A. Völkerrecht und litauisches Recht I. Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht stellt seit langem eines der besonderen und schwierigsten Probleme der Völkerrechtslehre und überhaupt des Rechts dar. Im Einzelnen geht es darum, 1) welche der beiden Rechtsordnungen bei einer inhaltlichen Kollision den Vorrang genießt und 2) ob das Völkerrecht unmittelbar in den nationalen Rechtsordnungen gilt bzw. anwendbar ist oder ob weitere staatliche Maßnahmen für die Umsetzung völkerrechtlicher Normen notwendig sind. Nach Bleckmann handelt es sich dabei in verengter Sicht darum, ob und wie das Völkerrecht im nationalen Recht gilt, und in einem erweiterten Sinne, ob und wie das nationale Recht im Völkerrechtsraum wirkt7. Verdross betont, dass „der Gedanke des Völkerrechts so alt wie der Verkehr zwischen den Staaten“ ist.8 Dennoch sind die theoretischen Auseinandersetzungen zu dieser Frage – vor allem in Deutschland, Frankreich und Italien – erst um die Wende zum 20. Jahrhundert entflammt. 9 1. Monismus und Dualismus Das Thema des Verhältnisses zwischen Völkerrecht und nationalem Recht ist heutzutage immer noch aktuell und sehr wichtig. Es gibt unterschiedliche staatliche Praxis und verschiedene wissenschaftliche Betrachtungsweisen hierzu. Die Vertreter des Dualismus und des Monismus, der zwei konkurrierenden Haupttheorien10 zur Frage des allgemeinen Verhältnisses von Völkerrecht und Landesrecht, haben sich bis in die Gegenwart darüber gestritten, welche Theorie hinsichtlich der beiden Rechtsordnungen richtig ist. Sie haben gesucht und suchen immer noch nach der Antwort auf die Frage: Sind Völkerrecht und Landesrecht zwei ganz voneinander getrennte selbständige Rechtsordnungen oder sind sie Bestandteile der einen und derselben Rechtsordnung? 7 8 9 10 Bleckmann, Völkerrecht, S. 135. Verdross, Vierhundert Jahre Völkerrechtswissenschaft, S. 36. Vgl. Verdross/Simma, S. 53-54. Bleckmann, Völkerrecht, S. 135, begründet die Späterkennung dieser Problematik durch die Verwandlung des Völkerrechts vom Koexistenzin das Kooperationsrecht, wenn „das Völkerrecht innerstaatliche Rechtsbeziehungen zu regeln begann, die durch die nationalen Behörden und Gerichte zu vollziehen waren“. Mehr dazu Brownlie, S. 32 ff.; O’Connell, S. 39 ff.; Partsch, International and Municipal Law, S. 1183-1202. Über die Herkunft der beiden Theorien siehe in Schaffer, ICLQ 32 (1983), S. 277-278. 17 a) Dualismus Die Vertreter des Dualismus 11 (Triepel, Anzilotti, Walz, Scheuner u. a.) sind der Meinung, dass innerstaatliches Recht und Völkerrecht jeweils getrennten, selbständigen Rechtsordnungen angehören. Der Begründer dieser Theorie – und zwar des strengen (radikalen) Dualismus – war Triepel. Er hat als erster das Verhältnis von Völkerrecht und nationalem Recht als besonderes Problem begriffen. In seinem weithin bekannten Werk „Völkerrecht und Landesrecht“ führt er aus: „Völkerrecht und Landesrecht sind nicht nur verschiedene Rechtsteile, sondern auch verschiedene Rechtsordnungen. Sie sind zwei Kreise, die sich höchstens berühren, niemals schneiden. So ist es von unserem Standpunkte aus ein vollkommener Widerspruch, Völkerrecht zugleich Landesrecht sein zu lassen oder umgekehrt.“12 Seiner Meinung nach ist das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht in dreifachem Sinn gegensätzlich, d.h. die beiden Rechtsordnungen haben verschiedene Rechtsquellen und Adressaten sowie einen unterschiedlichen Inhalt13. Während die Quelle des innerstaatlichen Rechts der Wille 14 des Staates sei, sei Quelle des Völkerrechts die Vereinbarung 15 der Staaten. Die Adressaten würden sich unterscheiden, weil das Völkerrecht nur die Staaten, das Landesrecht dagegen die Gerichte, Behörden sowie die Einzelnen berechtige und verpflichte. Schließlich würden ihrem Inhalt nach Völkerrecht und das innerstaatliche Recht auseinanderfallen, weil das Landesrecht die Beziehungen des Staates zu den Einzelnen und die Beziehungen der Einzelnen untereinander im Innern des Staates, das Völkerrecht aber die Beziehungen der souveränen Staaten inter se sowie zwischen den Staaten und anderen internationalen Organen oder Organisationen regele. Den strengen Dualismus Triepels hat Anzilotti weiterentwickelt. Ungeachtet dessen, dass seine Thesen sich zweifelsohne auf die dualistische Lehre Triepels beziehen und er in seinem berühmten Werk „Lehrbuch des Völkerrechts“ die gleiche Auffassung wie sein Vorgänger vertritt, dass das Völkerrecht und das Landesrecht zwei getrennte Rechtsordnungen seien16, hat Anzilotti auch seine eigenen Thesen entwickelt. Seine Lehre entwarf demgegenüber einen gemäßig11 12 13 14 15 16 18 Wegen der Vielheit der staatlichen Rechtsordnungen wird Dualismus auch als Pluralismus bezeichnet. Triepel, S. 111. Ibid., S. 8-23. Schaffer, ICLQ 32 (1983), S. 278: „Der Wille des Staates wird durch die Organe der Legislative oder der Judikative ausgeübt oder äußert sich als Gewohnheitsrecht“. Als eine solche Vereinbarung werden der Vertrag und, der Vertragstheorie entsprechend, auch das Völkergewohnheitsrecht angesehen. Anzilotti, S. 38. ten Dualismus, welcher Einwirkungen des Völkerrechts auf das Landesrecht zulässt und darauf ausgerichtet ist, die beiden Rechtsordnungen einander wieder anzunähern. Die Lehren Triepels und Anzilottis werden in der Literatur als „Dualismus mit Völkerrechtsprimat“ charakterisiert. 17 Ein Primat des Völkerrechts bestehe in dem Sinne, dass die Staaten verpflichtet seien, die Ge- und Verbote zu erfüllen, und dass eine Nichtbeachtung dieser Pflichten völkerrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne. 18 Der derzeitige Dualismus betont nicht nur die Existenz der unterschiedlichen und selbständigen Rechtsordnungen, sondern auch das Zusammenwirken der beiden, so dass sie aufeinander hinweisen: „Jede Rechtsordnung im internationalen Raum regelt ihren eigenen Beziehungskreis. Aber es führt nicht zu der Geschlossenheit und Selbstisolierung. […] alle Rechtsordnungen sind in gegenwärtiger Welt miteinander gebunden. Das Recht eines Staates steht mit dem Recht der anderen Staaten, auch mit dem Völkerrecht, und das Völkerrecht - mit dem Recht aller in der Welt existierenden Staaten in Verbindung“ 19. b) Monismus Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gab es deutliche Bestrebungen, das Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht neu zu konstruieren, weil Zweifel an der Richtigkeit einer unbegrenzten Staatssouveränität - des wichtigsten Grundes für die Vorherrschaft des Dualismus in der Völkerrechtswissenschaft - aufkamen. Die Mehrheit der Völkerrechtswissenschaftler war davon überzeugt, dass die Triepelsche Lehre nicht mehr dem neuen internationalen Leben entsprach.20 Hier hatten die verschiedenen monistischen Schulen Erfolg. Im Gegensatz zu den Dualisten behaupteten die Vertreter des Monismus (Krabbe, Kelsen, Duguit, Scelle, Verdross, Hegel u. a.), dass es auf der Welt eine einzige, einheitliche rechtliche Ordnung mit einem einheitlichen Geltungsgrund gebe, deren Elemente getrennte, sich in der Hierarchie befindende Rechtsordnungen (Völkerrecht und Landesrecht) seien. Jedoch war der Geltungsgrund dieser einheitlichen Rechtsordnung innerhalb der monistischen Lehre umstritten21, was zu der Entstehung zwei verschiedener Richtungen, der monistischen Theorie mit Primat des Staatsrechts und der monistischen Theorie mit Primat des Völkerrechts, geführt hat. 17 18 19 20 21 Salvioli, RdC 46 (1933, IV), S. 31. Amrhein-Hofmann, S. 120. Rubanov, СГиП 1991, Nr. 10, S. 98-105. Mirkine-Guetzévitch, RdC 38 (1931, IV), S. 320-321. Vgl. Müller/Wildhaber, S. 161. 19 aa) Die monistische Theorie mit Primat des Völkerrechts22 Gemäß dieser Theorie ist das Völkerrecht die ursprüngliche Rechtsordnung, aus der sich das innerstaatliche Recht ableitet. Hauptvertreter dieser Richtung war Kelsen, der behauptete, dass das Völkerrecht und staatliches Recht als getrennte Rechtsordnungen keine gleichzeitig bestehende rechtliche Verbindlichkeit entfalten könnten. Zusammen mit innerstaatlichen Rechtsordnungen bilde das Völkerrecht ein „universelles System des ganzen Rechts“23. Es bestehe eine Identität des Regelungsgegenstands beider Rechtsordnungen („menschliches Verhalten“), es gebe keine Verschiedenheit bezüglich ihrer Normadressaten (Völkerrecht verpflichte nicht nur die Staaten, sondern mit Hilfe der innerstaatlichen Rechtsordnung auch die Einzelmenschen), und die Rechtsquellen seien nicht völlig unterschiedlich sowie gegenseitig unabhängig (der staatliche Wille). 24 Die Lehre von Kelsen wird in der Völkerrechtswissenschaft als „strenger“ oder „radikaler“ Monismus bezeichnet. 25 Kelsen definierte das Völkerrecht als eine übergeordnete und allein souveräne Rechtsordnung, welche nach dem Grundsatz des Effektivitätsprinzips den Staat definiere, den territorialen, temporalen und materialen Geltungsbereich der staatlichen Rechtsordnungen bestimme und diese gegenseitig voneinander abgrenze. 26 Demzufolge seien völkerrechtswidrige Normen des Landesrechts schlechthin von vornherein automatisch nichtig und ungültig. 27 Der strikte Monismus konnte sich jedoch nicht durchsetzen, dagegen hat seine gemäßigte Form eine größere Bedeutung erlangt. Den gemäßigten Monismus vertrat Verdross. Im Gegensatz zu Kelsen bejahte er, dass nicht dem ganzen Völkerrechtssystem, sondern ausschließlich den obersten Völkerrechtssätzen der Primat zukommen könne, weil nur diese rangmäßig über den einzelstaatlichen 22 23 24 25 26 27 20 Anufrieva, S. 122-123: „Die Quelle der monistischen Theorie mit Primat des Völkerrechts befindet sich in dem Charakter des Völkerrechts, wie es am Anfang des XX. Jahrhunderts war. Damaliges Völkerrecht hat mit seinem Recht auf den Krieg, auf die Eroberung des Territoriums und Aufteilung der Welt, auf den Schutz des Kolonialismus und auf den Eingriff in die innerstaatlichen Angelegenheiten der anderen Staaten die objektive materielle Basis für die Anerkennung des Vorrangs des Völkerrechts vor dem Landesrecht gebildet.“ Kelsen, Principles of International Law, S. 94, 202. Kelsen, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts, S. 124-139; Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 325 ff. Menzel, S. 52; Seidl-Hohenveldern (Rudolf), S. 132. Kelsen, Über Staatsunrecht, S. 101; Kelsen, ZaöRV 19 (1958), S. 238-240; Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 221-222. Kelsen, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts, S. 113; Kelsen, ZaöRV 19 (1958), S. 234-248; Kelsen, Principles of International Law, S. 553-588. Dem strengen Monismus mit Völkerrechtsprimat schloss sich auch Scelle, S. 31-32, an. Rechtsordnungen stehen könnten. 28 Die Hoheitsrechte der Staaten würden aus dem Völkerrecht abgeleitet. Aufgrund dessen komme den Staaten ein weiter Gestaltungsspielraum und somit eine relativ selbständige Rechtsordnung zu, d.h. das staatliche Recht behalte im Konfliktfall zunächst Geltungskraft, bis sie von der staatsrechtlich zuständigen Institution behoben würde. Der Vorrang des Völkerrechts bedeute, dass sich ein Staat nicht auf die Vorschriften seiner eigenen Rechtsordnung beziehen könne, um die Verletzung einer völkerrechtlichen Pflicht zu rechtfertigen. 29 bb) Die monistische Theorie mit Primat des innerstaatlichen Rechts Die Ursprünge der älteren monistischen Rechtsauffassung mit dem Primat des nationalen Rechts lassen sich bis Hegel zurückverfolgen. 30 Dessen Thesen über die Souveränität des Staates waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts zugleich „Auslöser und Eckstein der Souveränitätsauffassung der Völkerrechtswissenschaft“.31 Nach der Lehre Hegels entstehen die Regeln des Völkerrechts, des „äußeren Staatsrechts“, nur durch den „besonderen souveränen Willen“ 32 des Staates. Die Hegelsche Rechtsauffassung wurde aufgrund zwangsläufiger Konsequenzen33 seiner Lehre nicht umfassend und ausnahmslos anerkannt. Sowohl für die Gegner als auch für die Befürworter der Willenslehre war es unmöglich, das Prinzip pacta sunt servanda mit der möglichen Situation einer staatlichen Willensänderung in Übereinstimmung zu bringen. 34 Erstmals aufgegriffen wurde die Hegelsche Staatssouveränitätslehre insbesondere durch Jellinek, der die Verbindlichkeit des Völkerrechts aufgrund der staatlichen Selbstverpflichtung betonte. Der Staat sei keiner anderen Gewalt unterworfen, deswegen entstehe die Staatsverpflichtung aus dem staatlichen Willen. 35 Da die Selbstverpflichtungs28 29 30 31 32 33 34 35 Verdross, Die Einheit des rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsverfassung, S. 134, 162-169; Verdross, Die Verfassung der Völkergemeinschaft, S. 37; Verdross, Völkerrecht, S. 113-114. Vgl. Diez (Verdross), S. 261-267. Verdross/Simma, S. 53. Amrhein-Hofmann, S. 246; Verdross, Die Einheit des rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsverfassung, S. 4; Verdross/Simma, S. 15-16. Hegel, § 330, 333. Ibid., § 334: Der Widerspruch von staatlichen Willen führt zu einer Entscheidung durch Krieg. Amrhein-Hofmann, S. 248; Verdross, Die Einheit des rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsverfassung, S. 6-8. Jellinek, S. 2-3, 7, 40, 45; Hobe/Kimminich, S. 223-224: „Das Völkerrecht ist nach dieser Theorie keine selbständige, sondern eine abgeleitete Rechtsordnung. Untersucht 21 lehre weder eine tatsächliche Völkerrechtsverbindlichkeit für die Staaten noch eine Rechtssicherheit innerhalb des Staatenverkehrs gewährleisten kann, wird sie in der Literatur stark kritisiert und abgelehnt. 36 Der Monismus mit Staatsrechtsprimat wird heute weder in der Praxis noch in der Lehre mehr vertreten: Er lasse die Geltung des Völkerrechts von der Anerkennung durch die Staaten abhängen und hebe dadurch im Ergebnis auf 37, sowie sei überholt worden38. c) Bewertung Obwohl über die dualistische und monistische Lehre mit aller Schärfe diskutiert wurde, wird im Schrifttum überwiegend zu Recht die Ansicht vertreten, dass dieser Theorienstreit heute keine praktische Bedeutung mehr habe. Es sei weitgehend nur ein Streit um Worte und Begriffe 39. Die nationalen Rechtsordnungen seien mit der internationalen Rechtsordnung gegenwärtig so eng verzahnt, dass weder von einer Trennung noch von einer Vereinheitlichung die Rede sein könne. Es sei unmöglich, aus einer einzelnen Theorie unmittelbare Rechtsfolgen für alle Fragen zu ziehen. Die gemäßigten Varianten beider Theorien würden sich kaum im Ergebnis unterscheiden: Beide führten dazu, dass das Völkerrecht innerhalb des innerstaatlichen Rechts Beachtung finden muss. 40 Für die Praxis sei nicht das wichtig, ob das Völkerrecht und staatliches Recht eine einheitliche Rechtsordnung bilden oder zwei selbständige Rechtsordnungen sind, sondern, ob Staatsinstitutionen, einschließlich der Gerichte, für die Begründung ihrer Entscheidungen sich unmittelbar auf einen völkerrechtlichen Vertrag oder auf das Völkergewohnheitsrecht berufen können. 41 Der litauische Rechtswissenschaftler Vadapalas ist der Auffassung, dass die Begriffe „Dualismus“ und „Monismus“ praktisch nur in Diskussionen über die Verwirklichung der Völkerrechtsnormen in der innerstaatlichen Rechtsordnung 36 37 38 39 40 41 22 man aber diese Ableitung näher, so erkennt man, dass es sich hier nicht um eine monistische, sondern um eine pluralistische Theorie handelt, denn die Ableitung des Völkerrechts erfolgt zwangsläufig aus sehr vielen verschiedenen innerstaatlichen Rechtsordnungen“. Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, S. 422-423; Verdross, Die Verfassung der Völkergemeinschaft, S. 14. Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 266. Grassi, S. 40. z.B. Fitzmaurice, RdC 92 (1957) II, S. 71; Schreuer, S. 173-174; Wagner, AöR 89 (1964), S. 212-213; Walz, S. 264 f; Zuleeg, DÖV 1977, S. 467. Akehurst/Malanczuk, S. 95; Berber, S. 95-96; Geiger, S. 14; Jelitte, S. 44; Schweitzer, S. 13; Vadapalas, Tarptautinės sutartys Lietuvos teisės sistemoje, S. 176. Kuznecov, S. 153. verwendet werden. Monistisch sei eine innerstaatliche Rechtsordnung, wenn die völkerrechtlichen Normen unmittelbar anwendbar sind und den Vorrang vor den Gesetzen des Staates genießen. Dualistisch, wenn die völkerrechtlichen Normen gesetzgeberisch umgesetzt und in die nationale Rechtsordnung aufgenommen werden müssen.42 2. Andere Theorien a) Koordinationstheorie Unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile der dualistischen sowie monistischen Theorie hat sich die sog. Koordinationstheorie entwickelt. Diese Theorie erklärt das Verhältnis zwischen dem Völkerrecht und innerstaatlichem Recht durch die Koordination, Vereinbarkeit und Wechselwirkung der beiden selbständigen Rechtsordnungen, von denen keine den Vorrang vor der anderen hat. 43 Der Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages ist ein passendes Beispiel für ein solches Zusammenwirken, wenn der Wille einzelner Staaten vereinbart wird. Ohne Berücksichtigung der wesentlichen Normen des Völkerrechts und des Landesrechts ist der Abschluss eines solchen Vertrages unmöglich, weil der Abschluss von den Normen der beiden Rechtsordnungen geregelt wird 44. Der gemeinsame Geltungsraum des Völker- und des Landesrechts wird in dieser Theorie verneint. Zwar schneiden sich beide Rechtsordnungen wegen der Geltung in getrennten Sphären nicht, jedoch wird die Möglichkeit der Kollision zwischen Völkerrecht und Landesrecht nicht ausgeschlossen. Das Völkerrecht nach der Koordinationstheorie ist eine Rechtsordnung mit koordinativem Charakter. Deswegen müssen im Kollisionsfall zwischen beiden Rechtsordnungen zuallererst die Normen des innerstaatlichen Rechts miteinander in Übereinstimmung gebracht werden45. Diese These der Koordinationstheorie kann man mit Art. 27 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge 46 begründen, welcher einen wesentlichen Rechtssatz des Völkervertragsrechts verankert, dass „eine Vertragspartei sich nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen kann, um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen“. Ferner wird in den Staatsverfassungen der Grundsatz des Vorrangs völkerrechtlicher Verträge vor innerstaatlichen Gesetzen verankert. 42 43 44 45 46 Vadapalas, Tarptautinės sutartys Lietuvos teisės sistemoje, S. 176; Vadapalas, Tarptautinė teisė, 2. Aufl., S. 48. Katuoka, Tarptautinė teisė Lietuvos teisinėje sistemoje, S. 43. Radušytė, Tarptautinės sutartys Lietuvos Respublikos teisinėje sistemoje, S. 81. Katuoka, „Jurisprudencija“, 2000, Nr. 15(7), S. 56. BGBl. 1985 II, S. 927; „Valstybės žinios“, 2002, Nr. 13-480. 23