Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Psychologische und soziologische Grundlagen der Medizin MSE_P_201 Medizinische Psychologie (Leitung PD Dr. Karin Lange) Medizinische Soziologie (Leitung Prof. Dr. Siegfried Geyer) Objektive Fakten und subjektives Erleben und in der Medizin: Wahrnehmung und Informationsverarbeitung am Beispiel von Schmerz HIER: SEMINAR 4. WOCHE Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Gliederung: „Wahrnehmung“ Objektive Wahrnehmung? Grundlagen: (chronischer) Schmerz Schmerzverarbeitung „Schmerz im verlorenen Bein“ Diathese-Stress-Modell des chronischen Schmerzes Psychologische Diagnostik und Therapie bei chronischen Schmerzen Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie „Schmerz ohne „somatische Diagnose““ Spannungskopfschmerz bedeutet eine chronische hohe Belastung Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Epidemiologie: Kopfschmerzen 38 % der Erwachsenen haben gelegentlich Spannungskopfschmerzen 3 % leiden an chronischen Spannungskopfschmerzen 67,4 % der Frauen und 51,9% der Männer litten innerhalb eines Jahres unter Spannungskopfschmerzen 10 % der Erwachsenen sind von Migräne betroffen (12-14 % weibl.; 8% männl.) Differentialdiagnose: diverse seltene Krankheiten (intrakranielle Blutungen, Hirntumor,..) Migräne Attacken beginnen meist zwischen 10 und 20 Jahren, am häufigsten zwischen 40 und 49 Jahren erhebliche direkte Kosten (Arzthonorare ca. 462 Mio. €) und indirekte Kosten (Arbeitsausfälle ca. 2,3 Mrd. € jährlich) Diemer W, Burchert H.: Chronische Schmerzen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 7. Robert-Koch-Institut Berlin 2002. Kürten L: Chronischer Schmerz. Bundesministerium für Bildung und Forschung. Bonn 2001. Ärztezeitung, 15. 02. 2007. Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Epidemiologie: Rückenschmerzen Muskel- und Skeletterkrankungen zählen zu den häufigsten und kostenintensivsten Krankheiten (3. Rangplatz) Ursache der meisten Arbeitsunfähigkeiten, Krankschreibungen und frühzeitiger Berentung 22% der Frauen und 15% der Männer chronische Rückenschmerzen wechselseitiger Zusammenhang mit psychosozialen Problemen, Depression, Arbeitsbelastung, Lebensstil direkte Therapiekosten ca. 15% (ca. 8.4 Milliarden Euro), indirekte Kosten ca. 85% (AU etc) Bundesgesundheitssurvey 2003 Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Kein Schmerz, aber………..? ca. 60.000 Amputationen in Deutschland jährlich (InEK, 2003), davon ca. 70% Diabetische Fußsyndrom DFS Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Gestörte Schmerzwahrnehmung Defizite in der Schmerzwahrnehmung auf Rezeptorebene oder Verarbeitungsebene im Gehirn: angeborene (kongenitale) Analgesie, erworbene Analgesie (z.B. Lepra: Durch Infektion des Nervensystems kommt es zu einem Sensibilitäts- uns Schmerzempfindungsverlust: periphere Neuropathie) Die fehlende Schmerzwahrnehmung führt zu unabsichtlichen Verletzungen und Verstümmelungen Schmerzloses Leben endet oft früh. Fazit: Schmerz zu empfinden ist eine lebenserhaltende biologische Funktion unseres Organismus. Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Schmerzschwellen Reizintensität Toleranzschwelle: max. erträgliche Schwelle Erträglichkeitsschwelle: Stufe, die chron. Schmerzpat. nicht überschreiten möchten Interventionsschwelle: Pat. sucht Schmerzlinderung untere Schmerzschwelle: 1. Bewertung „unangenehm“ Wahrnehmungsschwelle: 1. Wahrnehmung überhaupt nach: KLB Medizinische Psychologie / Medizinische Soziologie Buser, Schneller, Wildgrube (2003) Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Schmerzdifferenzierung Somatischer Schmerz Visceraler Schmerz Innere Organe Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Definition: Schmerz I "Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebsschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen beschrieben wird." Unterscheidung emotionaler und sensorischer Aspekte. Schmerzen sind auch dann Schmerzen, wenn keine organischen Ursachen vorliegen. Schmerz trägt im Vergleich zu den anderen Sinnen wenig zum Erkennen der Umwelt bei. Schmerzsinn gibt nur Information über den Zustand des Körpers, über Bedrohung von innen und außen. Zum Erkennen der Schmerzursache werden die anderen Wahrnehmungsapparate benötigt. International Association for the study of pain (IASP) 1979 Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Somatoforme Schmerzstörung andauernde und beeinträchtigende Schmerzen nicht direkt oder vollständig durch eine organische Ursache erklärbar in Zusammenhang mit psychosozialen Problemen, die das Schmerzproblem verursachen ICD-10: F45.4 Problem: Schmerz ist multifaktoriell bedingt! Gefahr: Patienten werden „psychiatrisiert“ Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Definition: Schmerz II "Schmerz ist ein multidimensionales Phänomen, das von afferenten und efferenten Faktoren auf der Ebene des Rückenmarks moduliert wird.“ Es hat neben der sensorisch-diskriminativen auch eine motivational-affektive und eine kognitiv bewertende Komponente. Die Unterscheidung somatogenen und psychogenen Schmerzen ist obsolet. H. Flohr: Chronische Schmerzsyndrome (2003) Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Schmerzverarbeitung Quelle: Schmidt, Thews: "Physiologie des Menschen", Fischer-Verlag Modellstudiengang Schmerz Medizin /Soziologie Psychologie Aszendierende nozizeptive Bahnen Deszendierende Schmerzhemmung Quelle: Schmidt, Thews: "Physiologie des Menschen", Fischer-Verlag Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Schmerzverarbeitung Nozizeptoren mechanische, thermische, chemische Reize Nozizeptive Reize werden im Hinterhorn des Rückenmarks umgeschaltet (Reflexbogen zu mot. und veg. NS), weiter supraspinale Reizverarbeitung: Thalamus, Limbisches System Kortex (affektive, kognitive Schmerzkomponenten) Deszendierende Schmerzhemmung (absteigendes System) durch endogen schmerzhemmende Substanzen (endogene Opioide), beeinflusst durch Stress, Depression Quelle: Schmidt, Thews: "Physiologie des Menschen", Fischer-Verlag Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Komponenten der Schmerzreaktion vegetativ (autonom): Herzfrequenz., Blutdruck, Pupillendilatation, Reflexe, Muskelspannungen, Gänsehaut, Schweißausbrüche etc. bes. ei viszeralen Schmerzen motorisch: Flucht- und Schutzreflex (motorisches Nervensystem) affektiv: Angst, emotionaler Stress, Depressionen kognitiv: Schmerzbewertung, wird von den obigen Komponenten beeinflusst und vergleicht aktuellen Schmerz mit Schmerzerlebnissen aus der Vergangenheit psychomotorische Komponente: Schmerz-, Verhaltensäußerung, ist abhängig von ethnischer Herkunft, Erziehung, Persönlichkeit und den Umständen Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Schmerzerleben und Äußerung Schmerzkomponenten sensorische Komponente: Messfunktion des Schmerzes, Dauer, Art, Ort, Intensität, Unterscheidung nox. von nichtnox Reizen Lokalisiert im Thalamus, Cortex affektive (emotionale) Komponente: emotionale Stimmung Lokalisiert im Limbischen System Modellstudiengang Klassifikation: Schmerz Medizin /Soziologie Psychologie Dauer: Akuter Schmerz: Warn- und Schutzfunktion bewirkt schmerzmeidendes bzw. heilungsförderndes Verhalten endet, wenn Körper wieder hergestellt. (Sekunden bis max. Wochen) Chronischer Schmerz: per Def. länger als 6 Monate oder periodisch Dauerschmerz (Tumor), periodischer Schmerz (Migräne) Ausdruck bleibender pathophysiologischer Veränderung, d.h Dauerschaden (z. B. Arthrose) psychische Ursachen möglich Umbau von Nervenzellstrukturen, Überempfindlichkeit (Schmerzgedächtnis) Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Kurzreferat Phantomschmerz Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Psychologische Modelle chronischer Schmerzen „Schmerzpersönlichkeit“ nur von historischem Interesse; typische Psychopathologien sind nicht belegbar „Operantes Lernen“: positive und negative Verstärkung (Die Verknüpfung mit pos. Konsequenzen oder der Wegfall negativer Folgen führt zu einer Zunahme des Schmerzverhaltens) Sensitivierung: das wiederholte Erleben schmerzhafter Reize führt dazu, dass bereits erste Impulse (Anspannung) zu Schmerzerfahrungen führen. „Teufelskreis: Spannung-Angst-Stress-SchmerzSpannung-…“ Kognitive Prozesse:….. Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Psychologische Modelle chronischer Schmerzen Kognitive Prozesse modulieren Empfindungen Bewertung der Reize (Gedanken. Erwartungen) Gedanken modulieren physiologische Prozesse (Stresshormone) Hilflosigkeit, d.h. geringe Selbstwirksamkeitserwartungen fördern Depression Angst vor Unkontrollierbarkeit fördert Depression Depression kann, z. B. bei der peripheren Neuropathie die hemmenden Prozesse im Hinterhorn beeinträchtigen Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Diathese-Stress-Modell chronischer Schmerzen H. Flohr: Chronische Schmerzsyndrome (2003) Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Anamnese körperlicher Schmerzen Beklagte Hauptbeschwerden (Dimensionen) zeitliches Auftreten Qualität Intensität Lokalisation und Ausstrahlung Begleitzeichen intensivierende / lindernde Faktoren situative Umstände Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Multiaxiale Diagnostik Medizinisch-somatische Ebene Labor, Funktionsprüfung, Neurologie Psychosoziale, verbal subjektive Ebene : Schmerz, Beeinträchtigung, Bewältigung, Depression, Stressverarbeitung Verhaltensebene: „Schmerzverhalten, Medikation, Arztbesuche, Aktivität, Partnerreaktion Psychophysiologie: EMG-Stressreaktionen, Spannungswahrnehmung, Spannungskontrolle, EMG-Ruhewerte H. Flohr: Chronische Schmerzsyndrome (2003) Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Psychologische Diagnostik Ausgangsfrage: „Spielen psychische Faktoren eine Rolle bei der Entstehung und Chronifizierung der Beschwerden?“ „In welcher Form sind diese Einflüsse bei der weiteren Behandlung zu berücksichtigen?“ Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Psychologische Diagnostik: Detailfragen Welche Einflüsse verstärken oder stabilisieren die Beschwerden? Welche Bedeutung hat der Schmerz in verschiedenen Lebensbereichen? Welche stützenden Faktoren gibt es, welche Verarbeitungsmechanismen waren erfolgreich, welche nicht? Welche Vorstellungen hat der Pat. über Ursachen, Folgen, Therapie? Ist eine psychische Störung Ursache der Schmerzsymptomatik? Verstärkt die psychische Störung das Schmerzproblem? Ist eine psychische Störung (v.a. Depression) Folge des Schmerzproblems? Quelle: Nilges, Kopf- und Gesichtsschmerz 1992 Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie • • • • Interdisziplinäre Therapie chronischer Schmerzen Somatische Behandlung (Analgetika oder Antidepressiva, Antikonvulsiva, etc.) Nervenblockade, elektrische Reizung Akupunktur Physiotherapie Biofeedback und Entspannungsverfahren (Progressive Muskelentspannng Operantes Training gegen deutliche Schonhaltungen durch dosierte körperliche Aktivität unterhalb der Schmerzgrenze • • • • Kognitiv-verhaltenstherapeutische Schmerzbewältigung Entspannungstraining Ablenkungsverfahren (imaginative Ansätze) Veränderung der subjektiven Bewertung Verbesserte Problemlösefertigkeit / Abbau von Hilflosigkeit H. Flohr: Chronische Schmerzsyndrome (2003) Modellstudiengang Medizin iologie ologie/Soz Psych Elemente kognitiver Therapie Gedankenlawinen bewusst machen Der Rücken tut schon wieder weh! Ich komme mit der Arbeit nicht voran! Wenn das so weiter geht, werde ich noch die Arbeit verlieren Ich falle den anderen nur zur Last! Wie soll es nur weitergehen? Modellstudiengang Medizin iologie ologie/Soz Psych Elemente kognitiver Therapie Rolle der Gedanken klären s. Folie 10.2 hier einfügen Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Teufelskreis der „Schmerzkarriere“ Modellstudiengang Medizin /Soziologie Psychologie Teufelskreis der „Schmerzkarriere“ frühzeitig durchbrechen