38 3.2.1 Wirksamkeitsstudien in der Jugendhilfe..............................................................38 3.2.2 Schutzfaktoren im Jugendalter ............................................................................38 3.2.3 Wirksamkeit der Jugendhilfe bei „stark belasteten“ Jugendlichen......................40 3.3 Ansätze für die sozialpädagogische Praxis ................................................................40 3.3.1 Die Ausarbeitung „entwicklungsfördernder Lebensbedingungen“ .....................41 3.3.2 Darstellung entwicklungsfördernder Lebensbedingungen ..................................54 3.3.3 Darstellung der Vergleichskriterien.....................................................................57 4. Der Blick in die Praxis: die Betreuung von Jugendlichen mit einer BorderlinePersönlichkeitsstörung in unterschiedlichen Betreuungssettings ........................................59 4.1 Die sozialtherapeutische Wohngruppe Nehren ..........................................................59 4.2 Die therapeutische Wohngruppe Cramergasse ..........................................................64 4.3 JuMeGa Gastfamilien.................................................................................................69 4.4 Vergleich der drei Betreuungssettings .......................................................................73 4.5) Drei weiterführende Hypothesen ..............................................................................78 5. Fazit..................................................................................................................................79 Literaturverzeichnis .............................................................................................................IV Ehrenwörtliche Erklärung ................................................................................................ XIV Anhang: Hilfepläne und Konzeptionen ..............................................................................XV II Abkürzungsverzeichnis BPS Bordeline-Persönlichkeitsstörung DBT Dialektisch-Behaviorale Therapie DBT-A Dialektisch-Behaviorale Therapie für Adoleszente DIMDI Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information EREV Evangelischer Erziehungsverband e.V. IZL Intensive Zusatzleistungen JuMeGA Junge Menschen in Gastfamilien KJP Kinder- und Jugendpsychiatrie LVR Landschaftsverband Rheinland LWL Landschaftsverband Westfalen-Lippe MBH Martin-Bonhoeffer-Häuser STEP e.V. Sozialpädagogische-Therapeutische Einrichtungen und Projekt e.V. III Begrifflichkeiten Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird nachfolgend nur die männliche Form eines Begriffes verwendet. Selbstverständlich beziehen sich sämtliche Begriffe auf die männlic he und weibliche Version eines Begriffes. Die Auslegung der Begriffe Jugendliche und Jugendphase erfolgt in Anlehnung an Hurrelmann und Quenzel. Diese begreifen die Jugendphase als Übergang zwischen dem „abhängigen Kind“ und dem „unabhängigen Erwachsenen“. Die Erreichung einer überwiegenden Autonomie in relevanten Lebensbereichen (als Ende der Jugendphase) gestaltet sich individuell und kann nicht am Lebensalter festgemacht werden (vgl. Hurrelmann/Quenzel 2012, S.40). In der Ausarbeitung wird der Begriff der BorderlinePersönlichkeitsstörung und nicht jener der „Persönlichkeitsentwicklungsstörung“ (Adam/Breithaupt-Peters 2010, S.7) verwendet. Dennoch wird von einer Veränderbarkeit und Entwicklungsmöglichkeit der BPS ausgegangen. 1. Einleitung 1.1 Anlass und Ziel der Arbeit Hilfen zur Erziehung stellen ein „kompensatorisches Sozialisationsfeld“ (Trede 2014, S.25) dar, ihre Leistungen können durch die Personensorgeberechtigten in Anspruch genomme n werden, wenn eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung nicht möglich und die Hilfe zur Entwicklung des Jugendlichen geeignet und notwendig ist (§27 Abs. 1 SGB VIII). Unterschiedliche Studien zur der psychischen Gesundheit in den Erziehungshilfen lassen eine weite Verbreitung von psychischen Störungen und psychischen Auffälligkeiten in der stationären Jugendhilfe vermuten (vgl. Schmid 2008, S.196). Dies fordert die stationäre Jugendhilfe und ihre Angebotsstruktur fachlich heraus. Erkennbar wird dies auch dadurch, dass die Jugendhilfe insbesondere bei psychisch stark belasteten Jugendlichen und einer hohen Problembelastung an ihre Grenzen stößt (vgl. Schmidt 2002, S.35). Studien für Abbruchrisiken benennen Jugendhilfeeinrichtung, individuelle Faktoren, sowie auch Strukturen der die im Zusammenhang mit dem Abbruch einer stationäre n Jugendhilfemaßnahme stehen (vgl. Tornow/ Ziegler 2012, S.105-108). Eine vermutlich häufig vorliegende psychische Störung im Jugendhilfekontext ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Da die BPS nach der ICD-10 erst mit 18 Jahren diagnostiziert werden kann, liegen hierfür kaum Angaben vor. Im Rahmen einer 1 Diplomarbeit erfüllten jedoch 48,7% der in einer Jugendhilfeeinrichtung lebenden Kinder und Jugendlichen die Kriterien für eine Borderline-Persönlichkeitsstörung (gemäß dem DSM-IV) (vgl. Esser 2002 in Adam/ Breithaupt-Peters 2010, S.114).1 Jugendliche mit einer BPS können durch ihre Verhaltensweisen Wohngruppen und Mitarbeiter an ihre Grenzen bringen oder den Gruppenrahmen „sprengen“ (vgl. Girnth 1995, S.16). Hierin zeigt sich, dass die Jugendhilfe Angebote schaffen muss, die diese Jugendlichen halten und ihren Bedarfen gerecht werden kann. Für die BPS wird als Leitsymptom eine Störung in der Emotionsregulation beschrieben, welche zu Instabilitäten im emotionalen Bereich, in sozialen Interaktionen und der Identität führen (vgl. Armbrust/Link 2015, S.43). Dies kann ambivalente, nur schwer nachvollziehbare Verhaltensweisen nach sich ziehen. Häufige Einrichtungswechsel und Beziehungsabbrüche können die Symptomatik der Borderline-Persönlichkeitsstör ung verstärken (vgl. Schmid 2008, S.196). Die vermutet weite Verbreitung der Borderline-Persönlichkeitsstörung in der Jugendhilfe, sowie die damit verbundenen Jugendhilfesettings machen Herausforderungen eine theoretische und Grenzen in den stationäre n Auseinandersetzung, sowie eine Weiterentwicklung der Betreuungspraxis nötig. Diese Relevanz möchte ich im Rahmen dieser Arbeit aufgreifen und die Betreuung von Jugendlichen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung in der Jugendhilfe erörtern. Ziel dabei ist es, Lebensbedingungen (und somit Rahmenbedingungen der stationäre n Einrichtungen) für Jugendliche mit einer Borderline- Persönlichkeitsstörung zu erarbeiten, die zu einer bestmöglichen Entwicklung beitragen. Die forschungsleitende Fragestellung setzt sich deshalb aus zwei Teilfragen zusammen: Welche Lebensbedingungen brauchen Jugendliche mit einer Borderline- Persönlichkeitsstörung in der Jugendhilfe, um sich gut entwickeln zu können? Wie wird diesen in den unterschiedlichen stationären Betreuungssettings entsprochen? 1.2 Vorgehensweise Die Arbeit ist in drei Teile untergliedert. 1 Zu kritisieren ist in dieser Studie die geringe Untersuchungszahl von 37 Kindern (vgl. Adam/BreithauptPeters 2010, S.114). 2 Im ersten Teil werden die Grundlagen behandelt. Zunächst wird die Borderline-Störung im Jugendalter aus psychiatrischer Sichtweise betrachtet: Die Diagnostik, Ätiologie, neurobiologische Befunde, sowie Prävalenz, Komborbidität und Verlauf werden darin geschildert. Anschließend erfolgt eine sozialpädagogische Betrachtung dieser psychisc he n Störung, welche die Erläuterungen zur Eingliederungshilfe, eine sozialpädagogis c he Diagnose und ein daran ansetzendes Fallbeispiel enthält Als Nächstes erfolgt die Darstellung der rechtlichen Grundlagen und Ziele der Jugendhilfe, sowie ihre unterschiedlic he n Betreuungsformen. Statistische Daten zur vorzeitigen Beendigung von Jugendhilfemaßnahmen werden erläutert. Das letzte Kapitel im ersten Teil behandelt die Entwicklung im Jugendalter, welche speziell für Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung betrachtet wird. Darin wird zunächst der Begriff der „normalen Entwicklung“ dargestellt. Die drei folgende n Unterkapitel beschreiben die Sozialisation, die Entwicklungsaufgaben und die Bindungsentwicklung im Jugendalter. Der Bezug auf das Störungsbild der BorderlinePersönlichkeitsstörung erfolgt im Anschluss an die Darstellung der Theorien. Der zweite Teil beschreibt die Betreuung von Jugendlichen mit einer BorderlinePersönlichkeitsstörung in der stationären Jugendhilfe. Dazu wird zunächst ein Überblick über drei Betreuungs-Modelle gegeben: das mehrdimensionale Hilfekonzept nach Adam und Peters, die multimodale Betreuung nach Hofmann und die systemisc he n Arbeitsweisen nach Natho. Da keine Studien zu der Betreuung von Jugendlichen mit einer BPS in der Jugendhilfe bestehen, wird eine Annäherung über den aktuellen Forschungssta nd zu den Wirkfaktoren in der Jugendhilfe, sowie den Schutzfaktoren in der Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen vorgenommen. Auf diesen Erkenntnissen und dem ersten Kapitel aufbauend erfolgt die Ausarbeitung günstiger Entwicklungsbedingunge n für Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitstörung in der stationären Jugendhilfe. Im Anschluss an eine kompakte Darstellung dieser werden sieben Kategorien abgeleite t, welche die wesentlichen Entwicklungsbedingungen zusammenfassen und so auf Konzeptionen von Praxiseinrichtungen angewandt werden können. Im dritten Teil erfolgt der Blick in die Praxis der stationären Jugendhilfe. Drei Betreuungssettings, die Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung begleite n, sollen hinsichtlich ihrer Geeignetheit hierfür untersucht werden. Dabei handelt es sich um 3 die sozialtherapeutische Wohngruppe Nehren der Martin Bonhoeffer Häuser, um die therapeutische Wohngruppe Cramergasse des STEP e.V. und um Gastfamilien von JuMeGa. Dazu erfolgt die Darstellung der für den Vergleich relevanten Inhalte der Konzeptionen, sowie ihre Beurteilung hinsichtlich der zuvor gebildeten Kategorien. Im Anschluss daran erfolgen die Zusammenfassung und der Vergleich dieser Bewertung, welcher mit der Formulierung von Hypothesen über stationäre Jugendhilfesettings für Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung abschließt. Das daran anschließe nde Fazit fasst die gewonnenen Erkenntnisse zusammen. 2. Jugendliche mit einer Borderline- Persönlichkeitsstörung 2.1 Psychiatrische Sichtweise In diesem Kapitel werden die Grundlagen der BPS bei Jugendlichen aus der psychiatrischen Sichtweise herausgearbeitet. Dazu gehört die Diagnose dieser Störung nach der ICD, sowie die Diskussion über die Vertretbarkeit einer Diagnostik im Jugendalter. Daran anschließend wird ein kurzer Überblick über die Ätiologie, Neurobiologie, die Prävalenz, die Komorbidität und der Verlauf der BPS im Jugendalter gegeben. 2.1.1 Die Borderline-Persönlichkeitsstörung: Begriffsbeschreibung und Diagnostik Der englische Begriff „Borderline“ bedeutet übersetzt „an einer Grenze“ (Subjektiv) (vgl. Langenscheidt o.J.). Er entstammt ursprünglich einem Konzept der Psychoanalyse, mit welchem Krankheitsbilder von Patienten beschrieben wurden, die sich im Grenzbere ic h zwischen Psychose und Neurose befinden (vgl. Fleischhaker/Schulz 2010, S.4). Lange Zeit galt das Störungsbild der BPS als schwer therapierbar, ihre Diagnostik orientierte sich an der Zugehörigkeit zu den großen Therapieschulen (vgl. Bohus/Schmahl 2006, S.206). Aufgr und zahlreicher neurobiologischer Untersuchungen wird heutzutage ein biosoziales Konzept der BPS favorisiert, dessen Leitsymptom Schwierigkeiten in der Affektregulation ist (vgl. Herpertz 2011a, S.9). Die BPS ist eine psychische Störung, die den Persönlichkeitsstörunge n zugeordnet ist. Ihre Diagnostik erfolgt anhand der beiden aktuell geltenden internationa le n Klassifikations- und Diagnosesysteme: der ICD 10 (International Statistical Classificatio n of Diseases and Related Health Problems) und dem DSM IV 4 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorder). Die inhaltlichen Kriterien einer BPS (301.83, Achse II) des DSM IV und jene der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung des Borderline- Typus (F60.31) der ICD 10 sind inhaltlich weitestgehend identisch (vgl. Davidson u.a. 2007, S.469). Ziel einer psychiatrischen Diagnose ist es, eine psychische Störung anhand von einheitlic he n Kriterien möglichst detailliert zu beschreiben und dadurch ein therapeutisches Handeln ableiten zu können. In Deutschland wird per Gesetzgebung (SGB V, KJHG) eine Orientierung an der ICD10 vorgeschrieben (vgl. Goldbeck u.a. 2004, S.259). Kapitel fünf der ICD-10 beschreibt psychische Störungen und Verhaltensstörungen. Persönlichkeitsstörungen, zu denen auch der Borderline-Typ Dazu gehören (F60.31) als eine Unterkategorie der Emotional Instabilen Persönlichkeitsstörung (F60.3) gehört. Diese Einordnung bedingt, dass zunächst allgemeine Merkmale einer Persönlichkeitsstörung und solche der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vorliegen müssen, um im Weiteren durch die für den Borderline-Typ Persönlichkeitsstörungen stellen ein spezifischen Kriterien Muster überdauernden von ergänzt zu werden. Erlebens- und Verhaltensweisen (von der Kindheit/ Adoleszenz bis ins Erwachsenenalter) dar, die von der Norm abweichen und insbesondere in den Bereichen der Wahrnehmung, Kognition, der Affektivität und der Beziehungsgestaltung deutlich werden. Damit verbunden ist ein subjektiver Leidensdruck und Beeinträchtigungen in der sozialen Leistungsfähigkeit. Die Ursache der Abweichung darf zudem nicht auf eine Gehirnverletzung oder einer andere psychische Störung zurückzuführen sein (vgl. DIMDI 2016, S.210). Die emotional instabile Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch impulsive Verhaltensweisen, welche unbedacht ihrer möglichen Konsequenzen gezeigt werden und einhergehen mit Stimmungsschwankungen launischer Art. Weiter aufgeführt ist die Tendenz zu emotiona le n Ausbrüchen und streitsüchtigen Verhalten, die häufig als Reaktion auf einer Begrenzung einer impulsiven Handlung gezeigt wird, sowie eine Unfähigkeit die eigene Impulsivitä t einzugrenzen (ebd., S.211). Der Borderline- Typus zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: • „… Störungen des Selbstbildes, der Ziele und der inneren Präferenzen • … ein chronisches Gefühl der Leere • … intensive aber unbeständige Beziehungen • … eine Neigung zu destruktivem Verhalten mit parasuizidalen Verhaltensweisen und Suizidversuchen“ (DIMDI 2016, S.211). 5 Die ICD 10 selbst benennt keine Altersvorgabe für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung. In manchen Fällen, überwiegend bei Jugendlichen über 14 Jahren, wird eine Verdachts-Diagnose auf eine Persönlichkeitsstörung oder Persönlichkeitsentwicklungsstörung gestellt (vgl. Breithaupt-Peter/Dufner 2012, S.371). Häufig kritisiert wird das operationalisierten Vorgehen der Klassifikationsmanuale ICD 10 und DSM IV in der Diagnose von psychischen Krankheiten, welches die einzelne n Symptome unbeachtet des Kontextes zu einer Diagnose zusammengefasst. Eine Berücksichtigung des subjektiven Erlebens, sowie psychischer und biografischer Aspekte erfolgt nicht (vgl. Jäger u.a. 2008, S293). Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung birgt auch die Gefahr der Etikettierung von relati dauerhaften Persönlichkeitsstrukturen, für welche wenig Aussicht auf Veränderung und Entwicklung bestehen (vgl. Adam/BreithauptPeters, S.49). 2.1.2 Diagnostik im Jugendalter Sowohl die ICD-10, als auch das DSM V setzen den Beginn einer BPS im Kindes oder Jugendalter fest (vgl. DIMDI 2016, S.211; Falkai/Wittchen 2015, S.908). Dennoch galt im wissenschaftlichen Diskurs eine Diagnosestellung im Jugendalter lange als umstritte n, häufig wurde diese erst ab dem 16. oder 17. Lebensjahr als sinnvoll erachtet. Besonderes in der Praxis besteht diese Einstellung zur Diagnose im Jugendalter weiterhin. Kaess und Brunner fassen als Gründe hierfür drei Vorbehalte zusammen: • Jugendliche in Adoleszenz-Krisen können ähnliche Merkmale wie solche einer BPS zeigen (z.B. Stimmungsschwankungen und selbstschädigendes Verhalten) (vgl. Brunner/Resch 2008, S.135) und diese im Entwicklungsfortschritt wieder ablegen, weshalb eine Diagnose zu diesem Zeitpunkt als schwierig und wenig valide angesehen wird (vgl. Kaess/Brunner 2016, S10). • Zudem entwickelt sich im Laufe des Kindes- und Jugendalters die Persönlichke it kontinuierlich und ist nicht stabil. Deshalb kann auch nicht von der Stabilität einer Persönlichkeitsstörung, bei deren Diagnose, ausgegangen werden. • Menschen mit einer BPS werden nach wie vor (auch im Helfersystem) als schwierig und schwer therapierbar angesehen. Eine Diagnose stellt somit immer auch eine Stigmatisierung dar – eine spätere Diagnostik verhindert oder verspätet diese Stigmatisierung (vgl. Kaess/Brunner 2016, S.11). 6 In den letzten Jahren gab es vermehrt auch empirische Untersuchungen zur BPS bei Jugendlichen, deren Ergebnisse Kaess und Brunner als Indizien für eine frühzeitige Behandlung und Diagnose aufführen. Demnach ist die Persönlichkeit in allen Lebensphasen ein veränderbares Konstrukt und die BPS stellt bereits im Jugendalter eine schwere Erkrankung mit Einschränkungen in psychosozialen Bereichen dar. Wirksamkeitsnachwe ise von Therapien, sowie eine Langzeituntersuchung liefern Hinweise darauf, dass die BPS behandelbar ist und durch Frühintervention Folgeschäden dieser Persönlichkeitsstör ung gemindert werden können (vgl. Kaess/Brunner 2016, S.13). Inzwischen ist die Vergabe einer Diagnose der BPS im Jugendalter in einigen Behandlungsrichtlinien empfohlen (vgl. Fleischhaker/Schulz 2016, S.10) und im DSM V bei andauerndem und situationsübergreifendem Vorliegen der Kriterien möglich (vgl. Falkai/Wittchen 2015), S.887). Dem entgegengesetzt gibt es sehr heterogene Studienergebnisse zur frühzeitige n Diagnostik, sowie Empfehlungen für eine zurückhaltende Diagnosevergabe im Jugendalte r (vgl. Fleischhaker/Schulz 2010, S.31) und eine weiterbestehende Skepsis in der PsychiatriePraxis (vgl. Armburst/Link 2016, S.103). Ein Konsens unter Borderline fachkundigen Psychologen scheint sich bei 16 Jahren einzupendeln (ebd.). 2.1.3 Ätiologie und Neurobiologie Die Komplexität und Heterogenität der BPS ergibt sich aus der individuellen Ausprägung und Komorbiditäten (vgl. Herpertz 2011b, S.75). Heutzutage wird ein multifaktorielle s Ätiologie-Modell favorisiert, welches der Entstehung ein Zusammenspiel aus biologische n, psychologischen und sozialen Faktoren zugrunde legt. Untersuchungen konnten zeigen, dass traumatische Erfahrungen, insbesondere in der Kindheit, bei der Entwicklung einer Persönlichkeitsstörung eine Rolle spielen (vgl. Fleischhaker/Schulz 2010, S.22; StreekFischer/Freyberger 2009, S.401). Ebenso wurden Hinweise auf eine Bedingung zwischen der Schwere der BPS-Sympotmatik und dem Ausmaß der Traumatisier ung festgestellt (vgl. Fleischkaker/Schulz 2010, S.22). Die genetische Forschung beschreibt, dass einige Persönlichkeitsmerkmale der Borderline-Persönlichkeit eine genetische Basis besitzen (ebd. S.23). Ebenso werden neurologische Veränderungen, beispielsweise im Bereich der Wahrnehmung, als Risikofaktor gesehen und unter Umständen als Folgen gestörter Beziehungen zur Mutter definiert (vgl. Streek-Fischer/Freyberger 2009, S.402). Grundlagenforschungen, welche sich auf Jugendliche mit einer BPS beziehen, gibt es nur einige wenige: Eine Studie von Krause-Utz et. al. zeigt bereits bei Jugendlichen mit einer 7 BPS strukturelle und funktionale Veränderungen in frontlimbischen Netzwerken (dazu gehören auch die Amygdala und der Hippocampus), die die Emotionsverarbeitung steuern und an präfrontalen Gehirnarealen, welchen Regulationsprozesse zugrunde liegen (vgl. Krause-Utz u.a. 2014, S.1). Eine Heidelberger Studie fand heraus, dass bei schlechter Stimmung die Aufmerksamkeit zunehmend nur auf negative Reize gelegt wird (vgl. Ceumern-Lindenstjerna von u.a. 2010, S. 30). Untersuchungen bei Erwachsenen mit BPS liegen zahlreich vor und beschreiben neuronale Veränderungen. Beispielsweise sind die Hirnbereiche für die primäre Affektkontrolle bei einer BPS verändert, weshalb Menschen mit einer BPS schneller emotional, sowie undifferenzierter reagieren und Schwierigkeite n haben, negative emotionale Reize zu unterdrücken (vgl. Herpertz 2011b, S.85). Impulsivitä t und Aggressionen sind zurückzuführen auf Dysfunktionen im System der Neurotransmitte r Serotonin und Dopamin (vgl. Koenigsberger/Siever 2011, S.91). Neuronale Veränderunge n stehen auch im Zusammenhang mit der Informationsauswahl- und -aktivierung, sowie einer geringeren Schmerzwahrnehmung (vgl. Fleischhaker/Schulz 2011, S.25f.; Herpertz 2011a, S.12). 2.1.4 Prävalenz, Komorbidität und Verlauf Für Jugendliche mit einer BPS liegen kaum epidemiologische Untersuchungen vor, damit im Zusammenhang steht sicherlich die umstrittene Haltung zur Diagnostik im Jugendalte r. Generell wird die Prävalenz für Jugendliche zwischen 3-18% angegeben, die Schwankunge n zeigen die Schwierigkeiten in der Vergabe der Diagnose im Jugendalter (vgl. Fleischhaker/Schulz 2010, S.11f.). Nach Bohus und Lieb gehört die BPS in psychiatrisc he n Kliniken zu der zweithäufigsten Aufnahmediagnose (Sekundärdiagnose mit einbezoge n), mit einem Prozentsatz von 15 Prozent aller Klienten. Bereits zu Beginn der Adoleszenz sind viele Merkmale einer BPS erkennbar, durchschnittlich findet eine stationäre Behandlung jedoch im Alter von 24 Jahren statt (vgl. Bohus/Lieb 2006, S.235). Die bei Jugendlichen mit einer BPS am häufigsten komorbiden Diagnosen sind „depressive Störungen, Essstörunge n, dissoziative und posttraumatische (Feenstra u.a. 2012 in Störungen sowie Substanzmissbrauchsstörunge n“ Brunner/Resch 2016, S.23). Über den Verlauf der BPS bei Jugendlichen kann keine valide Prognose gemacht werden, es existieren kaum Studien hierüber. Erste Hinweise sprechen aber dafür, dass für die Entwicklung bessere Aussagen gemacht werden können, als bisher vermutet und diese Störung nicht lebenslänglic h 8 vorliegen muss (vgl. Fleischhaker/Schulz 2010, S.92). Störungsspezifisc he n Behandlungsansätzen werden bessere Ergebnisse zugeschrieben als unspezialisierte n, insbesondere für die dialektische behaviorale Therapie nach Linehan konnte eine Wirksamkeit nachgewiesen werden (vgl. Bohus/ Kröger 2011, S.19f.). Zusammenfassung: Abschließend ist festzustellen, dass das Bild einer BPS sehr heterogen ist. Mit der Klassifizierung nach der ICD 10 kann das Vorliegen dieser Störung zwar postuliert werden, dennoch lässt es wenige Aussagen bezüglich der Schwere und Ausprägung der Symptome zu. Gleichzeitig ist die Diagnostik im Jugendalter nach wie vor umstritten, in der Praxis scheinen Verdachts-Diagnosen häufig ab dem Alter von 16 Jahren vergeben zu werden. Die Entstehung der BPS ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig, dazu gehören biologische, psychologische und soziale Bedingungen. Miteinher gehen Veränderungen im neuronalen Bereich, die auch schon im Jugendalter zu finden sind. Daten zur Prävalenz, Komorbidität und dem Verlauf geben Hinweise darauf, dass die BPS bereits im Jugendalter erkennbar, häufig mit weiteren Symptomen verbunden und bei einer Therapie behandelbar ist. 2.2 Sozialpädagogische Sichtweise Psychische Störungen können auch als Folge und Ausdruck ungünstiger Lebensumstä nde aufgefasst werden. Ziel der Jugendhilfe ist es, Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Teilhabe am Gesellschaftsleben zu unterstützen. (vgl. Schrapper 2004, S.204f.). Aus diesem Grund wird der psychiatrischen Sichtweise der BPS in diesem Kapitel eine sozialpädagogische Sichtweise und zur Veranschaulichung ein Fallbeispiel gegenübergestellt. Da Jugendliche mit psychischen Störungen häufig über die Eingliederungshilfe betreut werden und diese eine psychiatrische und sozialpädagogis c he Diagnose voraussetzt, erfolgt vorab die Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingunge n dieser. 2.2.1 Eingliederungshilfe für Jugendliche mit einer Borderline -Persönlichkeitsstörung Mit der Verschiebung der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit einer (drohenden) seelischen Behinderung in die Jugendhilfe sollten Abgrenzungsproble me aufgehoben werden (vgl. Wiesner 2004b, S.179). Leistungen können sich dadurch sowohl 9 an dem erzieherischen Bedarf und dem Wohl des Kindes (§ § 1,2 SGB VIII), als auch an behinderungsbedingten Bedarfen orientieren (§ 35a Abs. 4 SGB VIII). Anspruchsberechtigung auf Eingliederungshilfe ist nach §35a SGB VIII 2 das Kind oder der Jugendliche selbst, wenn eine seelische Behinderung droht oder vorliegt (vgl. Beck 2016, S.252). Dieser Behinderungsbegriff wird im SGB IX definiert und gliedert sich in zwei Aspekte. Die seelische Gesundheit muss eine Abweichung von über sechs Monate gegenüber einem alterstypischen Zustand, mit hoher Wahrscheinlichkeit, aufweisen. Für diese Feststellung ist eine ärztliche Diagnose an der ICD-10 orientiert, erforderlich. Weiter muss daraus eine Beeinträchtigung (oder eine zu erwartende Beeinträchtigung) in der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben resultieren (beispielsweise in der Schule, PeerGroups) (vgl. Wiesner 2004b, S.180f.). Diese Einschätzung wird von einer Fachkraft der Jugendhilfe übernommen (vgl. Beck 2016, S.252) und kann bei psychischen Einschränkungen positiv ausfallen, hierbei spielen situative und Entwicklungsaspekte eine wichtige Rolle (vgl. Wiener 2004b, S.181). In der Rechtsnorm §36 SGB VIII zur Hilfeplanung ist die Entscheidung für eine Hilfeform in der Zusammenarbeit mehrerer Fachkräfte zu treffen (Abs. 2), im Falle einer Hilfe nach §35a ist der stellungsnehme nde Facharzt zu beteiligen. Demnach kann die Hilfe in ambulanter, teilstationärer und stationärer Form (Pflegeeltern, sonstige Wohnformen) erbracht werden und muss auf den Bedarf des Einzelfalles abgestimmt werden (§53a SGB VIII Abs.2). Ihre Aufgaben und Ziele sind im SGB IX festgehalten, hierzu gehört es, Beeinträchtigungen zu mildern oder verhinde r n, sowie die Teilhabe im Beruf und sonstigen Tätigkeiten zu ermöglichen (§53 SGB VII). Absatz 4 des §35 SGB VIII beschreibt die Kombinationsmöglichkeit von Hilfen zur Erziehung und einer Eingliederungshilfe, wobei in einem solchen Falle jene Hilfeformen in Anspruch genommen werden sollen, die sowohl den erzieherischen Bedarf, als auch die Aufgaben der Eingliederungshilfe abdecken können (§35a SGB VIII Absatz 4). Nach § 5 SGB VIII ist dem Wunsch und Wahlrecht der Eltern (in dem Fall des Kindes/Jugendliche n) zu entsprechen. 2 Die Einführung des §35a wird vielfach kritisiert: einige halten eine Ausweitung dieser Rechtsnorm auch für Kinder und Jugendliche mit anderen Behinderungen für notwendig, die anderen bemängeln einen Stigmatisierungseffekt, eine Defizitorientierung und einen Spezialisierungsdruck der Einrichtungen (vgl. Schrapper 2004, S.203). 10 2.2.2 Sozialpädagogische Diagnose Im Rahmen der Hilfeplanung nach §36 SGB VIII kommt der sozialpädagogischen Diagnose eine zentrale Bedeutung zu (vgl. Ader/Schrapper 2004, S.85). Eine präzise Diagnose im Aushandlungsprozess mit dem Jugendlichen, den Eltern und mehreren Fachkräften führt schließlich zu der Beurteilung über einen Leistungsanspruch und die Geeignetheit und Notwendigkeit einer Hilfeform (§27 SGB VIII). Sie beinhaltet die systematische Sammlung, Analyse und Bewertung von Informationen (ebd., S.95f.) Ader formuliert hierfür drei Zugänge und wahrt dadurch eine Perspektivenvielfalt: • Aus verschiedenen Quellen werden Daten über die Lebenssituation, die Biographie und das Umfeld des Klienten herangezogen. Dazu gehören Eckdaten zur Person, die soziale und materielle Situation, bedeutsame Ereignisse, persönliche und auf das Umfeld bezogene Ressourcen und Beeinträchtigungen, sowie die Einschätzung und Erwartunge n aller Beteiligten (vgl. Ader 2006, S.240f.). • Ein weiterer Zugang erfolgt über die Selbstaussagen der Klienten zu den gesamme lte n Informationen, sowie ihre Erzählungen zu Lebensereignissen, Bezugspersonen und Problemeinschätzungen. Dieser Perspektivwechsel ermöglicht es Strategien der Lebensbewältigung kontextbezogen zu erfassen (vgl. Ader 2006, S.241). • Der dritte Zugang zur sozialpädagogischen Fallanalyse erfordert eine „Selbstreflexion des Hilfesystems“. Die kritische Reflexion, aufbauend auf der durchgeführte n Informationssammlung, bezieht sich auf vorangegangene Maßnahmen, ihre Abbrüche und Übergänge, sowie auf Kooperationen und Konflikte im Helfersystem und gestellte Diagnosen oder Hypothesen (vgl. Ader 2006, S.240f.). Entwicklungsauffälligkeiten, abweichendes Verhalten und seelische Störungen sind in diesem Prozess aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Sie können eine Anpassungsleistung, Folge einer gescheiterten Entwicklungsaufgabe oder fehlender Entwicklungschancen und eine Bewältigungsstrategie darstellen (vgl. Köckeritz 2004, S.68). Ist die Erfüllung von Grundbedürfnissen unterschiedliche Faktoren (biologische/ Individuum als angstauslösend über einen gewissen soziale) verhindert, wahrgenommen Zeitraum durch kann die Umwelt vom werden. Dies wiederum führt zur Herausbildung von Wahrnehmungs- und Handlungsweisen die eine Ausblendung der angstauslösenden Umwelt ermöglichen - es kommt zur Verzerrung von Wahrnehmung, Einschätzungen und einer mangelnden Impulskontrolle (vgl. Grawe in Köckeritz 2004, 11 S.68). Ungewöhnliches Verhalten stellt in diesem Falle ein Anpassungsverhalten dar. Gleichzeitig werden die individuellen Erlebens- und Verhaltensweisen von Mitmensc he n und Institutionen gedeutet und bewertet und damit von ihnen mitbestimmt. Abweichende s Verhalten zieht häufig eine Etikettierung und Zuschreibung nach sich und führt in der Folge auch dazu, dass weniger Entwicklungschancen zugeteilt werden. Mit der Übernahme der Zuschreibung in das eigene Selbstbild und damit dem weiteren Zeigen abweichender Verhaltensweisen entsteht ein Teufelskreis (vgl. Köckeritz 2004, S.71). Hier entspringe n diese der gescheiterten Bewältigung der Entwicklung und /oder den fehlenden Chancen zur Entwicklung. Entwicklungsauffälligkeiten können weiter auch gedeutet werden als eine Antwort auf persönliche Defizite und wenige Wahlmöglichkeiten. Bewältigungsversuche für sich widersprechende Sie stellen also Anforderungen, schwier ige Zukunftschancen, belastende Erfahrungen oder Lebenslagen dar (ebd. S.71f.). Ziel der Sozialpädagogik ist es an diesen inneren Motiven anzuknüpfen und alternative Lern- und Bildungserfahrungen zu ermöglichen (vgl. Ader 2004, S.443). Zusammenfassend wird Verhalten erst mit der Beurteilung durch Institutionen „abweichend“ oder „verwahrlos t“. Diesem geht häufig eine Leidensgeschichte voraus und dies ist mit fehlenden Ressourcen verbunden (vgl. Trede 2014, S.32). Deutlich wird dadurch, dass es nicht Teil einer sozialpädagogischen Diagnose ist, ein Verhalten als normabweichend oder defizitär zu beurteilen (vgl. Ader/Schrapper, 2004, S.91f.). Die Jugendhilfe zielt vielmehr darauf ab, zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen und den Vorstellungen der Jugendlichen zu vermitteln (vgl. Uhlendorff 1999, S.132) und begleitet Menschen in schwierige n Lebenslagen, greift dort ein wo diese mit der Alltagsbewältigung überfordert sind (vgl. Uhlendorff 1999, S. 130f.). Auch die sozialpädagogische Diagnose birgt eine Fülle von Risiken: sie kann stigmatisiere nd sein, gesellschaftliche Problemlagen pädagogisieren und wesentliche Aspekte eines Falles, sowie Machtverhältnisse nicht erkennen (vgl. Harnach-Beck 2004, S.123). Dennoch ist sie als „rechtlich-administrativer Prozess“ für die Entscheidung über eine Leistungsberechtigung (Hilfen zur Erziehung/ Eingliederungshilfe) wichtig (vgl. Uhlendor ff 1997, S.69). 12 2.2.3 Fallbeispiel Die Fallbeschreibung einer Jugendlichen mit BPS stellt exemplarisch dar, wie die Symptome in der interpersonellen Lebensgestaltung vorliegen können. Hierbei wird deutlich, wie die Gestaltung des Lebensumfeldes die Entwicklung beeinflussen kann. Lisa und ihre (Halb-)Geschwister wurden im Alter von 5 Jahren (Alter von Lisa) aufgrund von Verwahrlosung, Vernachlässigung und sexuellen Übergriffen vom Jugendamt in Obhut genommen und neun Monate später von der Familie M. adoptiert. Laut der Teamvorlage des Jugendamtes K. kam es im November 2012 zu einer stationären Aufnahme Lisa’s in die Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm, nachdem Lisa häufiger „Auffälligkeiten“ zeigte und es vermehrt zu Krisen in der Familie kam. Bereits im Vorfeld wurden starke Stimmungsschwankungen, Selbstverletzungen und Ängste vor Verlassen Werden beschrieben. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten bei Lisa eine Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung, sowie den Verdacht auf eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung des Borderline-Typs. Auf Empfehlung der behandelnde n Therapeutin wandten sich die Adoptiveltern an das Jugendamt. Im Rahmen der Hilfeplanung beschrieben die Adoptiveltern, dass Lisa viel Aufmerksamke it einfordern würde und gleichzeitig keine Nähe zulassen könne. Im Umgang mit Gleichaltrigen nehme sie eine Sonderrolle ein und habe es schwer sich einzufügen. Lisa lüge häufig, fühle sich schnell angegriffen und reagiere darauf aggressiv und verbal verletze nd. Sie äußere suizidale Gedanken. Frau und Herr Müller berichteten weiterhin, dass es häufige r zu Konfliktsituationen und Handgreiflichkeiten komme (insbesondere zwischen Lisa und Frau Müller). Außerhalb des Hauses verhalte Lisa sich liebenswert und wisse, was von ihr erwartet werde. Die Konflikte nähmen seit Anfang des Jahres weiterhin zu. Lisa selbst berichtet soziale Kontakte zu haben und am Liebsten zu lesen oder joggen zu gehen. Sie erzählt von einem angespannten Verhältnis zu ihren Adoptiveltern, diese hätten eine permanente Vorwurfshaltung ihr gegenüber und vertrauten ihr nicht mehr. Sie wolle zu ihnen keinen Kontakt mehr, verstehe sich aber mit ihrem Bruder sehr gut. Der ärztlic he n Stellungnahme ist zu entnehmen, dass infolge des Störungsbildes die seelische Gesundheit Lisa’s (länger als sechs Monate) als abweichend vom alterstypischen Zustand eingestuft und eine stationäre Unterbringung empfohlen werde. Das Jugendamt K. leitete die Betreuung in einer therapeutischen stationären Einrichtung ein. Als Gründe für diese Unterbringungsfor m wurden die traumatischen Erfahrungen, die familiären Konflikte, sowie die mit der psychischen Störung verbundenen Beeinträchtigungen benannt. 13 Von März 2013 bis August 2015 wurde Lisa in der Wohngruppe T. betreut, Rechtsgrund la ge ist der § 35a SGB VIII. Die Tischvorlage zum Hilfeplan Ende 2013 beschreibt Lisa’s Entwicklung in der Gruppe. Aus Sicht der Einrichtung entwickelt sich Lisa positiv, Rückschritte sind aber immer wieder erkennbar. Lisa habe sich in der Gruppe eingelebt, ihre Rolle gefunden und zeige soziale Kompetenzen. Sie verhalte sich den Betreuern gegenüber sehr schwankend: sie könne gut im Kontakt sein, um den Kontakt im nächsten Moment abzubrechen. Insbesondere mit einem vor kurzem eingezogenen Jugendlichen gerate sie häufig aneinander und wolle auf keinen Fall länger mit ihm in der Gruppe wohnen. Mit dem Schulbeginn zeige Lisa wieder vermehrt Stimmungsschwankungen, auch ihre Ausgleichsmöglichkeiten könne sie dann nicht so effektiv einsetzen. Generell nehme sie sich in Stress- oder Krisensituationen eine Auszeit, gehe nach draußen oder in ihr Zimmer, höre Musik oder spiele E-Schlagzeug, wodurch es ihr gelänge sich abzureagieren. Lisa sei es immer wieder möglich, sich längere Zeit nicht selbst zu verletzen. Auf die Unterstützung der Betreuer und der Suche nach alternative n Verhaltensweisen könne sie sich bei dem Bedürfnis, sich zu verletzen meistens einlasse n, häufig helfe es ihr zu zeichnen, Schlagzeug zu spielen oder ihre Skill-Box zu nutzen. In einem Fall mussten die Wunden ärztlich versorgt und eine Übernachtung in der KJP organisiert werden. Lisa gehe gerne zur Kinder- und Jugendtherapeutin der Einrichtung, die Gespräche scheinen sie vorwärts zu bringen. Der Kontakt zu den Adoptiveltern sei schwankend, dennoch scheinen ihr die Heimfahrten trotz auftretender Konflikte gut zu tun. Lisa besuche eine Tanzgruppe für Hip-Hop und nehme seit längerem an der Theater-AG der Einrichtung teil. Sie selbst berichtet, dass der Drang sich zu verletzen abgenommen habe, dennoch fällt ihr das Einfordern von Unterstützung schwer. Die Heimfahrten mache sie manchmal gern, manchmal weniger. Bereitwillig gehe sie zur Therapeutin. Laut den Adoptiveltern strenge Lisa sich zu Hause sehr an, sich richtig zu verhalten, es gäbe aber immer wieder schwier ige Situationen. Die monatlichen Treffen mit der Therapeutin seien für Frau M. sehr wertvoll. In der Schule falle Lisa nicht auf, Mathematik bereite ihr jedoch Mühe. Im Fallbeispiel ist erkennbar, dass das stationäre Jugendhilfesetting für die Entwicklung der Jugendlichen mit BPS förderlich sein kann. Dies macht das oben genannte Beispiel zur Verhinderung von selbstverletzendem Verhalten deutlich. Zusammenfassung: In diesem Kapitel wurde dargestellt, dass Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung über die Rechtsnorm §35a SGB VIII in der Jugendhilfe 14 betreut werden können. Die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche schreibt eine psychiatrische und sozialpädagogische Diagnose vor, ihre Beurteilungen sind Voraussetzung für den Leistungsanspruch auf Eingliederungshilfe. Die sozialpädagogische Diagnose unterscheidet sich von der psychiatrischen Diagnose darin, dass sie Verhaltensweisen und seelische Störungen in einem Kontext- und Sinnzusammenhang betrachtet und darauf abzielt Interventionen herauszuarbeiten, die alternative Lern- und Bildungserfahrungen ermöglichen. Die psychiatrische Diagnose wiederum ist Voraussetzung für eine Behandlung. Die beiden Hilfesysteme ergänzen sich somit in ihren Unterstützungsleistungen, weshalb eine Kooperation erforderlich ist. 2.3 Jugendhilfe für Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung Anstelle des Leistungsanspruchs über §35a kann eine Jugendhilfe auch gewährt werden, wenn die Eltern einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nach §27 SGB VIII haben. In diesem Kapitel werden die unterschiedlichen Betreuungssettings in der stationäre n Jugendhilfe kurz beschrieben. Darauf aufbauend folgen statistische Angaben zur vorzeitige n Beendigung von Jugendhilfemaßnahmen. 2.3.1 Die stationäre Jugendhilfe Rechtliche Grundlage der Jugendhilfeangebote stellt §27 SGB VIII dar: demnach haben Personensorgeberechtigte einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe geeignet und notwendig für die Entwicklung des Jugendlichen ist. Die stationäre Jugendhilfe umfasst dabei die Vollzeitpflege nach §33 und die Heimerziehung, sowie sonstige betreute Wohnformen nach §34. Die Vollzeitpflege nach §33 beschreibt die Betreuung in einer fremden Pflegefamilie, einer Verwandten- oder Netzwerkpflegefamilie oder professione lle Pflegestellen wie z.B. Erziehungsstellen (vgl. Trede 2014, S.21f.). In dem Begriff Heimerziehung sind unterschiedliche Betreuungssettings zusammengefasst: die Erziehung in Wohngruppen, in „Intensivstationen“, in (Groß-)familien, dem betreutem Jugendwohne n und den sogenannten „Krisenbetten“ (ebd. S.22f.). In Wohngruppen erfolgt die Betreuung der sechs bis neun Kinder und Jugendlichen durch sozialpädagogische Fachkräfte. Diese wird Tag und Nacht zumeist über den Schichtdienst geleistet. „Intensivstationen“ arbeiten intensiv mit den „Defiziten“ der jungen Menschen, setzen auf eine starke 15 Alltagsstrukturierung und ein therapeutisches Milieu. Ihr Setting kann sowohl dem einer Wohngruppe, als auch dem einer Familie ähneln. Großfamilien beschreiben die Betreuung von einer größeren Gruppe (circa 10 Kinder) durch ein Erzieherpaar, welches mit den Jugendlichen dauerhaft zusammenlebt. Im betreuten Jugendwohnen leben zwei Jugendlic he (oder einer alleine) überwiegend selbstständig in Wohnungen und werden regelmäßig von dem Betreuer aufgesucht. Für obdachlose, abhängige oder sich prostituierende Jugendlic he werden „Krisenbetten“ bereitgestellt (vgl. Trede 2014, S.23). Alle Formen der stationäre n Jugendhilfe dienen als Sozialisationsinstanzen und haben in ihrer Betreuung einige Gemeinsamkeiten: sie stellen Orte dar, die den Jugendlichen Schutz, Geborgenheit und eine Grundversorgung bieten und die Bezugspersonen arrangieren Entwicklung- und Lernmöglichkeiten und unterstützen in der Identitätsentwicklung (vgl. Trede 2014, S.25). 2.3.2 Vorzeitige Beendigung von Eingliederungshilfen Das statistische Bundesamt liefert Daten zur Beendigung von Jugendhilfemaßnahmen. Vorzeitig beendete Eingliederungshilfen in einer Einrichtung über Tag und Nacht beziffer n sich im Jahr 2014 auf 1725. Davon werden viele einseitig durch die Eltern oder den jungen Volljährigen beendet (1021) und einige durch die Einrichtung (468). Im Pflegekinderwe se n belaufen sich die vorzeitigen Beendigungen auf insgesamt 54 Fälle. Davon wurden einige durch die Sorgeberechtigten bewirkt (33) und weniger häufig einseitig durch die Pflegefamilie (11) angestrebt (vgl. Statistisches Bundesamt 2014, S.58). Auf die Beendigung einer stationären Hilfe (vorzeitig oder geplant) folgt in den meisten Fällen keine nachfolgende Hilfe oder eine weitere Jugendhilfe (nach §27 oder §35a) (ebd. S.64). Zusammenfassung: Die hohe Zahl der vorzeitigen Beendigungen in einem Jahr, insbesondere jene durch die Jugendhilfeträger selbst, werfen Fragen auf. Sind die Jugendhilfeeinrichtungen in ihrer pädagogischen Arbeit mit seelisch behinderten Kindern überfordert? unzureichend? Sind die Einrichtungsstrukturen Welche und fachlichen Entwicklungsbedingungen brauchen Kompetenzen solche hierfür Kinder und Jugendlichen? Diese Fragen müssen auch insofern gestellt werden, da häufig eine weitere Unterbringung durch die Jugendhilfe oder Eingliederungshilfe erfolgt. 2.4 Entwicklung im Jugendalter Den aufgeworfenen Fragen wird in der weiteren Ausarbeitung (bezogen auf Jugendliche mit einer BPS) nachgegangen. Hierzu bedarf es zunächst einer Betrachtung der 16 Entwicklungsanforderungen im Jugendalter, sowie eine spezifische Betrachtung der Besonderheiten, die sich für Jugendliche mit BPS ergeben können. Den folgenden Ausführungen liegt ein transaktionales Modell der Entwicklung zugrunde (vgl. Sameroff 1975; Sameroff/Fiese 2000 in Schleiffer 2009, S.59): dieses beschreibt, dass die Entwicklung der Jugendlichen durch Umweltfaktoren, durch Faktoren innerhalb der eigenen Person und durch die Veränderung dieser im Rahmen des Zusammenspiels und der Weiterentwicklung beeinflusst ist. Einflussfaktoren, die zu einer gesunden Entwicklung beitragen (Schutzfaktoren) und solche, die das Risiko für eine pathologische Entwicklung erhöhen (Risikofaktoren), können dabei sowohl biologischer, psychologischer, als auch sozialer Natur sein. Dieses einzigartige Zusammenspiel aus Risiko- und Schutzfakto re n bestimmt die Art und Weise, wie ein Jugendlicher Entwicklungsaufgaben löst und diese interpretiert (vgl. Schleiffer 2009, S.60f.). Dadurch ergeben sich für Jugendlic he unterschiedliche Entwicklungsverläufe. Die Ausführungen dieses Kapitels entsprechen dem beschriebenen Entwicklungs-Modell. Zunächst werden zentrale Entwicklungsprozesse im Jugendalter (die Sozialisation, Bindungsentwicklung) die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und die allgemein erläutert. Daran anknüpfend werden die darin beschriebenen Anforderungen mit den Symptomen einer BPS im Jugendalter in Verbindung gebracht und zusätzliche Herausforderungen herausgearbeitet. Allem voraus geht die kritische Betrachtung der Unterscheidung zwischen „normaler“ und „pathologische r “ Entwicklung. In den nachfolgenden Unterkapiteln wird es häufig um „allgemeine Schwierigkeiten der BPS“ (die auch unterschiedlich ausgeprägt oder gar nicht vorliegen) gehen, da an ihnen angeknüpft zusätzliche Unterstützungsleistungen herausgearbeitet werden sollen. Dabei gilt zu beachten, dass sie keine Defizite darstellen und sich immer aus einem Wechselspie l zwischen Anlage, Kontextfaktoren und einem Verhältnis von Macht und Entwicklungschancen ergeben (siehe Kapitel 2.2.2). Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese jungen Menschen nicht auch über zahlreiche Ressourcen und Kompetenzen verfügen. Diese sind vor allem im Einzelfall zu identifizieren. Aufgrund der großen Heterogenität der BPS und einer schimmernden Symptomvielfalt erheben die folgenden Ausführungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit, dennoch sollen sie einen Überblick über das Wesentlic he geben. 17 2.4.1 Die „normale“ Entwicklung Die Entwicklungspsychologie beschreibt den „Normalfall“ eines Entwicklungsverla ufes und darin zu bewältigende alterstypische Anforderungen. Dazu im Gegensatz steht die Jugendhilfe aber insbesondere auch mit solchen Jugendlichen in Kontakt, bei denen die Entwicklung eben nicht „normal“ verläuft und Abweichungen zeigt (vgl. Köckeritz 2004, S.69). Hier stellt sich die Frage, was als „normal“ und was als „abweichend“ bezeichne t werden kann. Klare Entwicklungsvorgaben und feste Biografieverläufe fehlen in einer Zeit, die durch Pluralisierung, weniger Regulierung und Ausdifferenzierung gekennzeichnet ist. Aufgr und unterschiedlicher Lebensbedingungen können nicht alle Heranwachsenden die Fähigkeite n entwickeln, um ihre eigene gelingende Biografie zu gestalten – unter diesem Druck zeigen sie dann häufig Verhaltensweisen, die als „abweichend“ definiert werden, in Verbindung mit den spezifischen Lebensbedingungen jedoch ihren Sinn erfüllen (vgl. Becker/Koch 1999, S.12f.). Kinder wachsen zunehmend in Kleinstfamilien auf, erleben Trennungen oder Veränderungen der Familienzusammensetzung oder erfahren Armut und Arbeitslosigkeit in einer gleichzeitig luxuriösen Welt. Viele werden mit widersprüchlichen Normen im kulturellen und sozialen Bereichen konfrontiert (vgl. Köttgen 1999, S.91). Somit kann nicht mehr von einer normalen Lebensweise von Jugendlichen ausgegangen werden. Dennoch können unterschiedliche Vorstellungen von Normalität nicht unbedacht anerkannt werden: Herrschaftsverhältnisse und ungleiche Chancen in der Lebensgestaltung spielen häufig eine Rolle (vgl. Koch 1999, S.136). In den Familien und den engeren Bezugssystemen erlernte Normen halten Kinder für allgemeingültig (vgl. Köttgen 1999, S.99). Es bestehen also eine Vielzahl an Entwicklungsverläufen, die als „normal“ und eine Vielzahl, die als „pathologisch“ bezeichnet werden können. Eine solche Unterscheidung ist nur möglic h, wenn normative Vorgaben zu Entwicklungsverläufen bestehen. Eine solche Norm stellt das Erreichen der Entwicklungsziele dar. Insofern ist die Bewertung „normal“ und „abweichend“/ „pathologisch“ erst im Nachhinein möglich, wenn die Erreichung oder NichtErreichung des Entwicklungsziels erkennbar ist (vgl. Schleiffer 2009, S.60). 2.4.2 Sozialisation im Jugendalter Gegenstand der Sozialisationstheorien sind Spannungsverhältnisse zwischen dem Individuum und der Gesellschaft. Zentrale Fragestellungen der Sozialisation erörtern darum, wie Individuen von der Gesellschaft zu sozialen Menschen gemacht und in soziale 18 Strukturen eingebettet werden. Sie betrachten weiter, wie Menschen in dieser Gesellscha ft ihre freie Persönlichkeitsentwicklung und Autonomie entwickeln (vgl. Hurrelmann u.a. 2008, S.14). Hurrelmann entwickelte das „Modell der produktiven Realitätsverarbeitung“ (Hurrelmann 2012a, S.42), in welcher soziologische und psychologische Theorien zusammengeführt wurden, und bezieht dieses auf die Entwicklung Jugendlicher. „Sozialisation [wird] als Prozess der Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen verstanden, die sich aus der produktiven Verarbeitung der inneren und der äußeren Realität ergibt. Die körperlichen und psychischen Dispositionen und Eigenschaften bilden die ‚innere‘ Realität, die Gegebenheiten der sozialen und physischen Umwelt die ‚äußere‘ Realität. Die Realitätsverarbeitung ist ‚produktiv‘, weil ein Mensch sich stets aktiv mit seinem Leben auseinandersetzt und die damit einhergehenden Entwicklungsaufgaben zu bewältigen versucht. Ob die Bewältigung gelingt oder nicht, hängt von den zur Verfügung stehenden personalen und sozialen Ressourcen ab. Durch alle Entwicklungsaufgaben zieht sich die Anforderung, die persönliche Individuation mit der gesellschaftlichen Integration in Einklang zu bringen, um die Ich-Identität zu sichern.“ (Hurrelmann 2012a, S.52) Die Jugendphase ist der erste Zeitpunkt im Leben, in welchem ein Verhältnis zwischen „persönlicher Individuation“ und „sozialer Integration“ hergestellt werden muss (vgl. Hurrelmann 2012b, S.91) Die persönliche Individuation beschreibt die Herausbildung einer unverkennbaren und einzigartigen autonomen Persönlichkeit. Die soziale Integration kann mit der Übernahme von Mitgliedsrollen in der Gesellschaft umschrieben werden (vgl. Hurrelmann/Quenzel 2012, S.33, 36). Die Grundannahmen der Soziologie über die Lebensphase Jugend werden von Hurrelmann in 10 Maximen zusammengefasst: Erste Maxime: Die Persönlichkeitsentwicklung findet in einem Wechselspiel von Anlage und Umwelt statt. Zweite Maxime: Die Sozialisation stellt im Jugendalter eine intensive Phase da, in ihr werden Grundlagen für die weitere Sozialisation entwickelt. Es findet eine „produktive Verarbeitung der inneren und äußeren Realität statt“ (Hurrelmann/Quenzel 2012, S.91), Voraussetzung hierfür ist die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben. Dritte Maxime: Jugendliche formen ihre Persönlichkeit selbst und erlangen schrittwe ise Fähigkeiten zur selbstständigen Lebensgestaltung. 19 Vierte Maxime: Im Jugendalter kann erstmals eine Ich-Identität entwickelt werden, durch die Verbindung von persönlicher Individuation und sozialer Integration. Fünfte Maxime: Können die Individuation und Integration nicht in einem angemessene n Verhältnis integriert werden, werden Entwicklungsaufgaben nicht gelöst und Krisen und ein Entwicklungsdruck sind die Folge. Sechste Maxime: Zu dieser Bewältigung sind personale und soziale Ressourcen nötig. Personale Ressourcen bezeichnen individuelle Fähigkeiten zur Bewältigung, soziale Ressourcen bestehen in Unterstützungshandlungen durch Bezugsgruppen. Siebte Maxime: Sozialisationsinstanzen stellen eine Unterstützung im Entwicklungspro zess dar. Neben der Herkunftsfamilie sind Schulen, Ausbildungseinrichtungen, Gleichaltrige und die Medien bedeutend. Achte Maxime: Die Jugendphase ist eine eigenständige Lebensphase und eng an gesellschaftliche, geschichtliche und wirtschaftliche Bedingungen geknüpft. Neunte Maxime: Aufgrund pluraler Lebensformen, eines schnellen sozialen Wandels und starker ökonomischer Unterschiede sind auch die Lebenswelten der Jugendlichen stark unterschiedlich. Zehnte Maxime: Die Bewältigungsart der Entwicklungsaufgaben ist auch geprägt von der Geschlechterzugehörigkeit. Besser Ausgangschancen haben hier häufig die Mädchen (vgl. Hurrelmann/Quenzel 2012, S.90-100). Hurrelmann beschreibt Entwicklungsaufgaben stärker aus einem Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft heraus. Demnach beschreiben Entwicklungsaufgabe n Erwartungen der Gesellschaft, die darauf bezogen sind welche physische, psychisc he, soziale und wirtschaftliche Weiterentwicklungen zu einer bestimmten Lebensphase angebracht sind. Sie beziehen sich somit auf bestehende Normen und sollen individuell, in einer akzeptierten Art und Weise, umgesetzt werden (vgl. Hurrelmann 2012b, S.95). Hurrelmann kategorisiert die Entwicklungsaufgaben in vier Bereiche: „Qualifiziere n“, „Binden“, „Konsumieren“ und „Partizipieren“. Diese beinhalten sowohl „psychobiologische“ als auch „soziokulturelle Dimensionen“, die zueinander in Beziehung stehen (Hurrlmann/Quenzel 2012, S.28). Die psychobiologische Dimension beschreibt Aspekte der Entwicklungsaufgaben, handlungsfähigen Person beitragen die zur Entwicklung (Individuation). einer autonomen Die soziokulturelle und Dimens io n betrachtet jene Aspekte der Entwicklungsaufgabe, welche zur Übernahme von 20 Mitgliedsrollen in der Gemeinschaft befähigen (Integration) (ebd. S.34). Voraussetzung für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung, sowie die Entwicklung einer Ich-Identität ist ein angemessener Bezug zwischen Individuation und Integration (vgl. Hurrelmann 2012b, S.95; siehe fünfte Maxime). 2.4.3 Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und ihre Sozialisation Auf das „Modell der produktiven Realitätsverarbeitung“ (Hurrelmann 2012a, S.42) bezogen geraten für Jugendliche mit einer BPS insbesondere vier Themengebiete in den Blick: die Realitätsverarbeitung, die Bedeutung von soziokulturellen Faktoren, Sozialisationsinstanze n und Ressourcen, individuelle Lebenswelten und Verhaltensweisen, sowie die Identitätsbildung. Die Realitätsverarbeitung Die Realitätsprüfung ist in der BPS erhalten, dennoch ist sie von Störungen betroffen. Dies kann darin resultieren, dass die Realitätsprüfung nur zu einem Mindestmaß oder zeitweise gar nicht vorliegt und sich in verschiedener Intensität und Qualität in der Wahrnehmung der eigenen Person und der Umwelt wiederspiegelt (vgl. Hofmann 2002, S.148). Menschen mit einer BPS unterscheiden sich in ihrer Art Informationen wahrzunehmen, auf Reize zu reagieren und mit Menschen in Interaktion zu treten von anderen Menschen. Bei ihnen liegen häufig kognitive Verzerrungen vor, die sich auf ihr Selbstbild, ihre Umwelt und ihre Handlungsmöglichkeiten beziehen. Menschen mit einer BPS haben ein negativ gefärbtes Selbstbild („Im Grunde bin ich nicht zu akzeptieren“) und eine widersprüchliche Art zu denken. Gleichzeitig sehen sie ihr Umfeld auch in negativeren Konturen als üblich („die Welt ist gefährlich und böse“) und nehmen negative Reize verstärkt war. Diese beiden kognitiven Überzeugungen Handlungsmöglichkeiten führen weiterhin als eingeschränkt verletzbar“) (Vater u.a. 2011, S.260f.). dazu, dass auch die eigenen erlebt werden („Ich bin machtlos und Ausgehend von diesen Annahmen kann vermutet werden, dass insbesondere die Verarbeitung der inneren Realität (Anlage) und äußeren Realität (Umwelt) für Jugendliche mit einer BPS größere Anforderung darstellt als gewöhnlich (Zweite Maxime). Hier müssen soziale Unterstützungssystem ansetzen, um Verzerrungen in der Wahrnehmung und Kognition aufzudecken und schrittweise auflöse n zu können. 21 Die Bedeutung soziokultureller Faktoren, Sozialisationsinstanzen und Ressourcen Untersuchungen weisen darauf hin, dass soziokulturelle Faktoren die BPS fördern oder hindern: dies bedeutet, dass mit dieser Störung verbundene Symptome wie die Impulsivitä t oder emotionale Instabilität durch soziale Stressoren in der Umwelt beeinflusst werden (vgl. Paris 2011, S.227). In modernen gesellschaftlichen Strukturen fehlen zunehmend stabile Strukturen, der soziale Wandel vollzieht sich schnell und führt zu Instabilitäten in soziale n Gefügen. Diese Instabilitäten gelten als ein Risikofaktor für die Entwicklung oder Chronifizierung einer BPS (vgl. Calliness 2011, S.233). Da die Persönlichkeitsentwicklung in einem Zusammenspiel von Anlage und Umwelt stattfindet (Erste Maxime) gilt es solche umweltbedingten Stressoren zu identifizieren und in Bereichen, in denen dies realisierba r ist, stärkere Strukturen und verlässliche Beziehungen anzubieten. Sozialisationsinstanzen, wie beispielsweise der Familie oder der Peer-Group, kommen in der Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen eine Bindungs- und Unterstützungsfunk tio n zu. Sie bieten die Möglichkeit zum Erwerb sozialer Kompetenzen, einer Statusrolle und Hilfe bei der Bewältigung von Anforderungen (siehe Kapitel 2.4.6), sie stellen soziale Ressourcen dar. Jugendliche stehen zu einigen Sozialisationsinstanzen in einem Abhängigkeitsverhältnis, formal und auf die Beziehung bezogen. Die Systeme und Gruppen nehmen Einfluss auf die Entwicklung der Jugendlichen und arbeiten dabei „anforderungsspezifisch“, sind per Normen verpflichtet und verantwortlich – dieser Aspekt wirkt sich immer auch auf die Beziehungsgestaltung mit den Jugendlichen aus (vgl. Hofmann 2002, S.180). In der asymmetrischen Beziehung zu professionell Tätigen werden früh erworbene Bindungsmuster in Beziehungen wiederholt, die Idealisierung und Entwertung können von den Jugendlichen dabei als „Methoden“ zur Regulierung des NäheDistanz-Verhältnisses eingesetzt werden (vgl. Armbrust/Link 2015, S.56). Dies erfordert eine hohe Reflexivität und Kenntnisse zur und im Umgang mit Jugendlichen mit BPS, um diese Mechanismen zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren. In schwierige n Beziehungen müssen deshalb sowohl Anteile des Jugendlichen, als auch jene der Fachkräfte betrachtet werden (ebd. S.58). Diese Aspekte entsprechen den Maximen sechs bis acht in Hurrelmann’s Modell und müssen im Umgang mit Jugendlichen mit einer BPS beachtet werden: Denn im Entwicklungsprozess muss ein Verhältnis zwischen Individuation und Integration ausgehandelt werden, wozu personale und soziale Ressourcen notwendig sind. Die Entwicklung ist auch an gesellschaftliche und ökonomische Bedingungen geknüpft. 22 Personale Ressourcen sind vor allem im Einzelfall zu finden. Von Freunden werden Jugendliche mit einer BPS auch als sozial kompetent, fürsorglich und begeisterungsfä hig beschrieben (vgl. Armbrust/Link 2015, S.54). Daneben sind zahlreiche andere Eigenschafte n denkbar, wie beispielsweise Kreativität, Humor oder Intelligenz. Individuelle Lebenswelten und Verhaltensweisen Wie bereits in Kapitel 2.2.2 ausgeführt wurde sind Verhaltensweisen und insbesondere Entwicklungsauffälligkeiten in ihrem kontextuellen und subjektiven Sinnzusammenhang zu sehen: sie können eine Anpassungsleistung oder eine Bewältigungsstrategie aufgrund prekärer Lebensumstände darstellen (vgl. Köckeritz 2004, S.68-72). Diese Sichtweise ist wichtig, da Jugendliche ihre Persönlichkeit individuell formen und Unterschiede in deren Lebenswelten, sowie zwischen den Geschlechtern bestehen (Dritte, neunte und zehnte Maxime). Daraus kann geschlossen werden, dass Fachkräfte eine entsprechende Grundhaltung gegenüber Jugendlichen mit psychischen Störungen entwickeln sollten. Die Identitätsbildung Die BPS ist in weiten Teilen auch als eine Identitätsstörung zu verstehen. Personen mit einer BPS haben ein zerbrechliches „Ich-Erleben“, die Verunsicherung bezogen auf die eigene Identität und das Selbstbild sind länger andauernd. Mit den Begriffen „Ich-Erleben“ und „Selbstbild“ wird die Selbstwahrnehmung eines Menschen beschrieben, welches sich aus dem Zusammenspiel von individuellen Erfahrungen und der Umgebung/ zwischenmenschlichen Interaktionen herausbildet (vgl. Armbrust/Link 2015, S.60f.). Damit im Zusammenhang stehen die kognitiven Verzerrungen, die sich auf das Selbstbild, die Umwelt und die eigenen Handlungsmöglichkeiten beziehen (vgl. Vater u.a. 2011, S.260f.). Betroffene beschreiben hier Überzeugungen wie: „Ich bin nicht liebenswert“ oder „Ich habe es nicht verdient, gut behandelt zu werden“ (Armbrust/ Link 2015, S.63). Folgend bestehen Verunsicherungen auch hinsichtlich ideeller Vorstellungen und Werte (sie werden häufig gruppenabhängig übernommen) (ebd. S.62f.), der sexuellen Orientierung, der Interessen, der eigenen Fähigkeiten und moralische und politische Vorstellungen (vgl. Fischer/Kaess 2016, S.44). Viele Menschen mit einer BPS beschreiben einen geringen Selbstwert, welcher sich in „Funktionszuständen“ und einer „inneren Zerrissenheit“ niederschlägt: Unsicherheiten in der Identität werden durch das Zeigen gewünschter Verhaltensweisen zeitweilig kompensiert (Funktionszustände) und das Erleben ist durch plötzliche Stimmungswechse l 23 gekennzeichnet (Innere Zerrissenheit) (vgl. Armbrust/Link 2015, S.31f.). Bei Jugendlic he n mit einer BPS scheint hier ein erhöhtes Potenzial zum Scheitern vorzuliegen. Es ist von der individuellen Ausprägung der Störung und dem Stand der Entwicklung abhängig, wie stark die Verunsicherung in der Identität vorliegt. Unter Rückschluss auf Hurrelmann ist die Ausbildung der Ich-Identität von dem Herstellen eines angemessenen Verhältnisse s zwischen Individuation und Integration abhängig (Vierte Maxime). Können beide Aspekte nicht adäquat ausgebildet werden und werden Entwicklungsaufgaben nicht bewältigt, gelingt die Entwicklung einer Ich-Identität nicht - es kann eine Krise entstehen (Fünfte Maxime). Zusammenfassung: Die Soziologie betont individuelle Faktoren, sowie Umweltfaktoren in der Persönlichkeitsentwicklung und beschreibt das Wechselspiel aus Individuation und Integration als zentrales Element der Ich-Entwicklung. Auf der individuellen Seite wird deutlich, dass Jugendliche mit einer BPS in ihrer Realitätsverarbeitung Verzerrunge n unterliegen und sie Schwierigkeiten in der Ausbildung einer Identität zeigen. Auf Seiten der Umweltfaktoren sind soziokulturelle und strukturelle Aspekte bedeutend, welche die Symptomatik der BPS beeinflussen, ebenso der Einfluss von Sozialisationsinstanzen. Aus diesem Grund sind störungsspezifische Kenntnisse, sowie die Wahrnehmung von Eigenheiten in ihrem jeweiligen Kontext für Fachkräfte wichtig, um Jugendliche mit einer BPS verstehen und fördern zu können. 2.4.4 Entwicklungsaufgaben im Jugendalter Gegenstand der Entwicklungspsychologie ist die Veränderung und Stabilität von menschlichen Verhaltensweisen und Erleben über die gesamte Lebenszeit hinweg. Sie beschreibt diese, um allgemeingültige Verläufe und Bedingungen von Entwicklung identifizieren und Zusammenhänge Vorhersagen getroffen und erklären zu können. Daran ansetzend Unterstützungsmöglichkeiten angebracht können werden (vgl. Grob/Jaschinski 2003, S.1f). Ein Konzept der Entwicklungspsychologie, welches konkrete Anforderungen beschreibt, die im Jugendalter individuell bewältigt werden müssen formulierte Havighurst 1953. Seine Inhalte sind heutzutage nach wie vor relevant. Es beschreibt eine wechselseitige Beeinflussung von Individuum und Umwelt und entspricht damit dem modernen Verständnis der Entwicklungspsychologie (vgl. Grob/Jaschinski 2003, S.32). Im Folgenden werden jene Entwicklungsaufgaben weiter ausgeführt, die auch von weiteren Autoren als relevant erachtet wurden. 24 Havighurst definiert Entwicklungsaufgaben als typische Anforderungen, die ungefähr zu einem bestimmten Lebensabschnitt entstehen und deren erfolgreiche Bewältigung Voraussetzung für spätere Entwicklungsaufgaben ist und zum „Glücklichsein“ verhilft. Kann die Aufgabe nicht bewältigt werden, kann dies in „Unglücklichsein“, gesellschaftlic he r Missbilligung und Schwierigkeiten mit späteren Anforderungen münden (vgl. Havighurs t 1953, S.2). Diese Definition schließt drei Elemente mit ein, aus welchen Entwicklungsaufgaben hervorgehen können: die biologischen Veränderungen des Köpers, kulturelle und gesellschaftliche Erwartungen, sowie individuelle Werte und Ziele (vgl. Havighurst 1953, S.4; Dreher/Dreher 1985, S.56). Als erste Entwicklungsaufgabe beschreibt Havighurtst den Aufbau neuer und reiferer Beziehungen zu Gleichaltrigen beiderseitigen Geschlechts. Dabei kommt der Peer-Group einer besonderen Bedeutung zu, in welcher Jugendliche Erfahrungen austauschen können und sich in der Ablösung vom Elternhaus und der Weiterentwicklung zu einer selbstständigen Persönlichkeit unterstützen können (vgl. Havighurst 1953, S.111). Bei dem Aufbau reiferer Beziehungen geht es darum Mädchen als Frauen und Jungen als Männer anzusehen, gemeinsam zielgerichtet zu arbeiten und die Leitung einer Gruppe zu übernehmen ohne dabei zu dominieren (ebd.). Die Übernahme der Geschlechterrolle beschreibt Havighurst als Aufgabe, eine weiblich oder männlich sozial akzeptierte Rolle zu übernehmen und zu erlernen (ebd. S.115). Die dritte Entwicklungsaufgabe nach Havighurs t beinhaltet zu lernen, den eigenen Körper zu akzeptieren und ihn effektiv zu nutze n. Damit beschreibt er insbesondere eine psychische Verarbeitung der physische n Veränderungen, bei welcher Jugendlichen sich immer wieder miteinander vergleichen, sich einem bestimmten Schönheitsideal angleichen wollen und sich fragen, ob sie normal sind. Anforderungen sind aber auch an einen guten Umgang mit dem Körper und den sexuelle n Tendenzen gestellt (vgl. Havighurst 1953, S.10f.). Mit der Ablösung von den Eltern, sowie anderen Erwachsenen und dem Erlangen einer emotionalen Unabhängigkeit ist eine weitere Entwicklungsaufgabe erfolgreich bewältigt. Dabei geht es um dreierle i Komponenten: Jugendliche sollen sich aus der kindlichen Abhängigkeit zu ihren Eltern befreien und selbstständig werden. Sie sollen eine emotionale Beziehung, in Form der Zuneigung, zu ihren Eltern entwickeln, die frei von Abhängigkeit ist und sie sollen einen respektvollen Umgang zu weiteren Erwachsenen erlernen (vgl. Havighurst 1953, S.123). Die fünfte Entwicklungsaufgabe ist das Erlangen einer ökonomischen Unabhängigkeit (ebd. S.127). Die sechste Entwicklungsaufgabe im Jugendalter beinhaltet die Vorbereitung auf 25 eine berufliche Karriere. Dazu gehört nach Havighurst zunächst die Auswahl eines Berufs, der den eigenen Fähigkeiten und Interessen entspricht und weiter die Vorbereitung auf diesen, durch den Erwerb von Kenntnissen und die Einschlagung des entsprechende n Bildungsweges (vgl. Havighurst 1953, S.128f.). Die Vorbereitung auf Heirat und ein Familienleben ist als siebte Entwicklungsaufgabe genannt: Dabei geht es darum eine positive Einstellung zu einem späteren eigenen Familienleben und Kindern zu gewinnen und relevante Kenntnisse zu erwerben (ebd. S.133f.). Die achte Entwicklungsaufgabe beinhalte t die Entwicklung von intellektuellen Fähigkeiten und zivilen Kompetenzen (ebd. S.136). Als „krönenden“ Abschluss der Adoleszenz sieht Havighurst die Erreichung der letzten beiden Entwicklungsaufgaben: Die neunte Entwicklungsaufgabe beinhaltet das Anstreben und Erreichen eines sozial verantwortlichen Verhaltens. Dies geschieht durch die Teilnahme als verantwortlicher Mensch im Gesellschaftsleben, sowie der Übernahme darin vorherrschender Werte und Normen. Die zehnte zielt darauf, dass Jugendliche eigene Werte und ein ethisches Bewusstsein, welche das eigene Verhalten leiten, erwerben. Werte und Vorstellungen, die zu realisieren sind, sollen ausgebildet und angestrebt werden. Ebenso erfolgt eine Verortung des Individuums in der Welt, im Verhältnis zu den Mitmenschen und zu den eigenen Idealen. Diese sollen in einem harmonischen Verhältnis zusammenspie le n können (vgl. Havighurst 1953, S.147). Dreher und Dreher bewerten diese Entwicklungsaufgaben nach eigener Untersuchung mit Jugendlichen als weiterhin relevant, fügen aber drei weitere Anforderungen hinzu: • Aufnahme und Aufbau intimer Beziehungen • Entwicklung der Identität • Erarbeitung einer Zukunftsperspektive (vgl. Dreher/Dreher 1985, S.64). 3 2.4.5 Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und ihre Entwicklungsaufgaben Im Folgenden Abschnitt werden jene Entwicklungsaufgaben auf die BPS bezogen, für die sich störungsspezifische Besonderheiten ergeben. Die Beziehungsgestaltung von Personen mit einer BPS zeichnet sich durch eine hohe Intensität aus, gleichzeitig wechselt diese zwischen Idealisierung und Entwertung (vgl. Aufgrund verschiedenster gesellschaftlicher Entwicklungen („lebenslanges Lernen, Selbstgestaltung des Lebens, verlängerte Ausbildungszeit und veränderte Familienstrukturen“) haben sich einige Anforderungen inhaltlich verändert (Grob/Jaschinski 2003, S.21) 3 26 Armbrust/Link 2016, S.45). Liegt diese bereits im Jugendalter vor, dürfte die Ausbild ung von reifen Beziehungen zu Gleichaltrigen, sowie die Entwicklung einer neuen Beziehungsqualität zu den Eltern Jugendliche erschwert sein. Die Entwicklung einer Geschlechterrolle, sowie die Akzeptanz des eigenen Körpers stellen weitere bedeutende Entwicklungsaufgaben in der Lebensphase Jugend dar. Mit der Entwicklung einer positive n Körperidentität haben Menschen mit BPS Schwierigkeiten: Ihr negatives Selbstbild überträgt sich hierbei auf die Körperwahrnehmung und verzerrt diese. Betroffene schämen oder ekeln sich für ihren Körper, für zu dick oder zu dünn sein, obwohl ihr Körper in der Realität anders aussieht. Daraus kann ein starkes Stressgefühl entstehen, dass unbewusst und unkontrolliert dissoziative Zustände entstehen lässt und der eigene Körper nicht mehr gespürt wird (z.B. Hungergefühl bleibt aus, Koordinationsstörungen) (vgl. Armbrust/Link 2015, S.61f.). Die Übernahme der Geschlechterrolle könnte insofern eine Herausforder ung darstellen, da Werte und ideelle Vorstellungen stark schwanken. Diese Verunsicherunge n beziehen sich auch auf die sexuelle Orientierung (vgl. Fischer/Kaess 2016, S.44). Aufgr und der fehlenden eigenen Sicherheit werden häufig die Ideale der zugehörigen Gruppe übernommen (vgl. Armbrust/Link 2015, S.62f.) – aus dieser Perspektive kann davon ausgegangen werden, dass Jugendliche vermutlich ihr biologisches Geschlecht anerkennen und die Geschlechtsrolle (Funktionszustände). in der vom Das spannungsreiche Kontext erwarteten Verhältnis zwischen Weise ausfülle n dem Erfüllen der Erwartungen und dem „Wahren[n] Selbst“ (Unsicherheit + andere Bedürfnisse) führt häufig zu einem Zusammenbruch, welcher von psychosomatischen Symptomen begleitet ist (vgl. Armbrust/Link 2015, S.31f.). Das Erlangen einer emotionalen Unabhängigkeit (im Rahmen des Ablösungsprozesses vom Elternhaus) stellt für Jugendliche vermutlich ein schwieriges Unterfangen dar. Denn ein zentrales Symptom der BPS ist die emotionale Instabilität, welche sich häufig auf zwei Arten zeigt: durch Stimmungsschwankungen und Impulsivität (vgl. Armbrust/Link 2015, S.43f.). Stimmungswechsel treten schnell auf, sind für Mitmenschen häufig unerwartet und halten nicht lange an. Häufig stehen dabei negative Gefühle, wie Wut, Trauer oder Angst im Vordergrund (vgl. Kaess/Brunner 2016, S.47). Jugendliche mit einer BPS berichten häufig von risikoreichen Verhaltensweisen und einer verminderten Impulskontrolle. Dies zeigt sich beispielsweise in Essattacken, dem Ausprobieren von Drogen, exzessivem Shopping oder das sich in Gefahrensituationen Begeben (Klettern an hohen Gebäuden, Diebstahl…). Als 27 Intentionen hierfür wird häufig benannt, dadurch negative Emotionen loszuwerden oder betäuben zu wollen (vgl. Fischer/Kaess 2016, S.45). Ein weiteres bedeutendes Symptom der BPS im Jugendalter ist die Selbstverletzung und Suizidalität. Die Jugendlichen fügen sich Selbstverletzungen zu, um Anspannung abzubauen oder negative Emotionen zu beenden. Häufig findet dies in nicht-suizidaler Form durch Ritzen mit Rasierklingen oder Cuttern an unterschiedlichen Körperstellen statt. Andere Formen können Verbrennungen, Schläge oder Kopfstöße gegen die Wand darstellen. Im Anschluss daran berichten sie von Scham- und Schuldgefühlen, sowie einer inneren Leere. Häufig wird auch von Selbstmordandrohungen und in einigen Fällen von tatsächlic he n Suizidversuchen berichtet (ebd. S.46). Die Bewältigung der beiden Entwicklungsaufgaben Vorbereitung auf eine beruflic he Karriere, sowie auf ein zukünftiges Familienleben könnten durch die Instabilität in der Identität (Kapitel 2.4.3) sowie durch die Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehunge n (Kapitel 2.4.9) beeinflusst sein. Die Festlegung auf ein Berufsbild, ohne sich der eigenen Fähigkeiten und Interessen sicher zu sein, sowie eine positive Einstellung zum Familienleben, ohne sich der eigenen Werte und Wunschvorstellungen sicher zu sein, stellt Jugendliche mit einer BPS vor eine doppelte Herausforderung. Die achte bis zehnte Entwicklungsaufgaben beschreiben den Erwerb intellektueller Fähigkeiten und eines eigenen Wertesystems, sowie das Erreichen eines sozial verantwortlichen Verhaltens. Beschreibungen hierzu, die auf die BPS bezogen sind, bestehen in der wissenschaftlic he n Literatur nicht. Forschungen und Ratgeber konzentrieren sich überwiegend auf die zentrale n Aspekte: die emotionale, interaktionale Instabilität und jene in der Identität. Es kann vermutet werden, dass diese Symptome auch auf diese Entwicklungsaufgaben einen eher negativen Einfluss haben: beispielsweise kann das negative Selbstbild hinderlich sein sich neuen Herausforderung zu stellen und dadurch neue Kompetenzen zu erwerben. Kaess und Brunner beschreiben hier lediglich, dass Begabungen und Eigenschaften von Jugendlic he n mit BPS als nicht konstant wahrgenommen werden (vgl. Fischer/Kaess 2016, S.44). Die Teilhabe kann durch die Schwierigkeit Beziehungen zu halten gefährdet sein, ebenso ist die Ausbildung eines ethischen Bewusstseins vor dem Hintergrund der ideellen Verunsicher ung gehemmt. Die letzten Entwicklungsaufgaben stellen Parallelen zu der Individuation und Integration der Sozialisationstheorie dar. Zusammenfassung: Die Symptomatik der BPS kann die Bewältigung der 28 Entwicklungsaufgaben im Jugendalter zusätzlich erschweren. Wie oben ausgeführt kann dies beinahe jede Entwicklungsaufgabe betreffen. Da die Bewältigung eine positive Basis für weitere Anforderungen darstellt und zur günstigen Entwicklung beiträgt, gilt es diese Bedarfslage in der Betreuung von Jugendlichen zu beachten und dem gerecht zu werden. 2.4.6 Bindungsentwicklung im Jugendalter Die Bindungstheorie nimmt an, dass Erfahrungen mit Bezugspersonen im Kindheitsalter in internalen Arbeitsmodellen organisiert werden und relativ stabil vorliegen. Diese interna le n Arbeitsmodelle beeinflussen den Umgang mit Emotionen, das Verhalten und das Zusammenspiel von Emotion und Kognition und werden in der Ausgestaltung von Beziehungen, sowie der Handlungsfähigkeit in herausfordernden Situationen sichtbar (vgl. Zimmermann 1994, S.10). Bowlby bezeichnet Bindung als ein „affektives Band“ (Bowlby 2008,S.23), diese stellt eine überdauernde emotionale Beziehung zu einer Bezugsperson dar, von welcher das Kinder annimmt, Schutz und Unterstützung zu erhalten (vgl. Schleiffer 2009, S.27). Mit Bindung einher geht das „Bindungsverhalten“ in Form von organisierten, vorbestimmte n Verhaltensweisen, welche auf ein anderes Individuum gerichtet werden und darauf zielen, Nähe (und dadurch Schutz) herzustellen. Bowlby geht davon aus, dass in jedem Lebensalter ein Bindungsverhalten vorliegt. Das Muster dieses Verhaltens ist geprägt von den Lebensbedingungen, den bisherigen Bindungserfahrungen, dem Geschlecht und dem Alter (vgl. Bowlby 2008, S.23). Es wird mit fortschreitender Entwicklung in Verhaltenssyste me n organisiert, welche Vorstellungsmodelle von der Umwelt und der eigenen Person beinhalte n (ebd., S.24) und dazu dienen, die Interaktionen mit der Bezugspersonen zu planen, vorherzusagen und zu interpretieren. Die Bindungstheorie spricht hier von interna le n Arbeitsmodellen (vgl. Jungmann/Reichenbach 2011, S.16). Komplementär zum Bindungsverhalten zeigen Bezugspersonen ein Fürsorgeverhalten, mit welchem sie auf die Verhaltensweisen des Kindes reagieren. Ainsworth beschreibt unterschiedliche Qualitäte n von Bindung und internalen Arbeitsmodellen, die sich aus diesem Zusammenspiel ergeben (Ainsworth/Witting 2008, S.143). Während in ängstlich erlebten Situationen das Bindungssystem aktiviert ist (Bowlby 1987, S.24) zeigt das Kind in sicher erlebten Situationen ein Explorationsverhalten und erkundigt die Umwelt (vgl. Jungmann/Reichenbach 2011, S.18). 29 Erstmals untersuchte Bindungsorganisation Zimmermann (= internale im Rahmen Arbeitsmodelle) einer Längsschnittstudie von Jugendlichen. die Bei den 44 Jugendlichen konnte keine Kontinuität in der Bindung zwischen dem zweiten und sechzehnten Lebensjahr festgestellt werden, jedoch ergab sich eine gewisse Stabilitä t zwischen der Bindungsorganisation im zehnten und den internalen Arbeitsmodellen im sechzehnten Jahr (vgl. Zimmermann 1994, S. 138). Dadurch entsteht Hoffnung auf eine Veränderbarkeit und eine Korrigierbarkeit von internalen Arbeitsmodellen, wobei die gewisse Stabilität vom zehnten bis zum sechzehnten diese deutlich einschränke n. SeiffgeKrenke beschreibt im Jugendalter ein „Bindungsloch“ (2004, S.167), in welchem keine konstanten Bindungsmuster vorliegen, und sieht darin die Chance, neue Erfahrunge n zu sammeln und andere Bindungsmuster auszubilden (vgl. Seiffge-Krenke 2004, S.171). Die Bindungstheorie geht von einer gewissen Stabilität der internalen Arbeitsmodelle aus: bei der Aufnahme neuer Beziehungen wird ein ihnen entsprechendes Verhalten gezeigt und eine bestimmte Reaktion der Bezugsperson erwartet, herausgefordert und interpretiert (vgl. Zimmermann 1994, S.20). Es ist davon auszugehen, dass die Bindungsqualität in vielen Bereichen der Entwicklung eine Rolle spielt: so beispielsweise in der psychischen, sozialen und kognitiven Entwicklung, in der Gestaltung von Beziehungen und in der Entwicklung eines Selbstkonzeptes (vgl. Schleiffer 2009, S.51f.). Neben den Auswirkungen von internalen Arbeitsmodellen auf die Entwicklung wird die Bedeutung der Beziehung zu Eltern, Peer-Group und Partnern im Jugendalter beschrieben. Nach Schleiffer gilt es in dieser Entwicklungsphase des Jugendalters, die richtige „Balance zwischen Exploration und Bindung zu bewahren“ (Schleiffer 2009, S.56). Die Familie stellt auch im Jugendalter weiterhin eine zentrale Sozialisationsinstanz dar: sie fungiert als Bezugspunkt für die Identitätsentwicklung, stellt den Lebensmittelpunkt dar und sichert Unterstützungsleistungen. In ihr finden Lernprozesse statt, insbesondere solche zur Beziehungsgestaltung und Interaktion, die von den Jugendlichen interpretiert und auf spätere Beziehungen übertragen werden. Erfahrungen werden hier auch auf indirektem Wege gewonnen: über die Beziehungsgestaltung der Eltern, die Lebensführung in der Familie und durch die Handlungsmöglichkeiten der Familie im sozialen Kontext (vgl. Walper u.a. 2015, S.364; 381). Die Peer-Group kann als weitere Sozialisationsinstanz angesehen werden. Sie erfüllt zweierlei Funktionen: in der Beziehung zu Gleichaltrigen können soziale Kompetenzen (Fähigkeit zur Kooperation, Verständnis und die Anwendung von Regeln und 30 Moral) erlernt werden. Daneben erbringen Peer-Groups eine Unterstützungs- und Bindungsleistung, die eine sichere Basis für Lernerfahrungen und die Bewältigung von aktuellen Anforderungen darstellt. Das Erlangen von Anerkennung und einer Statuspositio n in einer Gemeinschaft ist im Jugendalter in einer Peer-Group verortet (vgl. Schmidt-Dente r 2005, S.130-132). Sexuelle Beziehungen fördern die Autonomie- und Identitätsentwicklung des Jugendlichen. Sexuelle Erfahrungen können ausgelebt und geschlechtsrollenspezifis c he Verhaltensweisen ausprobiert werden. Daneben erfüllen sie ähnliche Funktionen wie die der Peer-Group: sie bieten Bindung, Unterstützung und den Erwerb von sozialen Fähigkeite n, sowie einer Statusposition (ebd. S.134-136). Die Schule oder Ausbildungsstelle stellt einen wichtigen Lebensbereich dar, in welchem der Erwerb von Wissen, einer Arbeitshaltung, einer kognitiven Ausrichtung und die Entwicklung eines Selbstkonzepts, Selbstwert- und Leistungserlebens und der Selbstwirksamkeit stattfindet. Wichtige Voraussetzungen für die Teilhabe am Gesellschaftsleben im Erwachsenenalter werden hier gelegt (vgl. Adam/Breithaupt-Peters 2010, S.191). 2.4.7 Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und ihre Beziehungsgestaltung Jugendliche mit einer BPS berichten häufig von einer hohen Intensität in ihren Beziehunge n zu Bezugspersonen (vgl. Fischer/Kaess 2016, S.42). Häufig erfolgt in diesen ein Wechsel zwischen Idealisierung und Entwertung durch den Jugendlichen, sie dienen als Methode um das Nähe-Distanz-Verhältnis zu regulieren (vgl. Armbrust/Link 2015, S.45-47). Nachvollziehbar fasst Hofmann diesen Umstand auf: „Einerseits fällt eine ängstliche Suche nach Nähe, Bestätigung, Schutz und Halt auf, andererseits dominiert eine massive Angst vor Nähe, Enttäuschung, vor dem Gefühl, abgelehnt und zurückgestoßen zu werden“ (2002, S.33). Jugendliche erzählen von häufigen On-Off-Beziehungen, davon sich schnell (auch sexuell) auf Menschen einzulassen, die sie erst kürzlich kennengelernt haben. Oft sind auch Abhängigkeiten in Beziehungen zu finden, welche Missbrauchserfahrungen begünstige n und zu einem Teufelskreis aus weiterer Traumatisierung und negativem Selbstbild führen (vgl. Fischer/Kaess 2016, S.42f.). Junge Borderline-Patienten berichten davon, dass sie andauernd unter einem inneren Leere-Gefühl leiden, das im ganzen Körper spürbar ist und zu einem starken Anspannungszustand führt, welcher über selbstverletzendes Verhalten vorübergehend beendet werden kann (ebd., S.47). Durch Kontaktherstellung wird das Leeregefühl verdrängt, weshalb die Nähe zu einer anderen Person angestrebt wird. Dies kann 31 auf dysfunktionale, manipulative und dramatische Weise oder auch auf offene und konstruktive Art geschehen (vgl. Armbrust/Link 2015, S.46). Eine solche facettenreic he Beziehungsgestaltung zeigt sich in allen Lebensbereichen: in der Familie oder Partnerschaft, bei Freunden, bei Alltagsbekanntschaften und bei Fachkräften (ebd. S.50-60). Als Gründe hierfür sind auch Schwierigkeiten in der sozialen Wahrnehmung und der Objektkonstanz aufzuführen: Betroffene sind sensibler gegenüber den Emotionen anderer Menschen und erkennen diese besser, beziehen sie jedoch direkt auf sich. Zudem können sie nicht zwische n Kritik am Verhalten und Kritik an der eigenen Person unterscheiden. Jugendliche mit BPS haben Schwierigkeiten eine Beziehung, bei Abwesenheit der Bezugsperson, zu verinnerlichen und als real wahrzunehmen, sie zeigen eine Verunsicherung darüber, ob die Beziehung weiterhin besteht (Objektkonstanz) (ebd., S.48f.). Auffallend ist auch eine „borderlinetypische Hypersensibilität“, eine Fähigkeit die emotionale Verfassung und „Schwächen“ von Bezugspersonen innerhalb kürzester Zeit zu erfassen. Jugendlic he prüfen und testen die Bindungsangebote, ob sie gehalten werden und erfahren durch ihr Verhalten häufig, dass dies eben nicht der Fall ist und zu einer Überzeugung des nicht liebenswert seins führt (vgl. Hofmann 2002, S.182f.). Diese ausführlichen Erläuterungen beschreiben Motive für das Verhalten der Jugendlic he n ihren Mitmenschen gegenüber und erklären, wieso die Beziehungsgestaltung für Personen mit BPS eine Herausforderung darstellt. Diese besteht in allen Beziehungen und ist hinsichtlich vieler Bereiche problematisch. Die Integration in die Gesellschaft und in Gruppen kann erschwert sein, was damit einhergehen könnte, nicht vollständig von der Funktion der Sozialisationsleistungen zu profitieren. Dadurch könnte die Peer-Group beispielsweise nur eine geringe Unterstützungsleistung darstellen, der Status in der Gruppe könnte niedriger sein als gewünscht und der Kompetenzerwerb erschwert werden. Sexuelle Beziehungen könnten kurzlebig sein, sich auf den sexuellen Kontakt beschränken (wie oben beschrieben) und nicht die Qualität einer Bindung annehmen. Konflikte können sich auch im familiären Alltag ergeben, dennoch ist hier von einer hohen Unterstützungsleistung, sowie Lernerfahrung auszugehen. Zudem ist die Ablösung von den Eltern ein schwierige r Prozess, weil die Distanz ebenso wie viel Nähe von den Jugendlichen schlecht ausgehalte n werden (vgl. Armbrust/Link 2015, S.51). Es muss betont werden, dass Jugendliche mit BPS in gleichem Maße von einer Beziehung profitieren, wie andere Jugendliche und darin durchaus Kompetenzen zeigen und entwickeln. Beispielsweise werden die Jugendlichen in 32 Freundschaftsbeziehungen als sozial, fürsorglich und begeisterungsfähig beschrieben (vgl. Armbrust/Link 2015, S.54). Hofmann geht von pathogenen internalen Arbeitsmodellen bei Jugendlichen mit einer BPS aus, die negativ erlebte und traumatische Erfahrungen beinhalten und auf Bezugsperso ne n angewandt werden (vgl. Hofmann 2002, S.181). Diepold liefert mit einer Untersuchung mit 190 „Borderline-Kindern“ Ergebnisse, wonach häufig eine Trennung von einer der ersten Bindungspersonen vorlag: nur ein Drittel lebte bei beiden Elternteilen, ein Viertel der Kinder war in der Heimerziehung, in Pflegfamilien oder durch eine Adoption fremduntergebrac ht (vgl. Diepold 1995, S.272). Gravierend ist dies, weil diese internalen Arbeitsmodelle eine Einflussgröße für die psychische, soziale und kognitive Entwicklung, sowie für die Ausgestaltung von Beziehungen und für die Entwicklung eines Selbstkonzeptes darstelle n. Es erfordert eine weitreichendes Fachwissen und eine hohe Reflexivität, um der Idealisierung und Entwertung adäquat begegnen zu können (vgl. Armbrust/Link 2015, S.58). Zusammenfassung: Die Beziehungsgestaltung zu unterschiedlichen Bezugsgruppen ist für Jugendliche wesentlich, um Unterstützungsleistungen zu erhalten, Kompetenzen zu erwerben, eine Statusrolle zu erlangen, sexuelle Erfahrungen zu machen und damit in ihrer Autonomieentwicklung fortzuschreiten. Jugendliche mit einer BPS haben Schwierigkeite n Beziehungen zu gestalten, weshalb ihre Teilhabe verringert oder gefährdet sein kann. Zudem wird bei ihnen ein eher ungünstiges internales Arbeitsmodell vermutet, welches neben der Beziehungsgestaltung auch Einfluss auf die psychische, soziale und kognitive Entwicklung hat. Hinweise für die Veränderbarkeit dieser Arbeitsmodelle bestehen, Fachkräften kommt hierbei eine bedeutende Rolle zu. 3. Jugendliche mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung in der Jugendhilfe Im ersten Kapitel wurden ausführlich die Symptome einer BPS beschrieben und auf die im Jugendalter anstehenden Anforderungen und Veränderungen bezogen. Daran anknüpfe nd erfolgt in diesem Kapitel die Erarbeitung von „entwicklungsfördernde n Lebensbedingungen“, welche die Jugendlichen mit einer BPS im Rahmen eines stationäre n Jugendhilfesettings in ihrer Persönlichkeitsentwicklung bestmöglich unterstützen und fördern. Zunächst stelle ich drei Ansätze zur Betreuung von Jugendlichen mit BPS in der stationären Jugendhilfe dar und greife Ergebnisse von Studien zu Schutzfaktoren im Jugendalter, sowie der Wirksamkeit der Jugendhilfe auf. Die Entwicklung eines eigenen 33 Ansatzes, der entwicklungsförderliche Lebensbedingungen für Jugendliche mit einer BPS in der stationären Jugendhilfe beinhaltet, schließt an die gewonnenen Erkenntnisse im ersten und zweiten Kapitel an. Aus diesem Ansatz lassen sich auch die Kriterien herausbilde n, anhand welcher drei ausgewählte Konzeptionen von Betreuungssettings auf ihre Angemessenheit/Eignung für die Unterbringung von Jugendlichen mit BPS geprüft werden sollen. 3.1 Modelle für die Betreuung von Jugendlichen mit einer BorderlinePersönlichkeitsstörung in der Jugendhilfe Die Modelle unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Auslegung der psychischen Störung und ihrer konzeptionellen Ausrichtung, gemeinsam ist ihnen der Bezug zur stationäre n Jugendhilfe. 3.1.1 Das mehrdimensionale Hilfekonzept nach Adam und Peters Adam und Peters entwickelten ein mehrdimensionales Hilfekonzept, welches Ansätze für eine stationäre Hilfe beschreibt (vgl. Adam/Peters 2003, S.133). In der Kombination von pädagogischen und therapeutischen Ansätzen sehen sie die Möglichkeit, Ressourcen des Jugendlichen zu aktivieren und ihm neue Entwicklungschancen eröffnen zu können (ebd., S.135). Der pädagogische Alltag stellt einen Ort dar, an welchem soziale und emotiona le Erfahrungen gewonnen werden können. In ihm entfaltet sich auch das „therapeutis c he Milieu“, als eine zu neuen Herausforderungen ermutigende Umgebung, die auch den Zugang zu therapeutischer Unterstützung erleichtert (vgl. Adam/Peters 2003, S. 136f.). Mit den pädagogisch-therapeutischen Zielsetzungen werden Fördermöglichkeiten auf mehreren Ebenen aufgeführt. Um den Jugendlichen nicht durch zu viele Angeboten einer Überforderung auszusetzen, müssen diese individuell ausgewählt und zeitlich abgestimmt werden (ebd. S.138). Diese Zielsetzungen können als sogenannte „entwicklungsförder nde Lebensbedingungen“ aufgefasst werden, ihre Umsetzung kann auf unterschiedliche Weise geschehen und können in diesem Rahmen nicht weiter ausgeführt werden. Ein Rückbezug auf diese erfolgt im Kapitel 3.3.1. 34 Abb. 1: pädagogische-therapeutische Zielsetzungen (vgl. Adam/Breithaupt-Peters 2010, S.140) 3.1.2 Die multimodale Betreuung nach Hofmann Hofmann beschreibt für die Betreuung von Jugendlichem mit einer BPS einen Ansatz der multimodalen Betreuung (vgl. Hofmann 2002, S.226), welcher in seiner Forderung zur interdisziplinären Kooperation dem mehrdimensionalen Hilfekonzept ähnelt. Hofmann begreift das Störungsbild der BPS primär als emotionale Regulationsstörung, aus welcher Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung entstehen. Er geht davon aus, dass der individuellen inneren Stabilisierung eine äußere Stabilisierung in der Betreuungsstruktur vorauszusetzen ist. Ziel der Betreuung muss es demnach sein, Bedingungen der Stabilisierung zu schaffen, die für den Jugendlichen nachvollziehbar sind, eine konstante 35 Bindung ermöglichen und dadurch Chancen auf Veränderungen bieten (vgl. Hofmann 2002, S.226f.). Hofmann formuliert in diesem Rahmen ein Konzept des „haltenden und aushaltende n Bindungsangebots“ (2002, S.232) und legt diesem notwendige strukturelle Rahmenbedingungen der Einrichtung zugrunde: • Professionalität durch Fachwissen, sowie Supervision • Eine dezentrale Betreuung in Kleingruppen für Jugendliche mit BPS • Eine Ein-zu-Eins-Betreuung durch motivierte Mitarbeiter • Möglichkeit der kurzzeitigen Einzelbetreuung als Krisenintervention… (ebd., S.232f.) Mit den Prinzipien „Halten“ und „Aushalten“ formuliert Hofmann in Anlehnung an Dulz und Schneider Bedingungen, die eine Grundlage für eine Beziehungsgestaltung mit Jugendlichen mit BPS legen. Demnach beschreibt das „Halten“ eine Kompetenz und innere Grundhaltung des Betreuers, dem Jugendlichen bedingungslosen Schutz und Liebe entgegen zu bringen. Diese „sichere Basis“ ermöglicht es, internale Arbeitsmodelle zu korrigieren und darüber ihre Identität und Ressourcenentwicklung verändern zu können (vgl. Hofmann 2002, S.229). Komplementär dazu stellt das „Aushalten“ nach Hofmann eine Eignung der Betreuungsperson dar. Diese müssen die Fähigkeit besitzen, die Bedürfnisse der Jugendlichen erkennen und adäquat darauf reagieren zu können (in Anlehnung an Ainsworth). Ebenso sind die Fähigkeit der Selbstreflexivität (Reflexion und Differenzier ung eigener und fremder Bedürfnisse, in Anlehnung an Fonagy) und individuellen Grenzsetzung (im Sinne der Nähe-Distanz-Regulierung), sowie emotionale Zuwendung und Motivatio n eine Voraussetzung (ebd. S.230f.). 3.1.3 Die Systemischen Arbeitsweisen nach Natho Natho formuliert konkrete Arbeitsempfehlungen für die Betreuung von Jugendlichen mit BPS im stationären Jugendhilfebereich und baut diese auf systemischen Annahmen auf (vgl. Natho 2002, S.223). Demnach ist eine Störung zirkulär in einem System4 organisiert und ist primär über soziale Beziehungen zu betrachten. Störungen sind zudem eng verknüpft mit der 4 Somit beeinflussen die Betreuungspersonen, sowie die Mitbewohner mit dem eigenen Verhalten auch das Verhalten des Jugendlichen mit BPS und können zu Veränderungen beitragen (vgl. Natho 2015, S.74). 36 verinnerlichten Wirklichkeitskonstruktion, die ein jedes Individuum über sich selbst, sowie über sein Umfeld und zwischenmenschliche Beziehungen ausbildet (ebd., S.78). Laut Natho setzt die Verbesserung der Lebensqualität, sowie die Förderung der sozialen Integration im Rahmen der Heimerziehung zwei Grundannahmen voraus: Die Vernetzung von Unterstützungsangeboten, welche auf die Ressourcen des Jugendlichen abgestimmt sind, ist für den Hilfeverlauf entscheidend. Die Grenzen eines Systems sind zu wahren, da sie eine schützende Funktion besitzen: das heißt, nicht immer sind alle gewünschte n Veränderungen möglich (2002, S.223), stattdessen bedarf es einer „vorwurfsfreie n, geduldigen Begleitung“ (Natho 2002, S.224). Folgende Handlungsmöglichkeiten für die pädagogische Arbeit mit Jugendlichen einer BPS im Kontext der stationären Erziehungshilfe werden von Natho empfohlen: • „Störungsdiagnostik“ (Natho 2002, S.224) • „soziografische Diagnostik“ • „Notfall- und Rückfallplanung“ (ebd. S.225) • „Umgang mit Suizidalität“ (ebd. S.226) • „vorausschauendes Handeln“ • „dauerhaft feste Bezugspersonen“ • „stabile Erzieherpersönlichkeit“ (ebd. S.227) • „klientenzentriertes Erziehungskonzept“ (ebd. S.228) • „Sicherstellung der sozialen Unterstützung und Begleitung“ • „Kooperation und Wertschätzung der Eltern“ (ebd. S.229) • „Teamberatung, Supervision und Fortbildungen“ (ebd. S.230) • „Vernetzung“ (ebd. S.231) • „Beratung“ (Natho 2002, S.232) Auch diese Arbeitsempfehlungen können nicht ausführlicher dargestellt werden, sie werden in die weitere Ausarbeitung einfließen. Zusammenfassung: Stark vereinfacht liegt der Schwerpunkt des mehrdimensiona le n Hilfekonzepts auf der Anpassung der Betreuungsstrukturen auf den individuellen Bedarf und einer engen Kooperation mit den Bezugssystemen. Die multimodale Betreuung betont insbesondere die Beziehungsarbeit, die Konstanz und Eignung der Fachkräfte. Die systemischen Arbeitsweisen legen Wert auf den sozialen Kontext (innerhalb und außerhalb der Einrichtung) und auf die Wechselwirkung von Interaktionen. 37 3.2 Der aktuelle Forschungsstand Bisher existieren keine Studien, die sich mit der BPS in der Jugendhilfe auseinandersetze n. Eine Annäherung an relevante Forschungsbefunden für die weitere Ausarbeitung erfolgt deshalb über Wirksamkeitsstudien der Jugendhilfe und über Schutzfaktoren im Jugendalte r. 3.2.1 Wirksamkeitsstudien in der Jugendhilfe In der Jugendhilfe bestehen eine Reihe von Einzelfallstudien, die nach Wirkfaktoren für den Erfolg oder Misserfolg einer Jugendhilfemaßnahme fragen. Dabei ist es nicht möglich, eine genaue Korrelation zwischen einer bestimmten Maßnahme und einem bestimmten Effekt herzustellen, dennoch können Fallstudien Zusammenhänge aufzeigen und begründen (vgl. Wolf 2007 S. 5). Wolf betrachtet 12 Einzelfallstudien und stellt übereinkomme nde Ergebnisse dar. Als wichtige Indikatoren für eine „erwünschte … Wirkung“ einer Jugendhilfemaßnahme können folgende angesehen werden (ebd., S.39): - die Passung/Geeignetheit der Struktur der Jugendhilfemaßnahme für den Jugendlichen - die Partizipation der jungen Menschen und ihrer Sorgeberechtigten - die Qualität der pädagogischen Beziehung - eindeutige Strukturen, die eine Orientierung ermöglichen - Verständnis und Respekt gegenüber den individuellen Erfahrungen und darin ausgebildeten Deutungs- und Handlungsmustern - Unterstützung in der Veränderung der Beziehungsqualität zwischen dem Jugendlichen und seinen Eltern (auch im Sinne einer Ablösung) Von nur zwei Studien übereinstimmende entwicklungsfördernde Faktoren sind: - Das Setzen von Erziehungszielen, die realistisch sind - Die Netzwerkarbeit - Die „Lebensqualität in der Einrichtung“ (Wolf 2007 S.39) 3.2.2 Schutzfaktoren im Jugendalter Konzepte von Risiko- und Schutzfaktoren formulieren (Wahrscheinlichkeits-) Vorhersagen darüber, wie Einschränkungen und psychische Störungen entstehen, verlaufen und welche 38 Interventionen daran ansetzen können (vgl. Bengel u.a. 2009, S.25). Der Begriff Schutzfaktoren umfasst Faktoren, die die Entwicklung von Störungen vermindern, den Aufbau von Ressourcen erleichtern und sich allgemein positiv auf die Entwicklung auswirken. Sie können in personale, familiäre und soziale Schutzfaktoren kategorisier t werden (ebd., S. 23f.). Ihre Wirkung ist abhängig vom Kontext, dem Alter des Kindes oder Jugendlichen und den vorliegenden Risikofaktoren (ebd.; S.48). Die Bielefelde r Invulnerabilitätsstudie benennt Schutzfaktoren in der Jugendhilfe. Untersucht wurden 146 Jugendliche in der stationären Erziehungshilfe, ihre Zuordnung erfolgte in zwei Gruppen: der „resilienten Gruppe“ und der „hochauffälligen Risikogruppe“ (Bender/Lösel 1997, Lösel/Bender 1994, 1999 in Begel u.a. S.38). Beide Gruppen zeigten einen hohen „objektiven Risikoindex“, welcher die lebenszeitlichen Belastungen erfasst (Trennung der Eltern, Vernachlässigung, Schulschwierigkeiten…). Der „subjektive Risikoindex“, welcher die subjektiv erfahrene Belastung der Jugendlichen beschreibt, zeigte einen deutlic he n Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Über diesen Vergleich arbeiteten Bender und Lösel Schutzfaktoren für Jugendliche aus belasteten Verhältnissen heraus (ebd., S.39). Als personale Ressourcen beschrieben sie: flexible Temperamentsmerkmale, Intellige nz, ein positives Selbstbild, seltener erlebte Hilflosigkeit, leistungsbezogene Motivation und ein Selbstwirksamkeitserleben, gute schulische Leistungen, aktive Bewältigungsstrategie n, psychische Akzeptanz der Heimbetreuung, ein realistisches Zukunftsbild. Soziale Ressourcen: die Existenz einer außerfamiliären festen Bezugsperson, sowie eines sozialen Netzwerkes, Zufriedenheit mit der erlebten Unterstützung, Erleben des „Erziehungsklimas […] als sozial-emotional“ günstig (Lösel/Bender 1994 in Bengel u.a. 2009, S.39). Die Ergebnisse dieser Studie weisen sehr ähnliche Befunde zu anderen Untersuchungen über Risiko- und Schutzfaktoren, z.B. der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey, auf (vgl. Bengel u.a. 2009, S.46) und können deshalb trotz des zeitlich zurückliegenden Untersuchungszeitraums als relevant betrachtet werden. Zudem ist sie die einzige Studie zu Schutzfaktoren im Heimkontext. 39 3.2.3 Wirksamkeit der Jugendhilfe bei „stark belasteten“ Jugendlichen Die Jugendhilfe-Effekt-Studie untersuchte die Wirksamkeit 5 von Jugendhilfemaßnahme n und bezog sich dabei sowohl auf Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Damit wurde erstmals auch der Einfluss von Strukturmerkmalen der Einrichtungen und deren Auswirkungen erfasst (vgl. Macsenaere 2002, S.100, 118f.), auf welche folgend Bezug genommen wird. Autoren fassen die Ergebnisse der Jugendhilfe-Effekt-Studie folgendermaßen zusamme n: Die Jugendhilfe-Effektstudie befand für „stark belastete“ Jugendliche bei solchen Einrichtungen einen positiven Effekt, die neben der sozialpädagogischen Ausrichtung auch klinisch orientiert waren. Zudem sind insbesondere solche Jugendhilfe-Maßnahme n besonders erfolgreich, in denen ein großes Leistungsangebot vorliegt, interdisziplinä re Mitarbeiter zusammenarbeiten und eine Ausrichtung sowohl an der Symptomreduktion, als auch der Förderung von Ressourcen vorliegt. Weiterhin spielten eine lange Zeitdauer, sowie die Kooperation mit den Eltern und gute Schulleistungen eine wichtige Rolle (vgl. Breithaupt-Peters/Dufner 2012, S.373). Der Fachlichkeit und Qualität der Arbeit kommt im gesamten Hilfeverlauf eine hohe Bedeutung zu, ebenso spielt die Kooperation mit dem Jugendlichen, sowie die mit seinen Eltern eine wichtige Rolle (vgl. Schmidt 2002a, S.33,44). Diese Ergebnisse werden von der Jugendhilfe-Effekt-Studie auch benannt (ebd., S.33,44). Zu beachten gilt dabei jedoch der vergleichende Aufbau, zwischen unterschiedlichen Jugendhilfe-Betreuungsformen (Tagesgruppe, Heimerziehung, Erziehungsbeistandschaften…), der in diese Ergebnisse mit einfließt (vgl. Macsenaere 2002, S.70). 3.3 Ansätze für die sozialpädagogische Praxis In diesem Kapitel erfolgt die Formulierung „entwicklungsfördernder Lebensbedingunge n“ für Jugendliche mit einer BPS in der stationären Jugendhilfe. Dabei wird Bezug genomme n auf das Kapitel 2.4 (Entwicklung im Jugendalter), auf die Inhalte der dargestellten Modelle, ergänzender Literatur und die vorgestellten Studien. Zu den „entwicklungsfördernde n Lebensbedingungen“ zähle ich demnach sowohl institutionelle Rahmenbedingunge n, Die Wirksamkeit bezieht sich auf Veränderungen in der „Gesamtauffälligkeit des Kindes“, der „psychosozialen Belastung im Umfeld des Kindes“ und des „psychosozialen Funktionsniveau“ des Kindes ( Holm 2002, S.157f.). Insofern beschreibt der Erfolg eine Jugendhilfe in erheblichem Maße die Persönlichkeitsentwicklung des Jugendlichen, weshalb Wirkfaktoren der Jugendhilfe zugleich Einflussfaktoren auf die Entwicklung darstellen. 5 40 Handlungsweisen und Haltungen der Fachkräfte, als auch konkrete Unterstützungs- und Förderleistungen. 3.3.1 Die Ausarbeitung „entwicklungsfördernder Lebensbedingungen“ Die vorausgegangenen Kapitel konnten aufzeigen, dass die Symptomatik der BPS häufig mit der Beschreibung der Instabilitäten im emotionalen und interaktionellen Bereich, sowie bezogen auf die Identität zusammengefasst wird. Diese Instabilitäten beeinflussen die Entwicklung und unterschiedliche Lebensbereiche. Sie wirken insbesondere in der Jugendphase in der Verbindung mit den zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben, der intensiven Phase der Sozialisation und der Bindungsentwicklung einschränkend. Daraus ergeben sich für diese Jugendlichen spezifische Bedarfslagen. Es ist erforderlich, dass die Jugendhilfe an diesen spezifischen Bedarfen ansetzt, um die Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und die Teilhabe am Gesellschaftsleben zu bewahren oder zu ermöglichen. Unter der Bezeichnung „entwicklungsfördernde Lebensbedingungen“ für Jugendliche mit einer BPS innerhalb der stationären Jugendhilfe können fünf Ziele oder auch übergeordnete Aufgaben zusammengefasst werden. • Die Stabilisierung • Die Beziehungsgestaltung • Die Alltagsstrukturierung • Der Kompetenzerwerb • Die Teilhabe Ihnen zugrunde gelegt sind die abschließend formulierten personellen und institutione lle n Rahmenbedingungen. Die Grundprinzipien der sozialpädagogischen Arbeit in der Jugendhilfe gelten auch für die Betreuung von psychisch erkrankten Jugendlichen. Auch die Soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit einer psychischen Störung wird von den Fachkräften als eine „reflektie rte Beziehungsarbeit“ beschrieben, die darauf ausgerichtet ist, eine dem Entwicklungssta nd entsprechende Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen. Als Kernkompetenzen sind eine an der Lebenswelt orientiere Fallarbeit, sowie das Fallverstehen benannt. Die Arbeitsweise ist an Ressourcen und Problemlösungen orientiert, „Interventionsstrategien umfasse n Beraten, Begleiten, Unterstützen, Informieren und Kompensieren“ (Denner 2008, S.291), 41 dabei wird die Partizipation und entwicklungsentsprechende eigene Verantwortung der Jugendlichen gewahrt (ebd.). Stabilisierung Wie bereits geschildert sind Symptomatiken der BPS Stimmungsschwankungen und die Impulsivität. Bereits kleinste Auslöser oder minimale Anforderungen können zu einem Umschwung oder emotionalen Ausbruch führen (vgl. Fischer/Kaess 2016, S.47). Zur Regulation von negativen Emotionen oder bei Anspannungszuständen wenden Jugendlic he mit BPS auch selbstverletzendes Verhalten an (ebd. S.46). Die Lebensphase des Jugendalter s stellt zahlreiche Anforderungen und birgt eine Reihe von Veränderungen: es bedarf der Bewältigung unterschiedlicher Entwicklungsaufgaben, der Herstellung eines gelingende n Verhältnisses zwischen Persönlichkeitsausbildung und Integration in die Gesellschaft, sowie einer veränderten Beziehungsgestaltung (siehe Kapitel 2.4). Diese Anforderungen können je nach Ausprägung der Störung, personellen und sozialen Ressourcen, Krisen auslösen, weshalb zunächst eine Stabilisierung stattfinden muss. Die Reduzierung der Symptome ist außerdem die Voraussetzung dafür, dass die Jugendlichen ihre Kompetenzen erweitern können (vgl. Schmidt 2002b, S.519). Maßnahmen zur Stabilisierung beziehen sich sowohl auf das Individuum, als auch auf das Umfeld. Sie schaffen einen Schonraum, der dennoch zu bewältigende Anforderungen stellt und dadurch eine Weiterentwicklung ermöglicht. Mögliche Beispiele hierfür sind eine vorübergehende Reduzierung des Unterrichtsumfangs, sowie eine Elternarbeit, die familiä re Verstrickungen verstehbar macht. Vorbesprechungen mit der Familie zu Wochenenden und Heimfahrten, sowie einer Tagesstrukturierung können helfen, Konflikten und Eskalatio ne n innerhalb der Familie vorzubeugen. Eine Erfassung jener Faktoren, die vom Jugendlic he n als Stressor empfundenen werden, ist dazu hilfreich – Adam und Peters beschreiben hierfür ein „differentialdiagnostische[s], neuropsychologische[s] Verfahren“ (Adam/Peters 2003, S. 140). Eine Diagnostik bzw. ein Austausch mit psychiatrischen Fachkräften bietet Sozialpädagogen auch die Möglichkeit, bestimmte Verhaltensweisen aus einer anderen Perspektive zu deuten und zu hohe Erwartungen zu vermeiden. Unerlässlich ist die zusätzliche sozialpädagogische Diagnose, die neben den wichtigsten Daten und der Biografie auch interaktionelle Zusammenhänge erfasst (vgl. Natho 2002, S.224f.). Zur Stabilisierung verhelfen auch sogenannte „sichere Orte“, sie stellen Orte oder Bedingunge n dar, die einem Jugendlichen Sicherheit bieten und die er bei starker emotionaler Belastung 42 aufsuchen kann (vgl. Streeck-Fischer 2014, S.274). Eine enge Kooperation mit einer Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) ist auch im Rahmen der Krisenintervention, bei Suizidäußerungen, einer Therapieanbindung oder einer medikamentösen Behandlung gefordert. Der Ortswechsel durch eine kurzfristige Aufnahme in die KJP (bei akuter Suizidgefahr) kann den erlebten Stress des Jugendlichen verringern. Allerdings muss die Heimkehr in das Jugendhilfesetting gesichert sein und kann dadurch auch eine bindungsfördernde Wirkung haben. In Fällen der übermäßigen, andauernden Eskalatione n, tatsächlicher Suizidgefahr und gehäuften emotionalen Ausbrüchen kann es sinnvoll sein, medikamentös zu begleiten (vgl. Breithaupt-Peters/Dufner 2012, S.374f.). Im Alltag können Anzeichen für einen Krisenverlauf sichtbar werden. Fachkräften kommt hier die Rolle zu, Krisen auslösende Situationen zu meiden und Anspannungen abzubauen. Ein Druckaufba u oder die Begrenzung sozialer Nähe sind meist nicht zielführend, Grenzen müssen deshalb maßvoll gesetzt werden (vgl. Natho 2002, S.227). Zudem ist eine Stabilität im Kontext (Betreuungsstrukturen, Fachkräfte, Absprachen) wesentlich, um eine innere Stabilisier ung des Jugendlichen zu erreichen (vgl. Hofmann 2002, S.226f.). Neben den aufgezählten Methoden und Strukturen, vermitteln auch viele weitere Bedingungen den Jugendlichen Sicherheit und Stabilität. In diesem Rahmen können lediglich Ansätze dargestellt werden. Beziehungsgestaltung Die Beziehungsgestaltung stellt für Jugendlichen mit einer BPS häufig eine Herausforderung dar: ein zu viel an Nähe scheint genauso schwer aushaltbar, wie zu viel Distanz. Störungen in der Emotionsregulation führen zu einer Aktivierung von Prozessen der Spaltung, Idealisierung, Identifizierung und Abwertung gegenüber den Bezugspersonen (vgl. Hofmann 2002, S.229; vgl. Armbrust/Link 2015, S.47). Zudem wird ein Zusammenha ng zwischen internalen Arbeitsmodellen und der BPS, sowie deren Veränderbarkeit im Jugendalter vermutet. Durch die Wiederholung der erlernten Beziehungsgestaltung gegenüber den Fachkräften besteht somit die Chance auf korrigierende Bindungserfahrungen. Die Qualität der internalen Arbeitsmodelle beeinflussen wesentliche Aspekte der Entwicklung (z.B. soziales und emotionales Erleben, Kommunikationsverhalten) (siehe Kapitel 2.4.6). Den Fachkräften kommt in dieser Beziehungsgestaltung eine hohe Bedeutung zu. Zudem stellt die Qualität der pädagogische n 43 Beziehung ein wichtiger Indikator für die positive Entwicklung des Jugendlichen dar (vgl. Wolf 2007 S.39). Als personelle Voraussetzung zur Beziehungsgestaltung mit Jugendlichen mit BPS beschreibt Hofmann eine Haltung der bedingungslosen Akzeptanz, sowie Fähigkeiten zur Selbstreflexivität, zur Nähe-Distanz-Regulierung, zur emotionalen Zuwendung und die Kompetenz, die Bedürfnisse der Jugendlichen erfassen zu können (vgl. Hofmann 2002, S.229-231). Fachkräfte benötigen aber auch Geduld, ein professionelles und stabiles Selbstbewusstsein und Konfliktbereitschaft. Denn einige Jugendliche brauchen viel Zeit, um sich auf ein Beziehungsangebot einlassen zu können, das auch konflikthafte und belastete Situationen übersteht (vgl. Natho 2002, S.228; vgl. Adam/Peters 2003, S.143). Die Beziehung zu den Betreuern wird dann zur „sicheren Basis“, die eine Korrektur internaler Arbeitsmodelle und darüber eine Ressourcen- und Identitätsentwicklung ermöglicht (vgl. Hofmann 202, S.229). Zur Beziehungsausbildung benötigt es eine Konstanz zu Bezugspersonen (vgl. Natho 2002, S.227; Hofmann 2002, S.227). Eine durch feste Bezugspersonen vermittelte Sicherheit im Beziehungsfeld ermöglicht dem Jugendlic he n auch, Gefühle zu zeigen und die eigenen Anteile an der Beziehungsgestaltung zu erkennen (vgl. Natho 2002, S.227). Dies kann im stationären Jugendhilfesetting beispielsweise über ein Bezugsbetreuersystem angestrebt werden: Jugendliche haben dann eine Bezugsperso n, an die sie sich mit ihren Anliegen wenden können und die den Kontakt zu Familie und Schule hält (vgl. Adam/Peters 2003, S.142). Die Beziehungsgestaltung sollte sich am Bedarf des Jugendlichen orientieren, von der Fachkraft sollten aber klare Grenzen gezogen werden (vgl. Natho 2002, S.228). Der „handelnde Umgang“ ist ein wesentlicher Bestandteil, über den eine Beziehung zum Jugendlichen aufgebaut werden kann: In der gemeinsa me n Bewältigung von alltäglichen Anforderungen ist es dem Jugendlichen möglich, neue Erfahrungen und Kompetenzen zu sammeln, gleichzeitig entsteht durch die geteilte Erfahrung ein Bezug zueinander (vgl. Adam/Peters 2003, S. S.143). Für einen bewussten und unbelasteten Umgang mit psychisch kranken Jugendlichen bedarf es auch der reflexive n Auseinandersetzung mit den eigenen Vorstellungen zu Gesundheit, Krankheit, psychisc he n Störungen und Erfahrungen, sowie darauf bezogene Ängste (vgl. Denner 2008, S.295). Dies spricht auch für die Entwicklung einer Grundhaltung gegenüber den Jugendlichen. Diese ist in einigen Einrichtungen an jenen der dialektisch behavioralen Therapie für Jugendlic he (DBT-A) orientiert (vgl. Schmid 2008, S.197), welche der DBT nach Linehan entspricht und auf alle Beteiligten bezogen wird (vgl. Miller in Kristin von Auer 2016, S.80). Die DBT 44 nach Linehan ist gekennzeichnet durch eine dialektische Grundhaltung, welche um ein ausgeglichenes Verhältnis von Akzeptanz und Veränderung bemüht ist und Fähigkeiten, als auch Defizite der Patienten berücksichtigt. Die akzeptierende, nicht-wertende Grundhaltung nimmt die Person so an wie sie ist und fokussiert die positiven Aspekte. Veränderunge n werden dann angestrebt, wenn sie einen Vorteil für den Patienten bedeuten und unerwünschte Verhaltensweisen verbessert werden können (vgl. Linehan 1996, S.81). Nicht nur die Beziehungsgestaltung zu den Mitarbeitern in der Jugendhilfe eröffnet Chancen auf positive Bindungserfahrungen. Diese können auch in dem Umgang mit Jugendlichen aus der Wohngruppe, Freunden, der Schule, einem Therapeuten und auch der Familie gemacht werden. Die besondere Chance aus der Beziehungsgestaltung zu Sozialarbeitern ergibt sich dadurch, dass diese über ein bindungstheoretisches Wissen und eine diesbezüglic he Sensibilität verfügen. Auffälliges oder unangebrachtes Verhalten wird dadurch besser verstehbar und kann mit früheren Erfahrungen, einer verzerrten Wahrnehmung oder nicht kommunizierten Wünschen zusammenhängen – die entsprechende Reaktion der Fachkraft darauf ist überdacht und nicht von Emotionen geleitet (vgl. Schleiffer 2009, S.252-254). Alltagsstrukturierung Stimmungsschwankungen und Impulsivität, die Fokussierung auf Misserfolge und starre Verhaltensmuster können die tägliche Lebensgestaltung erschweren und bereits geringe Anforderungen in einen Konflikt münden lassen (vgl. Adam/Breithaupt-Peters 2010, S.145). Eine Alltagsstrukturierung schafft Orientierung, zeigt klar die Freiheiten und Grenzen auf und macht es den Jugendlichen möglich, den Alltag als vorhersehbar und verlässlich zu empfinden, sich an ihm zu orientieren (vgl. Adam/Peters 2003, S.144). Strukturierung des Alltages ermöglicht es den Jugendlichen stabile, wiederkehrende Erfahrungen zu machen, sich als selbstwirksam zu erleben und dies in ihr Selbstbild zu integrieren (vgl. Egel/Strutzke 2008, S.96). Strukturen können sich dabei auf den Tages- und Wochenablauf (Schulbeginn, feste Mahlzeiten, Bettgezeiten, Gruppenabend), auf Gruppenregeln (Putzdienste, keine Gewalt, Medien-Zeiten) oder aber auch in einem weiteren Sinne die Kooperation mit den Eltern oder das Team betreffen (ebd. S.89-95). Die Tagesstrukturierung muss das richtige Maß enthalten, sie sollte nicht überfordern, aber auch nicht zu viel Leerlauf bieten. Auch Wochenenden und Urlaubszeiten sollten strukturierende Elemente enthalten. Die Entwicklung einer Normalität, im Sinne des sich Orientierens an Werten und Zielen, 45 erleichtert die Bewältigung von alltäglichen Anforderungen und ermöglicht eine Kompetenzerfahrung (vgl. Armbrust/Link 2015, S.74). Jugendliche mit BPS gelingt nicht immer eine „normale“ Realitätsverarbeitung: Störungen können zeitweilig vorliegen und sich auf das Selbstbild, das Umfeld und die eigenen Handlungsmöglichkeiten beziehen (siehe Kapitel 2.4.3). Insbesondere dann, wenn Anforderungen nicht bewältigt werden können und ein Erfolgserlebnis ausbleibt, greifen sie auf „Abwehrmechanismen“ oder auf unrealistische Bilder zurück. Es ist die Aufgabe der Fachkräfte einen „Realitätsbezug im Hier und Jetzt“ (Adam/Breithaupt-Peters 2010, S.145) herzustellen. Das bedeutet eine angemessene Situation zu finden, um realitätsfe r ne Wünsche, Fantasien (sowohl negative, als auch positive) zu relativieren und ihnen die vorliegenden und faktischen Gegebenheiten und Anforderungen entgegenzusetzen (ebd., S.145f.). Kompetenzerwerb In diesem breit gedachten Ziel wird die Weiterentwicklung des Jugendlichen durch den Erwerb und den Ausbau von Fähigkeiten, als auch durch die Ausbildung eines Selbstbilde s zusammengefasst. Die Symptome einer BPS sind vielfältig, weshalb Jugendliche neben alterstypisc he n Kompetenzen (beispielsweise soziale Fähigkeiten) auch störungsspezifische Kompetenzen (etwa Strategien zur Vorbeugung selbstverletzenden Verhaltens) erwerben müssen. Jugendliche formen ihre Persönlichkeit selbst im Sozialisationsprozess und sind dabei auf die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben, sowie personale und soziale Ressource n angewiesen. Problematisch ist eine anhaltende Verunsicherung der eigenen Identität, die den Sozialisationsprozess mit beeinflusst und sich in Unsicherheiten bezogen auf die eigenen Fähigkeiten, Interessen, Werte und Ideale äußert. Von diesen Unsicherheiten tangiert ist auch die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben, insbesondere jene zur Entwicklung einer Zukunftsperspektive (Beruf, Familie), zur Ausbildung intellektueller, sozialer Fähigkeite n und eines Wertesystems, sowie die Erlangung der emotionalen Unabhängigkeit (siehe Kapitel 2.4). Jugendliche mit einer BPS haben hier also spezifische Bedarfe: sie benötigen Unterstützung in der Weiterentwicklung eines Selbstbildes, von Fähigkeiten und unter Umständen Hilfe bei der Bewältigung alterstypischer Anforderungen (beispielswe ise schulischer Anforderungen). Die Ermöglichung von Erfolgserlebnissen, die Förderung von Interessen und Ressourcen, sowie das Erlernen von alternativen Denk- und 46 Handlungsweisen, sowie Wertvorstellungen können pädagogische Angebote darstellen, die diesen spezifischen Bedarfen der Jugendlichen gerecht werden. Die Ermöglichung von positiven (neuen) Erfahrungen in Situationen oder mit Mitmensc he n und deren Verinnerlichung können zu mehr Selbstvertrauen und einem besseren Lebensgefühl führen. Dies kann beispielsweise über eine neue Aktivität oder einen erlebnispädagogischen Tag gelingen. Dabei spielt auch die indirekte Verinnerlichung positiver Bilder, über das Verhalten Jugendlicher oder Erwachsener unter- oder zueinande r eine Rolle, da diese für den Jugendlichen als Vorbild für das eigene Verhalten dienen können. Neben der Erschließung neuer Bereiche, um solche Erfahrungen zu machen, gilt es auch die Beziehung zu bisherigen Bezugspersonen oder bisherige Bezugssysteme (wie beispielsweise der Schule) umzugestalten, um auch in diesem Setting neue, positive Erfahrungen zu ermöglichen (vgl. Adam/Peters 2003, S.145f.). Auch eine Interessensförderung ist wesentlich: darüber können die Jugendlichen aktiviert werden und Erfolgserlebnisse, Anerkennung und Akzeptanz durch Mitmenschen erfahren (ebd., S.152f.). Die Ressourcenorientierung ist ein wesentliches Merkmal in der Sozialen Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen (vgl. Denner 2008, S.291). Fachkräfte können dabei insbesondere personale und soziale Ressourcen fördern (vgl. Natho 2015, S.288), welche vielfältig vorliegen und als Schutzfaktoren wirksam werden können. Ihnen kommt damit ein bedeutender Einfluss auf eine gelingende Persönlichkeitsentwicklung zu. Unter Rückbezug auf die Studie von Selbstwirksamkeitserleben, Bender und Lösel stellen aktive Bewältigungsstrategien ein positives und Motivation Selbstbild, personale Ressourcen im Erziehungshilfekontext dar. Jugendliche mit einer BPS haben individuelle Verhaltensweisen entwickelt, die für sie einen Zweck erfüllen, in anderen Kontexten nicht zielführend sind und als „unangemess e n“ bewertet werden (siehe Kapitel 2.2.2). Aufgabe der Begleitung der Jugendlichen ist es, ihnen zu mehr Spielraum im Handeln, Denken und Wahrnehmen zu verhelfen. Unangemess e ne Verhaltens- und Denkschemata müssen dazu im Alltagsbezug und an konkreten Situatio ne n hinterfragt und relativiert werden. Diese Prüfung sollte in einer gemeinsamen Reflexion mit dem Jugendlichen erfolgen und eine gemeinsame Suche nach Alternativen sollte daran anschließen. Dabei gilt zu beachten, dass diese Verhaltensweisen einen Sinn erfüllen und dadurch auch für Sicherheit/ Entlastung sorgen und nicht immer direkt ersetzt werden können (vgl. Adam/Peters 2003, S.162). Gleichzeitig gilt es persönliche Verhaltens- und Denkweisen und damit verbundene Erfahrungen zu respektieren und nachzuvollziehe n. 47 Dieser Aspekt wurde (oben beschrieben) als wichtiger Indikator in Wirksamkeitsstudien zur Jugendhilfe identifiziert (vgl. Wolf 2007 S.39). Auch die Werte, Vorstellungen und Gewohnheiten von Jugendlichen können sehr unterschiedlich zu jenen in gesellschaftlichen Bezugssystemen sein und dadurch die Weiterentwicklung (beispielsweise im schulischen oder beruflichen Bereich) erschweren. Ein pädagogischer Anspruch sollte darauf zielen, dem Jugendlichen nachvollziehbar zu vermitteln, welche Werte und Vorstellungen im Allgemeinen bestehen. Dies kann beispielsweise über die Vorbildfunktion geschehen oder auch über bewusst inszenier te Aktivitäten, wie Gruppengespräche oder Filme, Bücher, die das Mitgefühl, Verantwortung oder eine Auseinandersetzung damit anregen (vgl. Adam/Peters 2003, S.155). Um die sozialen Kompetenzen und Wahrnehmung explizit zu schulen, gibt es unterschiedlic he Angebote, therapeutischer oder schulischer Art (ebd.). Durch die bei BPS vorliegende emotionale Instabilität können sowohl Sozialisatio n, Bindungsentwicklung, als auch die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben erschwert sein – ebenso kann dies Einschränkungen in Bezugssystemen nach sich ziehen. Zur Beendigung von Zuständen der negativen Emotionen oder starker Anspannung fügen Jugendliche sich Selbstverletzungen zu (siehe Kapitel 2.4). Ein gelingender Umgang mit Emotionen sollte erlernt werden. Die pädagogische und therapeutische Arbeit kann hierbei in der Verbesserung kommunikativer und sozialer Kompetenzen, in dem Umgang mit emotiona le r Anspannung und durch Therapie, sowie Psychoedukation unterstützen. Die Verbesserung der kommunikativen und sozialen Kompetenz können im Gruppenallta g angestrebt werden: Soziale Situationen stellen Lernfelder dar. Beispielsweise können Konflikte mit Mitbewohnern oder Betreuern gemeinsam reflektiert und dadurch soziale Kompetenzen erweitert werden (vgl. Adam/Breithaupt-Peters 2010, S.155). Auch Verhaltensweisen zur Problemlösung, sowie Bewältigungsmuster sollten bewusst gefördert werden, damit alltägliche Anforderungen und die Erfüllung der Entwicklungsaufgaben für die Jugendlichen möglich sind. Misserfolgen, Zurückweisungen oder realitätsfer ne n Illusionen wird dadurch vorgebeugt. Insbesondere im pädagogischen Alltag und im Gruppengeschehen können neue Situation ausprobiert und Fähigkeiten erweitert werden, beispielsweise in der gemeinsamen Auswahl einer Wochenendaktivität. Möglich sind auch auf das Individuum abgestimmte Fördermaßnahmen, zum Abbau von Defiziten oder der Stärkung von Ressourcen. Daneben besteht die Chance, Strategien zur Problemlösung und Bewältigung in einer Therapie zu erlernen (vgl. Adam/Peters 2003, S.154). 48 Eine Therapie/ psychotherapeutische Behandlung bietet einen geschützten Rahmen, in welchem Jugendliche Fertigkeiten erlernen (hier als Beispiel die DBT-A): Hierbei geht es um den Kompetenzerwerb zur Regulation von Emotionen, zur Gestaltung der Interaktione n, zur „Selbstwertregulation“ und das Erlernen von Achtsamkeit. Ein wesentlicher Bestandteil zu Beginn einer Therapie besteht darin Skills (Kompetenzen zum Umgang mit Stress) zu erlernen (vgl. Armbrust/Link 2015, S.152f.). Die Psychoedukation ist ein weiterer wichtige r Aspekt einer therapeutischen Begleitung: Psychoedukation beschreibt eine Wissensvermittlung bezogen auf die psychologischen Zusammenhänge der Störung. Armbrust und Link betonen hierbei, dass es nicht um das reine Vermitteln von Wissen geht, sondern darum, ein grundlegendes, auch individuelles, Krankheitsverständnis und eine Achtsamkeit hierfür zu entwickeln (ebd. S.138f.). Die Entwicklung von Handlungsstrategien zum Umgang mit selbstverletzendem Verhalten und suizidalen Äußerungen können den Fachkräften in der Jugendhilfe Sicherheit vermitte ln (vgl. Natho 2002, S.225f.). Die Betreuer müssen bei Selbstverletzungen einen guten Mittelweg finden zwischen angemessener emotionaler Zuwendung und Versorgung (Möglichkeit der Wiederholung bei zu geringer Zuwendung) und zu starker emotiona le r Zuwendung (Möglichkeit der Wiederholung, da starke emotionale Zuwendung/ Aufmerksamkeit, Verstärker-Effekt). Allgemein gesprochen sollte dem Jugendlichen vor selbstverletzendem Verhalten und zur Vermeidung dessen viel Aufmerksamkeit geschenkt werden, auch bei einem inadäquaten Ausdruck dessen. Und im Anschluss an ein selbstverletzendes Verhalten sollte eine sachliche Versorgung, Routine im Vordergrund stehen (vgl. Schmid 2008, S.205f.). Wie im Kapitel zur Stabilisierung beschrieben bedarf es in diesen Fällen einer engen Kooperation mit psychiatrischen Fachkräften, möglic he Krisenauslöser sollen frühzeitig erfasst und mögliche Interventionsstrategien vorab im Team ausgearbeitet werden. Es kann geschlussfolgert werden, dass Mitarbeiter in diesem Rahmen ein Störungswissen, eine hohe Fachlichkeit, sowie institutionelle Unterstützung durch Supervision oder Angebote zur Psychohygiene benötigen. Teilhabe Die Teilhabe von Jugendlichen an den unterschiedlichen Lebensbereichen ist ein wichtiger Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung. In den Sozialisationsinstanzen Schule und Ausbildungseinrichtung erfolgt ein Kompetenzerwerb, welcher eine wichtige Grundlage für das spätere Erwerbsleben bildet. Zudem fallen in diesem Umfeld Entwicklungsaufgaben an: 49 die Vorbereitung auf den Beruf, die Ausbildung von Beziehungen zu Gleichaltrigen und einer ersten Partnerschaft. Vermutlich werden hier auch Kontakte geknüpft, aus denen sich Peer-Groups herausbilden können, welche wiederum wichtige Funktionen für die Entwicklung erfüllen. Insbesondere die Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung, aber auch die Instabilität im Bereich der Emotion und Identität führen zu „schlechte re n Startbedingungen“ der Jugendlichen in den Bezugssystemen (siehe Kapitel 2.4). Die Jugendhilfe kann einen Teil dieses Förderungsbedarfes sicherlich durch die Förderung der individuellen Kompetenzen (insbesondere der sozialen und kommunikativen, sowie die Strategien zur Problemlösung) auffangen. Dennoch bedarf es auch einer Anpassung der Bezugssysteme oder ihrer Rücksichtnahme auf die spezifischen Bedürfnisse der Jugendlichen. Adam und Peters sprechen sich für individualisierte Schulverhältnisse aus (beispielswe ise eine Schule für Erziehungshilfe), da dadurch die Bedingungen des Lernens abgestimmt werden können. Dies betrifft sowohl die Methodengestaltung, als auch die personelle Ausstattung (kleine Unterrichtsklassen), die Vernetzung und die Möglichkeiten einer Krisenintervention (vgl. Adam/Peters 2003, S.197). Um dem Integrationsgedanke n der Jugendhilfe gerecht zu werden sollten zunächst der Erhalt einer Beschulung an einer Regelschule und eine enge Kooperation angestrebt werden. Grundlage sind regelmäß ige Gespräche. Die Jugendhilfeeinrichtung stellt hierfür einen festen Ansprechpartner und informiert die Schule bei Bedarf über wichtige Themen des Jugendlichen. Die Lehrkräfte wiederum informieren die Betreuer bei Schwierigkeiten in der Schule. Halten diese Probleme an, sind gemeinsame Lösungswege zu finden (vgl. LVR/LWL 2008, S.19). Nach §35a Absatz 3 beziehen sich Leistungen der Eingliederungshilfe auch auf Hilfen im schulischen Bereich und jene der Ausbildung. 6 Die Familie bleibt auch in der Jugendphase eine wichtige Sozialisationsinstanz für Jugendliche, gleichzeitig findet ein Ablösungsprozess statt (die Bindungsqualität ändert sich), welcher die Autonomieentwicklung fördert. Die Borderline-typische Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen wird auch im Familienalltag deutlich: die Beziehungsgestaltung ist vermutlich schwierig, konfliktbesetzt und ambivalent (siehe Kapitel 2.4.6; 2.4.7). Vermutet wird zudem, dass zur Ablösung „ungünstige 6 Diese Ausführungen sind ebenfalls auf Ausbildungsbetriebe zu beziehen. Wenn folgend von einer Kooperation mit der Schule gesprochen wird, schließt diese auch Kooperationen mit Ausbildungsstätten mit ein. 50 Bindungsverhältnisse“ verarbeitet werden müssen (vgl. Günder 2011, S.240). Die Fachkräfte der Jugendlichen müssen hier ansetzen und mit den Eltern kooperieren (auch gefordert nach §27 Abs.1). Die Ausgestaltung der Elternarbeit kann hinsichtlich ihrer Zielsetzung und Form variieren, ist jedoch im Einzelfall nach der Bedarfslage des Jugendlichen auszurichten (ebd. S.241). Eine Kooperations- und Vertrauensbasis zwische n Fachkräften und Eltern vermittelt Jugendlichen zudem das Gefühl, dass die Eltern hinter den Entscheidungen und der pädagogischen Arbeit der Jugendhilfeeinrichtung stehen. (vgl. Adam/Peters 2003, S.224). Anliegen einer Elternarbeit könnte zunächst sein, die Zusammenhänge der familiären Krisen nachvollziehbar zu machen und ein erweitertes Problemverständnis zu erreichen (vgl. Adam/Peters 2003, S.218). Der Heimkontext ist (aktuell) für den Jugendlichen das primäre Bezugssystem. Er setzt sich zusammen aus den Verhaltensweisen der Betreuer, aus der Gruppendynamik und aus den institutionellen Rahmenbedingungen der Einrichtung (vgl. Natho 2015, S.240). Die Gruppe stellt dabei einen „Lebens- und Erfahrungsort“ dar, welcher hohe Anforderungen an die einzelnen Jugendlichen stellt, der aber auch soziales Lernen ermöglicht (vgl. Dimmig/Spä th 1986, S.170). Literarische Erörterungen zu den Auswirkungen der Symptomatik auf die Gruppendynamik gibt es keine, das Klima der Lebensqualität der Einrichtung wird aber als Wirkfaktor benannt. Wesentlichen Einfluss auf eine günstige Entwicklung hat auch das Erziehungsklima und die Qualität der Beziehung zwischen Jugendlichen und Betreuern (vgl. Wolf 2007 S.39; Lösel/Bender 1994 in Bengel u.a. 2009, S.39). Die Einbindung der Jugendlichen in Vereine und eine Kooperation ermöglicht Kontakt zu Gleichaltrigen und Teilhabe. Hierauf kann in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden. Personelle Rahmenbedingungen Aus der spezifischen Symptomlage der Bordeline-Persönlichkeitsstörung ergeben sich besondere Bedarfslagen der Jugendlichen, welche eine entsprechende Fachlichkeit der Betreuer voraussetzen. Dies wurde bereits im Zusammenhang mit der Beziehungsgestaltung erläutert, soll aber aufgrund des bedeutenden Einflusses auf die Persönlichkeitsentwicklung (Jugendhilfe-Effekt-Studie) genauer erläutert werden (siehe Kapitel 3.2.3). Denner fasst vier Arten von Kompetenzen zusammen, die Fachkräfte im Umgang mit psychisch kranken Kindern und Jugendlichen, als notwendig betrachten: • „Sachkompetenz …“ 51 • „Methodenkompetenz …“ • „Teamkompetenz … “ • „Selbstreflexionskompetenz und Psychohygiene“ (Denner 2008, S.292) Das Verfügen über Sachkompetenz bedeutet Kenntnisse über die Symptomatik, Ausprägung und den Verlauf psychischer Störungen zu besitzen und das pädagogische Handeln und die Beziehungsgestaltung entsprechend auf die Bedarfe des Kindes abstimmen zu können. Dies beinhaltet beispielsweise die Eigenständigkeit, das Beziehungs-Bedürfnis und die Notwendigkeit zusätzlicher Hilfen einschätzen zu können. Dabei orientieren sich die Betreuer an dem Individuum und greifen in der Beurteilung auf das Wissen eben typischer Verhaltensweisen, und Beziehungsmuster von psychischen Störungen zurück (vgl. Denner 2008, S.292). Sachkompetenzen verhelfen zu einem Umgang mit Jugendlichen, der sich durch Reflexivität, adäquates Reagieren und Handlungsfähigkeit auszeichnet. Mit Methodenkompetenz Kompetenzen beschreibt durch zusätzliche Denner die Qualifizierung Ausweitung und Fortbildung. der methodisc he n Hierzu gibt es unterschiedliche Angebote, von therapeutischen Strategien (beispielsweise die DBT-A) bis hin zur kreativen Techniken (Theaterpädagogik), welche die pädagogische Arbeit bereichern können. Nicht ersetzbar ist das wesentliches Medium der sozialpädagogischen Arbeit: die „reflektierte Beziehungsgestaltung im Alltag“ (Denner 2008, S.294) – im Sinne eines Beziehungsangebots, welches die darin erfahrbaren Erlebnisse kommunizierbar macht (ebd. S.294). Die Arbeit mit psychisch kranken Kinder und Jugendlichen zeichnet sich durch die Zusammenarbeit mit Fachkräften anderer Professionen aus (ebd. S.294). Diese Zusammenarbeit erfordert Kommunikationskompetenzen, Motivation, Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen des eigenen Leistungsangebotes, sowie jenes der Bezugssysteme und eine Selbstreflexivität (vgl. Dulle 2011, S.166). Die Fähigkeit zur Selbstreflexion ist in der Arbeit mit psychisch kranken Kindern und Jugendlichen wesentlic h und eine Grundkompetenz in der Jugendhilfe. Auch Professionelle bringen ihre frühere n Bindungsmuster in die Beziehung zu den Jugendlichen mit ein, dadurch können auch sie zu interaktionellen Konfliktmustern beitragen. Fachkräfte müssen demnach ein reales Bild von sich selbst, ihrer eigenen Beziehungsgestaltung haben (vgl. Stemmer-Lück 2004, S.229) und eigene Anteile an Beziehungskonflikten reflektieren können. Diese beiden Kompetenzen sind auch vor dem Hintergrund der Spaltungstendenzen („gute“ und „böse“ Betreuer) der 52 Jugendlichen mit einer BPS wesentlich, die eine Aufarbeitung im Team voraussetzt, um eine tatsächliche Spaltung zu vermeiden (vgl. Girnth 1995, S.162). Fachkräfte brauchen in der Arbeit mit Jugendlichen mit einer BPS Geduld, Vertrauen in die eigenen professionellen Fähigkeiten, Kraft und Motivation, welche Erlebnisse des VerletztWerdens und der Enttäuschung überstehen. Auch eine stabile Persönlichkeit, sowie die Fähigkeit zur flexiblen Gestaltung von Beziehungen sind gefordert (vgl. Adam/Peters 2010, S.144; Natho 2002, S.228). Adam und Peters berichten, dass insbesondere solche Bezugspersonen von Ehemaligen positiv in Erinnerung behalten wurden, die sich durch klares und strukturierendes Handeln, der Ausrichtung an pädagogischen Grundsätzen und Werten und durch Verstand und Lebensfreude auszeichneten (vgl. Adam/Peters 2003, S.143f.). Institutionelle Rahmenbedingungen Laut der Jugendhilfe- Effekt-Studie spielen strukturelle Rahmenbedingungen der Einrichtung eine bedeutende Rolle. Als förderlich bezeichnet wurden insbesondere ein breites Leistungsspektrum, eine klinische Orientierung (vgl. Schmidt 2002 S.545). Unter der klinischen Ausrichtung werden psychotherapeutische, heilpädagogische und diagnostische Maßnahmen beschrieben (vgl. Macsenaere 2002 S.109). Inwieweit diese über die Einrichtung, im Gruppenalltag oder durch Kooperation ermöglicht werden, wurde nicht benannt. Eine Kooperation mit der KJP ist in diesem Rahmen denkbar und aus bereits beschriebenen Gründen erforderlich. Dabei sollten die Art der Zusammenarbeit und gemeinsame Ziele zu Beginn der Hilfsmaßnahme abgestimmt werden (Schmidt 2012 in Schmidt 2014 S.30). Ebenso sind die Einstellung und das Vorbereiten auf Krisensituatio ne n und der Umfang des Einbezugs der KJP in diesem Konzept frühzeitig erforderlich (vgl. Schmid 2014, S.29f.). Die Einschätzungen zur Geeignetheit der Betreuungssettings für seelisch behinderte Jugendliche gehen auseinander. Aus diesem Grund fordern einige für Jugendliche mit einer seelischen Behinderung kleine, gut strukturierte und mit einem guten Betreuungsschlüsse l versehene Einrichtungen (vgl. Girnth 1995, S.163). Andere Autoren sehen keinen Unterschied zwischen der Erziehungs- und Eingliederungshilfe, da in beiden Hilfefor me n eine Beteiligung, Integration und Orientierung an der individuellen Bedarfslage umgesetzt werden. Daraus ergeben sich auch keine Besonderheiten für die Betreuung von Jugendlic he n 53 mit einer BPS (vgl. Blumberg/Apitzsch 1995, S.164f.). Wiederum andere Autoren favorisieren borderline-spezialisierte Betreuungssettings und schreiben ihnen Vorteile zu (vgl. Schmid 2008, S.202). Adam und Peters plädieren für flexible Betreuungssettings, im Sinne einer auf den Einzelfall angepassten Betreuungsstruktur, welche es ermögliche n, Ressourcen des Jugendlichen oder seines Umfeldes besser zu nutzen. (vgl. Adam/Peters 2003, S.21f.). Für Letzteres sprechen die Befunde der Jugendhilfeforschungen, welche ein großes Leistungsangebot der Einrichtungen, sowie die Passung der Struktur zu den Bedarfen des Jugendlichen als positiven Wirkungsaspekt begreifen (siehe Kapitel 3.2). Die Fachkräfte sind in der Jugendhilfe zahlreichen Belastungen ausgesetzt. Dies ergibt sich beispielsweise aus der gemeinsamen Aufarbeitung von traumatischen Erlebnissen der Jugendlichen oder der Übertragung krisenhafter Beziehungsmuster auf die BetreuerJugendlichen-Beziehung. Die Einrichtung sollte für ihre Mitarbeiter Möglichkeite n bereithalten, um diese Belastungen zu verarbeiten und zu minimieren. Der Erwerb von Fachwissen oder die professionelle Anleitung können solche Möglichkeiten darstelle n. Teambesprechungen dienen der Entlastung, dem Austausch und der gemeinsamen Reflexio n und wirken sich auf die Zufriedenheit und Handlungsfähigkeit der einzelnen Fachkräfte aus. Entscheidend ist dabei eine offene Kommunikation, sowie eine akzeptierende Grundhaltung unter Kollegen (vgl. Denner 2008, S.295f.). In der Supervision sind die Besprechunge n durch eine professionelle, meist externe Fachkraft angeleitet und können sich auf einen konkreten Fall oder auf das Team beziehen. Dadurch kann das pädagogische Handeln distanzierter und ohne einen sofortigen Druck zu Handeln reflektiert werden (ebd. S.297). Die Hilfeplanung ist ein wichtiger Bestandteil der Jugendhilfe. Im Rahmen dieser gilt es die psychische Störung sozialpädagogischen auf mehreren Bedarfslage Ebenen mitzudenken: und bei der Ermittlung dem Förderungsbedarf in Schule der oder am Ausbildungsplatz (vgl. Schmid 2014, S.29f.). Eine Kooperation mit allen Beteiligten auf Augenhöhe trägt zum Gelingen der Hilfemaßnahmen bei. Ein gemeinsam erarbeitetes Verständnis der psychischen Störung, sowie Arbeitshypothesen sind hierfür erforderlic h (vgl. Breithaupt-Peters/Dufner 2012, S.375). 3.3.2 Darstellung entwicklungsfördernder Lebensbedingungen Die Zusammensetzung der entwicklungsfördernden Lebensbedingungen ergibt sich aus der theoretischen Auseinandersetzung im vorherigen Kapitel unter Rückbezug auf die dargestellten Studien. 54 In der Betreuung von Jugendlichen mit einer BPS sind stabilisierende Elemente wichtig. Diese sind abhängig davon, was das Individuum als Stressor empfindet. Voraussetzung ist also zunächst eine Art Diagnose. Zur Stabilisierung beitragen können beispielsweise die Reduzierung des Unterrichts, die Elternarbeit, die Alltagsstrukturierung, eine Kontextstabilität und „sichere Orte“. Die Kooperation mit der KJP und eine Professionalitä t der Betreuer dienen der Vorbeugung einer Krise und gleichzeitig einem adäquaten und schnellen Reagieren im Falle einer Krise. Die qualitative Beziehungsgestaltung zu den Fachkräften stellt eine weitere entwicklungsfördernde Lebensbedingung dar. Für Jugendliche mit einer BPS ergibt sich darin die Chance auf eine korrigierende Bindungserfahrung. Die Ausgestaltung der Beziehung muss sich an den Bedürfnissen des Jugendlichen orientieren. Im handelnden Tun kann Vertrauen und Beziehung aufgebaut werden, zusätzlich bedarf es einer gewissen Beziehungskonstanz. Die Bezugsperson muss sich durch eine hohe Fachlichke it auszeichnen: fachliches Wissen und Handeln ist ebenso bedeutend wie eine positive Grundhaltung und die persönliche Eignung. Wirksamkeitsforschungen in der Jugendhilfe haben die Qualität der pädagogischen Beziehung als wesentlichen Faktor für den Verlauf der Hilfe ausgemacht. Entwicklungsförderlich wirkt auch eine Alltagsstrukturierung. Eine solche Strukturier ung kann sich auf den Tags- und Wochenablauf beziehen und auf die Gruppenstruktur allgeme in. Sie sollte eine Normalität und Orientierung bieten und weder überfordern, noch zu viel Leerlauf bieten. Klare Strukturen, die zur Orientierung verhelfen sind ein wichtiger Indikator für eine günstige Entwicklung der Jugendhilfemaßnahme. Zudem sollten Fachkräfte im pädagogischen Alltag auf mögliche verzerrte Wahrnehmungen und Denkweisen achten und ihnen in angemessener Art und Weise realistischere Bilder entgegensetzen. Die Kategorie Kompetenzerwerb umfasst eine Reihe von entwicklungsförder nde n Lebensbedingungen. Dazu gehört es, Situationen für Erfolgserlebnisse zu ermögliche n. Diese können im pädagogischen Alltag, durch Erschließung neuer Interessens- und Lebensbereiche (Vereine) oder durch die Umgestaltung bisheriger Bezugssyste me ermöglicht werden. Wichtig ist es zudem, Interessen und Ressourcen (besonders personale und soziale) des Jugendlichen freizulegen und zu fördern. Die Entwicklung neuer angemessener Verhaltensweisen, sowie Wertvorstellungen können Jugendliche unter Anleitung im sozialpädagogischen Alltag erreichen: an konkreten Situationen können unangemessene Verhaltensweisen oder Werte hinterfragt und es kann gemeinsam nach 55 Alternativen gesucht werden. Ebenso ist eine bewusste Inszenierung über Medien und einer Auseinandersetzung damit möglich. Die Verbesserung der sozialen und emotiona le n Kompetenzen, ebenso wie der Problem- und Bewältigungsstrategien ist in soziale n Situationen und Anforderungen des Gruppenalltags in Begleitung der Fachkräfte möglic h und für die Jugendlichen wichtig. Als weitere entwicklungsfördernde Lebensbedingung können eine therapeutische Behandlung und damit verbundene Psychoedukation gesehen werden. Der Umgang mit selbstverletzendem Verhalten sollte ein Mittelmaß zwische n Zuwendung und Routine darstellen. Hierdurch können eine Reihe der von Bender und Lösel beschriebenen personalen Ressourcen freigelegt und gefördert werden, welche sich nachweislich positiv auf die Entwicklung auswirken. Die Ausrichtung auf eine Symptomreduktion und den Aufbau von Ressourcen wird ebenfalls als positiver Wirkfaktor angesehen. Weitere entwicklungsfördernde Lebensbedingungen fallen unter die Kategorie Teilhabe. Eine enge Kooperation mit der Schule, welche bei Bedarf individuelle Lösungswege zur Beschulung der Jugendlichen anstrebt, ist ideal. Sollte dies nicht möglich sein, können Alternativen (wie die Schulen für Erziehungshilfe) in Betracht gezogen werden. Eine Elternarbeit ist wesentlich und auch für den Jugendlichen von großer Bedeutung. Die inhaltliche und formale Ausgestaltung sollte sich vorranging an dem Bedarf des Jugendlichen ausrichten. Die Netzwerkarbeit, sowie die Unterstützungsleistungen zur Beziehungsgestaltung des Jugendlichen mit seinen Eltern gelten als förderliche Wirkfaktoren. Gute schulische Leistungen stellen Schutzfaktoren in der Persönlichkeitsentwicklung dar. Einen Einfluss hat auch der Heimkontext. Ein förderlich erlebtes Erziehungsklima gilt als Schutzfaktor, die Lebensqualität in der Einrichtung als Wirkfaktor. Personelle Rahmenbedingunge n können den Entwicklungsverlauf eines Jugendlic he n wesentlich beeinflussen. Eine hohe Fachlichkeit ist in der Bedarfsorientierung, der Beziehungsgestaltung, sowie der Arbeit in interdisziplinären Teams gefragt. Fachkräfte sollten sich durch Sach-, Methoden-, Team- und Selbstreflexionskompetenz, sowie der Fähigkeit zur Psychohygiene auszeichnen. Zusätzlich spielen ihre Stabilität, Lebensfreude und ihre Grundhaltung gegenüber den Jugendlichen eine entscheidende Rolle. Eine hohe Fachlichkeit in pädagogisch-therapeutischen Interaktionen stellt einen positive n Einflussfaktor auf die Entwicklung dar. 56 Einen Einfluss auf die Entwicklung der Jugendlichen mit einer BPS haben auch die strukturellen Rahmenbedingungen. Eine zu sozialpädagogischen Ansätzen ergänzende klinische Orientierung ist förderlich und in ihrem positiven Einwirken belegt. Die klinis c he Ausrichtung kann unterschiedlich vorliegen und erfordert eine Kooperation mit der KJP. Wie die Betreuungssettings bestmöglich gestaltet sind, im Sinne der Gruppengröße, dem Betreuungsverhältnis und dem Betreuungssetting, wird unterschiedlich beurteilt und kann daher nur auf Vor- und Nachteile untersucht werden. Flexible Betreuungssettings können als entwicklungsförderlich angesehen werden. Dafür spricht auch der Wirkfaktor der Passung/Geeignetheit der Jugendhilfemaßnahme für den Jugendlichen, sowie des großen Leistungsspektrums. Die Betreuungspersonen brauchen Qualifizierungs- und Entlastungsangebote: dazu gehören im Minimum Fortbildungen, Teamsitzungen und Supervision. 3.3.3 Darstellung der Vergleichskriterien Stabilisierende Elemente sind in der Betreuung von Jugendlichen mit BPS wichtig. Diese können jedoch sehr vielseitig sein und können nicht aus einer Konzeption herausgele se n werden, weshalb diese nicht als Prüfkriterien fungieren. • Fachlichkeit und Grundhaltung der Betreuer Die Fachlichkeit (Qualifizierung + Eignung) der Betreuungspersonen, sowie ihre Haltung bezogen auf psychische Störungen und das Menschenbild werden als Kriterium abgefragt. Eine innere positiv eingestellte Haltung zu einer psychischen Störung beeinflusst den pädagogischen Umgang und sollte in der Arbeit mit Jugendlichen mit einer BPS vorlie ge n. Das spezifische Störungsbild der BPS erfordert eine hohe Fachlichkeit, damit pädagogische s Handeln zielführend ist und wirksam werden kann. • Beziehungsgestaltung Dieses Kriterium erfasst das Betreuungsverhältnis in der Jugendhilfeeinrichtung, also wie viele Jugendliche von einem Betreuer begleitet werden. Daraus kann auch abgelesen werden, wie die Beziehungskonstanz zu den Jugendlichen gestaltet ist. Weiterhin soll in diesem Kriterium auch mitgedacht werden, ob Jugendliche in diesem Rahmen korrigiere nde Bindungserfahrungen erleben können. Aus der Darstellung der entwicklungsförderlichen Lebensbedingungen wird deutlich, dass 57 Jugendliche mit einer BPS eine gewisse Konstanz zu den Bezugspersonen und die Betreuungspersonen eine hohe Fachlichkeit benötigen, um korrigiere nde Bindungserfahrungen zu ermöglichen. • Alltagsstrukturierung Dieses Kriterium erfasst die Strukturierung des Alltags und des pädagogischen Handelns. Eine Strukturierung kann durch fixe Tagespunkte (z.B. gemeinsames Essen), Regeln (z.B. Bettgehzeiten) und Anforderungen (z.B. Putzdienste) erfolgen. Für Jugendliche mit einer BPS ist eine solche Strukturierung mit dem Ziel der Ermöglic hung von Orientierung, Entlastung und Sicherheit wesentlich. Dennoch bedarf die Strukturier ung auch einen individuellen Spielraum, um Krisen und Eskalationen zu vermeiden. • Unterstützungsleistungen zum Kompetenzerwerb Hierunter fallen alle Unterstützungsangebote, die sich direkt auf das Individuum beziehen und auf seine Weiterentwicklung zielen. Dazu gehören solche zur Symptomreduktion und zur Ressourcenförderung Der Bedarf für Jugendliche mit einer BPS ergibt sich hier insbesondere aus dem Einzelfa ll. Die Jugendhilfeeinrichtung muss hierfür personelle und strukturelle Kapazitäten bereithalten, welche für Symptomreduktion, Kompetenzerweiterung und eine Ressourcenorientierung geeignet sind. • Klinische Orientierung und Kooperation mit der KJP Dieses Kriterium fragt nach dem Vorliegen und der inhaltlichen Ausgestaltung der Kooperation zu einer KJP. Eine therapeutische Begleitung der Jugendlichen kann durch einen externen, einen der Einrichtung angegliedertem Therapeuten erfolgen oder als Leistungsangebot im Pädagogischen- und Gruppenalltag integriert sein. Ebenso werden in diesem Kriterium Absprachen zur Krisenintervention erfasst, sowie die psychiatrische/psychologische Anleitung des Betreuungspersonals. Eine klinische Ausrichtung, im Sinne therapeutischer, heilpädagogischer und diagnostisc her Hilfeleistungen, unterstützt die Entwicklung von Jugendlichen mit BPS positiv. Inwieweit und zu welchem Zeitpunkt Jugendliche mit einer BPS eine psychiatrische Beratung brauchen und möchten ist einzelfallabhängig. Möglichkeiten, um diese möglichst zeitnah zu installieren, müssen von der Einrichtung angestrebt werden. Im Falle einer akuten Krise (akute Selbst- oder Fremdgefährdung) muss die Möglichkeit zur befristeten Aufnahme in 58 die KJP bestehen. Die fachliche Unterstützung aus psychologischer und psychiatrisc he r Sichtweise (durch Fortbildung, Supervision, einen Fachdienst) ist in der Arbeit mit Jugendlichen mit einer BPS induziert und wesentlich. • Kooperation mit den Eltern und der Schule Dieses Kriterium fragt nach Art und Umfang der Kooperation mit der Herkunftsfamilie, sowie der Schule des Jugendlichen. Eine fachliche Begleitung der Beziehungsgestaltung zu den Eltern ist für Jugendliche mit BPS wichtig. Zur bestmöglichen schulischen Förderung bedarf es einer engen Absprache mit der Schule, bezogen auf den individuellen Förderbedarf und dessen Umsetzung in beiden Bezugssystemen. • Unterstützungsleistungen der Einrichtung Unter diesem Kriterium werden institutionelle Rahmenbedingungen zusammengefasst, die die Arbeit mit psychisch kranken Jugendlichen positiv fördern können. Darunter falle n Entlastungs- und Fortbildungsangebote für Mitarbeiter, die Vernetzung und Kooperation mit anderen Bezugsorganisationen und flexible Betreuungsstrukturen. Jugendliche mit einer BPS haben spezifische Bedarfslagen, welche nicht alleine durch die Mitarbeiter aufgefangen werden können, sondern kontextueller Ressourcen bedürfen. 4. Der Blick in die Praxis: die Betreuung von Jugendlichen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung in unterschiedlichen Betreuungssettings Im Folgenden werden die Konzeptionen der sozialtherapeutischen Wohngruppe Nehren der Martin-Bonhoeffer-Häuser, die therapeutische Wohngruppe Cramergasse des STEP e.V. und die JuMeGa Gastfamilien auszugsweise dargestellt. Diese werden auf die gebildeten Kriterien bezogen und hinsichtlich des Vorliegens der entwicklungsfördernden Lebensbedingungen beurteilt. Abschließend folgt ein Vergleich dieser drei Betreuungssettings. 4.1 Die sozialtherapeutische Wohngruppe Nehren In der sozialtherapeutischen Jugendwohngruppe Nehren können sechs Kinder, Jugendliche und junge Volljährige bis zum 27ten Lebensjahr betreut werden (vgl. MBH … 59 2010, S.3f.). Die Wohngruppe soll als „gute[r] und verlässliche[r] Ort“ dienen, welcher eine soziale und pädagogische Betreuung beinhaltet und bei Bedarf durch therapeutische oder psychiatrische Angebote ergänzt wird (ebd., S.2). Die Aufnahme von Jugendlichen mit psychischen Störungen und einem hohen Hilfebedarf ist in maximal in drei Fällen möglic h und von der Gruppenkonstellation abhängig zu machen (ebd., S.5, 18). Rechtsgrundl a ge sind der §§ 27, 34, 35a und 41 SGB VIII (ebd., S.0). Die Fachlichkeit und Grundhaltungen der Betreuer: Die Mitarbeiter der Wohngruppe Nehren besitzen (überwiegend) eine sozialpädagogische Ausbildung und sollten über „personelle Qualitätsstandards“ verfügen. Diese beschreiben Fähigkeiten zur Ausbild ung belastbarer Beziehungen und ihre Nähe-Distanz-Gestaltung, zur Teamarbeit und Selbstreflexion und zur Anwendung fachlichen Wissens. Die Fachkräfte sind offen für Weiterbildungen, Supervision, sowie Schichtarbeit. Sie verfügen über ein ausgeprägtes Bewusstsein für Qualität und sind sensibel, belastbar, flexibel, zuverlässig und fähig zu Organisieren. Ihre Arbeit wird unterstützt durch die wöchentlichen Teambesprechungen, die regelmäßige Beratung durch den Fachdienst oder die Bereichsleitung, sowie durch Supervision (ebd., S.6). Die Grundhaltung der Betreuer orientiert sich an einem humanistischen Menschenbild, sowie der demokratischen Weltsicht. Sie respektieren und schätzen die Jugendlichen und ihre Familien; eine Ressourcenorientierung und die Förderung von Stärken sind dabei wesentlich (ebd., S.2). Die Mitarbeiter der Wohngruppe Nehren verfügen über eine sozialpädagogische Ausbildung und sind fachlich qualifiziert. Neben dieser fachlichen Eignung wird auch von einer persönlichen Eignung gesprochen: die Eigenschaften belastbar, sensibel und flexibel sollen vorliegen. Über das Verfügen von Hintergrundwissen zu psychischen Störungen, der damit verbundenen Symptomatik, ihre Ausprägung und deren Verlaufsmuste r, wird in der Konzeption keine Auskunft gegeben. Somit kann vermutet werden, dass eine solche spezifische Qualifizierung zunächst nicht vorliegt (oder nur im Rahmen des Grundwisse ns über unterschiedliche psychische Störungen) und eher im Einzelfall Wissen erworben wird (z.B. über den Fachdienst, die angegliederte Kinder- und Jugendpsychotherapeutin). Die beschriebene humanistische Orientierung, Wertschätzung und Ressourcenorientier ung stellen eine innere Haltung dar. Das Individuum wird in seiner Einzigartigkeit und mit seinen Stärken wertgeschätzt. Die Beziehungsgestaltung: Eine Begleitung der Jugendlichen erfolgt durch vier sozialpädagogische Fachkräfte. Diese werden unterstützt durch Anerkennungspraktikante n 60 (Jugend- und Heimerzieher) und duale Studenten (Soziale Arbeit) (ebd., S.6). Die Verantwortung für die Bedarfe und die Unterstützung des einzelnen Jugendlic he n übernimmt das Team gemeinschaftlich (ebd., S.8). In der Konzeption wird eine „erzieherische Auseinandersetzung“ beschrieben: Zuwendung und Verständnis sollen dem Jugendlichen entgegengebracht werden. Die Fachkräfte streben eine sichere Bindung zu den Jugendlichen an und ermöglichen darin Projektions- und Konflikterfahrungen (ebd., S.9). Das Betreuungsverhältnis in Nehren ist wohngruppen-typisch durch Schichtarbeit und damit durch einen Betreuungswechsel gekennzeichnet. Dadurch ist von einer geringeren, aber gewissen Beziehungskonstanz auszugehen. Dennoch stellen die Mitarbeiter der Wohngruppe Bindungspersonen dar und ermöglichen (im Zusamme nhang mit Fachlichke it und persönlicher Eignung) korrigierende Bindungserfahrungen (vgl. Schleiffer 2009, S.257). Die Alltagsstrukturierung: Der Tages- und Wochenablauf ist durch regelmäßige Aufstehund Essenszeiten, sowie vorgegebene Ausgangs- und Hausaufgabenzeiten strukturier t. Zusätzlich geben Aufgaben und Regeln, wie beispielsweise Putz- und Kochdienste einen Rahmen vor (ebd., S.8f.). Die Wohngruppe Nehren bietet Jugendlichen sowohl durch Verbindlichkeiten im Tagesablauf, als auch durch konkrete Aufgabenverteilungen und Regeln Orientierungspunkte. Da sich diese Vorgaben auf gewöhnliche Anforderungen im Alltag und ein Zusammenleben beziehen, kann davon ausgegangen werden, dass genüge nd Spielraum für die Verwirklichung individueller Interessen bleibt. Die Konzeption betont, dass es sich bei der Alltagsstrukturierung nicht um ein „starres Gebilde“ handelt, sondern auch individuellen Aushandlungen unterliegt (ebd., S.9). Damit erfüllt die Alltagsstrukturierung sowohl das Ziel der Orientierung und Entlastung, als auch des individuellen Spielraums, um unterschiedlichen Bedarfslagen gerecht zu werden und Krisen zu vermeiden. Der Kompetenzerwerb: Die Jugendwohngruppe Nehren zielt darauf ab, die persönliche n Stärken und die Hilfe zur Selbsthilfe zu fördern. Die Erarbeitung einer schulisc he n Perspektive und die Integration in das Schul- und Gemeinschaftsleben werden angestrebt und durch Hausaufgabenhilfe, Entwicklung Auswirkungen, sowie individuelle eines adäquaten Umgangs sowie die Milderung mit Fördermaßnahmen der psychischen realisiert. Störung von Entwicklungsdefiziten Die und ihren im emotionale n, psychosozialen, kognitiven und körperlichen Bereich werden unterstützt. Über das Erlernen 61 sozialer Kompetenzen im Gruppenkontext, sowie die Anbindung in Freizeitvereine wird zudem die soziale Integration in die Gesellschaft sowie die Übernahme von Verantwortung für das eigene Verhalten gefördert (vgl. MBH … 2010, S. 3f., 9f.). Aus dieser Beschreibung wird eine Ressourcenorientierung, sowie die Kompensation von Entwicklungsverzögerungen erkennbar. Gleichzeitig sollen alterstypische Fertigkeite n ebenso wie der Umgang mit der psychischen Störung erlernt werden. Eine Unterstützung im Alltag im Wohngruppenkontext ist ebenso gegeben, wie die Förderung und Anbindung in anderen Lebensbereichen (Schule/Freizeit). Es ist davon auszugehen, dass hierfür genüge nd personelle und strukturelle Möglichkeiten der Realisierung zur Verfügung stehen. Die Kooperation mit der KJP: Die, der Einrichtung Jugendtherapeutin bietet ein Diagnoseverfahren, zugehörige, Beratungsgespräche Kinder- und und eine „psychotherapeutische Krisenintervention“ an. Auch externe psychotherapeutische Angebote unterschiedlichster Art (beispielsweise Gestalt- oder Verhaltenstherapie) können bei Bedarf genutzt werden (ebd., S.15). Weiterhin besteht eine Zusammenarbeit mit der KJP in Tübingen und ein Beratungsangebot für die Sozialpädagogen durch den therapeutisc he n Fachdienst (ebd., S.15, S.7). Strukturelle und personelle Ressourcen für eine psychiatrische Begleitung der Jugendlic he n sind somit durch die internen und externen Möglichkeiten vorhanden. Dadurch kann eine psychiatrische Unterstützung nach Bedarf und zeitnah angestrebt werden, lange Wartezeite n bei externen Fachkräften könnten beispielsweise durch die einrichtungsinterne Kinder- und Jugendtherapeutin aufgefangen werden. Hervorzuheben ist auch die Möglichkeit der Krisenintervention. Inwieweit die Zusammenarbeit mit der KJP eine begrenzte, stationäre Krisenintervention ermöglicht bleibt unklar. Die Beratung der Mitarbeiter durch den Fachdienst könnte dazu dienen, dass die Betreuer an psychiatrischem und psychologisc he m Fachwissen gewinnen, Verhaltensweisen aus unterschiedlichen Perspektiven deuten können und dadurch zusätzliche eigene Handlungsmöglichkeiten gewinnen. Die Kooperation mit der Schule, den Eltern und dem Arbeitgeber: Eine gute Kooperation mit Institutionen im schulischen, auszubildenden und beschäftigenden Bereich wird angestrebt. Diese beinhaltet die Abstimmung des Förderbedarfs, die Festlegung von Zusammenarbeitsformen, regelmäßigen Informationsgesprächen, begleitende Hilfen und die Teilnahme an Schulveranstaltungen (ebd., S.11f). Lern- und Motivationsangebote erfolge n im Gruppenalltag und bei Bedarf sind individuelle Fördermaßnahmen möglich (ebd., S.10). Die Elternarbeit hat zum Ziel die Eltern als Bezugspersonen zu stärken, einen Konsens über 62 die pädagogische Arbeit zu finden, die Beziehung zwischen Familie und Jugendliche n, sowie familiäre Erziehungsbedingungen zu klären und fördern. Zur Verwirklichung erfolge n regelmäßige Gespräche, die Unterstützung des Jugendlichen in der Kontaktpflege, die Planung gemeinsamer Eltern-Kind-Aktivitäten, die Vor- und Nachbereitung von Heimfahrten, Hausbesuche durch die Mitarbeiter und die Teilnahme der Eltern bei Festen, sowie ihre Mitwirkung bei wichtigen Entscheidungen. Im Einzelfall kann dies durch Gruppen und Trainings für Eltern (ebd., S.12f.) oder das Modul der „intensive[ n] (systemische[n]) Eltern- und Familienarbeit“ (MBH … 2002, S.18) ergänzt werden. Eine gute schulische Begleitung besteht somit sowohl im Wohngruppenleben (Hausaufgabenhilfe, Vorbereitung auf Arbeiten), sowie im Schulalltag (Erkennen Förderbedarf, Informationsgespräche). Individuellen Bedarfen kann durch zusätzlic he Unterstützungsleistungen, als auch die Anpassung der schulischen Rahmenbedingunge n begegnet werden. Dies ist aus den IZL-Beschreibungen zur „besonderen Förderung im schulischen und Ausbildungsbereich“ zu entnehmen/ interpretieren (ebd. S.20). Die Elternarbeit der Wohngruppe Nehren umfasst die fachliche Begleitung und Verbesserung der Eltern-Kind-Beziehung und -Kommunikation, fördert die Mitwirkung der Eltern im Hilfeprozess und kann bezogen auf den Einzelfall weiter ausgebaut werden (Modul Elternarbeit). Die Unterstützungsleistungen der Einrichtung: Die Einrichtung der Martin- BonhoefferHäuser unterstützt die Betreuer der Wohngruppe Nehren durch eine extern geleistete Supervision, externe und interne Fortbildungsangebote und den fachlichen Austausch, sowie Verfahren zur Qualitätsentwicklung. Eine vernetzende Zusammenarbeit erfolgt sowohl innerhalb der Einrichtung (z.B. Bereichsbesprechungen), als auch außerhalb (z.B. Projektgruppen). Eine Vernetzung und Kooperation mit Jugendämtern, Institutionen im Stadtteil, der Hochschule und der KJP ist ebenfalls gegeben (ebd., S.6f.). Das zweite Leistungsmodul kann für Jugendliche mit einer psychischen Störung ergänzend beantragt werden und umfasst zusätzliche Leistungen, die den Symptomen und einer individuelle re n Beziehung gerecht werden. Ebenso können im Hilfeplan individuelle Zusatzleistungen (IZL) vereinbart werden, welche „therapeutische, heilpädagogische und sozialpädagogische“ Angebote, eine intensivere Elternarbeit oder eine spezielle Förderung in schulischen und ausbildungstechnischen Belangen beinhalten können (ebd., S.18-20). 63 Die institutionellen Rahmenbedingungen der Martin-Bonhoeffer-Häuser halten zahlreic he Entlastungs- und Qualifizierungsangebote für die Mitarbeiter der Wohngruppe bereit. Die Vernetzungen im Stadtteil und mit wichtigen Kooperationspartnern ermöglichen einen leichteren Zugang zu Ressourcen. Ergänzende IZL, sowie Module ermöglichen es, den individuellen Bedürfnissen der Jugendlichen mit entsprechenden Angeboten gerecht zu werden. Fachlich ausgebildete und durch die Einrichtung unterstützte WohngruppenMitarbeiter, sowie kontextuelle Rahmenbedingungen bieten die Möglichke it individuelle Bedarfslagen erfüllen zu können. Welches Betreuungssetting (Gruppengröße, Betreuungsverhältnis und -art) für Jugendlic he mit BPS am Förderlichsten ist kann nicht gesagt werden. Dies ist insbesondere zurückzuführen auf die herausfordernde Beziehungsgestaltung, in welcher zu viel Nähe für sie ebenso schwer auszuhalten ist wie zu viel Distanz (siehe Kapitel 2.4.7). Die Wohngruppe Nehren entspricht in ihrem Betreuungssetting jenem der in der Literatur beschriebene n Wohngruppen. Die Vorteile in dieser Betreuungsform liegen in der Fachlichke it, Professionalität und der kollegialen Beratung. (vgl. Fachgruppe Erziehungsstellen der IGFH, 2004, S.49). Nachteile ergeben sich aufgrund der Organisationsmerkmale: das Leben in einer größeren Gruppe (mit anfangs fremden Personen), der Betreuerwechsel aufgrund des Schichtdienst, weniger Einzigartigkeit zugunsten einer Gleichbehandlung der Jugendlic he n und die Gefahr der Stigmatisierung (vgl. Freigang/Wolf 2001, S.91-102). 4.2 Die therapeutische Wohngruppe Cramergasse Die therapeutische Wohngruppe Cramergasse stellt eine Übergangseinrichtung der Jugendhilfe dar, welche eine pädagogische und therapeutische Betreuung anbietet. Sie nimmt acht Jungen und Mädchen im Alter von 13 bis 18 Jahren nach einer stationären (oder bei ambulanter) Behandlung in der Kinder- und Jugendspsychiatrie auf, wenn diese zunächst einer Wiedereingliederung bedürfen (vgl. STEP … 2002, S.2f.). Voraussetzungen für eine Betreuung in der Wohngruppe Cramergasse ist eine Schul-, Arbeits- und Gruppenfähigke it, die Mitarbeit der Eltern und die ambulante Begleitung durch einen psychiatrisc he n Fachdienst (ebd., S.4-6). Angaben über zugrundeliegende Rechtsnormen bestehen keine. Die Fachlichkeit und Grundhaltungen der Betreuer: Die Prüfung der pädagogische n Vorgehensweise und der Methoden geschieht im Team in Form von Reflexion und kollegialer Beratung, ebenso wie der Supervision (ebd., S.6). Der therapeutische Fachdienst berät das Team. Regelmäßige Fortbildungen sind gefordert (ebd. S.8). Die Grundhaltung des 64 Betreuungspersonals soll sich durch eine „ganzheitliche Sichtweise des Individuums innerhalb seines gesellschaftlichen Kontextes“ (STEP … 2002, S.2) auszeichnen. Darunter fällt die Annahme, dass Jugendliche nach Autonomie und gleichzeitig nach einer Zukunftsperspektive, im Sinne eines „Platzes in der Gesellschaft“ streben (ebd.). Die Betreuer arbeiten nach einem Betreuungsplan und orientieren sich in ihrem Handeln an einem dynamischen Konzept, welches äußere Rahmenbedingungen, die verbalen Äußerungen und die Verhaltensweisen der Jugendlichen als Zusammenspiel versteht (ebd. S.6). Daraus kann geschlussfolgert werden, dass die Fachkräfte in ihrer Ausbildung und praktischen Tätigkeit über sozialpädagogisches Grundwissen und Handlungskompetenz verfügen. Weiter können über Supervision, die Begleitung des Fachdienstes und Fortbildungen allgemein, sowie störungsspezifische Kenntnisse der Umgang mit BPS im Alltag erlernt und reflektiert werden. Auf die persönliche Eignung können in diesem Rahmen keine Rückschlüsse gezogen werden. Dennoch ist von einer hohen Fachlichkeit und auch psychologischem auszugehen, da und psychiatrischen Wissen dieses Jugendhilfeangebot eine Übergangseinrichtung zur Wiedereingliederung ist. Insofern kann von einem (zusätzlichen) fachlichen Schwerpunkt (in Supervision, im Fachdienst + den Fortbildungen) auf spezielle Bedarfe der Jugendlichen ausgegangen werden. Zudem beeinflusst ihre ganzheitliche Sichtweise und die Wahrnehmung der Umweltbedingunge n den Umgang mit den Jugendlichen positiv. Die Beziehungsgestaltung: Die Jugendlichen in der Cramergasse werden von fünf pädagogischen Fachkräften betreut, welche durch eine Haushaltskraft und einen Fachhochschul- oder Sozialpädagogik-Studenten unterstützt werden (ebd., S.8). In der Wohngruppe wird nach einem Bezugsbetreuersystem gearbeitet. Dies beinhaltet einen Einzelkontakt einmal pro Woche (2h) zwischen Bezugsbetreuer und Jugendlichen. Zudem ist der entsprechende Betreuer zuständig für die Zusammenarbeit mit der Schule/ dem Arbeitgeber, den therapeutischen Fachkräften und der Kooperation mit den Eltern (ebd., S.67). Das Betreuungsverhältnis ist durch die wohngruppen-spezifische Schichtarbeit gekennzeichnet von einem Wechsel an Bezugspersonen, andererseits schafft die Zuordnung zu einem festen Betreuer eine gewisse Beziehungskonstanz. Hervorzuheben ist der wöchentliche Einzelkontakt, der dem Jugendlichen exklusive Zeit mit „seinem 65 Betreuer“ gibt und durch seine Regelmäßigkeit unter Umständen einen sicheren Bezug schaffen kann. Eine offene Frage bleibt, wie die Zuordnung von Jugendlichen zu den Bezugsbetreuern erfolgt und ob diese immer gelingend sein kann, sollte diese vom Team vorgegeben sein. Zu Bedenken gilt auch, dass der Umgang mit und die Verantwortung für einen Jugendlichen mit einer BPS meist eine Herausforderung darstellt und die Bezugsperson dafür geeignet sein sollte. Diese Eignung hängt von der Persönlichkeit, der Fachlichkeit und den Grundhaltungen der Betreuer ab. Die Fachlichkeit und Beziehungskonstanz ermöglichen den Jugendlichen korrigierende Bindungserfahrungen. Es gilt zu beachten, dass die Wohngruppe Cramergasse eine (in der Regel) auf zwei Jahre befristete Jugendhilfeform darstellt, woraus sich ein Beziehungsabbruch oder eine Veränderung dieser (Nachbetreuung) nach dieser Zeit ergibt. Die Alltagsstrukturierung: Über die Alltagsstrukturierung werden keine konkreten Angaben gemacht. Regelmäßige Termine stellen der wöchentliche Einzelkontakt (ebd., S.6), sowie gemeinsame Gruppenaktivitäten dar (ebd., S.7). Zudem erfolgt die Bewirtschaftung in der Wohngruppe gemeinschaftlich (ebd.). In diesem Zusammenhang kann eine gewisse Alltagsstruktur vermutet werden. Dies ergibt sich aus dem Schulbesuch (ablesbar aus der Voraussetzung der Beschulbarkeit), sowie regelmäßigen Betreuungskontakten und Gruppenaktivitäten. Sowie aus der gemeinschaftlichen Bewirtung, die Vorgaben oder Absprachen zu gemeinsamen Mahlzeite n und Verteilungen eines Spüldienstes und des Einkaufs implizieren. Aussagen zur Angemessenheit der Strukturierung und darüber, ob genügend individueller Freiraum vorhanden ist, können nicht gemacht werden. Der Kompetenzerwerb: Jugendliche werden in der Betreuung in ihren personalen und sozialen Fähigkeiten gefördert. Es erfolgt die Erarbeitung einer Perspektive hinsichtlic h Beschulung und Beruf, sowie die Unterstützung beim Erwerb lebenspraktischer Fähigkeite n und die Verbesserung der Fähigkeit zur Freizeitgestaltung (ebd., S.4). Weiter wird die Auseinandersetzung mit der psychischen Störung, der gesellschaftlichen Realität und Konflikten in der Familie angestrebt. Weiter Hilfeleistungen beziehen sich auf die Autonomieentwicklung und die individuelle therapeutische Begleitung (ebd., S.6). In der konzeptionellen Beschreibung wird erkennbar, dass sowohl der Erwerb alterstypisc her als auch störungsspezifischer Kompetenzen angestrebt wird. Dies ist abzulesen aus der Beschreibung „Auseinandersetzung mit der psychischen Störung“. Beispielsweise könnte 66 mit dem Jugendlichen erarbeitet werden, in welchen Situationen er besonders emotiona l reagiert oder welche Strategien bei emotionaler Anspannung hilfreich sind, um einer möglichen Selbstverletzung vorzubeugen. Mit der Förderung sozialer und personaler Kompetenzen geht vermutlich auch eine Ressourcenorientierung einher, diese wird in der Konzeption aber weniger betont, der Schwerpunkt scheint mehr auf der Autonomie Entwicklung (und dem Ausgleich von Entwicklungsdefiziten) zu liegen. Die Kooperation mit der KJP: Die Konzeption der Wohngruppe Cramergasse zielt auf eine enge Kooperation mit den psychiatrischen Fachärzten, an welche die Jugendlic he n angebunden sind. Zudem erfolgt ein regelmäßiger fachlicher Austausch mit der KJP Nürnberg (ebd., S.6). Über den therapeutischen Fachdienst können „Einzel- und Familientherapien“, sowie Angebote für Gruppen eingeholt werden (Pro Woche und Jugendlichem zwei Stunden) (ebd., S.8). Es kann davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter durch diese Anbindung an psychiatrischem und psychologischen Fachwissen gewinnen, Verhaltensweise n möglicherweise (zusätzlich) aus einer anderen Perspektive bewerten können und dadurch in einigen Situationen in der Praxis mehr Handlungsspielraum besitzen. Offen bleibt ob die Kooperation zur KJP auch eine zeitlich begrenzte, aber flexible stationäre Kriseninterventio n ermöglicht. Zu beachten gilt auch, dass die Anbindung an einen psychiatrischen Facharzt eine Aufnahmevoraussetzung ist. Insofern stellt diese auch ein Ausschlusskriterium dar für Jugendlichen, die trotz vorherigem stationären Aufenthalt (noch) nicht bereit für eine ambulante fachliche Begleitung sind. Die Kooperation mit den Eltern, der Schule und dem Arbeitgeber: Der Kontakt zu Schule und Arbeitgeber erfolgt über den Bezugsbetreuer (ebd., S.6). Ist die Schulfähigke it nicht gegeben, können alternativ in einem individuellen, befristeten Förderangebot solche Kompetenzen erworben werden (vgl. STEP … 2002, S.5). Der Bezugsbetreuer leistet auch die monatlichen und (für die Personensorgeberechtigten) verpflichtenden Elterngespräc he. Eltern werden dadurch in die Betreuung mit einbezogen, Erwartungen werden formulier t und der Verlauf der Betreuung, sowie der Elternkontakte reflektiert. Weiterhin werden Seminare und Nachmittag für Eltern veranstaltet, Hausbesuche angestrebt, gemeinsa me Aktionen mit den Jugendlichen und die Angebote zur Teilhabe am Gruppenlebe n (beispielsweise über das Wochenende) organisiert. Im Bedarfsfall kann auch eine Familientherapie erfolgen. 67 Somit besteht auch im schulischen Bereich die Möglichkeit individuellen Bedarfslage n durch ein alternatives Angebot gerecht zu werden. Die Ausgestaltung dieses Förderangebots zu kennen wäre spannend hinsichtlich von Exklusions- und Inklusionsüberlegunge n. Inwieweit eine Veränderbarkeit der Schule oder des Ausbildungsplatzes möglich ist, wird nicht klar. Die Wohngruppe Cramergasse leistet eine intensive Elternarbeit. Eine fachlic he Reflexion der Beziehung zwischen Eltern und Jugendlichem ist ebenso gegeben, wie die Mitwirkung, Teilhabe und der Austausch mit anderen Eltern. Die Verpflichtung der monatlichen Elterngespräche kann ebenfalls zu einem Ausschlusskriterium werden für solche Familien, die dazu nicht in der Lage sind oder der Hilfemaßnahme negativ gegenüberstehen. Die Unterstützungsleistungen der Einrichtung : Die Einrichtung „STEP e.V.“ bietet regelmäßige Fortbildungen, Teambesprechungen, Supervision und die Begleitung durch einen Fachdienst an (ebd., S.8). Zudem ermöglicht sie „flexible ambulante Betreuungsformen“, die auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt werden und zeitgleich zur stationären Betreuung, sowie im Anschluss daran in Anspruch genommen werden können (ebd., S.7). Die institutionellen Rahmenbedingungen von STEP e.V. bieten den Mitarbeitern der Cramergasse Entlastungs- und Qualifizierungsangebote. Ebenso ermöglichen sie auf den individuellen Hilfebedarf abgestimmte Betreuungssettings. Somit können auch in diesem Jugendhilfeangebot spezifische Bedarfslagen der Jugendlichen durch kontextuell geeigne te Settings, als auch durch gut ausgebildetes und unterstütztes Fachpersonal aufgefange n werden. Wie beschrieben kann schwer beurteilt werden, welche Gruppengröße und Beziehung zu Betreuern für Jugendliche mit einer BPS förderlich sind. Die therapeutische Wohngruppe Cramergasse ähnelt in gewissem Maße dem Modell der Intensivgruppe, durch eine stärker therapeutische Orientierung, sowie ihre Ausrichtung auf einen „Wiedereingliederungsbedarf“ und somit einem zusätzlichem Entwicklungsbedarf der Jugendlichen. Ihr Setting ist Wohngrupppen-typisch. Dadurch ergeben sich für die therapeutische Wohngruppe Cramergasse dieselben Vor- und Nachteile wie für die Wohngruppe Nehren. Hinzu kommen die Vor- und Nachteile einer Intensivgruppe. Die Vorteile sind in einer kleineren Gruppengröße, einer höheren Personalausstattung und einer spezifischen Weiterqualifizierung der Mitarbeiter zu finden (vgl. Knuth 2013, S.145). In der 68 Cramergasse liegt vermutlich letzteres vor. Nachteilig ist hier die Gefahr der Vernachlässigung von Ressourcen und Fähigkeiten, sowie eine erhöhte Stigmatisierungsgefahr (vgl. Blumenberg/Apitzsch 1995, S.165). 4.3 JuMeGa Gastfamilien JuMeGa bietet für „besonders entwicklungsbeeinträchtigte und seelisch behinderte ältere Kinder, Jugendliche und … junge Volljährige“ (JuMEGa … 2011 S.4) die Betreuung in einer Gastfamilie an, welche von einem Fachdienst begleitet wird. In diesem Jugendhilfeangebot werden die „Alltagskompetenz der Gastfamilien mit der professionelle n Kompetenz des JuMeGa Fachdienstes“ verbunden (ebd., S.12). In der Regel wird ausschließlich ein Jugendlicher in eine Gastfamilie aufgenommen (vgl. JuMeGa … 2011, S.11). Voraussetzung hierfür ist der Wunsch des Jugendlichen in eine Familie zu dürfen, seine Geeignetheit und das Ausgeschlossen-Sein der Rückkehr in die Herkunftsfamilie (ebd., S.6). Die rechtliche Grundlage stellen §33 in Verbindung mit §35a SGB VIII dar. Die Fachlichkeit und Grundhaltungen der Betreuer: Die Gasteltern benötigen keine professionelle Ausbildung, sie werden durch den Fachdienst hinsichtlich ihrer Aufgabe der Vollzeitpflege eingeschätzt (Gespräch, Hausbesuch, Teamreflexion) und vom Jugendamt genehmigt (ebd., S. 7f.). Sie werden durch die Mitarbeiter des Fachdienstes begleitet, zu Beginn in einem wöchentlichen Hausbesuch und durch Telefonate. JuMeGa hebt die familiären Ressourcen zur Lebensbewältigung, sowie die Alltagskompetenz der Gasteltern hervor (ebd. S.7,9). Jährlich findet ein Fachtag für die Gastfamilien statt (ebd., S.13). Der Fachdienst setzt sich aus Sozialpädagogen und Sozialarbeitern zusammen, eine „kollegia le Supervision“ findet einmal die Woche statt, monatlich kommt eine weitere Supervision mit einer externen Supervisorin hinzu (ebd., S.5). Die Fachkräfte sind jederzeit (in Form der privaten Telefonnummer) erreichbar (ebd., S.9, 12). Die Haltung der Fachkräfte beschreibt eine Wertschätzung des Individuums in seiner Einzigartigkeit und die Achtung der Verschiedenartigkeit von Menschen mit Behinderungen als Bereicherung für das Leben (Leitbild der Arkade zietiert durch JuMEGa … 2011, S.1). Über das fachliche (sozialpädagogisches) Grundwissen und Kenntnisse zu psychische n Störungsbildern der Gasteltern kann keine Aussagen gemacht werden – sie können vorliegen, müssen aber nicht. Die Gasteltern greifen im Familienleben auf ihre Alltagskompetenz und eigene Ressourcen zurück. Professionelles Fachwissen kommt ihnen in Form der Begleitung durch den Fachdienst zu. Es ist denkbar, dass dadurch in Form von 69 Beratungsgesprächen und Telefonaten eine Reflexion des Erziehungsalltags stattfinde t, sowie die Sichtweise und die Handlungsmöglichkeiten erweitert werden können. Vorsichtig zu betrachten sind, im Zusammenleben mit Jugendlichen mit BPS, die Häufigkeit der Beratungsgespräche, welche nur zu Beginn jede Woche stattfinden und später auf nur monatliche Gespräche reduziert werden können. Positiv zu bewerten ist hingegen die „Rund um die Uhr Erreichbarkeit“ der Fachkräfte und die Möglichkeit, in Krisen zwei bis drei Beratungsgespräche pro Woche einzufordern. Dadurch können Gasteltern in Krisenzeite n oder bei Konflikten schnell fachliche Hilfe/Rückmeldung einholen. Über die Grundhaltung der primären Bezugspersonen (Gasteltern) wird in der Konzeption keine Auskunft gegeben. Es kann vermutet werden, dass die Familie den jungen Menschen mit ihren Eigenheite n positiv gegenübersteht, da sie sich für die Aufnahme eines Jugendlichen mit einer psychischen Störung entschieden haben. Es ist Aufgabe des Fachdienstes falsche Motive, im Sinne des Strebens nach finanzieller Bereicherung, einer Bewerberfamilie zu erkennen und diese entsprechend nicht als Gastfamilie anzuerkennen (Die Aufnahme eines Jugendlic he n mit psychischer Störung in eine Gastfamilie wird mit dem vierfachen des übliche n Pflegesatzes vergütet.) (vgl. JuMEGa … 2011, S.14 ). Die Beziehungsgestaltung: Die Gastfamilien-Form kann sehr unterschiedlich ausfalle n, Lebensgemeinschaften sind ebenso möglich wie Teilfamilien (ebd., S.7). Jede Familie betreut einen Jugendlichen (ebd., S.11). Die Zuteilung erfolgt durch den Fachdienst, eine bestmögliche Passung wird hier angestrebt und dabei wird besonders auf die Familienstruktur, das Beziehungsverhältnis, die Alltagsgestaltung, die Werte und das soziale Umfeld geachtet und dies mit den Bedarfen des Jugendlichen verglichen (vgl. 8f.). Durch Mitarbeiter des Fachdienstes erfolgen monatliche bis wöchentliche Hausbesuche und Telefonate (ebd., S.5, 12). Das Gastfamilienmodell von JuMeGa ist durch eine enge Betreuung durch konstante Bezugspersonen gekennzeichnet (den Gasteltern oder einem Elternteil). Es besteht also eine hohe Bezugskonstanz. Zudem handelt es sich um eine familiäre Unterbringung: die Gasteltern übernehmen eine fürsorgliche Elternrolle und keine Berufsrolle, Versorgung und das gemeinsame Erleben stehen hier im Vordergrund (vgl. Trede 2014, S.22). Schwierigkeiten einer solch engen Betreuung können emotionale Verstrickungen darstelle n (ebd.), die sich aufgrund des fehlenden Abstandes und der ambivalenten Verhaltensweise n der Jugendlichen mit BPS (Idealisierung und Abwertung) ergeben (siehe Kapitel 2.4.7). Als entwicklungsförderliche Lebensbedingung für Jugendliche mit BPS wurde eine hohe 70 Fachlichkeit der Mitarbeiter beschrieben. Diese Fachlichkeit ist im Falle der Gasteltern nicht unbedingt vorhanden (was eine persönliche Eignung und gute Erziehung nicht ausschließt), zudem besteht die Gefahr der emotionalen Verstrickung. Es ist fraglich und vermutlic h einzelfallabhängig, ob in diesem Rahmen korrigierende Bindungserfahrungen möglich sind. Die Alltagsstrukturierung: ist in der Konzeption nicht beschrieben. Sie wird sich vermutlich durch die familiäre Alltagsgestaltung, die Gewohnheiten und Bedürfnisse der Familienmitglieder ergeben. Im Rahmen der Aufnahme könnte es, je nach Familie, auch zur Aushandlung kommen, welche Gewohnheiten und Regeln beibehalten werden oder für alle gelten. Die Strukturierung ergibt sich hier auf dem Familiensetting und der gelebten „Normalität“ (Trede 2014, S.22). Der Kompetenzerwe rb: Die Einbindung in der Familie ermöglicht es dem Jugendlic he n Normalität freigelegt zu erfahren, und gefördert dadurch sollen „Entwicklungspotenziale“ des Jugendlic he n werden. Jugendliche sollen verpasste, auch kindlic he, Entwicklungen nachholen und emotional reifen. Die familiären, zwischenmenschlic he n Beziehungen ermöglichen eine Lernumgebung, in welcher der zwischenmenschlic he Umgang geübt werden kann. Zudem wird unmittelbare Konsequenz auf das Verhalten durch gleichbleibende Bezugspersonen erfahrbar (ebd., S.9f.). In der Familie können die individuellen Bedarfe der Jugendlichen flexibel aufgefangen werden (ebd., S.9). Der Familienalltag stellt somit einen besonders geschützten Rahmen und eine intensive Begleitung dar, wodurch individuelle Kompetenzen erworben und Entwicklungsdefizite aufgeholt werden können. Die enge Betreuung ist somit eine Ressource, die insbesondere den Kompetenzerwerb in hohen Maße ermöglicht. Fraglich bleibt jedoch, inwieweit auf spezifisch und mit der BPS zusammenhängende Bedürfnisse oder Bedarfslagen eingegange n werden kann, da hierüber ggf. kaum Wissen vorliegt. Ein solches könnte aber über den Fachdienst, sowie der Beratung durch die KJP, vermittelt werden. Die Kooperation mit der KJP: Die Kooperation zu der KJP in der Region wird durch den Fachdienst geleistet. Hierüber sind Kriseninterventionen und Beratungen aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht möglich (ebd., S.14). Eine Kooperation zur KJP liegt demnach vor. Inwieweit dadurch eine psychiatrisc he/ therapeutische Behandlung für einen Jugendlichen zeitnah erreicht werden kann, bleibt unklar. Positiv hervorzuheben ist die stationäre Krisenintervention, die über den Fachdienst organisiert werden kann und in einigen Krisenfällen auch als Entspannung und Entlastung 71 für Gastfamilie und Jugendlichen dienen kann. Die Möglichkeit der Beratung aus kinder und jugendpsychiatrischer Sicht ermöglicht die fachliche Unterstützung der pädagogische n Gastfamilien-Arbeit. Die Kooperation mit der Schule, den Eltern und dem Arbeitgeber: Der Fachdienst übernimmt die Kooperation mit den Lehrkräften, sowie die Suche und Vermittlung der Schul- und Ausbildungsplätze. Alle organisatorisch anfallenden Aufgaben in diesen Bereichen werden von den Sozialarbeitern durchgeführt (ebd., S.13). Auch die Zusammenarbeit mit den Herkunftsfamilien wird über den Fachdienst geleistet. Diese beginnt im Vorfeld der Unterbringung, strebt eine vertrauensvolle Beziehung an und wertschätzt die Eltern in ihrer primären Elternrolle. Weiterhin erfasst die Elternarbeit die regelmäßige Information der Eltern über die Entwicklung des Jugendlichen, die Vermittlung bei Konflikten und bei Bedarf die Begleitung von Umgängen oder Besuchen bei der Gastfamilie. Die Fachkräfte sind für die Herkunftseltern jederzeit telefonisch erreichbar (ebd., S.13). Vermutlich ist eine Hausaufgabenbegleitung, sowie eine Prüfungsvorbereitung im Gastfamilienalltag oder in Form von Nachhilfeangeboten abgedeckt. Zudem können bei Bedarf über den Fachdienst zusätzliche schulische Unterstützungsmaßnahmen per IZL organisiert werden. Dadurch kann von einer sehr individuellen, auf die konkreten Bedarfe des Jugendlichen abgestimmten Unterstützung im schulischen Bereich ausgegangen werden. Eine Zusammenarbeit mit den Eltern ist in diesem Jugendhilfesetting gegeben. Sie wird nicht durch die primären Bezugsbetreuer, sondern den Fachdienst geleistet. Eine Vertrauensbas is, sowie die Teilhabe der Eltern scheint besonders wichtig – dies ist daraus zu schließen, dass Eltern jederzeit den Fachdienst kontaktieren können und Besuchskontakte bei den leiblic he n Eltern, aber auch bei der Gastfamilie zu Hause stattfinden. Die Reflexion von familiä re n Konflikten, sowie die Arbeit an der Beziehungsgestaltung zwischen Jugendlichen und Eltern wird nicht erwähnt. Unterstützungsleistungen der Einrichtung: Wesentliches Unterstützungselement ist der beschriebene Fachdienst und im Einzelfall der Austausch mit der KJP. JuMeGa bietet zusätzlich einen jährlichen Fachtag an (ebd., S.13). Weitere Qualifizierungsangebo te bestehen nicht. Ergänzt werden kann die Unterbringung in den Gastfamilien durch IZL und Integrationsleistungen. IZL umfassen Auszeiten für den Jugendlichen in Form einer erlebnispädagogischen Leistung oder der begrenzten Betreuung in einer anderen Gastfamilie. Ebenso können Hilfen durch Patenfamilien und schulische 72 Unterstützungsmaßnahmen geleistet werden. Integrationsleistungen beschreiben die zeitlic h befristete Begleitung eines Jugendlichen im Rahmen der Rückkehr in die Herkunftsfamilie oder der Verselbstständigung (ebd., S.15). JuMeGa bietet mit den intensiven Zusatzleistungen und den Integrationsleistungen die Möglichkeit individuelle Settings für spezifische Bedarfe zu formen. Durch die oben bereits erwähnte flexible Möglichkeit der Inanspruchnahme des Fachdienstes kann dieses Jugendhilfesetting spezifischen Bedarfslagen durch die individuelle Gestaltung der Hilfe gerecht werden. Unterstützungs- und Qualifizierungsangebote bestehen in den oben beschriebenen Formen und könne flexibel ausgelegt werden. Da das Gastfamilien-Modell in seinem Betreuungssetting einer Vollzeitpflege entspricht, sind die Vorteile (wie teilweise erwähnt) in den konstanten Bezugspersonen, dem geschützten familiären Rahmen und der „Normalität“ zu finden. Nachteile, die sich aus dieser Nähe und Präsenz der Bezugspersonen ergeben, sind emotionale Verstrickungen und weniger Ressourcen im Umgang mit einer Krise (vgl. Trede 2014, S.22). – letzteres kann jedoch teilweise durch den Fachdienst aufgefangen werden. 4.4 Vergleich der drei Betreuungssettings Etwas zugespitzt formuliert zeichnen sich die Wohngruppe Nehren durch eine starke Bedarfsorientierung, die therapeutische Wohngruppe Cramergasse durch eine Bedarfsorientierung und eine klinische Orientierung und die Gastfamilie JuMeGa durch Beziehungsarbeit aus. Die Betreuungssettings der Wohngruppe Cramergasse und Nehren zeichnen sich beide durch eine hohe Fachlichkeit aus. Ihre Teams setzen sich zusammen aus sozialpädagogisc h ausgebildeten Fachkräften, regelmäßige Supervision und Fortbildungen sind in beiden Einrichtungen gefordert. Beide Teams werden durch einen therapeutischen Fachdienst beraten, ob dies regelmäßig oder nur bei Bedarf geschieht, ist den Konzeptionen nicht zu entnehmen. In der Wohngruppe Cramergasse kann eine zusätzliche fachliche Ausrichtung hinsichtlich psychologischem und störungsspezifischem Wissen, aufgrund ihres Klientels und der therapeutischen Ausrichtung, vermutet werden. Die Gasteltern im JuMeGa Modell besitzen nicht unbedingt eine sozialpädagogische Qualifizierung, dies wird aber teilweise durch eine Qualifizierung des Fachdienstes kompensiert. 73 Die Beziehungskonstanz ist in der Gastfamilie JuMeGa, aufgrund der festen Bezugspersonen (den Gasteltern) am höchsten. Danach folgt die Wohngruppe Cramergasse, die dem durch Schichtarbeit bedingten häufigen Betreuungswechsel wöchentliche Einzelkontakte und die Bezugsbetreuung entgegensetzt. Nach zwei Jahren erfolgt jedoch ein Abbruch oder eine Beziehungsveränderung, da diese Jugendhilfe nicht für die Dauer gedacht ist. Am geringsten ist die Beziehungskonstanz in der Wohngruppe Nehren, aufgrund des Schichtwechsels und keiner festen Bezugsbetreuung, sowie keiner fest eingeplante n Einzelkontakte. Aber auch hier ist von einer (wenn auch geringeren) Konstanz auszugehe n, da die vier hauptamtlichen Mitarbeiter die Jugendlichen durchgängig und über einen längeren Zeitraum hinweg betreuen. Dem Thema der Mitarbeiter-Fluktuation kann in diesem Rahmen nicht nachgegangen werden, dies wird deshalb nicht miteinbezogen. Zudem können über das IZL-Modul für psychisch erkrankte Jugendliche Einzelkontakte organisiert werden. Inwieweit eine sehr enge Betreuung oder eher mittelmäßige Konstanz zu Bezugsperso ne n (Familie/Wohngruppe) für Jugendliche mit einer BPS geeignet und förderlich ist, kann nicht beurteilt werden. Eine Konstanz zu Bezugspersonen ist jedoch Voraussetzung für den Aufbau einer Beziehung und somit auf korrigierende Bindungserfahrungen. Die Beziehungsgestaltung kann demnach in der Wohngruppe Cramergasse als am „idealsten“ betrachtet werden (innerhalb der zwei Jahre), da sie der in den Kriterien formulierten Kombination aus Fachlichkeit und Beziehungskonstanz am ehesten gerecht wird und sich dadurch für die Jugendlichen Möglichkeiten auf korrigiere nde Bindungserfahrungen ergeben. Auch die Wohngruppe Nehren ermöglicht korrigiere nde Bindungserfahrungen, aufgrund ihrer Fachlichkeit und dem Vorliegen von Beziehungskonstanz, wenn auch in einem geringeren Maße als in den anderen beiden Jugendhilfesettings. Inwieweit korrigierende Bindungserfahrungen in der Gastfamilie JuMeGa möglich sind, bleibt fraglich, da hier zwar eine sehr hohe Konstanz aber möglicherweise wenig Fachlichkeit der primären Bezugspersonen (der Gasteltern) und die Gefahr der emotionalen Verstrickung vorliegen. Vermutlich ist das Erleben von korrigierenden Erfahrungen stark abhängig von der Persönlichkeit der Gasteltern (, Konflikt und Reflexionsbereitschaft, Einfühlungsvermögen, Erholungsmöglichkeiten…) und der Persönlichkeit des Jugendlichen (bisherige Erfahrungen, Verhaltensweisen, Ängste…). Lediglich in der Konzeption der Wohngruppe Nehren wird die Alltagsstrukturie rung explizit benannt. Die Struktur besteht aus Regelmäßigkeiten im Tages- und Wochenablauf, sowie Aufgaben und Regeln. Gleichzeitig wird ihr Aushandlungscharakter benannt. 74 Demnach schafft diese Strukturierung Orientierung und Verlässlichkeit und kann gleichzeitig auf individuelle Bedarfslagen angepasst werden. Sie entspricht somit diesem Kriterium und wird zu einer entwicklungsfördernden Bedingung. Die Alltagsstrukturier ung in der Wohngruppe Cramergasse wird kaum beschrieben, regelmäßige und verpflichte nde Termine deuten aber auf eine Struktur hin. In der JuMeGa Gastfamilie kann von einer der Familie eigenen Tagesstruktur ausgegangen werden, welche sich durch ihre Normalitä t auszeichnet. Unterstützungsleistungen zum Kompetenzerwerb werden in den Konzeptionen der Wohngruppe Nehren und Cramergasse ausführlich beschrieben. Ein bewertender Vergleic h ist hier, aufgrund des nicht-spezifischen Kriteriums und Unterschieden der Konzeptionen in ihrer Ausführlichkeit schwierig. Der Vergleich unterliegt deshalb auch Interpretationsspielräumen. Die Förderungen der Wohngruppe Nehren erscheint geeignet: Unterstützt werden Jugendliche in ihrer Entwick lung hinsichtlich dem Erwerb alterstypischer Fähigkeiten, als auch einen geeigneten Umgang mit der BPS und/ oder damit auftretenden Symptomen. Eine Förderung erfolgt sowohl im Wohngruppenalltag, als auch in anderen Bezugssystemen und ist auf den individuellen Bedarf ausgerichtet. Eine Ressourcenorientierung wird ebenso deutlich, wie die Kompensation von Entwicklungsverzögerungen. Auch in der Wohngruppe Cramergasse werden Jugendlic he in dem Erlernen unterschiedlicher Fähigkeiten, sowie im Umgang mit den Symptomen der BPS begleitet. Die Ressourcenorientierung ist vermutlich gegeben, wird aber weniger deutlich erwähnt. Die Formulierung lässt eine stärkere Ausrichtung auf den Förderbedarf (Entwicklungsdefizite) vermuten. Die Gastfamilie JuMeGa zeichnet sich durch eine Bedarfsorientierung und den geschützten Rahmen aus, durch welche Kompetenzerwe rb, sowie der Ausgleich von Entwicklungsdefiziten möglich sind und flexibel unterstützt werden können. Ein adäquater Umgang bzw. das Auffangen störungsspezifisc he r Verhaltensweisen und Bedarfslagen ist aufgrund des fehlenden Fachwissens möglicherwe ise erschwert, könnte aber durch die fachliche Begleitung und die mögliche Beratung durch die KJP teilweise kompensiert werden (beispielsweise der Umgang mit selbstverletzende m Verhalten). Alle drei Betreuungssettings verfügen über eine Kooperation mit der KJP. Dennoch beschreibt nur JuMeGa die stationäre Krisenintervention in der KJP als eine Möglichkeit, in den anderen beiden Konzeptionen wird darüber nichts geschildert. Im Vergleich der beiden Wohngruppen wird deutlich, dass in beiden Settings die Möglichkeit zur therapeutisc he n 75 Begleitung der Jugendlichen besteht. In der Wohngruppe Nehren liegen diese intern und extern über Kooperationen vor und werden bedarfsorientiert genutzt, in der Wohngruppe Cramergasse ist sie vorausgesetzt. Beide können auf einen therapeutischen Fachdienst zur Beratung zurückgreifen, jener der Wohngruppe Cramergasse steht mit einer hohen Stundenanzahl pro Woche zur Verfügung und bietet therapeutische Maßnahmen in einem Gruppen- und Einzelsetting an. Besonders hervorzuheben ist für die JuMeGa Gastfamilie n die mögliche Beratung durch die KJP bei spezifischen Fragestellungen. Wie günstig diese unterschiedlichen Strukturen für Jugendliche sind, ist vermutlich abhängig von der Ausprägung und Schwere ihrer BPS. Für Jugendliche mit einer sehr ausgeprägte n Symptomatik ist die stärker klinische Orientierung vermutlich passender, als für solche mit einer geringeren Symptomatik oder Schwierigkeiten in einzelnen Bereichen. Für sie könnte vermutlich auch die Anbindung in der Wohngruppe Nehren oder der Gastfamilie ausreiche n. Wichtig ist, dass die Kooperation mit der KJP und eine therapeutische Beratung in allen drei Betreuungsformen (wenn auch unterschiedlich ausgeprägt) vorliegen. Eine Kooperation mit der Schule wird in allen drei Betreuungssettings unterhalten. Auch kann in allen Jugendhilfemaßnahmen die Unterstützung im schulischen Bedarf an der individuellen Bedarfslage ausgerichtet werden. Am geeignetsten erscheinen die Ansätze der Wohngruppe Nehren und JuMeGa: Die Kooperation der Wohngruppe Nehren umfasst das Erarbeiten gemeinsamer Informationsgespräche und Ziele die und Teilnahme Kooperationsformen, an schulischen regelmäß ige Veranstaltunge n. Unterstützungsleistungen werden im Wohngruppenalltag erbracht und können auch in die schulischen Rahmenbedingungen (in Form von IZL) integriert werden, sie sind bedarfsorientiert. Auch die JuMeGa-Konzeption ermöglicht IZL im schulischen Bereich. In den Gastfamilien können schulische Bedarfslagen vermutlich sehr individuell und flexibe l aufgefangen werden. Die Konzeption der Wohngruppe Cramergasse beschreibt für fehlende Kompetenzen zur Beschulung ein alternatives Förderangebot, weiter beschrieben wird es jedoch nicht. Somit kann in allen Jugendhilfemaßnahmen die Unterstützung im schulisc he n Bedarf an der individuellen Bedarfslage ausgerichtet werden. Diese der Wohngruppe Nehren und der JuMeGa Gastfamilien setzen auch in der Schule selbst an und zielen vermutlic h darauf einen Verbleib an der Regelschule zu ermöglichen. Auf eine Kooperation mit den Herkunftseltern wird in allen Konzeptionen Wert gelegt. Diese der Wohngruppe Cramergasse und der Wohngruppe Nehren zeichnen sich durch ihre Vielfältigkeit und Bedarfsorientierung aus. Reflexion, Aufarbeitung und die Veränderung 76 der Beziehungsgestaltung zum Jugendlichen (Gespräche, Familientherapie) werden mit Teilhabemöglichkeiten der Eltern am Leben ihres Jugendlichen (Gruppenwochenende n, Aktivitäten) und Austauschmöglichkeiten mit anderen Eltern (Elternseminare) kombinier t. Die Wohngruppe Nehren bietet zusätzlich ein Modul der systemischen Elternarbeit an. Die monatlichen Gespräche sind für die Eltern der Jugendlichen der Wohngruppe Cramergasse verpflichtend. Die Zusammenarbeit des JuMeGa-Settings mit den Eltern ist besonders gekennzeichnet durch ein Vertrauensverhältnis (zum Fachdienst) und kann bei Konflik te n auf Krisengespräche und begleitete Umgänge ausgeweitet werden. Im Vergleich wird deutlich, dass sich die Elternarbeit der Wohngruppen durch ihre vielfältigen fachlic he n Angebote (Familientherapie, systemische Elternarbeit, Seminare) von jener des JuMeGaSettings unterscheidet. Diese kommen insbesondere auch den Eltern zu Gute. Die Ansätze der Wohngruppe Nehren erscheinen am Geeignetsten, da sie vielfältig und bedarfsorientiert sind und keine zwingende Verpflichtung für die Eltern darstellen, was auch ein Ausschlusskriterium darstellen kann. Unterstützungsleistungen der Einrichtung sind im Falle der Wohngruppe Nehren breit gefächert: Entlastungs- und Qualifizierungsleistungen, Vernetzung, IZL und ergänzende Module werden angeboten. Ein Modul bezeichnet „Intensivpädagogische Leistungen für Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen“ (MBH … 2002, S.18) und beinhalten symptombezogene Leistungen sowie Einzelkontakte zu Bezugspersonen. Die Einrichtung der Wohngruppe Cramer ermöglicht ebenfalls Entlastungs- und Qualifizierungsangebote und zusätzlich flexible Betreuungssettings. JuMeGA bietet einige Unterstützungs- und Qualifizierungsleistungen (Fachdient, KJP, Fachtage, IZL in einer anderen Gastfamilie), bleibt damit aber hinter jenen der Wohngruppen zurück. Die Einrichtung zielt auf passende, flexible Betreuungssettings. In unterschiedlichen Ansätzen können Jugendhilfeangebote durch Zusatzleistungen individuell ausgerichtet werden, welches in allen drei Betreuungssettings möglich ist. Der Unterschied der Wohngruppen zu der Gastfamilie liegt in den Angeboten zur Weiterbildung und Entlastung. Diese liegen in der Art und Zielsetzung der Betreuungsformen. Die Arbeit der Pflegefamilien sind nicht auf eine Fachlichkeit der primären Bezugspersonen ausgelegt – sie sollen in erster Linie als Persönlichkeiten auftreten und in privater Umgebung erziehen. Vor diesem Hintergr und 77 betrachtet bieten die Einrichtung JuMeGa vergleichsweise viel Unterstützungsleistung, insbesondere durch die bedarfsorientierte Beratung des Fachdienstes. 7 Zusammenfassend liegen in der Konzeption der Wohngruppe Nehren ein Großteil der geforderten Kriterien für die Betreuung von Jugendlichen mit einer BPS vor. Zu bemänge ln ist die vergleichsweise geringe Betreuungskonstanz. Hier wären eine Bezugsbetreuung und reguläre Möglichkeiten zu einem Einzelkontakt wünschenswert. Zusätzlich bedarf es einer Absprache und Planung mit der KJP bezüglich einer stationären Krisenintervention. Auch in der Konzeption der Wohngruppe Cramergasse werden die meisten der beschriebene n Kriterien erfüllt. Kritisch zu sehen bleibt der Beziehungsabbruch aufgrund der Ausrichtung als eine Übergangseinrichtung. Zu kurz kamen in der Beschreibung die Alltagsstrukturierung, die Ressourcenorientierung und die Kooperation in der Schule – wie diese in der Praxis inhaltlich vorliegen, wäre spannend zu erfahren. Der wesentlic he Unterschied zwischen der Wohngruppe Cramergasse und der Wohngruppe Nehren liegt in der stärkeren klinischen Orientierung der erstgenannten, sowie ihrer zeitlichen Begrenzung und Ausrichtung auf „Unterstützung zur Wiedereingliederung“. Auch das Gastfamilien-Modell von JuMeGa erfüllt die meisten Kriterien. Kritisch zu sehen ist hier insbesondere die Beziehungsarbeit, welche gleichzeitig den positiven Aspekt der hohen Bezugskonstanz erfüllt. Dennoch ist in der engen Betreuungsform in Kombinatio n mit der vermutlich nicht vorliegenden Fachlichkeit (im Sinne einer pädagogischen oder therapeutischen Ausbildung) die Gefahr der emotionalen Verstrickung erhöht, sowie die Chance auf korrigierende Bindungserfahrungen geringer. Diese Nachteile ergeben sich für die Betreuung von Jugendlichen mit BPS und aus ihren spezifischen Verhaltensweisen bzw. Bedarfslagen, weshalb diese Betreuungsform weniger geeignet erscheint. Dennoch ist sie für jene mit einer gering ausgeprägten Symptomatik und einer Weiterentwicklung im Anschlus s an andere Jugendhilfemaßnahmen denkbar. 4.5) Drei weiterführende Hypothesen In diesem Vergleich ist erkennbar, dass alle drei Betreuungssettings einen Großteil der Beurteilungskriterien (Beziehungsarbeit, Fachlichkeit + Grundhaltung der Betreuer, Alltagsstrukturierung, Unterstützung beim Kompetenzerwerb, Kooperation mit der KJP, 7 Bisher bestehen im Pflegekinderwesen wenige Standards. Häufig bestehen wenige Kapazitäten um Beratungs- und Unterstützungsleistungen, die über die Vermittlung, die Begleitung in Krisenzeiten und den Hilfeplangesprächen hinausgehen, zu ermöglichen (vgl. DJI 2011, S.453). 78 Kooperation mit der Schule/ Eltern, Unterstützungsleistungen der Einrichtung) erfüllen. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Qualität und Quantität dieser Leistungen, als auch hinsichtlich der Betreuungsformen, Ansätze und Schwerpunkte. Im Rahmen dieser theoretischen Ausarbeitung können drei Hypothesen zu Jugendhilfesettings und Jugendlichen mit einer BPS aufgestellt werden: • Übliche Wohngruppensettings können den spezifischen Bedarfen der Jugendlic he n mit BPS gerecht werden, sofern die Hilfestruktur offen für individuelle Anpassunge n ist, eine therapeutische Beratung der Mitarbeiter stattfindet und Kooperationsbeziehungen vorliegen • Spezifisch ausgelegte Jugendhilfesettings sind bei starker Ausprägung und Schwere der Borderline-Symptomatik geeignet • Pflegefamilien sind nur bei geringer Symptomatik oder nach einer deutliche n Weiterentwicklung im Anschluss an eine andere Jugendhilfemaßnahme denkbar Das Beispiel der Jugendwohngruppe Nehren veranschaulicht, dass ein Betreuungssetting für alle „Jugendhilfefälle“ offen sein und gleichzeitig individuellen Bedarfslagen der Jugendlichen mit einer BPS zu einem sehr großen Teil gerecht werden kann. Das Beispiel der Jugendwohngruppe Cramergasse zeigt spezialisierte Unterstützungsleistungen (Einze lund Gruppentherapie, psychologisches vorschulische Fachwissen Förderung) der Betreuer auf, und vermutlich was Jugendlichen ein mit zusätzlic h größeren Entwicklungsverzögerungen oder einer stärkeren Symptomatik zu Gute kommt. Das Beispiel der JuMeGa Gastfamilie verdeutlicht die Vorteile der Familienpflege, macht aber auch die Grenzen der Familienpflege im Umgang mit Jugendlichen mit BPS sichtbar. 5. Fazit Das Thema dieser Arbeit behandelte die Betreuung von Jugendlichen mit einer BPS in der stationären Jugendhilfe. Ziel dabei war es, günstige Entwicklungsbedingungen für Jugendliche mit einer BPS herauszuarbeiten und zu beurteilen, inwieweit stationäre Jugendhilfeeinrichtungen diesen entsprechen. Die Grundlagen im zweiten Kapitel beschreiben, dass die BPS ein sehr heterogenes Erscheinungsbild auszeichnet, bereits im Jugendalter als Verdachts-Diagnose gestellt wird und dass über Behandlung vermutlich eine Symptomreduktion erreicht werden kann. 79 Auffällige Verhaltensweisen können sich auch als ein Bewältigungsversuch belasteter Lebensbedingungen darstellen und sind somit kontextabhängig. Das Fallbeispiel der Lisa M. verdeutlichte diese Kontextabhängigkeit, sowie eine Veränderung von Entwicklungschancen über die Gestaltung des Kontextes. Im Jugendalter ergeben sich im Rahmen der Sozialisation, der Entwicklungsaufgaben und der Bindungsentwicklung spezifische Anforderungen und Veränderungen, mit denen Jugendliche umgehen müssen. Aufgrund der Symptomatik der BPS (den Instabilitäten im emotionale n, zwischenmenschlichen Bereich und bezogen auf die Identität) können sich zusätzlic he Herausforderungen und Schwierigkeiten, sowie verminderte Teilhabechancen für Jugendliche mit BPS ergeben. Diese sind abhängig von der Ausprägung der Störung, aber auch in besonderem Maße beeinflusst durch den sozialen Kontext und damit verbundene Ressourcen. Aus diesem Grund kommt den Betreuungssettings der stationären Jugendhilfe, im Falle einer Unterbringung dort eine wesentliche Bedeutung zu. Da keine Studien zu Jugendlichen mit BPS in der stationären Jugendhilfe bestehen, erfolgte die Ausbildung entwicklungsfördernder Lebensbedingungen über die Grundlagen in Kapitel zwei, den vorgestellten Betreuungs-Modellen und Studien zu Wirk- und Schutzfaktoren in der Jugendhilfe. Entwicklungsfördernde Lebensbedingungen für Jugendliche mit BPS sind: stabilisierende Elemente, eine gelingende Beziehungsgestaltung, welche Chancen auf korrigierende Bindungserfahrung ermöglicht und eine angemessene Alltagsstrukturierung. Darunter fallen auch die Ermöglichung von Erfolgserlebnissen, die Interessensförder ung, Rahmenbedingungen zum Erwerb alternativer Verhaltensweisen, Werte, Bewältigungsstrategien, eine therapeutische Behandlung und ein angemessener Umgang mit Selbstverletzungen (zusammengefasst unter Kompetenzerwerb). Unterstützungsleistung zur Teilhabe fördern die Persönlichkeitsentwicklung und sind insbesondere in einer Kooperation mit der Schule und den Eltern gefordert. Diesen entwicklungsfördernden konkreten Unterstützungsleistungen und der Gestaltung des pädagogischen Alltags liegen personelle (Fachlichkeit, persönliche Eignung) und strukturelle (klinische Orientierung, flexib le Betreuungssettings) Rahmenbedingungen zugrunde. Aus ihnen erfolgte die Ableitung der Beurteilungskriterien, anhand welcher die drei beschriebenen Konzeptionen hinsichtlic h ihrer Passung, sowie Geeignetheit für die Betreuung von Jugendlichen mit einer BPS verglichen wurden. Der Vergleich der Betreuungssettings ergab, dass alle drei die Mehrzahl der Kriterien erfüllen, sich aber hinsichtlich dieser Ausgestaltung deutlich unterscheiden Das Beispiel der 80 Wohngruppe Nehren verdeutlichte, dass auch nicht spezialisierte Wohngruppensettings der spezifischen Bedarfslage eines Jugendlichen mit BPS entsprechen können. Hierfür wesentlich ist ein großes Leistungsspektrum, welches nach Bedarf gestaltet werden kann (in Form von Individualität im pädagogischen Alltag, Modulen, IZL, Einzelkontakten). Ebenso sollte eine therapeutische Begleitung des Teams ermöglicht werden (Vermittlung von Kenntnisse über typische Verhaltensweisen, die Beziehungsgestaltung und möglic he Ursachen der BPS), um eine Reflexivität, eine Handlungssicherheit und ein adäquates Verhalten in der Arbeit mit diesen Jugendlichen zusätzlich zu unterstütze n. Kooperationsbeziehungen zur KJP und den Eltern sind wichtig, sollten frühzeitig angestrebt und auch auf Rückschritte des Jugendlichen vorbereitet sein. Die Vermittlung in Jugendhilfesettings, die stärker klinisch orientiert und spezifischer auf Jugendliche mit größeren Entwicklungsbedarfen ausgerichtet sind, kann für Jugendliche mit einer breiteren Ausprägung und tieferer Schwere der BPS sinnvoll sein. Denn hier sind die Fachkräfte entsprechend weiterqualifiziert und die Rahmenbedingungen (Therapieanbindung, therapeutische Angebote im Alltag) dafür ausgelegt (Beispiel Wohngruppe Cramergasse). Die Betreuung von Jugendlichen mit einer BPS birgt aufgrund Bezugspersonen und keiner (geforderten) der konstanten Fachlichkeit die Gefahr der emotiona le n Verstrickung und ist darum kritisch zu betrachten. Sie könnte im Einzelfall für Jugendlic he mit BPS passend sein, wenn die Symptomatik sehr gering vorliegt und die Familie dieser Aufgabe gewachsen ist. Die Schlussfolgerungen des bewertenden Vergleichs wurden bewusst als Hypothesen formuliert, da sie im Zusammenhang stehen mit der Schwerpunktlegung der Arbeit auf die Sozialisations-, Entwicklungs- und Bindungstheorie, sowie den vorgestellte n Betreuungsmodellen und Studien. Eine Passung des Betreuungssettings zu den Bedarfen des Jugendlichen muss im Einzelfall geprüft werden. Weiterhin bedarf es auch der vermehrte n reflexiven und empirischen Auseinandersetzung mit diesem Thema, um dem sozialpädagogischen Handeln fachliches Hintergrundwissen zugrunde zu legen. 81 Literaturverzeichnis Adam, A./Breithaupt-Peters, M. (2010): Persönlichkeitsentwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Ein integrativer Ansatz für die psychotherapeutische und sozialpädagogische Praxis. Kohlhammer. Stuttgart. 2., überarbeitete Auflage. Adam, A./Peters, M. (2003): Störungen der Persönlichkeitsentwicklung bei Kindern und Jugendlichen. Ein integrativer Ansatz für die psychotherapeutische und sozialpädagogische Praxis. Kohlhammer. 1. Auflage Ader, S. (2004): „Besonders schwierige“ Kinder: Unverstanden und instrumentalisiert. In: Fegert, J./Schrapper, C. (Hrsg.): Handbuch Jugendhilfe – Jugendpsychiatr ie. Interdisziplinäre Kooperation. Juventa. Weinheim und München. S.437-448. Ader, S. (2006): Was leitet den Blick? Wahrnehmung, Deutung und Intervention in der Jugendhilfe. Juventa. Weinheim und München. Ader, S./Schrapper, C. (2004): Sozialpädagogische Diagnostik als fallverstehende Analyse und Verständigung. Entwicklungslinien, Konzepte und Anforderungen. In: Fegert, J./ Schrapper, C. (Hrsg.): Handbuch Jugendhilfe – Jugendpsychiatrie. Interdisziplinär e Kooperation. Juventa. Weinheim und München. S.85-100. Ainsworth,M./Witting, B. (2008) 1969: Bindungs- und Explorationsverhalten einjähr iger Kinder in der Fremden Situation. In: Grossmann, K./ Grossmann, K. (Hrsg): Bindung und menschliche Entwicklung. John Bowlby, Mary Ainsworth und die Grundlagen der Bindungstheorie. Klett-Cotta. Stuttgart, 2. Auflage. S.112-145. Armbrust, M./Link, A. (2015): Borderline im Trialog. Miteinander reden – voneina nder lernen. Junfermann. Paderborn. Beck, N. (2016): Psychische Störungen und Jugendhilfe. In: Unsere Jugend. 68. Jg, H.6, S.252-262. Becker, P./Koch, J. (1999): Wenn Abweichungen definiert und behandelt werden sollen. Risiken der Therapeutisierung. In: ebd. (Hrsg.): Was ist normal? Normalitätskonstruktionen in Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie. Juventa. Weinheim und München. S.19-32. IV Bengel, J./ Meinders-Lücking, F./ Rottmann N. u.a. (2009): Schutzfaktoren bei Kindern und Jugendlichen – Stand der Forschung zu psychosozialen Schutzfaktoren für Gesundheit. Hrsg. BzGA. Band 35. Blumberg, F.-J./Apitzsch, M. (1995): Hilfe zur Erziehung und Eingliederungshilfe – Die Position des AFET. In: Forum Erziehungshilfen. 1.Jg. H.4, S.164-165. Bohus, M./Kröger, C. (2011): BorderlinePersönlichkeitsstörung Psychopathologie und Psychotherapie der Zum gegenwärtigen Stand der Forschung. In: Nervenarzt. 82. Jg. Nr. 1, S. 16-24. Bohus, M./Lieb, K. (2006): Borderline-Persönlichkeitsstörungen (ICD-10 F6). In: Voderholzer, U./ Hohagen, F. (Hrsg.): Therapie psychischer Erkrankunge n. State of Art. Elsevir. München. 1. Auflage, S.235-246. Bohus, M./Schmahl, C. (2006): Borderline-Persönlichkeitsstörung – Diagnostik, Epidemiologie, Verlauf, Prognose und Psychopathologie. In: Remmel, A. u.a. (Hrsg.): Handbuch Körper und Persönlichkeit. Entwicklungspsychologie, Neurobiologie und Therapie von Persönlichkeitsstörungen. Schattauer. Stuttgart. Bowlby, J. (2009) 1987: Bindung. In: Grossmann, K./Grossmann, K. (Hrsg.): Bindung und menschliche Entwicklung. John Bowlby, Mary Ainsworth und die Grundlagen der Bindungstheorie. Klett-Cotta. Stuttgart. 2. Auflage. S.22-28. Breithaupt-Peters, M./Dufner, B. (2012): Jugendliche mit Persönlichkeitsstörungen. In: Schmid, M. u.a. (Hrsg.): Handbuch Psychiatriebezogene Sozialpädagogik. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen, S.369-379. Brunner, R./Resch, F. (2008): Zur Abgrenzung der Borderline-Persönlichkeitsstörung von schweren Adoleszenzkrisen im Jugendalter. In: ebd. (Hrsg.): Borderline-Störunge n und selbstverletzendes Verhalten bei Jugendlichen. Ätiologie, Diagnostik und Therapie. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen, S.134-148. Brunner, R./Resch, F. (2016): Empirische Befunde bei Jugendlichen mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung. In: BorderlinePersönlichkeitsstörungen Kaess, im M./Brunner, Jugendalter. R. Früherkennung (Hrsg.): und Frühintervention. V Kohlhammer. Stuttgart. 1. Auflage, S22 – 35. Calliess, I./ Sieberer, BorderlineStörung. M/Machleidt, W. (2011): Transkulturelle Aspekte der Dulz, B. u.a. (Hrsg.): Handbuch der Borderline-Störunge n. Schattauer GmbH. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. S.228-234. Ceumern-Lindenstjerna von, I. u.a. (2010): Attentional bias in later stages of emtiona l information processing in female adolescents with borderline personality disorder. Psychopathology, 43. Jg. H.1, S.25-32. http://www.karger.com/Article/Abstract/255960. Abrufdatum 30.01.17. Davidson, G./Neale, M./Hautzinger, M. (2007): Klinische Psychologie. Beltz. Weinheim und Basel. 7., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Denner, S. (2008): Fachliche Kompetenzen und professionelles Selbstverständnis in der Sozialen Arbeit mit psychisch kranken Kindern und Jugendlichen. In: ebd. (Hrsg.): Soziale Arbeit mit psychisch kranken Kindern und Jugendlichen. Kohlhammer. Stuttgart. S.291-298. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (Hrsg.) 2016: ICD 10-GM 2017 Systematik Buchfassung PDF, 23.09.16. https://www.dimdi.de/dynamic/de/klassi/downloadcenter/icd10gm/version2017/systematik/. Abrufdatum 26.01.17. Diepol, B. (1995): Borderline-Entwicklungsstörung bei Kindern – zur Theorie und Behandlung. In: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie. 44. Jg., H.7, S.270-279. Dimming, G./Späth, K. (1986): Hilfen durch Heim/ den Heimverbund. In: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.): Familie – Pflegefamilie – Heim. Überlegungen für situationsgerechte Hilfen zur Erziehung. Eigenverlag. Frankfurt am Main, S.161-173. Dreher, E./Dreher, M. (1985): Entwicklungsaufgaben im Jugendalter: Bedeutsamkeit und Bewältigungskonzepte. In: Liepmann, D./Stiksrud, A. (Hrsg.): Entwicklungsaufgab e n und Bewältigungsprobleme in der Adoleszenz. Sozial- und entwicklungspsychologische Perspektiven. Hogrefe Verlag für Psychologie. S.56-70. VI Dulle, M. (2011): Von den Herausforderungen des Könnens und Wollens – Bedingunge n und Haltungen für eine gelingende Zusammenarbeit sozialpädagogischer Fachkräfte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. In: Düring, D./ Kraus, H-U. (Hrsg.): Pädagogische Kunst und professionelle Haltungen. IGfH-Eigenverlag. Frankfurt am Main. 1. Auflage. S.159-168. Egel, A./ Stutzke, A. (2008): Haltgebende Strukturen gegen das innere Chaos – Theorie und Praxis des therapeutischen Milieus. In: Arbeitskreis der therapeutischen Wohngruppe Berlin (Hrsg.): Das therapeutische Milieu als Angebot der Jugendhilfe. Band II. Beziehungsangebote, Diagnostik, Interventionen. Verlag allgemeine Jugendberatung. http://www.therapeutischejugendwohngruppen.de/publikationen/Tagungsreader_AK _TWG_2008.pdf. S.58-97. Abrufdatum 25.02.17. Fachgruppe Erziehungsstellen der IGFH (2004): Standards der Erziehungsstellenarbe it. In: Schwerpunkte. EREV-Schriftenreihe. Hannover. S. 49-56. Falkai, P./Wittchen, H.-U. (2015): Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM 5. American Psychiatric Association. Hogrefe. Göttingen u.a. Fischer, G/Kaess, M. (2016): Früherkennung und Diagnostik der Borderline-Störung im Jugendalter. In: Kaess, M/Brunner, R. Borderline-Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter. Früherkennung und Frühintervention. Kohlhammer. Stuttgart. 1. Auflage, S.36-63. Fleischhaker, C./Schulz, E. (2010): Borderline-Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter. Manuale psychischer Störungen bei Kindern und Jugendliche. Springer. Berlin und Heidelberg. 1. Auflage. Freigang, W./Wolf, K. (2001): Heimerziehungsprofile. Sozialpädagogische Porträts. Beltz. Weinheim und Basel. Girnth, T. (1995): Betreuungsarbeit mit „seelisch behinderten Jugendlichen“ – Ein Praxisbericht. In: Forum Erziehungshilfen. 1.Jg. H.4, S.161-163. Glodbeck, L./Schulze, Jugendpsychiatrie. U./Fegert, J. (2004): Diagnostik in der Kinder- und In: Feger, J./Schrapper, C. (Hrsg.): Handbuch Jugendhilfe - Jugendpsychiatrie. Juventa. Weinheim und München. VII Grob, A./Jaschinski, U. (2003): Erwachsen werden. Entwicklungspsychologie des Jugendalters. Verlag: Beltz. Weinheim. 1. Auflage. E-Book. Günder, R. (2011): Praxis Veränderungen und Methoden und Perspektiven der Heimerziehung. der stationären Entwicklunge n, Erziehungshilfe. Lambertus. Freiburg im Breisgau. 4., völlig neu überarbeitete und ergänzte Auflage. Harnach-Beck, V. (2004): Diagnostische Aufgaben des Jugendamtes bei der Planung von Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendlich. In: Heiner, M. (Hrsg.): Diagnostik und Diagnosen in der Sozialen Arbeit. Ein Handbuch. Eigenver la g des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. Frankfurt am Main. S.109-126. Havighurst, R. (1953): Human development and education. David McKay Company. New York. Helming, E./Bovenschen, I./Spanger, G./Köckeritz, C./Sandmeir, G. (2011): Begleitung und Beratung von Pflegefamilien. In: Kinder, H. u.a. (Hrsg.): Handbuch der Pflegekinderhilfe. Deutsches Jugendinstitut e.V. München, S.448-479. Herpertz, S. (2011b): Affektregulation und ihre neurobiologischen Grundlagen. In: Dulz, B. u.a. (Hrsg.): Handbuch der Borderline-Störungen. Schattauer. Stuttgart. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, S.75-85. Herpetz, S. (2011a): Beitrag der Neurobiologie zum Verständnis der BorderlinePersönlichkeitsstörung. In: Der Nervenarzt. 82. Jahrgang, H.1, S.9-15. Hofmann, R. (2002): Bindungsgestörte Kinder und Jugendliche mit einer BorderlineStörung. Ein Praxisbuch für Therapie, Betreuung und Beratung. Klett-Cotta. Stuttgart. Holm, E. (2002): Ergebnisinstrument. In: Schmidt, M. u.a. (Hrsg.): Effekte erzieherisc her Hilfen und ihre Hintergründe. Kohlhammer. Stuttgart. S.142-189. Hurrelman, K. (2012b): Jugendliche als produktive Realitätsvearbeiter: Zur Neuausgabe des Buches „Lebensphase Jugend“. In: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung. 7. Jg., H.1, S.89-100. Hurrelmann, K. (2012a): Sozialisation. Das Modell der produktiven Realitätsverarbeitung. Beltz. Weinheim und Basel. 11., vollständig überarbeitete Auflage. VIII Hurrelmann, K./Grundmann, M./Walper, S. (2008): Zum Stand der Sozialisationsforschung. In: ebd. (Hrsg.): Handbuch der Sozialisationsforschung. Beltz. Weinheim und Basel. 7., vollständig überarbeitete Auflage. S.14-31. Hurrelmann, K./Quenzel, G. (2012): Lebensphase Jugend. Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung. Beltz Juventa. Weinheim und Basel. 11., vollständig überarbeitete Auflage. Jäger, M/Frasch, K./ Becker, T. (2008): Die Krise der operationalen Diagnostik in der Psychiatrie. In: Der Nervenarzt. 79, Jg., H. 3, S.288-294. Junge Menschen in Gastfamilien (Hrsg.) 2011: Konzeption JuMeGa. Junge Menschen in Gastfamilien.http://arkadejumega.de/downloads/konzeption_junge_menschen_in_gas tfamilien.pdf. Abrufdatum 20.02.17. Jungmann, T./Reichenbach, C. (2011): Bindungstheorie und pädagogisches Handeln. Ein Praxisleitfaden. Borgmann Media. Dortmund. 2. Auflage. Kaess, M./Brunner, R. (2016): Rationale zur Früherkennung und -intervention der Borderline-Persönlichkeitsstörung. In: ebd. (Hrsg.): BorderlinePersönlichkeitsstörungen im Jugendalter. Früherkennung und Frühintervention. Kohlhammer GmbH. Stuttgart. 1. Auflage, S.9-21. Knuth, N. (2013): Spezialisierung der stationären Erziehungshilfen: Auf der Suche nach Daten und Fakten. In: Forum Erziehungshilfen. 19. Jg., H.3, S.143-145. Koch, J. (1999): „Normal ist, wer die Komponenten vernünftig mischt“. Der riskierte Körper im Schnittpunkt Normalisierungshandelns. des jugendlichen und institutionelle n In: Becker, P./ Koch, J. (Hrsg.): Was ist normal? Normalitätskonstruktionen in Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie. Juventa. Weinheim und München. S.129-150. Köckeritz, C. (2004): Entwicklungspsychologie für die Jugendhilfe. eine Einführung in Entwicklungsprozesse, Risikofaktoren und Umsetzung in Praxisfeldern. Juventa. Weinheim und München. (in Kapitel Diagnose + Entwicklung) Koenigsberg, H./Siever, L. (2011): Neurobiologie der Impulsivität bei Borderline- IX Persönlichkeitsstörungen. BorderlineStörungen. In: Dulz, Schattauer. B. Stuttgart. u.a. (Hrsg.): 2., vollständig Handbuch der überarbeitete und erweiterte Auflage. S.86-92. Köttgen, C. (1999): Normalitätsannahmen und Normalitätsprobleme im Rahmen der Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie. Veränderungen der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. In: Becker, P./ Koch, J. (Hrsg.): Was ist normal? Normalitätskonstruktionen in Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie. Juventa. Weinheim und München. S.93-108. Krause-Utz, A. u.a. (2014): The latest neuroimaging findings in borderline personality disorder. In: Curret Psychiatriy Reports. 16Jg, H.3, S.1-13. Krisitin von Auer, A. (2016): Dialektisch Behaviorale Therapie für Adoleszente (DBT-A) In: Kaess, M./Brunner, R. (Hrsg.): Borderline-Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter. Früherkennung und Frühintervention. Kohlhammer, 1.Auflage. S.80-98. Landschaftsverband Rheinland und Westfalen-Lippe (Hrsg.) 2008: Empfehlungen zur Kooperation von Trägern der Hilfe zur Erziehung mit Schulträgern, Schulaufsicht und Schulen. http://www.lvr.de/app/resources/schuljugendhilfe_12_11_08.pd f Abrufdatum 28.02.17. Langenscheidt (Hrsg.) o.J.: Online Wörterbuch Englisch – Deutsch. https://de.langenscheidt.com/. Abrufdatum 03.01.17. Linehan, M. (1996) (1993): Dialektisch-Behaviorale Therapie der BorderlinePersönlichkeitsstörung. Übersetzt durch Shaw, R. CIP-Medien. München. Macsenaere, M. (2002): Strukturinstrument. In: Schmidt, M. u.a. (Hrsg.): Effekte erzieherischer Hilfen und ihre Hintergründe. Kohlhammer. Stuttgart. S.100-120. Martin-Bonhoeffer-Häuser (Hrsg.) 2010: Konzeption Sozialtherapeutisc he Jugendwohngruppen. Unveröffentlichtes Manuskript. Natho, F. (2002): Borderline- gestört. Systemische Arbeitsweisen in Bereichen der Jugendhilfe. Edition Gambus. Dessau 1.Auflage. Natho, F. (2015): Traumatisiert & borderlinegestört. Systemische und traumapädagogisc he Arbeitsweisen in der Jugendhilfe. Dr. Ziethen Verlag. Oschersleben. 3., aktualisierte und erweiterte Neuauflage. X Paris, J. (2011): Soziokulturelle Faktoren bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung. In: Dulz, B. u.a. (Hrsg.): Handbuch der Borderline-Störungen. Schattauer. 2., vollständ ig überarbeitete und erweiterte Auflage. S.225-228. Schleiffer, R. (2009): Der heimliche Wunsch nach Nähe. Bindungstheorie und Heimerziehung. Juventa. Weinheim und München. 4.Auflage. Schmid, M. (2008): Stationärer Kontext und Kooperation zwischen stationärer Kinder- und Jugendpsychiatrie und stationärer Jugendhilfe bei Adoleszenten mit einer BorderlinePersönlichkeitsstörung. In: Brunner, R./Resch, F. (Hrsg.): Borderline Störungen und selbstverletzendes Verhalten bei Jugendlichen. Ätiologie, Diagnostik und Therapie. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen, S.195-228. Schmid, M. (2014): Fremdplatzierte psychisch belastete eine kooperative Kinder und Jugendliche – Herausforderung für sozialpädagogisc he Einrichtungen und Kinder und Jugendpsychiatrische/- psychotherapeutische Angebote. In: Integras (Hrsg.): Fremdplatzierung … denn wir wissen, was wir tun. Plattform Fremdplatzierung. Tagung 2014. Integras. Zürich. S.26-38. Schmidt, M. (2002a): Ergebnisse im Überblick (Gelbe Seiten). In: Schmidt, M. u.a. (Hrsg.): Effekte erzieherischer Hilfen und ihre Hintergründe. Kohlhammer. Stuttgart. S.17-48. Schmidt, M. (2002b): Diskussion der Ergebnisse unter Praxisaspekten. ). In: Schmidt, M. u.a. (Hrsg.): Effekte erzieherischer Hilfen und ihre Hintergründe. Kohlhamme r. Stuttgart. S.516-546. Schmidt-Denter, U. (2005): Soziale Beziehungen im Lebenslauf. Lehrbuch der sozialen Entwicklung. Beltz. Weinheim und Basel. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Schrapper, C. (2004): Teilhabe ermöglichen. Sozialpädagogische Konzepte für die Aufgaben der Jugendhilfe bei Hilfen nach §35a. In: Fegert, J./Schrapper, C. (Hrsg.): Handbuch Jugendhilfe – Jugendpsychiatrie. Interdisziplinäre Kooperation. Juventa. Weinheim und München. S.S.203-208. Seiffge-Krenke, I. (2004): Adoleszenzentwicklung und Bindung. In: Streeck-Fischer, A. (Hrsg.): Adoleszenz, Bindung, Destruktivität. Klett-Cotta. Stuttgart. S.156-175. XI Sozialpädagogisch-The rapeutische Einrichtungen und Projekt (Hrsg.) 2002: Konzeption Therapeutische Wohngruppe für psychisch erkrankte Kinder, Jugendlic he und junge Erwachsene. http://www.stepjugendhilfe.de/sites/default/files/downloads/2014/02_konzeptiontwg. pdf. Abrufdatum 20.02.17. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 2016: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Erzieherische Hilfe, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen, Hilfe für junge Volljährige, Eingliederungshilfen nach § 35a SGB VIII 2014. Wiesbaden. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Soziales/KinderJugendhilfe/E rzieherischeHilfeEingliederungshilfe5225118147004.pdf?__blob=publicationFile. Abrufdatum 28.02.17. Stemmer-Lück, M. (2004): Beziehungsräume in der Sozialen Arbeit. Psychoanalytisc he Theorien und ihre Anwendung in der Praxis. Kohlhammer. Stuttgart. 1.Auflage. Streeck-Fische r, A. (2014): Trauma und Entwicklung. Adoleszenz – frühe Traumatisierungen und ihre Folgen. Schattauer. Stuttgart, 2., überarbeitete Auflage. Streeck-Fischer, A./Freyberger, H. (2009): Boerderline-Persönlichkeitsstörung. In: Fegert, J. M. (Hrsg.): Adoleszenzpsychiatrie. Psychiatrie und Psychotherapie der Adoleszenz und des jungen Erwachsenenalters. Schattauer. Stuttgart, S.399-410. Tornow, H./Ziegler, H. (2012): Ursachen und Begleitumstände von Abbrüchen stationärer Erziehungshilfen (ABiE). In: EREV Schriftenreihe. 53. Jg., H.12867, S.11-118. Trede, W. (2014): Was sind erzieherische Hilfen? In: Krause, H.-U./ Peters, F. (Hrsg.): Grundwissen Erzieherische Herausforderungen. Hilfen. Ausgangsfragen, Schlüsseltheme n, Beltz Juventa. Weinheim und München. 4. Überarbeitete und aktualisierte Auflage. S.-15-33. Uhlendorff, U. (1997): Psychosoziale Jugendhilfe. In: Mollenhauer, und sozialpädagogische M./Uhlendorff, Diagnosen in der U. (Hrsg.): Sozialpädagogisc he Diagnosen. 3. Ein sozialpädagogisch-hermeneutisches Diagnoseverfahren für die Hilfeplanung. Beltz Juventa, S.66-79. XII Uhlendorff, U. (1999): Sozialpädagogisch-hermeneutische Diagnosen in der Jugendhilfe. In: Peters (Hrsg.): Diagnosen – Gutachten – hermeneutisches Fallverstehen. Rekonstruktive Verfahren zur Qualifizierung individueller Hilfeplanung. IGFHEigenverlag, Frankfurt am Main. 1.Auflage. S.126-142. Vater, A./Röpke, S./Renneberg, B. (2011): Kognition und soziale Wahrnehmung. In: Dulz, B. u.a. (Hrsg.): Handbuch der Borderline-Störungen. Schattauer. 2., vollständ ig überarbeitete und erweiterte Auflage. S.251-262. Walper, S./Langmeyer, A./Wendt, E-V. (2015): Sozialisation in der Familie. In: Hurrelmann, K. u.a. (Hrsg.): Handbuch Sozialisationsforschung. Beltz. Weinheim und Basel. 8., vollständig überarbeitete Auflage. S.364-392. Wiesner, R. (2004b): Hilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche (§53a SGBVIII): In: Fegert, J./Schrapper, C. (Hrsg.): Handbuch – Jugendhilfe Jugendpsychiatrie. Interdisziplinäre Kooperation. Juventa. Weinheim und München. S.179-184. Wolf, R. (2007): Metaanalyse von Fallstudien erzieherischer Hilfen hinsichtlich von Wirkungen und „wirkmächtigen“ Faktoren aus Nutzersicht. In: Wirkungsorientierte Jugendhilfe, H. 4, S. 1-40. http://www.wirkungsorientiertejugendhilfe.de/seiten/material/wojh_schriften_heft_4. pdf. Abrufdatum 07.03.17 Zimmermann, P. (1994): Bindung im Jugendalter: Entwicklung und Umgang mit aktuellen Anforderungen. Diss. Regensburg. XIII Ehrenwörtliche Erklärung „Ich versichere hiermit, dass ich meine Bachelorarbeit mit dem Thema: „Jugendliche mit einer Borderline-Störung in der Jugendhilfe – ein Vergleich unterschiedlicher stationärer Betreuungssettings“ selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Ich versichere zudem, dass die eingereichte elektronis c he Fassung mit der gedruckten Fassung übereinstimmt.“ _______________________ _____________________________________ Ort, Datum Unterschrift XIV Anhang: Hilfepläne und Konzeptionen Teamvorlage Jugendamt K. Seite 1 – 9 (aus datenschutzrechtlichen Gründen hier entfernt) Tischvorlage MBH Seite 1 – 4 (aus datenschutzrechtlichen Gründen hier entfernt) Konzeption sozialtherapeutische Wohngruppe Nehren Seite 1 – 20 Konzeption therapeutische Wohngruppe Cramergasse Seite 1 – 8 Konzeption JuMeGa Gastfamilien Seite 1 - 16 XV Konzeption Sozialtherapeutische Jugendwohngruppen Martin-Bonhoeffer-Häuser 1. Fachliche Orientierungen und pädagogische Grundhaltungen ................ 2 2. Leistungsangebot der stationären Außenwohngruppen ........................... 3 3. Auftrag und Zielsetzung ........................................................................... 3 4. Zielgruppen ............................................................................................. 4 5. Qualitätsstandards ................................................................................... 5 6. Struktur- und Grundelemente der pädagogischen Alltagsgestaltung ....... 7 7. Rahmenleistungen der Einrichtung ........................................................ 16 8. Leistungsmodule und individuelle Zusatzleistungen .............................. 18 9. Kontakt .................................................................................................. 20 Stand: Juli 2010 Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 2 1. Fachliche Orientierungen und pädagogische Grundhaltungen Die stationäre Betreuung von Kindern und Jugendlichen in Wohngruppen war und ist die Keimzelle unserer Einrichtung. Aus einem studentischen Alternativprojekt zur Heimerziehung der frühen siebziger Jahre (Tübinger Jugendwohngruppen) gründete sich im Jahr 1974 der Tübinger Verein für Sozialtherapie bei Kindern und Jugendlichen e.V., um für die damals in den Gruppen lebenden Kinder und Jugendlichen geeignete Lebens- und Betreuungsverhältnisse und für die Einrichtung den nötigen stabilen Rahmen zu schaffen. Der Begriff „Sozialtherapie“ weist heute wie vor 30 Jahren darauf hin, dass sozial benachteiligte, in ihrer Entwicklung und Bildung gehinderte junge Menschen ein Milieu brauchen, das sie aufnimmt, annimmt, fördern und herausfordern will – und zwar vorwiegend mit sozialen und pädagogischen Mitteln, denen sich therapeutische, heilpädagogische und psychiatrische unterstützend anschließen können. Prägender Gedanke für die vollstationäre Heimerziehung der Einrichtung war das Geborgenheit und Sicherheit bietende „Nest“ und der „gute und verlässliche Ort“ in Form von dezentral organisierten, kleinen, entstigmatisierenden, weitgehend autonomen Wohngruppen, in denen die Kinder und Jugendlichen mit aller Kraft und Kreativität in ihrer psychischen, sozialen und intellektuellen Entwicklung gefördert und herausgefordert werden. Dieser Zielstellung sehen wir uns auch heute noch verpflichtet. Im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen die einzelnen Kinder und Jugendlichen. Unser oberstes Ziel ist es, ihnen durch geeignete Beratungs-, Betreuungs-, Hilfe- und Erziehungsleistungen im Zusammenwirken mit ihren Familien die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen sowie auf dem Weg zu einer eigenverantwortlichen und mündigen Persönlichkeit zur Seite zu stehen. Um dies zu verwirklichen sind Respekt, Wertschätzung und die Orientierung an den Stärken und Ressourcen der Kinder, Jugendlichen und Familien wichtige Grundhaltungen in unserer Arbeit. Wir verstehen unsere Arbeit nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu den Familien. Wir sehen und respektieren deren Bedeutung für die Entwicklung jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen. Gestützt wird unsere pädagogische Praxis zum einen durch einen demokratischen Grundkonsens und ein humanistisches Menschenbild, an denen sich unsere Arbeit messen lässt. Zum anderen orientiert sich die Weiterentwicklung unserer Arbeit an sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen und fachpolitischen Innovationen. Die Arbeit der Martin-Bonhoeffer-Häuser ist darauf ausgerichtet, in der Betreuung auf gesellschaftliche Integration und soziale Teilhabe hinzuwirken. Die Hilfe setzt an den Fähigkeiten und Ressourcen der betreuten Kinder, Jugendlichen und Familien an und wirkt damit präventiv und nachhaltig zugleich. Der Einzelne und sein Schicksal verlangen mehr Beachtung und Rücksicht als die Interessen der Institution. Die dezentrale Struktur der Einrichtung und die Integration der verschiedenen Angebote ins Lebensfeld bzw. das Gemeinwesen sind dafür ein wichtiger Garant. Wir sehen uns in den ambulanten Leistungsstrukturen unserer Einrichtung gefordert im Zusammenwirken mit dem örtlichen Träger, der Stadt und den Gemeinden, eine regionale Infrastruktur pädagogischer Hilfe- und Betreuungsangebote mitzugestalten. Die Zielstellung flexibler, bedarfsgerechter und wohnortnaher Hilfen gilt ebenso für unsere stationären Angebote, die wir in gemeinsamer Planung mit dem öffentlichen Träger weiter entwickeln. Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 3 2. Leistungsangebot der stationären Außenwohngruppen Die Martin-Bonhoeffer-Häuser verfügen über 4 dezentrale, in das Wohnumfeld einbezogene, gemischtgeschlechtliche Wohngruppen. Jeweils 6 Kinder und Jugendliche werden von sozialpädagogischen Fachkräften an 365 Tagen im Jahr begleitet, gefördert und unterstützt. Die Wohngruppen befinden sich in Nehren, Kappelstraße 5 Tübingen, Katharinenstraße 53 Tübingen, Gartenstraße 129 Waldenbuch, Goethestraße 15 Ein weiteres stationäres Angebot für Kinder im Alter von 8 bis ca. 14 Jahren bietet unser familienintegratives Projekt „Fips“. Dort werden 6-8 Kinder stationär in Verbindung mit intensiver Elternarbeit begleitet. In besonderen Fällen (z.B. Geschwisterkonstellationen) können auch jüngere Kinder aufgenommen werden. Dieses Gruppenangebot befindet sich in Tübingen, Paulinenstraße 1 Die fachliche Arbeit in den Wohngruppen basiert auf den Regelungen des Sozialgesetzbuches Achtes Buch (KJHG), § 2 Abs.2 Ziffer 4, 5 und 6. Anspruchsberechtigt sind die Personensorgeberechtigten. Die Unterbringung in einer der Wohngruppen erfolgt als stationäre Erziehungshilfe in einer Einrichtung über Tag und Nacht nach § 34 KJHG, § 35a Abs. II Ziffer 4 KJHG (Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche) und § 41 KJHG (Hilfe für junge Volljährige). Darüber hinaus besteht im Bedarfsfall und auf gezielte Nachfrage hin die Möglichkeit zur Inobhutnahme gem. § 42 KJHG von Kindern und Jugendlichen als Krisenintervention oder als Clearingauftrag. 3. Auftrag und Zielsetzung Durch die Verbindung von Alltagserleben, pädagogischer Arbeit und therapeutischen Angeboten auf der Grundlage kontinuierlicher Hilfeplanung (§ 36 KJHG) erhält der junge Mensch Hilfe und Förderung zur ganzheitlichen Stärkung seiner psychosozialen Persönlichkeit und Kompetenz bis zur Rückkehr in seine Familie zur Fortsetzung der Hilfe in einer weiterführenden Hilfeform (z.B. Betreutes Jugendwohnen) zur Verselbstständigung nach Verlassen der Wohngruppe zur Wiedereingliederung in das vorherige Lebensfeld (§ 35a KJHG) Mit diesem Auftrag verbinden sich insbesondere Ziele wie Vermittlung von Sicherheit durch einen strukturierten Alltag Mobilisierung der individuellen Persönlichkeitsentfaltung Stärken des jungen Menschen, Förderung der Abbau oder Kompensation von Störungen und Defiziten im Bereich emotionaler, psychosozialer, kognitiver und körperlicher Entwicklung Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 4 Förderung der Fähigkeit, sich vor gefährdenden Einflüssen zu schützen Abbau von Benachteiligungen, Hilfe zur Selbsthilfe schulische bzw. berufliche Integration sowie soziale Integration ins Gemeinwesen Förderung der Erziehungsbedingungen im Elternhaus und/oder im familiären Umfeld Entwicklung von Lebens- und Zukunftsperspektiven Förderung des Erhalts und der Entwicklung der Bezüge außerhalb der Einrichtung Verantwortungsübernahme für das eigene Verhalten Sich als konstruktives Mitglied dieser Gesellschaft begreifen Auseinandersetzung mit der eigenen „Behinderung“ und Lernen eines adäquaten Umgangs mit dieser (§ 35a) Die Besonderheit der Wohngruppe als „Lebensort“ beinhaltet, dass die Kinder und Jugendlichen Unterstützung und Förderung in allen wichtigen Lebensbereichen erfahren. Möglicherweise können so schwierige und traumatische Erfahrungen verarbeitet werden. Die Leistungen umfassen daher die Gesamtheit aller Förderungsmöglichkeiten (Alltag, Gruppe und Lebenswelt, Bildung und Schule, Auseinandersetzung mit der Herkunftsfamilie, Therapie) um die Kinder und Jugendlichen auf ein möglichst selbst bestimmtes und eigenverantwortliches Leben vorzubereiten. 4. Zielgruppen Das Angebot unserer stationären Wohngruppen richtet sich an Kinder, Jugendliche und junge Volljährige im Sinne des § 7 KJHG, bei denen eine dem Wohl des jungen Menschen entsprechende Erziehung und Entwicklung nicht gewährleistet ist. Voraussetzung ist, dass sich die Beteiligten in der gemeinsamen Hilfeplanung nach § 36 KJHG auf diese Hilfeform geeinigt haben. Sie ist u.a. angezeigt, wenn sich aufgrund von Beziehungsabbrüchen, Vernachlässigungs und/oder Missbrauchserfahrungen Erziehungsdefizite und Auffälligkeiten im Entwicklungs-, Verhaltens- und im emotionalen Bereich manifestiert haben. Diese äußern sich erfahrungsgemäß häufig in Form von negativem Selbstwertgefühl, geringer Konfliktfähigkeit und Belastbarkeit, Störungen im Sozial-, Arbeits- und Leistungsverhalten, insbesondere Schulversagen, Schulschwänzen und Schulverweigerung, Verwahrlosung, (Auto-) Aggressionen, Depressionen bis hin zur Suizidgefährdung, Delinquenz, Verhaltensauffälligkeiten im Zusammenhang mit Suchtproblematiken (Drogen, Esssucht, Medien, Konsum etc.), (psychosomatischen) Erkrankungen, Problemen bei der Identitätsfindung, insbesondere auch aufgrund kultureller Prägungen bei Kindern aus Migrationsfamilien. Zur Zielgruppe gehören auch seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Kinder und Jugendliche (§ 35a SGB VIII). Krankheitsbilder sind u.a.: Neurosen (Angststörungen, Phobien, psychosomatische Beschwerden), Essstörungen (Bulimia nervosa, Anorexia nervosa, Adipositas), Borderline-Störungen, Zwangserkrankungen oder Erkrankungen mit psychotischen Anteilen. Um eine ausreichende und gezielte Stützung und Förderung der besonders belasteten Jugendlichen zu gewährleisten, sind für diese Zielgruppe sehr individuelle, auf die Symptome bezogene Beziehungsangebote notwendig, die im Rahmen des Moduls II „Intensivpädagogische Leistungen für Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen und besonderem Erziehungsbedarf“ zusätzlich erbracht werden können und im Hilfeplan zu vereinbaren sind. Für junge Menschen die der besonderen individuellen Betreuung „im Vorfeld einer Anordnung zur geschlossenen Unterbringung“ bedürfen, halten wir das Modul III vor. Durch gezielte intensiv- und individualpädagogische Unterstützung kann die Wohngruppe eine tragfähige und offene Alternative im Vorfeld einer Anordnung zur geschlossenen Unterbringung gewähren. Hilfreich wirkt hierbei die durch eine richterliche Weisung verfügte Unterbringung. Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 5 Die Aufnahme von jungen Menschen mit psychiatrischem Hintergrund und besonders intensivem Jugendhilfebedarf ist in allen vier Gruppen möglich, muss jedoch in Abhängigkeit zur jeweils aktuellen Gruppenkonstellation im Einzelfall verantwortlich geprüft und abgewogen werden. Die ausführlichere Beschreibung der beiden Leistungsmodule ist unter Punkt 8 „Individuelle Zusatzleistungen und Module“ aufgeführt. Die damit verbundenen Leistungen sind der Anlage „Leistungsmodule und Individuelle Zusatzleistungen für die Stationären Wohngruppen der MartinBonhoeffer-Häuser“ zu entnehmen. 5. Qualitätsstandards 5.1. Fachliche Qualitätsstandards Zu den fachlichen Qualitätsstandards der in § 34 KJHG genannten Erziehungshilfen gehören das Angebot eines attraktiven, altersgemäßen Umfeldes Kontinuität durch grundsätzliche Öffnung der Wohngruppen an 365 Tagen im Jahr (eine kurzzeitige Schließung kommt nur in Betracht, wenn alle Gruppenmitglieder unter dem Gesichtspunkt der Förderung der notwendigen Außenbeziehungen ohne negative Folgen beurlaubt werden können. Dies wird im Einzelfall geprüft, vorbereitet und abgesichert) ein verlässlicher und vertrauensbildender Bezugsrahmen in Verbindung mit tragfähigen Beziehungen als Voraussetzung zur Entfaltung der Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen biographisches Fallverstehen mit systemischer Methodik, bspw. Genogrammarbeit regelmäßige reflektierende Fallbesprechung im Team mit Fachberatung durch die Bereichsleitung bzw. durch den Fachdienst gezieltes, geplantes pädagogisches Setting und Lernarrangements die Beteiligung des jungen Menschen entsprechend seines Entwicklungsstandes an allen ihn betreffenden Entscheidungsprozessen die Einbeziehung der Familie in die pädagogische Arbeit und auf den Bedarf abgestimmte Eltern- und Familienarbeit die Integration und Vernetzung von pädagogischer Alltagsgestaltung, gezielter Individual- und Gruppenpädagogik, sozialem Lernen, schulischer Förderung und therapeutischer Hilfe die Differenzierung in Einzel- und Kleingruppenbetreuung die Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen und Institutionen wie Kinder- und Jugendpsychiatrie, psychosomatischen Kliniken, Gerichten, Jugendgerichtshilfe, Polizei 5.2. Personelle Qualitätsstandards In den vier Gruppen arbeiten überwiegend sozialpädagogisch ausgebildete Fachkräfte (DiplomPädagogInnen, Diplom-SozialpädagogInnen, Jugendund HeimerzieherInnen, Erzieherinnen) mit Berufs- und Lebenserfahrung. Sie verfügen über ein hohes Maß an Fähigkeiten zur Entwicklung und Ausgestaltung von tragfähigen Beziehungen Konfliktbereitschaft und Konfliktkompetenz Fähigkeiten, die Balance zwischen erforderlicher Nähe und professioneller Distanz durch Klarheit und Standfestigkeit zu schaffen Reflexionsvermögen, Organisationstalent Sensibilität, Belastbarkeit, Verlässlichkeit, Flexibilität und Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 6 Fähigkeiten zur Teamarbeit mit reflektierender Fallarbeit und Erziehungsplanung Bereitschaft zur Supervision, Fort- und Weiterbildung Bereitschaft zur Nacht- und Sonntagsarbeit Qualitäts- und Leistungsbewusstsein Fähigkeiten zur praktischen Umsetzung von fachtheoretischem Wissen Die Teams werden ergänzt durch ErzieherInnen im Anerkennungsjahr und PraktikantInnen der ausbildenden (Fach-) Hochschulen (Bachelor of Arts). Diese werden – im Sinne einer von der Einrichtung ausgeübten Verantwortung für die Ausbildung von Nachwuchskräften – professionell über die Dauer der Ausbildungsphase von qualifizierten und erfahrenen KollegInnen der Wohngruppen begleitet und angeleitet. 5.3. Institutionelle Qualitätsstandards Zur Förderung und Stärkung der persönlichen und fachlichen Kompetenz jedes/r einzelnen Mitarbeiters/In werden folgende Standards gesetzt bzw. Unterstützungsformen angeboten, die in Einklang mit dem Selbstverständnis der Einrichtung stehen: definiertes und beschriebenes Leistungsangebot auf der Basis einer handlungsleitenden Konzeption zielorientiertes Arbeitssystem der Hilfeplanung, Hilfegestaltung, Reflexion und Dokumentation gegenseitige kollegiale Praxisberatung im Rahmen der wöchentlichen Teambesprechungen regelmäßige Fachberatung durch die Bereichsleitung bzw. durch den Fachdienst regelmäßige externe Supervision Vernetzung durch Arbeit in internen (Bereichsbesprechungen, ArbeitsQualitätsentwicklungsgruppen) und externen Gremien (regionale PlanungsProjektgruppen, Jugendbüro, etc.) und und Förderung der Teilnahme an externen Fortbildungen, Fachveranstaltungen und konzeptionellen Arbeitskreisen Förderung durch Angebote von Inhouse-Fortbildungen (Systemisches Arbeiten, VideoHomeTraining, Umgang mit schwierigen und traumatisierten Jugendlichen) Förderung der Vorbereitung, Durchführung und Teilnahme an internen Fachveranstaltungen wie Fachforen, Fallwerkstätten, Fachabenden… Qualitätsentwicklungs- und Qualitätssicherungssystem mit klaren Regelungen für Schlüsselprozesse der pädagogischen Praxis (Qualitätshandbuch, Schutzauftrag § Rufbereitschaft, Verhalten in Krisen und Konflikten), Leitlinien zur Supervision, Leitlinien Fort- und Weiterbildung, Umgang mit Beschwerden, Evaluation, System leistungsorientierten Bezahlung, …) die 8a, zur der Ausbildungsförderung, Personalgewinnung und –bindung Dienstund Fachaufsicht durch die Bereichsleitung intensive Zusammenarbeit mit den belegenden Jugendämtern, mit Landesjugendamt und Fachverbänden (DPWV u.a.) enge Kooperation mit den PartnerInnen im Bezugsfeld des Stadtteils oder Gemeinwesens als konzeptionelle Grundlage und im Sinne der Jugendhilfeplanung Verbindung mit Wissenschaft, Lehre und Forschung, aktive Mitarbeit in Seminaren der Hochschule Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 7 Zusammenarbeit mit der Tübinger Kinder- und Jugendpsychiatrie und ortsansässigen Kinderund Jugendlichen-PsychotherapeutInnen 6. Struktur- und Grundelemente der pädagogischen Alltagsgestaltung 6.1. Aufnahmeverfahren und Eingangsdiagnostik In einem zeitlich und inhaltlich festgelegten Verfahren werden Voraussetzungen, Möglichkeiten und Bedingungen für eine evtl. Aufnahme geklärt sowie erste Kooperationsformen mit den Beteiligten abgesprochen. Die nachfolgenden Prozessschritte sind vereinbart und haben sich bewährt: (1) Telefonische Anfrage durch den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) des zuständigen Jugendamtes, in Einzelfällen auch durch die Jugendhilfeeinrichtung, in welcher der/die Jugendliche bisher untergebracht ist. (2) Anforderung von Unterlagen in Form von Berichten, Hilfeplänen, Lebensdaten, Zeugnissen etc. durch die Bereichsleitung der Martin-Bonhoeffer-Häuser (3) Das Erstgespräch findet in unserer Einrichtung statt unter Beteiligung von jungem Mensch, Familie und anderen wichtigen Bezugspersonen, Jugendamt, Bereichsleitung und MitarbeiterInnen der Wohngruppe mit dem Ziel über unsere Möglichkeiten zur Hilfe zu informieren mehr über den Jugendlichen, seine Schwierigkeiten und sein bisheriges Lebensfeld zu erfahren ein besonderes Augenmerk auf mögliche Risiken wie Suchtgefährdung, Aggressionspotential und psychische Erkrankung richten zu können die Motivation des Jugendlichen und der Eltern zu eruieren und unsere Erwartungen an die Mitwirkung der/des Jugendlichen und der Eltern mitzuteilen den Bedarf an konkreter Hilfe einschätzen zu können erste Hilfemöglichkeiten gemeinsam abzustimmen Im Anschluss an das Erstgespräch besteht die Möglichkeit zur Besichtigung der in Betracht kommenden Wohngruppe. (4) Die Aufnahme wird bei Konsens aller Beteiligten als ein Ergebnis des Erstgesprächs vereinbart. Die Aufnahme ist verknüpft mit einer vereinbarten Erprobungszeit, in deren Rahmen gemeinsame Ziele konkretisiert werden. Hierbei wird besonderer Wert auf einen engen Dialog mit den Jugendlichen gelegt. Der junge Mensch lernt während dieser Anfangszeit die Mitbewohnerinnen und die Betreuerinnen der Wohngruppe kennen und gewinnt einen Einblick in die Regeln, Pflichten, Verbindlichkeiten, Möglichkeiten und Perspektiven der Hilfe Die Aufnahme ist mit dem Besuch der ortsansässigen relevanten Schule, einer Praktikumsstelle oder eines Ausbildungsbetriebs verbunden Zur diagnostischen Abklärung stellt sich der junge Mensch bei der Kinder- und Jugendlichentherapeutin der Einrichtung vor Zum Ende der Probezeit findet ein Auswertungsgespräch mit dem jungen Menschen und dem Team, ggf. zusätzlich mit der Bereichsleitung, statt, um die Erfahrungen zu reflektieren und mögliche Besonderheiten oder Bedingungen für den weiteren Verlauf der Hilfe festzulegen Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 8 6.2. Pädagogische Betreuung im Alltag Die Alltagsbewältigung und Alltagsgestaltung ist zentrales Leistungsmerkmal stationärer Erziehungshilfe. Geregelte Strukturen wie das morgendliche Aufstehen, der Schul- bzw. Ausbildungsbesuch, die regelmäßigen Mahlzeiten, die festgelegten Ausgeh- und Zubettgehzeiten, die Betreuungszeiten bei Hausaufgaben, die Mitwirkung bei Einkauf und Kochen, die Übernahme von Putz- und Wäschediensten sichern die Grundbedürfnisse des jungen Menschen und unterstützen die Kinder und Jugendlichen, die täglichen Anforderungen und Aufgaben bewältigen zu lernen. Gestaltete Beziehungen in einem auf Zeit angelegten Bezugssystem, ein von gegenseitiger Achtung geprägter Umgang mit MitbewohnerInnen und BetreuerInnen sowie eine ansprechende Wohnatmosphäre bieten das Lern- und Übungsfeld für die Entwicklung einer eigenständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung. Die alltagspädagogische Betreuung der Kinder und Jugendlichen in den Wohngruppen wird „rund um die Uhr“ im Schicht- und Wechseldienst durch die Mitarbeiterinnen geleistet. Sie bringen sich mit ihrer gesamten Persönlichkeit in die Erziehungsarbeit ein. Durch Offenheit, Ehrlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Zuverlässigkeit und Beharrlichkeit in der täglichen Auseinandersetzung werden sie für die Kinder und Jugendlichen glaubwürdig. Dies ist unverzichtbare Voraussetzung für die Ausgestaltung von tragfähigen und vertrauensvollen Beziehungen. Auf dieser Grundlage übernehmen sie ganzheitlich die gemeinsame Verantwortung für die Belange des Alltages der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Aufgrund der sorgfältigen Auseinandersetzung mit der individuellen Biographie im Kontext der Familiengeschichte und den vorherrschenden Familienmustern, durch Erwerb von systematischem Wissen mittels genauer Beobachtung des Kindes/Jugendlichen in seinen Lebensfeldern und der Beurteilung seines Verhaltens sowie durch Erkennen der Notlagen können notwendige und geeignete Hilfen zur Stützung und Förderung der Kinder und Jugendlichen angeboten werden. Hierbei wird bewusst die Festlegung auf spezielle therapeutische Schulen und Methoden vermieden zugunsten eines offenen Konzepts, das den lebensweltorientierten und systemischen Blick auf die Gesamtzusammenhänge einschließt. Die sozialpädagogische Betreuung umfasst sehr unterschiedliche Elemente: (1) Strukturierung des Tages- und Wochenablaufs in einem gemeinsamen und verbindlichen Zeitrahmen: Regelmäßig wiederkehrende Weck-, Mahl-, Lern-, Ausgeh- und Zubettgehzeiten geben den Kindern und Jugendlichen Orientierung, Sicherheit und einen überschaubaren Rahmen. (2) Erzieherische Auseinandersetzung mit den Kindern und Jugendlichen: Durch persönliche Zuwendung und Verständnis fühlen sich die Kinder und Jugendlichen von Erwachsenen angenommen, finden Vertrauen und gewinnen emotionale Sicherheit Die BetreuerInnen übernehmen durch ihr Verhalten wichtige Vorbildfunktion Sie beraten die Kinder und Jugendlichen und geben Interpretationshilfen, welche dazu dienen, Probleme neu einschätzen und aufarbeiten zu können Durch Regeln und Grenzsetzungen erhalten die Kinder und Jugendlichen einen schützenden und Sicherheit bietenden Rahmen, in welchem sie sich auf eine entwicklungsfördernde Weise erfahren können. Regeln sind in einem für jede Wohngruppe speziell ausgearbeiteten Regelwerk beschrieben. Trotz der notwendigen Verbindlichkeit ist dieser vorgegebene Rahmen kein starres Gebilde. Er kann aufgrund von Lernfortschritten, wachsender Kompetenz und zunehmender Verantwortungsfähigkeit individuell angepasst und erweitert werden. Die Betreuerinnen befinden sich in einem ständigen Aushandlungsprozess m it den Kindern und Jugendlichen. Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen werden hinterfragt, diskutiert und immer wieder neu bewertet Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 9 Regeln sind sinnlos ohne für die Jugendlichen transparente, durch das Team kontinuierlich reflektierte Konsequenzen im Fall des Verstoßes. Die Art der Reaktion orientiert sich an dessen Schwere, der Einsichtsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft der Jugendlichen, ihrer Vorgeschichte und aktuellen Situation Die pädagogischen Mitarbeiterinnen stellen sich für Projektion und Reibung zur Verfügung, so dass die Jugendlichen mit authentischen und empathischen Erwachsenen auf der Basis gesicherter Beziehungen und Bindungen sich erproben und die eigene Stärke messen können. Dies gibt Orientierung, stärkt das Selbstwertgefühl und fördert die Selbständigkeit. (3) Individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen: Im kognitiven, (lebens-)praktischen, kreativen, sportlichen, musischen, praktisch-handwerklichen, grob- und feinmotorischen, körperlichen sowie im emotional-expressiven Bereich erhalten die Kinder und Jugendlichen Unterstützung durch Motivierung, Anleitung, Förderung und Anerkennung. Vertrauen und Sicherheit in die eigenen Fähigkeiten werden gewonnen und Schwächen sowie Ängste können erkannt, kompensiert und abgebaut werden. (4) Auseinandersetzung mit Impulsen, Stimmungen, Bedürfnissen und Interessen der Kinder und Jugendlichen im Kontext der Gruppe: Die Einbindung des/der einzelnen Jugendlichen in die Gruppe ist maßgeblicher Bestandteil des pädagogischen Konzepts. Durch das Erleben der Gruppe und die Auseinandersetzung der einzelnen mit ihr werden soziale Fähigkeiten wie „sich mitteilen“, „argumentieren“, „durchsetzen und sich zurücknehmen“, „produktives Streiten“ und vieles mehr geübt und gelernt. Im Tagesablauf gibt es feste Zeiten in denen sich die Gruppe trifft. Hier wird Dampf abgelassen, Schulstress abgebaut, über unterschiedliche Themen diskutiert und der weitere Tagesablauf geplant In regelmäßigen Abständen findet der Gruppenabend/-tee statt, die Teilnahme ist für alle Jugendliche und MitarbeiterInnen verpflichtend. In diesem Rahmen werden Konflikte aufgedeckt und bearbeitet, Regeln und Abläufe ausgehandelt, die Gruppendynamik analysiert und anhand von z.B. Rollenspielen oder spezifischen Projekten aufgearbeitet. Hier werden auch zukünftige Alltagsaktivitäten, der Speiseplan, besondere Ereignisse der einzelnen Jugendlichen, Freizeitaktivitäten wie z.B. die nächste Gruppenfreizeit geplant oder auch einfach ein entspannter gemeinsamer Abend verbracht. Durch das „Wohnen unter einem Dach“ werden soziale Fertigkeiten und Verhaltensweisen wie gegenseitige Rücksichtsnahme und ein achtsamer Umgang mit den anderen erlernt und gefördert (5) Hausaufgabenbetreuung und schulische Förderung: Die Kinder und Jugendlichen erhalten gezielte individuelle Unterstützung in Form von Lern- und Motivierungshilfen. Bei Bedarf werden individuelle Lernzeiten vereinbart, die konzentriertes Lernen ohne störende Einflüsse von außen ermöglichen sollen. Während der täglichen Hausaufgabenbewältigung in (Klein-)gruppen oder durch Einzelförderung werden Defizite erkannt, Lernfortschritte überprüft und geeignete Förderungsmaßnahmen wie zusätzliche EinzelLerntermine bei anstehender Klassenarbeit oder zur Prüfungsvorbereitung durchgeführt. Im Rahmen von EinzelFörderunterricht werden qualifizierte LehrerInnen vermittelt, um größere Lücken im Unterrichtsstoff zu bearbeiten. Die MitarbeiterInnen pflegen intensiven Kontakt zu allen Schulen und Ausbildungsstätten der Kinder und Jugendlichen und treffen Abs prachen für eine enge Kooperation. Sie nehmen an den Elternabenden und Schulveranstaltungen teil, auch gemeinsam mit den Eltern, die durch diese Form von aktiver Mitwirkung in die Verantwortung für ihr Kind genommen werden. (6) Gesundheits- und Hygieneerziehung: Die jungen Menschen werden individuell, abhängig vom jeweiligen Entwicklungsstand, zu regelmäßiger Zahn-, Körper- und Kleiderpflege angeleitet. Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 10 Nach sorgfältiger Einschätzung kann eine Eingangsuntersuchung zeitnah nach Aufnahme vereinbart werden. Prophylaktische Termine bei Haus-, Zahn- und Facharzt sind obligatorisch. Im Krankheitsfall findet eine enge Kooperation mit dem zuständigen (Haus-) Arzt statt. Die Versorgung mit gesunder Ernährung, das Augenmerk auf ausreichende Bewegung in frischer Luft mit funktioneller und der Witterung entsprechender Kleidung und Schuhwerk und generell die Vermittlung einer gesunden Lebensführung tragen zu einer das Wohlbefinden fördernden körperlichen und geistigen Entwicklung bei. (7) Altersgemäße, die Interessen und individuelle Begabung berücksichtigende Freizeitgestaltung: Die Kinder und Jugendlichen erhalten Anregung und Unterstützung zur sinnvollen Freizeitgestaltung. Sie dient zum Ausgleich und zur Entspannung, als Ventil zum Aggressionsabbau, zur Körperwahrnehmung und Selbsterfahrung. Sportliche und gesellschaftliche Aktivitäten, Ausflüge und Besichtigungen werden individuell oder in der Gruppe geplant, organisiert und durchgeführt. Zum Engagement für im Gemeinwesen tätige Einrichtungen und Vereine wird unter dem Gesichtspunkt der Wichtigkeit der Außenbeziehungen besonders motiviert. Die jährlich durchgeführten Freizeiten mit der Gesamtgruppe dienen den Kindern und Jugendlichen zur Erholung und als Übungsfeld. Sie werden in Planung, Vorbereitung, Gestaltung und Reflexion der gemeinsam verbrachten Zeit miteinbezogen. Im Gegensatz zum Schichtdienst ist eine Personalkonstanz über einen längeren Zeitraum möglich, welche für die notwendige Sicherheit in fremder Umgebung und in unbekannten und verunsichernden Situationen sorgt. Gerade in der Ferienzeit oder in der freien Zeit an Wochenenden werden oft besondere Aktivitäten (Klettern, Schwimmen) und Projekte (Medien-, Kunst-) durchgeführt. Freie Zeit soll aber auch für Erholung und Regeneration zur Verfügung stehen. Außerdem gibt sie den MitarbeiterInnen Aufschluss darüber, inwieweit die Jugendlichen selbst in der Lage sind, ihre Freizeit allein oder gemeinsam mit anderen zu gestalten. Durch die gemeinsame Vorbereitung und Gestaltung von Festtagen im Jahreskreis mit der Vermittlung von Ritualen (Weihnachten, Ostern) und im Rahmen von Festen aufgrund eines persönlichen Anlasses (Geburtstag, Konfirmation/Firmung, Verabschiedung einer Jugendlichen oder einer Mitarbeiterin aus der Wohngruppe) erfahren viele der Kinder und Jugendlichen eine neue positive Weise des Feierns. Hierdurch werden Beziehungen besonders gepflegt und vertieft und gegenseitige Wertschätzung wird zum Ausdruck gebracht. (8) Gestaltung des Wohnumfeldes und der Gruppenatmosphäre: Im Wissen um den Zusammenhang von Sauberkeit und Freundlichkeit und innerer Befindlichkeit wird auf eine Atmosphäre Wert gelegt, in der sich die Jugendlichen, aber auch MitarbeiterInnen und Gäste wohl fühlen können. So werden anhand von gemeinsamen Aktivitäten und Projekten Haus, Hof und Garten gepflegt und ansprechend gestaltet, so dass die BewohnerInnen das Gefühl von einem eigenen „Zuhause“ bekommen. Der junge Mensch übernimmt eine besondere Verantwortung für die Ordnung und Sauberkeit seines Zimmers. (9) Soziale Kontakte, Freunde: Zu einem gesunden und zufriedenen Leben gehören gute Freunde und gute soziale Kontakte. Da viele Jugendliche oft aus einem sie schädigenden Umfeld kommen, legen die MitarbeiterInnen Wert darauf, die Freunde der Jugendlichen kennen zu lernen. Sind die Kontakte konstruktiv und sozial förderlich, sind sie gern gesehene Gäste im Haus und werden in das Alltagsgeschehen der Gruppe einbezogen. Sie dürfen beispielsweise mitessen, in der Gruppe übernachten und an Gruppenaktivitäten teilnehmen. Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 11 6.3. Förderung und Kooperation im Schul- und Ausbildungsbereich Förderung, Begleitung und Unterstützung in den Bereichen Schule, Ausbildung und Beschäftigung erfolgen durch die gezielte Erarbeitung der schulischen und beruflichen Perspektive unter Einbeziehung und mit kontinuierliche Zusammenarbeit der verschiedenen KooperationspartnerInnen wie Schule, Berufsberatung, Ausbildungsbetrieb und Arbeitsstelle. Der Einbindung der Familie kommt hierbei eine wichtige Rolle zu. Externe Schulen oder Ausbildungsbetriebe sind wichtige PartnerInnen, die zum Gelingen der Maßnahme beitragen. Eine gute Kooperation hilft allen beteiligten Institutionen, den Besonderheiten der pädagogischen Versorgung des/der Jugendlichen gerecht zu werden. Sie umfasst bei Neuaufnahme in die Wohngruppe Begleitung, Vorstellung und Anmeldung des Kindes oder Jugendlichen in Schule oder Ausbildungsbetrieb, um den Förderbedarf mit den Unterrichts- bzw. Ausbildungszielen abzustimmen Vereinbarungen von Formen der Zusammenarbeit, um bei auftretenden Schwierigkeiten (ZuSpät-Kommen, Schuleschwänzen, Nichterledigung der Hausaufgaben, Disziplinarverstösse etc.) sofort intervenieren zu können regelmäßigen Informationsaustausch mit den an der Ausbildung beteiligten Personen und Betrieben im Rahmen von Elternsprechstunden und Elternabenden zur Überprüfung von Entwicklungs- und Lernfortschritten und zur Vermeidung bzw. Lösung von Krisen. Wenn möglich sollte eine konstante Ansprechperson in der Wohngruppe für die KooperationspartnerInnen erreichbar sein Teilnahme an Schulaktivitäten (Schulveranstaltungen, Feste, Projekte etc.) für eine gute Einbindung des Kindes/Jugendlichen in seine Schule Initiierung und Vermittlung von berufsbegleitenden Hilfen (Praktika, Förderlehrgänge etc.) Hilfe bei der Entscheidungsfindung bzgl. der weiteren Schul- bzw. Berufsausbildung (z.B. Rückversetzung, Schulwechsel, Umschulung, Vorstellung bei der Berufsberatung, etc.). 6.4. Kooperation und Arbeit mit der Familie bzw. mit den Sorgeberechtigten Die Eltern- und Familienarbeit wird grundsätzlich vor dem Hintergrund einer wertschätzenden Haltung gegenüber den Familienmitgliedern geleistet. Voraussetzung für eine gelingende Zusammenarbeit ist das Interesse und die Motivation der Beteiligten und deren Einbindung in die pädagogische Arbeit unserer Einrichtung. Ein wichtiges Ziel der Eltern- und Familienarbeit ist es, die Betroffenen nicht auszugrenzen und Konkurrenz zu den „Professionals“ auszuschließen. Die Familie wird über die Arbeit der Wohngruppe informiert um evtl. vorhandene Ängste, Unsicherheiten, Vorbehalte und Vorurteile gegenüber der Institution „Heim“ abzubauen. Ein Kennenlernen des Lebensortes der Herkunftsfamilie des/der Jugendlichen durch einen Hausbesuch eines/r MitarbeiterIn der Wohngruppe im Rahmen der Aufnahme kann zusätz lich für mehr Transparenz sorgen. Im Hinblick auf eine mögliche Rückführung des Kindes oder Jugendlichen kommt der Arbeit mit den Eltern bzw. der Herkunftsfamilie eine große Bedeutung zu. Auch wenn eine Rückführung nicht in Betracht kommt, sind Auseinandersetzung, Klärung, Auflösung alter Problematiken sowie Planung mit der Familie notwendig, um diese in ihrer Bedeutung als Bezugspersonen zu erhalten und zu stärken. Zur allgemeinen Zusammenarbeit und Kontaktpflege mit der Herkunftsfamilie gehören (laut Rahmenvertrag § 6 Abs. 2 b) insbesondere die Gestaltung der Aufnahmesituation und der Hilfe/Erziehungsplanung unter aktiver Einbeziehung der Bezugspersonen aus dem Herkunftssystem Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 12 die Unterstützung der Kinder/Jugendlichen bei Telefon- und Briefkontakten das Initiieren gemeinsamer Aktivitäten, Alltagshandlungen und Freizeitunternehmungen Kontaktpflege bei Besuchen der Herkunftseltern in der Einrichtung die Vor- und Nachbereitung selbständiger Besuche des Kindes/Jugendlichen in der Herkunftsfamilie die Teilhabe der Herkunftseltern/-familie an Festen und Feiern des Kindes/Jugendlichen Über die regelhafte Kontaktpflege hinaus können weitere auf den Erziehungsbedarf abgestimmte Leistungen der Eltern- und Familienarbeit im Rahmen unseres Modul I (systemische Eltern- und Familienarbeit) oder als individuelle Zusatzleistung erbracht werden. Solche Leistungen beinhalten die Entwicklung eines tragfähigen Erziehungskonsenses zwischen Wohngruppe und Eltern/ Familie durch die Kontaktpflege ergänzende im Hilfeplan vereinbarte regelmäßige Elterngespräche und –beratungen (kontinuierliche Beratung der Eltern auch und gerade bei getrennten Eltern, Erarbeitung der Bereitschaft der Eltern zur familientherapeutischen Hilfe im Einzelfall, intensive Vorbereitung und Begleitung einer angestrebten Rückführung in die Familie) die aktive und intensivierte Beteiligung der Familie an der Maßnahme unter Berücksichtigung ihrer Ressourcen. Die Eltern sind mitverantwortlich für das Gelingen der Maßnahme; sie werden nicht nur über die Arbeit in der Wohngruppe informiert, sondern auch in wichtige Entscheidungen einbezogen, z.B. durch verbindliche Absprachen, durch Rückbindung der geleisteten Erziehungsarbeit und durch mehr Übernahme und Ausübung von Verantwortung vereinbarte Vor-Ort-Besuche der MitarbeiterInnen in der Herkunftsfamilie zum Kennenlernen des Familiensystems und der häuslichen Verhältnisse Anamnese und Diagnostik unter Einbeziehung der Familie durch den Fachdienst unserer Einrichtung Darüber hinaus können im Bedarfsfall auch Angebote für Elterngruppen, Elterntrainings und ergänzende Mediationsangebote eingesetzt werden. Die Einrichtung verfügt über MitarbeiterInnen mit Zusatzqualifikation zum/r Video-Home-TrainerIn. Die Ausrichtung und Schwerpunktsetzung der intensivierten Eltern- und Familienarbeit sind davon abhängig, ob eine Rückführung in die Herkunftsfamilie (bei Kindern und vorwiegend jüngeren Jugendlichen) oder eine Verselbstständigung und damit die Beziehungsklärung zwischen den Jugendlichen zur Familie bzw. die Auseinandersetzung und Ablösung von der Herkunftsfamilie geplant sind. Beide Möglichkeiten beinhalten die Ziele einen möglichst großen Konsens von Eltern und ErzieherInnen über die pädagogischen Maßnahmen zu schaffen die Erziehungskompetenz der Eltern zu fördern und die Erziehungsbedingungen in der Familie zum Wohle des Kindes zu verbessern die Förderung bzw. Klärung der Beziehung des Kindes bzw. Jugendlichen zu den Familienmitgliedern (Eltern, Geschwistern etc.) bei Trennung der Eltern eine gemeinsame Motivation der Eltern hinsichtlich der Maßnahme zu erarbeiten 6.5. Zusammenarbeit mit den zuständigen Jugendämtern Eine enge Zusammenarbeit mit den im Einzelfall zuständigen MitarbeiterInnen des Jugendamtes ist für die Hilfeplanung unerlässlich. Gemeinsam mit ihnen wird der gesamte Erziehungsprozess vom Zeitpunkt der Anfrage in unserer Einrichtung bis zur Beendigung geplant und abgestimmt. Basis der Erziehungsarbeit ist die Erstellung und Fortschreibung eines Hilfeplans gem. § 36 KJHG Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 13 Im ersten Hilfeplan – teilweise schon im Erstgespräch - werden unter Mitwirkung aller Beteiligten die Rahmenbedingungen bzw. der Hilfebedarf besprochen und eine erste Zielsetzung der Unterbringung definiert Die Fortschreibung des Hilfeplans im halb- bis jährlichen Turnus dient vor allem der Zielüberprüfung. Im abschließenden Hilfeplan werden die Modalitäten der Entlassung bzw. Ablösung vereinbart In Krisensituationen wird das weitere Vorgehen gemeinsam mit dem Jugendamt und den Eltern abgestimmt Einrichtung und Jugendamt arbeiten ebenso in Fragen der Eltern- und Familienarbeit sowie mit anderen an der Förderung des Kindes bzw. an der Unterstützung der Familie beteiligten Institutionen zusammen Kooperation mit der wirtschaftlichen Jugendhilfe (Antragstellung für Erstausstattung und Übernahme von Fahrtkosten…) Übergreifende Zusammenarbeit mit dem Jugendamt in diversen Arbeitskreisen und bei der Jugendhilfeplanung 6.6. Internes Krisenmanagement Die Arbeit in den Wohngruppen stellt hohe Anforderungen an das professionelle Handeln, immer wieder ist ein sachgerechter und überlegter Umgang mit Konfliktsituationen und in Krisen gefordert. Krisenhafte Entwicklungen im Betreuungsalltag lassen sich nur bedingt vorhersehen, sie können jederzeit auftreten. Klare Verfahrensabsprachen gewährleisten daher das professionelle Handeln der MitarbeiterInnen in Krisen und in kritischen Betreuungssituationen. (1) Zum Umgang mit Krisen, Gefährdungssituationen und besonderen Vorkommnissen gelten einheitliche und verbindliche Vorgehensweisen in der gesamten Einrichtung. In jeder Dienststelle wird ein Notfallordner vorgehalten, der von den MitarbeiterInnen immer auf dem aktuellen Stand gehalten wird. Der Notfallordner enthält wichtige Telefonnummern, Adressen und Verfahrensanweisungen, auf die im Notfall schnell und sicher zugegriffen werden kann. Weitere Inhalte des Notfallordners sind: „Ablauftabelle zur Krisenintervention und Krisenbearbeitung“, die interne Regelung der Rufbereitschaft in den (teil-)stationären Betreuungsangeboten und die Ablaufkette zur Sicherung der Erreichbarkeit von Bereichsleitung/Einrichtungsleitung, ein „Informationsblatt für Notfälle“ mit wichtigen Basisinformationen zum Kind/Jugendlichen bzw. der Familie, aktuelle Kopien des Impfbuches und der Krankenversichertenkarte. Nicht zuletzt liegt ein Raster zur „Dokumentation von krisenhaften oder besonderen Vorkommnissen“ bereit. Zum Umgang mit Kindeswohlgefährdung gemäß des Schutzauftrages der Jugendhilfe nach § 8a SGB VIII wurden für die Einrichtung der Martin-Bonhoeffer-Häuser verbindliche Qualitätsstandards entwickelt. Diese enthalten zusätzlich zu der einschlägigen Vereinbarung mit dem Landkreis Tübingen wichtige verfahrensrelevante Arbeitshilfen (Leitfaden, Ablaufschema, Einschätzungsbogen). Zur Überprüfung einer vermuteten Kindeswohlgefährdung wurden mehrere Fachkräfte zu Kinderschutzbeauftragten („insoweit erfahrene Fachkräfte“) bestimmt und qualifiziert, deren Einsatz von einer übergeordneten Koordinatorin begleitet wird. Grundsätzlich gilt, dass nach der evtl. erforderlichen Erstversorgung zuerst die Bereichsleitung/Leitung informiert und mit ihr abgesprochen wird, wer wann welche Personen informiert. Diese Informationspflicht dient der notwendigen internen Selbstvergewisserung in der Situation und der abgestimmten Einleitung weiterer Schritte, wie auch einer einheitlichen Informationspolitik nach innen und außen. Soweit mit der zuständigen Bereichsleitung nicht anders vereinbart, ist der/die betreffende MitarbeiterIn verpflichtet, den kompletten Vorgang bis zum Abschluss der oben skizzierten Ablaufschritte auf dem entsprechenden Dokumentationsbogen festzuhalten. Der Erhebungsbogen zu Krisen und besonderen Vorkommnissen ist nach Abschluss des Vorgangs zur Ablage zu den Akten zu geben. Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 14 (2) Meldung besonderer Vorkommnisse beim überörtlichen, örtlichen und fallzuständigen öffentlichen Träger der Jugendhilfe Sobald die Einrichtungsleitung über die Situation informiert und die Informationspflicht gegenüber dem öffentlichen Träger festgestellt wurde, gilt folgender Ablauf: Einrichtungsleitung oder eine von ihm ausdrücklich beauftragte Person meldet das besondere Vorkommnis der Heimaufsicht des Landesjugendamtes, der ASD-Leitung des örtlichen Jugendamtes bzw. der Fall zuständigen Fachkraft des unterbringenden Jugendamtes. Die Meldung erfolgt bei Ereignissen lebensbedrohlicher Art unverzüglich, in anderen Fällen spätestens am Folgetag telefonisch oder per Fax. Zeitnah wird ein ausführlicher Bericht über den Hergang und den professionellen Umgang (durchgeführte Interventionen) mit der besonderen Situation für die beteiligten Institutionen erstellt. 6.7. Kooperation mit TherapeutInnen In Ergänzung zu den sozialtherapeutischen Leistungen, die von den Fachkräften der Wohngruppen geleistet werden, bedürfen viele Kinder und Jugendliche in stationärer Erziehungshilfe zur Aufarbeitung und Bewältigung ihrer Biographie einer gezielten und weitergehenden psychotherapeutischen Begleitung. Diese kann durch die Kinder- und Jugendlichentherapeutin der Einrichtung oder durch die Vermittlung an externe TherapeutInnen im Rahmen der Vereinbarung individueller Zusatzleistungen angeboten werden. Die Kinder- und Jugendlichentherapeutin unterstützt die Kinder und Jugendlichen und deren Familien durch diagnostische Abklärung Beratungsgespräche mit den Kindern und Jugendlichen und ggf. mit deren Eltern psychotherapeutische Krisenintervention Durch Gestaltung der Kontaktaufnahme, der ersten Kennenlerntermine und der im Einzelfall vereinbarten Kooperationsformen unterstützt das pädagogische Fachpersonal den therapeutischen Prozess. Dieses Kooperationsverständnis wird auch mit bereits vor der Aufnahme bestehenden therapeutischen Beziehungen, die erhalten werden sollen, umgesetzt. Die Fachkräfte der Wohngruppen werden durch den Fachdienst beraten und in ihrer Arbeit unterstützt. Je nach Erfordernis der Maßnahme wird mit externen PsychotherapeutInnen gearbeitet und unterschiedliche Therapieformen werden zur zusätzlichen Unterstützung genutzt, z.B. Verhaltens oder Gestalttherapie, psychoanalytische Therapie, Kinesiologie, Hypnotherapie, Musiktherapie. 6.8. Entlassung, Ablösung und Gestaltung der Übergänge Das Kind oder der/die Jugendliche kehrt nach Beendigung der stationären Erziehungshilfe in aller Regel entweder in seine/ihre Herkunftsfamilie zurück oder wird bei entsprechendem Alter und Fähigkeit zur weitgehend selbstständigen Lebensführung im Rahmen von Betreutem Jugendwohnen (BJW), BJW in Gemeinschaft oder intensiver Einzelbetreuung /ISE) weiter unterstützt. In Ausnahmefällen kann die Maßnahme ohne Übergang in eine andere Betreuungsform beendet werden. Obligatorisch ist ein Abschlusshilfeplan mit allen unmittelbar Beteiligten (Jugendliche/r, Familie, ASD, Einrichtung) mit kritischer Reflexion und Bewertung des Hilfeverlaufs. Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 15 Die Rückführung in die Herkunftsfamilie wird vorbereitet durch eine Intensivierung der Elternkontakte mit häufigen Wochenendheimfahrten und längeren Ferienbeurlaubungen der Jugendlichen. Die Auswertung der Heimfahrten und die Beratungsprozesse werden intensiviert. Der Übergang in eine andere Betreuungsform wird vorbereitet durch gemeinsame Planung mit Wohngruppe und übernehmender Fachkraft „Kennenlerntermin“ mit der neu zuständigen Betreuungsperson und der Vorstellung der neuen Betreuungsform ein auf den Bedarf des/der Jugendlichen abgestimmtes Vermittlungstraining (Üben und Erproben von selbstständigem Aufstehen, Einkaufen, Kochen, Kontaktaufnahme mit der zukünftigen Betreuungsperson, Auseinandersetzung mit der eigenen Zukunftsperspektive, etc.) gemeinsame Wohnungssuche, Unterstützung beim Kauf von (preiswerten) Haushaltsgegenständen durch Betreuer der Wohngruppe und durch die neue Betreuungsperson Im Falle, dass keine andere Hilfe an die Wohngruppenbetreuung anschließt, besteht die Möglichkeit zu einer zeitlich begrenzten Nachbetreuung durch eine/n MitarbeiterIn der Wohngruppe. Die Entwicklungserfolge der Jugendlichen werden nachhaltig gesichert, indem die vorhandenen und gewachsenen Beziehungen der Jugendlichen zu „ihren“ BetreuerInnen genutz t und Stabilität und Rückhalt vermittelt werden, um möglichen Überforderungen wirksam zu begegnen. 7. Rahmenleistungen der Einrichtung 7.1. Planung, Beratung, Reflexion und Dokumentation diagnostische Abklärung, Anamnese und Prognoseerstellung Koordination der Bereichsleitung Aufnahmeanfragen, Aufnahmen und Notaufnahmen durch die Mitwirkung bei Hilfekonferenzen, Erziehungsplanung Planung, Organisation und Begleitung des pädagogischen Prozesses (Settings), Vorbereitung der Ablösung Kontrolle und Dokumentation der Erziehungsarbeit durch (interne) Protokollierung von Dienstbesprechungen, Übergaben und Hilfeplangesprächen, Anfertigung von Berichten, gewissenhafte Aktenführung Fallbesprechungen in den wöchentlichen Teamsitzungen, 14tägig mit der Bereichsleitung Praxisbegleitung und -beratung einrichtungsinterne Therapeutin durch Bereichsleitung, Einrichtungsleitung regelmäßige Supervision zur Reflexion der Fallarbeit und Klärung von Problemen Organisation der Zusammenarbeit mit den PartnerInnen im Hilfesystem intensive Anleitung von PraktikantInnen Einführung und Anleitung des Zivildienstleistenden fachlicher Austausch mit anderen Einrichtungen und Arbeitsgruppen fortlaufende Konzeptionsentwicklung stetige Qualitätsentwicklung und Evaluation und Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 16 7.2. Lage, räumliche Gegebenheiten und Versorgungsaspekte Die betreuten Kinder und Jugendlichen wohnen in Gruppen mit jeweils 6 Plätzen in eigenen Häusern in Tübingen und Nehren sowie in einem angemieteten Haus in Waldenbuch. Dort können zusätzlich zwei Jugendliche bzw. junge Volljährige in der Einliegerwohnung mehr Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit einüben. Durch eine gute öffentliche Verkehrsanbindung können die Jugendlichen ihre sozialen Kontakte wahrnehmen und die zu besuchende Schule oder Ausbildungsstätte gut erreichen. An jedem der vier Standorte gibt es eine breite Palette an Beschulungsmöglichkeiten und eine enge Kooperation mit den örtlichen Schulen und Vereinen. Alle Jugendlichen verfügen über ein Einzelzimmer. Zur Grundausstattung gehören Bett, Schränke, Schreibtisch, Sitzgelegenheit, Regale und Zimmerlampen. Die Zimmer werden auch als Möglichkeit zum Rückzug genutzt, die von den MitbewohnerInnen in besonderer Weise zu respektieren ist. Zur Arbeitsausstattung gehören zählt neben den Schulbüchern und den Lernmaterialien die Möglichkeit am Computer zu lernen und das Internet zu nutzen. Küche, Esszimmer, Gemeinschafts-, Dienst- sowie Sanitärräumen sowie jeweils ein Garten vervollständigen die Wohn- und Nutzungsmöglichkeiten der Häuser. Die Räumlichkeiten werden kind- und jugendgerecht gestaltet. Die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen bei der Einrichtung, Ausgestaltung, und regelmäßigen Renovierung wirkt förderlich für die Identitätsbildung. Für eine sinnvolle Freizeitgestaltung stehen den jungen Menschen u.a. Bücher, Spiele, Tischtennisplatte, Basketballkörbe, Kletterausrüstung, Fahrräder und Schlitten zur Verfügung. Die Vollverpflegung erfolgt nach ernährungsphysiologischen Erkenntnissen und berücksichtigt insbesondere die Bedeutung einer jugendgerechten Ernährung (viel Frisches, wenig Fertigprodukte) für die gesunde Entwicklung des jungen Menschen. 7.3. Hauswirtschaft Jeder Wohngruppe stehen MitarbeiterInnen der Hauswirtschaft zur Verfügung, welche für Einkäufe, Vorratshaltung von Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs und für die Essenszubereitung zuständig sind, ebenso für die Pflege von Haus, Hof und Garten und für kleinere Reparaturen. Die Wohngruppen verfügen zur Versorgung der Wäsche über geeignete Räumlichkeiten mit Waschmaschine und Trockner. 7.4. Leitung und Verwaltung Die Steuerung und Gesamtverantwortung für die pädagogische Arbeit wird durch die Bereichsleitung und Einrichtungsleitung und Gruppen bezogen durch die Gruppenleitung gewährleistet. Darüber hinaus erhalten die pädagogischen Fachkräfte in allen administrativen Belangen zeitnahe und sachgerechte Unterstützung durch die Zentral-, Personal- und Bereichsverwaltung. Uns ist es wichtig, dass Verwaltungsabläufe kein Selbstzweck sind, sondern sich am Leitbild der Einrichtung orientieren und die pädagogische Arbeit qualifizieren helfen. 8. Leistungsmodule und individuelle Zusatzleistungen Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 17 Das Regelangebot in den vier Gruppen kann im Bedarfsfall um Leistungsmodule und individuelle Zusatzleistungen (IZL) ergänzt werden. 8.1. Leistungsmodule Gestützt auf unsere Erfahrung in der Arbeit mit besonders belasteten Kindern und Jugendlichen, mit Blick auf die Dynamik im Herkunftssystem und aus dem sozialtherapeutischen Profil unserer stationären Wohngruppenarbeit heraus entwickelt, bieten wir aktuell zusätzlich zum Modul „intensive Eltern- und Familienarbeit“ zwei Leistungsmodule als Hilfepaket für Kinder und Jugendliche mit sehr spezifischen Belastungen bzw. mit sehr spezifischen Zielstellungen der Hilfe an. Ihr Einsatz erfolgt auf der Grundlage der Hilfeplanung. Jedes der Module umfasst ein reflektiertes Umsetzungskonzept, auf dessen Grundlage der koordinierte Einsatz einer größeren Bandbreite von Einzelleistungen erfolgt. Modul I: Intensive (systemische) Eltern- und Familienarbeit Die intensive, auf systemischen Grundlagen basierende Eltern- und Familienarbeit geht über die regelmäßige, im Hilfeplan abgesprochene allgemeine Zusammenarbeit und Kontaktpflege mit den Eltern nach § 6 Abs. 2b nach § 78f SGB VIII (RV 2007) hinaus. Sie wird auf den Erziehungsbedarf abgestimmt und auf dem Hintergrund einer wertschätzenden Haltung gegenüber den Eltern bzw. der Familie geleistet. Zielgruppe sind Familien, die sowohl motiviert, als auch zeitlich und räumlich in der Lage sind, intensiv an der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Familie mitzuarbeiten. Einbezogen sind insbesondere auch Familien in Trennungs- und Scheidungssituationen. Im Fokus stehen nicht nur Eltern(teile) und das Kind, sondern das gesamte Familiensystem, also auch Geschwister und andere für die Zielerreichung wichtige Verwandte. Modul II: Intensivpädagogische Leistungen für Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen Für junge Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen und ggf. längerer seelischer Behinderung (§ 35a SGB VIII) und daraus resultierendem besonderen Erziehungsbedarf bieten die Wohngruppen eine Übergangsmöglichkeit, um - nicht nur, aber vorwiegend - nach einem Psychiatrieaufenthalt eine weitere Stabilisierung in nichtklinischer Umgebung erreichen zu können und entsprechend des individuellen Bedarfs des Kindes/Jugendlichen entwicklungsfördernd zu wirken. Um das auch pädagogisch vertretbare Gleichgewicht zwischen einem möglichst „normalen“ Lebensfeld und einer Ansammlung von jungen Menschen mit ausgeprägter Symptomatik aufrecht zu erhalten, sind maximal drei Plätze pro Gruppe mit solchen Jugendlichen belegt. Um eine ausreichende und gezielte Stützung und Förderung der besonders belasteten Jugendlichen zu gewährleisten, sind sehr individuelle Beziehungssituationen und spezifische Symptom bezogene Leistungen erforderlich. Modul III: Intensivpädagogische Leistungen für Kinder und Jugendliche im Vorfeld einer Anordnung zur geschlossenen Unterbringung Für die Zielgruppe von Kindern und Jugendlichen mit der Notwendigkeit einer sehr individuellen und intensiven Betreuung im Vorfeld der Anordnung zur geschlossenen Unterbringung bieten wir ein weiteres Modul an. Zur Zielgruppe gehören Kinder und Jugendliche mit hohem Potential an Selbst- oder Fremdgefährdung, mit geringen Selbststeuerungs- und Kontrollfähigkeiten, mit hohem Verweigerungs- und Aggressionspotential, die herumstreunen und nur eingeschränkt den durch die Wohngruppe vorgegebenen Rahmen akzeptieren (können) oder die aufgrund richterlicher Weisung nach JGG in stationärer Jugendhilfe untergebracht werden müssen. In besonderer Weise benötigen Kinder und Jugendliche dieser Zielgruppe sehr individuelle und individualpädagogische Betreuungsangebote um einer gestörten Bindungsfähigkeit entgegenwirken zu können. Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 18 8.2. Individuelle Zusatzleistungen Individuelle Zusatzleistungen sind flexible und Hilfeplan gesteuerte Leistungen im Einzelfall, also unmittelbar einzelnen Kindern und ihren Familien zugeordnete, abgrenzbare und im Hilfeplangespräch geplante Leistungen. Sie sind nicht Bestandteil des Regelangebotes, sondern werden im Einzelfall beantragt und vom Kostenträger genehmigt und finanziert. Im Rahmen der vier Wohngruppen, des Fachdienstes und unserer Gruppen übergreifenden Dienste können wir insbesondere folgende Leistungen anbieten: (1) Individuelle therapeutische, heilpädagogische und sozialpädagogische Zusatzleistungen Intensivpädagogische besondere Leistungen in Krisen (bei akuter Fremd- und Selbstgefährdung) des jungen Menschen, in welchen das Regelangebot nicht ausreicht, um dem Erziehungsauftrag (den Erziehungszielen) gerecht werden zu können, Besondere sozialpädagogische und der Stabilisierung dienende Einzelbetreuung in der Übergangsphase von Psychiatrie zur Wohngruppe, um dem jungen Menschen zur Wiedereingliederung in ein „normales“ Leben die erforderliche intensive Stützung und Auseinandersetzung in allen Lebensfeldern geben zu können oder in der Übergangsphase von Wohngruppe zurück in die Herkunftsfamilie mit besonderer Beratung und Unterstützung sowohl des Jugendlichen als auch der Familie Erlebnispädagogische Angebote und sozialpädagogische Trainingsmaßnahmen. Therapeutische Hilfen, die unmittelbar den pädagogischen Prozess stützen helfen Kunsttherapeutische und - pädagogische Angebote in Form von Projekten oder Einzelförderung Mehrere unserer Fachkräfte verfügen über spezielle Zusatzqualifikationen: o Ausbildung, die zur Anleitung von Kletterkursen berechtigt o Reittherapeutische Ausbildung für heilpädagogisches Reiten (mit eigenen Pferden) o Ausbildung zum Präventionstrainer für sexuell übergriffige Jugendliche (2) Individuelle Zusatzleistungen der Eltern- und Familienarbeit Individuelle Beratungs- und Unterstützungsleistungen der Herkunftsfamilien im Sinne der Zielstellungen der Hilfe Leistungen zur Stärkung der Erziehungskompetenz der Familien, Video-Home-Training (3) Individuelle besondere Förderung im schulischen und Ausbildungsbereich schulische Stütz- und Fördermaßnahmen Maßnahmen zur Sicherung des Schulbesuchs und der Berufsausbildung Die individuellen Zusatzleistungen werden dort, wo sinnvoll und nötig, von einer hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiterin der Gruppe geleistet, die für diesen Auftrag durch andere Kräfte anteilig von ihrem Gruppendienst entlastet wird. Somit muss nicht eine völlig neue und andere Beziehung aufgebaut werden. Auch wird die Stigmatisierung, dass der/die Jugendliche aufgrund seiner/ihrer Störung eine zusätzliche Betreuungsperson braucht, verhindert. In manchen Fällen ist jedoch eine Einzelbetreuung durch eine externe, nicht in der Gruppe arbeitende Fachkraft sinnvoll. Diese Leistungen können in einem solchen Bedarfsfall auch ergänzend zu den hauptamtlichen MitarbeiterInnen im Gruppendienst durch entsprechend qualifizierte Fachkräfte vermittelt und durchgeführt werden. Martin-Bonhoeffer-Häuser Seite 19 Umfang und Details der individuellen Zusatzleistungen werden im Hilfeplan festgelegt; in sehr dringenden Fällen müssen diese besonderen Leistungen auch schnell und unbürokratisch eingeleitet werden können. 9. Kontakt Martin-Bonhoeffer-Häuser Lorettoplatz 30 72072 Tübingen Tel.: 07071/5671-0 (Zentrale) Fax: 07071/5671-11 Bereichsleitung für die stationären Wohngruppen: Hans Schall 07071/5671-12 [email protected] www.mbh-jugendhilfe.de Therapeutische Wohngruppe für psychisch erkrankte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene KONZEPTION I. Beschreibung des Trägers Der Verein „STEP e.V.“ (Sozialpädagogisch-Therapeutische Einrichtungen und Projekte) ist ein gemeinnützig anerkannter Träger der Jugendhilfe und Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband. Zweck des Vereins ist es, ambulante und stationäre Hilfen gemäß dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) für Kinder und Jugendliche zu entwickeln, die nach stationärer oder ambulanter psychiatrischer Behandlung Unterstützung zur Wiedereingliederung benötigen. II. Grundlagen der pädagogischen Arbeit Grundlage unserer pädagogischen Arbeit ist eine ganzheitliche Sichtweise des Individuums innerhalb seines gesellschaftlichen Kontextes. Wir gehen von der Grundannahme aus, dass jeder Mensch den Wunsch hat, sich selbst und seine Bedürfnisse mit seinen Möglichkeiten und seiner Umwelt in Einklang zu bringen. Dies bedeutet das Streben nach Autonomie mit Sicherung der Lebensgrundlagen (Wohnraum und finanzielles Auskommen) sowie das Finden einer Zukunftsperspektive und eines Platzes innerhalb unserer Gesellschaft. Deshalb stehen im Mittelpunkt unserer pädagogischen Arbeit alle Bezüge, die die Lebenswelt der Jugendlichen ausmachen, die ihre Persönlichkeitsentwicklung und auch die momentane Situation beeinflussen. Als Voraussetzung für eine befriedigende Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sehen wir eine angemessene Interaktionskompetenz, d.h. die Fähigkeit, Bedürfnisse zu äußern und Forderungen zu stellen. Dies beinhaltet außerdem, sich 1 mit anderen Sichtweisen auseinander zusetzen und Kritik annehmen zu können, ohne die eigene Person in Frage zu stellen. Neben den sozialen Komponenten des gesellschaftlichen Lebens ist es die zielgerichtete Tätigkeit, die Status und Identität verleiht. Erfahrungsgemäß bieten diese Bereiche ein breites Konfliktfeld. Pädagogische Interventionen stehen hier stets im Bezug zur Alltagsrealität und erhalten als Bestandteil der Alltagsbewältigung auch für die Jugendlichen eine nachvollziehbare Notwendigkeit. Die großen Veränderungen des Heranwachsens schaffen neue Bedürfnisstr ukturen, deren Erfüllung neue soziale Rollen abverlangen. Ein Begreifen der Situation der Jugendlichen und Verständnis für diese fordert die Berücksichtigung der leiblich-seelischen Reifungsproblematiken verschiedener Entwicklungsstufen, die Grund für große Anpassungsschwierigkeiten in die Erwachsenenwelt sein können. Gefühle der Verunsicherung und der Orientierungsnot, die bereits bei einer normalen, altersgemäßen Entwicklung auftreten, verstärken sich erfahrungsgemäß beim Klientel der Jugendhilfe durch belastete Familienstrukturen. Jugendliche aus dem Umfeld der Jugendhilfe suchen nach einer positiven Selbstdefinition, die Versagensängste überwinden hilft. Die von außen beobachtete Leistungsverweigerung erweist sich häufig als eine Vermeidungsstrategie, um Misserfolge zu umgehen. Ziel der Betreuung ist es, Jugendlichen trotz der Gefährdung durch ihre Entwicklungsproblematik und ihrer Erkrankung eine zuversichtliche Geborgenheit zu ermöglichen und sie zu unterstützen, ein positives Selbstbild aufzubauen. Voraussetzung hierfür ist eine positive, akzeptierende Grundhaltung. Wir wollen durch unsere pädagogische Arbeit den Jugendlichen Rahmenbedingungen geben, die eine persönliche Orientierung im gesellschaftlichen Kontext fördern und eine Bewältigung der entwicklungsbedingten Krisen unter besonderer Berücksichtigung ihrer psychischen Erkrankung ermöglichen. Wir wollen Brücken bauen zwischen der Forderungswelt der Realität und den subjektiven Möglichkeiten der einzelnen Jugendlichen. III. Das Konzept a) Die Zielgruppe In die Therapeutische Wohngruppe werden Kinder und Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren aufgenommen, die nach einem stationären Aufenthalt in der Kinder - und Jugendpsychiatrie oder bei ambulanter Behandlung einer besonderen pädagogischen und therapeutischen Betreuung in einer Übergangseinrichtung bedürfen. 2 Es handelt sich um Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihrer Erkrankung, deren Ursachen oder deren Folgen derzeit nicht in ihrem ursprünglichen Milieu leben können und deren Stand der Autonomieentwicklung ein selbständiges, eigenverantwortliches Leben (noch) nicht zulässt. Auch eine Unterbringung in einer der vorhandenen Jugendhilfeeinrichtungen ist wegen Überforderung der/des Jugendlichen oder wegen fehlender fachlicher Ausstattung nicht möglich. Die Erkrankung, insbesondere die Beziehungsfähigkeit, muss sich in einem Stadium befinden, in dem ein Leben in der Gruppe (Bedingungen und Regeln der Wohngruppe) keine Überforderung darstellt. Die Jugendlichen müssen bereit sein, schulische und berufliche Perspektiven zu erarbeiten und umzusetzen. Ihre Schul- bzw. Arbeitsfähigkeit muss dies zulassen. Nicht geeignet sind Kinder und Jugendliche, deren psychische Erkrankung durch psychotrope Substanzen hervorgerufen wurde und bei denen Missbrauchs- und Abhängigkeitssyndrome fortbestehen, da sie sich nicht von ihrem Konsum distanzieren. Ebenso können Jugendliche mit ausschließlich schweren Störungen des Sozialverhaltens (insbesondere mit Delinquenz), mit akuter Suizidalität, mit schweren Entwicklungsstörungen (z.B. hochgradiger Autismus) und mit intellektuellen Behinderungen als Primärdiagnose nicht aufgenommen werden. b) Ziele Unter Berücksichtigung der psychischen Erkrankung sollen die Jugendlichen in der Therapeutischen Wohngruppe eine Autonomie entwickeln, die ihrem Alter und ihren Entwicklungsmöglichkeiten entspricht. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen sich die Jugendlichen zunächst psychisch stabilisieren. Mit ihnen soll eine schulische oder berufliche Perspektive entwickelt, ihre lebenspraktischen Kompetenzen gesteigert und die Fähigkeit zur Freizeitgestaltung erhöht werden. Ebenso sollen ihre grundlegenden personalen und sozialen Kompetenzen gefördert werden. Diese neu erworbene Autonomie soll die Jugendlichen letztlich befähigen, ein gänzlich eigens tändiges Leben zu führen oder wieder in die Herkunftsfamilie zurückzukehren. Bei Bedarf wird gemeinsam mit dem Betreuten eine adäquat weiter betreuende Einrichtung gesucht. c) Aufnahmekriterien und -verfahren Aufgenommen werden Kinder und Jugendliche beiderlei Geschlechts zwischen 13 und 18 Jahren. Auch junge Erwachsene über 18 Jahren können aufgenommen werden, wenn deren Entwicklungsalter in diesem Bereich liegt. Voraussetzungen für die Aufnahme sind: • Bereitschaft zur Teilnahme an Vorstellungsgesprächen in der Therapeutischen Wohngruppe und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Nürnberg 3 • Bereitschaft, einer zielgerichteten Tätigkeit wie Schule oder Arbeit nachzugehen oder die dafür notwendigen Fähigkeiten zum Beispiel im Rahmen eines Förderprogrammes in absehbarer Zeit zu erwerben • Mitarbeit beim Erstellen und Umsetzen eines individuellen Betreuungsplanes • Akzeptanz der Hausregeln • in der Regel Zustimmung der Eltern und ihre Bereitschaft zur Mitarbeit Die Jugendlichen ziehen nach ihrer Entscheidung für die Wohngruppe ein. Nach etwa einer Woche, wenn sie sich ein umfassendes Bild von der Einrichtung und der Arbeitsweise machen konnten, sollen die Jugendlichen ihre Entscheidung bestätigen. Erst dann wird der Betreuungsvertrag mit den Jugendlichen abgeschlossen. Die Dauer des Aufenthaltes wird von der individuellen Notwendigkeit für das Erreichen der Ziele bestimmt und im Hilfeplanverfahren geregelt. Der Aufenthalt wird aber für mindestens ein Jahr angenommen und sollte in der Regel zwei Jahre nicht wesentlich überschreiten. Bei unter 15jährigen Jugendlichen muss bereits vor der Aufnahme eine Perspektive erarbeitet werden, wo der oder die Jugendliche nach der Therapeutischen Wohngruppe leben soll. Zusätzlich muss bei diesen Jugendlichen auf Grund des Alters der pädagogische Mehrbedarf geklärt werden. d) Betreuungskonzept Das Konzept berücksichtigt insbesondere: 1. Die äußeren Bedingungen: Hierzu gehören die Umwelt der Jugendlichen, ihre Herkunftsfamilie, die soziale Stellung, der bisherige Werdegang usw., aber auch die rechtlichen Bedingungen, der Erziehungsauftrag und die Persönlichkeiten der BetreuerInnen mit ihren Sichtweisen und Standpunkten, sowie das pädagogische Konzept nach dem sie arbeiten. 2. Die verbalen Äußerungen der Jugendlichen, d.h. wie äußern sich die Jugendlichen über ihre Situation; welche Ziele formulieren sie für sich usw. 3. Die Verhaltensäußerungen der Jugendlichen, d.h. welche Schritte unternehmen die Jugendlichen zur Erreichung ihrer Ziele; welches Verhalten zeigen die Jugendlichen in Bezug auf ihre verbalen Äußerungen. Unter gleichzeitiger und gleichwertiger Einbeziehung dieser drei Faktoren entsteht die Betreuungsleitlinie (Zentralorientierung). Stimmigkeit und Umsetzbarkeit bilden die Grundlage für die Handlungsorientierung für die Jugendlichen und Be treuerInnen. Äußere Bedingungen, verbale Äußerungen und Verhaltensäußerungen sind einer ständigen Veränderung unterworfen und beeinflussen sich gegenseitig. Sie dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Die dabei immer wieder auftretenden Widersprüche könne n zu 4 konfliktreichen Spannungsfeldern führen. Es handelt sich hier also um ein dynamisches Konzept, welches fortlaufend überprüft und fortgeschrieben werden muss. Die Überprüfung unserer methodischen Vorgehensweisen erfolgt durch Reflexion im Team, kollegiale Beratung und Supervision. Außerdem wird eng mit den behandelnden Ärzten und Therapeuten kooperiert und es findet ein regelmäßiger Fachaustausch mit der Kinder - und Jugendpsychiatrie Nürnberg statt. Mit den Betreuten wird ein Betreuungsplan erstellt. Dieser beinhaltet neben den Zielen der Jugendlichen die notwendigen pädagogischen sowie ambulanten psychiatrischpsychotherapeutischen Maßnahmen. Voraussetzung für die Betreuung in der Wohngruppe ist die ambulante Anbindung an einen psychiatrischen Facharzt. Der Betreuungsplan ist für uns die pädagogische Grundlage im Hilfeplanprozess. In Anlehnung an diesen wird er kontinuierlich fortgeschrieben. Wichtige Inhalte der Betreuung sind: • die Auseinandersetzung mit der eigenen Krankheit und ggf. dem verantwortungsbewussten Umgang mit Medikamenten • die Förderung von Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit • die Vermittlung von lebenspraktischen Fähigkeiten • die Entwicklung und Durchführung eines individuellen Therapiekonzeptes, z. B. die Fortführung der in der Klinik geleisteten therapeutischen Arbeit • das Finden einer Ausbildungsperspektive oder Möglichkeit zur Beschulung • die Entwicklung von sozialen Kompetenzen, besonders der Auseinandersetzungsbereitschaft und Abgrenzung in Einzelkontakt und Gruppe • das Erlernen des Umgangs mit gesellschaftlichen Realitäten • Hilfen bei der sinnvollen Freizeitgestaltung und dem Entdecken eigener Interessen • die Arbeit an Konflikten innerhalb der Herkunftsfamilie Allen Jugendlichen wird ein(e) BezugsbetreuerIn zugeordnet. Diese(r) bietet wöchentlich einen Einzelkontakt an und ist zuständig für Kontakte zu Therapeuten und Schule bzw. Arbeitgeber. Der/die BezugsbetreuerIn führt die monatlichen Familiengespräche. e) Methoden Die Grundlage der Arbeit mit den Betreuten ist das Schaffen eines therapeutischen Klimas innerhalb der Wohngruppe. Dies umfasst auch eine verstehende und ganzheitliche Sichtweise der Kinder und Jugendlichen. Im Rahmen der Gruppenpädagogik wird das Haus gemeinsam mit den Betreuten bewirtschaftet und instand gehalten. In der Freizeit werden regelmäßige 5 Gruppenunternehmungen vor allem in den Bereichen Sport und Spiel, Kultur und musischkreative Gestaltung durchgeführt. Darüber hinaus finden erlebnispädagogische Maßnahmen sowie themenzentrierte und interaktive Gruppenangebote zur Erweiterung der sozialen Kompetenz statt und es werden Hilfen bei der Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens gegeben. Für die Einzelbetreuung stehen in der Regel für jede(n) Jugendliche(n) zwei Stunden pro Woche zur Verfügung. Die Einzelgespräche und –aktionen dienen der Umsetzung des individuellen Betreuungsplanes innerhalb oder außerhalb des Hauses. Weiterhin zählen zur Einzelbetreuung ausführliche Kontakte zur Familie, aber auch zu Schule, Arbeitgeber und Therapeuten. Darüber hinaus erfolgt eine rechtzeitige Vorbereitung des Auszugs und der Nachbetreuung. Ein wichtiger Bestandteil der Einzelarbeit ist die schriftliche Dokumentation des Entwicklungsprozesses und die Transparenz im Team. Die Betreuung der Familien umfasst Elterngespräche, Elternseminare, gemeinsame Aktionen mit Jugendlichen und Eltern, Elternnachmittage, bei Bedarf Hausbesuche und das Angebot an die Familie oder Teile der Familie, für eine begrenzte Zeit, z.B. am Wochenende am Wohngruppenleben teilzunehmen. Die Elterngespräche sind für die Sorgeberechtigten verpflichtend und finden regelmäßig alle vier Wochen statt. Ziel dieser Gespräche ist die Beteiligung der Eltern an der Betreuung ihrer Kinder in der Therapeutischen Wohngruppe. Darin werden die Eltern über die Entwicklung und Betreuung ihres Kindes informiert, gemeinsam werden Erwartungen der Jugendlichen, der Eltern und der Einrichtung abgeklärt und es werden der Betreuungsverlauf und Kontakte zwischen den Jugendlichen und ihren Eltern reflektiert. Bei Bedarf kann durch den Fachdienst eine Familientherapie angeboten werden. f) Ambulante Betreuungsangebote Um den individuellen Bedürfnissen der Kinder, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und ihrer Familien gerecht zu werden, gibt es über das Angebot der Wohngruppe hinaus auch flexible ambulante Hilfeformen. Diese umfassen sowohl Nachbetreuung im klassischen Sinn wie auch pädagogische bzw. therapeutische Hilfen vor, während oder nach dem stationären Aufenthalt. Für diese ambulanten Hilfen liegt ein gesondertes Konzept beim Träger vor und wird auf Anfrage gerne zugeschickt. IV. Das Haus Die Kinder und Jugendlichen bewohnen in der Hinteren Cramergasse 20 ein freistehendes Haus. Neben einem kleinen Garten sind folgende Räumlichkeiten vorhanden: 6 • • • • • • • • • • • vier Doppelzimmer mit Nasszelle ein Einzelzimmer mit Nasszelle ein Besucherzimmer, bzw. „Auszugszimmer“ mit Ein-Personen-Küche ein Wohnzimmer eine Küche ein Esszimmer ein Büro mit Schlafmöglichkeit für die MitarbeiterInnen ein Mehrzweckraum für Besprechungen, Schulungen und kreatives Arbeiten ein Hauswirtschaftsraum ein Badezimmer mit Badewanne ein Werkraum V. Das Team Das Team setzt sich aus fünf pädagogischen Fachkräften im Gruppendienst zusammen, die die Betreuung an 365 Tagen rund um die Uhr gewährleisten. Von ihnen werden neben allen üblichen Betreuungsangeboten im Rahmen der Tagesstruktur und der Grundversorgung Anleitung im lebenspraktischen Bereich, Förderangebote, Einzelkontakte, freizeitpädagogische Angebote und Ferienmaßnahmen sowie administrative Arbeiten geleistet. Die PädagogInnen werden stundenweise von einer hauswirtschaftlich-lebenspraktischen Anleiterin und einer(m) Fachhochschul- / Sozialpädagogik- Studentin(en) unterstützt. Zwei Stunden pro Woche und Betreuter/m steht der therapeutische Fachdienst zur Verfügung. Er bietet Gruppenangebote sowie Einzel- und Familientherapien an. Darüber hinaus berät der Fachdienst das Team. Professionelles zielgerichtetes Handeln und die Belastungen des Betreuungsalltages bei der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen machen regelmäßige Fortbildung und eine eingehende Reflexion der MitarbeiterInnen notwendig. Diese Reflexion findet in Form von Teamgesprächen, kollegialer Beratung und Supervision statt. Nürnberg, im Dezember 2002 Dieses Konzept entstand in Anlehnung an das Konzept des VSE Celle „Sich a m Jugendlichen orientieren“ und in Anlehnung an das Konzept der Therapeutischen Wohngruppe der Heckscher Klinik in München. 7 Arkade e.V., Jugendhilfe JuMeGa ® Der Verein Arkade ist seit 1977 Trä ger gemeindepsychiatrischer Einrichtungen und s eit 1997 a uch freier Trä ger der Jugendhilfe. Die sozialpsychiatrische, die gemeindepsychiatrische Grundhaltung aller Bereiche der Arkade i s t i m Leitbild formuliert. „Zur Erfül lung ihrer Aufgaben und mit Blick a uf die Bedürfnisse und die Bedürftigkeit der begleiteten Menschen s orgt Arka de e.V. für ei ne gemeindenahe Versorgung, für den Aufbau von dezentralen Strukturen, für durchlässige Hi l feangebote und stellt die Hilfe zur Selbsthilfe in den Mi ttelpunkt.“ Di e Fachdienste der einzelnen Bereiche „haben den Anspruch, den Anderen als einzigartiges Gegenüber wert zu s chä tzen und a chten die Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen a ls bereichernden Teil der mens chlichen Vielfalt“. (Aus dem Leitbild der Arkade) Für den Jugendhilfebereich bedeutet diese Haltung, dass sich die Fachdienste bei der Begleitung von jungen Mens chen jeweils a uf einen gemeinsamen Prozess einlassen, einen Prozess, der alle Beteiligten mitnimmt. Das Wohl des jungen Menschen immer i m Blick, richten die Fachdienste i hre Begleitung und Unterstützung fa l lbezogen und ereignisorientiert a us. Für jeden jungen Menschen wird der Rahmen der Begleitung und die Ges taltung des Hilfenetzes neu und kreativ entwickelt. Eine Person des Fachdienstes ist während der gesamten Ma ßna hmendauer für alle beteiligten Menschen und Institutionen Ansprechpartner. Im Kernbereich JuMeGa ® – Junge Menschen in Gastfamilien – haben sich Spezialisierungen entwickelt. Seit 2008 i ns talliert und begleitet JuMeGa ® für das La ndratsamt Ravensburg Pa tenschaften für Ki nder psychisch kranker El tern (KIP). Da s Angebot für schwangere Mä dchen und jugendliche Mütter mit i hren Ki ndern wurde konzeptionell a us gearbeitet. Neben der Gastfamilienbetreuung hat JuMeGa ® einen Fachdienst für den Bereich Mobile Jugendarbeit/Streetwork a ufgebaut. „Bohr ein Loch in den Sand sprich ein Wort hinein Inhalt sei leise vielleicht 3 Die Gastfamilien 7 1 Das Angebot 4 2 Die Zielgruppe 6 und potentieller Gastfamilie Die passende Zuordnung von jungem Mens ch Di e i ntensive Begleitung der Gastfamilie 9 wächst dein Der Weg i n die Gastfamilie 10 Was eine Gas tfa milie bietet 4 Das Begleitungskonzept 9 12 kleines Vertrauen Di e Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie Jugendpsychiatrie 8 groß 5 13 Di e Zusammenarbeit mit dem Jugendamt Die Finanzierung 14 Die Unters tützung der Gastfamilien 13 irgendwann Di e Zusammenarbeit mit der Ki nder- und 12 14 6 Ergänzende Angebote 15 in die Sonne.“ Integrationsleistungen / Nachsorge 15 Individuell abgestimmte Zusatzleistungen Jugendli che Mütter mi t Kind 7 Fazit 16 a us : „Schmerzvoll l ebendig“ von Konstantin Wecker (1998 by Verl a g Ki epenheuer & Wi tsch, Köln) 15 16 4 1 Das Angebot Im Ra hmen unseres Jugendhilfeangebotes JuMeGa ® – Junge Mens chen in Gastfamilien – vermitteln wir besonders entwi cklungsbeeinträchtigte und seelisch behinderte ä ltere Kinder, Jugendliche und auch junge Volljährige mit wenig hoffnungsvollen Prognos en in Gast- bzw. Pflegefamilien (§33 SGB VIII). Die Betreuungsverhältnisse werden durch den Fachdienst von JuMeGa ® i ntensiv begleitet. Da s Angebot ri chtet sich an junge Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen i hren bisherigen Lebenszusammenhang verl a ssen müssen und für die eine Gastfamilie den geeigneten Ra hmen bieten kann, Beziehungen einzugehen, sich zu stabilisieren und emotional s owie sozial nachzureifen. Vi ele von i hnen haben bereits einen oder mehrere s tationäre Aufenthalte in einer Ki nderund Jugendpsychiatrischen Klinik hinter sich. Es ist ein Angebot für junge Menschen, die entsprechend des § 35a SGB VIII, seelisch behindert oder von einer s eelischen Behinderung bedroht sind. JuMeGa ® erweitert die Angebotspalette der Jugendhilfe um eine krea tive, auf die individuellen Bedürfnisse des jungen Menschen zugeschnittene Al ternative. Das Angebot bietet dem jungen Mens chen die Chance, i m Gastfamilienalltag Normalität zu erfahren und eigene, oftmals ungeahnte Ressourcen in diesem Umfeld zu a kti vieren. JuMeGa® bietet eine Perspektive für junge Menschen, di e a ufgrund i hres Störungsbildes ein engmaschiges, klar s trukturiertes Betreuungsangebot ohne Bezugspersonenwechsel brauchen. di e von einem Pl atz ohne Konkurrenz profitieren. die trotz mehrfacher s ta tionärer psychiatrischer Behandlung i m s ozialen Alltag nicht zurechtkommen. di e der emotionalen Nachreifung, des Schutzes und der Begleitung im Al l tag bedürfen. Arka de e.V. hält dieses Angebot seit 1997 i n Ravensburg, seit 2003 i n Ul m, s eit 2006 i n Tuttlingen und s eit 2011 i n Esslingen vor. Wä hrend der Projektphase von August 1997 bis Ende 1999 wurde JuMeGa ® wi s senschaftlich begleitet und vom La ndesjugendamt WürttembergHohenzollern i m Rahmen der „Förde- 5 rung neuartiger und beispielhafter Vorhaben in der Jugendhilfe“ unterstützt. Zum Abschluss des Projektes ga ben alle beteiligten Stel len und Personen im Rahmen der wissenschaftlichen Begl eitung eine durchweg positive Beurteilung a b. Der Abs chlussbericht empfiehlt a usdrücklich die Fortführung des Angebotes und auch seine Ausweitung. Im Mä rz 2000 erhielt Arka de e.V. den „Förderpreis für hervorra gende Arbeiten im Di enste des Pflegekindes“ der Stiftung zum Wohle des Pfl egekindes in Holzminden. Der Verein Arkade engagiert s ich s eit 1977 i n der a mbulanten Betreuung von chronisch psychisch kranken erwachsenen Menschen mi t den unterschiedlichsten Angeboten für diese Klientel. Eines di eser Angebote ist das BWF – Betreutes Wohnen in Familien. Hier werden erwachsene, chronisch psychisch kranke Mens chen in Gastfamilien vermittelt und die entstandenen Lebensgemeinschaften werden kontinuierlich begleitet. Aus dieser Tra di tion heraus, i n enger Zusammenarbeit mit der Ki nder- und Jugendpsychiatrie des Zentrums für Ps ychiatrie – Di e Weissenau – und dem Kreisjugendamt Ravensburg ist das Angebot JuMeGa ® ents tanden. Im JuMeGa ® Fachdienst a rbeiten DiplompädagogInnen, Sozi alpädagogInnen und SozialarbeiterInnen. Wöchentliche kollegiale Supervision und monatliche Supervision durch eine externe Fachkraft unterstützen die Fallarbeit. 2 Die Zielgruppe JuMeGa ® geht im Grundsatz davon aus, dass es keinen für die fa mi liäre Betreuung ungeeigneten jungen Menschen gibt. Al l erdings kann es i m Ei nzelfall möglich sein, dass für einen s peziellen jungen Menschen kein geeigneter Pl atz in einer Ga s tfamilie a ngeboten werden kann. Wir vermitteln junge Menschen, Lebensgemeinschaften. Es wird bei den Gasteltern keine professionelle Vorbi ldung vorausgesetzt. für di e bisherige Jugendhilfemaßnahmen nicht den geeigneten Rahmen bi eten konnten, di e i n ihrer bisherigen Pflegefamilie nicht mehr bleiben können, deren l eibliche Eltern mi t der Erziehungsaufgabe nachhaltig überfordert sind, bei denen eine psychische Erkrankung diagnostiziert wurde und deren Teilhabe a m Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt i st. Bei der Einschätzung der Bewerberfamilien lassen wir uns von den folgenden Fragen leiten: Wel che Art von Beziehungsqualität bietet diese Bewerberfamilie? Werden die Regeln des Zusammenlebens i n dieser Gemeinschaft von ei nem oder zwei Erwachsenen maßgeblich bestimmt? Ist die Fähigkeit zu di rektem und konsequentem erzieherischen Handeln gepaart mi t emoti onaler Wärme? Is t diese Familie bereit und fähig mit uns zusammenzuarbeiten? Stel lt die Familie ein Ei nzelzimmer zur Verfügung? Gewährleisten die zus tä ndigen Erwachsenen die nötigen Anwesenheitszeiten zuhause? Die konkreten Probleme und Belastungen der jungen Menschen können sehr vielfältig sein: Ängs te und Probleme i n sozialen Beziehungen Verwa hrlosungstendenzen Schul verweigerung Depressive und selbstzerstörerische Tendenzen Es s störungen Ps ychoti sche Störungen Pers önlichkeitsstörungen Erfa hrung mit Suchtmitteln Sons tige Verhaltensoriginalitäten Im Grundsatz sind Familien bzw. Lebensgemeinschaften auf Gelingen a ngelegt und enthalten dementsprechende Ressourcen zur Lebensbewältigung. Die Aufgabe von JuMeGa ® ist es, diese Ressourcen und di e Gestalt des zur Verfügung gestellten Pl atzes zu erkennen. In di esem Sinn leitet die Frage, welcher junge Mensch wohl von diesem Fa milienplatz profitieren könnte. Grundsätzliche Voraussetzungen für eine Aufnahme sind: Ei ne Rückkehr in die Herkunftsfamilie wi rd aktuell als nicht mögl ich und a uch nicht s innvoll eingeschätzt. Ei ne momentan l a ufende stationäre Behandlung muss a bgeschlossen sein. Di e Unterbringung i n einer Gastfamilie muss i n dem speziellen Fall geeignet erscheinen. Der junge Mensch muss familienbejahend sein, d.h. die Aufnahme in ei ne Gastfamilie selbst wünschen. 6 Die Gastfamilien JuMeGa ® akquiriert Gastfamilien über regionale Medien. Al s potentielle Gastfamilie ist für JuMeGa ® die ganze Bandbreite a n fa mi liären Lebensformen denkbar – a uch Teilfamilien und 7 In ei nem ausführlichen Erstgespräch l ernen zwei Mi tarbeiterInnen des Fa chdienstes eine Bewerberfamilie kennen. Der a nschließende Ha usbesuch von zwei Mi tarbeiterInnen ermöglicht einen weiteren Ei nblick i n die Familiensituation und die Lebensumwelt. Di e Gespräche führen die Mi tarbeiterInnen anhand eines s ta ndardisierten Leitfadens, der dem Leitfaden für Vollzeitpflege des La ndratsamtes Ravensburg angeglichen ist. Al l e Informationen und Ei ndrücke über die Bewerberfamilie und di e Einschätzung ihrer Ressourcen werden von den jeweiligen Mi ta rbeiterInnen i n die Team-Besprechung eingebracht und nochmals gemeinsam beleuchtet. Bleiben nach dieser Bes prechung Fragen offen, folgen zu deren Klärung weitere Konta kte mit der Bewerberfamilie. Jede Bewerberfamilie bekommt eine Informationsmappe (ebenfalls angeglichen a n die Info-Mappe des Landratsamtes Ra vensburg), in der es um Regelungen der Vollzeitpflege, um Rechte und Pflichten von Pflegeeltern und anderes mehr geht. Di e Bewerberfamilien müssen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis und eine ä rztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des Hausarztes vorl egen und Die intensive Begleitung der Gastfamilie da s für die Gastfamilie örtlich zuständige Jugendamt muss die Unbedenklichkeit bestätigen. JuMeGa ® bietet den Bewerberfamilien keine speziellen Seminare zur Vorbereitung auf die Aufnahme eines jungen Menschen an. So können auch Familien erreicht werden, die keine Übung i n der s chri ftlichen Bewerbung haben und für die die Tei lnahme a n einem Seminar eine große Hürde darstellt. Ei ne Aus wahl a n Gastfamilienmilieus, die nicht dem herkömmlichen Fa milienbild entsprechen, erhöht die Chance, a uch für s ehr ungewöhnliche junge Menschen einen passenden Pl atz zu finden. Denn Familien mit eigenen Grenzerfahrungen und nicht geradlinigen Bi ographien können häufig besonders verhaltensoriginelle junge Mens chen erstaunlich gut i ntegrieren. Die Mi lieunähe einer Ga s tfamilie kann einem jungen Menschen die Integration erleichtern. JuMeGa ® ersetzt die Vorbereitungsseminare durch zwei konzeptionelle Stränge – di e passende Zuordnung und die intensive Begl eitung der Gastfamilie. Die passende Zuordnung von jungem Mensch Betreuungsverhältnisses ermöglicht eine prozessorientierte Qua l ifizierung der Gastfamilie ganz s peziell im Umgang mi t dem a nvertra uten jungen Menschen. Es lässt sich i mmer nur vermuten, wi e sich der junge Mensch i n dem Umfeld einer Gastfamilie verha lten wird, welche Facetten seiner Persönlichkeit wie zum Vors chein kommen. Ebenfalls lässt sich nur vermuten, wie es den Ga s tfamilienmitgliedern wirklich i m Alltag mit dem Gast geht, wo i hre Freuden und Leiden beginnen. Die Begleitung des beginnenden Prozes ses i m häuslichen Umfel d, bezogen auf die s pezielle Problematik kann a uf diese Weise ein Ers a tz für vorbereitende Seminare s ein. Die Anerkennung der Al l tagskompetenz der Gastfamilie a ls notwendige Ergänzung zu unserer Fa chkompetenz hilft bei der gemeinsamen Suche nach neuen und krea tiven Handlungsideen. Was eine Gastfamilie bietet und potentieller Gastfamilie Durch i ntensive Gastfamilienwerbung hat JuMeGa ® in der Regel einen größeren Pool von freien Gastfamilien zur Verfügung und kann aus di esem Spektrum die möglichst passende Familie für die Bedürfnisse des jungen Menschen auswählen. 8 9 Der JuMeGa ® Fachdienst überlegt bei der Zuordnung z.B. sehr genau, wel che Familienstruktur, welches Wertesystem, welches Umfeld, welches Verhä ltnis von Nä he und Distanz, welche Art von Al ltagskompetenz der s pezielle junge Mensch braucht. Unsere Kl ientel bringt eine ausgeprägte Indivi dualität und auch unterschiedliche Bedürftigkeit mit. Nicht jede Ga s tfamilie kann jeden jungen Menschen integrieren. Der Umstand, dass mi ndestens drei MitarbeiterInnen die Bewerberfamilie kennen gelernt und erl ebt haben, hilft bei der Zuordnung. Di e enge und zeitnahe (anfangs fi nden wöchentliche Hausbesuche s ta tt) Begleitung der zuständigen MitarbeiterInnen des JuMeGa ® Fa chdienstes während der gesamten Dauer des Di e Vielfalt a n unterschiedlichen familiären Lebenszusammenhängen bi etet die Chance, ein weitgehend auf die jeweils i ndividuelle Probl emlage eines jungen Menschen zugeschnittenes Setting bereitzustellen. Dem jungen Menschen kann i n einer Familie seinen Bedürfnissen ents prechend i ndividuell und flexibel begegnet werden. Die Ga s tfamilie kann dem jungen Menschen die Möglichkeit bieten, emoti onal nachzureifen, d.h. i m Schonraum der Fa milie a uch noch ki ndliche Bedürfnisse zu äußern und Entwicklungen nachzuholen. Di e Gastfamilie ermöglicht enge Führung mit direkten Konsequenzen von kons tanten Bezugspersonen. Die Gastfamilie kann ein ruhiges, überschaubares Umfeld für junge Menschen bieten, die ständig wechs elnden Reizen und Anforderungen durch Gleichaltrige nicht gewa chsen sind. Die Gastfamilie integriert den jungen Menschen in i hren normalen Familienalltag. Vorhandene Entwicklungspotentiale des jungen Menschen können durch die Ressourcen des „Normalen“ a kti viert und entfaltet werden. Die Kommunikationsstrukturen in der Ga s tfamilie können dem jungen Menschen ein neues Lernfeld im zwi s chenmenschlichen Umgang bieten. Der Weg in die Gastfamilie Di e Aufnahmeanfragen kommen vom zuständigen Jugendamt a n den Fa chdienst JuMeGa ® . In einem persönlichen Gespräch lernen zwei Mi ta rbeiterInnen des Fachdienstes den jungen Menschen mit seinen Wüns chen, Schwierigkeiten, Vorlieben, Abneigungen, usw. kennen. Da s Bild wird durch Gespräche mit den für den jungen Menschen bi s her zuständigen Personen a bgerundet. den geeigneten Rahmen für die Entwicklung des jungen Menschen bi eten könnte. Ist im Gastfamilienpool ein Familienplatz vorhanden, der a ller Voraussicht nach den Bedürfnissen und Erfordernissen in di esem s peziellen Fall entsprechen könnte, wird das weitere Vorgehen in der Regel recht zügig gestaltet. Erfa hrungsgemäß ist bei den a ngemeldeten jungen Menschen meist Ei l e geboten, da der Verbleib a m bisherigen Lebensort gefährdet ist und möglichst schnell eine Lösung gefunden werden muss. Es leiten die folgenden Fragen: Wa s wünscht sich der junge Mensch, a n welche familiäre Struktur und a n wel ches Umfeld kann er s ich aller Voraussicht nach anschließen? Wel che Familie könnte an s einer speziellen Eigenart Freude finden? Wel ches fa miliäre Umfeld kann sein Störungsbild ertragen? Wie könnte s ich der Besuch von Schule / Ausbildungsstelle gestalten? Wel che Bedingungen bringt die Herkunftsfamilie mit? Wi e bei einer Ma ßnahme nach SGB VIII §§ 33, 27 und fol gende notwendig, muss das anfragende Jugendamt der Zuordnung zu einer von JuMeGa ® ausgewählten Gastfamilie zustimmen. Nach dieser Zus timmung kommt es zu einem ersten Kennenlernen von jungem Mens ch und Gastfamilie. In diesen Prozess des Kennenlernens sind Herkunftseltern und Jugendamt entsprechend der Notwendigkeit des Falles einbezogen. 10 11 Da s anfragende Jugendamt kann die von Arkade vorgeschlagene Ga s tfamilie belegen, wenn der junge Mensch, s eine Eltern und die Ga s tfamilie zustimmen. Zwischen Arkade und den Gastfamilien bes teht kein weisungsbefugtes Anstellungsverhältnis. Pro Ga s tfamilie gehen wir in der Regel nur von einer Belegung a us. Nur i n s peziell begründeten Fällen können auch weitere Belegungen s ta ttfinden. Mi t di esen gesammelten Informationen und Eindrücken versucht der JuMeGa ® Fachdienst die Gestalt des Gastfamilienplatzes zu erfassen, der 12 Das Begleitungskonzept 13 Ei n wesentlicher Baustein des Konzeptes ist die Verbindung Die Al l tagskompetenz der Gastfamilie mi t der professionellenMenschen. Kompetenz des JuMeGa ® Fachdienstes über die gesamte Die Organisation von Di enst s teht den Gastfamilien Die Begleitung des jungen Menschen beim s upervi dierende Ga s tfamilie i n eine andere Gastfamilie oder Wohnform. Funktion und entwickelt i n der Triade mit den Gastfamilien, den jungen Menschen und seinen El tern die Strukturen und Regeln des Familienalltags. Dabei werden weitgehend die Zus ammenarbeit mit der Herkunftsfamilie des jungen der jä hrl ichen Fachtagen für die Gastfamilien. La ufzeit der Ma ßnahme. Der Überga ng aus der mit s einem fachlichen Wissen zur Seite, hat Die Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie i m Lebensumfeld der Gastfamilie vorhandenen Möglichkeiten genutzt. Ei n Eckpfeiler des JuMeGa ® Konzeptes ist die Zusammenarbeit JuMeGa ® versteht sich als Gestalter eines Netzwerkes, das mi t der Herkunftsfamilie. Sie beginnt bereits i m Vorfeld einer um den jungen Menschen geknüpft wird und ist i m Sinne von Bel egung. Verständlicherweise fällt es manchen Eltern nicht Ca se Management für den gesamten Ablauf der Ma ßnahme l eicht, ihr Ki nd i n eine fremde Familie zu geben. Dieser Schri tt zuständig. i s t oft gepaart mi t dem Gefühl des eigenen Versagens und der Konkurrenz zur Gastfamilie. Gastfamilie und Herkunftsfamilie dürfen bei der Gestaltung i hres Kontaktes nicht alleingelassen Die Unterstützung der Gastfamilien umfasst: werden. Das Erkennen, wie sich der Kontakt zwischen dem jungen Menschen und den Eltern gestaltet und welche Aufträge Die i ndividuell a bgestimmte Regelbetreuung: Hausbesuche s i ch darin verbergen, ist wichtige Voraussetzung für die Entwickin ein- bis vi erwöchigen Abständen und zusätzliche Telefon- l ung des neuen Betreuungsverhältnisses. kontakte. JuMeGa ® versucht einen vertrauensvollen Kontakt zu den l eibDie ereignisbezogene Betreuung bzw. Krisenintervention l i chen El tern aufzubauen und sie in ihrer Funktion als „erste“ (z.B. ges undheitliche Krisen, gravierende Beziehungsprobleme). El tern zu würdigen. Eltern werden regelmäßig über die EntIn diesem Fall können wöchentlich 2-3 Termine vor Ort zus ätzwi ckl ung ihres Kindes informiert. Bei Konflikten übernimmt l ich anfallen, bis das Problem gelöst oder „die Wogen sich JuMeGa ® die Vermittlung zwischen El tern und Ga s teltern. geglä ttet“ haben. Di e Herkunftseltern können sich bei Fragen und Problemen ® Ei ne Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit des gesamten Teams, jederzeit telefonisch mit JuMeGa in Verbindung setzen. jedoch nicht i m Sinne einer Rufbereitschaft, sondern die FaWenn es sinnvoll erscheint, begleitet JuMeGa ® die Herkunftsmilien verfügen über eine Liste aller priva ten Telefonnummern el tern beim Besuch i n der Gastfamilie oder den jungen Mender JuMeGa ® MitarbeiterInnen. s chen beim Besuch s einer leiblichen Eltern. Da s Angebot der organisatorischen Abwicklung aller schulischen und beruflichen Angelegenheiten. Der Fachdienst sucht und vermi ttelt geeignete Schul- und Ausbildungsplätze und Die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt a rbeitet eng mit Lehrern und Ausbildern zusammen. Di e Vermittlung notwendiger fachärztlicher und therapeutischerDie Zus ammenarbeit mit dem Jugendamt beginnt mit Begleitung für den jungen Menschen.der Vorstellung des jungen Menschen bei JuMeGa ®. Di e Mi twirkung bei der Hilfeplanung des Jugendamtes sowieDas Kennenlerngespräch mit dem jungen Menschen findet enge Kooperation mit psychiatrischen Fachdiensten und ani mmer i n Absprache und in der Regel zusammen mit dem deren Pa rtnern. a nfra genden Jugendamt statt. Di e Unterstützung bei der Organisation von zusätzlichen über defi nierten und vom Jugendamt fi nanzierten Zuordnung und erfragt die Zustimmung. Entl astungs- und Förderleistungen in s peziellen Fällen. JuMeGa ® bespricht mit dem Jugendamt die getroffene den Hilfeplan 14 Ergänzende Angebote Bei m Kennenlernen von jungem Mensch und Gastfamilie i st Für junge Menschen, die i n unserem Angebot betreut werden das anfragende Jugendamt selbstverständlich beteiligt. oder betreut werden s ollen, wurden ergänzende Angebote entNach Aufnahme des jungen Menschen i n die Gastfamilie wird wi ckelt. Alle diese Angebote s ind nicht i soliert a brufbar, s ondern 15 da s zuständige Jugendamt regelmäßig über die Entwicklung informiert. Ha l bjährliche Hilfeplangespräche finden in der Gastfamilie in enger Kooperation a ller Beteiligten statt. Die Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie Ents prechend der Tra dition von Arkade e.V. und der gemeinsamen Entwi cklung des Angebotes JuMeGa ® ist eine gute Zusammenarbeit mit den örtlich zuständigen Ki nder- und Jugendpsychiatrien gegeben. Diese Kooperation wird vom JuMeGa ® Fachdienst kontinuierlich gepflegt. Fa chberatungen für s pezielle Fragestellungen unter Ki nder- und Jugendpsychiat-Auszeiten i m unkompliziert a ngefragt werden. Auszeitpflege für einen umschriebenen werden.anderen Gastfamilie. Pa tenpflegefamilien für junge Menschen, die a ußerhalb der Gastfamilie keinerlei Finanzierung i mmer gebunden an das Regelangebot von JuMeGa ® . Die Fi nanzierung der ergänzenden Angebote wird entsprechend dem Fall i ndividuell mit dem zuständigen Jugendamt a usgehandelt. Individuell abgestimmte Zusatzleistungen Um den Erfa hrungs- und Aktionsradius des jungen Menschen zu erhöhen, um Entwicklungsimpulse zu geben, um drohende Es ka lationen zu vermeiden und um Gasteltern i n besonders bel astungsintensiven Situationen vorübergehend zu entlasten, bieten wi r für den Einzelfall individuell abgestimmte Zusatzleistungen an. Di ese umfassen die Organisation und Gestaltung von: Ra hmen erlebnispädagogischer Ma ßnahmen. ri schem Blickwinkel können Zei traum i n einer Kriseninterventionen i n der Kl inik können organisiert fa mi liäre oder verwandtschaftliche Kontakte haben. Fl a nkierende Unterstützung bei Schulproblemem Di e Finanzierung der Ma ßnahme erfolgt in der Regel über §§ 35a i Vm. 33 SGB VIII, 41 iVm. 35a i Vm. 33 SGB VIII. Integrationsleistungen / Nachsorge Da s Nachsorgeangebot richtet sich a n junge Menschen, die i n Die monatlichen Kosten der Maßnahme umfassen: ei ner Gastfamilie von JuMeGa ® über einen längeren Zeitraum fa chlich begleitet wurden. Ziel soll s ein, den Tra nsfer der gedie Leistungen für die a ufnehmende Gastfamilie ma chten Erfahrungen i n das neue Lebensumfeld zu gewährdie Pers onal- und Sachkosten für Arka de JuMeGa ® l eisten und die Betreuungskontinuität als Brücke beim Überga ng nutzbar zu ma chen. Ents prechend den besonderen Anforderungen erhält die Gast- Der junge Mensch kann während des Übergangs in die Herfamilie zum jeweils altersentsprechenden Grundbedarfssatz für kunftsfamilie oder i n ein selbstständiges Wohnen von der/dem den jungen Menschen den 4-fachen Betreuungssatz im Rahmen bi s dahin zuständigen JuMeGa ® MitarbeiterIn wei ter betreut der i m jeweiligen Bundesland gültigen Sätze für Vollzeitpflege. werden. Di e Personal- und Sachkostenpauschale für Arkade e.V. wurde Der Umfa ng dieses i n der Regel zeitlich befristeten Nachbemit dem zuständigen Jugendamt Ravensburg verhandelt und treuungsangebotes ri chtet s ich nach dem Bedarf. Je nach richtet sich a n einem Betreuungsschlüssel von einer Fachkraft Verei nbarung mit dem zuständigen Jugendamt wird entweder zu a cht Betreuungsfällen aus. Die momentan gültigen Sätze über di e Personal- und Sachkostenpauschale von JuMeGa ® entnehmen Sie bitte einer gesonderten Kos tenaufstellung.oder über die Abrechnung von Fachleistungsstunden finanziert. Jugendliche Mütter mit Kind Jugendliche Mütter mit Ki nd werden i m Rahmen des JuMeGa ® Angebotes ebenfalls i n für sie geeignete Gastfamilien vermittelt und fachlich begleitet. Jugendlichen Müttern bietet dies die Cha nce und Möglichkeit, i n einem familiären Umfeld in Geborgenheit und mi t Anl eitung und Unterstützung ihr Ki nd zur Welt zu bringen, Kompetenzen für di e Sorge und Erziehung ihres Ki ndes zu entwickeln und gleichzeitig ihren ei genen schulischen oder beruflichen Weg weiterzuverfolgen. (vgl . Konzeption Mutter und Kind) 7 Fazit Ers ta unlich ist, dass s o vi ele Familien bereit sind, sich für diese a ns pruchsvolle Aufgabe zur Verfügung zu s tellen und dass s ie ihren privaten Ra um für die Aufnahme eines jungen Menschen öffnen. Die JuMeGa ® Mi ta rbeiterInnen erleben bei den Gastfamilien großes Engagement, einen jungen Menschen a uf einem oft nicht einfachen und lan gwierigen Weg zu begl eiten. Sie zeigen beachtliche Ressourcen, um mit Kri sen und Rücks chlägen umzugehen und diese mit den jungen Menschen durchzustehen. Auch ha t s ich gezeigt, dass junge Menschen mit s chweren seelischen Verl etzungen Entwicklungspotentiale haben, die sie aktivieren können, wenn s i e i n einem ihnen entsprechenden Umfeld leben. Offensichtlich finden sie in di esen konstanten Bezi ehungsangeboten Halt und Motivation. Ka nn der junge Mensch in einer Ga s tfamilie Fuß fassen, was sich i n der Regel nach circa einem halben Jahr zei gt, sind immer wieder erstaunliche Entwicklungen möglich, die sich z.B. fes tmachen l assen a n regelmäßigem und erfolgreichem Schulbesuch, Ans ä tzen sozialer Integration und Verselbstständigung. Sei t dem Jahr 2006 i s t der Name JuMeGa® geschützt und es entstehen bundesweit Pa rtnerschaften zwischen Trägern, die ebenfalls das JuMeGa ® Konzept umsetzen. Dieser Anbieterverbund versteht sich als Qualitätszirkel, der i n einem kontinuierlichen Prozess Qualität sichert und weiterentwickelt.