da schau her - Universalmuseum Joanneum

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3 | 2017 38. Jg. | Preis € 4,–
DA SCHAU HER
D I E
K U LT U R Z E I T S C H R I F T
A U S
Ö S T E R R E I C H S
M I T T E
1
Katharina Krenn
INHALT
Karl Glawischnig
Gott und die Welt.
Woran glauben wir?
Sonderausstellung im Schloss
Trautenfels 2017/2018
Von Katharina Krenn
3
Werben wir für unseren Verein!
Von Tauplitz nach Iklad.
Die Zwangsemigration
Ennstaler Protestanten
nach Ungarn
Von Wolfgang Otte
9
Ein Pilgerweg der
Weltreligionen
Von Karl Weiß
15
Foto: E. Reichenfelser
Das Kapellenstöckel
im Hammerwerk Klamm
bei Rottenmann
Von Bertraud Hable
18
Der Glaube
an ein Naturschutzgebiet
Von Alexander Maringer
21
Gendergerechtes Schreiben erfordert Kompromisse: Alle in
der Zeitschrift verwendeten Bezeichnungen beziehen sich
ungeachtet ihrer grammatikalischen Form in gleicher Weise
auf Frauen und Männer.
Impressum
Eigentümer, Herausgeber und Verleger:
Verein Schloss Trautenfels
8951 Stainach-Pürgg, Trautenfels 1
Obmann: HR DI Karl Glawischnig,
Rathausplatz 4, 8940 Liezen
Schriftleitung: Wolfgang Otte,
Schloss Trautenfels, Universalmuseum Joanneum
8951 Stainach-Pürgg, Trautenfels 1
Redaktionsteam:
Mag. Katharina Krenn, Wolfgang Otte,
Mag. Astrid Perner
Lektorat: Mag. Jörg Eipper-Kaiser
Bestellung und Vertrieb:
[email protected],
www.schloss-trautenfels.at
Tel: 03682 22233, Fax: 03682 2223344
Bankverbindung:
Raiffeisenbank Gröbming,
Bankstelle Irdning,
IBAN: AT963811300002101111
Verlagsort: Trautenfels
Hersteller: Medien Manufaktur Admont
JOST Druck- und Medientechnik,
Döllacher Straße 17, 8940 Liezen
Erscheinungstermin der
4. Ausgabe 2017: November 2017
Redaktionsschluss: 16. Oktober 2017
Foto Titelseite:
Gottvater als Weltenschöpfer
Luther-Bibel, 1534, Blatt 9
Klassik Stiftung Weimar, CI I : 58 (b),
Bestand HAAB
Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar.
Zu dem Beitrag auf den Seiten 3 – 8.
2
Im fünfunddreißigsten Jahr seines Bestehens ist es mir ein besonderes Anliegen, den Verein Schloss Trautenfels
mit seinen Intentionen, dem vielfältigen
Programm und seinen Vorteilen neuen
Bevölkerungsgruppen näher bekannt zu
machen und so auch neue Mitglieder des
Vereins zu gewinnen. Von der Rettung
vor dem Verfall des Schlosses hin bis
zur heutigen Aufgabe, wissenschaftliche
und kulturelle Veranstaltungen durchzuführen und die Abteilung Schloss
Trautenfels am Universalmuseum Joanneum zu unterstützen, ist es eine
beachtliche Erfolgsgeschichte, die auch
anhand der Publikationen in unserer
vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift
„Da schau her. Die Kulturzeitschrift aus
Österreichs Mitte“ ablesbar ist.
Kurz gesagt, es zahlt sich aus, Mitglied
im Verein Schloss Trautenfels zu sein:
freier Eintritt in das Schloss Trautenfels,
Ermäßigungen bei Veranstaltungen und
beim Erwerb vereinseigener Publikationen, regelmäßige Informationen über
Schloss Trautenfels und die Tätigkeiten
des Vereins, viermal jährlich die Zeitschrift „Da schau her“ und der mit 13
Euro sensationell günstige Erwerb der
Joanneumskarte, die es ermöglicht, ein
Jahr lang alle Standorte des Joanneums
in Graz, Stainz, Premstätten, Wagna und
Krieglach sowie alle Landesmuseen
der österreichischen Bundesländer bei
freiem Eintritt zu besuchen. Das alles
als Einzelmitglied um 22 Euro, als Familienmitglieder um 31 Euro und als
fördernde Mitglieder um 45 Euro.
Liebe Leserinnen und Leser, erzählen
Sie im Verwandten-, Bekannten- und
Freundeskreis von unserem vielfältigen
Verein (siehe Beitrittserklärungen). Jedes neue Mitglied trägt zur Finanzierung
unserer Vorhaben bei, die wiederum
Ihrer Freizeitgestaltung und Ihren Interessen entgegenkommen. Wir sind
auch gerne für Ihre Anregungen aller
Art offen, denn mit neuen Impulsen
und Ideen lässt sich ein lebendiges Vereinsgeschehen auch mit zukünftigen
Generationen weiterentwickeln – für ein
reges Kulturleben in „Österreichs Mitte“.
Die Verfasserinnen
und die Verfasser:
Karl Weiß
Stadtamtsdir. i. R., Stadtchronist
8786 Rottenmann, Bruckmühl 116
Mag. Katharina Krenn
Schloss Trautenfels, UMJ
8951 Stainach-Pürgg,
Trautenfels 1
Bertraud Hable
Hofrichterhaus
8911 Admont, Obere Bachgasse 78
Wolfgang Otte
Schloss Trautenfels, UMJ
8951 Stainach-Pürgg, Trautenfels 1
Mag. Alexander Maringer
Nationalpark Gesäuse GmbH
8911 Admont, Weng im Gesäuse 2
Gott und die Welt.
Woran glauben wir?
Andromeda-Galaxie | Foto: A. Sudy
Sonderausstellung im Schloss Trautenfels 2017/2018
Ausgehend von den Jahresjubiläen 500
Jahre Luther`sche Thesen im Jahr 2017
und 800 Jahre Diözese Graz-Seckau im
Jahr 2018 sowie der Geschichte von
Schloss Trautenfels als Zentrum der
Reformation im mittleren Ennstal erfolgte die thematische Ausrichtung für
die neue Sonderausstellung im Schloss
Trautenfels.
Viele Museen und Institutionen beschäftigen sich im Jubiläumsjahr 2017 mit
dem Thema „Reformation und Gegenreformation“ und richten ihre Veranstaltungen dahingehend aus. Im Landschaftsmuseum, der Dauerausstellung
von Schloss Trautenfels, ist der Raum
„Vom wahren Glauben“ diesem Thema
gewidmet. Die Mittelinstallation erzählt
von der Geschichte der evangelischen
Kirche Neuhaus1, die im Jahr 1574 von
der Familie Hoffmann2 errichtet und
bereits 1599 von der Reformationskommission völlig zerstört wurde.
Diese Gegebenheiten veranlassten
uns zur Entscheidung, das Themenfeld
„Glaube und Glauben“ als menschliches
Grundbedürfnis unseren Ansprüchen
folgend, in Kontexten auf regionaler,
nationaler und internationaler Ebene
interdisziplinär aufzubereiten. Mit Wis1
2
senschaftlerinnen und Wissenschaftlern
aus den Fachbereichen Astronomie,
Geologie, Archäologie, Religionswissenschaft, Theologie, Volkskunde und
Geschichte, dem Gestalter, den Facharbeiterinnen und Facharbeitern sowie
den ausführenden Firmen konnten wir
das Projekt umsetzen.
Die Grundintentionen
Der Mensch mit seinen Lebensäußerungen und seinem Lebensumfeld steht
im Mittelpunkt der musealen Arbeit im
Schloss Trautenfels.
Mit dem Titel „Gott und die Welt“ öffnen
wir das Thema sehr weit:
Wir wollen erfassen, wie sehr sich Menschen mit der Suche nach Halt und dem
Sinn des Lebens beschäftigen – auch
im 21. Jahrhundert, dem Zeitalter der
Wissenschaft. Die großen Fragen des
Glaubens widerspiegeln sich in unserem
Sein, den menschlichen Werten und in
den kleinen Dingen des Alltags.
Objekte aus vielen Wissensbereichen
erzählen vom Glauben der Menschen
in verschiedenen Kulturen und Zeithorizonten.
Beflügelt wird diese Sichtweise auch
von der aktuellen Situation, dass Men-
Gerhold Ernst-Christian, Haditsch Johann Georg (Hg.), Evangelische
Kirche Neuhaus-Trautenfels (1575-1599) (= Kleine Schriften der
Abteilung Schloss Trautenfels am Steiermärkischen Landesmuseum
Joanneum, Heft 23) Trautenfels 1992.
Brunner Walter, Die Burg Neuhaus und ihre Besitzer bis 1664.
3
schen aus unterschiedlichen Kulturen
und Glaubensvorstellungen in Österreich
zusammenkommen.
Die gezeigten Objekte stammen aus
einer überschaubaren Umgebung und
stehen stellvertretend für die vielfältigsten Wahrnehmungen von „Gott“ und
„Welt“, von Glauben und Wissen. Sie regen dazu an, in neuen Zusammenhängen
zu denken und persönliche Aussagen
über einen übergeordneten Kosmos
zu treffen.
„Raum und Zeit“, „Evolution und Schöpfung“, „Mythos und Kult“, „Mensch und
Religion“, „Glaube und Macht“ sowie
„Gott und Welt“ lauten die Hauptmotive
der Ausstellung. Sie laden dazu ein, über
subjektive, ganz persönliche Welten des
Glaubens und Seins nachzudenken.3
Zur Konzeption
Ausgehend von der Entstehung des
Universums beleuchtet die Ausstellung
in sieben Themenräumen die vielfältigen
Aspekte von Glauben, Mythen und Religionen und spannt den Bogen bis in
die Gegenwart.
In sechs Kapiteln werden „Glaubenswelten“ vorgestellt: Am Beginn stehen die naturwissenschaftlichen und
In: Schloss Trautenfels (= Kleine Schriften der Abteilung Schloss
Trautenfels am Steiermärkischen Landesmuseum Joanneum, Heft
22) Trautenfels 1992, Seite 3-26.
Einleitungstext zur Sonderausstellung „Gott und die Welt. Woran
glauben wir?“
3
Ausstellungsansicht „Raum und Zeit“ | Foto: N. Lackner
astronomischen Erkenntnisse über die
Entstehung der Welt. Dabei werden
verschiedene Schöpfungsmythen den
Erkenntnissen aus der Forschung gegenübergestellt. Auch Fossilien – wie
die gezeigten Beispiele aus der paläontologischen Sammlung des Joanneums
– sind wichtige Zeugnisse der Evolution,
waren gleichzeitig aber auch Quellen
für Mythologie und Aberglaube. Der
archäologische Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit Mythos und Kult als
Versuchen des Menschen, die Welt zu
erklären und mit überirdischen Wesen
und Kräften in Verbindung zu treten.
Während sich die ersten drei Räume
den Naturwissenschaften, Mythen und
Kulten widmen, behandeln die folgenden
Bereiche religionswissenschaftliche
und kulturgeschichtliche Themen. Die
acht vorgestellten Religionen werden
anhand von exemplarisch ausgewählten Objekten präsentiert und zeichnen
4000 Jahre Religionsentwicklung nach.
Dem Thema Reformation und Gegenreformation ist ein eigener Raum mit
Beispielen aus dem Ennstal gewidmet.
Einige besondere Objekte dazu werden
hier erstmals öffentlich präsentiert. Der
Ausstellungsrundgang überrascht mit aktuellen Projekten und Themenbereichen.
Fünf Werke zeitgenössischer Kunst von
Else Seidl (Telgter Hungertuch, 2014 –
2016 dem Original nachgestickt), Joachim
Hainzl (bahmanXmarlboro, 2016), Stephan Hann (Schmetterlingsornat, 2015.
Leihgabe Benediktinerstift Admont),
Bernd Wagner (Ewigkeitsverkehr, 2007)
und Oliver Sturm (Gebetomat, 2008)
4
5
4
Ausstellungsansicht „Schöpfung und Evolution“ | Foto: N. Lackner
sind themenspezifisch integriert. Mit
der Vermittlung von „Glaubenswissen“
werden Fragen zu Integration, Migration
und dem Zusammenleben verschiedener
Kulturen in den Raum gestellt.
Die sehr individuelle Auswahl von Objekten steht für die Vielschichtigkeit und
für die vielen unterschiedlichen Wege
des Glaubens.
„Kooperation ist der Schlüssel zum Spiel
des Lebens, kooperative Intelligenz der
entscheidende Faktor kreativen menschlichen Handelns. Wir brauchen einander
um erfolgreich zu sein.“4
Zu den Themen
der Ausstellung5
Raum und Zeit
Die Beobachtung der Himmelskörper
und die Erforschung ihrer Physik sind
die Grundlagen für das Verständnis
unseres Universums. Vor 13,7 Milliarden
Jahren explodierte ein winziger Punkt
mit ungeheurer Energie und brachte in
Sekundenbruchteilen die Gesetze der
Welt, die Grundkräfte und die Bausteine
der Materie hervor. Unser unvorstellbar
großer Kosmos hat also unendlich klein
begonnen – viel, viel kleiner als ein
Atomkern. Nach diesem sogenannten
„Urknall“ dauerte es noch 100 Millionen
Jahre, bis sich die ersten Sterne entwickelten – und weitere 400 Millionen Jahre, ehe sich die aus Wasserstoffwolken
und Helium entstandenen Sonnen zu ersten Vorstufen von Galaxien formierten.
Diese sogenannten Protogalaxien ziehen
Martin A. Novak mit Roger Highfield, Kooperative Intelligenz. Das
Erfolgsgeheimnis der Evolution. Aus dem Englischen von Enrico
Heinemann. München 2013
Diese Texte wurden im Team der Kuratorinnen und Kuratoren und mit
seither einsam durch Raum und Zeit,
viele Millionen Lichtjahre voneinander
entfernt. Mit Teleskopen können wir
Milliarden dieser Sternen-Archipele
entdecken. Doch das All dehnt sich
unaufhörlich aus. Und so werden sich
die Galaxien immer weiter voneinander
entfernen, bis sie sich irgendwann in
der „Unendlichkeit“ verlieren.
Die Milchstraße ist jene Galaxie, zu der
auch die Erde gehört. Um sie zu durchqueren, benötigt ein Lichtstrahl 100.000
Jahre. Dennoch ist sie nur ein Körnchen
im All, in dem weitere 100 Milliarden
Galaxien schweben – in einem Raum,
dessen Durchmesser auf mehr als 900
Trilliarden Kilometer Durchmesser geschätzt wird. Trotz oder gerade wegen
dieser wissenschaftlich definierten, unvorstellbaren Dimensionen stellen wir
uns immer wieder die einfache Frage:
Hat das Universum einen Anfang und
ein Ende?
Schöpfung und Evolution
„Am Anfang schuf Gott Himmel und
Erde“. Dieser erste Satz des Alten Testamentes wird heute vielfach als Ausdruck
des Glaubens vorwissenschaftlich denkender Menschen verstanden. Ob die
biblischen Menschen ihn jedoch derart
wörtlich gedeutet haben, oder ob sie
seinen bildhaften Charakter durchaus
als solchen verstanden haben, wissen wir heute freilich nicht. Ähnlich,
vielleicht aber auch viel komplexer,
versuchten frühgeschichtliche Kulturen schon Jahrtausende zuvor, die
Entstehung der Welt und deren Sinn zu
Beiträgen der Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftlern
erstellt und stehen als Grundinformation (Raumtexte) in der Ausstellung. Die religionswissenschaftliche Begleitung erfolgte durch
Markus Ladstätter.
Ausstellungsansicht „Versteinerte Rätsel“ | Foto: N. Lackner
deuten. Dazu zählt der Glaube an ein höheres Wesen, das die Welt ordnet, aber
auch die Suche nach Erklärungen für
unergründliche Naturphänomene. So
entstanden unterschiedlichste Schöpfungsmythen, die um das Dasein auf
unserem Planeten kreisen.
Die Welt schien voller Rätsel, das Leben
voller Wunder und unerklärlicher Dinge.
Auch an besonderen Orten gefundene
Fossilien wurden mit übernatürlichen
Kräften oder mythischen Geschichten in
Verbindung gebracht. Der Klagenfurter
Lindwurm ist ein bekanntes Beispiel für
solche Interpretationen.
Mit dem Aufschwung der Naturwissenschaften seit der Aufklärung wandelte
sich die Kenntnis über die Zusammenhänge der Schöpfung. Charles Darwin
veröffentlichte 1859 sein Hauptwerk
„On the origin of species“ (Über die Entstehung der Arten) und belegte damit
die Tatsache der Evolution. Fossilien,
die versteinerten Reste ehemaligen
Lebens, gelten als die einzigen „realhistorischen Belege für die Stammesgeschichte“ (Thenius). Auch der steirische
Arzt und Paläontologe Franz Unger war
Ausstellungsansicht „Mythos und Kult“ | Foto: N. Lackner
ein Wegbereiter der Evolutionstheorie,
seine Verdienste wurden zu Unrecht
vergessen.
Mythos und Kult
Wann ein Mensch zum ersten Mal ein
göttliches Wesen angerufen hat – um
Zuspruch, um Bitte oder um Trost –, wird
wohl immer unbeantwortet bleiben.
Wir können nur vermuten, dass die
frühen Menschen Naturgewalten und
unerklärliche Ereignisse mit gottähnlichen Wesen in Verbindung brachten.
So finden sich bereits vor 30.000 Jahren
Hinweise auf derartige Vorstellungen.
Abbildungen auf Höhlenwänden oder
die berühmte „Venus von Willendorf“
lassen vermuten, dass die Menschen,
die diese Werke geschaffen haben, an
übernatürliche Wesen glaubten.
Wenn andere Menschen sterben, wird
uns die eigene Vergänglichkeit besonders bewusst. Die Frage nach dem
Danach wies den Weg in die Welt der
Ahnen. Vorstellungen von einem ewigen Leben der Vorfahren führten dazu,
den Verstorbenen Wegzehrung und
nützliche Gerätschaften mit ins Grab zu
Ausstellungsansicht „Mensch und Religion“ | Foto: N. Lackner
legen. Vom 18. bis ins 3. Jahrhundert
vor Christus war es in Ägypten üblich,
„Uschebtis“ mitzugeben. Sie sollten für
die Verstorbenen im Jenseits Arbeiten
verrichten.
Unter Pharao Echnaton (14. Jh. v. Chr.)
huldigten die Ägypter erstmals einem
einzigen Gott, dem Sonnengott Aton.
Dort könnten auch Vorfahren jener
Menschen, die später „Israeliten“ genannt werden, mit diesen Vorstellungen
in Berührung gekommen sein. War dies
Auslöser oder Vorstufe des Glaubens
an einen Gott, wie er sich später in den
drei großen monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam
manifestierte?
Mensch und Religion
In den Jahrhunderten vor und nach
Christi Geburt kam es weltweit zur
Ausbildung von großen Religionsgemeinschaften. Hindu-Religionen,
Judentum, Buddhismus, religiöse Traditionen Chinas, Christentum, Islam,
Sikhismus, und Bahai-Religion werden im Zentrum dieser Ausstellung
vorgestellt.
Ausstellungsansicht „Gebet und Wallfahrt“ | Foto: N. Lackner
5
Die hier ausgestellten Objekte und
Erläuterungen zu den jeweiligen Besonderheiten, Unterschieden, und
Ähnlichkeiten dieser ausgewählten
Religionen vermitteln ein gewisses
Maß an Sachwissen, das dem gegenseitigen Verstehen in unserer heutigen
multikulturellen Gesellschaft dienlich
sein möchte.
Die Darstellung der acht Religionen
beinhaltet zum einen Teil Elemente
der Sonderausstellung „Weltreligionen,
Weltfrieden, Weltethos“ der Stiftung
Weltethos, zum anderen Teil Materialien von Markus Ladstätter. Die 1995
von Hans Küng in Tübingen gegründete
Stiftung steht für interkulturelle und
interreligiöse Forschung, Bildung und
Begegnung. Ziele dieser Stiftungsarbeit
sind die Vermittlung ethischer und interkultureller Kompetenz sowie Dialog,
Zusammenarbeit und Frieden zwischen
den Religionen und Kulturen. Markus
Ladstätter ist Religionswissenschaftler an der Kirchlichen Pädagogischen
Hochschule Graz sowie an der Karl Franzens - Universität Graz.
Religion ist eine wichtige Dimension
persönlicher und sozialer Identität. Religionen geben Antworten auf elementare
Fragen des menschlichen Daseins, überliefern Weisheit, begründen Werte und
inspirieren zu sozialem Handeln – oft
über rechtliche Verpflichtungen hinaus.
Die Religionsgemeinschaften unterscheiden sich in ihren konkreten religiösen Profilen und Perspektiven oft
beträchtlich. Trotz dieser Unterschiede
ist ihnen jedoch die Überzeugung gemeinsam, dass eine transzendente Dimension für gelingendes menschliches
Leben, konstruktives Zusammenleben
in Vielfalt und eine lebenswerte Zukunft
unverzichtbar ist – unabhängig davon,
ob sie diese nun Gott, Nirvana oder
anders benennen.6
Mensch und Religion
Religionen sind global betrachtet auch
im 21. Jahrhundert zentrale Faktoren
für die Identität des einzelnen Menschen wie auch von Gesellschaften. Sie
haben neben ihrer transzendenten Dimension auch vielschichtige kulturelle
Bedeutungen. Sie regeln nicht nur die
Beziehung zwischen Mensch und Gott,
sondern helfen auch bei der Suche nach
dem Sinn des Lebens. Die Ungewissheit
des Schicksals nach dem Tod führt
zu den Grundfragen der Menschheit:
„Woher komme ich?“, „Wohin gehe
ich?“ Die Religionen bieten ein breites
Spektrum von Vorstellungen an, die
ein Weiterleben nach dem Tod möglich
erscheinen lassen.
Wie sich der geistig-religiöse Kosmos der
Religionen im Alltag der Menschen verschiedener Kulturen widerspiegelt, erzählen wir anhand der Themenbereiche
Feste und Feiern, Essen und Trinken,
Tod und Jenseits, Wallfahrt und Gebet.
Durch das Vorgeben von zentralen Werten und das Begründen von Ethik, Moral
und Sitten prägen Religionen das Leben
der Menschen in den unterschiedlichen
Kulturen. Daraus resultiert auch die
Gestaltung des Tages, der Woche, des
Jahres sowie die Strukturierung des
alltäglichen Lebens durch Feiertage und
Feste.
Auch mit der Esskultur ist Religion eng
verbunden, da das Essen stets auch
kulturelle Identität bedeutet und gleich-
Ewigkeitsverkehr, © Bernd Wagner, 2007
Den „Ewigkeitsverkehr“, in dem sich Menschen verschiedener Glaubensrichtungen bewegen,
hat Bernd Wagner für seine Diplomarbeit Ewigkeit in Form eines U-Bahn-Plans dargestellt.
Aus der Grazer Erklärung zum interreligiösen Dialog von
6
6
zeitig von religiösen Vorstellungen mitbestimmt wird.
Nahezu alle Religionen teilen den Glauben an ein Leben nach dem Tod. Dabei
spielt das jeweilige Menschenbild mit
seinen unterschiedlichen Differenzierungen, z.B. in Körper, Seele und Geist
eine wichtige Rolle. Demnach gibt es
sehr unterschiedliche Vorstellungen über
das Weiterbestehen des Individuums
nach dem Tode. Diese reichen von verschiedenen Varianten der Wiedergeburt
bis zu speziellen Aufenthaltsorten oder
Seinszuständen wie Hölle oder Paradies.
Freilich tragen die großen Religionen
auch das Bewusstsein, dass all diese
Vorstellungen nicht mehr sein können
als nur höchst unvollkommene Bilder
für letztlich Unaussprechliches.
Die Wallfahrt bzw. Pilgerreise oder Pilgerfahrt ist, von einigen Ausnahmen
abgesehen, erst bei Religionen üblich,
die sich geografisch weit verbreitet
haben. Ziele dieser Reisen sind Orte,
ComUnitySpirit www.interrelgraz2013.com
Gebetomat, © Oliver Sturm, 2008
Ein Automat zum Abspielen von Gebeten aus
verschiedenen Religionen | Foto: N. Lackner
Die „Blaue Stube“ von Zlem, dat. 1780 und 1804 gilt in der Überlieferung als „geheimer protestantischer Gebetsraum“. Leihgabe: Fam. Schachner, vlg. Gasteiger, Zlem, Wörschachwald
| Foto: N. Lackner
die entweder aus Ihrer Natur eine zentrale religiöse Bedeutung verkörpern
(wie etwa heilige Berge oder Flüsse),
oder aber mit bestimmten Ereignissen,
Personen, Heiligen oder Gottheiten in
Verbindung gebracht werden.
Aus den unruhigen Zeiten an der
Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert
stammt ein besonderes kulturhistorisches Objekt: die sogenannte „Blaue
Stube“ vom Gasteigerhof in Zlem.
Die Präsentation eines Teils dieser
Stube begleiten wir mit einem Forschungsprojekt während der Dauer
der Sonderausstellung, um möglichst
detaillierte Informationen über die
Geschichte und die Nutzung dieses
Raumes zu sammeln.
Glaube und Macht
Die reformatorischen Ideen Martin
Luthers, die er 1517 an der Schlosskirche zu Wittenberg veröffentlichte,
breiteten sich innerhalb kurzer Zeit
bis in die Obersteiermark aus. Ende
des 16. Jahrhunderts bekannte sich
ein Großteil der Ennstaler Bevölkerung
zum protestantischen Glauben. Dieser
kurzen Blütezeit folgte ein Zeitraum
von fast 200 Jahren, in dem das Herrscherhaus und die katholische Kirche
die Ausbreitung des neuen Glaubens
gewaltsam zurückdrängen wollten.
Bücherverbrennungen und unfreiwillige Bekehrungen zum katholischen
Glauben waren ebenso gebräuchlich
wie Zwangsverschickungen von Einzelpersonen aus protestantischen
Familien in Tauplitz, Wörschachwald
und dem Ennstal nach Siebenbürgen
und Ungarn. Dort sollten die Aussiedler
jene Landstriche neu kultivieren, die in
den Türkenkriegen verlassen wurden.
Im Rahmen der 2017 nun 25 Jahre
bestehenden Partnerschaft zwischen
den Ortschaften Tauplitz und Iklad (HU)
wird dieser historischen Geschehnisse
gedacht.
Gott und Welt
Religion war und ist oft Auslöser für
Migration, sowohl für Einzelpersonen
als auch für ganze Glaubensgemeinschaften. So haben Menschen, die
aus Glaubensgründen ihre Heimat
verlassen mussten, die religiöse Landkarte nicht nur maßgeblich mitgeprägt,
sondern bilden auch einen wesentlichen Faktor bei der Entstehung von
religiöser Vielfalt. Den Religionsgemeinschaften kommt eine wichtige,
aber auch ambivalente Rolle bei der
Integration von Migrantinnen und Migranten zu.
Migration, Religion und Integration
in Kombination mit der Mobilität des
21. Jahrhunderts stehen in einem
vielschichtigen und komplexen Zusammenhang. Weit mehr als in der
Vergangenheit treten Religionen ins
Blickfeld der Menschen, auch bedingt
durch Fernreisen, Migration und neue
Medien. Durch die freie Verfügbarkeit
von Informationen zu Glaubensinhalten
bauen sich viele Menschen ihre „privaten Glaubenswelten“. Sie verknüpfen
ihr Wissen und fügen religiöse Inhalte,
Symbole oder kultische Praktiken oft zu
persönlichen Religionskonstrukten und
individuellem „Patchwork-Glauben“
zusammen. Gleichzeitig werden die
etablierten Religionsgemeinschaften
deutlicher mit ihren Gemeinsamkeiten
und auch ihren Unterschieden wahrgenommen. Dies bewirkt auf der einen
Seite durchaus eine Schärfung des
jeweiligen Profils, auf der anderen Seite
aber auch eine Stärkung des Blicks
auf gemeinsame Ziele und mögliche
Kooperationen.
Vom Nebeneinander berührender Erfahrungen, die wir auf Reisen in andere
Kulturen gewinnen, zeugen Objekte,
die im Rahmen des Projektes „Glaube
und Erinnerung“, von Privatpersonen
zur Verfügung gestellt wurden.
Gott und Welt
Shalom, Friede sei mit euch, Salam
Aleikum, Namaste, Mögen alle Wesen
glücklich sein - Grüße und Segenswünsche verschiedener Religionen tragen
allesamt eine gemeinsame Intention:
dass ein Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Glaubensvorstellungen und Weltanschauungen in
Frieden, Toleranz und gegenseitiger
Wertschätzung möglich sei.
7
Das Zusammenleben von Menschen
verschiedener Glaubensvorstellungen
war in der Vergangenheit nicht immer
konfliktfrei. Auch in der Gegenwart ist
es eine permanente Herausforderung,
scheinbar gegensätzlichen Anschauungen in einem Geist von Weltoffenheit, Respekt und friedlichem Miteinander zu begegnen. Das Wissen um
die Überzeugungen anderer Religionen
und die Kenntnis ihrer Traditionen und
Bräuche leisten auch einen Beitrag zum
vorurteilsfreien Umgang mit jenen, die
aus schwierigen Lebenssituationen
nach Österreich gekommen sind.
Im Grunde ihrer Lehren bezeugen alle
Religionen eine starke Friedensbotschaft. Sie motivieren zur Versöhnung,
und sie erschließen auch Kräfte zu
deren Verwirklichung. Und dennoch
berichten die Medien fast täglich von
demokratiefeindlichen Gefährdungen
und von religiös motivierter Gewalt.
Wie lässt sich dies erklären?
Vielleicht mit menschlicher Schwäche,
vielleicht auch mit dem Faktum, dass
Religionen für andere Zwecke vielfach
missbraucht werden. Religiöse Texte,
besonders solche aus alten Zeiten,
sind oft mehrdeutig und verschieden
interpretierbar. Damit tragen heutige
Religionsgemeinschaften eine große
Verantwortung für eine konstruktive
und zeitgemäße Auslegung. Nur dann
können die Religionen mit ihrem riesigen
Potential an ethischen Grundwerten,
Moralvorstellungen und Lebensweisheiten dazu beitragen, dass alle Menschen gleichberechtigt und in Frieden
auf diesem Planeten leben.
Schloss Trautenfels
Universalmuseum Joanneum
Gott und die Welt
Woran glauben wir?
Öffnungszeiten:
6. April bis 31. Oktober 2017
24. März bis 31. Oktober 2018
täglich von 10 bis 17 Uhr
Tel.: 03682/22233
[email protected]
www.museum-joanneum.at
Das Team
Geschäftsführung:
Wolfgang Muchitsch
Kuratorin: Katharina Krenn
unter Mitarbeit von Wolfgang Otte und
Ingomar Fritz
Religionswissenschaftliche
Begleitung: Markus Ladstätter
Mit Beiträgen von: Helmut Eberhart,
Gerhard Dienes, Heinz Finster, Günther
Jontes, Ulrike Kammerhofer-Aggermann, Marko Mele, Daniel Modl, Martina Pall, Karl Peitler, Angelika VautiScheucher, Taliman Sluga, Wolfgang
Sotill, Albert Sudy, Melanie WienerLanterdinger, ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus, Benediktinerstift
Stift Admont, bOJA – Bundesweites
Netzwerk Offene Jugendarbeit, Beratungsstelle Extremismus, Büro der
Gleichbehandlungsbeauftragten des
Landes Steiermark, Plattform Gastfreundschaft
Lektorat: Jörg Eipper-Kaiser
Gestaltung: Werner Schrempf, die
ORGANISATION
Unter Mitarbeit von Thomas Mayerl,
Bernard Koschat, Sylvia Zannantonio
Office Management: Nicole Eingang
Restaurierung: Paul Bernhard Eipper,
Michael Huber, Werner Wihan, Norbert
Winkler
Ausstellungsaufbau und Technik:
Michael Huber, Werner Wihan
Unter Mitarbeit von Margit Eingang,
Sabine Geier, Johanna Köberl, Huberta Walcher, Harald Hasler, museum
standards, gesellschaft für kunst und
produktion
Ausführende Firmen: Peyrer Bau- und
Kunstglaserei, Irdninger Schmiede,
Markus Schweiger, Malerei Mario
Seebacher, Tischlerei Steindacher,
Michael Trinker, Creatives Wohnen,
Werner Tuttinger GmbH, Werbetechnik
Leihgeber: ADEVA Akademische
Druck- u. Verlagsanstalt, Jouhd Al
Kaed, Benediktinerstift Admont, Sibylle Burian, Helmut Burisch, Helmut
8
Eberhart, Julia Engel, Carlos D. Fores,
Gemeinde Bad Mitterndorf, Gemeinde
Iklad, Heinrich Harrer Museum Hüttenberg, Volker Hänsel, Joachim Hainzl,
Helga Hasibeter, Günther Jontes,
Jüdisches Museum Wien, Barbara
Kabas, Klassik Stiftung Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar,
Markus Ladstätter, Landesmuseum
Kärnten, József Mayer, Österreichische
Nationalbibliothek, Belal Onbs, Osama
(Liezen), Gerhard Otte, Johann Planitzer, Christoph Pötz, Beatrix Prinz, Fadi
Samaan, Joshi Satiandra, Fam. Johann
Schachner vlg. Gasteiger, Schell Collection Graz, Friedrich Schmollgruber,
Peter Schreibmayer, Else Seidl, Heinz
Siegl, Taliman Sluga, Alois Strimitzer,
Oliver Sturm, Albert Sudy, Technisches
Museum Wien, Harald Tischhardt,
Bernd Wagner
Alte Galerie, Archäologiemuseum,
Naturkundemuseum: Geologie & Paläontologie, Mineralogie, Neue Galerie,
Universalmuseum Joanneum
Dank an: Afro-Asiatisches Institut
Graz, Sabine Bergler, Ewald Bilonoha,
Helmut Burisch, Helene Cibinello,
Bettina Dräxler, Christian Ehetreiber, Verena Fabris, Finster Verlag,
Frieda Fritzenwallner, Gabriele
Fritz-Kohlbauer, Irene Gösseringer,
Klaus Gowald, Volker Hänsel, Joachim Hainzl, Agnes Harrer, Kirsten
Hauser, Harald Huber, Martin Huber,
Margarita Kastanara, Barbara Kabas, István Madarász, Johann Madl,
Lutz Maurer, József Mayer, Bettina
Ramp, Ernst Reichenfelser, Karin
Schamberger, Pater Prior Maximilian
Schiefermüller, Stephan Schlensog,
Sabine Schulze-Bauer, Peter Schweiger, Sonntagsblatt für Steiermark,
Alois Strimitzer, Claudia Unger, Larissa Yahia
Wolfgang Otte
Von Tauplitz nach Iklad
Die Zwangsemigration Ennstaler Protestanten nach Ungarn
Tauplitz, Postkarte, Leopold Illich Klachau, um 1910 | Archiv Verein Schloss Trautenfels
richtet, in anderen Orten wie Aussee und
Gröbming die Häuser der Rädelsführer
niedergebrannt.
Die protestantische Familie Hoffmann,
die im 16. Jahrhundert die Burgen
Strechau und Neuhaus (heute Schloss
Trautenfels) besaß, unterstützte großzügig den Bau der ersten lutherischen
Kirche im Ennstal. Das 1574 in Sichtweite
der Pfarrkirche auf der Pürgg errichtete
Gotteshaus erfreute sich eines regen
Zulaufs der evangelischen Gläubigen.
der Obersteiermark zu brechen. Über
Eisenerz, Aussee und Gröbming gelangte
die Schar nach Schladming und vertrieb
die evangelischen Prediger. Bürger und
Bauern mussten den Eid auf die katholische Kirche ablegen, Tausende protestantische Bücher gingen in Flammen
auf. Am Rückweg erfüllte sich auch das
Schicksal der Kirchen von Au, Neuhaus
und Rottenmann – sie wurden vollständig
zerstört.
Nicht auslöschen konnte die Reformationskommission allerdings die Kraft des
im Geheimen weiterlebenden Protestantismus. Dies lag nicht zuletzt daran, dass
im evangelischen Glauben das Wort des
Evangeliums im Mittelpunkt steht. Bedeutendstes Gut waren deshalb Lutherbibeln
und protestantische Erbauungsbücher,
die auf geheimen Pfaden übers Gebirge
in die Region geschmuggelt wurden.
Auf vielen Höfen des Ennstals gab es
Bibelverstecke, bevorzugt in Ställen und
Reformation mit Rückschlägen
Am 31. Oktober 1517 heftete Martin Luther 95 Thesen gegen den Ablasshandel
an das Portal der Schlosskirche von
Wittenberg. Innerhalb weniger Wochen
drang die Kunde dieser reformatorischen
Gedanken bis in die Obersteiermark.
Begünstigt wurde dies durch die Knappen, die mit Salzburger und deutschen
Bergrevieren in Kontakt standen. Obwohl
das Luthertum auch in weiten Kreisen
der bäuerlichen Bevölkerung Anklang
fand, standen vor allem Bergleute im
Mittelpunkt der Protestbewegung, die
im Knappen- und Bauernaufstand 1525
– der nahezu die gesamte Obersteiermark bis Leoben erfasste – ihren ersten Höhepunkt erreichte. In einer vom
Landesfürsten Erzherzog Ferdinand I.
befohlenen Strafexpedition eroberte eine
Söldnertruppe unter Niklas Graf Salm
die Stadt Schladming und zerstörte sie.
Zahlreiche Aufständische wurden hinge-
Gegenreformation
und Geheimprotestantismus
Mit dem Einsetzen der Gegenreformation
unter Erzherzog Ferdinand II. verschärfte
sich die Situation der Protestanten zusehends. Unter der Leitung des Admonter
Abtes Johann Hofmann und von rund
800 Söldnern begleitet, versuchte im
November 1599 eine Reformationskommission den Widerstand der „Ketzer“ in
Martin Luther, Darstellung aus dem
17. Jahrhundert | Archiv Schloss Trautenfels, UMJ
Evangelische Kirchenruine Neuhaus, 2017 | Foto: W. Otte
Herzlichen Dank den Kolleginnen und
Kollegen in den zentralen Abteilungen
des Universalmuseums Joanneum für
die Zusammenarbeit.
In Kooperation mit: Stiftung Welt­
ethos www.weltethos.org
Salzburger Landesinstitut für Volkskunde www.salzburg.gv.at/904
Archäologiemuseum und Naturkundemuseum Sammlung Geologie &
Paläontologie, Universalmuseum
Joanneum
9
Bauernhöfe im Hochtal von Wörschachwald, Postkarte, Erikaverlag
Graz, 1925 | Archiv Verein Schloss Trautenfels
auf Dachböden. Darüber hinaus begünstigten im 17. Jahrhundert die räumliche
Ausdehnung der katholischen Pfarren
und der Mangel an tauglichen Hilfsgeistlichen die Ausbreitung des Geheimprotestantismus. Im bedrückenden Klima
des Misstrauens und der Denunziation
kam es immer wieder zur Auswanderung
bekennender Protestanten aus Zlem,
Wörschachwald und Tauplitz nach „den
lutherischen Örtern bei Nürnberg“. Die
Regierung befahl eine genaue Untersuchung der Vorkommnisse, um eine
Massenabwanderung von Bauern zu
verhindern, und damit auch den Verlust
von Untertanen und Steuereinkünften.
Die verantwortliche Geistlichkeit in und
um Pürgg erhielt die Anweisung, „das
Bauernvolk in Glaubenssachen besser
zu unterrichten, öfter Kinder- und Christenlehre zu halten und auf die österliche
Beichte und Kommunion ein wachsames
Auge und Sorge zu tragen.“
Die Lage spitzt sich zu
Im 18. Jahrhundert hatte Kaiser Karl VI.
mittels der Religions-Hofkommission die
Zurückdrängung der religiösen Minderheiten vorangetrieben, wurde aber später
von seiner Tochter Maria Theresia, die
die Regentschaft übernahm, in diesen
Bestrebungen noch weit übertroffen. In
ihren ersten Regierungsjahren ab 1740
vorrangig mit der Sicherung der Grenzen des Habsburgerreiches beschäftigt
(Österreichischer Erbfolgekrieg), konnte
sie sich nach dem Frieden von Aachen
1748 mit voller Kraft den innerstaatlichen Angelegenheiten zuwenden. Als
überzeugter Katholikin lag ihr besonders die Ausrottung des „ketzerischen“
evangelischen Glaubens am Herzen.
Ebenfalls 1748 übernahm in der Pfarre Pürgg mit Pfarrer Georg Hubmann
10
Hof vlg. Gasteiger in den 1960er Jahren, von 1725 bis 1752 im Besitz
von Martin Loresser | Foto: Privatbesitz Fam. Schachner
ein religiöser Eiferer die Verantwortung
für den Kampf gegen die Protestanten.
Er wollte „sein Blut bis auf den letzten
Tropfen wagen, damit die Lutheraner bis
auf den letzten Buchstaben ausgerottet
würden.“ Wie stark die lutherische Lehre
in der Region verwurzelt war, zeigt auch
folgendes Geschehen im Sommer 1751:
Auf einem Versehgang begegnete Pfarrer
Hubmann einigen Kohlführern, die vor
dem „Allerheiligsten“ nicht niederknieten oder den Hut abnahmen. Zur Rede
gestellt erklärten sie, es wäre nur Brot,
und einem Brot gebühre keine Anbetung.
Eine von Maria Theresia 1751 beauftragte
Untersuchung ergab, dass sich etwa 200
bis 300 Personen im Pfarrbereich Pürgg,
der auch Tauplitz, Zlem und Wörschachwald umfasste, zum evangelischen Glauben bekannten. Als erste Maßnahme
sollte versucht werden, mit verstärkter
Missionsarbeit die Abtrünnigen zur katholischen Kirche zurückzuführen. „Sie
habe den Bericht über Pürgg mit großem
Mißfallen vernommen, denn sie sähe,
dass man ihrem Befehl vom 7. März des
Vorjahres, die Büchereinschlepper und
Emissäre aufzugreifen, den Leuten die
verbotenen Bücher abzunehmen und
durch gute katholische zu ersetzen, kaum
nachgekommen sei.“ (Maria Theresia,
23. Oktober 1751, zitiert nach Dedic,
Bekämpfung und Vertreibung, S. 55)
Daher kam es am 15. März 1752 zur
Weisung Maria Theresias an die Religionshofkommission: „Es sollte den
verstocktesten Ketzern und Verführern
anderer, die die Wohltat, emigrieren
zu dürfen, verscherzt hätten und daher
zwangsweise aus dem Land geschafft
würden, das etwa besitzende Vermögen
so glatterdings nicht mehr verabfolgt,
sondern von diesem ihren Vermögen nur
nach und nach etwas aus purer Gnad
ohne mindeste bewiesene Schuldigkeit
nachgesendet, hiervon jedoch vorderst
die den zurücklassenden Kindern quovis
modo zustehende Erbsportion wohlververwahrlich innebehalten werden.“
Da aufgrund der drohenden Zwangsemigration zahlreiche Personen ins
protestantische Ortenburg in Bayern
entwichen und die Bauern Marin Loresser
vlg. Gasteiger in Zlem und Ruep Pötsch
vom Mayergut in Wörschachwald sowie
der Schuster Paul Holl vlg. Estlbauer in
Tauplitz ein Gnadengesuch an die Herrscherin dem Landeshauptmann in Graz
zur Weiterleitung übergaben, wurden
härtere Maßnahmen erwogen und damit
eine Verschickung der „Verstocktesten“
nach Siebenbürgen ins Auge gefasst:
„Wäre es am besten, nicht alle 170 im
Glaubensverdacht stehenden Personen
auf einmal, sondern zunächst die zehn
oder zwölf Hartnäckigsten zu transmigrieren, also die Verstocktesten sowie
diejenigen, die andere an sich zögen.
Dadurch würden vielleicht die übrigen auf
einen besseren Weg gebracht werden.“
(Religionshofkommission, 24. April 1752,
zitiert nach Dedic, Bekämpfung und Vertreibung, S. 71)
Letzte Maßnahme
Zwangsemigration
Nachdem eine „gelinde und sanftmütige Bekehrung“ durch die katholischen
Geistlichen nicht fruchtete, die im Rahmen einer sechswöchigen Gnadenfrist
möglich war, wurden zur Abschreckung
am 7. Juni 1752 mit einem ersten Transport zehn Erwachsene und drei Kinder nach Mühlbach in Siebenbürgen
losgeschickt. 40 Soldaten begleiteten
das kleine unglückliche Grüppchen und
übergaben es samt den versiegelten
evangelischen Büchern dem Magistrat
Der Weg der Emigranten von Tauplitz nach Iklad, Karte der Habsburgermonarchie, um 1780 | Archiv Schloss Trautenfels, UMJ
Steyr, der für den Weitertransport auf
der Enns und weiter auf der Donau zuständig war.
Das Ziel, dass die Zurückgebliebenen dem protestantischen Glauben
abschwören sollten, wurde allerdings
verfehlt, sodass bereits für den 2. August 1752 eine weitere Verschickung
veranlasst wurde. Dazu waren folgende
Personen bestimmt worden: Thomas,
Elisabeth und Maria Schiemer vlg. Kaufmann, Zlem; Hans und Paul Schiemer,
Zlem; Ruep und Rosina Pötsch vlg. Mayer, Wörschachwald; Hans Schiemer
vlg. Walz, Wörschachwald; Matthias
und Maria Schachner vlg. Steinfeldner,
Häusel am Steinfeld; Martin und Maria
Feichtner vlg. Sölkner, Zlem; Martin und
Eva Loresser vlg. Gasteiger, Zlem; Hans
und Maria Lackner vlg. Lackner, Zlem;
Matthias Holl vlg. Estlbauer; Barbara
Gusterhuber vom Rubengut, Tauplitz;
Hans Gusterhuber, Helena Grübler vom
Diezwebergut und Andre Gewißler aus
der Pfarre Pürgg. Dazu aus der Pfarre
Irdning: Hans und Eva Mayer vlg. Zelzer,
Espang; Jakob und Susanna Mayer vlg.
Sauschneider, Espang; Peter und Katharina Mayer, Espang; Rosina Fasold und
Josef Brunner vom Pürggergut. „Am 1.
August trafen die zur Verschickung Bestimmten aus Zlem und Wörschachwald
in Stainach, wo die Begleitmannschaft
schon eingerückt war, ein, sie hatten den
stundenweiten Weg mit ihren Frauen und
Kindern und der geringen zum Transport
zugelassenen Habe zu Fuß zurückgelegt
. (…) Eine bejammernswerte Schar von
68 Personen, in der alle Lebensalter,
einjährige Kinder ebenso wie die greisen Auszügler Jakob Mayer mit seinem
Weibe Susanna und der alte Holl zu finden waren.“ (Dedic, Bekämpfung und
Vertreibung, S. 91)
Auszug der Protestanten, hier das Beispiel von Salzburger Exulanten,
18. Jahrhundert | Repro: Archiv Schloss Trautenfels, UMJ
Den Ausgewiesenen war der freie Abzug
mit Vermögen und Kindern versprochen
worden, aber durch eine eigenmächtige
Auslegung der kaiserlichen Weisungen
kam es durch die handelnden Personen
vor Ort unter dem Kreishauptmann Graf
Suardi aus Judenburg zu einer äußerst
niederträchtigen Aktion. Den Unglücklichen wurden an die 40 Kinder weggenommen und teilweise zur Erziehung
in katholische Familien gegeben oder
in Waisenhäuser in Graz und Wien abgeschoben.
„… die unmündigen Kinder müßten zur
katholischen Erziehung zurückbleiben.
Die aufs tiefste erschütterten Eltern brachen in Weinen aus, stürzten zu den Füßen des Kreishauptmannes und anderer
Herren und baten im Namen Gottes und
Jesu, ihre Kinder mitnehmen zu dürfen,
wie dies ihnen auf Gebot der Königin erlaubt werden sollte. Sie bekamen jedoch
die hoffnungslose Antwort: Ist es nicht
genug, daß ihr auf Robot gehen müßt,
wollt ihr eure Kinder auch in das Unglück
mitreißen?“ (Dedic, Bekämpfung und
Vertreibung, S. 92)
Protestanten auf dem Weg in die Emigration,
Darstellung aus dem 18. Jahrhundert
| Repro: Archiv Schloss Trautenfels, UMJ
Auch der Großteil des Geldes, das die Auszügler mit sich führten, wurde ihnen abgenommen, um unter anderem damit den
Lebensunterhalt der zurückbleibenden
Kinder zu finanzieren. Der Fußweg führte
die unglückliche Schar von Stainach über
den Buchauer Sattel nach Altenmarkt
und nach Frenz (Gemeinde Weyer) sowie
weiter auf der Enns nach Steyr. Von dort
ging es mit dem Schiff die Enns abwärts
und auf der Donau an Wien vorbei bis
nach Harta, etwa 100 Kilometer südlich
von Budapest. In Harta angekommen,
weigerten sich die Emigranten, nach Siebenbürgen weiterzureisen.
Neuanfang in Iklad
Graf Gedeon I. Ráday, der protestantische Grundherr in Iklad, hatte bereits
zu Beginn des Jahres 1752 über Wiener
Agenten freiwillige Siedler aus der Pfalz
und Baden-Württemberg angeworben,
um das nach den Türkenkriegen völlig
entvölkerte und brachliegende, in seinem Besitz befindliche Land wieder zu
wirtschaftlicher Blüte zu bringen. Diese
Siedler intensivierten den Weinbau, der
bis zum Ende des 20. Jahrhunderts das
Ortsbild prägte, heute allerdings abgekommen ist. Graf Ráday bot den in Harta
gestrandeten Ennstaler Transmigranten
an, sich im Frühjahr in Iklad anzusiedeln und stellte ihnen Unterkünfte zum
Überwintern zur Verfügung. So zogen
die Tauplitzer im Frühjahr 1753 zu Fuß
nach Iklad weiter, wo sie die Möglichkeit
bekamen, sich eine neue Existenz aufzubauen. Dies wurde durch die äußerst
humanen Bedingungen seitens des Grafen sehr unterstützt: So brauchten die
neuen Siedler zwei Jahre lang keinen
Zins bezahlen und konnten das benötigte
Bauholz in Maßen frei aus dem Gemeindewald beziehen. Auch die Robot- und
11
Gut der Grafen Ráday in Iklad, wo die Tauplitzer Protestanten
freundliche Aufnahme fanden, 1939 | Foto: Gemeinde Iklad
Abgabepflichten waren gering, die Herrschaft war vielmehr bestrebt, durch die
Ansiedlung zu regelmäßigen Einnahmen
zu kommen. Nachfolgend Auszüge aus
den vereinbarten Rechten und Pflichten
der Neusiedler:
„Denen auf Iklat ziehenden Leuthen vorgegebene punta
1-mo. Der Iklater Puszten, solle auf zwantzig gantze bauern getheilet Werden, derowegen, können auch getrost, so viel
ihrer daraufziehen und Beysitzen so viel
sich unter ihnen ernähren können, zu sich
ziehen lassen.
2-do. Meiner Seits, Will ich ihnen Zwey
gantzen Frey jahr lassen, und Beym Löblichen Comidat, werde Bestreben, die
meiste jahre, frey zu haben aus zu würken.
4-to. Von dennen Wiesen ist die helfte
mein, die andere helfte bleibet ihnen, zu
ihrer helfte ist ihnen erlaubt, dass durch
das ausrotten, sie die Wiesen mit der Zeit
vermehren können.
5-to. Den Weinschank von Michaeli Tag,
bis Georgi, wird ihrer Seyn, nichts desto
weniger Behalte vor mich, dass in meinen
Wirths-Hausse der Wein soll durch das
gantze Jahr geschenket werden.
Dorfstraße in Iklad, im Hintergrund der Turm der evangelischen
Pfarrkirche, um 1930 | Foto: Gemeinde Iklad
9-o. Wann sie Neue Weingarten, anfangen
werden zu Pflantzen, dieselbige kan ich ihnen, gantze Sieben jahre frey Lassen, wo
die Sieben jahre verflossen sind, werden
sie verbunden Seyn, aus dem Weine den
Landrechten nach gewohnlichen grundHerrschaftlichen Theil, immerdar darvon
geben, oder aber ein jeder von denen
inwohnern, von seynen Weingärten, ein
gewisse proportion iren Arenda zohlen.
2-do. Zwei Tage sind sie verpflichtet zu
mähen so mag seyn gantzer bauer oder
ein Beysitzer, die Beysitzer sind schuldig, dass Heu auf zufangen und die ZugVieh-habende Bauern auf den stok auf
zu setzen,
6-to. In Winters zeiten wo sie sonsten keine arbeit nicht haben, werden sie schuldig
seyn, von jeden Hauss in den Losoder
Walde, jeder eine Klafter-Holtz hauen
und dasselbige nacher Petzel zu meinen
Brau-Hauss führen, Worinnen konnen sie
unter einander selber solcher ordnung
einführen und halten, dass die Beysitzer
dass Holtz hacken und die gantzen Bauern
zu obbemelden Brau-Hauss führen sollen.
1-mo. Denen jetzo dahin ziehenden, und
auch in denen zweyen jahren, noch darzu
Stadt Steyr, Radierung von Wolfgang Hausser, 1584 | Repro: Archiv Schloss Trautenfels, UMJ
12
sich vermehrenden leuten, dass Bau-Holtz
aus dem Iklatter Wald, Will ich umsonst
geben nichts desto weniger, auf dass sie
destoweniger Holtz zu ihren Häusern verbrauchen, Müssen sie von Kothstein oder
Rohen ziegeln bauen und wo sie in dem
Iklater Walde, zu die Balken taugliches
holtz nicht könten finden, sind schuldig
von ihr Geld sich solches anzuschaffen.
4. Wegen der Arenta bin ich an jetzo mit
ihnen einig Worden dass sie in der ersten
zwey jahren nicht zahlen, dass dritte jahr
zweyhundert gulden in den vierten 5-ten
6-ten und 7-ten jahren fünf-Hundert gulden, zahlen sollen, Wann aber die Sieben
jahre verflossen, Weillen schon zu der
zeit auch die Weingarten werden frucht
bringen, werden sie schuldig seyn, mit
mir einen Neuen Contract auf zu richten
diese jetzt obbemelde Sieben jahre aber
werden anfangen in den künftig 1753 Jahr
folgenden St. George Tag, geschehen.
Harta d. 15. August 1752“
Die ersten beiden Zwangsemigrationen
sowie weitere Missionsmaßnahmen
konnten viele geheime Protestanten
der Pfarre Pürgg und im umliegenden
Ennstal nicht davon abhalten, weiterhin an ihrem Glauben festzuhalten. Die
Geldstrafen für „Büchereinschlepper“,
die Abhaltung geheimer Andachten oder
das Entweichen in protestantische Gegenden Deutschlands wurden deshalb
drastisch erhöht und Denunzianten, die
der Behörde unbelehrbare „Irrgläubige“
anzeigten, erhielten jeweils die Hälfte
des verordneten Strafgeldes. Weniger
die Missionstätigkeit als vielmehr der
Anreiz des Geldes aus der „Spionencas­
se“ dürfte den starken Zusammenhalt
der Bevölkerung aufgeweicht haben.
Neue Verhaltensregelungen
Um die Missionare zu unterstützen,
wurde von der Repräsentation am 31.
Pflügen mit Ochsengespann. Zlem, vlg. Geweßler, 1961
| Foto: Karl Haiding, Archiv Schloss Trautenfels, UMJ
August 1752 ein von Maria Theresia gebilligtes Zirkular erlassen. Darin wurde
auch der Vorwurf erhoben, dass nicht
zuletzt die bisherige Nachlässigkeit und
Gleichgültigkeit der Beamten Schuld
an der Verbreitung der Irrlehre trage.
Bei drohenden Geld- und Leibesstrafen wurde daher besonders den Herrschaftsbeamten die genaueste Einhaltung folgender Vorschriften befohlen:
„1. Nur durch ein schriftliches Rechtgläubigkeitszeugnis ihres Pfarrers sich
ausweisende Personen sind als Untertanen aufzunehmen oder zum Hauskauf
zuzulassen.
2. Alle Untertanen haben ihre geistlichen
Bücher binnen vier Wochen ihrem Pfarrer
vorzulegen, der die schlechten wegnimmt,
die unverdächtigen aber mit seiner Unterschrift und seinem Siegel als solche kenntlich macht. Nach Verlauf dieser Frist hat
der Eigentümer verbotenen lutherischen
Schrifttums für jedes bei ihm gefundene
solche Buch 9 fl Strafe zu zahlen, von
denen 5 fl dem Herrschaftsverwalter und
4 fl dem Anzeiger zukommen. Dienstleute
werden, da sie solche Beträge nicht zu
geben vermögen, am Leibe bestraft. Auf
Büchereinschlepper und Verbreiter ketzerischer Lehren ist besonders zu achten.
3. Strengstes Verbot aller unkatholischen
Andachtsversammlungen; Hausinhaber,
die solche zugelassen haben, werden
sofort verhaftet und gewärtigen schwere
Leibesstrafe, jeder Teilnehmer aber hat 9
fl zu zahlen, die nach obigem Schlüssel
zu verwenden sind.
4. Alle Eltern haben ihre Kinder zum Schulmeister oder doch wenigstens zur Christenlehre zu schicken, alle Winkelschulen
sind strengstens verboten.
5. Da durch schlechte Beamte bisher viel
geschadet wurde, dürfen künftig nur solche Personen als Beamte aufgenommen
werden, die sich durch ein Zeugnis ihres
bisherigen Pfarrers als eifrige und im
Pflügen mit dem Pferdegespann. Iklad, um 1930
| Foto: Gemeinde Iklad
Glauben wohl unterrichtete katholische
Christen auszuweisen vermögen.
6. In Gast- und Schenkhäusern dürfen
Glaubensdinge nicht besprochen werden: wer über solche geredet, zahlt 1
fl der Wirt, der dies geduldet und nicht
sofort angezeigt hat, 4 fl, die nach obigem
Schlüssel zwischen dem Verwalter und
dem Denunzianten verteilt werden.
7. Gasselgehen, Raufereien, unehrbare
Rummeltänze sowie das Tanzen über
die bestimmte Zeit hinaus werden mit
12 Reichstalern gebüßt, von denen der
Denunziant ein Drittel erhält, während
der Rest milden Werken zukommen soll.
8. Stirbt ein Bauer, dessen Weib im Glaubensverdacht steht, so sind die Kinder zu
entfernen und gut katholischen Leuten
zur Erziehung zu übergeben.
9. Auf Müßiggänger und Landstreicher
soll besonders geachtet werden, da diese
gelegentlich verbotene Bücher einschleppen. Sie sind im Betretungsfalle anzuhalten und vorschriftgemäß zu behandeln.“
(Dedic, Bekämpfung und Vertreibung,
S. 101)
So kam es am 28. September 1752 und
am 25. Juli 1753 zu weiteren Verschickungen, deren unglückliche Beteiligte
bei ihren Landsleuten in Iklad ebenfalls
Grundstücke zugewiesen bekamen und
in dem protestantischen Grundherrn
einen Beschützer ihres Glaubens fanden.
Stark veränderte Lebensumstände
Die mühevolle Reise mit einigen wenigen
Habseligkeiten von der Obersteiermark
in das ungarische Hügelland sowie die
Anpassung an völlig neue Lebensbedingungen stellten die Emigranten vor große
Herausforderungen. Aus einer Region
der alpinen Grünlandbewirtschaftung
mit einem kleineren Anteil Getreidebau kamen sie in eine vom Ackerbau
dominierte und von pannonischem Klima geprägte Landschaft. Die in den Ar-
chivalien des Gasteigerhofs genannten
Viehbestände und Abgabenmengen lassen auf die Wirtschaftsweise im Hochtal
schließen und können stellvertretend für
die Bergbauernhöfe von Tauplitz, Zlem
und Wörschachwald gelten. Sie zeichnen das Bild der Lebensumstände einer
Bergbauernfamilie mit bis zu 10 Kindern
und mehreren Dienstboten, bevor die
Zwangsemigration die Familie auseinanderriss und ihrem Leben eine völlig neue
Richtung gab. Kühe, Ochsen, Stierln und
Kalben machten den Hauptanteil der
Viehwirtschaft aus, die durch das Halten
von Schafen, Schweinen und Hühnern
ergänzt wurde. Die Käsezinse verweisen
auf die Bedeutung der Milchwirtschaft.
Getreide wie Weizen, Roggen, Gerste
und Hafer wurde nicht nur als Abgabe
an die Herrschaften und für den eigenen
Bedarf, sondern auch zur Versorgung
der umliegenden Dörfer und vor allem
der nahe gelegenen Bergbaubetriebe
angebaut. Das bäuerliche Wirtschaften
war stets von klimatischen wie politischen Entwicklungen beeinflusst, das
17. Jahrhundert war beispielweise von
einem Aufschwung der Viehwirtschaft
geprägt, der sich auch in der Ausweitung
der Almwirtschaft niederschlug.
In Iklad angekommen, war es nach dem
Aufbau der Bauernhäuser vorrangige
Aufgabe, sich mit den lokalen Gegebenheiten des Ackerbaus zurechtzufinden.
Der Getreideanbau war für die Neuansiedler wohl weniger eine Herausforderung als die klimatischen Verhältnisse,
unter denen sie leben und arbeiten mussten. Mais und Kartoffeln, Gemüse, Hanf,
Tabak und Wein waren Kulturen, mit
deren Umgang sie sich erst vertraut
machen mussten.
Trotz der wohlwollenden Aufnahme der
Aussiedler in Iklad, die den Aufbau einer
neuen Existenz wesentlich erleichterte, gestalteten sich die ungewohnten
13
Kreuz der Begegnung
Ein Kreuz, in dessen Inneren sich die
Menschen begegnen und sich an den
Händen halten. Dabei spielt die Herkunft
und die Glaubenszugehörigkeit keine
trennende Rolle. Die grünen Scheiben
symbolisieren die Hoffnung, das Leben
der verschiedenen Menschen und Nationen, die doch wieder etwas gemeinsam
haben: Eine tiefe Gläubigkeit an Gott,
den göttlichen Strahl, der aus einer tiefblauen inneren Ruhe in die Welt und in
die Herzen der Menschen dringt.
Künstler: Andreas Döringer, Rottenmann
Karl WeiSS
Ri. J. Kroll, Der Brandtnerhof, ein typisches Iklader Bauernhaus
| Foto: W. Otte
Lebensbedingungen in der Fremde als
schwierig. Die nur teilweise ausbezahlten Vermögenswerte, die beim Bau der
Häuser und der Anschaffung von Gerätschaften fehlten, und vor allem die Sorge
um die zurückgelassenen Kinder waren
wohl ausschlaggebend dafür, dass die
erste Generation der Aussiedler eine
sehr geringe Lebenserwartung hatte.
Viele Tauplitzer starben bereits nach
wenigen Jahren in der Fremde, manche
trieb die Sorge über die Anverwandten
oder das Heimweh zurück nach Tauplitz, wo sie aufgegriffen und erneut in
die Emigration geschickt wurden. Dazu
kamen Rückschläge wie eine große Feuersbrunst 1769, die nahezu die Hälfte
des Dorfes vernichtete und in kurzer Zeit
einen zweiten Neuanfang der steirischen
Siedler notwendig machte. Trotzdem
schafften es einige Familien, sich in der
neuen Heimat zu behaupten.
Iklad heute
Das Erforschen der Wurzeln und der
Herkunft der deutschstämmigen Bevölkerung Iklads in der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts führte nach dem Fall
des Eisernen Vorhangs zur Intensivierung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Gemeinden Tauplitz und Iklad.
Nach beiderseitigem zustimmendem
Beschluss in den Gemeindegremien kam
es am 25. Oktober 1992 in Iklad zur
feierlichen Unterzeichnung der Gemeindepartnerschaft durch die Bürgermeister
Peter Schweiger, Tauplitz, und István
Madarász, Iklad. Am 29. Juli 2017 wurde
das 25-jährige Bestehen dieser Partnerschaft in Iklad feierlich begangen. Am
Höhepunkt der Festlichkeit wurde ein
Denkmal eingeweiht, das sämtliche Namen der freiwillig oder zwangsweise nach
Iklad emigrierten Personen beinhaltet.
Heute ist Iklad eine kleine Gemeinde mit
ca. 2200 Einwohnern im Galgatal, etwa
14
Überreichung der Gemeindepartnerschaftsurkunde, Bürgermeister Peter
Schweiger, Tauplitz, und István Madarász, Iklad, 1992 | Foto: Gemeinde Iklad
100 Kilometer östlich von Budapest, die
eine angenehme Lebensqualität bietet. Seit 1993 gibt es einen „Deutschen
Nationalitäten Kulturverein“, der die
„Muttersprache“ und die mitgebrachten
Traditionen pflegt. In der „Deutschen Nationalitätenschule“, einer achtklassigen
Grundschule, wird von der 5. bis zur
8. Klasse an fünf Tagen je eine Stunde
Deutsch unterrichtet. Dazu gibt es zweisprachigen Unterricht in den Fächern
Volkskunde, Geschichte und Naturkunde.
Die Einwohner von Iklad, deren Wurzeln auf verschiedene Nationalitäten
zurückgehen, kommunizieren im Alltag
vorwiegend in ungarischer Sprache.
Späte Toleranz
Abschließend betrachtet entbehrt es
nicht einer gewissen Tragik, dass der
protestantische Glaube, der sich über
150 Jahre lang im Geheimen so stark
behaupten konnte, wenige Jahre vor dem
Erlass des Toleranzpatentes 1781 durch
Kaiser Joseph II. im mittleren Ennstal
vollständig versiegte. Paul Dedic, dem
akribischen Erforscher der Geschichte des Geheimprotestantismus in der
Steiermark, ist wohl in seiner Einschätzung dieses Geschehens nichts mehr
hinzuzufügen:
„Der ständige Druck hatte in den Pfarren
Pürgg und Irdning auf die Dauer lähmend
gewirkt; die Alten waren müde geworden
und wollten in Frieden ihre Tage vollenden, die Jugend aber war im katholischen
Glauben erzogen und aufgewachsen, so
erlosch in dieser Gegend der Protestantismus völlig, während in der unmittelbaren Nachbarschaft um Gröbming und
Schladming wie auf der Ramsau, aber
auch im Liesingtale Viele zähe an ihm
festhielten, bis die heißersehnte Stunde
der Duldung schlug.“ (Dedic, Bekämpfung
und Vertreibung, S. 175)
Herzlichen Dank an die Gemeinde Iklad
mit Bürgermeister István Madarász,
an Herrn József Mayer, Iklad, und an
Herrn Peter Schweiger, Tauplitz, die
die Recherchen zu diesem Beitrag mit
wertvollen Informationen unterstützten.
Literatur und Quellen:
Asztalos István – Brandtner Pál,
IKLAD EGY MAGYARORSZÁGI NÉMET
FALU TÖRTÉNETE (Iklad – Geschichte eines ungarndeutschen Dorfes),
Aszód-Iklad 1991
Asztalos István – Brandtner Pál, IKLADI CSALÁDOK, Iklad 2002
Paul Brandtner, Ein deutsches Eiland
in Ungarn, Waiblingen o. J.
Paul Dedic, Die Bekämpfung und
Vertreibung der Protestanten aus
den Pfarren Pürgg und Irdning im
steirischen Ennstal, Budapest 1940
Paul Dedic, Die Verpflanzung steirischer Familien nach Ungarn in den
Jahren 1752–1765. In: Das Joanneum.
Beiträge zur Naturkunde, Geschichte,
Kunst und Wirtschaft des Ostalpenraumes. 2. Bd., Kunst und Volkstum,
Graz 1940
Diether Kramer, Glut unter der Asche.
Die Evangelischen in der „Gegend um
die Pürgg“. In: Da schau her. Beiträge
aus dem Kulturleben des Bezirkes
Liezen, Nr. 3/1992, S. 9–12
Hannes P. Naschenweng, Geschichte
der Pfarre Pürgg und seiner Pfarrer,
Vikare und Kapläne. In: Wolfgang
Suppan (Hg.), An der Wiege des Landes Steiermark. Die Chronik PürggTrautenfels, Gnas 2013
Fritz Fahringer, Chronik Gasteiger
anno 1368 – anno 1946. Maschingeschriebenes Manuskript im Privatbesitz, Pürgg 1946
Schriftverkehr Rudolf R. Groß, Tauplitz, mit Dr. Paul Brandtner, Remseck
am Neckar
Ein Pilgerweg
der Weltreligionen
Kreuz der Begegnung, Künstler Andreas Döringer | Foto: K. Weiss
Vor einigen Jahren wurde vom Österreichischen Alpenverein, Sektion Rottenmann, ein Pilgerweg mit 16 Skulpturen
errichtet, der sich mit verschiedenen
Religionen in Europa, Amerika und
Asien befasst. Ein Besuch dieses im
Bereich der Rottenmanner Hütte geschaffenen Weges ist als wertvolle
Ergänzung der im Schloss Trautenfels
laufenden Sonderausstellung „Gott und
die Welt. Woran glauben wir?“ sehr zu
empfehlen.
Die Idee
Weit gereiste und mit fremden Kulturen
und Religionen vertraute Mitglieder des
örtlichen Alpenvereines hatten die Idee,
ihre Erfahrungen in die Schaffung eines
„Pilgerweges der Weltreligionen“ einzubringen. Für die Weltreligionen sowie
weitere Glaubensgemeinschaften und
ethnische Religionen sollten Skulpturen
geschaffen und auf dem Wanderweg
zur Rottenmanner Hütte und weiter bis
zum Globuckensee aufgestellt werden.
Zur Umsetzung dieses Planes wurden
Künstlerinnen und Künstler aus Frankreich, Polen, Armenien, Slowakei, Irak,
Israel und Österreich um Mitwirkung
gebeten, der sie – von diesem neuartigen Projekt angetan – gerne nachgekommen sind. So entstanden in kurzer
Zeit 14 Skulpturen, die den Sommer
über großteils auf der Rottenmanner
Hütte von den Künstlern in unentgeltlicher Tätigkeit gefertigt und anschließend unter mühevoller Hilfestellung
von Vereinsmitgliedern zu den mit der
Naturschutzbehörde abgesprochenen
Standorten gebracht wurden. Im Jahr
2016 wurde der Pilgerweg um zwei weitere Skulpturen erweitert.
Die Stationen
Der Skulptur der fünf Hände, die großen
Weltreligionen darstellend, kommt eine
besondere Bedeutung zu. Nebeneinander stehend, ineinander verschlungen,
einander stützend, hoffen sie darauf, das
Gleiche zu erlangen, denn alle Religionen
verbindet ein gemeinsames Ziel. Der
Weg dorthin ist jedoch jeweils ein anderer: „Du einziger Gott aller Menschen,
begleite die unterschiedlichen Religionen
auf der Suche nach Dir!“
Künstler: Dusan Rychtarik, Slowakei
Die erste Skulptur – ein Glaskreuz – wurde bei der Bundesstraßenabfahrt B 113
„Rottenmann Mitte“ aufgestellt, wo der
Fahrweg zum Parkplatz der Rottenmanner Hütte beginnt. Von dort führt ein gut
begehbarer Wanderweg zur Hütte und
weiter bis zur Globuckenalm. Entlang
dieses Weges sind die gut beschriebenen
Skulpturen aufgestellt.
Zoroastrismus
Eine der ältesten monotheistischen Religionen der Welt ist der von Zarathustra
gegründete Zoroastrismus. Feuertempel,
in denen ein ständig brennendes Feuer
gehütet wird, gelten als Symbol der
Gottheit und der vollkommenen Reinheit.
Im Mittelpunkt der Religion steht der
Schöpfergott Ahura Mazda. Faravahar,
das Symbol des Zoroastrismus, stellt ein
menschliches Wesen mit Flügeln dar.
Zentrale Punkte der Lehre Zarathustras
sind gute Gedanken, gute Worte und
gute Taten. Als Generaltugenden gelten
Wahrheit, Gerechtigkeit, Friedfertigkeit,
Treue, Demut, Wohltätigkeit und Fleiß.
Künstler: Gerhard Sölkner, Rottenmann
Indianer Nordamerikas – Totempfahl
Totempfähle sind religiös-schamanistische Sinnbilder aus den Indianergebieten Nordamerikas. Sie sind geschmückt
mit stilisierten Symbolen und Schutzgeistern und somit ein heiliger Ausdruck
eines Stammes und seiner Tradition. Die
Indianervölker glaubten auch an persönliche Schutzgeister, die im Totempfahl
ihre Darstellung finden. Übernatürliche
Kräfte, die sie in ihrer Gesamtheit als
Manitu bezeichnen, werden als Lebensenergie verehrt. Das Grundprinzip der
schamanistischen Glaubensvorstellung
besagt, dass alles, was uns umgibt, ob
lebendig oder unbelebt, eine Seele hat.
Künstlerin: Maria Deisl, Liezen
Sikhismus
Ek Onkar, die eine und einzige göttliche
Wirklichkeit, steht im Zentrum der SikhReligion (Gurmat, Lehre der Gurus). Die
Sikh-Religion geht auf den in den Jahren
1469–1539 lebenden Guru Nanak Dev
zurück und verbindet hinduistisches
Gedankengut (z. B. Wiedergeburt) mit
islamischer Mystik (Sufismus). Religiöse Rituale und Institutionen werden
15
Alle Religionen meinen das gleiche …,
Künstler Dusan Rychtarik | Alle Fotos: E. Knapp
Zorastrismus – Symbol Faravahar,
Künstler Gerhard Sölkner (Bildmitte)
Sikhs während der Eröffnungsfeier,
Künstlerin Maria Deisl
Islam – Symbole und Schriftzeichen,
Künstler Ali Hameed
Judentum – Davidstern,
Künstler Lior Selzer
Panentheismus ZEN – Weg der Mystiker,
Künstler Erich Knapp
kritisiert. Die Aufgabe des Menschen
besteht im Beten, Arbeiten und Teilen.
Gleichberechtigung von Mann und Frau
ist ein ebenso hoher Wert wie Frieden,
der aber Selbstverteidigung nicht ausschließt.
Künstlerin: Maria Deisl, Liezen
Christentum
Die Christen glauben an den dreieinigen,
allmächtigen und liebenden Gott. Jesus
Christus gilt als Sohn Gottes und tritt in
die Erfahrung des Lebens, Leidens und
Sterbens ein. Die Bibel, die sich aus dem
Alten und dem Neuen Testament zusammensetzt, ist die Basis des christlichen
Glaubens. Es gibt drei große christliche
Glaubenstraditionen, die römisch-katholische Kirche, die orientalischen und
orthodoxen Kirchen und die Kirchen der
Reformation.
Die zentrale Botschaft des Christentums
ist die Liebe: „Liebe deinen Nächsten
wie dich selbst.“
Künstlerin: Naira Boesch-Geworkian,
Armenien
se Gegend von Slawen besiedelt. Die
Menschen, die hier lebten, verehrten
in ihrer slawischen Urreligion Swiatowid als Gott, der gleichzeitig in alle vier
Himmelsrichtungen blickt und dadurch
alles sehen kann. Er war auch jener Gott,
der für Licht und Wärme zuständig war
und das Feuer, den Krieg und die Ernte
beeinflusste.
Die hier dargestellte Skulptur des Swiadowid ist eine originalgetreue Kopie
einer 1200 Jahre alten Stele, die heute
im Archäologischen Museum in Krakau
(Polen) zu sehen ist.
Künstler: Wizlaw Pastula, Polen
halten Gegenstände, die den Frieden
symbolisieren, die nach unten geneigten
Hände zeigen die Mittel für kriegerische
Auseinandersetzungen.
Künstler: Gerhard Sölkner, Lassing
Urreligion Zentralafrikas –
Regengott Deng Dit
Im Südsudan lebt der Stamm der Dinka,
ein Volk, das von der Weidewirtschaft
lebt. Die Nomaden dieses Gebietes sind
von den spärlichen Niederschlägen abhängig und verehren daher in alter Tradition Gott als jenes Wesen, das ihnen
das Leben ermöglicht, indem es Wolken
bildet und Regen fallen lässt. Ding Dit
ist der Schöpfer- und Regengott, der
mit seiner Keule Blitze hervorbringt
und damit Regen und Fruchtbarkeit
spendet.
Künstler: Erich Kirnbauer, Rottenmann
Menschen dienen soll. Mit diesem Einblick in die Vielfalt der Religionen und
mit der geschaffenen Harmonie von
Kunst und Natur ist auch eine kulturelle Aufwertung der Region gegeben.
Dankenswerterweise hat Frau Ingrid
Flick die Patenschaft für den Pilgerweg
übernommen.
Bei der feierlichen Einweihung im Jahr
2004 konnte Obmann Karl Schnuderl
den Künstlern, den Initiatoren des
Projektes und den vielen Helfern des
Alpenvereines einen besonderen Dank
aussprechen. Auch zahlreiche Ehrengäste und weitere Besucher wohnten
dieser Feier auf der Rottenmanner
Hütte bei. Auch die Fertigstellung von
zwei weiteren Skulpturen 2016 wurde besonders gefeiert, denn diesem
Anlass wohnten als besondere Ehre
auch ca. 90 Mitglieder der Glaubensgemeinschaft der Sikhs und rund 140
interessierte Gäste bei.
Neben der Bewältigung der finanziellen und organisatorischen Angelegenheiten galt es auch Überlegungen
zum weiteren Bestand dieses Pilgerweges der Religionen anzustellen. Er
sollte nicht als Kunsterlebnis, sondern als eine mit Aktivitäten erfüllte
Stätte der Begegnung für Menschen
mit einer Beziehung zum Absoluten,
denen Toleranz zu den Religionen ein
Anliegen ist, wahrgenommen werden.
Mit zahlreichen religiösen Ritualen,
religionswissenschaftlich geführten
Wanderungen und Festen erfüllt die
Einrichtung diese Ansprüche bestens.
Viele Wanderer, Lehrer im Rahmen von
Fortbildungsveranstaltungen, Schulklassen, namhafte Vertreter der Religionsgemeinschaften aber auch die
Künstler besuchen immer wieder den
Pilgerweg und erfüllen ihn mit Leben.
Panentheismus ZEN –
Weg der Mystiker
Die Lehre des Panentheismus geht
davon aus, dass Gott überall ist und
alles mit einschließt: Gut und Böse,
den Kosmos, die Natur, alle Lebewesen
und jeden Menschen. Aus mystischer
Sicht ist die Welt eine Ausdehnung
Gottes selbst. Das bedeutet: Gott ist
nicht personal und ist somit ein unpersönliches „ewiges Gesetz“ oder eine
unbestimmte „kosmische Kraft“. Die
Skulptur des in Meditation versunkenen
Menschen symbolisiert den Weg der
Versenkung. Mystik bedeutet Innenschau, das ist der Weg der inneren
Sammlung und der Alleinheit.
Künstler: Erich Knapp, Rottenmann
Taoismus
Im Zentrum des Denkens steht der
Begriff des Tao als jene Kraft, die allem
zugrunde liegt. Sie wird mit Weg, Leben,
Gott oder auch mit natürlicher Ordnung
übersetzt und als tätige Kraft verstanden. Die Dreiheit aus Yin, Yang und
Lebensatem ist eine der zentralen Vorstellungen des Taoismus. Das Handeln
des von Tao durchdrungenen Menschen
ist letztlich ein „Nicht-Handeln“, eine
Haltung des „Nicht-Eingreifens“ in den
Lauf der Dinge. Das Ideal des Taoismus
ist nicht nur die Weisheit des Einzelnen, sondern auch der Dienst an der
Gemeinschaft und an der ganzen Welt.
Künstler: Richard Zazulak, Slowakei
16
Islam
Islam heißt Hingabe an Gott. Er basiert
auf der Botschaft Muhammads, die ihm
im 7. Jahrhundert offenbart und von
seinen Anhängern als Koran in 114 Suren niedergeschrieben wurde. Im Islam
ist die Darstellung eines Gottesbildes
untersagt, denn Allah ist viel zu groß
und zu mächtig, um mit den Mitteln
der Menschen dargestellt zu werden.
Deshalb hat sich der Künstler auf einige
Symbole und Schriftzeichen beschränkt:
Links ein Stein mit der arabischen Inschrift „Gott sei Dank“, in der Mitte der
Halbmond, ein Symbol des Islams, und
das schneckenförmige Gebilde zeigt,
stark vereinfacht, das berühmte Minarett
der Moschee von Samarra in der Nähe
von Bagdad.
Künstler: Ali Hameed, Bagdad/Irak
Slawische Religion –
Gott Swiatowid
Lange bevor das Christentum in die
Obersteiermark gekommen ist, war die-
Inkas – Sonnengott Inti
Die Sonne als Lebensspenderin hat in
vielen Religionen eine wichtige Bedeutung. Bei den Inkas in Südamerika wurde
Gott mit der Sonne gleichgesetzt Inti
genannt. Den Kosmos stellten sich die
Inkas zirkulierend als ein Netz von verwandtschaftlichen Beziehungen vor, das
die Bevölkerung mit der umgebenden
Landschaft und den darin lebenden übermenschlichen Wesen verband.
Künstler: Dieter Tomitsch, Leoben
Hinduismus – Gottheit Vishnu
Der Hinduismus kennt Gott in verschiedenen Erscheinungsformen. Brahma,
Vishnu und Shiva erscheinen als Dreiheit, gelten als Hauptgottheiten und
bilden gemeinsam das göttliche Prinzip.
Ihnen zur Seite steht jeweils eine weibliche Gottheit, da nur die Verbindung von
männlich und weiblich vollkommen sein
kann. Vishnu ist der Erhalter der Welt.
Ihm ist der Vogel Garuda als Reittier
zugeordnet. In seinen vier Händen hält
er jeweils eine Lotusblüte, eine Meeresschnecke, einen Diskus und eine Keule.
Die beiden nach oben gerichteten Hände
Judentum – Davidstern
Für die Symbolik des Davidsterns gibt es
im Judentum verschiedene Deutungen.
Die sechs kleinen Dreiecke entsprechen
den sechs Schöpfungstagen und das
große Mittelfeld dem Schabbat. Die
12 Ecken entsprechen den 12 Stämmen Israels. Das nach oben zeigende
große Dreieck steht für Gott und seinen
Bund mit den Menschen und das nach
unten weisende Dreieck steht für den
Menschen in seinem Ringen um Gut
und Böse.
Die heutige Bedeutung als Symbol des
jüdischen Glaubens ist erst rund 300
Jahre alt und stellt ein Sinnbild für Schutz
und Entschlossenheit dar.
Künstler: Lior Selzer, Israel
Buddhismus
Buddha wurde 600 vor Chr. als Mensch
– Prinz Siddharta – in Nordindien geboren. Als erstem Menschen ist es ihm
gelungen, den Weg zur Erleuchtung,
ins Nirwana, zu finden. Buddha hat
uns Menschen seinen Weg zur Befreiung vom Leiden gezeigt und Millionen
von buddhistischen Gläubigen folgen
noch heute seiner Lehre, die eher Lebensphilosophie als Religion ist. Seine
Grundaussage: Alle tragen das Potenzial zur Erleuchtung in sich, denn jeder
Mensch ist ein potenzieller Buddha, ein
Erleuchteter. Erleuchtung bedeutet den
Ausstieg aus dem Kreislauf der Wiedergeburt, an den man als fühlendes Wesen
angekettet ist.
Künstler: Guy Geymann, Frankreich
Christenzirbe – christliche Symbolik
Die nach unten weisende, von der Sonne
angestrahlte Hand symbolisiert Licht
und Wärme. Das Wasser mit dem Fisch
stellt eines der alten christlichen Symbole dar. In der Mitte der Skulptur wird
auf das menschliche Dasein hingewiesen; das Zahnrad gilt als Zeichen für die
Zeit, die unaufhaltsam voranschreitet.
Die Uhr hat aber nur einen Zeiger, der
sichtbar machen soll, dass Stunden
wie Minuten die gleiche Kostbarkeit
besitzen. Zwei Zeitmarkierungen symbolisieren die positiven und negativen
Stunden des Lebens. Das weithin sichtbare Zeichen des christlichen Glaubens
ist das Kreuz. Das Friedenssymbol aus
offener Hand weist darauf hin, dass Frieden möglich ist, wenn die angebotene
Hand angenommen wird.
Künstler: Gustav Schöpf, Rottenmann
Mit diesem großartigen Projekt haben
die maßgeblichen Betreiber, Mag. Sepp
Ahornegger, Erich Knapp, Fritz Iglar und
Karl Schnuderl, eine Stätte geschaffen,
die Toleranz wecken und einem verständnisvollen Zusammenleben der
17
Bertraud Hable
Das Kapellenstöckel mit dem alten Buchsbaum im Vordergrund | Alle Fotos: B Hable
Das Kapellenstöckel
im Hammerwerk Klamm bei Rottenmann
Bei der Recherche für den Artikel über
den Verweser Johann Baptist Sorger (Da
schau her 4/2016) stieß die Autorin bei
den Gesprächen mit der örtlichen Bevölkerung immer wieder auf den Hinweis:
„Ja, das kleine gelbe Haus war vor circa
150 Jahren eine wunderschöne Kapelle.“
Eine Kapelle inmitten der historischen
Hammerwerke in der Klamm?
Doch blenden wir zurück zu den ersten
Aufzeichnungen über die Hammerwerke
in der Klamm, die im Archiv des Benediktinerstiftes Admont aufliegen. Erstmals
wird am 11. August 1554 über diese
Werksanlage berichtet. Kaiser Maximilian II. bewilligt einem Büchsenschmid
und Bürger zu Rottenmann zu seinem
bestehenden „kleinem langen Zain- und
Streckhammer, die er unter einem Dach
hat, einen wallischen Hammer aufrichten
und zu erbauen zu dürfen“. Abt Urban
erwirbt am 20. Februar 1644 einen
Blech- und Streckhammer sowie ein
Hammerhäusel für das Benediktinerstift Admont und in einem weiteren
Kaufvertrag vom 21. August 1655 den
gesamten eisenverarbeitenden Betrieb
und die dazu gehörenden Realitäten in
der „Clamb“ bei Rottenmann.
Die erste Hauskapelle 1794
Genaue Aufzeichnungen über diese
Kapelle bei den Hammerwerken in der
Klamm findet man im zweiten der neun
Inventare, die heute noch erhalten sind.
18
Die sehr genau geführten Inventarlisten
zeichnen für den Zeitraum von 1655 bis
1852 ein genaues Bild über die jeweilige
wirtschaftliche Entwicklung der Werksanlage. So werden die Grundstücke, die
einzelnen Gebäude mit den Einrichtungsgegenständen sowie Werkzeug, Eisenvorräte, Holz-und Kohlvorräte genau
beschrieben.
Bei der Übergabe 1794 vom Verwalter Joseph Brandstätter an den neuen
Pächter Johann Noe Von der Null finden
sich die ersten schriftlichen Aufzeichnungen über eine „Kapellenkammer
und einer Hauskapelle“, welche sich im
Verweserhaus befand. Die Ausstattung
des Kapellenzimmers lässt auf einen
Wohn- und Schlafraum schließen, der
dem Priester, welcher für das „Celeprieren“ der heiligen Messe in der Klamm
weilte, für diese Zeit des Aufenthaltes zur
Verfügung stand. Bereits in dieser ersten
Aufzeichnung ist die reiche Ausstattung
der Kapelle, vor allem an Paramenten,
auffallend. Es sind sieben Messkleider
notiert, welche teilweise in den verschiedenen Kirchenfarben und vermutlich aus
verschiedenen Materialien gearbeitet
waren. Weiters werden in diesem Inventar aus dem Jahr 1794 noch ein Kelch,
sieben Kelchtücher, drei Statuen samt
einem Altarbild, „drei Kamaronkastl“
(dabei handelt es sich vermutlich um
das verballhornte Wort „Kanonkastel“,
welche die gleichbleibenden lateinischen
Texte bildlich darstellen, in dreifacher
Ausführung am Altar standen und so in
jeder Messe abgelesen werden konnten),
weiters sind zehn Bilder, ein Messbuch,
ein Altarpolster, zwei zinnerne Leuchter,
zwei Opferkanderln und „ein Glöckel
im Sall“ verzeichnet. Leider geht aus
den Aufzeichnungen über die Statuen
nicht hervor, um welche Heiligen es sich
handelte bzw. ob eine Darstellung der
Muttergottes darunter war.
Als der Calvinist Johann Noe Von der
Null 1808 nach 14 Jahren Pachtzeit die
Hammerwerke in der Klamm an die
nachfolgenden Pächter Joseph Thadeus Raspor und Johann Maria Franken
übergibt, sieht das Inventar des Verweserhauses verändert aus. So wird nur
neben „dem oberen Saal“ die Kapelle
verzeichnet, mit dem fast gleichlautenden Inventar. Zusätzlich sind neben
den drei Statuen auch drei Engel „von
guter Arbeit“ notiert. Hier stellt sich die
Frage: Hat Johann Von der Null, obwohl
er sich selbst nicht zum katholischen
Glauben bekannte, die Engelsfiguren
vielleicht aus Dankbarkeit gespendet?
Wir wissen es nicht. Auffallend ist, dass
diese drei Engel in keinem der nachfolgenden Inventare erwähnt werden.
Es wird auch kein Kapellenzimmer
aufgelistet, dafür aber ein zusätzliches
„Schreiber Zimmer“. Es ist zu vermuten,
dass während der 14 Jahre, in denen
die Hammerwerke von dem Calvinisten
Johann Von der Null verwaltet wurden,
diese Kapelle kaum von katholischen
Priestern benützt wurde.
1813 werden die Hammerwerke in der
Klamm an den neuen Pächter Johann
Baptist Sorger übergeben. Auch in diesem Inventar der Realitäten und „Hausfahrnussen“ wird die Kapelle mit dem
Kapellenzimmer vermerkt. Der Pächter
Johann Baptist Sorger erweitert das
Verweserhaus und errichtet ein sogenanntes Schreiberstöckel.
Vom Schreiberstöckel
zum Kapellenstöckel
Mit 31. Jänner 1823 erfolgt die Übergabe
der Werksanlagen an Pater Gotthard
Wisiak, der bis zu seinem Tode 1840 die
Hammerwerke leitete. Als Priester und
hohem Beamten stand ihm eine eigene
Privatkapelle zu. So kann man vermuten,
dass das neu errichtete Schreiberstöckel
zur Kapelle mit einem Nebenraum, dem
Kapellenzimmer (Sakristei) umgebaut
wurde, um diesem Wunsche gerecht
zu werden. Unter den Akten zu den Rot-
tenmanner Messlizenzen befindet sich
das Schreiben des Admonter Dechants
P. Leo Kaltenegger an die Diözese. Hier
scheinen unterschiedliche Datierungen
gegenüber den Archivalien des Archives
des Stiftes Admont auf, denn dieses
Schriftstück ist mit 11. Juni 1825 datiert. Darin wird erwähnt, dass über
zwei Jahrzehnte lang die Verwaltung der
Hammerwerke in privater Hand lag, daher die Messlizenz „selbstredend“ verlorengegangen sei und nicht vorgewiesen
werden könne. Einerseits verschweigt
man geflissentlich, dass Johann Von
der Null 14 Jahre lang als Calvinist die
Werke geleitet hat und vermutlich in
der Kapelle seinen Glauben gelebt hat,
andererseits liegt im Archiv des Stiftes
eine Messlizenz vom 30. Jänner 1825
vor, worin man sich auf ein Ansuchen
vom 11. Jänner 1825 des Verwalters
Pater Gotthard Wisiak beruft. In dieser
Ordinariatsbewilligung wird auf mehrere
Punkte verwiesen: „Dass in der versicherter massen gehörig eingeweihten
Kapelle die heilige Messe jedoch nur
an Werktagen gelesen werde; wobei
bemerkt wird, daß wenn sich an solchen andere Priester daselbst einfinden
sollten auch diese unbenommen sey,
die heilige Messe in benannter Kapelle
zu celebrieren.
Uibrigens gestattet das Ordinariat dem
Bittsteller P. Gotthard Wisiak, so wie
auch einen jeweiligen als Verweser in
der Klamm angestellten Stiftspriester im
Falle der Unpäßlichkeit auch an Sonn-und
Feyertagen des Jahres sich der Meßerlaubnis in der besagten Hauskapelle zu
gebrauchen.“
Die neue Hauskapelle im Stöckel
Vermutlich hat Pater Gotthard Wisiak
1824 mit dem Umbau des Gebäudes und
der Ausgestaltung der Kapelle begonnen.
Dass der Umbau zu einer Kapelle so
rasch vollzogen wurde, legt auch der
Erste Auflistung des Kapelleninventares und Schlussseite der Aufzeichnung von 1794 in einer
Kopie von 1796 | Archiv Stift Admont
Hinweis auf eine „versicherten massen
gut eingeweihte Kapelle“ nahe. Ein genaues, nach dem Tode von Pater Gotthard Wisiak angefertigtes Inventar aus
dem Jahr 1840 gibt uns Auskunft über
die reichliche Ausstattung der Kapelle.
In diesen Aufzeichnungen wird ein blaugestrichener Altar aus weichem Holz
mit zwei „Portatillen“ angegeben. Eine
genaue Beschreibung dieser Tragaltäre
findet sich in keinem der Inventare, doch
auffallend ist, dass die Farbe Blau sehr
oft in den Aufzeichnungen angeführt
wird. Weiters ein silbervergoldeter Kelch,
42,5 Loth schwer, samt Patene, ein weiterer Kelch samt Patene, 22 Loth schwer,
vier silberne Oblatenbehälter, ein Kreuz
aus Holz und Alabaster, zwei Reliquiare
mit silberner Filigranarbeit und dazugehörenden Glasstürzen, ein versilberter
Engel, zwei versilberte Stehleuchten,
zwei versilberte Wandleuchten, 17 Bilder
mit Glas und Rahmen, ein versilberter
Weichbrunnkessel samt Sprengel, ein
kupferner Wasserkessel und ein kupferner Weichbrunnkessel, zwei feinzinnerne
Opferkanderln, zwei verzinnte Kupfer-
Kataster der Klamm; Haus-Nr. 103 ist das Kapellenstöckel
| http//gis2.stmk.gv.at
kandln, eine versilberte Opfertasse,
zwei gläserne Opferkandln und dazu
gehörende Tasserln, ein versilbertes
Kirchenglöckel. Auffallend kostbar sind
die liturgischen Gerätschaften, welche
in einem rotsamtenen Versehbeutel, für
die wahrscheinlich oft notwendigen Versehgänge, verwahrt wurden. Darunter
verzeichnet man vier silberne Versehkreuze, zwei silberne Versehkapseln
(für Öl) zwei goldene Versehkapseln,
ein silbernes Versehglasel, ein silbernes
Kelchglasel.
Im Altarraum der Kapelle wurde auch
die aus Damast gefertigte Werksfahne aufbewahrt. Leider liegt dazu keine
genauere Beschreibung vor. Dazu sind
zwei blaue und zwei schwarzseidene
Pölster, ein blauer Altarteppich und
mehrere Messbücher genannt. Zwei
Paramentkästen befanden sich im Kapellenzimmer und verwahrten die kostbaren
Messkleider, welche aus Taft und Seide
oder Damast in den Farben Weiß, Blau,
Rot, Grün und Schwarz mit den dazugehörenden „Kelchaperaten“ (vermutlich
handelt es sich dabei um die in den glei-
Teilansicht des Kapellenstöckels mit Stützpfeiler zum Schutze gegen
Hochwasser. Der Bach floss damals an dieser Hausseite vorüber.
19
Der kleine Weiler Klamm mit dem ehemaligen Kapellenstöckel
chen Farben gehaltenen Kelchtücher)
gearbeitet waren. Weiters ist auch ein
blaues Übertuch verzeichnet.
Das Kapellenzimmer diente nicht nur
als Sakristei, sondern war vielmehr als
Wohn- und Schlafzimmer für sichtlich
zwei Personen eingerichtet, vermutlich
für Priester, welche aus dem Stift zu
Besuch hier weilten. Das Kapellengebäude selbst wird als gemauertes Haus
mit einem hölzernen Turm und einer
Glocke beschrieben. Zusätzlich werden
in dieser Inventarliste auch einige Gartengeräte aufgezählt, sodass man die
Vermutung in den Raum stellen kann,
dass sich um die Kapelle ein kleiner
Garten befunden hat.
Pater Ignatz Sommerauer übernahm
nach dem Tode von Pater Gotthard Wisiak 1840 für sechs Jahre die Leitung
der Hammerwerke in der Klamm bei
Rottenmann. Im oben angeführten Inventar wurde bereits mit Bleistift genau
vermerkt, dass ein Teil der Messkleider
und Einrichtungsgenstände zurück nach
Admont oder nach Trieben gestellt werden sollten. Im Jahre 1846 werden die
Hammerwerke in der Klamm durch
Verpachtung wieder in die Privatwirtschaft eingegliedert. Joseph Hörhager
übernimmt die Leitung für sechs Jahre.
Im Übergabeinventar, das Pater Ignatz
Sommerauer für den neuen Pächter
aufzeichnete, werden vor allem die kostbaren Messkleider und Altargeräte, die
man für die Feier der heiligen Messe
benötigt, in das Stift Admont abgeliefert.
Lediglich ein kleiner Teil verbleibt in
der Kapelle, um die Feier einer heiligen
Messe gestalten zu können. Aber auch
die Textilien und das Bettzeug aus der
Kapellenkammer gehen an das Stift
zurück. Ein im Inventar verzeichnetes
„eisernes Ofentürl vom Kamin“ gibt uns
den Hinweis, dass diese Kapelle beheizt werden konnte. Interessant ist
20
weiters, dass unter anderem auch 100
Gartengeschirre, verschiedene Gartenwerkzeuge sowie sechs Mistbeetfenster
verzeichnet sind.
Vermutlich gab es eine schöne Gartenanlage vor dem Kapellenstöckel.
Lediglich ein uralter Buchsbaumstock,
der auf dem Wiesengrund vor dem Gebäude steht, lässt vermuten, wo sich
einst dieser Garten befand.
Von der Kapelle zum Wohnhaus
1852 übernimmt Herr Michael Leobner
die Werksanlagen in der Klamm. Da die
wirtschaftliche Lage nicht sehr gut ist,
fusioniert er 1869 die Hammerwerke mit
denen von Trieben. Damit verliert der
Standort in der Klamm an Bedeutung.
Das Kapellenstöckel erfährt bei den
letzten noch vorhandenen Inventaraufzeichnungen keine Veränderung. Ja,
sogar die Gartenanlage scheint noch
gepflegt zu werden.
Aus einem Schreiben vom 20. Mai 1895
des Rottenmanner Stadtpfarrers Conrad
Kogler geht hervor, dass die Admonter
Besitzungen in der Klamm auf circa 17
Jahre verpachtet sind und in Kürze im
Verweserhaus eine Kaltwasser-Heilanstalt nach Pfarrer Kneipps Verfahren
eingerichtet werde. Seit drei Jahren sei
in dieser „ganz netten Kapelle“ keine
heilige Messe gefeiert worden.
Abt Kajetan Hoffmann meint in einem
Schreiben vom 27. Mai 1895, dass die
Messlizenz für die Kapelle nicht erloschen sei, weil eine zeitweilige Verpachtung nicht die definitive Übertragung
eines Besitzes in andere Hände bedeute.
Man könnte jederzeit die Paramente für
die Kapelle wieder zu Verfügung stellen.
Das bischöfliche Ordinariat erteilte mit
1. Juni 1895 auf die übliche Dauer von
sieben Jahren die Messlizenz für die
Kapelle in der Klamm, um den Kranken, welche das Kurhaus aufsuchen,
besonders wenn es sich um Priester
handelt, die Möglichkeit zu eröffnen, den
Gottesdienst vor Ort zu besuchen. Die
Erfüllung der Sonntagspflicht, welche
ja nur in der Pfarrkirche erfüllt werden
könne, sei damit verständlicherweise
nicht verbunden.
Mit diesen Mitteilungen aus dem Diözesanarchiv in Graz schließen sich
die Archivalien über die Kapelle in der
Klamm. Wann die Kapelle zum Wohnhaus umgestaltet wurde, ist der Autorin
unbekannt. In zwei Kaufverträgen aus
dem Jahre 1908 gehen die Realitäten
des Hammerwerkes in der Klamm an
die Firma Brüder Lapp. Vermutlich danach wird der Umbau erfolgt sein. Nach
den Spuren, die heute am Gebäude
noch deutlich sichtbar sind, wurde das
Kapellenstöckel mehrmals umgebaut,
bis es das heutige Aussehen bekam
und ein geräumiges Wohnhaus von 75
Quadratmetern entstand. Man änderte
den Eingang, setzte kleinere Fenster
ein und gestaltete den Innenraum der
Kapelle sehr wohnlich um, mit einem
kleinen Vorraum, einer Küche, einem
Schlafzimmer, Wohnzimmer sowie Bad
und WC. Auch der hölzerne Turm samt
der Glocke wurde entfernt. Auf der Seite
des Badezimmers wurde ein weiterer Kamin eingezogen. Nach den Auskünften
des heutigen Besitzers war das Gebäude
bis 1985 bewohnt und steht nun seit
über 30 Jahren leer.
Die Autorin bedankt sich beim Besitzer des Gebäudes, Herrn Fritz Fink,
für wertvolle Auskünfte sowie für das
Besichtigen des Kapellenstöckels. Last
but not least möchte die Autorin Ihren
Dank an Herrn Dr. Norbert Allmer vom
Diözesanarchiv in Graz für die fachliche
Beratung aussprechen.
Quellen:
Stiftsarchiv Admont:
AT AABA H-294
H-295
H-334-1-2-3
Landesarchiv Graz: GB III BG Rottenmann, KG Lassing Schattseite,
Band 3, EZ 139, Band 7, EZ 211.
Diözesanarchiv Graz-Seckau:
DAGS 102 E 3/1: Pfarrakten Rottenmann, Messlizenzen.
Norbert Allmer, E-Mail vom 18.4.
und 13.6.2017.
Franz Fink, mündliche Mitteilungen
an die Autorin, 29.3. und 17.6.2017.
http://gis2.stmt.gv.at
Alexander Maringer
Der Glaube
an ein Naturschutzgebiet
Die „geistreiche Unordnung“ in der Wildnis erkannte 1801 der Philosoph Friedrich Schiller | Foto: A. Hollinger
Vor 218 Jahren wurde der Begriff
„Naturdenkmal“ geprägt. Heute fehlt
vielen Kindern und Jugendlichen der
Umgang und die Erfahrung mit freier
Natur. Gerade deswegen sollten wir
uns fragen, welchen Wert Wildnis
für uns und unsere Gesellschaft hat.
Was bewegte Alexander von Humboldt,
als ihm bei seiner Reise 1799 durch
Venezuela das Wort „Naturdenkmal“
für einen riesenhaften Mimosenbaum
durch den Kopf ging? Der preußische
Universalgelehrte beschreibt dabei den
tropischen Baum selbst ebenso ausführlich wie seine kulturelle Bedeutung
für die Indianer. Der Begriff ist vor dieser Zeit nicht nachweisbar, verbreitet
sich aber nach dieser Beschreibung im
deutschsprachigen Raum rasch. Heute
glaubt man vermehrt in Alexander von
Humboldt den Naturschützer zu erkennen. Humboldt wollte das Zusammenwirken aller Naturkräfte verstehen und
warnte davor, die Natur beeinflussen zu
wollen, wenn man die Mechanismen und
Dimensionen dazu nicht verstanden hat.
Der mit Kollegen verschiedenster Disziplinen exzellent vernetzte Wissenschaftler versuchte zeit seines Lebens den
Kosmos in seiner Ganzheit zu erfassen
und schrieb sein Wissen in zahlreichen
Büchern nieder. Die Vielschichtigkeit
seiner Gedanken und die Querverbindungen, die er herstellt, sind es, die uns
heute noch beeindrucken. Er traf Johann
Wolfgang von Goethe und Charles Darwin, war aber weniger bekannt dafür,
ein guter Zuhörer zu sein. Seine Zeitgenossen bauten vielfach auf seinen
Thesen und Gedanken auf – Alexander
von Humboldt prägte so seine und fol-
gende Generationen entscheidend. Am
amerikanischen Kontinent war es der
schottische Auswanderer John Muir, der
sich von Humboldts Gedankengängen
inspirieren ließ. Er bereiste – wie Humboldt – Südamerika und entwickelte sich
vom Naturforscher mehr und mehr zum
Naturschützer. Dank seiner Schriften
konnte Muir mit Gleichgesinnten am
1. Oktober 1890 im US-Kongress die
Gründung des Yosemite-Nationalparks
durchsetzen. Yosemite wurde 1864 als
erstes Naturschutzgebiet der Welt gegründet. Dieser Nationalpark wurde zum
Vorbild für Schutzgebiete rund um den
Globus und John Muir zum „Vater der
Nationalparks“.
Die Sehnsucht in uns
Der frühe Naturschutz fand in der
Epoche der Romantik unter rein ästhetischen Gesichtspunkten statt. Es ging
darum, beeindruckende Landschaften
zu erhalten, die die Menschen erfreuten
und die Kunst inspirierten.
Friedrich Schiller schreibt in „Ueber
das Erhabene“: „Wer verweilet nicht
lieber bei der geistreichen Unordnung
einer natürlichen Landschaft, als bei
der geistlosen Regelmäßigkeit eines
französischen Gartens?“ 1801 erkennt
er den Gegensatz zwischen Kultur- und
Naturlandschaft und spricht schon früh
über das Bedürfnis des Menschen nach
unberührter Natur. Johann Wolfgang von
Goethe fordert zu dieser Zeit Naturforscher auf, die freie Natur zu sichern, um
auch eine freie Betrachtung derselben
erhalten zu können.
Der Naturschutzgedanke hatte auch in
Österreich zu dieser Zeit bereits Fuß gefasst. Noch fand er Ausdruck im Schutz
wirtschaftlicher Interessen und wurde
in den Waldordnungen festgelegt. Es
Wildes Wasser – Steiler Fels | Foto: A. Hollinger
21
Apollofalter – seltene Schmetterlingsvielfalt durch Katastrophen
| Foto: H. Keil
folgten weitere Gesetze, um seltene
oder nützliche Tiere und Pflanzen zu
schützen. 1868 wurde in der Steiermark der freie Vogelfang beendet, um
nützliche Insektenfresser zu schützen.
Das Edelweiß wurde hierzulande 1898
unter Schutz gestellt und es galt das
strenge Verbot, diese symbolträchtige
Alpenblume samt Wurzeln auszureißen
oder zu handeln.
Adolf von Guttenberg gründete 1912
den „Österreichischen Verein Naturschutzpark“, die Vorläuferorganisation
des Naturschutzbundes Österreich. Der
Naturschutz bekam durch seine Fürsprecher zunehmend eine ethisch-mo-
Karl Flieher (1881-1958), Planspitze im
Gesäuse
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Ruhe und Erholung wird heute oft in einem Naturschutzgebiet oder
Nationalpark gesucht | Foto: S. Leitner
ralische Komponente. Lange Zeit stand
das Konservierende im Vordergrund
des Naturschutzdenkens. Man wollte
landestypische Tiere, Pflanzen und Lebensräume erhalten. Im 20. Jahrhundert gelang das durch fortschreitende
Industrialisierung, die beiden Weltkriege
und den darauffolgenden Wiederaufbau
nur bedingt. Erst in den 1970er-Jahren
wurde Naturschutz und auch Umweltschutz zu einem breiteren Thema, als die
negativen Folgen von Umweltzerstörung
dramatisch sichtbar wurden.
Ganz im Zeichen dieser Entwicklungen
wurde Österreichs erster Nationalpark,
der Nationalpark Hohe Tauern, gegründet. Der Holzindustrielle Albert Wirth
hatte 1918 den Großglockner und den
Pasterzengletscher gekauft, um beide
dem Österreichischen Alpenverein zu
überlassen. Wirth hatte den Yellowstone
Nationalpark in den USA, den ältesten
Nationalpark der Welt, gesehen und
wollte in Österreich den „Naturschutzpark der Zukunft“ entstehen lassen.
1971 einigten sich die Bundesländer
Kärnten, Salzburg und Tirol auf die Errichtung eines Nationalparks. Jedoch
erst 1981 wurden die Anteile in Kärnten,
1984 in Salzburg und 1991 in Tirol offiziell deklariert. Heute ist der 1.856
km² große Nationalpark Hohe Tauern
der größte Nationalpark im gesamten Alpenraum und eines der größten
Schutzgebiete in Mitteleuropa.
Das unberührte Sausen der Enns
In der Steiermark wurden 1958 das
eindrucksvolle Ennsdurchbruchtal sowie die Gesäuseberge auf einer Länge
von etwa 16 Kilometern, ausgehend
von Admont flussabwärts, zum Naturschutzgebiet erklärt. Es wurde damit
das erste der Steiermark, weitere 138
Naturschutzgebiete folgten bis zum
heutigen Zeitpunkt im Bundesland. 1988
wurde die Kataraktstrecke der Enns
(Gesäuseeingang) zum Naturdenkmal
erklärt und damit an dieser Stelle ein
besonders strenger Schutz des Landschaftsbildes verankert. 2002 hob man
den jüngsten österreichischen Nationalpark, den Nationalpark Gesäuse, aus der
Taufe und verlieh damit der Landschaft
und ihrer Artenvielfalt ein international
anerkanntes Prädikat.
„Nichts berührt uns wie das Unberührte“
lautet heute der Slogan der österreichischen Nationalparks. Sie alle betonen
in ihrer Arbeit den Prozessschutz: Natur
Natur sein lassen. Naturereignisse sind
nicht länger Katastrophen, sondern
Impulse für die Unordnung. Felsstürze,
Lawinen, Muren, Hochwässer und ähnliche Ereignisse mischen die Karten in
der Natur neu. Viele der heute selten
gewordenen Tier- und Pflanzenarten
erhalten sich nur in Lebensräumen, die
einem ständigen Wandel unterworfen
sind. Sie sind angepasst und würden in
großflächig gleichförmigen Landschaften ohne Veränderung aussterben. Heute weiß man, dass die Artenzahl der Blütenpflanzen in einer Lawinenrinne das
Zehnfache einer Mähwiese ausmacht.
Nur eine solche Rinne im Gesäuse beherbergt 674 Schmetterlingsarten. Tod
und Zerstörung sehen wohl anders aus.
Etwas mehr als 200 Jahre nach Schiller
beschreibt Richard Louv im Buch Last
Child in the Woods das Natur-DefizitSyndrom. Er führt eine Reihe von men-
Spürbare Begeisterung für die Natur | Foto: S. Leitner
talen und körperlichen Erkrankungen
bei Kindern darauf zurück, dass kein
direkter Kontakt mit der Natur mehr
besteht.
Was im naturbelassenen Ennstal kaum
real erscheint, wird doch durch die
Erfahrung der Nationalpark-Ranger
bestätigt: Wenn Schülergruppen aus
der Großstadt das erste Mal ihre gewohnte Umgebung verlassen, dann
fällt es ihnen schwer, sich von ihrem
Mobiltelefon zu lösen und ein Gipfelsieg erscheint in unerreichbarer Ferne.
Einmal geschafft, sind die Freude, der
Stolz und die Begeisterung unübersehbar. Grenzerfahrungen, wie sie für die
Entwicklung so wichtig sind, lassen
sich nicht am Handy und auch nicht auf
einem Asphaltparkplatz machen. Auch
Erwachsene suchen diese Emotionen
häufig in einem Schutzgebiet, wo uns
die Natur noch tatsächlich unberührt
erscheint.
Ein Quadratmeter Natur kostet …
Neben der Sehnsucht und den Emotionen, die ein Schutzgebiet für uns verkörpert, gibt es auch ganz praktische
Gründe, auf unberührte Natur nicht
zu verzichten. Im Naturpark sind das
häufig land- und forstwirtschaftliche
Produkte. Sauberem Wasser, sauberer
Luft, dem Erholungswert und weiteren
Gütern kann ebenfalls ein monetärer
Wert beigemessen werden. In den
sogenannten „Ecosystem Services“
versuchen Ökonomen den Preis solcher
Güter zu bemessen. Ein Beispiel: Die
Wiener Hochquellwasserleitungen beziehen ihr Wasser aus naturbelassenen
Wäldern der Region Eisenwurzen. In
In intensivem Kontakt mit der Natur | Foto: S. Leitner
ihrem Einzugsgebiet filtrieren und reinigen die Waldgebiete zwischen Mariazell
und Gußwerk und der Rax und dem
Schneeberg vermeintlich umsonst das
kostbare Nass. Müsste diese Filterleistung technisch erbracht werden, würden die Kosten für einen Kubikmeter
Trinkwasser plötzlich das Dreifache
betragen – bei einem Tagesverbrauch
der Stadt Wien von rund 400.000 m3.
Kritiker dieses Systems bemängeln
allerdings, dass sich unsere Natur
nicht einer Marktwirtschaft unterwerfen lässt. Berechnungen greifen
entweder zu kurz oder berücksichtigen
nicht, dass auch unwiederbringlichen
Ressourcen dabei ein Eurozeichen zugewiesen wird.
Dass ein Naturschutzgebiet für alle
Seiten einen Wert hat, ist auch den
zähen Verhandlungen rund um das
Lassingtal in der Gemeinde Wildalpen zu entnehmen. Den politischen
Willen, ein Wildnisgebiet einzurichten,
hat man bereits mehrfach bekundet,
die Höhe der finanziellen Ablöse wird
aber noch ausverhandelt. Das bisherige
Naturschutzgebiet soll in Zukunft das
international anerkannte Wildnisgebiet
Dürrenstein auf niederösterreichischer
Seite ergänzen und so gemeinsam
die benötigte Fläche bereitstellen. Ein
„Wildnisgebiet“ ist die höchste Schutzkategorie, die die Internationale Naturschutzunion IUCN kennt.
Wird unberührte Natur damit
doch zur Glaubensfrage?
Laut Umweltbundesamt stehen heute
28 Prozent des österreichischen Staatsgebietes unter einer oder mehreren
Schutzgebietskategorien. Marius Mayer
analysierte für den Nationalpark Bayerischer Wald, dass die Entscheidung für
ein solches Schutzgebiet nicht auf ökonomische Sachverhalte reduziert werden kann, sondern immer auch gesellschaftliche Werturteile widerspiegelt,
die sich in demokratisch legitimierten
Entscheidungen niederschlagen.
Dies lässt sich durchaus in Zahlen
fassen: Bei einer EU-weiten Umfrage
(Eurobarometer 436) gaben 8 von
10 Europäerinnen und Europäern an,
dass sie den Verlust der Artenvielfalt
als ernstes Problem wahrnehmen. 76
Prozent glauben auch, dass Menschen
eine Verantwortung dafür tragen, sich
um die Natur zu kümmern und 60 Prozent stimmen völlig mit der Aussage
überein, dass unsere Gesundheit und
unser Wohlergehen von einer intakten
Natur abhängt.
Demnach gibt es alle diese Schutzgebiete, weil genügend Steuerzahlerinnen
und Steuerzahler davon überzeugt sind,
dass sie für uns alle einen Wert besitzen.
Sie haben wie Alexander von Humboldt
oder John Muir die Schönheit und Bedeutung für sich selbst erschlossen und
glauben daran.
Gefördert aus Mitteln der
LTSER Plattform Eisenwurzen Sozio-Ökologische Langzeitforschung in der Region
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Rückblick | Einblick | Ausblick
GOTT ist überall zu Hause
Künstler
Marwan Abado | Oud Spieler (Libanon)
Radha Anjali | Tänzerin (Indien/Österreich)
Ferruccio Cainero | Erzähler (Italien)
Alokesh Chandra | Sithar Spieler (Indien/Österreich)
Saddek El Kebir | Erzähler (Algerien)
Peter Gößwein | Erzähler (Deutschland)
PichlerTruhlarMusic | Kletzmer (Österreich)
Jubril Sulaimon | Erzähler (Nigeria)
Folke Tegetthoff | Erzähler (Österreich)
Der Berg. Das Tal. Das Geschichtenfestival.
ist eine Veranstaltung des INTERNATIONALEN
STORYTELLING FESTIVALS in Kooperation mit
dem Tourismusverband Grimming - Donnersbachtal
Folke Tegetthoff | Alle Fotos: INTERNATIONALEs STORYTELLING
FESTIVAL, N. Pfusterschmid
Mitreißend und berührend – exklusiv inszeniert für die Sonderausstellung „Gott und die Welt“ im Schloss Trautenfels,
werden an einem Abend auf unterschiedliche Weise Geschichten aus den vier Weltreligionen präsentiert.
Spüren Sie die einzigartige Kraft und den unglaublichen
Zauber der Erzählkunst, wenn die Zeit still zu stehen scheint.
Folke Tegetthoff hat dazu 8 Künstler aus 7 Nationen auf den
BERG, ins TAL und ins Schloss eingeladen.
Saddek El Kebir
n Schloss Trautenfels | Samstag, 19. August
20.00 Uhr (Ende ca. 22.30 Uhr) | für Erwachsene
Vorverkauf € 20, Abendkarte € 24
Ticket-Vorverkauf:
Tourismusverband Grimming-Donnersbachtal
8952 Irdning-Donnersbachtal 220
E [email protected] | T +43 3682 239 99
Schloss Trautenfels, Universalmuseum Joanneum
Trautenfels 1, 8951 Stainach-Pürgg
E [email protected] | T +43 3682 222 33
Jubril Sulaimon
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