2 Die Sterne der Milchstraße

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2 Die Sterne der Milchstraße
Übersicht
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
Sterne in der Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Hertzsprung-Russell-Diagramm der Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Braune Zwerge und Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Sloan Digital Sky Survey SDSS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Weiße Zwerge und Neutronensterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fragen zur Vertiefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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58
Die meisten Objekte, die man am Nachthimmel sehen kann, sind Sterne (Abb.
2.1): Einige Tausend sind mit bloßem Auge zu erkennen. Die Sonne ist ein typisches Beispiel für einen Stern – eine hauptsächlich aus Wasserstoff- und Heliumgas
bestehende heiße Gaskugel. Die Gravitation sorgt dafür, dass die Materie nicht in
den Weltraum verdampft. Der Druck, der durch die hohe Temperatur und die
hohe Dichte entsteht, hält die Kugel davon ab, zusammenzuschrumpfen. Im Zentrum des Sterns sind Temperatur und Druck hoch genug, Kernfusionsreaktionen
aufrechtzuerhalten. Die so erzeugte Energie arbeitet sich an die Oberfläche und
wird von dort in den Weltraum abgestrahlt. Wenn der Brennstoff für diese Reaktion aufgebraucht ist, verändert sich die Struktur des Sterns. Der Prozess, der
durch Kernfusion aus leichteren Elementen immer schwerere erzeugt und die innere Struktur des Sterns anpasst, um Gravitationskraft und Druck auszugleichen,
heißt Sternentwicklung.
Die Farbe eines Sterns gibt Auskunft über seine Temperatur, und diese Temperatur hängt von einer Kombination aus seiner Masse und der Entwicklungsphase
ab, in der er sich befindet. Es ist im Allgemeinen auch möglich die Leuchtkraft,
d.h. die Energie, die er als Licht und Wärme abstrahlt, aus der Distanz abzuleiten. Distanzmessungen an Sternen sind deshalb eine fundamentale Aufgabe der
Astronomie.
M. Camenzind, Gravitation und Physik kompakter Objekte,
DOI 10.1007/978-3-662-47839-4_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
26
2 Die Sterne der Milchstraße
Abb. 2.1 Die Milchstraße enthält etwa 300 Milliarden Sterne. Um die galaktische
Scheibe, die sich teilweise hinter Gas- und Staubwolken verbirgt, erstreckt sich ein
sphärischer Halo aus alten Sternen und Sternhaufen. Die ESA-Sonde Gaia ist dabei,
die Sterne der Milchstraße neu zu vermessen (Bild: ESA/ATG medialab; background:
ESO/S. Brunier, mit freundlicher Genehmigung von © ESO)
2.1
Sterne in der Beobachtung
Alle Informationen über Sterne müssen aus ihrer elektromagnetischen Strahlung
gewonnen werden. Diese umfasst alle Bereiche von der Radio-, Infrarot-, sichtbaren
(Licht), Ultraviolett-, bis hin zur Röngten- und Gammastrahlung. Zustandsgrössen der Sterne sind Helligkeit, Distanz, Leuchtkraft, Farbe, Spektraltyp, Masse,
Radius, Dichte, Schwerebeschleunigung, Temperatur, Rotation, Magnetfeld und
chemische Zusammensetzung. Einige dieser Zustandsgrößen lassen sich direkt beobachten, andere müssen erst errechnet werden.
2.1.1
Distanz der Sterne
Als Parallaxe (griech. Vertauschung, Abweichung) bezeichnet man die scheinbare
Änderung der Position eines Objektes, wenn der Beobachter seine Position verschiebt. Die Parallaxe wird heute zur Entfernungsmessung der Sterne in der Galaxis eingesetzt. Als Basislinie dient der Durchmesser der Erdbahn. Der Umlauf der
Erde ändert die scheinbaren Sternpositionen in Form einer kleinen Ellipse, deren
Form vom Winkel abhängt, um den der Stern von der Ekliptik (Ebene der Erd-
2.1 Sterne in der Beobachtung
27
bahn) absteht. Die Parallaxe ist der Winkel, unter dem der Radius der Erdbahn
vom Stern aus erscheint. Beträgt die Parallaxe eine Bogensekunde, so entspricht
das einer Entfernung von 3,26 Lichtjahren. Diese Entfernung wird auch als Parsek
(pc, parallax arcsecond) bezeichnet. Da 1 Radian = 180/π × 60 × 60 = 206.265,
ergibt dies
1 Parsek = 206.265 AE 3, 08 × 1016 m .
(2.1)
Die Astronomen verwenden zudem die Einheiten 1 kpc = 1000 pc, 1 Mpc = 1000
kpc und 1 Gpc = 1000 Mpc (für kosmische Distanzen). Dabei ist eine Astronomische Einheit wie folgt definiert: 1 AE = 149.597.870,700 Kilometer.
Die Parallaxe ist selbst bei nahen Fixsternen so klein, dass man sie lange nicht
messen konnte. Dies wurde von den Vertetern des geozentrischen Modells lange als
wichtigstes wissenschaftliches Argument gegen das neue heliozentrische Weltbild
ins Feld geführt. Auf der Suche nach der Parallaxe wurde zunächst ein völlig anderer Effekt, die Aberration entdeckt. Erst 1838 gelang Friedrich Wilhelm Bessel
die Parallaxenmessung: Er wählte den Schnelläufer (Stern mit großer jährlicher
Eigenbewegung) 61 Cygni aus und konnte die halbjährliche Winkeländerung nach
längeren Analysen zu 0,3” (0,0002 Grad) bestimmen. Selbst beim sonnennächsten
Stern Proxima Centauri (nur vier Lichtjahre entfernt) beträgt die Parallaxe nur
0,772”. In den 1990ern-Jahren gelangen mit dem europäischen Astrometriesatelliten HIPPARCOS genaue Parallaxenmessungen für 118.000 Sterne. Gaia, sein
Nachfolger, begann Ende 2013 damit, noch 40-mal genauere Messungen an etwa
einer Milliarde Sternen durchzuführen.
Beispiel:
Ein Stern in einer Entfernung von 50 pc weist eine Parallaxe von π = 1/50 = 0, 02
Bogensekunden auf.
2.1.2
Die Hipparcos Mission – 120.000 erlesene Sterne
Hipparcos (High Precision Parallax Collecting Satellite) war ein Satellit für Zwecke der Astrometrie. Er wurde nach dem griechischen Astronomen Hipparch von
Nicea benannt, der die Veränderlichkeit der Sternörter entdeckte. Hipparcos wurde
am 8. August 1989 zusammen mit dem deutschen Fernsehsatelliten TV-SAT 2 an
Bord einer Ariane 44LP gestartet. Der Satellit erreichte planmäßig die vorgesehene Geostationäre Transferbahn (Geostationary Transfer Orbit, GTO), in der sein
Abstand von der Erde zwischen 223 und 35.652 Kilometern variierte. Allerdings
zündete der MARGE-II-Apogäumsmotor von Hipparcos nicht, und der Satellit
verblieb in seiner GTO-Umlaufbahn, anstatt wie vorgesehen eine geostationäre
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2 Die Sterne der Milchstraße
Abb. 2.2
Hertzsprung-RussellDiagramm (B–
V, MV ) für 41.704
Einzelsterne aus
dem HipparcosKatalog. Zu sehen
sind die Hauptreihe
der sonnennahen
Sterne (von rechts
unten nach links
oben) und der rote
Riesenast (Daten:
Hipparcos/ESA,
mit freundlicher
Genehmigung von ©
ESA)
Umlaufbahn zu erreichen, von der aus Messungen wechselseitiger Winkelabstände
von etwa 120.000 Sternen mit bis dahin unerreichter Präzision hätten vorgenommen werden sollen.
Mithilfe eines aus diesem Anlass entwickelten neuen Beobachtungsprogramms,
für das freilich eine längere Messphase nötig war als ursprünglich vorgesehen, gelang es, den Satelliten seine Messungen von der ungünstigeren Umlaufbahn des
GTO aus vornehmen zu lassen. Zuvor wurde die Umlaufbahn mithilfe der eigentlich nur für kleinere Kurskorrekturen vorgesehenen Hydrazinkorrekturtriebwerke
leicht vergrößert, sodass der Satellit die Erde nunmehr im Abstand von zwischen
526 und 35.900 Kilometern Höhe umkreiste. Diese Korrektur war notwendig, da
Reibungseffekte der Restatmosphäre in den erdnäheren Regionen der Bahn den
Satelliten sonst zu stark gebremst hätten. Auf diese Weise konnten bis zum Betriebsende im Juni 1993 Messungen vorgenommen werden, welche die ursprünglich
gesteckten Ziele sogar übertrafen.
Für die genaue Bestimmung der Sternpositionen war in Hipparcos ein Spiegelteleskop mit 29 Zentimetern Spiegeldurchmesser und 1,4 Meter Brennweite eingebaut; mithilfe eines zusätzlichen Spiegels wurden gleichzeitig zwei Himmelsregionen im Abstand von 58 Grad abgebildet. In der Brennebene wurde ein Gitter
(8,2 μm Linienabstand; entspricht 1,2 Bogensekunden) platziert, durch das bei der
langsamen Drehung des Satelliten die Sternhelligkeit periodisch moduliert wurde;
das durchgelassene Licht wurde gemessen. Für die Messungen des Hauptkatalogs
2.1 Sterne in der Beobachtung
29
wurde eine image dissector tube, eine Spezialform eines Photomultipliers mit einstellbarem Blickfeld verwendet; damit wurde jeweils nur ein Stern erfasst, andere
Sterne, deren Licht auch auf das Gitter fiel, konnten ausgeblendet werden. Aus der
Helligkeitsmodulation konnten die Sternpositionen zueinander in Drehrichtung bestimmt werden; für die Positionsdaten waren komplexe Ausgleichungsrechnungen
und der Anschluss an Positionsdaten erdgebundener Observatorien notwendig.
Insgesamt bestimmte der Satellit über eine Million Sternörter, 118.000 davon
mit Koordinaten und Bewegungen in einer Winkelgenauigkeit von einigen Millisekunden. Die Hipparcos-Daten (300 Gigabyte) gaben schon im Jahr der Publikation
Stoff für Hunderte von Aufsätzen von mehr als 1000 Astronomen.
Das primäre Ergebnis sind also Positionen der gemessenen Sterne, die zu mehreren Messzeitpunkten (Epochen) bestimmt wurden. Aus zeitlich weit auseinander
liegenden Epochen wurden Eigenbewegungen abgeleitet, aus Positionen im Abstand von halben Jahren die Parallaxen und damit die Entfernungen der Sterne
(Abb. 2.2). Zum Auffinden der Kandidatensterne benötigte Hipparcos bereits so
genaue Positionen, dass umfangreiche Vorarbeiten mit irdischen Teleskopen nötig
waren.
Hipparcos war für die Astrometrie ein bedeutender Meilenstein: Die
Positionen am Himmel, Parallaxen und Eigenbewegungen von 118.000 Sternen
wurden mit einer zuvor unerreichten Präzision von etwa 0,001 Bogensekunden
(Millibogensekunden) gemessen; sie sind im Hipparcos-Katalog verzeichnet
(Abb. 2.2). Darüber hinaus vermaß ein zweites Instrument an Bord über eine
Million Sterne mit immer noch beachtlichen 0,02 Bogensekunden Genauigkeit, die
sich nun im Tycho-Katalog finden. Diese beiden Kataloge sind die beste Realisation des neuen Referenzkoordinatensystems am Himmel, ICRF genannt. Sie
erlauben nun auch Hobbyastronomen, mit Teleskop und Digitalkamera genau und
halbautomatisch jedes Himmelsobjekt einzumessen.
2.1.3
Vermessung der Galaxis mit Gaia – eine Milliarde Sterne
Gaia ist eine astronomische Weltraummission der Europäischen Weltraumagentur
ESA, mit der ungefähr ein Prozent der Sterne unserer Milchstraße astrometrisch,
fotometrisch und spektroskopisch mit höchster Präzision vermessen werden soll.
Gaia baut auf der europäischen Tradition der Erstellung von präzisen Sternkarten
auf, die mit der Hipparcos-Mission der ESA in den 1980er-Jahren in exemplarischer Weise demonstriert wurde. Während jene Mission 100.000 Sterne mit hoher
Präzision und über eine Million Sterne mit geringerer Genauigkeit katalogisierte,
wird Gaia eine Milliarde Sterne mit bisher unerreichter Genauigkeit kartografisch
erfassen.
Der Name des Astrometrieweltraumsonde Gaia leitet sich ab von dem Akronym
für Globales Astrometrisches Interferometer für die Astrophysik. Das
30
2 Die Sterne der Milchstraße
Abb. 2.3 Künstlerische Darstellung der Gaia-Weltraumsonde. Das Modul hat einen
Durchmesser von drei Metern und enthält als wesentliches Element eine hexagonale
optische Bank aus SiC (oben), die alle sechs Spiegel trägt. Diese Struktur sitzt auf einem Servicemodul – die zwölfseitige Struktur im untern Teil. Dieses Modul beherbergt
zwei Sterntracker (unten rechts zu sehen), das Kommunikationssubsystem, den Zentralcomputer, sowie Datenhandlingssysteme und Energieversorgung. Über dem elektrischen
Servicemodul befindet sich die thermische Abschirmung (eine Art Zelt). Darüber befindet
sich die Antenne. Im untersten Teil findet man die Sonnenabschirmung sowie die sechs
Sonnenpanele zur Energiegewinnung (Bild: Hipparcos Mission der ESA, mit freundlicher
Genehmigung von © ESA)
kennzeichnet die ursprünglich für dieses Teleskop geplante Technik der optischen
Interferometrie. Inzwischen hat sich jedoch das Messprinzip geändert, sodass das
Akronym nicht mehr zutrifft. Trotzdem bleibt es bei dem Namen Gaia, um die
Kontinuität in dem Projekt zu gewährleisten.
Das Experiment
Die Weltraumsonde Gaia wurde am 19.12.2013 mit einer Sojus-Fregat-Rakete vom
europäischen Raumfahrtbahnhof Kourou in Französisch-Guayana gestartet (Abb.
2.3). Nach dem Start benötigte Gaia einige Monate, um ungefähr 1,5 Millionen
Kilometer von der Erde entfernt den Stationierungsort beim Lagrange-Punkt L2
zu erreichen. Von dort wird sie dann über einen Zeitraum von fünf Jahren das
2.1 Sterne in der Beobachtung
31
Tab. 2.1 Vollständigkeit, Empfindlichkeit und Genauigkeit: ein Vergleich Hipparcos –
Gaia
Parameter
Hipparcos
Gaia
untere Helligkeitsgrenze
Vollständigkeit
obere Helligkeitsgrenze
Anzahl Messobjekte
12 mag
7,3 - 9,0 mag
0 mag
120.000
Effektive Reichweite
Quasare
Galaxien
Genauigkeit
1 kpc
–
–
1 mas
Fotometrie
Radialgeschwindigkeiten
Beobachtungsprogramm
2 Farben (B, V )
–
ausgewählte Sterne
20 mag
20 mag
6 mag
26 Mio. bis V = 15
250 Mio. bis V = 18
1000 Mio. bis V = 20
100 kpc
1 Mio.
1 Mio. - 10 Mio.
7 μas bei V = 10
10 - 25 μas bei V = 15
300 μas bei V = 20
Spektrofotometrie V ≤ 20
15 km/s bis V = 15
vollständig, ohne Vorauswahl
Weltall abscannen. Ziel ist die Erstellung einer Phasenraumkarte der Milchstraße
[2].
Die Weltraumsonde Gaia rotiert um ihre Achse und scannt damit den Himmel
ab. Daten werden kontuierlich ausgelesen, wenn das Teleskop Großkreise abscannt.
Die CCD-Elektroden werden im selben Takt getimed wie die Scan-Rate von 60
Bogensekunden pro Sekunde. Gleichzeitig präzediert die Sonde um die Achse ErdeSonne mit einer Rate von 63 Tagen (Abb. 2.4).
Diese Anforderungen sind sehr genau ausgearbeitet und getestet worden (Tab.
2.1). Für eine Spinrate von 60 Bogensekunden pro Sekunde und den Aspektwinkel
von 45 Grad zur Sonne entspricht die Präzessionsrate in fünf Jahren Betrieb 29
Umdrehungen der Spinachse um die Sonnenrichtung. Dies ergibt eine Präzessionsdauer von 63 Tagen. Im Schnitt wird damit jedes Objekt etwa 70-mal in den
Gesichtsfeldern der beiden Teleskope erfasst.
Die Kosten der ESA für die Mission einschließlich Start, Bodenkontrolle und
Nutzlast belaufen sich auf ungefähr 700 Millionen Euro. Die Kosten für die wissenschaftliche Datenreduktion (die von den Mitgliedsländern der ESA aufgebracht
werden müssen) werden auf etwa 120 Millionen Euro geschätzt. Die Bodenkontrolle
32
2 Die Sterne der Milchstraße
Abb. 2.4 Die zwei astrometrischen Gesichtsfelder von Gaia scannen den Himmel in
ganz bestimmter Weise ab. Die Sonde rotiert mit 60 Bogensekunden pro Sekunde,
dies entspricht sechs Stunden Scandauer für einen Großkreis am Himmel. Der Spin
präzediert langsam in 63 Tagen um die Sonnenrichtung, sodass der Winkel von 45
Grad zwischen Sonne und Spinachse konstant gehalten wird. Der Basiswinkel zwischen
den beiden Gesichtsfeldern beträgt 106,5 Grad (Grafik: Gaia/ESA, mit freundlicher
Genehmigung von © ESA)
und alle wissenschaftlichen Operationen werden vom Europäischen Raumflugkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt unter Verwendung der spanischen Bodenstation in Cebreros ausgeführt.
Gaia trägt drei wissenschaftliche Hauptinstrumente, die gemeinsam von einem
Teleskop mit zwei weit voneinander getrennten Gesichtsfeldern am Himmel versorgt werden (Abb. 2.6). Das Teleskop hat keinen kreisförmigen, sondern einen
rechteckigen Primärspiegel der Größe 1, 45 × 0, 5 Meter. Alle Instrumente schauen
auf die gleichen um 106,5 Grad getrennten Himmelsabschnitte.
Astrometrie: Ein Feld von 76 CCD-Detektoren wird die Himmelsobjekte
erfassen (Abb. 2.5). Das Detektorfeld wird während der Gaia-Mission die
Sternpositionen und die Sternbewegungen am Himmel mit hoher Präzision
erfassen.
Fotometrie: 14 zusätzliche CCD-Detektoren werden Helligkeit und Farbe
in einem breiten Wellenlängenbereich messen.
2.1 Sterne in der Beobachtung
33
Abb. 2.5 Die beiden Gesichtsfelder von Gaia sind etwa 1, 4 × 0, 7 Quadratgrad groß,
überdecken am Himmel also etwa die vierfache Fläche der Sonnen- bzw. Vollmondscheibe. Erfasst werden sie von einem Feld von insgesamt 106 CCD-Detektoren mit
einer Auflösung von je 4500 × 1966 Pixel. Zusammen haben die Kameras der Sonde damit rund eine Milliarde Pixel. Ein Feld von 62 dieser CCD-Detektoren in einem
7 × 9-Raster wird die Himmelsobjekte registrieren. 14 CCD-Detektoren in zwei Reihen
messen Helligkeit und Farben in einem breiten Wellenlängenbereich. Das Radialgeschwindigkeitsspektrometer benutzt dasselbe kombinierte Gesichtsfeld wie das astrometrische und das fotometrische Instrument. Es arbeitet mit zwölf CCD-Detektoren,
die Ca II-Linienspektren der Sterne aufnehmen (Bild: Gaia/ESA)
Spektroskopie: Das Radialgeschwindigkeitsspektrometer (RVS) benutzt
dasselbe kombinierte Gesichtsfeld wie das astrometrische und das fotometrische Instrument. Es arbeitet mit 12 CCD-Detektoren, deren spektroskopische Informationen die Ableitung der Sternbewegungen entlang der Sichtlinie erlauben. Zusammen mit dem Fotometer wird es auch eine genaue
Klassifikation vieler der beobachteten Objekte erlauben.
Wissenschaftliche Zielsetzung von Gaia
Gaia wird Positionen (Koordinaten), Parallaxen (als Entfernungsindikatoren) und
jährliche Eigenbewegungen von ungefähr einer Milliarde Sternen bestimmen. Für
die hellsten 100 Millionen Sterne wird die Messgenauigkeit 20 Mikrobogensekunden oder besser betragen. Für die schwächeren Sterne wird die Genauigkeit
niedriger, aber immer noch unübertroffen sein. Sogar für die schwächsten Sterne
wird die Genauigkeit besser als eine Millibogensekunde sein. Außerdem werden für
eine Milliarde Sterne Helligkeit und Farbe mit hoher Genauigkeit gemessen wer-
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2 Die Sterne der Milchstraße
Abb. 2.6 Das Gaia-Teleskop. Das optische Teleskop besteht aus sechs Reflektoren
(M1 - M6), zwei sind gemeinsam (M5, M6). Die Eingangsöffnung ist 1, 45 × 0, 5
Quadratmeter und die Fokallänge beträgt 35 Meter. Beide Hauptspiegel M1 und M2
haben einen gemeinsamen Fokus (Bild: EADS Astrium, mit freundlicher Genehmigung
von © EADS Astrium)
den. Für die hellsten 100-200 Millionen Sterne wird Gaia zusätzlich gut aufgelöste
Spektren liefern, aus denen Radialgeschwindigkeit, Temperatur, Oberflächengravitation und chemische Zusammensetzung der Sterne bestimmt werden können.
Darüber hinaus dürfte Gaia die größte Entdeckungsmaschine in der Astronomie werden. Abschätzungen lassen vermuten, dass Gaia folgende Anzahlen neuer
Himmelsobjekte entdecken wird:
bis zu einer Million Asteroiden und Kometen innerhalb unseres Sonnensystems,
30.000 Planeten außerhalb unseres Sonnensystems,
50.000 sogenannte Braune Zwerge,
etwa 500.000 erloschene Sternüberreste, sogenannte Weiße Zwerge,
etwa 20.000 explodierende Sterne, sogenannte Supernovae,
Hunderttausende weit entfernte aktive Galaxien, sogenannte Quasare.
Gaia ist für eine fünfjährige Missionsdauer ausgelegt. Die Kosten der ESA für
die Mission einschließlich Start, Bodenkontrolle und Nutzlast belaufen sich auf
ungfähr 577 Millionen Euro. Die Kosten für die wissenschaftliche Datenreduktion
http://www.springer.com/978-3-662-47838-7
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